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ZEITSCHRIFT
FÜR
DEUTSCHES ALTERTHUM
UND
DEUTSCHE LIHERÄTÜR
UNTER MITWIRKUNG
TOH
KARL MÜLLENHOFF vm WILHELM SCHERER
HERAUSGEGEBEN
von
ELIAS STEINMEYER
SIEBENÜNDZWANZIGSTER BAND
DER NEUEN FOLGE FÜNFZEHNTER BAND
BERLIN
WEIDMANNSGHE BUCHHANDLUNG
1883
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INHALT.
Btlto
IKe rittel der köoigin tob Saba, Ton Hertz 1
Die Sprüche des bremischen ratsstuhls, von Meyer 33
Falco, Ton Batst 50
Bemerknngen zur Kindheit Jesn, Ton Scbönbach 65
IKe heimat des deutschen Rolandsliedes, Ton Schröder 70
Ist Konrad von Heimesfnrt der Verfasser des JfldelT, von Steinneyer 83
Noch einmal MF 48, 13 ff, von Lncae 88
Kasseler bmchstficke, von Kochendörffer 91
Zn Zs. 25, 170 ff. 244 ff, von Köhler 96
Das hssverhaltnis der Elis saga ok Rosamondn, von Kölbing ... 97
Über Otfiids vers- und wortbetonnng, von Wilmanns 105
Das Heldenbach an der Etsch, von Zingerle 136
Wenielen, von Franck 142
Zq Wolfram, von Martin 144
Teldekes Servatins. Münchner fragment, von Meyer 146
Ahd, glossen in HamOtonhss., von Wattenbach 157
Albrecht von Scharfenberg nnd der dichter des Jungem Titnrel, von
SpiUer 158
Hat Oswald von Wolkenstein im jähre 1424 Tirol verlassen?, von
Noggler 179
Kritische nntersachnng der quellen zur geschichte Ulfllas, von Kauf-
mann 193
Stadien über Ulrich Fäetrer, von Spiller 262
Der Strafiibnrger Alexander und Eilharts Tristrant, von Wilmanns 294
Parricida in Schillers Teil, von Brahm 299
Königsberg, der dichter der Klage über die ermordung Friedrichs von
Braunschweig, von Wyss 301
Sarantasm^, von Lichtenstein 302
Zu bnider Berthold, von Denifle 303
Predigtbrachstficke vi, von Schönbach 305
Segen, von demsdben 308
Ein diebssegen, von Steinmeyer 3t 1
Ahd. eigennamen, von Hofmann 312
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IV INHALT
Seite
Wolframs Selbstverteidigung, Parzival 114, 5 — 116, 4, von Stosch 313
Die anordnuDg der Raodliebfragmente and der alte Ruodliebus, von
Seiler 332
Das volkstfimlicbe deutsche liebeslied, von Bardach 343
Kleine beitrage zur geschichte der deutschen mystik, von Strauch 363
I Mechthild von Magdeburg 368
n Die jüngere Gertrud 373
in Mechthild von Hackeborn 376
Bemerkungen zu Seifrid Helbling, von Martin 382
Eine hs. des Wälschen gastes, von SteiDmeyer 384
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DIE RÄTSEL DER KÖNIGIN VON SABA.
Zs. 23, 48 hat b^err prof. MUUeabpff eipe ootiz ^es berrp
Carl Becker »us Awslerdam über einea bisher mobajcapqtaa go-
belio nilgfiteili. ich war dieaes frUbjabr ebei^ dasfiW beschäftigt,
AwB ddFauf abgebildeten gegenatande i^acbzvgßb^i^« als mir ein
glücklicher aufall eii>«a awieiteii tappipb mü dereelb^o dar^telluog
Tor augeo brachte.
Dieser, seit kurzem im besitze s. d. des fürajim von Reufa
j. ]., war zur ausbei6er«Dg bieher naich HOoiBben geschickt wprdea.
iaul gflüger miit/silttiig des fürstl. reufaiachen faofmrschails» frei-
herro voii Neyaeobug, bal er sich seit iiP7Arden)ilifi$ber zeit in
der kircbe zu Kiracbkaii, ei^ew dorfe bei Schlei?, befuAdeu, wp
er zuletzt iu »ii^m kleiifiei» raunie bii^ler der sakriatei an eio^
bretterwand genagelt war. nach Brückner (Vplka- und landea-
kunde des flirattentiiina Beufc j. 1., Gera 1$70, s. 623) soll er
in der früheren, im j. 1503 ^baut^n wd 1751 abgebrochenen,
Kirschkauer kircbe als altardecke gedient babeo. er ist jetzt im
fürstl. schlösse zu Schleiz aufbewahrt und wird dort vorauasicht-
lieh im müpzkabinet aufgeb^ngt werden, in w/elcbem fr.eiberr
Yon Meysenbug ein kleines museum zusommenateUt.
Der gobelin stammt aus dem j. 1566. er ist 86 om. hoch
und 120 breit, wie die noch unverblichene rOckseite zeigt,
prangte er dereinst in buntester farbenpracht. in einem üppigen
garten voll blumen und fruchtb^umep sitzt recbt3 (vom bjespb^ue^)
ein kAnig auf goldenem throne, in reicher trachc, die kröne auf
dem haupt, den aeepter in der rechten, drei hofleute stehen
hinter ihm. am fufse des thrones ist ein äffe angekettet, da*
neben sieht man im blumigen grase weifse hasen und einen pfau.
dem throne gegenüber auf der linken seite des bildes steht eine
Z. F. D. A. XXVU. N. F. XV. 1
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2 DIE RÄTSEL DER KÖNIGIN VON SABA
gekröDte frau in prächtiger tracht des IGjhs. sie hält in der
linlten einen blumenstraufs, über dem eine (kaum mehr zu er-
kennende) biene fliegt, hinter ihr stehen vier edelfrauen, deren
eine, eine jugendliche gestait, ihr die schleppe trägt, ein weifses
hUndiein mit rotem halsband läuft neben her; im grase tummeln
sich eichhorn und feldhuhn. in der mitte des bildes unter einem
apfelbaum yor den mit rotem, grünumsäumtem teppich belegten
stufen des thrones sind zwei gleich grofse kinder beschäftigt,
äpfel aufzulesen, beide mit kurzen blonden lockenhaaren, beide
in gegürteten gelben knabenrOcken mit hlauen säumen, in wei-
fsen Strümpfen und gelben schuhen, das eine steht aufrecht und
steckt einen apfel in den busen; das andere bückt sich und
sammelt äpfel in seinen wie eine schürze aufgenommenen rock-
schoofs. oben in den bäumen sitzen und flattern verschieden-
artige Vögel, darunter eine eule. in den oberen ecken sind zwei
Wappenschilde angebracht, rechts eine goldene liHe auf rotem
dreiberg in blauem feld, links ein stehendes goldenes kreuz in
schwarzem feld. ^
Über und zwischen den personen windet sich ein vielge-
schlungenes weifses Spruchband mit derselben inschrift in schwar-
zen gotischen buchstaben wie auf dem von herrn Becker be-
schriebenen gobelin. nur müssen die reimpare umgestellt werden,
über der kOnigin, die mit der rechten nach den kindem zeigt,
stehen die verse:*
Bescheide mich, kinig, oh die blumen und kind
van ort glich oder ungliA eindi,
des kOnigs antwort lautet:
* wie mir freiherr von Meyseobug bestStigt, slimmt keiner dieser
Schilde zu den wappen der einst in Kirschkau begüterten adekfamilien,
welche Brackner (aao. 624) aafz&hlt.
* ich gebe die verse nach herrn Beckers aufzeichnung. die inschrift
des Kirschkaner teppichs hat Brückner noch Tollständig vorgelegen, wie
seine freilich incorrecte widergabe (aao. 623) beweist als der teppich
nach Mfinchen kam, war die inschrift grofsenleils zerstört, ich habe mit
herrn bibliotheksecretSr dr Wilhelm Meyer, der mir in dieser ganzen Unter-
suchung aufs freundlichste an die band gieng, nur noch folgende bmchstucke
lesbar gefunden: Beseh .... mich kinig o m
er ungleich sind te blum nil tpart
d..t (für dietet kein platz) Kindt ze ..t an sei art 1566.
die Jahreszahl ist sicher, das fehlende ist seitdem nach dem Beckerschen
text ergSnzt worden.
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DIE RÄTSEL DER KÖNIGIN VON SABA S
Die Bietm die reckte bium nicht spart.
Dieses kind zeigt an sin wiblich art.
dabei deutet er mit der linken auf das kind, das die flpfel im
aufgehobenen rocke sammelt.
Bild und inschrifl lassen keinen zweifei darüber, dass wir
den könig Salomo und die königin von Saba vor uns
haben.
Im i buch der Könige c. 10 heifst es: und die königin
von Sabäa börete den ruf Salomos zu ehren Jehovas und kam,
ihn zu versuchen mit rätseln, und sie kam nach Jerusalem mit
einem sehr grofsen zuge, mit kameelen, tragend spezereien und
gold sehr viel und köstliche steine, und kam zu Salomo und
redete zu ihm alles, was in ihrem herzen war. und Salomo
sagte ihr alles, was sie fragte; nichts blieb verborgen vor dem
köoige, das er ihr nicht sagte (ebenso 2 Cbron. 9, 1). — es war
natarlich dass diese schlichte erzfthlung der wissbegierde der nach-
wachsenden geschlechter nicht genüge tat, und dass die sage er-
gänzte, was die chronik verschwiegen hatte, in erster linie stand
die frage, welcher art die rätsei gewesen seien, an denen Salomo
seine Weisheit bewährt habe, ein willkommener anlass für orien-
talische erzähler, ihren Scharfsinn leuchten zu lassen, sehen wir
zu, vrie sie dieser aufgäbe gerecht wurden. ^
Was zunächst die jüdische sage betrifft, so föllt auf dass
sie uns nur späte und fragmentarische künde über die begegnung
Salomos mit der königin von Saba zu bieten weifs. es erklärt
sich dies aus der von Grünbaum (Zs. der DMG 31, 214) dar-
gelegten eigentümlichen tendenz der talmudischen Überlieferung,
weniger Salomos ^lacht und herlichkeit als seinen Übermut und
abfall von Jehova sowie seine darauf folgende demütigung und
strafe hervorzukehren.
Im Midrasch zu den Sprüchen — nach der Vermutung von
Zunz (Gottesdienstliche vortrage der Juden s. 268) aus dem 10 jh.
stammend — steht gleich zu anfang: die königin von Saba sagte
* die dissertatioD des Wiltenberger professors Karl Haar. Zeibich De
qoaesüonibus abstrasis regioae Sabae Salomooi regi propositis (Vitemb.
1744, 4*), welche Friedreich in seiner Gesch. des rätseis (Dresden 1860
s. 98) als ihm anzaganglich anführt, behandelt nur die frage, ob unter
den aenigmata der kdnigin aossehliefolich ralael im engeren sinn oder nicht
aoch ernstere probleme zu verstehen seien.
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4 DIE RÄTSEL DER KÖNIGIN VON SABA
zu ihm (dem kOnige): bist du Salomo, von dem ich gehört? —
ja. — da fragte sie ferner: mechtest du mir antworten, wenn
ich dich etwas frage? -* worauf Salomo : der herr wird Weisheit
verleihen (Sprüche 2, 6). — die für einen franenmund wenig
ziemenden rfltsel, welche die königin hierauf vorbringt, mOgen
in der Obersetzung Lighlfoots folgen: DMi ea: Quid hoc sü?
Septem exeunt, et novem intrant. Duo miscent, et unus bßrit.
Dicit ille: Septem dies teparationis feemmae exeunt, et novem
tneneee foetaiianis mtrant. Duo uberä pwrant peculum, er utm»
9ugä. Iterum, mquä üla, ego fuaeram: Quid koe est? FoamtiMi
didt fUio Mio: Pater tuue erat pater mens, avus tuus erat mari'-
tus meus, tu es fUus mens, et ego $um soror tua. Cui respon»
4ä ille: Corte fiUae Lothi erant (Joh. Lightfoot Horae hebraicae,
in Evang. Uicae 11, 31, s. Opera omnia, Roterodami 1686,
n 527). dann, Mirt die ersllhlting fort, machte sie noch eine
probe, sie liefs knaben und mSdchen kommen, alle eines aus-
sehens, einer grOfse und mit denselben gewändern bekleidet, sie
sagte: scheide die mlnnlichen personen von den weiblichen!
alsbald winkte er seinen dienern (eigentlich eunuchen), und sie
brachten nttsse und backwerk (geröstetes brot? fliöth), was er
unter jene verteilte, die knaben, die sich nicht schimten, nahmen
sie mit ihren kleidern entgegen, die mddchen, die sich schämten,
enpflengen sie mit ihrer kopfbedeckung (schleiertucb, stidar -»
sudarium), worauf Salomo sagte: das sind die knaben, und das
sind die madoheo.
Dieselbe sage findet sich mit geringen abweichungen in dem
Sammelwerk Jalknt zu 2 Chron. 9, 1 (§ 1085). ^
Eine auafohrlicbere, leider unvollständige, erzShlung enthalt
das aweite ehaldaische Targum zum buch Esther (1, 3), dessen
abfassungszeit nicht sicher ist. nach Gaster (Germania 25, 292)
wäre es spitestens aus der zweiten hälfle des 7 jhs. gott hatte
dem könig Salomo A\e herschaft verlieben über alles wild des
feldes, über die vögel der luft, Ober das gewürm der erde, so*
wie über teufel, dämonen und geister, deren aller spräche er
verstand, als er eines tages wolgemut beim weine war, lud er
alle köDige des osteus und des westens zu sich und beherbergte
sie in seinem palast. da liefs er geigen, cymbeln, pauken und
^ die deutsche ftbenetsaag aas dem Midrasch uod die aie iMgleitenden
notisen verdanke ich der gefalligkeit des herm Rabbinowiez.
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DIE RÄTSEL DER KONIGIN VON SABA 5
halfen htfbeibriogea, worauf einst sein yater David gespielt hatte,
ferner lieb er alle tiere und alle geister kommen das» sie vor
ihm tanzten und seinen königlichen güsten seine herlichkeiten
zeigten, die Schreiber des kteigs riefen alle mit namen aaf,
und alle kamen bis auf den wilden halin (nach GrQnbaum Zs«
der DMG 31, 211 ist der Wiedehopf gemeint), endlich aber er^
flchien dieser doch vor dem turnenden gebieter und ertSihlle,
er habe die ganze weit durchflogen, um zu erforschen, ob es
noch ein land gebe, das seinem herrn nicht gehorche; da habe
er im fernen oslcn ein land gefunden, Kitor genannt, dessen
boden kostbarer als gold sei, und wo das sifter wie mist auf
den strafsen liege; dort wohnen menschen in menge mit krönen
auf dem haapt, die nichts vom kriege wissen, und Ober sie
harsche eine frau, die kOnigin Saba. sofort entaaikke ihn Saiomo
mit einer drohMiden Vorladung an die kOnigin ; alle vogel flogen
mit, sodass die sonne verfinstert wurde, die kOnigin, die sieb
eben vor dem meere anbetend niedergeworfen hatte, zerriss im
schrecken ihr gewand und schickte nach ihren ratgebem. diese
antworteten: wir kennen den kOnig Saiomo nicht und kümmern
ans nicbt um seine regierung. sie aber liefe alle schiffe des
meeres ausrüsten mit perlen und edelsteinen als gaben für Saiomo
und sandte ihm dazu 6000 knaben und mSidchen, die in der^
selben stände desselben tages, monats und jahrs geboren waren,
alle von gleichem wuchs und gleichem aussehen, aHe mit pur-
purgewändern bekleidet, denen gab sie einen brief an Saiomo
mit, worin sie sich erbot, obgleich man sonst von ihrem land
in das seine volle sieben jähre zu reisen habe, in dreien vor
ihm zu erscheinen, als sie nach abiauf dieser friet ankam, setzte
sich Saiomo in ein gbsemes gemach; sie aber giaobte, er sitze
mitten im wasser, und hob ihre kleider auf, um hindurchzu*-
waten. da sah er daas ihre füfse mit haaren bedeckt waren
und sprach: deiae schOnhät ist achOnheit derfraaen; dein haar
aber ist haar der mSnner. das haar ist dem manne zierde, de»
weibe aber verunaiemng. — mein berr und kOnig, beganii sie,
iA wül dir drei rdtsel aufgeben, lösest du sie, so werde icb
erkennen dass du ein weiser mann bist, wo nicht, so bißt du
ein mensch wie alle übrigen. — sie sagte ihm darauf drei rätsei,
das erste vom schminkrohr, das zweite vom naphlha und das
dritte vom flachs, und er löste sie alle, da pries sie seine weis^
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6 DIE RÄTSEL DER KÖNIGIN VON SABA
heit und gab ihm ihre geschenke, und er gab ihr dagegen, was
sie nur wünschte (PCassel Das buch Esther, Berlin 1878, s. 249 ff).
— von den 6000 gleich aussehenden kindern ist auffallender
weise nicht weiter die rede, die hievon handelnde stelle ist in
der schriftlichen Überlieferung des Targum verioren gegangen,
denn dass die kOnigin bei der absendung der kinder dieselbe
aufgäbe im äuge hatte wie im Midrasch, kann keinem zweifei
unterliegen.
Voile bestätigung bietet hiefür die aus jüdischen quellen
schopfende arabische sage, über welche neuerdings Gustav
ROsch in den Jahrbüchern für protestantische theologie (Leipzig
1880, VI 524ff) eine eingehende Studie veröffentlicht hat bei
den Arabern führt die kOnigin von Saba den namen Balqis.^
schon Muhammed gab einen teil der sage in abgekürzter fassung,
welche beweist dass er deren kenntnis bei seinen zuhOrern vor-
aussetzte, er kommt in der 27 sure (21—45), wo er von den
Propheten des wahren glaubens handelt, auf Salomo zu sprechen
und erzählt ua., wie er einst, über die abwesenheit des Wiede-
hopfs (arab. hud-iud, nach seinem parungsruf so genannt, vgl.
upupa) zürnend, von diesem durch seinen bericht über die neben
gott noch die sonne verehrende kOnigin von Saba (der name
Baiqis wird nicht erwflhnt) besänftigt wurde und sie vor sich
lud; wie er, noch ehe sie selbst erschien, durch einen zauber-
mächtigen schriftgelehrten ihren wundervollen thron in einem
nu vor sich bringen liefs; wie sie dann kam, in dem mit glas
belegten saal ihre beine entblofste und sich darauf dem kOnig
und seinem gott unterwarf. — die rätsei hat Muhammed nicht
erwähnt; um so reicheren aufschluss gewähren spätere quellen.
Die älteste ausführliche erzählung hat Bel'^ml, der vezier
des Samanidensultans Mansur i in der 2 häUte des 10 jhs., in
seine persische Überarbeitung der arabischen weltchronik des
Tabari (aus dem anfang des 10 jhs.) aufgenommen, nach ihm
hat es seit Jusuff (dem ägyptischen Joseph) kein schöneres ge-
schöpf auf erden gegeben als Balqts; denn sie war die tochter
eines prinzen und einer peri. Salomo, auf einem eroberungszug
^ dies ist die fibliche form des namens, nach anderen soll die rich-
tigere anssprache ßilqtt sein, s. Rösch aao. 524. — deutnngen des namens
8. De Sacy Chrestomathie arabe iii 530; Fresnel im Journal asiatiqae,
4 s^rie, XVI 280; Rösch aao. 567.
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DIE RÄTSEL DER KÖNIGIIH VON SABA 7
gegen die ungläubigen in Jemen begriffen <» erfuhr durch den
budhud von ihr dass sie noch die sonne anbele. auf seine bot-
scbafl beschloss sie, ihn mit geschenken zu erproben; sucht er
die. guter dieser weit, sprach sie bei sich, so ist er ein kOnig
wie andere und kein prophet. sie schickte ihm durch einen
gesandten einen ziegel von gold und einen von silber nebst einem
goldenen kflstchen, darin ein undurchbohrter rubin verschlossen
war, ferner 100 knaben und 100 mädchen (der Verfasser ver-
gisst zu sag^n dass sie gleich gekleidet waren), die er dem ge-
schlecht nach unterscheiden sollte; endlich liefs sie ihn nach
dem durststillenden wasser fragen, das weder vom himmel noch
von der erde komme. Salomo, vom engel Gabriel in allem unter-
wiesen, liefs seinen ganzen teppich voll goldener und silberner
Ziegel legen, sodass der böte seine zwei gar nicht abzugeben
wagte, dann löste er zunächst das ratsei vom wasser: es sei
der schweirs des rosses, der einzige tierische schweifs, der den
durst stillt, weil er süfs ist dann erriet er den Inhalt des ver-
schlossenen kästchens und hiefs seine diws einen diamant holen,
um den rubin damit zu durchbohren, endlich liefs er den kindern
vor dem mahle handwasser bringen, das pflegen die frauen in
der hohlen band, die mSlnner auf dem handrücken zu empfangen ;
auch schlagen beim waschen die männer den ärmel zurück, die
frauen nicht, daran unterschied sie der kOnig.
Auch hier lässt Salomo den thron der Balqis vor ihrer an-
kunft entführen, wie im Koran erbietet sich erst ein dämon,
den thron herbeizuschaffen, bevor Salomo sich vom sitze erhebe ;
der schriflgelehrte aber vollbringt dies in der schnelle eines blickes.
nach Bef^ml ist letzterer ein Jude vom stamm Levi, der den
grofsen namen gottes (das 9dk$mham]^ra$eh) weifs. das deutet
auf eine jüdische quelle, in dem gleichfalls aus dem 10 jb. stam-
menden mfirchen der lauteren l>rüder vom streit zwischen mensch
und tier, wo dieser sagenzug angeführt wird, um den vorrang
der menschen vor den dschinnen zu beweisen, heifst der mann
Asaf, der söhn des Barkhijä (übers, von Dieterici, Berl. 1858,
8. 39): das ist Asaaph der seher (2 Chron. 29, 30), der psalmen*
Bänger, dessen vater im 1 buch der Chronik (16, 17) Berechja
genannt wird, die Araber machten ibn zum vezier Salomos und
feiern ihn als das ideal aller veziere.
Balqis, Ukhvi Bef^ml fort, war schön und tadellos, nur dass
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8 BIß RÄTS£L DER &ÖN16IN VON SABA
üt eibige zibgeDhaare an den Iminen hatte, diesen makel aber^
trieben die diws in ihr^n Schilderungen, worauf Salomo ihn^n
befahl, ein schloss 2u bauen mit einem krystallboden davör^
100 eilen im geiiert^ worunter wasser floea. Balqts streifte ihr«
beiokleidier in iie hohe Und entblof^te ihre beine. — daher iaC
es noch heute brauth dass ein ft'ei^ die belne seiner erwählten
sehen darf. — darnach bekehrte sie sich, und Salomo lieDs fQr
sie durch die diws das erste enthaarungsmitlel bereiten, dslinil
▼ermttilte er sich mit ihr, und sie gebar ihm einen sehn (Cbro-
tiique de Tabari, traduite sur la rersion persanne de Befami
par Zetenberg, Pari» 1867, i 437 «f).
In dem äirabischen original, das eben im erscheinen begriffeii
ist, fehlt das kinderrätsel. was Tabart ertahlt, ist folgende^
(t 579)! Balqis schickte an Salomo eine perle zum durchbohren^
auf Aen rat der satane liefs er einen bohrwurm ein haar durch
dieselbe ziehen und schickte sie zurück, nun machte sich di«
köbigin taiit groDiem gefolge auf den weg zu Saloti^o. vor ihm
angelangt flragte sie, ob sie ihm eine fk'age vorlegen dQrfe. —^
ja, frage nur! — sie sprach: was für ein Wasser ist das, dtift
weder vom himmel noch von der erde kommt? — Salomo be*-
fragte wie gewöhnlich zuerst die leute seiner Umgebung, dann,
da sie keinen bescheid wüsten, die dftmonen (dschinn), dann die
teufel (satane). (Hese antworteten: nichts leichter als dasl lasi
ein pferd in vollem laufe driiin rennen, sammle dann dessen
Schweifs in einem gefäfs, so hast du das verlangte wasser. -^
Sa!omo antwortete hierauf der kOnigin : der schweife des pferdes.
-- ganz richtig, sagte sie un«l ftihr fort: sage mir, was ist das
wesen (arab. iaun, was auch gestalt, färbe bedeutet) gottes? —
da sprang Salomo vom throne herab und fiel anbetend uieder>
-^ im teite ist hier ein Sternchen (p. 581 z. 15), was eine lUcke
im manuseript anzudeuten scheint.^
Die abstammung der Balqts von einer dfimonischen mifttef
bertfhrt auch ein Zeitgenosse des Tabart, der gesohiohtschreiber
Masu^'üdl (Ma(;oudi Les prairtes d'or, teite et traduction par Bar-
bier de Heynard et Pavet de Courteille, Pilris 1864, ik i&2).
seine quelle war die sägenhafte geschichte ^^t himjarisefaen
dynastte der Tobbä. tite erzfthlung von den eitern der Balqto
' herr Gr&obanm hatte die gQte, mir diesen aaszug aus dem nrtexi
mitrutdlen.
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DIE RÄTSEL DUR KÖNIGIN VON SABA 9
kt dne fiiriaBte des YielT^rbreiteten marchens von der y^boten^n
frage»
Äbnlieh wie bei Befämt lautet die erzlibluiig von den rfttaelo
der k4loigiD in der ältesten arabischen qneHe« der geschiehte der
ForarohaoBiediaehen propfaeten von Ta'Alebt (aofang des 11 jhs.)t
der sich auf den noch im ersten jh. der hedschra zum islam
Obergetrelenen Juden Vabab ibn Munabbib beruft (s. die milleilung
Güdemeisters an Birlitigery Ösireicht yiertetjahrsscfar. für kath.
theol. n 428)« ferner in der ohronik des Ibn-al-Atlr aus der
1 hfttfle dee 13 jbe. (Ober diese und andere quellen der sage
s. itosch aao. 527).
Der Eomkoiinientater BaidAwt (18 jh.) gibt au Sure 27, 8ä
(u 68 ed. Fleischer) Ober Balqis folgende eriAirtening: es wird
enalilt dass sie den Mundbir söhn Amrus unter den gesandtem
(an Salomo) schickte und mit ihnen knaben, welche aussahen
wie Diädohen, und mSdchen, weiche aussahen wie knaben, femer
eine schachtel, worin eine ungebohrte perle, und einen onyx^
dessen durchbohrung krumm war, und sie sprach : wenn er ein
prophel ist, so soll er die knaben ?on den msdehen unterscheiden,
die perle in gefader linie durchbohren, den edelstein mit einem
faden durchziehen, als sie nun ins hoflager kamen und die grofte
des hoistaates sahen, entfiel ihnen der mut, und als sie vor Sabmo
erschienen, war ihnen Gabriel schon zuvorgekommen und hatte
den kOnig belehrt, was zu tun sei. er liefs einen bohrwurm
herbeibringen, -r- dieser nahm ein haar und zog es durch die
perle, — dann einen weifsen wurm, ^— dieser zog einen faden
durch den edelstein. dann liefe er wasser (zum gesichtwaschen)
holen: die mMehen nahmen es in die eine band und taten es
in die andere und wuschen dann erst das gesiebt; die knaben
dagegen wnsehen sich sogleich, dann gab er die ^ge zurOck. ^
Aus nicht genau bezeichneter quelle Qbertrug Hammer eine
dem Befämt sehr nahe kommende fassung der sage (Rosenöl)
Slattg. Q. Tab. 1819, 1 154ff>. Safomo hatte 1000 franen; Äer
1001 waren itan bestimmt t diese leinte war Balqis. wie lusutf
der sckenete der mSnner, so war sie die schönste der firauen.
Salomo liefs sie durCb den hudhud auffordern, sich zem islam
n bekehren. ^^ die proben sind 4ieBelben wie bei BeTäittit. nttr
' aack diese stelle w^r tietr Grünbadkn so lyenndtich fftt mich tu flber-
•etsen.
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10 DIE BÄTSEL DER KÖNIGIN VON SABA
das rätsei vom wasser lautet anders: es fällt nicht vom himmel
und quillt nicht aus der erde und rinnt süfs und bitter aus
einem glas (die trSne). was die dschinnen dem Salomo von den
füfsen der kOnigin sagen, ist Verleumdung« Salomo erblickt, als
sie das gewand aufschürzt, das schönste bein und den glattesten
knOchel«
Am reichsten ausgestaltet zeigt sich die Balqlssage bei dem
biographen Muhammeds, Husein ihn Huhammed ihn al Hasan
aus Dijärbekr (f 1558) in dem buche Chamis, übersetzt von Weil
(Biblische legenden der muselmfinner, Frankf. 1845, s. 243 ff),
hier ist der vater der Balqts ein sabäischer vezier von altem him-
jarischem kOnigsstamm, ihre mutter die dschinneotochter Umeira
(auch hier das mflrchen von der verbotenen frage), sie vermählt
sich mit dem kOnig von Saba, erdolcht ihn in der brautnacht
und bringt es durch arglistige ranke dahin dass sie aun zur
herscherin erwählt wird, auf die botschaft des hudhud kleidet
sie 500 Jünglinge als Jungfrauen und 500 Jungfrauen als Jüng-
linge und befiehlt jenen, sich wie mädchen, diesen, sich wie
knaben zu benehmen, mit ihnen sendet sie an Salomo ein ver-
schlossenes kästchen mit einer undurchbohrten perle und einem
krummdnrchbohrten diamanten, endlich einen becher, den er mit
wasser füllen soll, das weder vom himmel gefallen noch aus der
erde gequollen sei. Salomo errät alles verborgene, durchbohrt
die perle mit einem wunderstein, lässt den diamant durch einen
seidenwurm einfildeln und den becher mit pferdeschweifs füllen,
dann lässt er 1000 silberne kannen und Waschbecken bringen
und befiehlt den Sklaven sowol als den Sklavinnen sich das ge-
siebt zu waschen, die erstem fahren sogleich mit der band, auf
welche das wasser gegossen wird, ins gesiebt; die letztern aber
leeren das aus der kanne in die linke band fliebende wasser
zuerst wider in die rechte und waschen dann erst mit beiden
bänden zugleich das gesiebt. — da ihm mehrere satane einreden
wollen, Balqts habe eselsfüfse, lässt er sie über den krystallenen
boden führen und erblickt einen tadellosen frauenfufs, worauf
er sich mit ihr vermählt und von da an jeden monat drei tage
bei ihr in ihrer hauptstadt Har'eb zubringt, als sie stirbt, lässt
er sie in der von ihr erbauten Stadt Tadmor begraben, wo man
ihr grab unter dem chalifen Walld i (705—717) entdeckt hat
Eine bearbeitung dieser darstellung wurde in die von Weil
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DIE RÄTSEL DER KÖNIGIN VON SABA 11
übersetzte redaction von 1001 nacht eingefQgt (Pforzheim 1841,
1? 502 fi).
Vom Wiedehopf erzählen die orientalischen dichter dass ihm
Salomo ab ehrenlobn fflr seine künde von Balqls seine bunte
federkrone ?eriiehen habe (Azeddin Ehnocadessi Les oiseaux et
les fleurs, publ. et trad. par Garcin, Paris 1821, s. 96).
In sämmtlichen arabisch- persischen fassungen der sage er«
kennt Salomo das geschlecht der kinder an der art, wie sie die
hande oder, was anschaulicher ist, das gesiebt waschen, über
den ursprünglichen sinn des bei Baidäwt und Husein von den
Aranen beobachteten brauches gibt eine Talmudstelle aufklflrung,
die bei Kohut in seiner abhandlung über jüdische angeloiogie
und damonologie (Abh. der DMG iv 16, Leipzig 1866) zu lesen
ist: ^bedient man sich des üls zum salben, so nehme man das-
selbe aus der hohlen band, nicht aus dem geflSfse ; denn die da-
moqenbeschwOrer besprechen nur das öl im geföfse, nicht aber
auch das in der band.' — die band als gefäfs benutzt hat eine
Ton Zauber reinigende kraft, die knaben begnügen sich mit dem
einmaligen umgiefsen; die mädchen dagegen suchen, bevor sie
das Wasser ins gesiebt bringen, die reinigende würkung durch
zweimaliges umgiefsen zu steigero.
Es lässt sich nicht verkennen dass in dem sagenbild, wie
es uns in dieser orientalischen tradition entgegentritt, züge des
semitischen mythus auf die biblische kOnigin übei'gegangen sind.
am häufigsten kehrt in den verschiedenen darsteliungen die an-
gäbe wider dass die beine der Balqts — ursprünglich würklich,
später nur angeblich — tierisches aussehen haben; bei Ta'älebt
wird dies ausdrücklich als ein merkmal ihrer dämonischen ab-
kunft bezeichnet, die starke behaarung hat Balqts mit Lilith
gemein, einer zum mürderischen buhlgespenst herabgesunkenen
altsemitischen liebesgottin. die schon bei Ta^Alebt ^ erwähnten
eselsfüfse erinnern an die arabischen ghül, jene in den märchen
so oft genannten leichenzerfleischenden walddämonen, zu denen
wider Lilith ga*echnet wird, auch dass ihr grab in Tadmor
gefunden wird, ist bedeutsam: denn Tadmor ist der aufenthalt
der Lilith. andere arabische sagen hinwiderum preisen Balqfs
als kriegsheldin und anlegerin von wunderbaulen, was schon
* auch bei dem Korankommentator DscbeUleddin al Mahslli, um 1400
(Alcorani textns universalis aactore Marraccio, Patavii 1698, 8. 513).
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12 DIE RÄTSEL DER KONIGIN VON SABA
•
MoTers beüimmt hat, sie mit der fabelhalteo berscherin des alten
Assyriens, mit ^der kriegerischen buhlerin Semiramis', an identi«
ficieren (Die PhOniuer u 3, 293. i 455). wie Balqts einem mensch-
liehen vater und einer daimonischen matter, so entstammt auch
Semiramis dem liebesbund eines schonen Syrers mit der wasser«
gOttin Derketo. diese mythischen grundlagen der sage hat Rösch
in seiner oben angefahrten Studie erörtert.
Mit Semiramis bringt denn auch ROsch (aao. 553) das Ter*
kleiden der kinder in beziehung. hatte doch nach Diodor (2, 6)
Semiramis die medisch-persische tracht erfunden, wetcbe so ein«
gerichtet war dass man nicht erkennen konnte, ob die damit
bekleidete person ein mann oder ein weih sei (Movers i 635).
nach Ta'älebl, Baidftwt und Husein sind die kinder nicht gleich
gekleidet, sondern die knaben tragen weibliche, die mädchen
mannHche tracht. auch dieser kleidertausch weist auf bekannte
cultusgebrSuche im dienste androgyner gottheiten, su denen Se-
miramis gehört (Movers i 456).
Zur Vervollständigung der analogie hätte Rösch das aufheben
des kleides ^ mit aphrodisischen gebärden in Zusammenhang
^ der sagenzug ist bekanntlich weit verbreitet, dass die teoschung
durch einen krystallenen fufsboden bewürkt wird, widerholt sich jedoch nur
in einer einzigen stelle, im Mahäbhärata (Lassen Indische altertumsk., Bonn
1847, I 676 n. 3): mitten in der halle des Judhishthira ist ein krystallener
mit lotosblumen von edelsCein bedeckter estrich; den hält Darjddbana fflr
einen wasserteich and sieht seine kleider in die höhe; nachher hält er einen
warklicben teich für einen künstlichen und fallt ins wasser. — diese jedes-
falls sp&te possenhafte gescbichte mag mit der judisch-arabischen verwandten
Ursprungs sein, in dem hindustanischen Sammelwerk Prem-SagAr ist be-
reits Zauber mit im spiel: da wurde dem palast durch seinen erbaner May
(Maj«) die eigenschaft verliehen, dass die auf dem trockenen giengen im
Wasser in waten meinten aad umgekehrt wasser fiär land kielten (Gerda
de Tassy Hist. de la litt. Hindoui et Hindoustani, Par. 1847, u 174). alle
übrigen sagen, wo dieser zug widerkehrt, haben es nur mit Zauberkünsten
zu tun. so die sage vom siciliscben zauberer Heliodor, den der hl. Leo
von Galania (um 600) mit der stola band und verbrennen lieC^. von ihm
wird in der aus dem griechischen übersetzte«, angeblich giochzcitigen le-
gende des heiligen enSUt: Cum oöviae aiiquando fatiae e$9ent muUereM,
astantibtu impurU Modalibus ait: Quid ti, amici, facio ut dmwdeniur
istae in ocuUs omnium? Atque illico nefariam artem adhibens, quasi
fluvium praeterlabentem earum tensibtu ostendit, iia ut velut aquam in-
gt^ssnrae ttmieas genu tenui mltollerent {kk SS Boiland. febr. iii 224^.
hier ist natürlich die möglichkeit einer einwOrkung der Balqlssage nickt tAn-
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DIE RÄTSEL DER KÖNIGIN VON 8ABA 13
swtiaiteii; aber bei dem •Uvarbreüetea flft«ben, tUss saubefer sipneate«-
icliBageo beiiebiger art bewürken köniieii, Ut die annahipe einer aeibaUa-
digen erfindung oichl minder wahrscheinlich, dasselbe gilt von allen den
europäischen sagen, in welchen ähnliches erzählt wird, wie im französischen
romsn von Valentin und Orson (Bist, des denx nobles et vaillans cheratiers
Valentin et Oraon, Paris o. j.), auf den schon Walter Scott (Minatrelqr of
tbe acoltish border ni' 163) bingewieaen bat, ohne das capiftel anaogeben.
es ist das 30atf. da werden die beiden zauberer Adramain und der zwerg
Pacolet aufgefordert, eine gesellschaft mit ihren känsten zu unterhalten,
sofort lässt Adramain einen breiten schrecklichen atrom voll grofser und
kleiner fische daherfllefsen , sodass alle die kleider aufheben und schreien,
ala ob aie am eitrinken wären, dann aingt Pacolet ein zaubcrlied, ood als-
bald sprengt dvroii das waaaer e» gsalÜBer hiiaeh und hinter ihm jäger mit
Windhunden und bracken, sodass viele aus der gesellschaft aufspringen,
um den hirsch abzufangen. — diese stelle ist in das alte Faustbuch über-
gegangen, aber nicht in die ursprüngliche ausgäbe von 1687, sondern in die
noch im selben jähre erschienene Überarbeitung, welche Zarncke in der
bibliographie der Faastbücher (Neudracke aua dem 16 und 17 jh. nr 7 p. xn)
mit C bezeichnet, abgedruckt in Scheiblea Kloater (vni 1022. vgl. Liebrecht
Onent und occid. 1 131). durch das blendwerk einer Überschwemmung bannt
Virgilius im volksbnch den sultan von Babylon, während er mit dessen
tocbter auf seiner luflbrücke entflieht (Gomparetti Virgil im ma., deutsch
von Dütschke, Leipzig 1S7S, s. 311; Thoma Early engliah prose romancea
n> 4B). alibekannt in Deutschland ist die volkasage, wie ein gaukier einen
MMUaln, der deo uaehaucm ala ein grofsfr balkea oder wiesbaum er-
icbeiot, entweder seibat auf der nase balanciert oder von einem bahn bald
am fttlse umherziehen, bald im Schnabel oder bürzel umherschwenken lässt,
von einem mädchen aber, das in seiner kopfbürde ein allen zauber zer-
stdrendea vierblättrigea kleeblatt trägt, entlarvt wird und darauf an dem
aMchen durch die vielbeaprochene sinneateuachung räche aimmt, so erxähit
in Wfirtemberg (Baader Badiacbe volkaa. ar 278; Meier Scbw&bw s. nr 281;
Birlinger VottatAmliehea i nr 563), in Baden (Monea Ana. 1835 sp. 408
nr 28), in Tirol (Alpenburg Alpensagen n 330), im Hildesheimischen (Scham-
bach-MfiUer Niedersächs. a. nr 190), am Niederrhein (Montanus Vorzeit der
länder Gleve-Mark i 172); hier hält das mädchen wie die fleroler und die
sieben Bchwaben eSn blübendee flaehsfeld Ar waaaar (vigl. KÜM nr 149;
m* 232). In Bdfamee etiiklt man den achwank von 2itek» dem zauber-
kundigen hefiumen konig Wensela iv (Wenxig Westalav. mäcchenschatz
a. 160). in Schonen spiegelt der gaukier seinen Zuschauern vor dass er
durch ein pumprohr krieche (Eva Wigström Folkdigtning i Skäne, KiÖb.
1880, p. 165, s. Liebrecht Germ, xxvii 119; vgl. Gaater Germ, xxv 294).
ui ähnlicher weise bestrafte der durch seine magiscbea kflnste vielberV>mle
islindfacbe pforrer Eirikr Magnuaaao in der 2 bitfte dea 17 jba- swei pfou-
aöobtige bauemtöcbter (KlManrer laländ. volkaa. 163). endlich sei noch er-
wähnt daaa auch die achwedische waldfrau (Mkogtnufva) den leuten die
sinne verwirrt, dass sie in tiefem morast zu waten meinen und die kleider
aufiMhOrzen (Mannhardt Baumkult. 120).
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14 DIE RÄTSEL DER KÖNIGIN VON SABA
bringen können , wie sie Herodot (2, 60) von den ägyptischen
weibern beim festzug nach Bubastis berichtet, nach der tradition
der rabbinen war rituelle entblofsung auch mit dem dienste des
moabitischen Baal Peor verbunden (Wünsche Der jerusalemische
Talmud, Zürich 1880, s. 267).
Das8 im lande der Semiramis selbst sich die sage von ihrer
arabischen doppelgängerin localisiert hat, beweist der name eines
hohen kalkhügels bei Birebjik am Euphrat, worauf noch trümmer
eines tempels sichtbar sind, Teil Balcfis (Ainsworth Travels and
researches in Asia minor, Mesopotamia, Cbaldea and Armenia,
London 1842, i 304)\ Rawlinson will ihren namen in keilscbriften
im nordöstlichen Arabien am persischen meerbusen gelesen haben
(Ewald Gesch. des Volkes Israel, Gott. 1866, m 389 anm. 2).
Nach Reinaud (Description des monumens musehnans du
cabinet de m. le duc de Blacas, Paris 1828, i 164) ist noch
heute die begegnung der Balqts mit Salomo einer der belieb-
testen gegenstände künstlerischer darstellung im Orient; man
sieht sie allenthalben in den bilderbüchern, auf kästchen. Unten-
geschirren udgl. die abbildung eines gemäldes auf einer per-
sischen schachte! gab Hanmier-Purgstall in den Fundgruben des
Orients (Wien 1816, v 103): in einer offenen halle sitzt Salomo
in persischer königstracht auf einem thron mit hoher rückwand,
links (vom beschauer) Balqts auf einem polstersitz mit einem
becher in der band; hinter ihr erscheint der köpf einer zofe.
vor ihr sitzt ein vogel mit weit geöffnetem schnabel, wahrschein-
lich der böte hudhud. weiter links sitzt ein krieger mit einer
guitarre über der schulter und einem becher in der band; hinter
diesem stehen gruppen von frauen und von tieren. auf der
rechten seite des bildes sieht man auf niederem stuhl den grofs-
vezier Asaf, neben ihm einen hasen, hinter ihm persische hof-
leute, dnen sitzenden engel, einen persischen krieger und drei
dämonen. im Vordergründe nur mit dem oberleibe sichtbar grup-
pieren sich 7 nackte weiber mit perlenschnüren um den hals,
die Vertreterinnen des Salomonischen harems. von den rätsel-
aufgaben ist nichts zu sehen, man müste denn in zwei rechts
vom throne im hintergrund auftauchenden gleichgekleideten, an-
scheinend weiblichen gestalten, von denen eine die hohle band
hinhält, eine künstlerische abbreviatur des kinderrätsels erkennen
wollen.
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DIE RÄTSEL DER KÖNIGIN VON SABA 15
In ihrem sOdarabischen stammland — von dessen
einstiger anmat und fippigkeit die griechischen Schriftsteller
märchenhafte Schilderungen hinterlassen haben (s. Duncker Gesch.
des altert, i^ 230(0« ^^^ d^ni es noch im buche Chamis heifst:
das land Saba war gleichsam ein diadem auf der stirne des weit*
alls (Weil Bibl. legenden 249) — hat sich keine einheimische
künde von der sagenberühmten kOnigin erhalten, aus den In-
schriften, welche in der hauptstadt Hariaba, dem heuligen dorfe
Ma'reb, gefunden wurden, ersehen wir dass sich die kOnige dieser
Stadt kOnige von Saba ^ genannt haben (AvKremer Ober die süd-
arab. sage, Leipzig 1866, s. 27); aber von Balqfs zeigt sich keine
* der Dame Saba, bebr. Schebd^, ist ein kuschitiscbes (vorseroilisches)
wort, unter allen semitischen sprachen nnr im äthiopischen erhalten: Sabe*
heilst mensch, die Sabäer nannten sich also die menschen schlechthin,
eine naive exdoslvitat, die bei aahlreichen anderen Völkern widerkehrt,
eigentlich versteht es sich von selbst dass ein volk den menschennamen
zunächst auf sich anwendet (vgl. JGhrAdelung Älteste gesch. der Deutschen
154). das wort Lutu, das das ägyptische volk bezeichnete (hebr. in der
Völkertafel Ludim), heifst einfach menschen (Ebers Ägypten nnd die bflcher
Hose I 97). def Litauer nennt sich im gegensatx zum ausländer jmonus
menaeh (Pott Etymologische forschongen u> 2, 814). der zigeuner nennt
sich Manuichf sanskr. manuthja, oder Rom mann (Pott Die Zigeuner i 35 ff),
dieselbe bedeutuog haben die namen der*Tschuktschen, tschekto, der Samo-
jeden, neneUch (Wolheim Natiooallitt. sammtlicher vÖlker des Orients i 488),
der Tungnsen, Boje und Dankt (Peschel Völkerk., Leipzig 1874, s. 403), der
Äinos (Humbert Japon iUostr^ i 111), der Eskimo Inmät pl. von innuk
mensch (FMflller Allg. elhnograpbie, Wien 1873, s. 73). die von den Russen
so genannten Kaljuschen in Alaska reden von sich selbst als den ThUnkU,
menschen (Peschel 425); auch der name Kurilen bedeutet dasselbe (Egli
Nom. geogr. 312). die Renaivölker, an die Eskimo grenzend, nennen sich
Tknaina, menschen (FMflller 217), die Athapasken Tinneh, menschen (aao.
218), die Mandan Numang-Kake, menschen (Pott Personeonamen s. 681);
HÜhwm heilst mann, ebenso der name der Delawaren Lunnapee (Pott aao.
6890* der eigentliche name der Arowacken im englischen Guyana ist Luk-
kuim, menschen (FMQller 234) ; die Ghiriguanos, eine horde der Guarani
am Orinoko, heiÜBen sich Abat oder AbaboMy menschen (Ausland 1867
8. 869), die Chiqoitos in Bolivia naquinones, menschen (Pott aao. 690).
früher nannten sich auch die brasilianischen Indianer Cari, männer (Ausland
1867 8. 871). die den Namadialect redenden Hottentotten geben sich den
ehrennanien Khoikhoin OMusehen der menschen, heifsen sich aber auch ein-
fock khain, menschen (FMQller 78). wenn man Reinegg glauben darf, so
bedentet avch der name Hunnen, kalmückisch und nogai- tatarisch gi'un,
nichts anderes als menschen (Allg. histor. topogr. beschreibung d^s Kau-
kasus, Gotha und SPetersburg 1796, i 67).
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16 DIE RÄTSEL DER KÖNIGIN VON 6ABA
spur, auch die kOoigsluteD des in den erßteo chrisUjoheo jähr-
buoderten in Jemen zqr herschaft gebngteo Stammes der Himr
jaren nennen sie nicht erst mit dem siegreichen vordringen
des ismaeUtischen elements nach sQden scheint siph hier die
jüdisch -arabische sage von Balqls eingebürgert zu haben; erst
muhammedanische Chronisten wie Abnlfeda, HamjEa von Ispahan«
Nttwairt trugen ihren namen in die kOnigslisten ein, allerdings
um ein Jahrtausend zu sptft (Schultens Hist. imperü vetustiss.
Joctanidarum , Harderovici Gelrorum 1786« s. 9. 25. 55). die
binajarischen prachtbaqten in Sa'nä sollten die drei schlöfiser sein^
welche von den dämonen auf Salomos geheifs für Balqts erbaut
wurden (Osiander in der Zs. der DMG 10, 19). jeder alte bau
in Jemen wurde auf sie zurückgeführt (ROscb 561), so vor aUem
der in den sagen viel genannte dämm von Ma'reb, dessen bnich
später die Stadt verwüstet haben soll, am berühmtesten ist
noch heute die grofsartige tempelruine eine halbe stunde von
Ma^reb, Haram Balqis, der palast der Balqts, genannt (Kremer
aao. 6).
Aber auch jenseits des roten meeres bei den stammverwandten
Äthiopen ist die sage von der kOnigin von Saba zu bause.
möglich dass, wie Caussin de Perceval (Essai sur i'hist. des Arabes,
Paris 1847, i 44) annimmt,' schon die sabäischen colonisten,
welche das abesinische reich gründeten, die erinnerung an die
freundin Salomos in die neue heimat mitbrachten und dort wie
eine antoehtbone Überlieferung localisierten: ^ soweit uns die
äthiopische sage bekannt ist, steht sie gleich der südarabischen
unter nordarabischem einfluss. der äthiopische name der kOnigia
ist Mdqdd, Mäqedä (über den namen s. ROsch 557). so wird
sie im verj&eichnis der abesiniscben künige aufgeführt (Dillmann
in der Zs. der DUG vu 341). man zeigt einen ort mk bedeu-
tenden ruinen als ihre geburtssUltte ; ihre residenz soll Axuma
j;ewesen sein. Ludolf (ßist. aethiopica, Francof. 1681, 1. 2
c. 3, 22) vergleicht den streit der Araber und Äthiopen ^m die
■ die resultate der oeuereo etboologiachea und historischen forachup-
^ea resniniert HoiQm4 (Die nameo ia t&ngeliere bei dea sAdsciwitischeo
Völkern, Leipzig 1879, 6. 34^). each Renao (Hist. s^a^U des Ungaes
semitiques i> 318) verdankt die sage von der königin von Saba wie all^e
andern biblischen enahlungen ihre popularitat in Abesinien und Jemen den
Juden und keinen nationalen erinnernngen.
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DIE RÄTSEL DER KÖNIGIN VON SABA 17
kOnigin des Südens mit dem zwischen Deutschen und Franzosen
am Karl den gr. dieser streit um die beimat der königin hat
auch die Schriftsteller des abendlandes bis in unsere tage herein
in zwei lager gehalten; doch in neuester zeit ist Roh. Hart-
mann (Die Nigritier, Berlin 1876, i 383) für die äthiopische natio-
nalitat der kOnigin von Saba (Söbah oberhalb Chartum beim Bahr
el Asrak ?) eingetreten, zwischen beiden parteien vermittelt eine
dritte, welche die kOnigin über beide reiche zugleich herschen
Iflsst.
Schon bei Beräml fanden wir die angäbe dass Balqts dem
Salomo einen söhn geboren habe, auf diesen söhn führte das
legitime christliche kOnigshaus von Habesch seinen Ursprung zu*
rOck. die sage hatte daher bei den Äthiopen hervorragend po-
litische bedeutung. das Wappentier der abesinischen kOnige ist
der lOwe von Jada mit dem Wahlspruch: ^der lOwe von Salomos
gescblecht und von Judas stamm hat gesiegt' (James Bruce Travels
to discover the sonrce of the Nile in the years 1768 — 73, Edinb.
1813, 11* 392). noch Theodoros ii, als er aus niederem stände
sich aufschwingend das äthiopische reich widerherstellte, rühmte
sich seiner abkunft von Salomo und der kOnigin von Saba, da
er wol wüste dass das abesinische volk nur einen kOnig von
Salomonischem blute anerkennen würde.
Nach der einen tradition stellte die kOnigin vor ihrem schei-
den an Salomo, ganz wie die amazonenkOnigin Tbalestris an
Alexander (Justin. 12, 3), die bitte, er mOge ihr einen söhn zeugen
(Pineda De rebus Salomonis regis, Hoguntiae 1613, 1. 5 c. 14, 46
p. 547). nach der andern geschah dies wider ihren willen, diese
letztere fassung enthält das in Abesinien hochangesehene kOnigs-
bnch, K^bra Nagäst (rühm der kOnige) betitelt, zur verherlicbung
des von Salomo stammenden kOnigtums und der kathedrale von
AxmD, nicht vor dem 14 jh., geschrieben (Dillmann Verzeichnis
der abes. bss. der Berliner bibl. p. 69). die von Mäqed^ han-
delnden abschnitte hat Franz Prätorius übersetzt (Rabula de re-
gina Sabaea apud Aethiopes, Balis 1870). hier ist alles mythische,
alles wunderbare sorg^ltig verwischt, das märchen ist zur no*
velle geworden, an die stelle des vogels hudhud ist ein kauf-
mann namens Tamrin getreten, der der äthiopischen kOnigin von
Salomos herlichkeit erzählt, sie reist hin und lässt sich durch
Salomo vom sonnencult zum dienste des wahren gottes bekehren.
Z. P. D. A. XXVII. N. F. XV. 2
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18 DIE RiTSEL DER KÖNIGIN VON SARA
vor ihrem scheiden lädt er sie zu sich in seinen palast, wo er sie
trotz all ihrer vorsieht zu überlisten weifs, dass sie sich ihm um
einen trunk wasser hingeben muss. auf der heimreise gebiert
sie einen söhn, der den namen Raitia-Hekem erhält das sind
die arabischen werte Ibn-al^ha^m, söhn des weisen, die sage
tragt somit ihren arabischen Ursprung deutlich an der stirne.
Ton den rätseln ist in der äthiopischen Überlieferung nirgends
die rede.
Wenden wir uns dem abendlande zu, so begegnet uns bei
den Ryzantinern ein zeugnis für unsere sage, das die arabisch-
persischen an alter noch übertrifft, dasselbe findet sich in der
weltchronik des mönchs Georgios, der in den Überschriften
der meisten handschriften ^Georg der sündige mOnch' (FewQyiog
aßaQTwlog iiova%6g) genannt wird, er schrieb sein werk, das
▼on der erschaffung der weit bis zum j. 842 reicht, unter dem
kaiser Michael w (842—867). im 2 buch, im 43 cap., das die
Überschrift trägt *von Sibylla der künigin der Äthiopen', erzählt
er folgendes: und die kOnigin Saba, die bei den Hellenen Sibylle
genannt wird, da sie von seinem (Salomos) rühme gehört hatte,
kam nach Jerusalem, um ihn mit rätseln zu versuchen, und
nachdem er ihr alle auf die verständigste und anmutigste weise
gelost hatte, stellte sie ihm noch folgende aufgäbe: *sie brachte
vor ihn männliche und weibliche kinder, weiche sie mit gleicher
kleidung und gleichem haarschnitt hergerichtet hatte, und ver-
langte von ihm dass er sie dem geschlechte nach unterscheide,
sie war nämlich selbst, die Sibylle, durch ihren Scharfsinn, ihre
Weisheit und reiche erfahrung weitberühmt, da befahl ihnen der
kOnig, sich das gesiebt zu waschen, und erkannte so ihre natur,
indem die knaben sich kräftig und energisch das gesiebt erfrisch-
ten, die mädchen aber zart und zaghaft, — worüber die kOnigin
hochlichst erstaunte' (Georgii monachi dicti Hamartoli chronicon
ed. EdeMuralt, Petropoli 1859, p. 141,25; Migne Patr. graec.
ex col. 251).
Georgios sagt in seiner vorrede dass er sowoi ältere helle-
nische als auch neuere byzantinische geschichtschreiber sowie
auch erbauliche Schriften benutzt habe (s. Ferd. Hirsch Byzan-
tinische Studien, Leipzig 1876, s. 7). seine Vorgänger in der
Universalgeschichte haben die erzählung nicht. Eusebius (anf.
des 4 jhs.) erwähnt wol nach Josephus (Ant. 8, 5, 3) den rätsel-
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DIE RÄTSEL DER KÖNIGIN VON SABA 19
kämpf Salomos mit Hiram und Abdemon (ChroBicor. libri duo
ed. Sehoene, Berol. 1875| i 116, 23); aber die ktaigia v<m Saba
erwähnt er gar nicht, auch Joannes Malalas (vor dem 8 jh.)
abergeht sie mit stillschweigen. Geoi^os Synkellos (gegen ende
des 8 jhs.) führt wol die kOnigin des sQdens an (Chronographia
ed. Dindorfy Bonnae 1829, i 341); aber von ihren rätseln sagt
er nichts. Georgios monachos hat seine erzählung wahrschein-
lich aus alexandrinischer quelle geschöpft, dass Salomo die kinder
an der art ihres waschens unterscheidet, beweist arabisch- per-
sischen Ursprung, das abweichende erkennungszeichen haben
sich die Griechen selbständig zurecht gelegt, da sie den orien-
talischen haremsaberglauben nicht verstanden.
Aus Georgios monachos gieng die erzählung mit geringen
textlichen abweichungen über in die weltchroniken des Georgios
Kedrenos, gegen ende des 11 jhs* (ed. Bekker, Bonnae 1838,
I 166, 21 ; Migne Patr. gr. cxxi col. 200), und des Michael Glykas,
nach der mitte des 12 jhs. (ed. Bekker, Bonnae 1836, p. 343;
Migne Patr. gr. cLvm col. 352).
Georgios monachos bemerkt dass die königin von Saba bei
den Hellenen Sibylle genannt werde, es ist dies das älteste
Zeugnis für die prophetenrolle, welche der kOnigin in einer reich
entfalteten legendendichtung des späteren mittelalters zu teil wer-
den sollte, wo immer die kOnigin als Sibylle auftritt, steht sie
im engsten Zusammenhang mit der legende vom kreuzeshoh,
deren vielverzweigte Versionen besonders durch die treflFlichen
Untersuchungen Hussafias (Sulla leggenda del legno della croce,
Sitzungsber. der Wiener ak. ph. bist. cl. 1869, Lxni 165 ff) und
WMeyers (Die gesch. des krenzholzes vor Christus, Abb. der
Manchner ak. i cl. 1881, xvi 2, 10311) klar gelegt worden sind,
das sibyllentum der kOnigin besteht darin, dass sie bei ihrem
besnche an Salomos hof in einem lebenden bäum oder einem
zobebauenen balken den künftigen kreuzesstamm erkennt und
in prophetischen worten auf den tod des erlOsers hinweist. >
Wie die künigin zu dieser prophetenrolle gekommen ist,
dafür gibt uns eben Georgios monachos einen fingerzeig. er
^ Nu v>a$ Saba ein prophetin. Dartanb ward ty ein Sybille ge-
nannt Dann $y weissaget vom holtz des heyligen creutz vnd von »er-^
sMfrung der Juden, Fnd was ein ererin eins waren gotles, Schedels
Chronik, Augsburg, Hans Schöosperger, 1500, bl. xlix\
2*
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20 DIE RÄTSEL DER KÖNIGIN VON SABA
sagt dass sie schon bei den heidniscben Griechen — denn solche
sind QDter der bezeichnung "EXXrjveg bei den byzantinischen
Schriftstellern verstanden — für eine Sibylle gegolten habe, dabei
hat er offenbar jene Sibylle Sabbe — Saßßrj — im äuge, Ton
welcher Pansanias in seinem capitel über die weissagenden frauen
(I. 10 c. 12, 9 ed. Dindorf p. 506) berichtet, sie habe bei den
Hebräern oberhalb Palästinas (inig "rijg nakaiinivrig, im sy-
rischen berglande) gelebt, es ist dieselbe, welche Aelian (Var.
bist. L 12 c. 35) die jüdische Sibylle nennt, aus der stelle bei
Georgios geht demnach hervor dass in der byzantinischen weit
des 9 jhs. die ansieht bestand, die Hellenen hätten mit der
hebräischen Sibylle Sabbe die biblische kOnigin von Saba gemeint.^
Nun lebte im munde der Christen ein berühmtes Sibyllen-
wort vom kreuz, das am Schlüsse des 6 sibyllinischen buches
(v. 26) überliefert ist (Alexandre Oracula sibyllina, Parisiis 1841,
1 1, 234; Friedlieb Die sibyllinischen Weissagungen, Leipzig 1852,
s. 128): o glückseligstes holz, an welchem gott ausgespannt war!
nicht wird die erde dich halten, sondern den weiten himmel
wirst du schauen, wenn einst das neue feurige antlitz gottes er-
strahlt.
!Q ^vkov w fAoxoQiatdv, l<p ^ Qebg i^evavva^,
Ovx ^^Bi ae x&wv, okK ovgavov evQvv iadtpei,^
^Hvbux äajgatfßj] %o viov @eov ifircvgov ofifjta.
auf diese stelle zielt Gregor von Nazianz (4 jh.), wenn er sagt:
mOge die Sibylle immerhin das kreuz in versen verherlichen !
(Carmina I. 2 Sectio 2 nr 6 v. 246; Migne Patr. graec. xxxvii
col. 1570). den ersten, den berühmtesten vers citiert Sozome-
nos (5 jh.) bei gelegenheit der erzählung von der aufBndung des
kreuzes durch die kaiserin Helena (Hist. ecclesiast. I. 2 c. 1 ;
Migne Patr. gr. Lxvn coL 933; nach ihm auch Cassiodpr Hist.
tripartita 1. 2 c. 18; Migne Patr. lat. lxix col. 937). er kennt
den vers aus alter, von geschlecht zu geschlecht vererbter, münd-
* oh schoo dieser name der sibyUe, wie Alexandre (Oracula sibylUna
n 84) annimnit, aus einer Verwechslung mit der königin Saba za erklären
sei und auch die bei späteren griechischen Schriftstellern wie Snidas auf-
tauchende form Safißn^n nichts anderes als die Sabierin bezeichne, mögen
Orientalisten entscheiden.
' der iesart i^qvy statt des überlieferten oboy gibt Alexandre im
2 band 1856 (p. 550) den Vorzug.
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DIE RÄTSEL DER KÖNIGIN VON SARA 21
licher tradiüon und Teraichert dass ihn selbst die heidnischen
Griechen ab sibyllinisch anerkennen, hier, sagt er, prophezeit
die Sibylle das kreuz und seinen cultus. — das ist nicht ganz
genau, der christliche dichter preist in seiner hymnischen apo-
Strophe das kreuz, wie es einst beim jangsten geridit am himmel
erscheinen werde, welche visionäre Torstellung im 8 sibyllinischen
bach weiter ausgeführt ist (y. 244 ff. vgl. ua. Muspilli 100, Cy«
nevulf Crist 1084). aber eben diese ungenaue angäbe des Sozo-
menos zeigt uns, wie anknüpfend an jenen im yoiksmund leben-
den sibyllinischen vers der glaube sich bilden konnte, eine yor-
christliche Sibylle habe yom kreuz im allgemeinen geweissagt.
Es war naheliegend dass die legendendichtung, welche be-
strebt war, den Zeitraum zwischen Adam und Christus durch be-
deutsame, den gottlichen heilsplan ahnungsyoll entschleiernde yor-
zeiehen und Weissagungen auszufüllen, den weiteren schritt tat
QDd jene sibyllinische Prophezeiung vom kreuz der mit der chal-
däischen Sibylle yerwechselten kOnigin yon Saba in den mund
leg:te. musten doch yon selbst schon beim überschauen jenel
Zeitraums die beiden königlichen gestalten den blick auf sich
ziehen, deren begegnung den böchsten gianzpunct des jüdischen
reiches bezeichnete: Salomo, der selber für einen propheten galt,
der brautigam des Hohen liedes, den die mystische deutung frühe
schon als ein yorbild Christi yerherlichte, und die wie er wegen
ihrer Weisheit bewanderte kOnigin des Südens, die nach den wer-
ten Christi (Matth. 12, 42; Luc. 11, 21) am jüngsten tage gegen
die ungläubigen für ihn zeugen soll, die wie die braut des Hohen
liedes auf Maria, auf die kirche, auf die das eyangelium ersehnende
menschheit, auf die nach gottes liebe schmachtende seele gedeutet
wurde.
Auch in einer yon der occidentalischen litteratar ganz un-
abhängigen äthiopischen legende wird dem Salomo der erldser
yorausyerkOndet. ein engel erscheint und offenbart ihm, gott
habe in Adams leib bei der erschaffung eine köstliche perle yer-
borgen, die sich durch die reihe seiner erstgeborenen nachkom-
men in der familie der patriarchen yererbe; daraus solle in der
erfflUung der Zeiten Maria entstehen, in welcher gott menschen-
gestalt annehmen werde, so erzählt das oben erwähnte abesinische
konigsbuch K^bra Nagilst (IMllmann Cat codd. mss. bibl. Rod-
leianae Oxonienais, pars yii Codices aethiopici, 1848 p. 71).
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22 DIE RJLTSEL DER KÖNIGIN VON SABA
Trotz sorgßlltiger nachfondiaDg in kirchÜGhen schriftsteliera
der erstell acht Jahrhunderte ist es mir nicht gelungen, vor Geor*
gios monachos ein zeugnis für das sibyllentam der kOnigin von
Saba aufzufinden, an gelegenheit, sich darüber zu ftufsern, hat
es ihnen wahrlich nicht gefehlt, aber, wo die prophetinnen der
biblischen geschichte angeführt werden, da lesen wir wol wie
bei Clemens von Alexandria (2jh.) die namen Sara, Rebecca,
Mirjam, Deborah und Olda (Stromata 1.1 c21; Migne Patr.
gr. IX col. 872). doch ihr name fehlt, und wo wie bei Lactan-
tius (4jh.) die alten Sibyllen aufgezählt werden (De falsa relig.
1. 1 c. 6; Migne Patr. lat. vi col. 140 ff) 9 d> deutet nicht ein
wort an dass auch sie sich zu dieser schaar gesellt habe, wo
von der königin von Saba die rede ist, da hOren wir nur er»
klärungen wie die des Theodoret (anf. des 5 jhs.): sie hatte weder
das gottliche gesetz empfangen noch die pflege der propheten
genossen (firjt^ ftgognitimjg iftolaveaaa yetogylag), sondern
sie begnügte sich mit der natürlichen gerechtigkeit (Quaestio in
Reg. ui c. 10; Migne Patr. gr. lxxx col. 697). sein Zeitgenosse
Cyrill von Alexandria heifst sie kurzweg yvyij ßagßoQog (In
Reg. m 10, 1; Comment. ad Luc. 11, 31; Migne Patr. gr. lxix
col. 639; Lxxii col. 708). wo endlich vom kreuze gehandelt
wird, da begegnet uns wol wie in der schwungvollen homiiie
des Andreas Cretensis (um 700) eine paraphrase des sibylliniscben
Verses (HvXayrjtai %d ^vXov, iv ^ @eög acDpunütüg i^era^^
Migne Patr. gr. xcvn col. 1033), aber nirgends eine spur von
der kreuzlegende, die Andreas, wenn sie ihm bekannt gewesen
wflre, gewis nicht verschwiegen hätte.
Auch für die nächstfolgenden Jahrhunderte bleibt das Zeug-
nis des Georgios, abgesehen von den ihn ausschreibenden By*
zantinem Kedrenos und Glykas, das einzige, die byzantinische
hauptquelle für die fabelhafte geschichte Salomos, das Testamen-
tum Salomonis, von Michael Psellos (um lO&O) in seiner schrift
De operatione daemonum öfter citiert, bespricht ausführlich die
dienstbaren geister Salomos und erwähnt auch die kOnigin des
Südens, kennt aber weder ihre rätsei noch ihr sibyllentum
(Migne Patr. gr. cxxn col. 1349). noch immer fehlt ihr name
in der aufzählung der Sibyllen, wie sie zb. das im 11 jh. vollen-
dete Chronicon paschale bringt («d. Dindorf, Bonnae 1832, n 108).
Erst vom zwölften Jahrhundert an sind uns legenden über-
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DIE RÄTSEL DER KÖNIGIN VON SARA 23
liefert, worin die kODigin tod Saba ihr sibyUentum als prophetia
des kreazes betätigt, als die älteste bekannte fassimg hat WMeyer
(aao. 106) die lateinische Historia de ligno crucis nachgewiesen*
eine griechische quelle ist bis jetit nicht bekannt geworden;
dennoch wird nach dem vorangehenden die yermutung nicht allzu
gewagt erscheinen dass die entstehung der legende auf grie«-
chischem boden zu suchen sei, welche Vermutung dadurch unter-
stOlzt wird dass auch für den teil der kreuzlegende, der von
Adams tod handelt, lateinische autoren des 13 Jahrhunderts wie
Gervasius von Tilbury und Jacobus de Voragine sich auf eine
traditio Graeeorum, historia Graeeorum berufen (die stellen s.
bei WMeyer aao. 118. 124).
Was nun die rütsel betrifft, so fehlen sie in sammtlichen
darstellungen der legende bis auf Calderon, was um so aufTallen-
der ist, als auf einzelne Versionen der legende die jMisch-arabische
tradition unverkennbaren einfluss gehabt hat aus dem nur schein*
baren wasser der Ralqtssage ist in der legende ein würkliches
geworden, das die kOnigin durchwatet, weil sie sich scheut, das
kreuzesholz, das als sieg dient, zu betreten, die erste spur dieser
Version findet sich bei Johannes Releth um 1170 (WHeyer aao.
115) und Herrad von Landsberg um 1175 (Engelhardt s. 41).
am deutlichsten wird der Vorgang erzählt in der reichsten aus-
gestaltung der legende aus dem 13 jh., welche WMeyer zuerst
vollständig veröffentlicht hat (aao. 131 ff)- ^^ heifst es: subtractis
vettibus nudis pedüms tramtDit (s. WHeyers anm. 4 auf s. 148).
Noch merkwürdiger aber ist dass der kOnigin in einzelnen
fasBungen der legende selbst die tierischen beine geblieben sind,
um die es sich bei jener teuschung in der jttdisch*arabischen
sage handelt diesen zug hat schon eine der frühesten gestal«
tungen der legende, welche in der Windberger bs. des Honorius
AngBstodunenris De imagine mundi, um 1150, interpoliert ist
und in einer lateinischen predigtsammlung vom ende des 12 jhs.
widerkehrt (entdeckt und abgedruckt von WMeyer s. 109 f). diese
legende liefert auch einen sehr interessanten beitrag zur Markolf-
sage, indem sie dem Salomo einen zwerghaften halbbruder zu-
schreibt, den die kOnigin von Saba auf ihre bitte zum gescfaenk
erhalt von ihr wird gesagt: Saba quogue Bthiopiiaa et rtgina
fumput m Sibäla haben$ pedet anserinoB et ochIob lueaiies «r ttolk
(aas. 1 10). die lesart anserines statt, wie man erwarten sollte,
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24 DIE RÄTSEL DER KÖNIGIN VON SARA
asininos Btammt wol von einem deutschen Schreiber, dem aus
seiner heimischen sage die gänse- und entenftirse der eiben, die
schwanfQfse der wasser* und wolkenfrauen in den sinn kamen,
sachlich hätten die geifsfufse der bergfrau (EMeier Schwab, s.
nr 4, Panzer Rayerische s. i 180) und der zwerge (StOber Sagen
des Elsasses* nr 2. vgl. Hannbardt Germ, mythen 642. 67 U
717) besser entsprochen, in dem Sibyllen boich, der in zwei
Kolner drucken von 1513 und 1515 überlieferten niederrtiei*
nischen Umschreibung des hochdeutschen gedichts Von der Si-
byllen Weissagung, ist die kurze andeutung jener handschriften
weiter ausgeführt:
und die frouwe was schoin und tick.
sie hadd/e einen voeiz der stont gdick
of it ein gensevoeiz were:
des sehamde si sieh sere,
doch gink si dair mit und stont
als ander lüde mit treu voezen doint
(Schade Geistl. gedd. des xiv u. xv jhs. vom Niederrhein, Hannover
1854, 8. 304 V. 217). als sie aber aus scheu vor dem kreuii-
holz durch das wasser watete, da
umh die ere van godes gewaU
wart der gensevoiz gestalt
eines minschen voiz dem andern geliek:
des erfreude do SibtUa sieh (aao. s. 305 v. 249).
hier ist augenscheinlich die ältere jüdisch-arabische fassung, wo*
nach Ralqts in der tat tierisch aussehende beine hat, mit der
Jüngern verschmolzen, nach welcher sie bei dem scheinbaren
durchwaten des wassers tadellose menschenfüfse enthüllt, die
christliche legende vereinigt die beiden einander widersprechen*
den Züge durch ein wunder, nach ihr hat die kOnigin von Saha
würkHch tierische bildung an sich, die aber verschwindet, sobald
sie vom profdbetischen geiste ergriffen dem kreuzesstamm ihre
ehrfurcht erweist.
Diese stelle ist schon manigfach besprodien worden (Rir*
linger im Ronner theolog. litteraturbl. 1871 sp. 107, und in
der Ostreich, vierteljahrsschr. für kath. theoL, Wien 1873, s. 423;
Vogt bei Paul und Rraune ReitrSge nr 93; Gaster Germ, xxv 292).
auch wurde schon öfter die Vermutung geflufsert dass in den
plastischen darstellungen der künigin mit dem gänsefufs an fran*
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DIE RÄTSEL DER KÖNIGIN VON SARA 25
zösiscbea und burgundischen kirchen die kOnigin toh Saba als
Sibylle gemeint sei (Simrock Handbuch der dentschen myth.^
S.375; Vogt aao. 93 anm. 2). die wege aber, auf denen die
orientalische sage dem westen vermittelt wurde, liegen noch immer
in ondurchdringUchem dunkel.
In der europltiscben litteratur heiTst die kOnigin von Saba
NktnUa. dieser name stammt von Flavius Josephus her, der
den besuch der kOnigin bei Salomo ausfobrlich erzählt (Ant. 8,
6,2). er macht sie xu einer kOnigin von Ägypten und Äthio-
pien und nennt sie NmavXrj oder Nixavh^g, in einigen band*
Schriften I^lnavlig, indem er sie mit der von Herodot (2, 100)
erwähnten ägyptischen kOnigin Nittoxfig verwechselt, deren name
ihm in einer jener entstellten lesarten vorgelegen haben muss.
er Oberliefert die sage dass sie dem kOnig eine balsamwurzd
gebracht habe, von der sämmtliche in Palästina wachsenden bal-
samstauden abstammen sollen« er nennt sie eine liebhaberin der
Philosophie; aber von ihren rätseln weifs er so wenig als von
ihrer sibyllenwOrde. mit diesen angaben des vielgelesenen autors
worde der name Nicanla oder Nichaula in gereimten und un-
gereimten Chroniken durch das ganze mittelalter widerholt, und
auch bei späteren jüdischen schriftsteilem fand er aufnähme
(in der form Nicolaa, zb. im buch Juchasim s. Schultens Monu-
menta vetustiora Arabiae, Lugd. Rat 1740, s. 87 und ROsch
aao. 568).
Als die dreizehnte Sibylle war die kOnigin Nicaula in
Deutschland durch das Volksbuch Von der Sibyllen Weissagung,
das ans dem deutschen gedieht des 14 jhs. in prosa umgeschrieben
worden war, bis in die neuere zeit herein allgemein bekannt
(Ober gedieht und Volksbuch s. Vogt Reitr. iv 48 ff), auch in
einzeldrucken wurden ihre Weissagungen, die besonders von den
Schicksalen des deutschen reiches bandelten, im volke verbreitet,
die MQnchner bibliothek besitzt eine solche von Hans SchOnsperger
in Augsburg aus dem ende des 15 jhs. mit dem gereimten titel:
IXe drqfzekend Sybiüa Ein küngin v(m Sabba Die vor langer zytt
ZuUnfItig geschickt Zu erkennen gydi (o. j. 4^ titelbild der planet
mercur). in den Streitliedern der reformationszeit berief man
sich auf sie (s. Uhland Alte hoch- und niederd. volksl. nr 353
Str. 11). allein so populär sie war und so oft ihr name genannt
wurde, von ihren rätseln findet sich nicht eine andeutung.
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26 DIE RÄTSEL DER KÖNIGIN VON SABA
Auch in der altfranzOsischen litteratur sind sie mir
nirgends begegnet, die kOnigin Ton Saba erscheint hier nur als
die kreuzesprophetin der legende, und zwar nicht yor dem 13 jb.
in dem Misterium von den klugen und törichten Jungfrauen, dem
ältesten, das wenigstens teilweise in der Volkssprache abgefosst
ist, tritt wol eine Sibylle auf, die von den letzten dingen weis-
sagt; doch fehlt jeder anhält dafür dass die kOnigin von Saba
gemeint sei (Monmerqu6 et Michel Th6Atre fran^is du moyen-
Age, Paris 1839, s. 9). die altfranzösische Übersetzung der vier
bücher der könige aus der mitte des 12jhs., die zuweilen in
kurzen erklärenden beigaben sagenhafte züge enthak, gibt die
biblische erzählung vom besuch der königin bei Salomo einfach
ohne commentar (Les quatre livres des rois p. p. Le Roux de
Lincy, Paris 1841, s. 271). unter den anglonormannischen dich-
tuDgen, welche De la Rue (Essais bist, sur les bardes, les Jong-
leurs et les trouvöres, Caen 1834, n 260) unter dem kritiklos
combinierten dichternamen Guillaume Herman aufführt, befindet
sich eine, die nach einer lateinischen vorläge die zehn älteren
Sibyllen in kurzen reimparen besingt, das gedieht wurde nach
De la Rue für die kaiserin Mathilde verfasst, die aber noch vor
seiner Vollendung starb, 1167. der anfang lautet:
Ils furent dis Sibilei^
Gentils dames twbiles,
Ki orent en lur vie
Esprit de frophetie.
die zehnte Sibylle, es ist die tiburtinische, kommt nach Jerusalem,
am sich mit Salomo zu besprechen, das ist der erste anklang
an unsere legende. ^
Die krenzlegeode selbst mit der königin von Saba ist bis
jetzt nicht früher nachgewiesen als in einer episode des gedichtes
Image du monde von Gautier von Metz (13 jb.) ; dort heifst es
La roine dAuttre vitU de Sabbt, qui SebiU at nam (Mussafia in
den Wiener Sitzungsber. LXin 188). SMUe rayne heifst sie im
^ aach in einer dentschen fasrnng der krenzlegeode, in der Irseer ha.
TOD 1412 za Augsburg, kommt die künigin Sibiüa — von Rom gen Je-
rusalem (AvKeller Fastnacbtspiele , nachlese s. 126). umgekehrt in der
Bonaaeschioger Prophecia Sibille (15 jh.): Tempore Salomoms venit SibiUa
regina de Saba in Jhertualem audire sapientiam iptius, que abinde' r*-
diens venu Romam (Vogt Bdträge iv 86).
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DIE RÄTSEL DER KÖNIGIN VON SABA 27
Renard le contrefait (14 jh., s. Mussafla aao. 210), sage Seftife
JQ eiDem altfraDZ. passionsgedicht (Hassafia 213). im Mystöre
du Tieii testament ans dem 15 jh. weissagt sie dem Salomo vom
kreuz (Mussafia 190). im Histerium von Christi gehurt (aus dem
15 Jb.), das auch die legende yon dem auf Adams grab gepflanzten
zweig des erkenntnisbaums anführt, verweist Amos den Elias auf
die autorilät der Sibylle, die den kommenden erlöser vorherver-
kflndet habe: Sefrtfe, qm fut rayne maub nobth (Jubinal Hyst^res
in^ts du vr si^e, Paris 1837, u 14).
In gleicher eigenschaft kennen sie die englischen legen-
den, als pe sage quem, dorne Sibell (Morris Legends of the holy
rood, London 1871, s. 83 v. 750. vgl. Cursor mundi ed. Morris,
London 1875, ▼. 8955). eine eigentflmliche auffassung bringt
das mittelenglische Alexanderlied aus dem 13 jh. da ist es Sibely
savage, die kOnigin der Makrobier, um deren Schönheit willen
Salomo zum gOtzendiener wird (▼. 6384 ff bei Weber Metrical
romances, Edinburgh 1810, i 263). aber die rätsei werden nicht
crwShnt.
Ihre höchste poetische yerherlichung erftihr die kOnigin von
Saba durch Calderon, der die legende vom kreuzholz zweimal
bebandelt hat, zuerst in dem auto Ei arbol de roejor frato^
(Autos sacramentales, alegoricos y historiales, Madrid 1717, n 249 ff)
und dann in dem berühmten Schauspiel La sibila del Oriente y
gran reina de Sabä (ausg. von Keil \u 200; von Hartzenbusch
IT 199), für die auffobrung am fest der kreuztragung geschrieben
(Schack Gesch. der dram. litt, und kunst in Spanien, Frankfurt
1854, m 143). die abfassungszeit beider dramen ist nicht be-
kannt, dass des dichters hauptquelle das umfangi^iche werk des
spanischen Jesuiten Johannes von Pineda Aber Salomo gewesen
sei. De rebus Salomonis regis, zuerst in Lyon 1609, dann 1611
in Venedig, 1613 in Mainz gedruckt (1. 5 c. 14), hat WMeyer
in seiner akademischen festrede über Calderons Sibylle des Orients
(Mflnchen 1879) erwiesen.
Calderon nennt seine hddin in beiden dramen Nkauta de
SM (Autos n 253*. 259^; Keil ni 202*). doch gibt er ihr im
zweiten auch beide bei Pineda verzeichnete namen NicaiuHa Mo-
^ de mejor richtiger als del mejor s. Lorinser Calderons geistliehe
festipide, Breslau 1861, it s. 3.
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28 DIE RÄTSEL DER KÖNIGIN VON SABA
queda (Keil m 205^). endlich heifst er sie Sabd nach ihrem reich
(Autos II 259^; Keil ni 205^). er macht sie, notizen des Pineda
benutzend, zur herscherin über Saba, Äthiopien und Indien:
La Sibila soberana
De la gran India arientai,
Emp&ratri» de Etiapiay
Reyna invicta de Sabd
(Autos n 253^; Keil lu 202^). er schildert sie als schwarz, als
Sibila negra hermosa y profetisa (Keil m 212^), und identificiert
sie, immer unter benützuog der gelehrten auseinandersetzungen
des Pineda, mit der schwarzen braut des Hohen liedes. daher
lässt er in der scene, wo sie im triumphwagen vor Saloroo an-
langt, den chorgesang ertönen:
Morena soy, pero hermosa,
Eijas de Jerusalem
(Autos II 268*; Keil m 212'). was in den beiden dramen auf
die legende vom kreuzholz sich bezieht, hat Calderon gleichfalls
den angaben des Pineda entnommen, auch der alte sagenzug
fehlt nicht, dass die kOnigin dem könig rätselaufgaben stellt, um
zu erproben, ob seine Weisheit würklich seinem rühme gleich-
komme. Pineda, der auch diesen gegenständ berahrt, erzahlt
das kinderrätsel in der byzantinischen fassung des Kedrenos (1. 5
c. 15 § 42 p. 545^). Calderon aber hat in diesem für unsere
Untersuchung wichtigsten puncte seinen gewährsmann verlassen,
die rätselaufgaben seiner Sibylle lauten anders als in allen bis-
herigen Versionen der sage.
Beidemal ist die scene ein herlicher garten, im auto lässt
die kOnigin von ihren begleiterinnen Astrea und Palmira (die
letztere ist eine allegorische figur der Idolatria) zwei sträufse —
ramilktes — bringen, von denen der eine aus natürlichen, der
andere aus künstlichen blumen besteht, und gibt dem kOnig auf,
sie von ferne zu unterscheiden. Salomo verlangt einige zeit zur
beantwortung, und Astrea legt ihm unterdessen die zweite frage
vor, warum dasselbe geschliffene glas die schriftzüge eines bucbes
dem einen verkleinere und dem andern vergrOfsere. aber nodi
bevor er auf diese frage antwortet, hat er schon den echten
straufs der Astrea von dem unechten der Palmira unterschieden:
um jenen schwärmen bienen, honig zu nippen, um diesen
schmutzige fliegen, ihn zu besudeln.
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DIE RÄTSEL DER KÖNIGIN VON SABA 2»
Sobre aquelUu fiores huelan
en enamwadoi cereos
providas apexas, sobre
estotras äl mitmo tiempo
inmnndas moscas, las unas
liban sus fnaiizes bellos,
de que artifieiosas labran
la miel, las otras sus buelos,
solo d mamcharlas, las rondan
(Aatos n 272^). diese scene widerholt sich im 3 act der Sibila.
hier hat Calderon die zweite , gelehrt optische frage mit recht
weggelassen, auch die lOsung des blumenrätsels hat er verein-
facht und verfeinert, eine frau der kOnigin, Irene, zeigt dem
kOnig blumen in einem blumenkasten (quadro): davon seien einige
ihr werk, andere das der Jahreszeit die pause, die Salomo zur
beobachtung braucht, füllt der mohr Mandinga, der spafsmacher,
ans, indem er ein kinderrtttsel des volks vorbringt, sieh, Irene,
sagt hierauf Salomo, diese rose, die ich zwischen der nelke und
der hyacinthe sehe, ist falsch : eine biene kreiste über ihr, nahte
sich aber nicht, um an ihr zu saugen.
Sal. Ägudrdate un poco, Irene.
AqueUa rosa, que veo
Bntre nn clavel y un Jacinto,
R rosa fingida.
Irene. Es cierto.
Sabd. En que lo viste?
Sal. En que ondtAa
Una abefa hadendo cereos
Sobre eUa, y wunca Uegö
A piearla. De aqui infiero,
Que es flor fingida, pues no es
De gusto ni de provecho
(Keil m 214*).
Kehren wir nun nach dieser sagengeschichtlichen Wanderung
ZQ unserem Kirschkauer teppich zurück, so finden wir auf ihm
das kinderrätsel der orientalischen märchen mit dem blumenrätsel
des Calderon vereinigt. Salomo, der durch die eule auf dem
mittelbaum und besonders durch äffe und pfau gekennzeichnet
md (1 KOn. 10, 22), unterscheidet die kinder nach der art, wie
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30 DIE RÄTSEL DER KÖNIGIN VON SARA
sie die äpfel sammeln: der knabe steckt sie in den busen, das
mädchen legt sie in den aufgenommenen rockschoofs. das kommt
der jüdischen erzählung im Hidrasch am nächsten, auch dort
unterscheidet Salomo die kinder nach der art, wie sie esswaaren
entgegennehmen, nur sind es dort nach abweichender orien-
talischer sitte die knaben, welche das kleid aufheben; die mäd-
chen dagegen schämen sich, dies lu tun, und empfangen die
gaben in dem lang herabwallenden kopftucb. die fassung des
kinderrätsels, wie sie der gobelin zur darsteilung bringt, dürfen
wir also auf jüdische einwürkung, welche der mittelalterlichen
erzählungslitteratur so manchen orientaliscben Stoff vermittelt bat,
zurückführen.
Was das blumenrätsel betrifft, so war man bisher geneigt,
dessen erfindung dem spanischen dichter zuzuschreiben, dem
widerspricht unser teppichbild, das über ein menschenalter vor
Caiderons gehurt entstanden ist. an der biene, welche die redUe
Miim nit tpart, erkennt Salomo die ungleiche art der blumen in
der band der kOnigin. die quelle, welcher Calderon dieses rätsei
entnommen hat, ist völlig unbekannt.
Vergebens habe ich mich in der mittelalterlichen kunst nach
ähnlichen darstellungen umgesehen, als gegenständ für teppich-
bildnerei scheint die königin von Saba nicht häufig gewählt wor-
den zu sein, in den alten listen von tapisseries historim zb.,
welche Jubinal (Recherche sur Tusage et Torigine des tapisseries
ä personnages, Paris 1840, s. 24. 30) aufführt, wird sie nicht
genannt, in dem hauptwerk über die geschichte der teppich-
kunst von Guiffrey, Müntz und Pinchart (Hist. g6n6rale de la
tapisserie, Paris 1878 ff) habe ich überhaupt nur zwei darstel-
lungen der kOnigin von Saba gefunden, welche beide dem aus-
gang des 15jhs. angehören, die eine in der kirche SAm^ zu
Douai (Tapisseries flamandes 53), die andere im kloster la Chaise
Dieu in der Auvergne (Tapiss. fran^aisea 46). häufiger begegnet
man ihr auf altarbildern und miniaturen. nach der kirchlichen
typologie wurde sie als alttestamentliches vorbild mit den hll.
drei kOnigen zusammengestellt. ^ auf dem Verduner altar von 1181
' galt doch auch eioer der lelztera fQr einen Sabäer. schon im Frei-
singer Herodesspiel des 9 jhs. gibt sich der dritte magas als befaerscher
der Araber zu erkennen (Weinhold Weinachtspiele 58). nach einer ha. des
11 jhs. heifsen sie reges Thartu et Arabum et Saba (Zappert in dien
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DIE RÄTSEL DER KÖKIGIN VON SABA 31
zu Klosterneuburg ist das bild der drei kOnige mitten zwischea
zwei typen, links Abraham, der dem Melchisedeck den frucht-
und blutzefant entriditet (Genes. 14, 17), rechts die kOnigin von
Saba, die dem Salomo gold, edebteine und spezereien zum ge-
schenk bringt (Otte Handb. der kircbl. kunstarchäologie^ Leipzig
1868, s. 887). in der Biblia pauperum siebt man links von den
drei kOnigen den besuch Abners bei David (2 Sam. 3, 19), rechts
die kOnigin von Saba vor dem auf dem throne sitzenden Salomo,
zwischen ihnen eine zofe, welche schätze im gewand daher-
tragt, so in einer Münchner pergamenths. des 13 jhs. aus Bene-
diktbeuren (cL 4523 hl. 49') und einer andern des 14 jhs. (cI.
23426 M. 2'); in einer dritten des 13 jhs. aus Tegernsee (cl.
19414 hl. 154'') stehen die alttestamentlichen typen über dem
aeutestamentlichen antitypus; die kOnigin von Saba hält ein becher«
ähaliches gefilis voller edelsteine in die höhe, in allen band«
Schriften und drucken der Biblia pauperum liest man tlber der
kOnigin den reim : Haec typice gmiem nottU ad Christum venienr-
lern. — im Speculum humanae salvationis reihen sich an die drei
könige als Vorbilder die drei starken, die dem David durch das
lager der Philister wasser holten (2 Sam. 23, 15), und die königin
von Saba knieend vor dem löwenthron Salomos, dem symbol der
hl. Jungfrau, welche darüber in einer glorie erscheint (cl. 23433
aaec. xiv bl. 12*). auf dem gobelin des klosters Chaise Diea
siad links von den drei künigen gleichfalls die drei wasserbrin-
genden beiden und rechts die kOnigin von Saba abgebildet, die
dem Salomo ein kostbares gefäfs hinreicht, von dem er den deckel
abhebt (Jubinal et Sansonetti Les andens tapisseries histori^es,
Paris 1838, Tap. de la Chaise Dieu, pl. 6).
Wo immer die kOnigin auf diesen darstellungen etwas in
der band hilt, da hat sie ganz entsprechend den drei kOnigen
ein goldenes prunkgefUs oder wie auf der miniatur Memlings
im Breviariom Grimani (fae-simile, Venise 1880, text s. 93, tafel 33)
Wimer Sitzuagsber. 1856, xxi 827). ComeBtor sagt von ihnen: Fenerunt
cntm dß finihu Pertarum ei Chaidaearum, uH fluvius est Saba, a fue
fi Sabaea regio dieitur (Bist evangdica c. 7 ; Migne Pati. lat. cxGvin
col 1&41). nach der meinong des spätem mittelalters war Balthasar der
vdhranchspender ans dem weihranchlande Saba (Zappert aab. 357 nr 117.
^ stellen der alten über Saba als weihranchland sind zasammengetragea
voB Schnltens Monnm. velnstiora Arabiae, Logd. Bat. 1740, s. 27 fi).
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32 DIE RÄTSEL DER KÖNIGIN VON SABA
ein farbenbuntes edelsteinbüchscheo mit goldenem krOnlein, aber
niemals einen blumenstraufs.
Nur noch ein bild ist mir bekannt geworden, worauf das
blumenrätsel dargestellt ist. dasselbe befindet sich in der Traus*
nitz, dem alten Wittelsbachischen bergschloss über der Stadt
Landshut an der Isar, im hauptkabinet des herzogs, das mit
Wandmalereien aus dem leben Salomos geziert ist auf der einen
wand ist das urteil Salomos abgebildet; auf der andern sieht man
Salomo schlafend auf dem throne sitzend, von allegorischen weib-
lichen gestalten umgeben, welche die regententugenden yorstellen
sollen; die dritte, südliche, wand zeigt die scene des blumen-
ratsels. in einer offenen halle im stile der spfltrenaissance sitzt
inmitten des bildes auf seinem goldenen lOwenthrone, der unter
dem baldachin die bairischen blauweifsen rauten trägt, Salomo mit
kleiner zackenkrone auf dem haupt, in einem langen türkischen
Schnürmantel, den thron umgeben krieger und hofleute, darunter
ein mann in kaftan und turban. Yor dem thron (rechts vom
beschauer) kniet die kOnigin mit der rechten band auf der bru8t,
hinter ihr eine Jungfrau, die rote rosen in der band hält, und
eine andere, welche die grüne goldgestickte schleppe der kOnigin
trägt das gefolge bringt geschenke in koffern herbei. Salomo
hält in der linken band einen straufs von tulpen, Schwertlilien,
rosen und Teilchen, und darüber schwebt eine biene. zu häupten
des gemäldes steht die Inschrift: Sapiens oculatiar Argo. — nach
der auf der Trausnitz traditionellen erklärung brachte die königin
dem könig einen straufs von überaus teuschend nachgemachten
blumen, indem sie dachte: hält er die blumen für echt und riecht
daran, so ist er der weise nicht, als welcher er gepriesen wird.
Salomo durchschaute ihre list, hielt den straufs vorsichtig in der
band und liefs im garten bienenschwärme aufstören, dass die
bienen in die halle geflogen kamen, an ihrem verhalten erkannte
er dass die blumen falsch waren. — woher diese tradition stanunt,
weifs niemand zu sagen, wahrscheinlich von einem besucher der
bürg, der Calderons Sibylle gelesen hatte und den Vorgang aus
mangelhafter erinnerung widergab. pfarrer Furthner, der ioi
j. 1812 eine beschreibung der Trausnitz drucken liefs, wüste noch
nichts davon.
Das gemach wurde unter dem herzog Albrecht v (1556 — 1579)
für den thronfolger, den nachmaligen herzog Wilhelm v, erbaut.
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DIE RÄTSEL DER KÖNIGIN VON SABA 33
ao8 jener zeit stammen die deckengemfllde, wie die namenszeichen
Wilhelms und seiner gemahiin Renata von Lothringen, sowie die
am deekbalken stehende Jahreszahl 1576 beweisen, die wände
waren ursprOnglich wie die der anderen fürstlichen wohnrftume
getafelt, diese vertäfelung wurde bei der restauration, welche
der karfOrst Ferdinand Maria (1651 — 1679) yornehmen liefs,
eatfemt und durch die jetzigen von dem maier Franz Geiger
aoggefohrten Wandbilder ersetzt, ihre Yollendung bezeichnet die
in der fensternische angebrachte Jahreszahl 1672. damals stand
Galderon in seinem 71 jähre, dass das gemälde unter dem ein-
Ouss seiner religiösen dramen entstanden sei, Iflsst sich weder
beweisen noch widerlegen, kam die anregung wttrklich von
Calderons dichtung, woher die kOnstlerisch durch nichts moti-
vierte abweichung? war Calderons dichtung die quelle nicht,
wober kannte der maier die sage? woher kannte sie Calderon?
woher der teppichworker von 1566 oder vielmehr der kOnsÜer,
der das originalbild entwarf? wo ist die gemeinsame quelle fQr
alle diese darstellungen? — so gibt auch uns die königin noch
immer ihre ratsei auf.
Der gegenständ muss im 16 und 17 jh. populär gewesen
sein; das beweisen die bildwerke. aber fflr das kinderrätsel,
wenn es nicht unmittelbar dem Midrasch entnommen ist, fehlt
uns die nächste quelle so gut wie fdr das blumenrSltsel, das
aulser bei Calderon nur auf den beiden teppichen und dem Lands-
hoter Wandbild vorkommt, umsonst waren alle nachforschungen
in der erzflhiungslitteratur des späteren mittelalters und des 16 jhs.,
in historienbibeln, legendarien, weltchroniken und Sammlungen
von sagen, anekdoten und schwanken, vielleicht findet auch hier
der absichtlose, was dem eifrig suchenden versagt bleibt.
Manchen im mai 1882. WILHELM HERTZ.
DIE SPRÜCHE DES BREMISCHEN RATS-
STUHLS.
Die noch ungedruckte bremische chronik Johann Renners
(t um 1580), deren original sich auf der bremischen stadtbiblio»
tbek (manuscr. la. 17) befindet, meldet zum j. 1405 So wart ok
Z. f. D. A. XXVII. N. F. XV. 3
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34 DIE SPRÜCHE DES BREMISCHEN RATSSTUHLS
de verkante Stuel des Rad^e mü Bilden und herlichen SproAen
gexireif v>ekh$ schene antosehnde was. De Sproeke averst, eo rtmt
herumh daran, buten und binnen^ gestanden, eint van Werden te
Werden disses Inholdes, dud folgen die sprttche und die namea
der auf diesem vierkantigen gestttfal ausgeschnitzten mfinner« welche
dieselben auf spruchfaxodern an sich trugen, dieser stahl ist be*^
reits in den Denkmalen der geschichte und kunst der Stadt Bremen
1 s.9ff und auch von mir im Bremischen Jahrb. 1« 68ff be-
sprochen worden, aber er bedarf erneuter betrachtung.
Ähnliche prachtvolle ratsgestühle, wie der bremische war,
kannten auch andere stüdte, insbesondere Hamburg und vielleicht
auch Lübeck, eine miniatur zum hamburgischen stadtrecht v. j.
1497 zeigt uns 24 ratmannen, die in einem eingehegten räum,
in dem wesentlich vierkantigen ratsstuhl sitzen, an dem jedoch
2 ecken etwas abgeschrägt sind. ^ in wie weit der Bremer stuhl
jnit dem der hanseatischen abgeordneten im hansesaal zu LObeck,
welchen Deneken^ dessen vorbild nennt, Übereinstimmte, kann
ich nicht entscheiden. Donandt ^ dagegen halt die dem frän-
kischen recht eigentümlichen, schon vom salischen gesetz er-
wähnten ^4 bänke' des vogtsgerichts, die allerdings auch in Bre-
men eingeführt waren, für die urform, aber auffällig bleibt dann
nur dass Lübeck und Hamburg, welche die einrichtung und be-
zeichnung der *4 bänke' nicht kennen, doch auch solche vier*
kantige stuhle besafsen.^ so unsicher, wie der Ursprung der
allgemeinen form dieser holzschnitzarbeiten, ist auch die heiiiunft
der speciellen gestaltung des bremischen ratsstuhls. wer be*
denkt dass dieser nicht nur ein künstlerisches, sondern zugleich
ein litterarisches denkmal war, kann sich kaum enthalten, in <^em
nach beiden richtungen hin mit ungewiAnlicher tatkraft wttrken«
den bttrgermeister jener zeit, Johann Hemeling (f 1428), den
geistigen urheber desselben zu vermuten, der der führer nicht nur
des Staates, sondern auch der bildung sein wollte, als domherr
liefs er 1398 für den chor seiner kirche mehrere vergoldete und
mit reliefs geschmückte reIiq^ientafeln aus silber ubd 1400 einen
silbernen reliquienschrein zu ehren der heiligen Cosmas und
' JMLappenber^ Die miniataren zu dem bambargischea stadtrecht 6. 27
tafel 3. 2 Deneken Geschichte des rathauses in Bremen s. 21.
* Bremisches jahrb. 5, 3 ff. ^ Donandt aao. s. 4. Müller Zs. f. deutsche
kaltargeschichte n. f. 2,653.
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DIB SPROCHE DES BREMISCHEN RATSSTDHLS 35
Damianas anfertigen, der jeUt in der SMichaeliskirche zu Manchen
steht. 1 1407 betrieb er besonderB eifrig den bau der Friede-
barg an der Untorweaer, welche die Friesen zwingen sollte, ^ 1420
Terlegte er das grofse grab der 14 erzbischofe im dorne, das erz-
bischof Adelbert errichtet hatte. ' um 1410 legte er das widitige
diplomatar der bremisdien domkirche an.^ endlich war er nach
Koppmanns Tennutung jener gute freund der beiden Chronisten
Rynesberch und Scheue, der sie zur abfassung ihrer so weit-
vollen Chronik veranlasste, tijipe dat de stat van Bremen der mochte
ere und häde utnemen. ^ nimmt man hinzu dass der dorn einen
mit zahlreichen teilweise erhaltenen reliefschnitzereien gezierten
chorstohl aus dem jähre 1366 besafs,^ so liegt der gedanke
nahe dass ein geistig so angeregter und anregender mann, wie
der domherr Johann Hemeling, als er später zum bttrgermeister
erhoben wurde, für den 1405 — 1410 ausgeführten neuen bau
des rathauses, an dem er nach den banrechnungen sich auch als
holzlieferant beteiligte,^ ein ahnlich kunstreiches gesttth) er«-
dachte, wie es das domcapitel schon hatte; wobei überhaupt zu
bemerken ist dass die anläge und ausstattung der mittelalterlichen
cborstflhle und rata- oder gericbtssttthle vielfach übereinstimmt,
da das geselz von 1398, nach welchem der bremische rat fortan
nicht mehr aus 36, sondern aus 24 mitgliedern bestehen sollte,
mit dem j. 1404 ins leben trat, ^ so enthielt denn nun auch
der nene ratsstuhl, der allerdings wol nicht schon 1405, wie
Reoner berichtet, sondern einige jähre später gefertigt wurde, <^
24 binnensitze, wahrend die 12 aufsensitze vielleicht an die 12
ausgeschiedenen ratsherren erinnern sollten.
Der Bremer ratsstuhl ist bis auf zwei lehnenhälften zur zeit
der franzosischen herschaft im anfang unseres Jahrhunderts zar«
Start worden; um so wichtiger ist die erhaltung der sprüche und
der namen der angeblichen autoren derselben, die erste, mit
der innenwand nordwärts, mit der bild- und spruchlosen aufsen-
Seite südwärts gewendete bank war mit den sogenannten pro*
p beten geschmückt:
* Brcin. Jahrb. 6,Lxxxvi. * Geechichtsquellen hg. von Lappenberg
». 136. 137. « Brem. jahrb. 6, xiv. * Brem. jahrb. 6, xxxv.
* Brem. jahrb. 6, 262 ff. Hans, geschichtsblatter 1871 s. 69. * Brem.
ifM, 6,wxii. ^ Brem. jahrb. 2,816. 400. • Donaadt Qesek. des
tran. itadtfcchto 1,292 ff. ' Brem. jahrb. 3,432.
3*
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36 DIE SPRÜCHE DES BREMISCHEN RATSSTUHLS
1. Moses: Hebbe Rechtferdieheit v&r Gat dinm herm.
2. Isaias: Sonder vartoch doik recht RidUe.
3. David: Salieh sifU, de dar dm RedUferdiAeü to aüeH
tiden.
4. Stdomon: ßaven vorbUnden de ogen der RidUere.
5. Emhiü: RedUferdicheü varlasa de Seim und Juwe RidUe ^
apenhar.
6. Ecdesiasi: Vor de Recht ferdickeit kiwe bet In den d^th.
Die zweite, mit der binnenwand nach 08ten gerichtete baok
zierten die phiiosophen:
7. Arietotdes: Ein Richter ay thavome Recht,
de richte hem sam den knecht.
8. Plaio: We bn Rechte beechonet einen frundt,
de is der Ehren und einnen blindt.
9. Seneea: Im Rade nemande them^,
de gud vor ehre nemet.
10. Cato: Im tome richte nene Sake,
Hoet dy vor hetischer Wrake,
11. Socratee: RidUe nidu eines mannes Wort,
de foedderrede sy gehört.
12. Eoetius: Wat (1. Wol dh. Wer?) mach sahen hai und nidi,
de richte Jo In harter tidt.
Ängdus: Ridiiet Jo Inn der Rechtferdicheit.
An diese ecke, die ein engei verzierte, welcher der ersten
ecke gefehlt zu haben scheint, schliefst sich die nach norden
blickende binnenbank mit den dichtem:
13. Virgilius: Wo de Richters sint In der Stede,
So sint de Rorgers gerne mede.
14. Ovidme: War dwandc is, dar is dvre.
So segget uns der meieter Ukre.
15. Eoratius: Lande und luide geerret sint,
war de Richier is ein kindt.
16. Terentius: Der Stede eindrechtidteit
Is ohr beste ummekleidt.
17. Alanus: Walde einem Rechte unrecht doeth,
dar wert dat Ende seiden guth.
Der zweite enget : Im richtenden provet Juw suhen — führt
uns zu der vierten, an die ostwand des saales gelehnten bank,
zu den theologen:
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DIE SPRÜCHE DES BBEMISCHEN RATSSTUHLS 37
18. Petrus: Wes gnediek unde gtUh,
de gnade dy niehi mrdarven däth.
19. P»dus: Nemandt duik unredue,
wan der Sunden KneclUe.
20. Jaeebus: Doth Jo harmherticheit,
dat hemmelrike Juw «pen $teit.
21. Gngürms: Yolgei der barmheriicheit.
So sint de Bngele Jnto bereit.
22. Amhnnue: Wol unreeki ml to Rechte Aon,
de mnth vor Gade to Reckte etan.
ü. Hieronymus: Nein leoent is eo g^Üi,
ab dar men Recht Inne duth.
24. Augustinus: Lath dy titirecft^ nicht mede gähn,
wiUu na guth und Aren stahn.
Der dritte enget scbiiebt diese leiste reibe der binnensitze
mit dem spniche: Bdcennet Juto Inn der urisheit. zwei der
aobenwande des stiibles enthielleD nun noch:
25. JuUus: Wol wil to wiUitr sdsthop gähn,
de schal idt wisUek ane fahn.
GeUck und heel up rechten sinn,
dat wart Inn ehren din gewinn.
26. Tobias: Ane frage Jo weinieh sprich,
Wes wol heseheden, dat rode Ick.
Des ,minschen witte ende hat,
wann em de grote tom bestaet.
27. luUius: Wol wil na hoger Ekre» streoen,
de schal gar dogentUch leven,
Wol kann vormiden bösen rath,
dem wert vorhoget wol sin gradt.
28. Primas: Dwinge dinen sinn up wise worth,
so wert din rede wol gehört.
FUt dy an othmodicheit,
aUe dogede sint dy bereit.
29. Ihnid: Hoet dy vor hoverdige Daeth,
Nidt, hat, tom van dy gaeth.
Tein Qades boet beschreven stat,
de holdet baven alle rath.
Die letzte reihe eröffnet:
30. Sseandus: Hoet dy vor Dundcelguden emn,
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38 DIE SPRÜCHE DES BREMISCHEN RATSSTUHLS
dat wert In ehrm (fin* gewinn.
De armen Mchaku nidu versekwwhn
mit hfdpe, dat i$ wol gedahn,
31. Vulcanus: Truwe und wisheit salin minnen,
darmede Gades kiUpe winnen,
dat beste vor de meinsthaft
schal werdcen diner witte kraft.
32. Cicero: Ein ketisck herte mit nide beseten,
dar is Reckt und vele doget an vergeten.
He is dumm, wol wreket einen tom,
so dat he eulven wert vorlom.
33. Macer: Ein Richter sonder Scham und Ehre
richtet recht nimmermdvre.
De uns guth bilde scheiden geven,
de felsdhen gemeinlich eres etdves liMn.
34. Fridandc: Wer doget hat, de ist wolgebom,
ans doget is die Adel gar vorlom.
Ein Jewdick Man to scherme gath
Lugene vor sine missedaih.
35. Macrobius: We gerne frede maket,
vakene he dat beste raket.
Volge Jo der besten lehre,
dtnen muth van boshmt kehre.
Renoer wird im ganzen die Sprüche richtig abgeschrieben
haben, jedoch mischt er vielfach hochdeutsche formen ein, be-
dient sich der grofsen anfangsbuchstaben in der wiHkOrlichsteci
weise und hat vielleicht nach nr 29 (David) einen spruch sammt
figur übersehen, denn die ganze anläge des Stuhls scheint 36 sitze
statt der überlieferten 35 zu fordern.
Betrachten wir nun das Verhältnis, in welchem die Sprüche
zu den angegebenen gewährsmSlnnern stehen, so erkennen wir
alsbald dass dasselbe ein buchst unwahres ist. denn von den
vierzig reimparen gehören 1 1 Freidank an, indem nr 9 der Be-
scheidenheit 72, 78v 79, nr 15 Besch. 72, 1. 2, nr 17 Besch.
106, 20. 21, nr 19 Besch. 36, 25. 26, nr 22 Besch. 50, 16. 17,
nr 23 Besch. 31, 22. 23,^ nr 26 b Besch. 64, 16. 17, nr 32 b
^ vgl. Paal Über die ursprungliche anordnung von Freidanks Be-
scheidenheit 8. 51. HEBeizenberger Fridankes Besebeidenh^ s. 319 a.
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DIE SPROCHE DES BREMISCHEN RATSSTUHLS 39
Besch. 64, 22. 23, nr 33 b Besch. 69, 21. 22, nr 34 ab Besch.
54, 6. 7 ^ und 171, 3. 4 entsprechen, obgleich nnr die beiden
leltten Freidank in den mund gelegt worden, die übrigen aber
dem Philosophen Seneca, den dichtem HoratioB und Alanus, den
theologen Paulus, Ambrosius and Hieronymus, endlich den nicht
Daher characterisierten Tobias, Cicero und Macer. das zwdte
der beiden dem Secundus zugewiesenen reimpare nr 30 b ist
Catos Distichen ?. 105 fr (hg. von Zarncke) entwendet, wo der
sprach lautet:
Dm myndem (and. hs. annen) soU du nit versehmedim,
durüi din$ kraft nit vergeehm,
wer dir hai wol getan ....
Der erste doppelvers des Tobias (nr 26 a) mag auch auf die
Catoniscben Distichen v. 127 zurückgehen:
So der Wirt iht fraget dich,
8Ö amwnrt im unde eprieh,
und ist vielleicht nur deshalb starker als gewohnlich verändert,
weil der wirt aof den ratsstahl nicht zu passen schien, übrigens
wird man auch erinnert an Wolframs Parzivai 171, 17 — 21, den
einen angdpunct des ganzen gedicbts, und an ähnliche rechts-
bachern beigefügte lehren, wie zb. den reimspnieh, der aber
der einleitung zum Stader Statut steht:
Wete vete vnde weyntch eaghe,
antwoord nieh up aUe fraghe,
hau vor gudt yderman;
wat westu, wai eyn ander kan? (Korrespondenzbl. des
Vereins fflr niederdeutsche Sprachforschung 2, 80).
Endlich kann 35 b Catos Dist v. 339 nachgebildet sein.
Aus der bibel entnommen sind folgende sprttche: nr 1 Moses
ans Deuteron. 24, 13, nr 2 Isaias wahrscheinlich aus Jes. 26, 1 :
kektt da» recht und tut gerechtijßceit , denn mein heil ist nahe,
nr 3 David aus psalm 106, 3,^ nr 4 Salomon aus Deuteron.
16, 19, nr 5 Esechiel aus Ezech. 14, 14, nr 6 Ecclesiast aus
lesuB Sirach 3, 32. 33. nr 20 iacobus und nr 21 Gregorius
Bind wol aus dem brief des Jacobus 2, 13 entwickelt, von den
noch übrigen biblischen gewährsmännern nr 18 Petrus und nr 19
' Bezzenberger s. 17. 837. dazu JRothe Ritterspiegel v. 561 ff.
* SaUeh U d»i dar r&ehiferdieheyt in U unde blift im fastnachtsspiel
D, Jahrboch des Vereins für nd. sprachfdrsclnuig 3,20.
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40 DIE SPRÜCHE DES BREMISCHEN RATSSTUHLS
Paulus bringt der erste eiue mir nicht auffindbare sentenz, der
andere, wie bemerkt, einen spruch aus Freidank.
Von den klassischen autoren ist vielleicht Cicero ein par
mal benutzt, aber schwerlich direcU denn nr 32 a Cicero klingt
doch nur an eine stelle der rede für den Cluentius an: in ju-
didis ifwidia imbeciUis e9se debet. auch nr 8 Plato stimmt nur
im allgemeinen mit Cicero De offic. 3, 10: ponü enim (vir bontu)
persanam amici, cum induit judicis, einem satz, der in viel ver-
wandterer form: Exuit personam judicis, quiquis amicum itiduü
an der ehemaligen gerichtsstube des Bremer ratbauses angebracht
war. 1 auch nr 27 a TuUius ist nur ein sehr unsicheres abbild
von Cicero De officiis 1,34: est proprium munus magistrtUus,
intelUgere, se gerere personam civitatis debereque eius dignitatem
et decus sustinere usw. und trifft doch noch genauer Uberein aiit
Wernher von Elmendorf v. 91. 92 (Zs. 4, 287):
Tulim sprichet von deme ratgd>en,
her 8uUe selbe wisUch Men.
das wahrscheinlichste aber ist dass der bremische compilator
vom beginn des 15 wie jener thüringische dichter aus dem be-
ginn des 13 jhs. aus einqm Sammelwerk, den Dicta philosopho-
rum oder einem ähnlichen, schöpften.
Endlich kann man auch kaum annehmen dass der Boetius
zugeschriebene spruch nr 12, der sich in dessen Coosolatio nicht
findet, unmittelbar aus Cicero De olüciis 1, 25: aptandum est,
ut ii qui praesunt reipublicae legum similes sint, quae ad punien-
dum non iracundia, sed aepiitate ducunttir umgestaltet sei.
Einige der stuhlsprUche sind als volkstümliche zu bezeich-
nen, so 28b Primas, wie auch Parz. 170, 28 die zweite lehre
des Gurnemanz lautet: vUzet iuch diemüete. in nr 15 Ovidius
ist die erste zeile sprichwörtlich, wie das westßllische: eAr' is
dmoank genagt beweist, und zwar schon im 15 jh. denn in der
70 erzählung des kölnischen buches Der seelen trost ruft der
am galgen sterbende söhn seinem vater zu: het ir mich getwongen,
da ich junk was, so were ich zo deser groifser schänden neä
komen.^
Die zweite zeile des Primasspruches so segget uns der meister
lehre leitet auch sonst Sprichwörter ein. ^ zu diesen müssen
> Deneken aao. 8. 23« ' Körte Sprichwörter nr 1249. ' From-
mann Deutsche mnndarten 2, 3. * Zs. 8, 378.
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DIE SPRÜCHE DES BREMISCHEN RATSSTUHLS 41
wir auch rechnen nr 11 Socnites« die bekannte mahnung Audia-
tur et altera pars, die auf einer ebenfalls in der oberen halle
des Bremer rathauses angebrachten steintafel Alieram partem
imdütl lautet, noch häufiger tritt sie in deutscher spräche auf.
schon Suchenwirt 32, 209 sagt:
chainen eUager nicht ^AzridU,
du hörest i dm gegsnteü,
aber die beliebteste form ist doch diese:
Ems manne rede, keine manne rede,
man soU sie billig hih-en bede
oder auch : man soll die part verhären bede,
und in dieser zeigt sich der sprach ttber vielen rathauseingängen.
das hat schon das buch Sehertz mit der wahrheyt. Yonn gueten
gespräche, Prankfurt a/M. bei Eigenolff, 1550. fo). hl. 4 bemerkt:
Jb steht nkht eieUeugt auf allen Riehtheusem Audiatur altera
pare. Mann soll den anderen theyl auch verhören. ^
Diesem kernspruehe gehen Yoran nr 7 — tO, die zusammen
mit nr 4 den riehter ermahnen, 'weder durch bestechung, noch
durch frenndsdiaft, noch durch zorn, noch durch hass sich beein-
flussen zu lassen, sondern nur der gerechtigkeit zu folgen, die
quelle von nr 7 kann ich nicht nachweisen, und nur bemerken
dass ein allerdings weniger dem gedanken, als der form nach
ähnlicher auf einer tafel des Stendaler rathauses vorkommt:
Hast du Gerieht, so richte recht,
Gott ist der Herr und du der Knecht. ^
Die Warnungen vor der besteehlichkeit, der krflnkung des
rechtes durch miete, ertönen schon im Muspilli v. 63 ff und weisen
den bestechlichen riehter auf die strafen des jflngsten gerichtes
hin, dessen darstellung nach Sachsenrecht ttber dem sitz des
richters hangen muste, wie denn auch auf dem reliquienschrein,
auf den vor gericht die eide geleistet wurden, das jttngste gericht
abgebildet war. ^ io den verschiedensten formen widerholen die
späteren lehrdichter diese mahnung, so lehrt Seneca bei Wernher
vEhnendorf v. 275:
* MoDes ADzeiger 2,260. 261, wo auch andere iDSchrifteo angegeben
sind, dazu Brem. Jahrb. 1, 74. Anzeiger t874 s. 184. * Beckmann
Riitor. beachreibong der knr- and mark Brandenburg, Berlin 1751. 53,
bd. n col. US. ' Brem. Jahrb. 5, 29. Jahrb. des Vereins für niederd.
ipraebfofschang 5, 179.
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42 DIE SPRÜCHE DES BREMISCHEN RATSSTUHLS
wander abö tu gerichte mI »tsm,
daz in brengen von Mnen witzm
weder gUU noch zom,
und der Welsche gast v. 12587:
diu gäbe und diu minne
den rithter mackent dne nnne.
ein niederländischer spruch (Zs. 6, 174) sagl:
wuUu wesen ein gtU ridUere glicht,
gut, vruni, anghest en heweghe di nicht,
und oberdeutsche und niederdeutsche leoninische hexameter spot-
ten ttber die bestechlichkeit, wie zb.
Munera da summiSj it wert vel regt, dat dar erum y$;
nrnnera si non das, it wert vd crum, dat dar regt wa$. ^
Noch anziehender ist der dem Cato in den round gelegte
Spruch nr 10, dessen hauptgedanke sich nttmlich nichts wie man
vermuten konnte, in den Catonischen Distichen, noch in deo
Oberlieferten Schriften und aussprücfaen des alten M. Cato, noch
auch in der rede des jüngeren M. Cato in Sallusts Catilina cap. 52,
sondern wunderbarer weise gerade in der rede Caesars, des grofsen
gegners und Vorredners Catos, im Catilina cap. 51 vorfindet in
einer allerdings die ratsstuhlsprüche nr 8 und 9 mit umfassenden
form, nämlich: innnes homines, qui de rebus dubiis Consultant, ab
odio, amicitia, ira atque miserieordia vacuos esse decet. diese b-
teinischen worte ziehen sieh auch am rechten rand des grofsen
Wandgemäldes 'das urteil Salomonis' auf dem saai des Bremer
rathaüses hin,^ und sind seit 1554 auch im vorsaal des Regens-
burger rathauses angebracht. ^ es scheint sich der nachwetl in
diesem satz am treffendsten der character des romischen mustere
bUrgers und rücksichtslos richtenden censors ausgesprochen au
haben, denn Cato Censorius war auch am eingang des gerichts-
saals der wechslerzunft, des sogen, cambio, zu Perugia auf der
wand abgebildet, mit der inschrift:
Quisquis vd ceMri facturus verba Corona
Surgis vd populo reddere jura paras,
Privatos pone affectus; cui pectore (doch wol pectora) versant
Aut amor aut odium, recta tenere nequit.^
^ Jahrbuch des Verdös ffir nd. sprachforaehaog 5, 55. * Denkmale
der geschichle und kunst der sUdt Bremen i tafel 6. ' JCFiricius Nach-
richt von der sUdt Regensburg 1, t71. * Hettner Italienische Stadien a. 162.
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DIE SPRÜCHE DES BREMISCHEN RATSSTUHLS 43
Es Terlohot sich kaam der mtthe, anderen qaellea des ver-
fertigers unseres Stahles, der aufser der hibel^ dem Freidank und
Cato, dessen Disticha von den um 1400 sich über Niederdeutsch-
land aasbreitenden brüderschaften des gemeinsamen lebens beim
ODterricht gebraucht wurden, ^ wahrscheinlich noch das eine oder
das andere Sentenzenbüchlein benutzt hat, weiter nachzuspüren;
deshalb lassen wir aach die sprüche nr 13. 16. 24. 25. 27 b.
28 a. 29. 30 a. 31. 33 a. 35 unerOrtert, um einige allgemeinere
bemerkungmi Ober die litterarische und künstlerische richtung,
die sich in unserem ratsstuhl Terkörpert, zu machen.
Wie sich die kenntnis der römischen und patristischen litte*
ratur bei Niederdeutschlands geschichtschreibern und dichtem aus*
breitete, das ist von mir aao. und Ton HASchumacher Ober die
älteste geschichte des domkapitels (Brem. jahrb. 1, 87 ff. 129fl) be-
reits besprochen worden, schon Cohimban hatte die lectore der
alten poeten, wie die der ersten kirchenväter empfohlen und sich
aar die autoritst Juvenals zur stütze efangelischer maximen berufen
(Scherer Deutsche IHteraturgesch. s. 37). Freidank hat aufser
der bibel und den kirohenvatern Catos Disticha und lateinische
autoren benutzt, wenn er sie auch nicht nennt, vgl. Bezzen-
bergers ausgäbe s. 37 ff, ebenso seine Zeitgenossen Thomasin
Ton Zirklasre und Wernher von Elmendorf der v. 21 sich noch
entschuldigen zu müssen glaubt dass er sich auf die beiden be*
rieht, auch der Renner befolgt dieselbe weise, die aus dem
15 jh. stammende spruchsammlung Germ. 2, 140 ff, das aus bra-
ban tischer quelle um 1400 geflossene niedersflchsische Laien-
doctrinal (hg. von Scheller), eine niederdeutsche Überarbeitung
der Catoniscben Distichen (Zarncke s. 154 ff), die niederdeutsche
spruchsammlung in einem Oldenburger gebetbuch (Lübben Mit-
theilungen aus niederdeutschen handschriften s. 1) > beziehen sich
' Seelmann Gerhard von Minden s. xlvii. > in dieser auch woi
der wende des 14 jhs. mm 15 angehSrigen schrift tat SThoroas den aus-
sprach ; wy %int hyr vramde gesU,
undß 'iyfnmeren groU vesie,
my heß wunder, dat wi nicht muren,
dar wi ewich moten duren,
dicseo sprach kennt auch Philander von Sittewald Gesichte, Strafsburg
Ittfr, 2, 158. als haoaaprttch ist er dareh gani Deotschlaad und, wie ea
scheint, schon seit alters l>eliebL in Celle komint er als solcher schon
1S75 vor (Zs. des histor. Vereins fOr Niedersachsen 1859 s. 89) und
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44 DIE SPRÜCHE DES BREMISCHEN RATSSTUHLS
auf fast dieselben reihen antiker und patristischer gewfthrsmanner,
wie unser ratsstuhl, die erste und die zuletzt genannte beuten
auch gleich ihm besonders stark Freidank aus. des gleichzei-
tigen Johannes Rothe, Stadtschreibers von Eisenach, autorenkreis,
den er in seinen rechtsbüchern, seinem Ritterspiegel und seiner
Ratszncht vorführt, ist noch umfassender, wie denn bei ihm
Chrysostomus, Origines, Beda, Cassiodorus, Anshelmus, Hugo von
SVictor, Albertus magnus, Alfocius, Avicenna und andere seltener
erwähnte schriftsteiler paradieren.^ auch unser ratsstuhi fahrt
einige weniger bekannte personen an, wie Alauns, Vulcanus, der
doch wol in den auch von Catos Distichen und Wember von
Ehnendorf empfohlenen Lucanus zu ändern ist, und andere, Ober
die im Brem. jahrb. 1, 86 ff von mir das nOtige angegeben ist.
auCßlUiger ist Primas, der, von JGrimm bekanntlich im anhang
der Colmarer annalen (HG 1% 17, 233) nachgewiesen und im
Primasso des Decamerone (1, 17) wider erkannt, uns seitdem
durch die mitteilungen des Anzeigers fOr künde d. d. vorzeit 1871
8. 305. 343. 373 und 1872 s. 285 und des Jahrbuchs f. roman.
und engl, litteratur 6, 223 weiter aufgeklärt ist.
Der eben erwähnte Johannes Rothe muss noch aus einem
anderen gründe hier herangezogen werden, der frühere ein*
gang der oberen rathaushalle zu Bremen nämlich war mit einer
Steintafel v. j. 1491 (Denkmale 1 tafel m) geschmOckt, auf der
zwölf regierungsregeln in lateinischen leoninischen hexametern
standen, beginnend:
Urhis si fueris reeior^ duodena noiabis:
Unum fac populumy communem respiee fructum usw,
sie sind Obersetzt aus den Weisen regeln fttr stadtobrigkeiten
v. j. 1456> die sich in einem alten stadtbuch der meklen burgischen
Stadt Ribnitz finden und folgender mafsen anfangen:
Bistu Stad Reghementesmann,
Twelf Artikel see merklik an:
Eyndracht mak deti Bwrgem dyn,
Meyne best schau erste syn usw.^
diese regeln scheinen in einem noch nicht näher erkennbaren
Zusammenhang mit dem mittleren teil der Rotheschen Ratszucht
ich habe ihn auch an einem alteren hanse des salzbiirgischen ortes Lofer
gesehen. ^ Ritterspiegel hg. von Bartsch einl. s. 35. 36. Bech Ger-
mania 6, 68flr. 73. 280. * Brem. jahrb. 1,72. 73.
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DIE SPROCHE DES BREBUSCHEN RATSSTUHLS 45
XU stehen, der deüBelben zweck hat, den raUnaanen weise lehren
XU geben und sonderbarer weise in deutschen leoninischen hexa-
metern abgefasst ist, beginnend mit:
Rdtimnan bis ^4te, Hft gerne des frumtn bete. ^
Die kosten all der Scheingelehrsamkeit hat, wie ersichtlich,
aojser der bibel, dem Cato und dem volkssprichwort, vor allen
Freidank zu bestreiten, dem dafür gleichsam zum lohne andrer-
seits wider allerband aussprüche zugewiesen werden, die er nie
getan hat. der jüngere Spervogel beginnt bereits Freidanks plUn-
demng^ und WGrimm bat in seiner zweiten ausgäbe s. xifl'und
115 ff eine reihe Ton spllteren benutzern angegeben, hierzu muss
man nun auch noch den Bremer ratsstuhl und das Oldenburger
gebetbttch stellen, welche beide Freidanksche sprüche beliebigen
anderen peraonen zuerteilen, auch Gerhard von Minden hat von
ihm profitiert, ^ und übersehen scheint bisher dass auch des Tan-
hausers Hofzncht, die v. 201 nur einen Freidankschen ausdruck
citiert, gleich darauf ihre verse 213 — 216 der stelle der Be*
scheidenh. 15, 15—18 mit leiser änderung entnommen hat. dass
Freidank gerade auch als prediger der gerechtigkeit Jahrhunderte
hindurch angesehen und angerufen wurde, davon legt noch sehr
spat ein Vorkommnis des Jahres 1523 Zeugnis ab. acht gefangene
des erzberzogs Ferdinand von Österreich liefsen acht Sprüche
Freidanks über fürstliche Weisheit, gerechtigkeit und dankbarkeit
in ihrem kerker ankleben. ^ endlich muss ich widerholen dass
die von WGrimm in der 2 ausgäbe als D bezeichnete papier*
handschrift der Bescheidenheit sich nicht, wie auch noch nach
Grimm wider Bezzenberger s. 49 behauptet, in Minden, sondern
jedesfalls seit etwa einem halben Jahrhundert auf der stadtbiblio-
thek zu Bremen befindet
Der Bremer ratstuhl bietet der betrachtung aber noch eine
andere seite dar. so dürftig seine ausstattung vom lilterarischen
siandpunct aus erscheint, so bedeutsam ist sein künstlerischer
plan, der uns daran erinnert dass um diese zeit auch die rat-
bäoser, wie die christlichen gotteshauser schon seit einem Jahr-
tausend, nach sinnvoller anläge und bildnerischem schmuck streben,
dabei musten diese nun das weltliche dement sUrker zur geltung
^ Germ. 6, 282. 7,359. ^ Paul -Braune Beitrage 2, 428 ff.
' Gtrhard von Minden hg. von WSeelmaan s. zxn. ^ Anzeiger für
künde d. d. voneit 1876 s. 360.
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46 DIE SPRÜCHE DES BREMISCHEN RATSSTUHLS
bringen, allerdings hat auch die kirchliche kunst nie TOllig irgend
welcher antiker beimischung und beihilfe entraten können, in
den ältesten katakomben erscheint bekanntlieh Christus ab Orpheus
dargestellt, me andrerseits kaiser Alexander Serenis nach Ael.
Lampridius Alexander Severus c. 28 in seinem lararium die durch
Weisheit und heiligkeit berühmten männer der verschiedenen
vOlker und religionen neben einander aufgestellt hatte, Apollo-
nias Yon Tyana, Christus, ^ Abraham, Orpheus und Alexander«
an den kanzeln, chorsttthlen und portalen der romanischen und
gotischen kirchen werden tugenden und laster, Wissenschaften
und kttnste in allegorien antiken aussehens verkörpert, die tote
altegorie ftthrt merkwürdiger weise das drama wie die bildende
kunst von den lebendigen heiligen figuren zu den lebendigen
weltHchen figuren hinüber, wie die schmetterlingsiarve^ zwischen
zwei lebensformen vermittelt, das osterspiel vom antichrist aus
dem 12 jh. bedient sich eines aus allegorien (Kirche, Synagoge,
Heidentum) und weltlichen figuren zb. Kaiser gemischten per*
sonals; in dem jüngeren Scheirer rhythmus von der erlöeung
(Zs. 23, 176 ff) drängen sich um Christus philosophen des alter»
tums, berühmte ketzer und personificierte tugenden. so finden
wir in der bildenden kunst die gleichen Vorgänge, wie zb. die
darstellung der kirchlichen lehre in der spanischen kapelle der
SHaria novella zu Florenz um 1350 bezeugt, auf der untern
hälfte des bildes thronen auf prächtigen chorstühlen 14 weibliche
allegorische gestalten, aber zu ihrem füfsen sitzen ebenso viele
männliche, die geschichtlichen träger der in der ailegorie vor-
geführten tätigkeit, Donatus, Cicero, Aristoteles, Tubalkain, Plo*
lemäus, Euklid, Pythagoras, Augustinus, Hieronymus (?), Johannes
Damascenus(?), ein par andere heilige, Clemens v und Justinian.
auf dem oberen teil des bildes zu beiden Seiten des hl. Thomas
von Aquino einerseits Hiob, David, Paulus, Marcus, Johannes,
andrerseits Matthäus, Lucas, Moses, Jesaias und Salomon. ^ un-
gefilhr um dieselbe zeit hatte Ambrogio Lorenzetti, ^der erste,
an den die aufgäbe herangetreten war, wesentiich politische ge-
danken und begriffe in eine grofse cyklische composition au
fassen, den leitenden gnindgedanken seiner berühmten darstellung
des guten regiments im OfTentlichen palast zu Siena (1337 — 1339)
^ WGrimm Die uge vom nnpning der Chrislusbilder (1848) s. S4.
> Hettner Ital. studiea 8. 110 ff.
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DIE SPRGCHE DES BREMISCHEN RATSSTUHLS 47
aa die typische allegorie der christlichen tugenden geknüpft, der
weltlichen und der geistlichen', aber erst Taddeo Bartoli stellte
io der vorhaUe der Ton ihm gemalten kapeUe desselben palastes
(1414) unter die allegorischen gestalten der Magnanimitas und
der Fortitudo personen der altrOmischen geschichte. Filarete war
bereits ^tactlos genug, an den erztüren der Peterskirche (1439
bis 1445) mitten unter die gestalten Christi und der madonna^
Petri und Pauli . . Mars und Roma, Zeus und Ganymed, Leda und
den schwan zu setzen.' ^ diese mischung des christlichen und
antiken, und die einftthrung profangeschichtlicher grOfsen hat die
deutsche bildende kunst ebenfalls im 14 jh. und noch freier und
umfassender und, wie es scheint, in seinen rathSusern auch früher,
vorgenommen, als die italienische, am schönen brunnen von
Nürnberg, 1385 — 1396 von Heinrich dem Palier verfertigt,^ stehen
auf der untersten stufe die 7 kurfürsten und die 9 frommsten
beiden der christlichen, jüdischen und heidnischen zeit: Gott*
fried von Bouillon, Klodwig von Frankreich, Karl der grofse;
Jadas Makkabaeus, Josua, David; Caesar, Alexander, Hektor.^
die zweite stufe ist von Moses und den 7 propheten besetzt,
welcher art die von Freidankschen Sprüchen umschriebenen bilder
auf mehr als 30 Scheiben des Erfurter rathauses gewesen sind,
kann ich nicht entscheiden, da mir die beiden sie betreffenden
von WGrimm Freidank' s. zi angegebenen abhandlungen nicht
zur verfOgung stehen. WGrimm spricht von blofsen brustbildern,
wahrend Preller Rüm. myth.' s. 251 ein edles frauenbild, eine
art von Fides, darunter erwähnt, woraus man eher auf volle, aber
blofs allegorische figuren schliefsen möchte, der Bremer rats-»
stuhl endlich ist uns vor allem auch durch seine künstlerische
anordnung, durch die gruppenbildung bemerkenswert, allerdings
ist die anordnung der aufsensitze weniger gut geraten, es treten
uns hier zunächst 4 minder bedeutende mflnnner, wie Vulcanus
(Lucanus?), Macer, Macrobius, Secundus (vgl. Zs. 22, 399) ent-
gegen, Fridank, Primas, Julius (doch wol Caesar) und Tobias
geben diesem kreis den character einer sehr gemischten gesell«
^ flettner aao. s. 159 ff* 73. ' Anzeiger für künde d. d. voneit
1866 s. 181. ' bei Liebrecht- Dunlop s. 476 wird auch diese neue tafel-
runde der neof prenx auf bretonischen Ursprung zurückgeführt, vgl. Ingolds
Goldnes spiel hg. von ESchröder 8. 30. Koppmann in der Zs. des Vereins
for hambnrg. gesch. 7, 47 ff.
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48 DIE SPRÜCHE DES BREMISCHEN RATSSTUHLS
Schaft. David erscheint als ein lückenbüfser, denn er hat seinen
platz schon im Innern des Stuhls unter den propheten erhalten,
dazu wird ein spruch dem Cicero, ein anderer dem Tullins zu-
geteilt, der doch offenbar dieselbe person ist. die atifeensprOche
unterscheiden sich aber dadurch von den inneren, dass sie vier-
zeilig sind und nicht die gerechtigkeit, sondern die anderen haupt-
tugenden der mXfsigung, Weisheit und frOmmigkeit empfehlen«
dagegen weist die sinnvolle gruppierung der verkandiger der
gerechtigkeit im Innern des Stuhles auf die höchsten und um-
fassendsten darstellungen menschlicher geisteskraft durch die bil-
dende kunst hin, auf Jörg SUrlins chorstuhl (1469 — 74), der
durch eine grofse anzahl brustbilder von heidnischen weisen,
alttestamentarischen patriarchen und propheten, sowie christlichen
heiligen und aposteln geschmückt ist, und auf die stanza della
segnatura im Vatican, deren fresken Rafihel 1509—1511 aus-
führte, wie die 4 ratsstuhlsbinnenwande an die 4 reihen der
propheten, philosophen, poeten und theologen verteilt waren, so
stellen die 4 wände jenes saales bekanntlich die gruppen der
Philosophen , poeten , theologen und der Juristen dar. wie auf
Raffaels theologenbilde, der disputa, zunSchst dem altar die 4 gro-
fsen kirchenlehrer, Hieronymus und papst Gregor, Ambrostus
und Augustinus sitzen, so nehmen auch die theologenbank des
Stuhles aufser 3 aposteln jene 4 kirchenlehrer neben einander
ein. wie in der Schule von Athen, Raffaels philosophenbilde, die
beiden hervorragenden platze Aristoteles und Plato bekommen
haben, die übrigens schon auf dem altarbild Trainis in der SCa-
tarina zu Pisa von 1345 unterhalb der heiligen schaar erscheinend
so werden ihnen auch auf dem stuhl die ersten stellen anter
den Philosophen angewiesen, so viel scheint deutlich, dass selbst
die unvergleichlichen compositionen der stanza della segnatura
durch frühere gruppenbildungen vorbereitet sind.
Hettner preist mit recht in seinen Italienischen Studien s. 161
— und so muss ich noch einmal an dies geistvolle buch an-
knüpfen — die bedeutsamkeit der künstlerischen ausstaltung des
von Perugino 1498 — 1500 gemalten cambio zu Perugia, dessen
decke den schicksalbestimmenden sternenlauf, dessen wftnde in
allegorien und historischen figuren die geistig-sittlichen mächte
> Hettner Ital. Studien s. 103.
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DIE SPRÜCHE DES BREMISCHEN RATSSTUHLS 49
darstellten, wie bescheiden nimmt sich dagegen der künstlerische
schmuck des Bremer rathauses aus, aber sinnvoll war doch auch
er und sinnvoUer als der phantasiegerichtssaal des erzkönigs
Ariofistus, in den Philander von Sittenwald in seinen Gesichten,
Strafsburg 1665, 2, 45 fr alle Weisheit und Schönheit hineinzu-
zaubern sucht, der ratsstuhl mahnte im inneren zur gerechtig-
keit diejenigen, die des rechtes zu walten hatten, nach aufsen
bin alle, die sich ihm nahten, zu allen menschUchen tugenden.
Aber ihm hieng das urteil Salomonis ^ oder Tielleicht in früherer
zeit das jüngste gericht, den richtern wie den vor gericht stehen-
den die bedeutung des gerichts in eindringlichster weise vor die
seele stellend, die über dem alten saaleingang angebrachte stein-
tafel aber fasste die andere seite der ratspflichten, die verwaltende
titigkeit, in kurzen regierungsregeln zusammen, an des reiches
macht erinnerten nach innen hin die leuchtenden wappen des
kaisers und der kurfUrsten in den fensterscheiben. die 20 sand-
steinstatuen des kaisers, der 7 kurfürsten und verschiedener
weisen aus der heiligen geschichte und dem altertum endlich
verkündeten von den aufsenmauern herab der ganzen Stadt die
bedeutung ihres schönsten und wichtigsten gebäudes, vor dem
sich auf dem markt der aus fernster Vergangenheit herüber ragende
alte Roland erhob mit seinem tapferen schildrandspruch : Vrytmt
do ik JHfo apenbar,
^ dieser gegenständ wurde auch för die aosschmückung des Regens-
bnrger rathauses (s. oben) and bis in unsere zeit f&r die vieler anderer
gewihlt. Baomgartners Schauspiel Das gericht Salomonis 1561, vorher in
der flchnle lateinisch aufgeführt, wurde deutsch auf dem Magdeburger rat-
luos oder im freien vor allen bürgern widerholt. Gervinus Gesch. der
deutschen dichtung^ 3,93. auf dem Lübecker rathaus fand sich eine dar-
BteUnng der 'nachfrage der verlorenen gerechtigkeit' in verschiedenen bildero
Bit Versen. Jahrbuch des Vereins ffir niederd. Sprachforschung 5, 175.
Preiburg i/Br., juli 1882. ELARÜ HUGO MEYER.
Z. P. D. A. XXVII. N. F. XV.
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50 FALCO
FALCO.
Die den Griechen und Römern von jeher gewöhnliche Ver-
wendung des hundes zur jagd lernten die letzteren in einer
höchsten ausbildung bei den Galliern kennen; wie die worte
ugugio (fyovaiai xvveg and U&vovg KelTinov), veüro (ver--
tragus), perro (petronius?), und galgo (galUcm) im romanischen
(deutsch nur bracco usw.), das umgedeutete Windspiel (veltro)
im deutschen noch heute zeigen, in dem 4 jh. n. Chr. erscheint
als neuer gehilfe der raubvogel, in einer jagdweise, die ebenso
dem weidmännischen genuss als bedürfnis diente, denn zb. di^r
reiber, der selbst mit unserer schusswaffe schwer zu erlegen ist,
war für den Vogelsteller wie für den jüger fast unerreichbar,
von den germanischen eroberern wird die beize eifrig gepflegt, und
die folgezeit ergetzt sich an ihr im ausgedehntesten mafse. wir
finden bei den grofsen hunderte von falken, und der sportlustige
kleinbürger hält sich wenigstens seinen sperber. eine nicht un-
erhebliche litteratur schliefst sich seit dem 13 jh. an, und die
frage, ob die jagd mit hunden oder mit vögeln adlicher und
genussreicher sei, wird in prosa und versen widerholt und ernet-
lich erörtert, die Vervollkommnung der feuerwaffe allerdings
muste die bedeutung der falkenjagd immer mehr vermindern;
doch unterhielt zb. Friedrich u von Hessen-Cassel um 1772 eine
falknerei mit 15 beamteten , und erst in den folgen des Jahres
1 789 versehwanden die immer noch ansehnlichen reste der sitte.
in Falken wörth (Holland) wurden zwar bis in die 50er jähre und
werden wol noch jetzt falken für einige englische liebhaber ge-
fangen, im Haag hat man in den 40er jähren Jagden unternommen,
und vereinzelte versuche werden noch öfter vorkommen, wie
gegenwärtig ein officier in Ingolstadt turmfalken auf rebhühner
stofsen lässt. aber eine ernstliche widerbelebung ist nicht zu
erwarten, trotz aller jagdlust, die damit verbunden wäre, der
practische wert ist, wie gesagt, durch die feuerwaffe aufgehoben,
abrichtung und unterhalt der vögel mühsam und kostspielig, und
das wild in den stärker cullivierten gegenden, mit ausnähme
weniger arten, erheblich vermindert, ja fast verschwunden.
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FALCO 51
Ober die verwendeten arten, ihre Zähmung, Unterricht, pflege,
jagd sind wir durch zahlreiche falkenbücher auf das genaueste
miierrichtet, oder konnten es wenigstens sein, ebenso findet sich
dort und in den unzähligen gelegentlichen erwähnungen aus«
kunft Ober die einfOhning einiger Verbesserungen, den handel
mit den inländischen, das auftreten ausländischer arten, die be-
rabrung mit den Arabern usw. ungleich schwieriger ist die be-
antwortung der frage, woher den culturvolkem des mittelmeers
jeae kunst zuerst gekommen sei, und man kann sich darüber
bei den verschiedenen autoritäten die verschiedenartigste auskunft
erholen. Jacob Grimm (GDS cap. 4) hält die Germanen für die
lehnneister der iaikenjagd; Hehn (Kulturpflanzen und haustiere*
s. 3270) widerspricht dem mit einiger heftigkeit, und seinen
argumenten liefee sich die frage hinzufügen: wie denn die Ger*
manen den namen des bei ihnen einheimischen gerfalken und
faiken dem lateinischen entlehnt haben sollten, wenn sie den
Römern nicht nur die vOgel, sondern auch die jagdweise brachten?
dafür glaubt Hehn die erfindung der beize mit Sicherheit den
Galliern suschreiben zu dürfen, welchen noch bei Schlegel (Traitö
de fauGonnerie) jede kenntnis derselben abgesprochen wird, die
meinang des mittelalters war natürlich dass die ROmer und Grie-
chen auch diese kunst, gleich allen andern, von jeher besessen
bauen, und diese anschauung ist auch noch gegenwärtig die ver-
breitetste: man findet sie ua. in Brehms Tierleben (iv 528 ff);
dass Homer den reigen führt ist selbstverständlich, wo immer
ein raubvogel erwähnt wird, glaubte man die falkenjagd gemeint,
wir können die meisten citate bei seite lassen;^ wenige stellen
verdienen eine ernste berücksichtigung« die Unsicherheit, welche
sich in den beurteilungen zeigt, ist in dem wesen der natur-
geschidite und besonders der Zoologie bei den alten begründeL
diese ist — Aristoteles etwa ausgenommen — eine cvvaywyi}
iinoQulhf naQoAo^unf, wie Antigouus sein buch betitelt, eine
Sammlung wundersttchtiger anecdoten, die sich von Münchhausens
Jagdgeschichten oft nur durch die pedanterie des Vortrags unter-
scheiden, älteren mitteilungen gegenüber geht die neigung der
^ 8. zb. die loci de veterum more per accipitres venandi bei Bochart
Hieroioicoo ii 2, 19. die wichtigeren sind schon in der vorrede von Rigal-
Uis HierakoaophioD zotrefiend beurteilt; hier iat auch schon auf Juliua Fir-
micus verwiesen.
4*
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52 FALCO
jüngeren compilatoren dahin, den irrtum, welchen die eotfernung
des geschilderten gegenstands mit sich bringt, sich anzueignen,
den realen kern dagegen, welchen auch fabein und reisehlgen
zu enthalten pflegen, zu verdunkeln oder auszuscheiden, man
weifs, wie schwer es einer spateren zeit gehalten hat, sich von
dieser Überlieferung zu emancipieren; die spuren finden sich noch
bis in unsere abcbücher. wo man aber, wie bei der vorliegenden
frage, mit ihr rechnen muss, hat man sich doch auch wider vor
einem allzu radicalen verfahren zu hüten, um nicht mit den
absurden zutaten auch eine wertvolle nachricht wegzuwerfen, in
diesem sinn scheint Hehn (aao. 329) geneigt, die nachricht von
der Zähmung eines gewissen gefleckten vogels (äaregiag) bei
den Aegyptern, Aelian v 36, als anzeichen der falkenjagd gelten
zu lassen, trotz des bedenklichen Zusatzes, dass dieser vogel sich
dann ärgere, wenn man ihn einen faulen knecht heifse. aber
ist hier nicht vielmehr eine reiherart t gemeint, onvog as dommol?
deutlicher ist eine andere stelle, Aelian iv 44 : in Aegypten worden
atlovQOi, Ixvevfioveg, xQOxodeiloi, nuxt %b %m Isganuov lf£
g>vXov durch nokaneitf vfj xata yaatiqa gezflhml, und nach-
her sehr sanft, und niemals gegen ihre woltxter bösartig, der
babicht ist in Aegypten nicht beimisch; es ist an den scheiladler
zu denken, der auch in der gegenwart als aasfresser heilig und
so wenig scheu sein wird als die geyer, sich auch wol an eine
fromme pflege gewöhnen mochte, mit der beize hat das nicht
entfernt zu schaffen ; wäre diese den Aegyptern bekannt gewesen,
so konnten in der fülle bildlicher und schriftlicher Überlieferung
zahlreiche angaben unmöglich fehlen, dieser erweis aus dem
stillschweigen gilt auch für die Assyrer. unter den fragmenten
der nachrichten, welche um 400 der Grieche Ktesias, als leibant
des KyruB und in Susa, über Indien sammelte, findet sich auch
die (Op. reliquiae coli. Bahr p. 250): "0%i iv ptiofi %fj 'ivdiKfj
&v9^umot elai fiilavsg, xai xalovvtai Ilvyfiaioi, tolg aHoig
Ofioylcaaaoi 7vdoig — Xaywovg dk xai aldrteKog ^Q$vovogv
ov %olg xvctv, alkä xoqa^i xat haloi xat xogtövaig nai aevoig.
obwol die weihen und krflhen irrig zugesetzt sind, der name
der volkerschaft auffällig ist, und Ktesias nicht frei ist von fabe-
leien, so liegt hier doch eine unzweifelhafte erwähnung der falken-
^ es finden sich solche auf dem aegyptischen geflagelhof, spater, wenn
ich nicht irre, auch bei den Römern.
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FALCO 53
jagd vor. da diese aber der indischen litteratur vüUig unbekannt
ist, und der sehr unklare geographische begriff Indiens beliebig
weit nach osten ausgedehnt werden konnte, so treffen wir hier
mit der chinesischen Überlieferung zusammen, die schon 2000
V. Chr. die faikenjagd kennen soll (Schlegel aao.). die erzühiung
xeigt zugleich dass den Persern die jagdweise so unbekannt war
wie den Griechen, dagegen erzählt Aristoteles (Hist an. 9, 36, 4
vgl. Ausc. mirab. 128) von einer gemeinschaftlichen jagd der
menschen und habichte in einer gegend Thrakiens: die vögel
wurden tod den jflgem aus röhr und buschwerk aufgescheucht^
durch die oben fliegenden habichte aber so in schrecken gejagt,
dass sie niederfielen und mit stocken todt geschlagen werden
konnten; den habichten wurden zur beiohnung einige vl)gel in
die Infi geworfen und von diesen aufgefangen. Hehn findet 4etz*
teres ganz nach der sitte der späteren falkenjäger.' das ist irrig,
der beizvogel erhielt, je nach der unterart der jagd, von der
beute entweder gar nichts, oder nur- wenige bestimmte bissen,
die ihn zum angriff auf bestimmte stellen am kOrper grOfserer
vOgel oder tiere veranlassen sollten, das überlassen eines ganzen
Vogels würde zur folge gehabt haben dass er sich das nächste
mal mit seiner beute an eine unzugängliche stelle entfernt hätte,
um dort zu kröpfen, und schliefslich ganz verwildert wäre; es
bildete einen wesentlichen teil seiner erziehung dass er gewöhnt
ward, mit der zahmen speise yom menschen belohnt zu werden,
überdies waren jene habichte frei, und fiengen die vögel nur für
sich: es fehlt also jede ähnüchkeit mit der faikenjagd. die bei-
spiele irriger auffassung sind bei Aristoteles gar nicht selten,
auch da, wo er selbst beobachtet hat ; man lese zb. was er über
die bienen sagt hier erzählt er was ein dritter gesehen zu
haben glaubte: was dieser gesehen hatte, war dass zur zeit des
zog« an einer besonders stark besuchten Station mit stehendem
Wasser, röhr und gebüsch die anwohner den todesschreck, welchen
die mitziehenden rauher den kleineren vögeln einflöfsen, in der
angegebenen weise benützten ; vereinzelt auffliegende vögel, welche
öea räubern gewöhnlich zur beute fallen, sah der Zuschauer für
die beiohnung an. dieselbe naturbeobachtung hat dem Vogel-
steller die list eingegeben, auf welche sich ein epigramm Martials
bezieht: (acdpiter) Praedo fuii voluentm, fatmdus nunc auewpü, iOe
Deeipit, et caffta$ non sibi moeret ave$.
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54 FALCO
von dem jagdfalkeD kann nicht gesagt werden dass er die vögel
betriege, oder den fang bedaure. es ist eine art des Vogel-
fangs gemeint, welche mehrfach erwähnt wird und bis in unser
Jahrhundert gebräuchlich war. man kann darüber sb* bei Dobel
Neueröffnete jagerpractica, Leipzig 1754 (nicht in der Eröffneten),
IV 13 die an Weisung nachsehen, wie lerchen mit einem todten
oder hölzernen falken, noch besser mit einem lebendigen, zu
fangen seien, der gefürchtete feind der kleinen wird an eine
Stange gebunden über den hof getragen und ruft denselben todes-
schreck hervor als der lebendige und freie; nur darauf bedacht,
sich zu verkriechen oder durch niederducken zu schützen, fallen
die lerchen usw. in die hfinde des menschen, wenn Oppian er*
zahlt dass der vogelsteiler den habicht auf den boden lege, so
ist das wol eine irrige auffassung.
Nicht die erste unzweideutige sondern überhaupt die erste
erwfthnung der falkenjagd auf europäischem boden findet sich
um die zeit Constantins ■ bei Julius Firmicus Maternus. unter
den vielen lausenden von berufen, welche durch die Sterne voraus
gegeben sind, erwähnt er dass die unter einer gewissen conjunctur
der venus geborenen wenig taugen würden — ocetpilfres tafnen,
fakones astures aquiku et aves huiwcemodi equosqw ad vmandnm
aUre studebunt. — unter einer andern ib. 8: fortes erwU, mr
dustrii, sagaces, equorum nutritares, accipitrum, fakonum cetera--
rumque avium quae ad aueupia pertinent, similüer et canum mo-
lossarum, vertagorum usw. hier zum ersten mal begegnet auch
der name des falken. alle aus früherer zeit hieher bezogenen
stellen dienen im gegenteil nur dazu, die unbekanntschaft mit
der beize zu erweisen.
Nun könnte man sich, so scheint es, dabei beruhigen dass
um 300 unter den Römern die neue jagdweise aufgekommen
sei. aber trotz aller tOchtigkeit, die diese in der aneignung frem-
der kunst und künste zeigten, wird man bei ihrer geringen Ori-
ginalität sich scheuen, ihnen eine unmittelbare erfindung dieser
art zuzuschreiben, die abrichtung der falken ist bei aller ein-
fachheit ebenso kühn als geistreich zu nennen, und fand in der
Zähmung anderer tiere nirgends ein Vorbild, zumal aber wie
in der ermatteten, zerfallenden hypercultur dieser späten zeit
jemand auf den gedanken nicht nur gekommen sein, sondern
ihn auch durchgeführt haben sollte, vermag man sich kaum vor-
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FALCO 55
zustellen. Victor von Hehn,' der hierüber zu urteilen an erster
stelle berufen ist, hat sich daher gegen die Römer ausgesprochen,
seine eigene bypothese, die herkunft von den Kelten, stützt er
auf den eingangs berührten jagdeifer ihres adels, die günstige
beschaffenheit des landes, und vor allem durch die herleitung des
deutschen habiclu-habue von keltisch seboc-hebog. es ist klar dass
die beiden ersten argumente nur durch das dritte bedeutung ge-
winnen können, da ja die luxuriöse ausbildung der jagd mit
huoden für die falkenjagd keinerlei anknüpfungspuncte bietet,
Wasser und wild auch anderwärts nicht fehlte, die wallisischen
rechtsquellen (Ancient laws and institutes of Wales; by the re-
cordcommission) zeigen uns seit dem 10 jh. eine eifrige pflege der
jagd mit habicht, falk und sperber (hebauc, gtoakh, llemystm),
der falknermeister hat den vierten platz im königlichen hofhält;
aach der wilde vogel wird geschützt, früher als anderwärts; es
gilt als ein ereignis und wird besonders belohnt, wenn der falkner
einen reiher, kranich, oder trappe erlegt;^ der faike ist halb
so viel wert als der habicht. dass das vergnügen wesentlich um
des hauptlings und der hoforduuug willen vorhanden scheint,
liegt in dem socialen leben des Volkes; im übrigen zeigt sich
hier keineswegs eine eigenartigere oder vollkommnere entwick-
luDg der jagdweise als sonst im früheren mittelalter. es lässt
sich hier eben so wenig eine Originalität behaupten als bei ander-
weitigen der Bretagne und Wallis mit dem übrigen abendland
gemeinsamen ritterlichen gewohnheiten. jene herleitung des ge-
meingermanischen habicht ist meines Wissens zuerst von Diefen-
bach Lexicon comparativum u 490 aufgestellt und nicht von Zeufs.
sie setzt voraus dass die Wandlung von keltisch s in h bis in
das erste jh. unserer Zeitrechnung und über dasselbe zurück-
gdie, wie allerdings Diefenbachs (s. Origines europaeae 154)
ansieht war. später trennte die energische militärische beselzung
und colonisation des Rheins die Germanen von dem, was jenseits
noch etwa keltisch geblieben war. überdies hatte der adel, wel-
cher allein diese jagd betrieben haben würde, spräche und natio-
nalität unglaublich rasch daran gegeben, lassen wir also jene
Voraussetzung gelten, so f^llt uns doch auf dass das wort nicht
* s. Codex Venedotianus i 10; Gwentianus i 15; Dimetianus i 13.
vu Sache vgl. Juan Manuel Libro dela caza ed. Baist s. 44 ff, ed. Gutierrez
S.69.
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56 FALCO
wie in das germanische, so in das vulgärlateinische und die
romanischen sprachen übergegangen sei, da doch die henutzung
der tiergattung eine genauere Unterscheidung der arten und da-
mit neue behennung auch in der siegenden spräche nötig machte;
wie denn unter den romanischen falkennamen keiner ciassisch-
lateinisch ist — und keiner keltisch, ganz unerklärlich bleibt dass
die Römer von einer so auffälligen sitte im eigenen land erst im
4 jh. etwas erfahren haben sollten, und das ist noch nicht alles,
dürfen wir nämlich annehmen dass auf einem teil des gebiets eine
träge articulation des s oder eine zwischen 8 und b in der mitte
liegende palatalisierung des 8 eintrat, noch ehe die spräche der
Gallier gänzlich ausgestorben war, so finden wir 8eboC'heboe in
catal. 8iboc, franz. hibou erhalten, ähnlich wie haukas «= habicbt,
raubvogel im estnischen, durch das slavische sokol verdrängt, jetzt
auf die eule übertragen ist. diese erniedrigung des wertes durch
die spräche der mächtigeren cultur hätte aber nicht eintreten kön-
nen, wenn die Gallier in dem kultui'zweig die lehrmeister waren,
endlich bleibt unerklärt wie das keltische e germanisch a ergeben
hätte, jede einzelne dieser erwägungen macht die etymologie
unannehmbar, und mit ihr die auf sie gegründete hypothese.
darum ist die anschauung doch die richtige, dass das auswärtige
Volk, welchem der name des einheimischen vogels entlehnt ist,
auch seine benutzung gelehrt habe, wie so oft in der cultur-
geschichte werden uns auch hier die benennungen ein sicheres
resultat ergeben, während die anderen quellen versagen, nur
muss man sich nicht an das einzelne wort halten wollen, sondern
die gesammtheit untersuchen.
Die abendländischen jagdvögel sind in erster linie und von
anfang an der habicht, falke (d. i. Wanderfalke) und sperber.
als weitere hauptarten zeigen sich später der gerfalk, sakerfaüc,
lanierfalk und schmerl (baumfalk). nur der name des habichts
ist bei Romanen und Germanen verschieden, die übrigen sind
gemeingut. an den gränzen der beiden grofsen sprachfamilien
bietet das mittelgriechische ebenfalls den namen des falken, neben
einigen griechischen neubildungen, asiatischen lehnwörtern, und
dem einzigen alten Uga^; ^ der heimische name des habichts bat
^ meist Dur dieser name; ipähcaiy, mit romanischer endang, bei 8oida8
und sonst, die übrigen arten finde ich nur in dem spaten an Michael
Palaeologus gerichteten Orneosophion, in Rigaltus Hierakosophion s. 243 ff
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FALCO 57
sich abo aach hier gehalten, die Falkenjagd in Wales kennt nur
die drei hauptarten; zwei der benennungeo sind keltisch, die
dritte ist, wie wir sehen werden, aus dem angelsächsischen, die
slavischen namen weisen auf Asien; nur an der gränze zeigt
ftich deutscher einfluss, es müssen demnach entweder die Ger-
manen von den Lateinern oder die Lateiner von den Germanen
gelernt haben, unter den angeführten Worten gilt sperber-sparor
viere für deutsch, falcone, girofako, emerlo, laniere für lateinisch
resp. romanisch, sagro für lateinisch oder für arabisches Fremd-
wort (s. die betreCTenden artikel in Diezs Etymologischem Wörter-
buch), hier zeigt sich ein vollkommener Widerspruch, denn der
Sperber ist in den romanischen ländern nicht weniger heimisch
als in den germanischen, der falke in den germanischen nicht
weniger als in den romanischen, der gerfalke nur im germa-
oischen norden, die wechselseitige entlehnung erschiene also
Dicht nur bedeutungslos, sondern als den natürlichen Verhält-
nissen widersprechend, schon das fordert zu nochmaliger prtt-
fang der worte heraus.
Der name des falken tritt zuerst im 4 jh. in den oben an-
gefahrten stellen auf, als eigentliche benennung des Wanderfalken
und in Verbindung mit der beize, für diese ist er bezeichnend,
obgleich dem volk, überall wo dieser heimisch ist, der habicht
als der raubvogel gilt, erklärt wird gemeinhin das wort als ^ge-
bildet von falx, also eigentlich sichelträger, wegen der stark ge-
krümmten klauen des vogels.' diese erklärung ist sachlich un-
wahrhaft, da der Wanderfalke sich nicht durch krümmere, sondern
durch etwas weniger stark gekrümmte klauen von dem habicht
unterscheidet, vereinzelt (s. Diefenbach Origines s. 340) erscheint
die elymologie fakones a fakando (sie), quia in fakis modum in
drenmeundo perlustrarU; es dürfte das (unrichtig gedeutete) grie-
chische Kigxog vorgeschwebt haben ; aber die sichel ist kein kreis.
man hatte griech. agm], sichel und raubvogel, vergleichen können,
doch ohne dass die herleitung von falco aus falx wahrscheinlicher
geworden wäre; es ist nur Zusammenhang möglich, nicht ab-
leitang. denn agnt] ^ ist vom verbalstamm agjt (agrta^oi, agrtrjfii,
{n€^l iCovQajutty seheiat der chark der Beduinen und Perser; n€Ql ^vy-
«•v^iW ist der sonkor, die der ganzen asiatischen falkenjagd gemeinsame
toraniache benennung des gerfalken). Du Gange kennt keine weiteren stellen.
' ich sehe eben dass Jetzt aqnri der raubvogel von der würzet rap^
ignii die sichel von der wnrzel sarp geleitet wird.
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58 FALCO
romanisch arpar usw.) der greifende, der raubvogel, wie ooct-
piter, aeceptor, capus, habicht — und die greifende sichel. lat.
falx mit ableitungen zeigt übrigens nur die bedeutung der sichel.
Pictet erklärt, geistreich genug: faleo tres prohablemmt de fälx, d
cause de la fwme des ailes etendues. er hat offenbar an SQeTtavig,
mauerschwalbe, von dgsTtavov gedacht, aber warum haftet der
name dann gerade an der falkenart, welche der schwalbe und der
sichel am wenigsten gleicht? klauen, flug, flügel: eine vierte
sichel wird sich kaum an dem vogel finden lassen.
Die ältesten anfohrungen unseres Wortes sind seiner lati-
nität überhaupt nicht günstig: falconis augurio, qui tusea Im-
gua capys diettur Servius ad Aen. x 145; capus italica lingua,
kunc twstri fakonem Isidor; capis quos vulgus falcones vocat
Synodus Ticinensis (850). das kann doch nur heifsen dass das
wort kein echt lateinisches sei: und hiemit stimmt das sehr
späte auftreten, sowie die genaue Verbindung mit der neuen
Sitte. — in der regel zieht neue Verwendung der dinge auch
neue benennung nach sich, so zeigt sich im griechischen neben
oiwvog, aetos, xigxog und agfirj die mantische beobachtung
in liga^, daneben noch die benennung nach der beute OTti-
^iag, genau wie sperber. nach der beute wird auch engl.
goshawk und sparrawhawk unterschieden, nach einem auffallen-
den zug der lebens weise ags. vealhkafoe, nord. valr. mit der
benützung zur jagd muste sich die aufmerksamkeit auch auf
die angriffsweise richten: stöfser, schweimer. der falke kann
nur in hohem, fast senkrechtem stürz fangen; er konnte daher
nicht, wie der habicht, auf hasen usw. verwendet werden, und
der Jäger muste sich hüten, ihn anders als über wasser auf
kleinere vOgel stofsen zu lassen, da ihn ein fehlstofs leicht bis
auf den boden herunter brachte und beschädigte, nach diesem
unterscheidenden merkmal ^ haben die germanischen sprachen
mit dem suffix k (ak) nord. faUci, ahd. falaho usw. von faUen
gebildet.
Für den gerfalken ist ein etymon hierofalco erfunden wer«
den, welches zwar das deutsche g nicht berücksichtigte, aber
gerade durch die absurde Verbindung der beiden heiligen sprachen
^ vgl. calaractet, welches vielleicht auch auf einen falkeo aogewea*
det worden ist. s. darüber GMichaelis Ein portugiesisches weihnachlsauto
8. V. tartaranho.
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FALCO 59
and der mantik mit der beize seio glllek hatte macfaeo können,
doch stand schon eine andere berleitnng im weg, schön lateinisch,
angenehm (obgleich doppelt irrig) an das griechische x/^xe^<; erin-
nernd, und auf einen tonenden namon gestützt, die recipierte
deutnng ist seit Albertus magnns (ed. Schneider s. 179): gyro-
füko a gyrando, quia diu gyrando aeriter fraedam msequitur.
hier sei non erinnert dass Albertos magnus nicht aus eigener
Sachkenntnis schrieb, sondern als mittelalterlicher gelehrter, der
einige an sich gute quellen und auch einige echte jagdlQgeo mit
einer pseudociassischen aberiieferung zu vereinigen bestrebt ist,
and dabei selbst mancherlei zierat im guten geschmack anbringt,
er ist nur mit grofser vorsieht zu benfltzen.
HOren wir also auch den jftger. dieser sagt uns dass der
gerfalke beim aufsteigen weniger kreise zu beschreiben pflege
als der falke: ol sobir nan face tantos tamos como el nebU, e
va nuu der0eho m ms vuehs, Pero Lopez de Ayala, Libro dela
caza delas aves cap. 4. somit wftre yirofako a gyrando wie lueus
ü heendo. der philologe hatte auch ohne kenntnis dieses details
jene etymologie zu verwerfen, der gerfalke ist bekanntlich im
hohen norden heimisch, kommt nur vereinzelt bis an die deutsche
kttste herunter, sein name ist meines Wissens nicht vor dem
12 jh. flberliefert. das schliefst nicht aus dass er in seiner hei-
mat viel froher benannt und verwendet war. aber die regel»
ffiSfsige einfuhr des schwer traosportierbaren, schwer zu zähmen-
den und zu erhaltenden vogels in die romanischen lander setzt
schon an sich eine spatere zeit voraus, in welcher die Falkenjagd,
wo man sie nun herleiten mag, von den Germanen langst geflbt
wurde, fflr den falken, den sie zuerst unterschieden, abrichteten,
verschenkten und verkauften, haben diese den namen gewis nicht
dorther gehabt, wo man den vogel erst durch sie kennen lernte,
so erscheint denn auch das wort in den romanischen sprachen
keineswegs als ein einheimisches: ital. gerfako neben fakonep
Span. gerifaUe neben fakon, prov. girfdc, girifclt neben fakx,
füM^ franz. gerfaut (ans -faU) neben fauc8, faueon zeigen dass
man nicht einmal die bedeutung des zweiten teils der Zusammen-
setzung erkannte, dass man vielmehr rein mechanisch ein von
den handlern importiertes fremdwort widerholt hat. die erkift*
rang des compositums ist da zu suchen, wo der vogel zu hause
ist, im nordischen, geirfaiki kann nur der sperfalke sein, die
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60 FALCO
waffe als erstes glied des composituros beKeiehnet die trefflicbkeit
desselben, wie engl. garUc, ags. gdrlede, nord. geirlaiukr, knoblauch,
der edle lauch ist (KHofmann). das (seltene) ags. gärfaka ent-
spricht organisch ; mhd. girfaUce und ähnlich zeigt dass man hier
das wort in einer späteren zeit nicht mehr begriff und mecha-
nisch den nordländern nachsprach: aber der mannesname 6^-
falch ^ lässt keinen zweifei dass man es frtther besessen und ver*
standen hat.
Die deutschheit von sperber-e^araviere, welches nur im spa-
nischen nicht recht heimisch geworden ist, kann nicht bezweifelt
werden und ist nie bezweifelt worden, der scbmerl (oder baum-
falke, beide benennungen in Deutschland seit dem 11 jh.) it
smerlo, pr. esmirle, it. smeriglione, fr. emmUon usw. wird als
Verstärkung von merla, lat. men^la mit prothetischem s erklärt;
es solle damit ein der amsel ähnlicher vogel bezeichnet werden,
der einfall ist ebenso ehrwtlrdig als absurd: schon der alte Frisch
bemerkt dazu dass das eine seltsame amsel sein mttste. auch
der vogel, der die amsel f^ngt, kann weder nach der Wortbildung
noch nach der sache gemeint sein, der deutsche fisch sehmerb
zeigt buchstäbliche Qbereinstimmung. die Übertragung eines tier-
namens in eine andere tierclasse auf grund einer allgemeinen ähn-
lichkeit ist eine ziemlich häufige sprachliche erscheinung. und
gewis konnten sie verglichen werden, der kleinste vogel, mit
welchem man jagte, und der kleinste fisch, welchen man afs,
beide sehr lebhaft und zierlich, wegen der grofsen tüchtigkdt
in dem kleinen kOrper von dem ernsthaften Jäger und esser mit
einer gewissen mitleidigen Zärtlichkeit betrachtet, die Übertragung
kann hier ganz gut von dem fisch auf den vogel stattgefunden
haben, während gewöhnlich das höhere tier dem niederen, der
vogel dem fisch den namen gibt: da man hier den fisch früher
und allgemeiner beobachtet und benützt hat als den vogel. dem
entspricht auch der unterschied des geschlechts. schwerlich
dürften (trotz sprintz und moschetto) die flecken von cobitis tae-
nia oder die Zeichnung von cobitis barbata zur vergleichung an-
lass gegeben haben, das gr.-lat. af^dgig bezeichnet einen Seefisch
und fehlt in den romanischen sprachen, kann also nicht das
Stammwort des deutschen sein, wol aber mit ihm urverwandt.
^ vgl. den langobardiBchen eigeDoameo Falco,
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FALCO 61
— das engl, merlin wird mhd. smerlin sein, die regelmSirsige
benttCzang des vogels war mehr eine Spielerei für damen und
kioder, gehört also zu der ausgebildetsten jagd. der englische
adel, welcher einen grofsen teil seiner falken aus Deutschland
bezog, mochte auch von dort einen namen beziehen, damit wäre
die endung erklärt, und das s konnte in einem Fremdwort ab-
fallen, mdt neben mJimdzen ist zu alt um herangezogen zu
werden, auch im catalanischen findet sich mirfe neben esmtrfe,
Qod hier dürfte die Veranstaltung des fremdworts in der tat auf
eine rein lautliche einwOrkung von merla zurückzuführen sein,
da prov. maraude auf ptaqaydog, nicht rnnargius zurückgeht.
Wenn man in compilierenden deutschen jagdbüchern die
aogabe findet, der lannerfalke komme ziemlich überall vor, und
wenn in sonst guten auswärtigen quellen ausdrücklich gesagt ist,
der saker und lanier würden auch in Deutschland und Norwegen
gefangen, so darf man sich dadurch nicht irre führen lassen.
der lanier war nachweislich damals wie jetzt in Südeuropa hei*
misch, und schon in Südfrankreich (bes. an der Rhone, Arles,
Lyon) und Oberitalien nur als Strichvogel häufig; bis nach Süd-
dentschland verflogen sich damals wie jetzt nur einzelne exem-
plare. es scheint allerdings dass auf dem landweg saker aus dem
Südosten nach den falkenmflrkten Köln und Brüssel gebracht
wurden, die dann bei weiterem verkauf in die romanischen länder
als aas Deutschland kommend gelten konnten, im gründe aber
dürfte im Süden der irrtum ein künstlich erzeugter sein; der
beizvogel war allgemein um so geschätzter, je höher er von norden
kam, und der anpreisende händler konnte in Neapel nicht leicht
logen gestraft werden, wenn er auch einmal einen lanier oder
saker aus Norwegen verkaufte, in Deutschland bringt die an-
Wendung des wenig characteristischen wortes auch auf den busart
(in Oberitalien?) einige Verwirrung hervor, der lanier, laniariw
(fleischer, übertragen wie calal. hutxi, vgl. Würger) muste auch
in Deutschland mit dem romanischen namen bezeichnet werden,
da man ihn nur durch die Romanen kannte; daneben wird er
als Uaufuft und, vom flugbild im angriff, als stretmer (schweber)
bezeichnet, der saker ward als Strichvogel bis etwa zum 40 breite-
grad hinauf gefangen, in der regel aber importiert, die deu-
tung des namens als Übersetzung des griech. Uqoi^ hat sich viel-
leidit arsprünglich an Virgii Aen. xr 721 angelehnt:
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62 FALCO
Quam facih (Kdpiter $axo aacer ales ab alto.
schon Frisch wollte sie nicht gefallen; er stellte das wort mit
russisch sokol zusammen, seine meinung blieb fast unbeachtet, ob-
wol durch sein grofses wissen und seinen gesunden blick, insbeson-
dere auch durch die seltene fiihigkeit, eine amsel von einem falkea
zu unterscheiden, ^ das Teutsch -lateinische worterbuch von 1741
noch heute eines der meist benoteten und benfltzenswertesten
hilfsbacher ist. auch dass Dozy (Glossaire s. v.) für die Origi-
nalität des arab. sakr eintrat, hat die behauptung nicht verdrän-
gen können, als sei das arab. wort aus dem lat entlehnt: oh
satt, schreibt selbst Justi Revue de linguistique 1878 s. 23, que
Farabe (kurde) sakkar est emprunU au latm, trotzdem $aker und
Uqo^ verschiedene v5gel sind; den alten falkesgägern solche pe-
dantische benennungen nicht zuzutrauen sind ; das wort bei den
Griechen fehlt, die es doch den Arabern gebracht haben mOsteo ;
der name ein altarabischer ist, also hier über 600 jähre früher
nachweisbar als im abendland; seine Verbreitung mit der Ver-
breitung der Araber und ihres einflusses zusammenfällt; endlich
trotzdem der vogel ein arabischer ist und kein abendlandischer.
es unterliegt keinem zweifei dass Romanen lud Deutsche das woit
dort entlehnt haben, von wo sie den vogel bezogen, in Ober-
italien, Frankreich und Deutschland hat man ihn nicht vor deo
kreuzzQgen kennen lernen; genannt wird er erst im 13 jh.
Es zeigt sich also dass die namen des gerfalken, saker und
lanier keineswegs für lateinischen Ursprung der falkenjagd spre-
chen, und überhaupt nicht in die wagschale gelegt werden kön-
nen, da sie erst durch späte handelsttbertragung gemeingut ge-
worden sind, auch der schmerl könnte bei Seite geschoben wer-
^ die zasammeoBtellQDg der tierDimeo in onseren wörterbfichem ist
oft eine unglaublich willkürliche und verkehrte, um die pflanzennamen
steht es merkwürdiger weise etwas besser, trotzdem hier die Schwierigkeiten
anscheinend gröfser sind und die sprachen viel weniger präcis. dieser
mangel gibt aber dem Zoologen kein recht, sich seinerseits über die spräche
hinwegzusetzen, in Brehms Tierlebeo finde ich den sakerfalken als lanier-
falken besdchnet, den lanierfiilken weiterhin unter 5 unrichtigen namen
beschrieben, mit der stupenden behauptung, dass derselbe zu anfang unseres
Jahrhunderts von einem herrn Feldegg zum ersten mal beobachtet worden
usw. warum in aller weit hat Brehm die ganz vortreffliche specialarbeit
von Schlegel nicht benützt? überhaupt ist in einer künftigen aufläge seines
Werkes die ganze namengebung umzuarbeiten.
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FALCO 63
den, weil die verwenduDg des vogels, obwol eiae ganz allgemeine,
doch schon in etwas zum luxus der jagd gehört, also auch eine
spatere entlehnung des Wortes möglich wäre; doch trifft diese
erwagung bei deutscher herkunft des Wortes nicht zu. ent*
scheidend sind sparamere und falcane. wer nach dem oben ge-
sagten doch noch an der lateinischen herkunft von fako fest-
halten sollte, der muss sich bemflhen, den sperber eben daher
za leiten, und nicht das allein, denn auch noch ein anderes
wort der falknersprache ist deutsch, welches zur falkeiyagd so
wesentlich gehörte als der falke selber: das luoder, loekluoder,
ital. logaro, franz. kurre usw.; nur das spanische hat dafür
senueb von lat. Signum, auch der bandschuh ist deutsch, ob-
wol das nicht geradezu aus seiner bedeutung für die beize er-
klart werden muss. damit ist eigentlich das characteristische
mbehör der älteren jagd erschöpft; der gebrauch der baube ward
erst im 13 jh. von den Arabern erlernt, fessel und sitzstange
oder -stein begreift jede spräche unter dem ihr bequemen all-
gemeineren wort. — Hehn schrieb wegen der herleitung des
einzigen kabichi von heboc den Kelten die erfindung der beize
zu: wir haben hier eine ganze Wortklasse, t die Germanen haben
den lateinern die falknersprache gebracht, also auch die falken-
jagdL bei ihnen ist die kunst autochthon. nach Asien deutet
keine spur, und was ich mir an material zur geschichte der asia-
tischen falkenjagd verschaffen konnte spricht gegen jede möglich-
keit eines Zusammenhangs, die erfindung konnte unabhängig an
mehreren orten gemacht werden, eine Vorstufe dazu bildete die
leichte zährobarkeit einiger unedlen raubvögel, wie der weihen
und busarde, des balbedlen turmfalken, auch der raben, und
einem jägervolk oder halb vom ackerbau, halb von der jagd le-
benden Volk liegt es nahe, sich mit solchem raubzeug zu be-
schäftigen, jene vögel konnten leicht einmal zur jagd abgerich-
tet werden, freilich ohne dass der sehr mäfsige erfolg zur fort-
setzung und nachahmung aufgemuntert haben würde, von da
zur Zähmung des edelfalken und habichts war noch ein grofser
schritt; man lese zb., was Brehm von seinen versuchen erzählt,
* iQch das franz. hobereau, afr. le höbe, ist germanisch, doch wabr-
»chdolich anders zu erklären als bei Diez. bei franz. biise, busart usw.
ist die herleituDg von buieo wahrscheinlich auch durch eine deutsche zu
eraeticn; doch gehört der vogel nicht zu den Jagdfalken.
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64 FALCO
sich mil habichten zu befreunden, derjenige, welcher zuerst auf
den raffinierten gedanken kam, dem tier die äugen zuzunähen,
der es dann auf der band trug und fütterte, bis es an diese
gewohnt war, der es dann durch allmähliche lösung der nath
mit dem anblick des menschlichen gesichts vertraut machte, und
dahin brachte, von der frischen beute zu dem lockluder zu kom-
men, dem muss neben grofser Willenskraft und natürlichem Scharf-
sinn, neben einer fülle von freier zeit und einem gewissen reich-
tum an fleisch auch noch ein instinctives, sympathisches Ver-
ständnis für das gemütsieben der bestie zu statten gekommen
sein, die erfindung und die erhebung derselben zur sitte ist am
besten unter einem tüchtigen, aber halb wilden volke denkbar,
und geht in Asien wie in Europa auf ein solches zurück, die
civilisierten Völker leisten für die Vermehrung der haustiere über»
haupt weniger als man denken sollte, fast alle Zähmung milt
in die Urzustände der menschheit; wie denn alle cultur erst be-
ginnen konnte mit der bewusten erfüllung jenes ersten gebotes:
et dominamini universts animantibus.
Dass Caesar, der sich (De hello gallico vi 26 — 28) um die
jagd der Germanen einiger mafsen erkundigt hatte, Tacitus, der
sie allerdings nur verneinend berührt, Plinius, der ja in Deutsch-
land gedient hatte, nichts von der beize wissen, gibt ein gewisses
recht, für ihre anfange als terminus a quo das 2 oder 3 jh. n.
Chr. zu setzen, die Übertragung in das Römerreich wird kaum
von den gränzen aus stattgefunden haben, um dieselbe zeit mit
ihr ist noch eine andere spur germanischen einflusses nachzu*
weisen, die erobernden Römer hatten mit den kleinen befestiglen
platzen gründlich aufgeräumt; für ein irreguläres parmimcastel-
lum entlehnten sie daher später von dem nächsten kriegführenden
Volk das barbarische burgus, welches sich zuerst bei Vegetius
findet, und zu seiner zeit schon als ableitungsfähiger stamm ein-
gebürgert war (s. Diez s. v. borge), das soldatenwort und die
neue jagdweise glaube ich durch die deutschen Söldner einge*
führt, welche in immer gröfserer menge einwanderten und schon
zu ende des 4 jbs. das spiel Odoakers versuchen konnten« diese
werden sie auch vorzugsweise betrieben haben; die verweich-
lichten Römer konnten sich für eine neue anstrengende körper-
liche Übung nicht gut begeistern, die mebrzahl der technischen
benennungen ist wol erst im laufe der Völkerwanderung popu-
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FALCO 65
br geworden, der eifer zur beiie entspricht im frohen mitlel-
alter und auch spater genau der durchsetzung mit germanischem
Uut die scheinbar widersprechende blote der falkenjagd in
SpaaieDt dem wenigst germanisierten lande, ist wesentlich ara-
bisch; die halbe falknersprache ist hier arabisch, germanisch
our hakan, eimer^'aH, lua und girifaUe, in der Westgotenzeit
fehlt jede anspielung, abgesehen etwa von der anführung des
Wortes fako bei Isidor. im osireicb scheint die jagd sich we-
niger kraftig entwickelt zn haben als im abendland; auch hier
ist mit ihr der name g>ahuav aufgenommen worden, doch ohne
an die spitze gestellt zu werden. fQr den falken brauchten zwei
germanische dialecle vorzugsweise eine andere benennung, das
ags. veaUJurfoe, das nord. valr, Wanderfalke, fremdling, bil-
gertm, fako peregrunu, faucon pekrm usw. eine buchstäbliche
widergabe der ags. form ist das kymr. gwakh; es haben also
auch die Kelten zugleich mit der falkenjagd den namen des be-
zeichnenden Jagdvogels entlehnt Jacob Grimm hat dies mal recht
behalten.
G. BAIST.
BEMERKUNGEN ZUR KINDHEIT JESU.
KocheüdOrifer hat in der einleitung zu seiner dankenswerten
ausgäbe der Kindheit Jesu des Koarad von Fufsesbrunnen auch
(QF 43, 26—41) tlber die quelle des gedichtes gehandelt und
als solche das Kindheitsevangelium des Pseudomatthaus (vTischen-
dorf Evangelia apocrypha s. 51 ff) festzustellen gesucht, dabei
zeigte er dass der dichter mit freiheit gearbeitet und nach asthe-
tisdien gesichtspuncten ausgewählt hat. er meint, es seien aufser
Pseudomatthaus noch andere quellen anzunehmen ; drei episoden,
welche das Kindheitsevangelium nicht enthalt, finden sich in
Konrads gedichte behandelt, als erste nennt K. die begegnung
Marias mit Elisabeth, die im Kindheitsevang. nicht erzählt wird,
^wol aber an derselben stelle wie in der KJ im Marienleben
(Wemhers). dabei das ziemlich ausgeführte motiv, dass SJohannes
im mutterieibe Christus erkennt und seine freude darüber kund
Z. F. ü. A. XXVH. N. F. XV. . 5
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66 BEMERKUNGEN ZDR KINDHEIT JESU
gibt, und die erwflhnuDg, dass derselbe als Vorläufer Christi auf
diesen hinweisen werde' (s. 36 0* <lazu macht K. noch die an-
merkung: 'diese begegnung erwähnt auch das Leben Jesn Diemer
p. 231, jedoch ebenso wie das Protevangelium Jacobi cap. 12 nur
andeutungsweise die freude des Jobannes behandelnd.' aber er
übersieht dass diese begegnung sehr ausführlich und auch mit
Schilderung der freude des Johannes in Elisabeths leibe im ersten
capitel des Evang. Lucae v. 39 ff berichtet wird.
K. führt sodann an: *der engel der Verkündigung, im Ev.
(Pseudom.) ohne namen, heifst in beiden gedichten Gabriel,' ver«
gleicht weiter unten die darstellung Wernhers und Konrads ge*
nauer, erörtert ihre Übereinstimmung und bemerkt endlich: 'diese
scene (die Verkündigung), so wie sie beide gedichte geben, ist
nun freilich auch nicht von Wernber erfunden, sondern auch
schon in einem andern apocryphen buch, dem oben erwähnten
Evang. de nativitate Mariae vorhanden, also hätte ja Konrad sie
auch aus diesem direct entnehmen künnen, ohne Wernhers ge-
dieht kennen zu müssen, zumal da wir sehen werden dass er
noch eine einzelne episode anders woher schöpft, es wäre aber
doch ein gar zu merkwürdiges zusammentreffen, dass zwei dichter,
deren hauptquelle ein und dasselbe ev. ist, eine einzelne be-
gebehheit unabhängig von einander aus einem andern ev. in ihre
erzählung auf gleiche weise eingefügt hätten' (s. 38). K. knOpft
daran sogar die Vermutung, dass Konrad die scene aus dem ver-
lornen gedichte des meister Heinrich entlehnt habe, dabei ist
wider Obersehen dass die Verkündigung mit dem namen des erz-
engels Gabriel und dem Zwiegespräch (K. s. 38 z. 13 von oben
rouss es heifsen 'und Maria in KJ') im Evang. Luc. 1, 26 ff ganz
so erzählt ist wie Wernber und Konrad sie haben, wenn Kon-
rad 202 fr sagt : der gruozte st schdne, er sprach 'ävi Maritt (was
Pseudom. nirgends hat, wol aber Lucas) und andrui wart diu
wir da an den buochen hän geschriben: diu rede ist uns knnt
beliben, so verweist der plural buochen deutlich auf die hl. schrifl,
das Evang. Lucae. aus alledem ist also für Konrads kenntnis
von dem werke Wernhers nichts zu schliefsen. denn so kleine
Übereinstimmungen wie die, dass Maria von Gabriel bei der be-
schaftigung mit einem Seidenstoff gefunden wird (purpuram Pseu-
dom.), helfen nichts, wie schon die Zusammenstellung bei Schade
Liber de infantia Mariae anm. 136 lehrt, ebenso wenig sind.
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BEMERKUNGEN ZUR KINDHEIT JESU 67
wie ich denke, die anderen von KochendOrffer geltend gemachten
Ueioeren momente bedeutend, nur das vorkommen des seltenen
verbums $iungm und die Übereinstimmung zweier reime zwischen
Konrad (81 fi) und Wernher scheint mir auf eine reminiscenz
aas dem werke des letzteren hinzuweisen, doch nicht aus der
recension A des Marienlebens (Feifaliks hs.), wie K. annimmt,
denn Feifal. 2737 ff stehen ebenso auch in den bruchstticken
der hs. C (nur da ist 2738 nach <t eingeschaltet), welche be-
kanntlich älter und besser ist als Feifaliks A. D, die Berliner
hs^ hat allerdings anders, in bezug auf die stellen Konr. 960
Marien!. A 3568, Konr. 1022 Marienl. A 3577 lässt sich nichu
sagen, da dort aufser A nur D erhalten ist.
Eine weitere episode in Konrads gedieht, die Pseudom.
fehlt, ist die von den raubern, welche in der wüste die hl. fa-
milie überfallen. K. sagt, der darstellung bei Konr. stehe am
Dflchsten die erzählung in den Narrationes ed. Schade cap. 26.
aber mir scheint dort ein sehr wichtiges moment zu fehlen,
der reuevolle rauher wird nicht mit dem rechten schflcher bei
Christi kreuzigung identiflciert, wie Konr. 2516ff eingehend be-
richtet und wie andere fassungen der anecdote es auch erzählen.
Konr. ist auch nicht consequent, denn auch er lässt den wirt
die rauberei aufgeben (22S0 ff), aber doch schliefslich gekreuzigt
werden.
Ob die biblischen citate Konrads eigentum sind? vielleicht
ist nach dem angegebenen für sein werk eine lat. quelle zu ver-
muten, eine gemäfs dem texte des Evang. Lucae etwas geänderte
fassuDg des Pseudom., welche auch die bibelstellen anzog. 3009 ff
sprechen dafür, wie' ich denke, wenn ich jetzt eine solche fas-
sang nicht namhaft machen kann, so beweist das an und für
sich noch nichts gegen meine Vermutung, da man ja weifs dass
zahlreiche hss. und bearbeitungen des Pseudom. ungedruckt exi-
stieren, die kenntnis des Evang. Lucae, welche Konr. zeigt,
würde allein nicht zu der annähme einer erweiterten fassung des
Pseudom. veranlassen dürfen, da sie als ganz allgemein verbreitet
angenommen werden muss.
Nun noch ein par anmerkungen zu dem neu hergestellten
texte der Kindheit Jesu. 230 f vielleicht am ehesten wie sire si
da Hn verdröz, wan n u>dnde ez vowre ein man. — 526 ist si
Rächen (B si sprach) überhaupt n^tig? — 552 komma nach
5*
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68 BEMERKUNGEN ZUR KINDBEIT JESU
ndU. — 799 B da» kus daz was euch vm$ter e, C der itam was
vil vinster e; mit rticksicht auf 758 f wan da bi in einem berge
ein hol vinster und nikt ze vollen wH ist vielleicht da» hol zu
schreibeo. — 1115 ff fasst K. nur 'e» geschtht an der sM, da»
»wischen »wein vihen Ut tr herre, si erkenneni in' als citat ans
^em wtssagen auf, aber noch die beiden nächsten verse gehören
dazu : herre, diner werke tcA bin erkomen harte sSre, denn der
wiesage ist Habacuc und dessen oratio (Hab. 3, 1 0 ^ogt an:
0 iomine, audivi auditionem tuam et timui, domine, opus tnnm.
auch 1352 wird prae nimio timore Pseudom. cap. 18 durch iittd
erkömen sSre da von übertragen. — llbAaU dö Ht was und noA
ist wird sit nur ein unberichtigter druckfehler für süe sein. —
1187 die anm. verstehe ich nicht, denn im texte steht doch,
amest mit dem pronomen. — 1217 ff die ganze stelle lautet
bei K.: d4 wurden dri künege enein,
in der lande da» lieht ersehein,
si ncemen kreftic guot,
1220 und kam in vaste in den muot,
si wolden iemer vamde dn,
in teste gotes gendde sehin
wa» disiu »eichen Urten.
mit rttcksicht auf die freie constructionsweise Konrads rate ich
1219 bei ndmen mit den hss. zu bleiben, nadi 1221 setze ich
punct, und 1222 schreibe ich tele, indicativ. dann hOrt der
Widerspruch auf, weichen K. nach seinem texte mit recht zwi-
schen dieser stelle und 1242 ff findet, wo die magier schon unter-
richtet sich erweisen, di^ quelle enthalt nichts davon, aber die
anschauung, die magier hätten die Weissagungen des alten testa-
mentes, besonders Balaams, auf Jesu gehurt ausgelegt, war im
mittelalter bekannt und verbreitet, wie aus Schades angaben aao.
s. 30 anm. zu ersehen ist. — 1366 ff nach Psalm 148, 7 lern-
date dominum de terra, draoones et omnes abyssi ist nach erde
komma zu setzen, vielleicht ist auch 1371 f so volbrähte er aUe
tage siner liri^en prophiten sage durch die werte des psalms y. 8
quae faäunt verbum ejus angeregt worden. — nach 1407 wird
wol punct, nach 1408 komma zu setzen sein. — 1417 da» m
»'ihte tohte? — 1492 gegen die Übereinstimmung der hss. hier
und 1484 in khu reicht der in der anm. notierte grund nidit
aus, um die Veränderung in Ate zu rechtfertigen. — nach 1508
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BEMERKUNGEN ZUR KINDHEIT JESU 69
ist komma 2u setzen. — die übereinstuninuDg zwischen 1517 f
uod TuBdal. ed. Wagner 201 f ist wol nur zufällig, vgl. zb.
Prager Christopborus Zs. 26 v. 715. 849. — 1678 gegen Lexers
Qbenetzung von belangen durch ^endlich' scheint das beigegebene
ii zu sprechen, vgl. 1681 %e aller stwide, 1687 ie, 1688 wilen,
1693 f nü : ie. in den Nachlr. s. 57 citiert Lexer aus Haupts
anm. zu Erec' v. 8407 die bedeutung immer nach längerem',
'?0D zeit zu zeit': sie scheint mir hier am passendsten. — 1725
frikoele mochte ich doch nicht wegen B allein schreiben. —
1806 warum nicht die hende wdm im vil gerade wie B gibt?
auch C und F haben vor gerade ein wOrtchen $ö, allerdings
scheinen sie das adj. falsch verstanden zu haben. — .1819 ff lauten:
der Wirt eehuof sedel üf da% gras
1820 da der luft säese wae.
dd emahie maneger hande Mu,
ouek wären in der wUe lüt
die vögele, daz bere und tal
in geliehem galme gegen hoL
wegen 18. 19. 21 und 23 liegt die Vermutung nahe, wise als
froium zu fassen ; allerdings müste es dann wahrscheinlich auch
an heifsen. — 1978 ff
die gote stiezen her zetal
ndck ein ander üf den esterich^
1980 st muosten aller ie gdUh
ze eHUkeUnen brechen —
B hat got stiezze, A goter stürzten, C dA apgot müzen hin ze tal.
ä&zen scheint mir gar nicht zu passen, die differenzen der
lesarten weisen wol auf ein selteneres verbum, wieizen? — 2025
ob der herzog Aff^odleias noch der behaftige man — vom teufel
besessen, daifioviaxdg, genanot werden kann, nachdem 2020
bis 24 seine frommen gedanken, die ihn zur anbetung führen,
dargelegt waren, ist mir sehr zweifelhaft. C hat tfü bedahiige,
D vil bedaekie, A der guote wol versonnen, diese lesarten lassen
alle auf ein adj. bestimmter bedeutung schliefsen, vielleicht ein
anbelegtes bekugdieh? — 2117 st fuoren äne geleite hin scheint
mir in dem zusammenhange ganz verständlich, eine anspielung
auf 1520 ff, wie K. meint, wäre doch zu weit hergeholt. —
2224 ff die gemütliche auffassung, welche Konr. von den räubern
hegt, ist wol auch durch die zustände der zeit beeinflusst. welche
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70 BEMERKUNGEN ZOR KINDHEIT JESU
henren haben da alle hinter den hecken gelegen ! daher mochte
eine gewalttat nicht so arg genommen werden. — 2298 ff
ir vletze, da» i was beleit
mit teken bi dem fiure,
2300 da stractm nü ml Hure
pheUe und dar unde
teppidi —
2300 lesen BF so, CE haben lagen, A fehlt. Scherer schlug vor
daz laden, meinte aber straften sei immerhin möglich, ich ver-
mute dd slacten, was mehrmals für ^aufstecken' gehraucht wird;
Parz. 760, 26 : senfte plumite mit kuUem verdedcet , rudachen
drüber gestedcet. zum intransitiven gebrauch vergleiche man die
stellen bei Lexer ii 1157, entsprechend ahd. stecchin. — 2392 f
von Silber unt von golde
kophe meser glasvaz —
meser = maserholzbecher; liegt nicht meze naher, mez stm. pokal
vgl. Mhd. wb. II* 212. — 2529 f
dö er ze werke späte gie,
den Ersten phenninc er gevie.
ich möchte mit A swie für dö schreiben; C nach 2534 kann
nicht dö bezeugen. — wenn 2335 so ist nü maneger wirte giie
von Konr. stammt, warum soll er nicht die beiden verse in B
nach 2534 geschrieben haben: daz kimelreich er vor in besaz,
die nu wirte sein, die merchen daz. die moral ist doch nicht
übel, sie mahnt zur rettung, wenn auch in letzter stunde. —
2736 schreibe ich nach A (berefste) rafste, gegen das spatere
strafte in BC.
Graz 26. 6. 82. ANTON SCHÖNBACH.
DIE HEIMAT DES DEUTSCHEN ROLANDS-
LIEDES.
Die gründe, welche den dichter unseres Roiandsliedes an den
hof Heinrichs des stolzen weisen, hat — unbekannt mit Scherers
bemerkungen Zs. 18, 303 ff — zuletzt WWald in dem programm
Über Konrad den dichter des deutschen Rolandsliedes, Wands-
beck 1879, s. I — X zusammengestellt, freilich ohne die reime auf
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DIE HEIMAT DES DEUTSCHEN ROLANDSLIEDES 71
den dialeci hin zu untersuchen, eine solche Untersuchung werde
ich demnächst in grOfserem Zusammenhang veröffentlichen, glaube
aber derselben einen bescheidenen Torläufer voraussenden zu
dtirfen, wenn ich auf eine reihe bisher unbeachteter zusätze und
änderungen Ronrads gegenüber seiner quelle hinweise, die uns
die entscheidung der heimatfrage wesentlich erleichtern.
Als einen solchen zusatz hat man schon früher (s. Roediger
Adz. I 87 anm., Wald s. in) die nachricht Qber den schmied Hadel-
ger von Regensburg 58^ 14 ff hervorgehoben, nächstdem die häufige
einfQgung und sichtbare auszeichnung der Baiern (Wald s. ifl).
in der auffassung der erstem stelle wird man sich wol RvMuth
Anz. V 226 anschliefsen (vgl. Vogt zu Horolf 730), der darin eine
anspielung auf die heldensage (Heime, Madelgers söhn, ist be*
sitzer des berOhmten Schwertes Nagelrinc) erblickt, einen Madel-
ger hat MttUenhoff in bairischen Urkunden nicht aufgefunden,
und auch meine nachsuche hat nichts gefruchtet ab weitere
anspielungen auf die heldensage und zwar auf die in Baiern be*
sonders heimische Kudmndichtung sind die ableitung Ogiers
von Waien ckunM (266, 19) und die einreihung eines StgebatU
unter die christlichen beiden (175, 1) zu nennen, bairische bei-
lege für diese namen gibt MuUenhoff Zs. 12, 317. ob schliefs-
lich auch darin ein einfluss der heldensage steckt, dass gerade
Tienis als Dimriek der starehe 41, 16 an einer stelle erseheint,
wo er sowie uone Beitrm der Herzoge (41, 14) nur eingeschaltet
ist (vgL Chanson de Roland v. 170 ff), dt» lasse ich dahin-
gestellt
Einen festeren boden gewinnen wir von der betrachtung
jener zusfltze aus, in denen die kämpfe der Baiern geschildert
werden, die tat, um derentwillen Roland bei Konrad 38, 24 ff
aof die Baiem eifersüchtig ist, hat Wald s. ii wol mit recht in
der Zurückweisung des ausfalls der beiden aus Korderes 28, 11 ff
durch Diepolt, Anseis, Otto, Gergers, Gotfrit, Ivo und Ingram
gesehen, wobei Roland erst eingreift (29, 12 ff), nachdem die
hauptarbeit getan ist. von jenen 7 beiden kennt die Chanson
de Roland i den Anesis (Änegis) li fiers (v. 105. 796. 1281. 1556.
^ ich eitlere nach der zweiten ausgäbe von Theodor Müller, Göttingen
1S7S, die Yenetitner fas. iv, deren text bekanntlieh unserem gedieht ver-
biltnismäisig am nächsten steht, wo nötig nach Kölbings abdrack, Heühronn
1877. bei aufsuchoog der belege habe ich mich mehrfach des glossaire
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72 DIE HEIMAT DES DEUTSCHEN ROLANDSLIEDES
2188. 2408), den indesseo erst Konrad 282« 23 zn einem Baiern
macht, ferner Otnn (daneben ein Otes, s. u.)i Gergen, Gefrets,
Ipun; fttr den hartes, der neben Ivun beständig erscheint (797.
2186. 2406), bei K. aber ganz fehlt, ist hier 28, 22 ein Ingrtm
eingetreten: offenbar einer der träger der gelehrten bairiscben
stammsage (Boemunt und Ingram), die wir zuerst und auf lange
zeit hinaus einzig in der zu Regensburg entstandenen Kaiser-
chronik (Diem. 10, 15 f) finden, dass der name in Baiem sonst
nicht heimisch ist, bemerkt Riezler Geschichte Baierns i 48. —
an der spitze der kdmpfer aber begiegnet uns 28, 18 Diepolt
der marehgrdve, ein ganz neuer name. denn die Chanson
kennt nur einen Tedbah de Reine (v. 173. 2433. 3058), aber
ohne den titel marehis, und so treffen wir ihn audi 41, 21 als
Diebalt von Remis (vgl. 261, 4). fttr den taufpathen des neu ein-
geführten Diepold (vielleicht verdient schon der unterschied in
der namensform in P beachtung) sehe ich den markgrafen des
nordgaus Diepold u von Cham und Vobburg^ an. D.
war *ein reicher und mächtiger fQrst, der ein halbes Jahrhundert
lang eine bemerkenswerte rolle in den oberdeutschen angelegen-
heiten gespielt hat' Giesebrecht iv 217. anfangs entschieden
staufisch gesinnt trat er 1128 mit der Verlobung seines sohnes
Diepolds m mit Mathilde, der dritten Schwester Heinrichs des
stolzen, zur partei Lothars über und erscheint fortan als Die-
poldus marehio (^^ DiepoU der marckgrdve) häufig im gefolge
des königs (s. Bernhardi Lotbar von Supplinburg s. 196. 221 f.
264. 508. 546. 566); noch Öfter treffen wir ihn natürlich in Ur-
kunden seiner engern heimat, s. Ried Codei diplomaticus episco-
patus Ratisbonensis i 176 (1116). 180 (1122). 188 (1129). 196
(1135). er starb im jähre 1146 (Riezler s. 875), und sein Ur-
enkel ist jener Diepold iv markgraf von Vohburg und Hohen-
burg, der feldherr Heinrichs vi und Statthalter von Italien« der
auch als minnesänger bekannt ist (vdibgen i 33 f. iv 680«
Die frage, wie Konrad zur einfUgung derartiger anspielungen
kam, durch die er offenbar die person oder das gescblecht des
betreffenden ehren wollte (der name Diepold ist bei den Voh-
burgern herkömmlich , s. Riezler i 875), ist, glaube ich, leicht
in Gantiere Mitioo clasBiqne bedient, eine voUständige liste der im frz.
gedickte auftretenden paira findet sich y. 2402 ff.
*■ Ober das gescblecht s. Riesler Geschichte Baierns i 874 ff.
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DIE HEIMAT DES DEUTSCHEN ROLAMDSLIEDES 73
IQ beantwortea. der ttberselzer fand in seiner Torlage eine reihe
TOD naiDen deutscher herhunft, die auch in seiner Umgebung oft
vorkamen: so Gualiiers, ßirarx, Hermans, Gefreü, Otun, Henrü,
Bermgers, Tierris, ja Roümz selbst (fgl. zb. Peringer, Dktriek^
hOnU de LengnweU Ried i 200 aus d. j. 1136), und er sah darin
eine aofmunterung , die zahl derartiger anspielungen noch zu
veimehren. ja die quelle kam ihm mehrfach noch iveiter ent*
gegen: so fand er in ihr 795. 1304. 1581. 2405 einen Bermgiers,
der an der letztern stelle den zusatz li quens führt (nicht so
Ven. 2565, aber li dnx B. Ven. 734). Konrad führt ihn uns
gleich 4, 21 als Permgir der grdve ^ vor und begünstigt ihn
eraichtlich; es stufst ihm auch zu dass er ihn 210,28 wider
auftreten litost, nachdem er bereits 189, 8 gefallen ist. seine
leitgenossen und landsleute mochten sich leicht an den grafen
Berengar von Sulzbach (f 3 dec 1125) erinnert fühlen, einen
der einflussreichsten rttte kaiser Heinrichs v, der auch 1125 wider
das einladungsschreiben zur wähl unterzeichnet, Bemhardi s. 8.
noch im nov. 1125 ist er mit Lothar in Regensburg und be-
leugt mit Diepold von Vohburg eine uri^unde des neuen kOnigs
(Bemhardi s. 54). er erscheint ferner in frühern Urkunden
Regensburgs öfter neben Diepold einfach als Beringariui camei,
so Ried i 176 (v. j. 1116), Mon. Boica xm 241 (1121). über
sein gescblecht, das machtigste des bairischen nordgaus nftchst
den Vobburgern, handelt Riezlar i 876.
268, 1 ff hat Ronrad einer aufztthlung der heerscharen aufser
den Almannen (267, 12) und den Swäben (268, 5), welche aber
keinen eigenen führer besitzen, die dmnm Rinfrankm hinzu-
geitlgt (vgl. Chanson de R. 3044 ff) und an ihre spitze Ottm den
maregrdvm 267, 33 gestellt (le marcUs Oiun 3058). diese zu-
sanmensteilung erinnert unwillküriich an Otto von Rineck,
den Schwager Richinzas und somit oheim von Heinrichs des stol-
zen gemahlin Gertrud, der bei Lothar in hohem ansehen stand
und nach Giesebrecht iv 93 im jähre 1133 die pfalzgrafschaft
am Rheine erhielt (s. dagegen Bemhardi s. 522 anm. 29).
' iD P, dem hier keine andere alte hs. zur seite steht, lesen wir frei-
lich Wernes der graue^ aber die ubereinstimmong des Karlmeinet 396,7
«od des Stricker 497 bat schon Bartsch Ober Karlmeinet s. 89 veranlasst,
Ucr den Beringer etosttsetsen. ein Wernes oder Werner findet sich sonst
nirgends.
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74 DIE HEIMAT DES DEUTSCHEN ROLANDSLIEDES
Einen RäM, der im original 3014 unter dem gefolge Karls
erscheint, gibt der deutsche dichter 265, 18 durch Rapato wider.
Rapoto ist besonders um jene zeit ein bairiscfaer lieblingsname.
es führen ihn gegen die mitte des Jahrhunderts in Regensburger
Urkunden ein graf von Abenberg und ein graf von Ortenberg
sowie zahlreiche angehorige des niedern adels und der geistlich-
keit. das geschlecht der markgrafen von Cham, dessen erbachaft
die Vobburger um 1100 antreten, ist durch zwei Rapotonen ver-
treten, s. Riezier i 874 f. in einer zu Regensburg ausgestellten
Vertragsurkunde v. j. 1129 (Ried i 188) finden sich unter den
zeugen zwei träger dieses namens, darunter ein Rapato de Rüen-
burch, also aus dem geschlecbte der Regensburger burggrafen.
In und um Regensburg lassen sich denn auch fast alle andern
deutschen namen nachweisen, welche in das Rolandslied ganz
neu eingefügt sind. 173, 27 kämpft ein Regenftit von Tages-
pure, 4, 28 ff Anskelm, ein heü ch&me unde snel, von Mörin-
gen. die Vornamen freilich trifft man in jener gegend und zeit
nicht an, möglich dass der erste eine localpatriotische erfindung,
der zweite jener Antelmus comes palatii ist, den Binhard c. 9
unter den gefallenen der Roncevalschlacht nennt (vgl. auch Ch.
de R. 3008 Antdme de Mayence). aber zu den Ortsnamen (des
einzigen deutschen des gedichtes aufser Regensburg I) stimmt
trefflich eine Urkunde vom j. 1130 bei Ried i 191 und in den
Quellen und erOrterungen zur bairischen und deutschen geschichte
I 174: Adelheid von Hohenburg schenkt dem stifte ObermQnster
zu Regensburg duos mansos Moringen^ eitos, als zeugen dieser
Schenkung unterzeichnen sich ua. Hartlieb, Otto, Chart de Da-
cheeberch. wie willkürlich man in älterer zeit mit dem -berc
und 'burc der Ortsnamen umsprang, ist hinlänglich bekannt, der
ort ist natürlich nicht das heutige Darsberg, wie der neueste
berausgeber des diploms meint, sondern Dachsberg im bezirks-
amt Bogen.
Es bleiben noch eine reihe von namen übrig, die der dichter
ohne nähere bestimmung einreibt und bei denen nur die bai-
rische heimatsberechtigung hier nachgewiesen werden kann, für
^ in dem abdrock bei Ried steht Moeringen, die Urkunde kann also
ebenso wenig wie die nächstfolgende mit ihrem Laeutwin *ex diplomataiio
coaevo' sein. — ein Heinrieu^ de Moringen im Berchtesgadener scheokonga-
bnch des 12 jhs. (Quellen u. erörtemngen i 338).
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DIE HEIMAT DES DEUTSCHEN ROLANDSLIEDES 75
Otnant 174, 27 gibt FOrstemann i 174 nur drei belege: zwei da-
TOD MoD. Boica xxn 1, 131 v. j. 1056 und Ried i 156 v. j. 1061
betreSen einen Otnandus, der von kaiser Heinrich iv als ^serviens
Qostei^ bezeichnet wird und Schenkungen in der nächsten um-
gegend von Regensburg erhält, anreihen lässt sich ihnen ein
Otnmt, der als vogt von SEmmeram 883 erscheint (Ried i 63),
und aus des dicbters zeit ein Otnant, de familia sancti Petri et
Gwrii zu Regensburg i. j. 1114 (zeuge bei Ried i 173).
Einen Bckench 116, 1. 189,6 finde ich aufser Ried i 23
(S22). 50 (865) als zeugen in einer traditionsurkunde von SEm-
meram aus der ersten halfte des 12jhs., Quellen und erOrte-
rangen i 55 (einen andern in Berchtesgaden vor 1150 ebenda
1338).
Dem Witd 145, 27 konnte entsprechen ein Witilo de Annenr
iorf in einer Urkunde bischof Hartwigs von Regensburg (1105
bis 1126), die der herausgeber Ried i 171 'circa annum 1107'
ansetzt vgl. Forstemann i 1280.
Pühme 175, 1 und HiUune 174, 5 finden sich zunächst in
Ortsnamen jener gegend: PiÜnngemut Ried i 152 (1040) und
214 (1145) und HiVungesTvat Quellen und erOrterungen i 164
in einer traditionsurkunde von Obermünster, die sich durch die
xeugen der zweiten hälfte des 12 jhs. zuweisen lässt. sonst ist
der zweite name (bei FOrstemann i 684 nur einmal als EiUing
belegt) nicht nachweisbar, hei Piüunc mag man sich erinnern
dass Heinrichs des stolzen mutter eine Billungerin war. aber
der name findet sich in Baiern noch Öfter, so in älterer zeit
Ried 1 10. 15. 18. 22. 23. 25. 33 (808—834), vgl. i 51 (866),
im 12 jh. im schenkungsbuch von Obermünster Quellen und
erört. i 159.
Bei dem Hatte (oder Mto), den Konrad an die stelle des
(Hu seiner quelle (V hat Astolfo) gesetzt hat und sichtbar be-
güDstigt (116, 12. 171, 6ff vgl. Ch. de R. 1297. 172, 18 ff.
175, 8 ff. 181, 21), mochte man gern ein vorbild vermuten, aber
weder in der Zeitgeschichte noch in den Urkunden habe ich einen
anhält gefunden, erinnern darf man vielleicht an Hatto von
Mainz, von dem noch Otto von Freising vi 15 sagt: . . . itaque
Mi tum solum in regum gestts invenitur, sed etiam ex vulgari
traditione in compitis et curiis hactenus auditur. den namen kenne
ich in Regensburg nur aus älterer zeit, sq erscheint bei Ried i 44
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76 DIE HEIMAT DES DEUTSCHEN ROLANDSLIEDES
(852) ein Hatto und ein Atta, i 25 ein Aito (zusammen mit JBcIri-
rih und BiUunc) 822.
Nichts beizubringen weifs ich schlieralich für Witrant oder
besser mit A Wütram 174, 27 (Forstemann i 1286 hat nur alle
rheinische belege) und fOr Voitmär 174, 5 (den namen bringt
Forstemann i 402 nur einmal aus der Frekenhorster heberoUe
bei), bei dem maregnhen WMram (Förstemann i 1245, dazu
Quellen und erört. i 259, Berchtesgaden 12 jh.) darf man wol an
Lothars eifrigen anhanger Walram, graf fon Limburg, herzog von
Niederlothringen, erinnern (Giesebrecht iv 31, Berohardi s. 185 B)j
dessen name unrichtig auch in unserer form widergegeben wird,
8. Ernst Histoire de Limbourg m 2 anm.
Ob der name Aliins von Normandie 174, 25 gegen AP mit
dem Stricker in Airih geändert werden durfte (Bartsch y. 4949),
erscheint mir deshalb fraglich, weil der Übersetzer auch sonst
gelegentlich christliche beiden mit undeutschen namen einfOgt,
so 170, 16 PandoU und Martiän.
Weniger zusatze als unter den christlichen beiden finden sich
bei der aufzühiung der beiden. AmköA 287, 7 statt des appella-
tivums li aimiralz (3553) scheint eine gedankenlose neubildung
nach analogie von Chadaüioh, Srchanhok, Adalhok, Gerhoh, Ckuni"
kok zu sein, die gerade in Baiern so viel begegnen, characte-
ristisch fQr das willkttrliche verfahren des Übersetzers ist die stelle
18, 17f, wo unter andern genannt werdeo:
Prkm^ir von der warte,
ßerglant mit deme barte.
das original hat v. 65 E PHamun e Gnarlan h barbet (V E prtc»*
mui e ftraldo U barbe), der vers 6. mit deme barte ergab sich
von selbst, und so muste Konrad wegen des reims nach einem
Zusatz für den erstgenannten suchen, wobei ihm vielleicht der
name des Regensburger ministerialengeschlechts von der Warte
aushalf, dieses ist freilich aus Ried (i 392) erst seit 1240 bu
belegen, aber vielleicht konnten wir auch hier wie sicherlich
zu vielen der oben besprochenen stellen reichere beweisstellen
bringen, wenn das gedruckte urkundenmaterial aus jener zeit
nicht ein verhältnismäfsig ärmliches würe. leider ist auf eine
wesentliche erweiterung desselben kaum mehr zu rechnen, seit-
dem wir wissen dass eine menge alter archivalien der Regens-
burger klOster zu anfang der fünfziger jähre in unverantwortlicher
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DIE HEIMAT DES DEUTSCHEN ROLANDSLIEDES 77
weise auf einer auction verschleudert worden ist (s. Verhandlungen
des bist. Tereins für Niederbayern 19, 178).
Den bairisdien Verfasser des Rolandsliedes characterisieren
ferner noch eine reihe zusatze, die er bei den orts- und völker-
aamen macht, dunkel ist mir der zusatz van SAirid, der 266, 29
dem Berman erteilt wird (über deutsche formen von Sutrium
8. DHE in s. XXX anm.); das frz. original hat v. 3042 Hermam U
imci de Traee (V Traaipe} und ganz ohne absieht kaon die ände-
niDg nicht sein, hei Heinrich von Garmes 41, 22 ßült einem der
oberbairische flecken Garmisch (bei Murnau) ein. dass Konrad
unter den volkerscharen Karls mit Vorliebe seine landsleute, da-
neben die Schwaben, Alemannen und Rheinfranken nennt, sahen
wir oben, es ist kein zufall dass er die grimmen, chünen, dkke
wl herten, etainherten Sahsen (65, 4. 184, 21. 238, 5. 258, 28)
nar da erwähnt, wo von den eroberungen Karls die rede ist; ein
dichter am hofe Heinrichs des Idwen würde sie gewis in anderer
weise hervorgehoben haben, der alte gegensatz zwischen Sachsen
and Baiern war eben durchaus noch nicht ausgeglichen, uner-
freuliche Zwischenfalle auf dem italienischen feldzuge Lothars
gaben daTon nenes Zeugnis, und schliefslich weisen uns auch
«eiiie geographischen kenntnisse und interessen in die nähe der
Ostmark, unter den von Karl oder Roland bezwungenen Iflndern
flennt K. aufser dem was seine quelle bot (ich habe überall die
mOglichkeit nachgeprüft dass die zusätze von V ihm schon vor-
lagen) ua. 65, 2 fr (vgl. Ch. de R. 3711!) Kriechen (Canstanti"
neUe V) nnde Ungeren, Ruzzen unde Bölän; 184, 16 (vgl. Gautier
Str. 144. Müller la. zu 1679. Yen. v. 1737 ff) die alswarxen Unger;
238, 2 die grimmigen Sorbiten, 9 Ungeren, ^ 11 Behaim unt P4'
Un (dazu 15 Friesen), vgl. 2322 ff und la. von all diesen vOlkern
kennt die Chanson de Roland nur die Hungres v. 2922. 3254:
ihre einreihung unter die scharen des amiral macht der über*
Setzer unbedenklich mit
Von der kenntnis der heldensage war oben s. 71 die rede,
die reminiscenzen ans einem frankischen gedieht, dem Lob Salo-
monis, auf die Müllenhoff zu Dkm. xzx 1, 5. 9, 3. 16, 8 hinweist,
erklaren sich leicht bei dem regen verkehr, der zwischen Regens-
burg und Bamberg bestand, über seine sonstige weltliche gelehr-
^ TOD MfiUer s. 252 in V corrigiert.
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78 DIE HEIMAT DES DEUTSCHEN ROLANDSLIEDES
samkeit lässt sich wenig sagen, die kenntnis einiger ausl&ufer
der karolingischen geschichtschreibung darf man nicht nur aus
Zusätzen wie dem über den hL Egidius 108, 9ff («- Kaiserchron.
Diem. 460, 9—461, 30), sondern auch aus gewissen elementen
seines phrasenschatzes folgern, was er aufserdem sachliches hin-
zubringt, meist widerum nur andeutungen in namen, kann ich
im nachfolgenden durchweg ^ aus den partien der Kaiserchronik
belegen, welche bisher ohne eingehenden stilistischen nachweis
als die altern betrachtet worden sind. 1) Ingram 28, 22 «» Kehr.
Diem. 10, 16, s. o. 2) die abstammung der Baiern aus Arme-
nien 266, 9 « Kehr. 10, 32 ff (Anno 308, ed. Roth 20, 15).
3) der 'wunderliche Alezander' 141, 10 — Kehr. 18, 5 (vgL 17, 24
und Anno 205 ff, ed. Roth 14, 3 CT). 4) die beidennamen Nare
und Nerpa (Nerva) 170, 12. 18 = Kehr. 125, 16 ff. 174» lOff.
5) die römischen gOtternamen Mars, Jotnnus, Saiumus 97, 7 f ;
der letzte findet sich Kehr. 6,20 und 114,24, der erste nur
114, 2; Juppiter steht richtig Kehr. 5,27, aber aus Jovi dem
herrm ebenda 114, 12 und aus der geschichte von Jovinus 37, 4 ff,
in der 36, 6 auch Juppiter vorkommt, könnte die entstellung her-
rühren, die freilich in ähnlicher weise sich auch in frz. und engl,
quellen findet, die Chanson hat einmal v. 1392 richtig Jupüer
in der assonanz, scheint ihn aber für den gott der unterweit zu
halten, den Apollo hingegen (10, 7. 27, 5. 35, 19 uO.) bat K.
immer in der engen Verbindung mit Mahmet undTervagant ge-
lassen, in die ihn die frz. Karlsepik gebracht hat.
Die Kaiserchronik ist, wie nach Welzhofers UntersuchuDgen
s. 16 — 22 unbestritten feststeht, in Regensburg entstanden, dass
sich mindestens das material, aus dem sie compiliert ist, zur zeit
der abfassung des Rolandsliedes dort befand, ist schon nach den
obigen bemerkungen wahrscheinlich, dass es der Übersetzer des
Rolandsliedes selbst war, der sie überarbeitete und fortsetzte,
hoffe ich an anderm orte nachzuweisen.
Was die abfassungszeit des deutschen Roland anbetrifft, so
hat Wald s. vii mit hoher Wahrscheinlichkeit den bisherigen ter-
minus a quo (Vermählung Heinrichs und Gertruds 1 127) uns einige
^ sichtbare misverständnisse der qaelle, deutliche neabildungen nach
analogie, anderungen dem reime zu liebe usw. lasse ich unerwähnt, nichts
beizubringen weifs ich Aber den beiden Philon 130,3 und den rfitselhaften
flnss yaUshart 36, 18. 39, 13.
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DIE HEIMAT DES DEUTSCHEN ROLANDSLIEDES 79
jabre hinabgerttokt, durch den schOoen hinweis auf die reise Hein-
richs des stolzen nach Paris im frühjahr^ 1131 (Gesta episco-
ponim VirduDensium MG SS x 508). schon das fehlen eines po-
litischen Zweckes — Heinrich erzählt dem neueroannten bischof
Aibero von Verdun dass er mit seinen begleitern sub speeie per^
j/rmrum hca sanetarum ei ritus papulorum ac tyrannorum in-
tfime — laset es höchst annehmbar erscheinen dass der her-
zog das frz. original damals von Paris oder SDenis mitbrachte,
warum femer soll nicht der pfaffe Konrad selbst einer der 7 be-
gleiter gewesen sein? das gelegentliche anbringen eines ausdruckes
wie favelie (64, 10 f st hüben churzwile, si sageten ir favelie),
das an dieser stelle in keiner hs. des Originals soviel ich sehe,
in Möllers text wenigstens überhaupt nicht vorkommt, zeigt nicht
wie Bartsch zu dieser stelle bemerkt *wie sehr damals schon
französische ausdrücke eingedrungen waren' — denn dies ander-
weit zu belegen, würde B. schwer fallen — , sondern nur dass
der Übersetzer die spräche auch über den Wortschatz seines Ori-
ginals hinaus kannte und beherschte. bei der wortfülle des deut-
schen ist es leider nicht möglich zu entscheiden, ob der Über-
tragung der frz. worte Id gisefU li barun 3693 durch 295, 23 f
da eichet man zewäre
ir vil hailigez gebaine
eine nähere kenntnis von SRomain zu gründe liegt, einen wei-
tern beleg für meine Vermutung bin ich freilich bis jetzt kaum
berechtigt vorzubringen: ich glaube nämlich dass derselbe autor
Kaiserchronik 462, 2 die worte spricht
Karl hat auch anderiu liet
Ton deutschen liedern und epen auf Karl den grofsen ist be-
kanntlich ebenso wenig eine spur oder nachricht vorhanden als
von einer ausgebildeten Karlssage, das Rolandslied selbst be-
zeichnet sich freilich als Uet 308, 9. 310, 6, aber besser würde
man jene stelle doch verstehen, wenn man in dem plural einen
hinweis auf die verschiedenen frz. epen des karolingischen kreises
sehen könnte, von denen der Schreiber bei seiner anwesenheit
' nur irrt Wald wenn er diese reise *nach ostern' ansetzt, bischof
Aibero, welchen Heinrich erst auf dem rflckweg einholte, ist zu Paris am
IS april Ton Innocenz u geweiht worden (Bernhard! s. 384 anm. 2), das
war der Sonnabend vor ostern. der herzog muss die französische reise also
Khon in einem frOhem monat angetreten haben.
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80 DIE HBIHAT DES DEUTSCHEN ROLANDSLIEDES
in Frankreich gehört, dass Heinrich dort war und zwar in be-
gleitung von sieben geführten ist sicher, daas darunter mindestens
ün geistlicher war, ist um so weniger zu bezweifeln, als er ^loca
sanetonim' besucht hat wen sollte er also, in seine faeimat zu-
rückgekehrt, mit der Übersetzung beauftragen als einen geistliehen
reisegefthrten? dass er dabei keinen grorsen dichter gesuciit,
wdrs vor allem jeder, der das deutsche Rolandslied einmal mit
seinen quellen Terglichen bat.
Eben diese vergleichung hat mir auch die Überzeugung bei-
gebracht dass man bei bestimmung des terminus ad quem auf
die bekannte» verse 309, 9 f die erüten hat er wol g4rei, die haideii
smt van im hdciret, mit denen sich Schade, Welzhofer und Scherer
Tide mühe gegeben haben, gar keinen wert legen darf, sie sind
ebenso wie die geschmacklose berUbernahme von 309, 13 aus
dem Lob Salomonis eine gleichgiltige phrase, die aus fremder
münze stammt, zweimal finden sich anklingende verse im SiUester
der Kaiserchronik:
322, 11 die haidenscaft er beehSrte,
die cristm er wol lerte.
325, Ib Die haiden er bechSrte,
die crisienhait er wol lirte.
dass dieser teil der Kaiserchronik nicht von dem letzten bear-
beiter herrührt, wissen wir seit aufllndung der Trierer brucb-
stücke und Roedigers Untersuchung, die verse sind hier wol am
platze, ja an der ersten stelle unentbehrlich, und dass es die alte
Kaiserchronik war, aus welcher sie Konrad herObernabm, scheint
mir deshalb noch wahrscheinlicher, weil unmittelbar auf jene
zweite stelle der Kehr, die bekannten verse folgen:
325, 15 swer daz li$i vemomen habe
der 8ol ain pater noster Bingen
in des haiUgen gaistee minne
%e lohe 9ante Silvester dem haiUgen hirreH
und ze wegen einer armen $äe
20 der des liedee obre erist began.
eancte Silvester der hailige man
der ist im genädidichen bi
ante tronum dei,
man hat diese verse bisher als den schluss des allen gedichtes
aufgefassl, den der compilator 526, 17 nur nachahme, wo er die
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DIE HElMilT DES DEUTSCHEN ROLANDSLIEDES Si
regieruDg Lotbans (und damit vielleichl Min werk) sehlierse. aber
tie 8uid von dea scblusaTeraen dea Rolandaliedes gar nicht za
trennen:
310^15 atcer i% [da» liei 6] iemar Mre gesagen,
der »col m der wären getes minm
am pater noster singen
»e hdve minmn herren,
%e trMe allen geUmii^ edlen usw.
sie aiad das echle eigentum des pCaffen Koarad: er bat sie wider
angewendet, als er das hinterlassene werk eines ibm vielleicht
persönlich bekannten dicbters überarbeitete, nnd nochmals, als
er in seiner fortfabrung anlangte beim tode des kaisers, der seinem
scfautzborrn und seiner heimat so nahe gestmden hatte.
Ich muste hier späteren erOrterungen so weit vorgreifen,
um für die chronologische bestimmung des Rolandsliedes engem
ranm zu gewinnen, eine zeit der ruhe und des friedens setzt
der epilog gewis voraus, brauchen wir nach den bekehrten beiden
nicht mehr zu suchen, so bieten sich zwei zeitpuncte als £e
günstigsten dar: 1) die friedliche zeit unmittelbar nach der fran-
ittsiscben reise im jähre 1131 (Riezler i 614). 2) die zeit nach
dem Bamberger reichstag vom 17 mflrz 1135, auf dem ein zehn-
jähriger friede festgesetzt wurde (Riezler i 619). ich entscheide
mich für die erstere aus drei gründen:
1) es ist an sich wahrscheinlich dass Konrad bald nachdem
das frz. buch nach Regensburg gebngt war an die Übertragung
gieng, durch die es allein der herzogin Gertrud und seinen laods-
leuteu zugänglich wurde.
2) wir brauchen so nicht an den worten 308, 18 herum-
ittdenteln, wo Heinrichs gemahlin aines riehen chuniges bam ge*
aanat wird, nach der kaiserkrönung Lothars (4 juni 1133) wäre
der ausdruck mit seinem unbestimmten artikel zumal doch recht
ungeschickt, wenn nicht unschicklich, man beachte, wie ängst-
lich hierin die Kaiserchronik verfsdirt: 520, 28. 521, 1. 22. 27.
30. 522, 5. 13. 523, 11. 16. 21. 26 heifst Lothar nur diunie;
523, 33 wird er gekrönt und nun nennt ihn der dichter imnusr
Amer 524, 18 (er wo» des chaisers aidem von Heinrich). 25.
525,25. 27. 526, 5. 9. 13. 20; auch 524, 7 haben die andern
hss. richtig chaisers und nur bei der ersten nennung nach der
krOonng &24, 5 ist ihm noch einmal der chunic Liuth^ passiert.
Z. F. D. A. XXVIl. N. F. XV. 6
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82 DIE HEIMAT DES DEUTSCHEN ROLANDSLIEDES
doch sei hier die Vermutung Welzhofers (s. 19), das8 524, 14
bis 525, 25 ein selbsUndiges lied enthalieD, nicht verschwiegen.
3) seit dem tode des bischofs Kuno von Siegburg (mai 1132)
lockerten sich die nahen beziehungen Heinrichs des stoken zu
Regensburg, unter Kuno treffen wir den herzog widerholt in
der wttrde eines vogts oder erzvogts der bischoflichen kirche
(Riezler i 612). dieses bedeutende und eintragliche amt war
wahrscheinlich dem frühern Inhaber graf Friedrich von Bogen (dem
Friedrich von Falkenstein, welchen die Kehr. 523, 7 f nennt) im
jähre 1129 entzogen worden, dessen feindschaft nun kam widerum
zum ausbrach, als es sich um die neuwahl des bischofs handelte,
in abwesenheit des herzogs wüste er mit seinem anhange die
wähl des grafen Heinrich von Wolfratshausen aus einem den
Weifen verfeindeten geschlechte durchzusetzen, mit ihrer an-
fechtung drang der herzog nicht durch, und Riezler i 615 glaubt
dass ihm der neue bischof alsbald die vogtei entzog und sie dem
Rogner zurückgab, fünf jähre später erscheint freilich bischof
Heinrich und sogar als erzkanzler von Italien auf Lothars Rom-
fahrt, aber dass er deswegen nicht mit Heinrich dem stolzen aus-
gesöhnt zu denken ist, beweist wenigstens die Regensburger local-
tradition : die Kaiserchronik 527, 4 behauptet ohne jeden an-
haltspunct sogar dass er es war, der die kOnigswahl Heinrichs
hintertrieb, dass in der bischofstadt ein geistlicher den erzfeind
seines oberhirten verherlicht, ist zwar keineswegs unmöglich,
gehört aber immerhin nicht zu den Wahrscheinlichkeiten, mit
denen wir bei dem mangel urkundlicher beweise rechnen müssen.
Mit der tatsache, dass der 'phaffe Chuonrat' seine Übersetzung
für Heinrich den stolzen in Regensburg anfertigte, und der Wahr-
scheinlichkeit, dass dies im jähre 1131 geschah, lasse ich mir
genügen, einen mOnch dieses namens in den gleichzeitigen Ur-
kunden aufzufinden macht natürlich keine mühe, für einen 'pfaffen'
aber ist es immer schwerer auf urkundliche belege zu fahnden,
und gewonnen wttrde damit bei der häufigkeit des namens nicht
ein haar sein, aus diesem gründe würde auch die hypothese
Walds, welcher den weifenfreundlichen abt Konrad von Tegernsee
(1134 — 38) für unsern dichter hält (aao. s. xii), nur dann eine
discussion lohnen, wenn die herkunft dieses abtes aus Regens-
burg nachgewiesen wäre.
Rerlin am 20 juli 1882. EDWARD SCHRÖDER.
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IST KONRAD VON HEIMESFURT DER VERF. DES JtIDEL? 83
IST KONRAD VON HEIMESFURT DER VER-
FASSER DES JÜDEL?
Die behauptuDg, KoDrad von Heimesflirt habe nicht nur die
Himmelfahrt Mariae und die Urstende, sondern auch das Jttdel
Terfasst, ist neuerdings von RSprenger gelegentlich einer Um-
schrift des letztgenannten gedichtes in die Oblichen mhd. sprach-
formen aufgestellt worden (Germ. 27, 129 if). schon von vorne
herein erheben sich gegen ' diese hypothese schwere bedenken^
wenn man überlegt dass 1) Konrad sich sowol in der Himmel-
fahrt wie in dem acrostichon der Urstende nennt, der autor des
Jttdel seinen namen verschweigt; 2) die Himmelfahrt und die
Urstende mit einer reihe gleicher stumpfer reime (12 resp. 14)
endigen, während dem Jüdel ein derartiger kunstvoller ausgang
gebricht; 3) aus der einleitung der Urstende mit notwendigkeit
der schluss lu ziehen ist dass zwischen sie und die Himmelfahrt
kein weiteres werk Konrads falle: Sprenger will gerade das Jüdel
in dieser zeit entstanden wissen ; 4) Konrad sich mit Vorliebe auf
seine quelle und deren autorität beruft (vgl. Germ. 8, 326 0«
das Jüdel dagegen nirgends einer vorläge gedenkt.
Worauf stützt also Sprenger seine Vermutung? sieht man ab
von den mit vollem recht ihm selbst unerheblich erscheinenden
umständen, dass das Jüdel in derselben hs. überliefert ist wie
die Urstende, und dass sein eingang einige Ähnlichkeit in den
gedanken mit der einleitung zu Urstende und Himmelfahrt auf-
weist, so zerfallen seine gründe in zwei kategorien : 1) Überein-
stimmung im reimgebrauch, 2) Übereinstimmung in versen, aus-
drücken, reimwOrtern.
Was zunächst 1) anlangt, so ist zwar richtig dass die bin-
duDgen t : ie, u : uo allen drei gedichten gemeinsam sind, aber
dieselben kommen auch in vielen mhd. denkmälern vor, die nie-
mand dem Heimesfurter zuweisen wird, dagegen hat Sprenger
übersehen dass einerseits nur das Jüdel a : d zweimal vor n bin-
det: man : getan 131, 33. 132, 1, ^ und dass andrerseits der reim
* Sprenger fahrt freilich s. 139 die erste dieser beiden stellen an,
indem er sagt : letzteres [dass das Jfldel nach der Himmelfahrt nnd vor
der Urstende entstanden sei] schliefse ich nnter anderem daraus dass sich
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84 IST KONRAD VON HEIMESFURT DER VERF. DES JÜDEL?
m : n nur in der Urstende und Himmelfahrt, uicht im Jüdel be-
gegnet: Urst. 111, 15. 120, 35 heim : erschein, 111, 81 ckradem:
schaden, 128, 1 tuum : sun, Himmelf. 325 gadem : schaden, was
Sprenger sonst in diesem zusammenhange beibringt, entbehrt
jeder bedeutung, und man versteht durchaus nicht, welchem
zwecke zb. die anführung der reime tete : bete, aber täten : bäten
dienen soll, die bemerkung, dass von den verbis gän und stän mit
ausnähme des cj. praes. nur die formen mit ä gebraucht würden,
ist in so fern unrichtig, als Urst. 122,65 auch get : Nazarit,
125, 35 enstet : Set gebunden auftreten.
Unter 2) ist sehr verschiedenartiges zusammengeworfen, wenn
es im Jüdel heifst amen dise missetät oder der vater alhz da Im
oder dise starken geschieht oder wisUch er sie dö beriet und in
der Urst. resp. Himmelf. amen den haz oder stuont der bischof
aUez hie oder starkiu mcere, starke rüege oder ab er die armen
dö beriet, was geht daraus weiter hervor als dass alle drei ge-
dichte die worte amen, alkz, stark, beraten kennen, und was
ist dabei merkwürdiges ? oder wenn im Jüdel wie in der Urstende
hof : bischof, mezzer : bezzer reimen, wobei überdies letzteres wort
das eine mal comparativ, ds^s andere mal verbum ist, wenn Maria
als gehiure und als der enget küneginne bezeichnet wird? Sprenger
scheint ganz zu übersehen dass sowol Konrad wie der Verfasser
des Jüdel in deutscher zunge und ungefähr zu gleicher zeit dich-
teten, und dass gewisse reime und phrasen sich jedem poeten
aufdrängen musten, da der reimvorrat der spräche ein beschränkter
ist. congruenzen ferner wie wcer ir gnäde niht so sHeze und tr
gndde was so süeze, oder ezn kumt dir niht ze mäzen und ob
ez in kom ze mäzen, oder er begundes rätes vrägen, oder wciz
mich dar umbe danket guot und waz si dar umbe diihte guot, oder
nü erlät mich sin durch got und ir suü mich sin durch got er-
län, oder sä zehant lief ein böte und sich huop ein böte sä zehant,
oder den geUmben er im vor sprach und er sprach in den gdou-
ben vor sind so wenig significant, dass sie jeder beliebige dichter
unabhängig von einem andern verwendet haben kann, selbst
die parallele Jüdel taufe dich und wirt gotes kint sam die ander"
die allerdings sonst nicht ungewöhnliche bindung d : a [es steht fälschlich
d:ä gedruckt] (getdn:man Jüd. 183) in der Urstende nicht mehr findet/
aber auch iu der HioimeUahrt existiert kein fall, Sprenger mAfiXe denn xb.
dd : regina 233, wo Pfeiffer das lingezeichen vergafs, hieher reehneo wolieo.
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IST KONRAD VON HBIMESFURT DER VERF. DES JODEL? 85
9hmt gd>am sini von wazzer und dem k$ihgen geist uod Urst.
da nieman teilkunftße wHrt trau er dm anderstunt gebirt u>a%zer
und der hmlege geist gibt nur einen biblischen gedanken wider^
welcher gleicbmjlfeig zwei dichtem in die feder kommen konnte»
ohne dass sie von einander wüsten, analogien solcher art liefsen
sich übrigens häufen.
Ich denke also, die von Sprenger beigebrachten argumente
ennaogelo jeglicher beweiskraft. im gegenteil lassen sich manche
puocte geltend machen, in denen der Verfasser des Jüdel sich
TOD Konrad untersdieidet. der letztere liebt es, verallgemeinernd
auf vorginge des taglichen lebens und regungen des menschlichen
herzens hinzudeuten, zb. Himmelf. 84 wan er ndb des vil wol ver-
thtmt ah die taisen äße tuMU, 400 iltte liehen gesellen enpfieng er
ob der den andern gerne $ikt, 512 nu enlac doch diu gMure nilu
einem töten gdieh, ab bi unser zU ein Uch, vgl. auch 909 £^
Urst 105, 8 ff, 117, 42 si versuohten manegen rät so der tuot
der angest hat, 118, 69 swä man umbe solhe sache trahtet . . .,
der tumbesi num da wol enbirt, 121, 61 und enphiengen sk so
rdUe teol s4 man werde geste sol. nichts Ähnliches bei dem autor
des jQdel. femer findet sich bei Konrad eine reihe von werten
90 häufig verwendet, dass ihr fehlen im Jüdel auffallen muss.
dahin gehört vor allen das verbum schaffen: Urst 104, 82 nu
sAaffü daz man in vor her bringe, 106, 52 nu schaffet her der
iwren sAse, 112, 62 dd sehuof er in in geleit, 113, 3 schaffet
sdbe unde tuot, 113, 46 st schuofen daz er wart behuot, 114, 16
ti sAuofen niht gin einer ber, 118, 42 sehuof er im guoten ge-
mach, 119, 1 der wirt sehuof m sdbe dö sin sedel, 119, 8 waz
«MM da schaffen wolte, 119, 17 ir brehten sehuof sich in der aht,
119, 33 Schaft 9wt uns swaz ir weit, 124, 18 nu schaffetz wol,
127, 77 dö sehuof got durch einen list, Himmelf. 312 nach der
werdiute Site sehuof er in dannoch genuoc, 465 daz du ir schaffest
seHe pflege, 694 dö sehuof ich daz man dich lie gän, 1104 diz
stktof von deme geschriben stät. ferner der gebrauch des demon-
smtivpronoroens jener, pl. jene im sinne von der, die oder er,
sie: Himmelf. 9 daz jenen vil Uhte vergät, der kunst und minren
«tHoi hat, 41 für jenes Oberigen sin der . . ., 768 und jene
isz Üben erwürben, 934 so jene mit vröuden für sich gänt, die,
Dnt 104, 73 des wären jene harte vrö, 105, 48 unt heiUez jenem
lotder an, 106, 39 nü diAmen auch jene schiere, 106, 52. 107, 68.
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86 IST KONRAD VON HEIHESFURT DER VERF. DES JODEL?
108, 69. 109, 27 sprächen jene, 111, 38 jene sprächen, 113, 30
sprächen jene, 121, 47 des geloubent jene ahe vil das subslaDtiT
pflihi begegnet bei Konrad hfluflg: Himmelf. 674. 928. Urst.
107, 13. 26. 108, 28. 120, 46. 126, 19. 128, 6; guoter mm
resp. guote Itute Himmelf. 156. 264. Urst. 103, 45. 104, 7.
106, 60. 116, 78. 119, 66; genuoge als nom. pl. — manche
Himmelf. 926. Urst. 103,26. 105,71. 107,10. 110,53. 115,
67. 71. 119, 36. 121, 76. 122, 68; ich enweiz mit folgendem
fragepronomen ^^ irgend wer, was, wie Himmelf. 186. 261.
Urst. 120,25; männeglich Himmelf. 1082. Urst. 115,48. 117,
3. 15 usw. ebenso hat aber auch das Jüdel seine lieblingsworte,
welche Konrad fremd sind: dahin gehört das adverbium wisUche
131, 10. 133, 65. 134, 44, widersMt 129, 55. 133, 18, wetz
got 131, 32 (so ist mit Hahn statt des hslichen ii^etl got, nicht
wil got nach Sprengers vorschlage zu lesen). 132, 22. 134, 68,
daneben einmal wergot 133, 35 wie Urst. 122, 84.
Wer sich tlbrigens künftig mit dem Judel beschäftigen will,
wird gut tun, den Hahnschen druck und nicht die Sprengersche
'kritische bearbeitung' zu gründe zu legen, weil in dieser einer-
seits die Varianten sehr mangelhaft verzeichnet sind, andrerseits
der text verschiedentlich auf höchst mutwillige weise verändert
und verbösert ist. einiges möge zum beweise angemerkt werden,
z. 4 steht falsch dem statt den; dass 7 si eingefügt ist, findet
man nicht angegeben; 23 I. h4de, denn sun und got sind mas-
culina, und diese hs. schreibt oft -tu, wo -e am platze ist; 33
wisheite statt des richtigen tocBishceit der hs. ; 42 ist zum vorher-
gehenden zu ziehen und dahinter stärker zu interpungieren,
wahrend nach 43 der punct fortfallen muss; wenn 64 schozze
in den lesarten aufgeführt ist, hatte zb. auch 28 grozzen notiert
werden sollen; 115. 16 (130, 46. 47) dö man daz ambei begie,
diu ougen ez nie dar abe verlie sind ohne grund umgestellt;
warum 117 (130, 48) altwre statt des hslichen alter? vgl. Urst.
127, 85; 118 (130, 49) 1. schcßnsten; 122 (130, 53) dö diOite ez
ie u>ol tAsentstunt schcener: ie in in zu verandern liegt kein grund
vor; an 137 (130, 68) der Christen gemeine er im bot »» bot ihm
die gemeinschaft der Christenheit an, erteilte ihm die commu-
nion, ist nichts auszusetzen, bei Sprengers willkürlicher anderung
den kristen gemeine er ez bot müste man ez auf leint oder auf
ambet, in jedem falle unsinnig, beziehen; weshalb 139(130,70)
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IST KONRAD VON HEIMESFURT DER VERF. DES JODEL? 87
statt dax kinMin gescbrieben wird imch ditze kint, lässt sich nicht
abgehen; 172 ff (131, 22 ff) der rat van in aUen gehbt do er in
h^e geian man hiez da% chimt dar fvr gan bs. man ergänzt leicht
wart nach ritf, der ausfall des wertes wurde durch das t am ende
sowol von wart wie von rat veranlasst, aber zu der weitgehenden
äoderung Sprengers der rät geliebt in aüen. fnan hiez daz kint
ävr für gän da erz hite in getan liegt nicht der mindeste anlass
Tor; 178 (131, 28) fehlt in dem Tambacher fragment B nicht
frnot, sondern es steht frat; 211 (131,61) ze A zu B; 213
(131, 63) und eul wir unser ire immer vor im ge fristen; gefrei-
sekent ez die Christen, si gestint im vUzedichen bi gibt einen ver-
ständigen sinn und die Änderung von immer in niemir ist daher
zu verwerfen; 224 (131, 74) daz er rihte über daz kint: gegen
die unnütze auf grund von Marienlegenden 250, 312 so reche
uns Mn selbes hont über daz vervlüchte kint vorgenommene ände-
rang Sprengers daz er uns riebet schützt schon reht zwei Zeilen
vorher; 225 (131, 75) ahö daz unser e: Sprenger schaltet alte
vor S ein, weil in dem Taäibacher brucbstflck vnser .e. stehe,
nimmt also die puncto für andeutungen von Ittcken, während sie
doch wie so oft in hss. des 12 und 13 jbs. nichts anderes be-
zwecken als solche worte, die nur aus einem vocal besteben, von
den vorhergehenden resp. folgenden zu sondern ;i 245 (132, 15)
L selben mit A, selbe des Tambacher fragments scheint durch
249 (132, 19) hervorgerufen; 255 (132, 25) der mit A forUu-
lassen; 296 (132, 66) varr. 1. gesegent A, gefegent B; 331 (133, 20)
die einfUgung von da ist überflüssig; 354 (133, 43) emert in
genert zu ändern liegt kein grund vor; ebenso wenig war herre
zu streichen, vielmehr metri causa er sprach zu entfernen; 360
(133, 49) 1. ez enmohte anders niht gewesen; 387 (133, 76) Die
braucht nicht zu dise geändert, auch in der vorhergehenden zeile
kaum sd hinzugesetzt zu werden; 394 (134, 4) nu büet nUnen
veter hin dan stin ist untadlig und man muss lachen, wenn
Sprenger hinier für hin dan schreibt, weil es Parz. 570, 14 heifst
jener trat Kinder einen trü; 397 (134, 7) si habent mich hie ver-
standen erfordert keine änderung in mir; 407 (134, 17) daz er sie
> 80 zb. gleich S. Jüdel 131, 35. 132, 18 A. Pfeiffer Quellenmaterial
1 58, 22. 62, 80. 66, 122. n 69, 23. Graf Rudolf 9" 2. 24. H 27; .v. Graf Ru>
dolf ^4. 6. a^ll. G13.14, V. resp. .v. ebenda B'15. ^17. G9.17. G'7.
£2. F8. ri6.22. 18.9.15.21. K 16. K'2 usw.
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88 IST KONRAD VON HEIMESFURT DER VERF. DES JCDELT
UeMe id tfiii: warom bestän?; 408 (134, 18) n' irinm waim
hegan hs.: si ist nur ansatz des folgenden Wortes nnd daher zu
streichen, Sprengers $U H unmöglich, da das Torausgehende Ut»
hier begiefigm erfordern wttrde, wie er selbst erkennt: der von
ihm Torgeschlagene einschuh von wolden überfüllt aber den vers;
420 (134, 30) war die abweichung von der Überlieferung und
einfohrung eines Terbs vreudemöeinen durch nichts geboten.
STEINMEYER.
NOCH EINMAL MF 48, 13 ff.
RSprenger hat in den thesen zu seiner doctordissertation,
Halle 1875, die fraglichen Terse so erkUren wollen, dass er mit
vertauschung von v. 16 und 18 zu lesen Vorschlag
tcA gunde es guoten frowen niei
dax iemer mare k<mne der tac
15 daz si deheinen hetm liep
der gotes verte also ersehrae.
tote künde in der gedienen iet?
wan ez wcere ir iren slac.
Neuerdings hat MRoediger Zs. 26, 293 der überiieferung da-
durch aufzuhelfen gesucht dass er weniger kühn als Sprenger,
jedoch mit annähme einer parenthese, lesen will
15 daz si deheinen heien liep
(wan ez tocere ir Sren slac:
wie künde in der gedienen iet?)
der gotes verte abö ersdirac.
Aber beide werden schwerlich eine stelle beibringen können,
durch welche ein so selbständiger gebrauch von dehein 'uUus',
wie er hier von ihnen angenommen wird, bestätigt würde, dehein,
selbständig gebraucht, bezieht sich meines Wissens in den meisten
Men auf eine daneben bestimmt bezeichnete mehrheit, zu der
es als beliebige einzelheit gehört, und diese ist hier nicht an-
gedeutet, die ?on Roediger, bzw. Sprenger gegebene erklärung
würde etwa den text verlangen daz si ir deheinen heten liep . .
die gotes verte aUö erschräken.
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NOCH EINMAL MF 48, 13 ff 89
Zwar kommt es bisweiien auch ¥or dass selbotändiges dAein
durch einen relativsats näher bestimmt wird, ib. Nib. 29, 1 sw4
man vaM dd^etmn der ritUr soUe sin von arte der Mnen mäge;
daan aber wird die in solchen Wendungen dem gedanken nach
liegende mehrheiC daneben doch noch zum ausdruck gebracht,
wie denn in der Nibelungenstelle fortgefahren wird dm edden
kmdeUn facte man %mo dem hmde durth die hödigezitf weil eben
alle adeligen jflnglinge zu rittern geschlagra werden sollten, und
dem entsprechend wtlrde Friedrich von Hausen, wenn er sidi hatte
ansdrOcken wollen wie Roediger annimmt, ohne zweifel gesagt
haben dass st dAemm hetm liep (wan ez uxere ir 4rm sJac. wie
hmdm in die gedMnen iet?) der gotee verte ahö erechrac, genug,
selbständiges dekein wird nicht so gebraucht wie ein oder stner,
anf welches nicht selten ein relativsatz folgt ohne dass auf eine
Hidirheit bezug genommen würde: beispiele dafür gibt J&rimm
DWB 3, 120.
Unter diesen umständen scheint es nicht oberflassig, eine
conjectur in erinnerung zu bringen, die ich in den thesen zu
meiner babilitationsschrift De nonnullis locis Wolframianis Yiel-
leicht zu lakonisch geäufiiert habe, da sie wenig beachtung ge*
Amden zu haben scheint, wie damals Termute ich noch jetzt
dass deheinen ein fehler, eine entstellung ist und dasjenige wort
darin steckt, welches Mttllenhoff Zs. 14, 138 in der erörierung
des gedicbtes wie sieh von selbst Terstebuid gebraucht hat, wenn
er sagt ^Friedrich von Ebusen sendet die Strophen aus der ferne
nach hause um gute fraUen for denen zu warnen die aus liebe
ZB den ihrigen oder um der minne willen daheun geblieben sind;
die minne dieser wtlrde ihnen schände bringen.' demgemttfs
lastete die Strophe ursprünglich wol so:
Ich gunde es guoten frowen niet
da» iemer mite kcsme der tac
U da% si da keime heten liep
(Slaheiiii einen geliebten, von den daheim gebliebenen einen zum
liebeten hätten*):
foan ex wcere ir eren sbc.
wie künde in der gedienen iet,
der getes verte ah6 ereehrac? usw.
Wie leicht konnte da keime, woftlr zb. Nib. A 164, 2 deheime
steht, in dekeinen entstellt werden, wenn liep kaben nicht in der
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90 NOCH EINMAL HF 48, 13ff
eben gegebenen bedeutung, die wie ich glaube der dichter im
siDDe hatte, sondern irrig als *lieb haben, amare' genommen warde.
dass aber Uep als singulares satzobject des artikels entbehrt, hat
nichts befremdliches, wenn man vergleichbare stellen beachtet,
zb. Nib. 1456, 3 swer Uep hete an arme, der trüte vriundes Up;
HF 156, 15 joeh Uez ich friunt da heitne.
Ich benutze die gelegenheit, mich noch über eine andere
stelle in HF zu aufsern und darf dabei wol eine kleine geschichte
erzählen. MHaupt hat meines Wissens nur einmal, im Winter-
semester 1858/59, Des minnesangs frühling öffentlich erkbrt,
und wol noch mancher der wie ich das glück gehabt ihm dabei
zuzuhören erinnert sich, mit welcher befriedigung er das junge,
schöne buch in den bänden wiegte, wie beglückt und frisch er
die lieder las, mehr andeutete als erklärte und den rosen den
tau nicht abstreifen mochte, er wohnte damals in der Wilhehn-
strafse nahe dem Belle-allianceplatz. aus einem dunkeln entr^
gieng es durch eine grofse blaue stube, deren wände mit gips-
büsten, Lachmanns und anderer, geschmückt waren, zu seinem
arbeitszimmer. hier klopfte ich einmal in jenem winter, trat ein
und war, nachdem ich allerlei belehrung gewünscht und erhalten
hatte, so dreist Haupts anmerkung zu MF 117, 36, die auch m
der dritten ausgäbe noch steht, für überflüssig zu halten. Haupt
sah mich mit einem swinden blicke an, holte aber sofort Des
minnesangs frühling herbei, legte ihn zu gemeinsamer lecture
auf das pult und fragte mich ganz freundlich, wie ich denn die
Worte Hartwigs von Raute trhU ich M ir einer hÜUe durch diien
unein beaän verstehe und erklären wolle, als ich erwiderte dass
etner nicht als unbestimmter artikel zu htdde, sondern (was durch
den daktylischen rhythmus freilich verdunkelt werde) als hervor^
hebendes Zahlwort zu ir gehöre und der gedanke des dichters
doch wol sei, er würde die geliebte vor aller weit umarmen,
wenn er nur hoffen dürfte dass sie allein ihm diese liebestoil-
heit nicht übel nehmen werde, hielt Haupt mit mir seine be-
merkung für überflüssig und wollte sich die sache für eine zweite
aufläge von MF notieren, ob er das unterlassen oder die notiz
verloren gegangen, gleichviel, die geschichte ist wahr und für
die nächste aufläge von MF der berücksichtigung wert
Harburg 17. 8. 82. K. LCCAE.
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KASSELER BRUCHSTÜCKE 91
KASSELER BRÜCHSTÜCKE.
Die im folgenden mitgeteiüen hruchstücke mhd. dichtungen be-
finden sich auf der hieeigen landesbibliothek. nr 1^ xwei pergament-
Natter in quart, »weispaüig beschrieben, i4jhs., enthalten stücke
mu dem Passional. ich gebe eine genaue vergleichung mit Köpkes
ausgäbe, nr 2, ein pergamentblatt in folio, zweispaltig beschrieben,
aber oben abgeschnitten, lAjhs., gehört der pseudorudolfischen Wett-
ckronik an und entspricht in GSdiiUzes abdruck (Die gereimte Über-
setzung der historixhen bücher des oben teetaments, Hamburg 1781)
den Seiten 81 — 85 oben des zweiten bandes. nr 3, ein pergament-
blatt in quart, 14 jTis., die seite zu 2 spalten d 32 Zeilen, war zum
Überzug des rückens und des deckeis eines octavbandes benutzt ge-
wesen: daher konnte namentlid^ der den rücken bedeckende teil, über
welchen nodi dazu eine spätere hand (pur geschrieben hat, nur
mit hüfe um reagentien gelesen werden, unsichere buchstaben sind
eufsiv gegeben, das fett resp. gesperrt gedruckte ist rot, die zu-
§dUhrigfceit des fragments zu des Johannes von Würzburg Wilhelm
von Österreich liefe sich mit hilfe von Zachers inhaltsangabe (Zs, 1,
213 ff) leicht ermitteln.
Kassel, den 8 M' 1882. KARL KOCHENDÖRPFER.
1. Pasbiomal.
1« _ 55, 16—45 K. 16 ^nd dran bewart | 21 gerehtekeit
behab€ | 22 dane e || värvar || 23 h'tekeit || 24 dit || dem || leyt 1 26
wai^ I hine geleit || 27 sie | 28 vroude ]| 29 ledoch geyo dem||
30 wid" Tehte || 31 diseme byschove || 32 vnd | 33 entzien 1 34
byschof I 35 de B 36 vriheyt || 37 Im ▼" ouh J and'eo | 38
sih I 39 sah I 40 de I 41 heyUkeyt | 42 Tud die selben vri-
heyt I 43 dem
l^ «» 55, 46 — 75Jir. 46 krTzliche er eynS | 48 schynen)
51 byschoTe | 52 im* || 53 irme | 54 sie niht || 56 worhte 1 md
leyt I 59 durh 1 60 erzebyschof || 62 rehts l 63 vn | Tolge nach ||
64 onh de ( 65 iecKch | 66 vn | 67 begriffen || 68 vn | ime
iv'e I 70 /ehft I 71 ime f 72 cit biz |j 73 gotis || sih | 74 im*
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92 KASSELER BRUCHSTÜCKE
2* — 55, 76—56, 11 K. 76 nah 1 77 deme || stftlc || 78 ge-
lediget vz dem || 80 wold ooh || 82 byschof thomS | 83 de || scnbe||
84 de ih sprah || 85 rehtem || braht 1 86 ih niht 1 bedaht || 87
wisheyt || 88 sie Tch de geseyt ]| 89 de || 90 niemer | 91 mihlj
siht H 92 ih I 93 de || leyt || 94 S?nde valsehe vriheyl \ 95
?D II leyde | 56, 4 ByDnen \ 6 bysehoYe || 7 weyngde || di 8ah||
11 V" behabe
2'' — 56, 12— 43Jr. 12 VDse'en eyt 1 15 han || 16 Tffe dihjl
17 de sie dih || 18 byschof || der not [ 19 blodekt || 20 de | tS
leyt II 22 de | 23 er ir noh iht mohte vrflm | 24 vndHionill
25 sih II 26 vn B 27 liebliehen |j 28 nah 1 vraneribe g 29 ouli
bleip 1 30 vHreyp || 31 duhte || bette g 32 v" wold ouh bcj|
33 In II 35 bestetegvnge || 36 niht \ 37 nah geschehe \ 38 do
dem I 39 we n da || 40 v^rb | 41 de | ouh || 42 vn || niergenQ
43 dar zv de i wurde
3« — 59, 6 — 36 JT. 6 v'eynte jj 7 glich 1 8 ^ I ^^Id
ir I 9 vngezogelieh || 11 kyrehe jj 12 cit || 13 vn | 15 byst||
vn 1 16 alhie || 17 niht || beyte | 19 deyswar allez || 20 niht
biz vf de || 21 pyn || 24 mih ih bin gereit | 25 ih niht vlie | 26
ih ouch I ]| 27 deme |j 28 wip || 29 niht scadet we ir jj 31
mih II 32 hup || 33 vn 1 samet 0 34 dit || 3met j| 35 de | 36
an dar an
3^ — 59, 37 — 67 JT. 38 vii | 39 dar zv lip vnde \ 41
ane | 43 Neygete \ 45 ime \ vnverseyt | 46 Sie | 47 vn | ime
die blatte | 48 hülfe sie |j 49 sie | 50 houbet gar zv8|ugen||
51 hirn 1 witen || 53 deme | 54 ieclicher 1 55 vn er bleyp||
kyrehe || 56 leydes g 57 sie |j 58 vrouden | 59 deme | vrA-
mea 1 60 vflr got lobelich || 62 sih 1 vn jj 64 leytHehen | 65
ciageten sie | 66 betrubde || 67 ime die phaffeyt
4«— «59,68— 60, 4 f. 68 zusamene geleyt \ 69 vnde ge-
ber^ 1 70 sie deme gotis knehte | 71 clegeliche || 76 eyn | 77
lychamen || 79 offenliehe || 80 ane hub || 82 Seht wa von | 84
Eyn \ 86 Eyne |j sie ane hüben | 88 Swine eyn bochcit | 89
eynem mertylere || 90 sin || 91 sie dauid beseribet H 94 ge-
rehte vrowet sih || 60» 1 ime | 2 reyne herzen jj 3 sulenj
im* entphao
4^ «. 60, 5—35 IT. 5 engelin jj 6 vn |j phaffeyt Vnam || 7 de
von ime | 9 sie || 10 vnde | 12 Sie jj nibtesniht | 13 sie||
14 den mertyPen ist besc*be jj 15 nah || 16 vrouden | 19 durh||
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KASSELEK BRUCHSTÜCKE »3
lejcheo | 20 de 1 21 yd I 22 haltzen H crvmen 1 25 pyn-
liebe I 26 de gote | 29 Svmeliche tote || 32 got do leren ||
33 TD I 34 Sine gewalte
2. PSEUDORDDOLFISCHB WeLTCHRONIK.
Do man icMichini ein man
In hülfe herschefte plegin
Sie zagin den reinen degin
Moysen den tu guten
Den TTisen den yruten
her hettis in die wusün bracht
Diircb daz her bette des gedacht
her TTolde ir herre Tresin
Tode maatin van im genesin
Tnde herTTolde ir bedurfUn nicht
Tan dirre Silben gescbift
was Tan in gemeine alle zit
groz ir nach rede vnde ir nit
TDde euch gein aarone
Mit snlcfaime lone
loniten sie im der arbeit
Die ir ittcTredir durch sie leit
0 moyaee ir rede virnam
Tnde ir murmilTor in quam
her nam mit dem gotis geböte
als im TTas gebotin van gote
zTrelf rotin vnde screif dar an
an iclicher den boestin man
Der in iehlicheffi kunne vras
Der hoeste vurste als ich las
Daz ein icblich kunne solde
vnder in sinen ewarten ban
Odir ab sie alle soltin lan
aa einen dise groze ere
Odir an imannen mere
vnde got sus an der zit
Scbide ir krige'. ir strit
ie hoesten vnde die beatin
Die iz recht mit witzen we-
stin
vnde des bestin nemen war
vz allen den geslechten gar
warin mit rate blibin
Da die ruttn gescribin
wurden an der selben stat
Daz sie sazste ir allir rat
Inz gezelt vor gotis ansieht
Daz her da irzegite die geschieht
wem siner gnaden warbeit
Die berscaft wolde ban bereit
Got liez da sine wunder
Da scowen bisunder
Sine Sterke, sine reine gute
Sine ^bir vliezige demute
liez her sie alle scbowen dort
Daz her wolde sine wort
Moyses zA sich da nam
Die besten van deme rate
vnde hub sich mit in drate
hin inz gezelt an die stat
Da die rutin warin gesät
Dar an sie mit im soldin spehin
Gotis gnade vnde besehen
wer vndir in wesin solte
Den got silbe kiesen wolle
zu sines amecbtis bute
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94
KASSELER BRUCHSTÜCKE
Da ?aDt man aaronis rflte
Gr&ne die e dürre schein
Beclibin mit ?rflchtin zwein
Sin gerte die dürre vnde toub
was. brachte gruniz loub
ane sach ane wurzel craft
ane irdischer gesellescafi
rife mandel nutx$ sie trnc
Diz groze wundir sluoc
Die Talschen zwiuelere
Der TÜ zwiuiliche mere
So dicke legin deine rechten
Got an sinen lieben knechten
virsuchte. Tnde sine craft
Das sie nie mere zwiuilhaft
Sundir kriges wider strit
Mit der rutin ouch gestetit wart
Da sus der ^birste ewart
Der ewart vflir erdin hiez
an den got sin ammecht liez
zu beriditen in der alden e
Nach gotis geböte vur baz me
wart kumftic vf der erde
Nach gotlichim werde
Des himelischen ewartis kflmen
kumftich bezeichint virnumen
wan die hymelische keiserin
allir gnaden sonnen schin
?nde wurzele aller gute
Stam allir demute
Ingesigil. spigil blfime
mit reinem magetfime
allir kusche ein vrhab
allir seidin leite stab
Die vil milde die gute
Die gnädelich gemute
die edile suze die reine
Die vrie vor allim meine
AUis wunschis Zuversicht
In allir not ein heUIich plicht
3. Wilhelm von Österreich.
r
da beliben fröden bloz
jn grozzen sorgen on zal
das was aglei vn ryal
die czwey in einer quäl
6 lebten on czal
Ey schepffer aller abentür
seit das uon diner stetir
jch kunstloser tumm^ knab
Ein abentür entworffen hab
10 den sinnen min czfi meisterlich
So gib auch lere mir das ich
Die varb dar gestreich
das sie nit schier uerbleich
von des sinners hitz
jch meyn der wisen witz 15
die mich mit eren czieren
mit sinnen corrigieren
das ich uon schänden icht bleich
Nu greiff ich vnd reich
die cleglichen meren SO
die da mit grozzen swern
die czwey gelieben nieten
vnd auch des wol getrüten
Ein ander das ir trutschaft
Gebunden hett in stetter kraft %
jn beyder h'cz sinn
Die über starck minn
was in gar gentzlich beclieben
Ein minen brieff wart geschriben
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KASSELER »RUCHSTOCKE
95
10 TOD Ryal dem iungen
den meistert er mit der czungen
Tff die cleglichsten wort
Die man uon menschü ie gebort
da mit er Urlaub wolt geben
^ allen fröden die sin leben
Sich denn nieten soU
SiD pin er wolt
jr eygenlich erscbeynen
Nu hett man die reynen
^ Engelicb gecleidet
vrie das ir fröd leidet
Doch wart sie frölicb sunder
danck
gef&rt in der uogel sanck
rnd in die blflmen für den hag
tt da manig werd ritt^ lag
Durch den küng walwan
Ryal sprach des iamers plan
Bedarff wol min' äugen regen
Mit min^ scbarpfen not segen
M Wirt der fröden cle gemacht
kandecHch einen brieff er hat
jn siner band Tnd kert
hin czfl ir der gehert
Solt ich in geticht wein
56 das böst uon dem bösen schein
So wer ich der nit west
Weihes wer das best
das ich uon fröden sagt
Tnd die quäl uerdagt
80 Oder uon der clag seit
Tnd die fröd hin leit
wer wil mir geben den rat
Nieman. seit es denn an mir stat
80 wil ich uon in beyden sagen
50 L gemat bT^L kerten
2'
Sich hfib mit fröden sund* clagen 65
Eyn tantzen in den auwen
von h'ren vnd uon frauwen
die da mit fftg erscheinten
weih ein ander meynten
Der halb tod man ryal 70
Gieug czfi siner fröden sal
der czarten magt agleyen
der gflten wandeis freyen
wie michel was ir hflt
die mlneclich gflt 75
jm dick dar die ougen schos
Dor Tzz ir rüwig wazzer flos
Durch dünn vel genüschet
je doch wart es uertüschet
Das sein nieman wart innen 80
die czwey gelieb ir hendel czart
Dick ein ander druckten
jr äugen blick smuckten
Sie ein ander die hertzen
das sie da von den smertzen 85
nicht spielten, das ist ein wunder -
Ryal den brieff dor vnder
jr in das hendel sleicht
Die sflzze mir reicht
den czwein da ir kunst 90
das sie es mit v^nunst
Triben gar behend
czfi hant der tantz ein end
Nam mit grozzem schall
Ritter frawen all 95
czogten vff die uest
Ein Wirtschaft die best
was bereit nach eren
Ritter, frawen. vn hVen
53 /. geherten
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96 KASSELER JttUCHSTÜCKE
lOoTrAg man rilicb czfl ezzen der da bescheint gros dag
vff der bürg gesezzen Nu merckt recht was er sag
waren sie in dem palast hie gabRyal einen brieff
Agley der fr6den ein gast agleyen. an dem tantz
Erbeit kum biz man gas Agley reyn kusch 120
105 Si tet als dem nach lieb was seit das du kein getusch
verrer wirser denn we hast gen mir senden nie ge-
hett sie gemocht sie hett e triben
jrs iründes brief gelesen dor umb han ick den brieff ge^
Sie liez da frölicb wesen schribn
110 alles das dar vff was das ich dir wil dancken
Die reyn gieng vfT dem palas das du gar on wancken 1»
vnd nam sich vngesund an mit truwen hast gemeynet mich
biz sie an ir heimlich kam hertz liebes lieb seit ich
do wart in kurczen stunden Nicht dines libes wirdig bin
115 der minen brieff entwunden
HS f diege Überschrift ist sicher an falscken ort geraten,
ZU ZS. 25, 170 flf. 244 f.
In dem vor nicht langer zeit erschienenen ^ anziehend ge-
schriebenen und lehrreichen kleinen buch von Rudolf Waizer
. Cultur- und lebensbilder aus Kärnten, Klagenfurt, Verlagsbuch-
handlung Joh. Leon sen., 1882, lesen wir s. 84:
^Eioe hübsche sage von der frau Percht erzählt man sich
im wildromantischen Möllthale, das so recht das schatzkäsllein
der sagen und brauche, märchen und sitten genannt werden
kann, sie lautet: der grausame könig Herodes soll eine tochter
gehabt haben, welche sich durch blendende Schönheit auszeich-
nete und die eine vorzügliche tänzerin gewesen sein solL an
einer tafel, welche der könig seinem hofstaate gab, muste Percbtra,
so hiefs des Herodes tochter, tanzen, was sie gerne tat, weil sie
dafür ehre und lob einerntete, durch diese auszeichnungen über-
mütig gemacht , soll sie aus fürwitz auf einen übereisten see zur
Winterzeit gegangen sein und auch dort getanzt haben, doch, 0
schreck, was geschah da? das eis brach und Percbtra ertrank.
tanzend kam sie in die hölle, und nun muss sie zur strafe in
jeder Perchtelnacht [5 jänner] die weit tanzend umkreisen.'
Weimar. REINHOLD KÖHLER.
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DAS HSSVERHÄLTNIS DER ELIS SAGA OK ROSAMUNDÜ 97
DAS HANDSCHRIFTENVERHÄLTNIS DER
ELIS SAGA OK ROSAMUNDÜ.
Ober das bandschriftenverhältnis der Elis saga habe ich in
der einleituDg zu meiner ausgäbe (Heilbronn 1881) s. xviifT aus*
Ehrlich gehandelt und bin dort zu dem resultate gelangt dass
AD und CR zwei familien repräsentieren. A steht dem arcbetypus
am nächsten , ohne jedoch mit ihm identisch zu sein ; D ist eine
sehr gekürzte und verschlechterte isländische bearbeitung der
saga, welche aus derselben quelle (x) wie A geflossen ist. CR
sind auf eine gemeinsame vorläge (y) zurückzuführen, welche
ihrerseits schon eine stellenweise durch einen Isländer stark über-
arbeitete recension der saga repräsentiert, die richtigkeit der
letzteren behauptung lehrten nach meiner ansieht die Varianten
von CR auf jeder seite meiner ausgäbe, sodass mir ein detail-
lierterer nachweis überflüssig erschien, ich begnügte mich also
(s. XXV), auf cap. xxxvi und xlvii hinzuweisen , wo CR nach aus-
druck und inhalt sehr bedeutend von den anderen hss. abweichen,
ODd fügte hinzu: 'auch viele kürzungen und auslassungen sind
diesen hss. gemeinsam.'
Meine construction des Stammbaumes der hss. ist in einer
sonst durchaus wolwoUenden und freundlich gehaltenen be->
sprecbung der ausgäbe durch prof. Heinzel, Anz. vin 194 ff, der
ich manigfache belehning verdanke, ernstlich angefochten worden,
namentlich die Zusammenstellung von R und C erscheint ihm be-
denklich, nachdem er die auch von mir erwähnten flKlie, welche
meiner aufstellung zu widersprechen scheinen, erörtert hat,^ heifa
es weiter (s. 196): 'aber wenn doch neun fälle mitKülbings theorie
im Widerspruch zu stehen scheinen , so müste man glauben dass
eioe überwiegende anzahl ihr günstig seien, das ist nun, wenn
wir die sadilage nach KOlbings eigenem material betrachten, nicht
der fall. s. xxv sagt er allerdings , dass RC eine gruppe bilde,
lehrten die Varianten seiner ausgäbe auf jeder seite , und weis
* hier ist ein irrtom antergelaDfen. H. sagt g. 195 a.: *aber anch die
Ton Rölbing angeführten fölle, in welchen die lesarten seinem stammbanm
vidersprecben, lassen sich vermehren, zu kategorie c) ist fall 57, su
d) fall 39 hinzQznzählen.' — fall 57 steht jedoch ganz richtig unter c), wo
H. ihn sucht, und 39 gehört nicht zu d), sondern zu e), wo er auch wurk-
lieh angeführt ist.
Z. F. D. A. XXVn. N. F. XV. 7
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98 DAS HANDSCHRIFTENVERHÄLTNIS
Damentlich hin auf cap. xxxvi, soll heifsen schluss xxxv, und xl?i(.
aber wer kann beweisen dass dies eigenmächtige änderungen und
zutaten des redactors der vorläge von BC sind? es kann das
richtige sein, db. im archetypus gestanden haben, und überein-
Stimmung im richtigen beweist nichts.' er meint dann, die Schwie-
rigkeiten seien etwas geringer, wenn man annehme, AD stamme
aus z, dies aas y, von dem sich B abgezweigt habe, y gebe auf
den arcbetyp zurück, aus dem wahrscheinlich durch mittelglieder
C stamme, die frage ist nicht blofs fdr die ansiebten über die
Überlieferung der Elis saga wichtig, sondern namentlich auch
yon principieller bedeutung für die beurteilung des yerhältnisses
zwischen norwegischen und isländischen redactionen romantischer
sagas. bisher herschte die ansieht, dass die norw. hss. erst ende
des 13 und anfang des 14jhs. nach Island gedrungen und hier
überarbeitet und gekürzt worden seien, in folge wovon dann die
norw. hss. solcher sagas gering geachtet wurden und mit wenigen
ausnahmen zu gründe giengen (vgl. meine bemerkungen Ober
isl. bearbeitungen fremder Stoffe, Germ, xvii 193 ff)- erwiese sich
Heinzeis auffassung des handschriftenverhältnisses als richtig, so
würde daraus folgen dass bereits in Norwegen Umarbeitungen
romantischer sagas unternommen und neue redactionen geschaffen
wurden, während 150 — 200 jähr spätere isl. hss. durchweg dem
archetypus wesentlich näher stünden, auch der wert meiner aus-
gäbe würde — ich muss das hervorheben trotz Heinzeis gegen-
teiliger behauptung — dadurch nicht unwesentlich alteriert. wäre
Heinzel im recht, so hatte der ausgäbe C zu gründe gelegt, dann
hätten die Varianten von B angeführt werden müssen, A sowie
D höchstens aber nun erst als stark überarbeitete redactionen
mit kleiner schrift gedruckt folgen dürfen, im folgenden gedenke
ich jedoch den beweis zu erbringen dass Heinzeis Stammbaum zu
verwerfen ist und trotz einzelner bedenken meine früheren aufsteU
lungen das richtige bieten, hätte ich geahnt dass jemand geneigt
sein würde, diese, wie ich gestehen muss, mir sehr fern liegende
auffassung zu adoptieren, so würde ich den detaillierteren nach-
weis schon in meiner ausgäbe zum abdruck gebracht haben.
Für die enge Zusammengehörigkeit von C und B sprechen :
I) gemeinsame auslassung von ganzen Sätzen wie einzelnen wer-
ten; unter a) führe ich die f^lle auf, wo auch D kürzt; unter
b) die, wo D zu A stimmt, ich bemerke dabei ausdrücklich dass
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DER ELIS SAGA OK ROSAMUNDU 99
erstens gemeiDsame auslassungen nur dann von bedeutung sind,
wenn sie häufig Torkommen, und ferner dass die unter a) zu
Dennenden stellen zwar natürlich von schwächerer beweiskraft
sind, als die unter b), weil das zusammentreffen in der auslas-
soDg dafür spricht dass diese stellen im zusammenhange leichter
entbehrlich sind und darum von jedem abschreiber besonders ge*
strichen sein konnten ; dabei ist jedoch zu erwägen dass D im alK
gemeinen so stark gekürzt und überarbeitet ist, dass ein solches
xQsammentreffen unter allen umständen sehr wahrscheinlich ist.
nnier II) nenne ich die stellen, wo CB andere lesungen aufweisen,
als das zu dem frz. original stimmende A.
I) a) 1. 8. 15, 2 A : aUdre kcemr pu ipat land ne fylki «> Trz.
V. 160: Or va, que ja ne truisses m terre ne pais. ne fylki om.
CB. D bietet für i— fylki nur par.
2. s. 32, 3 A : a vollinn =» frz. v. 465 : contre val CBD nichts.
3. s. 34, 2 f A : en frammi firer okr ero fagrar amgiar med
fogrvm grasvollum = frz. v. 501 : Chi devant a I pre qui est
bioHs e$ herbaus. C bietet für med-^graev.] ok vellir; B nichts.
D bat sehr stark gekürzt.
4. s. 44, 17 f A: Nu rced ec per helldr, at pu latir tru pina
oc gud'^ frz. v. 745: Va, si guerpi ta loi et ton dieu mescreu.
in CB fehlt oe gud; D : Nu sei mier tru pina.
5. s. 60, 5 A: oc het a gud oc a hans godlmica «< frz.
V. 1048: Dameide redama et la soie bonte. CB: bad bcen
mne til guds, D: het a gud sier til hialpar.
6. s. 65, 11 ff A: pa kom laupande Josi or Alexandria lande,
mmn illgiamn hceidingi, oc tudeir adrir hmidingiar, hans logbrodr
ec fdagar, Hertori oc Guntr <» frz. v. 1206 ff: Et voit venir Ector,
I felon Sarrasin^ Et Gosses dAlixandre, Gautier Famanevi. die
namen Hertari und Guntr «» Ector und Gautier fehlen in CB.
D hat dafür andere nameo eingesetzt.
7. s. 68, 10 A: herra konungr »» frz. v. 1254: amiraus.
CBD nichts.
8. s. 69, 1 1 f A : pessir ero turnnar oc kastalar Sobrie borgar
*= fii. V. 1292: c'est la tor de Sorbrie. CB: pessi er Sobrie-
herg, D: petta er Sobrieborg.
9. s. 70, 2A: er pu Imiddir mik hinga med velom pinom
«= frz. V. 1298: Qui chi m'as amme par ta grant felonie.
CBD lassen die gesperrt gedruckten worte aus.
7*
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100 DAS HANDSCHRIFTENVERHÄLTNIS
10. ß. 71, 9 A: oc feil oft i ovü = frz. v. 1333: Flu» de
VII fox$ se pa$me. CBD nichts.
11. s. 75, 14 A: hinum vasca oc hinum rausta riddera =^ i'rz.
V. 1452: au Chevalier honeste. CBD nichts.
12. s. 76, 10 A: oc for hannpegar i =s frz. v. 1464: u Blies
mtra, CBD nichts.
13. s. 80, 11 A: Kaifas or Sobrie — frz. v. 1536: Caifas die
Sorbrie. in CBD fehlt Sorbrie.
14. 8. 81, 4A: er huivetna rcedr = frz. v. 1546: ^t totU
a en baiUie. CBD nichts.
15. s. 84, 7 IT A: en ec scd gera ceinca mal md kann, at
ec scal hava fiordung pessa rikis frialsan oc sctdlda lausan med
fridi oc frahi, medan minor dagar ero «= frz. v. 1553 f: Apres
ferai I plet, qu'en avrai I quartier, Dont je vivrai a aisse soiis
autre parfonnier. CBD nichts.
16. s. 89, 9 A : t utrwid oc aftr kuomo »= frz. v. 1766 : au
venir ne a l'aler. CBD nichts.
17. s. 93, Uf A: aUdre saper annat fridara =« frz. v. 1870:
ains hon ne vit tant bele. CBD nichts.
18. s. 93, 14 A: oc ydr ann yfir huetvitna = frz. v. 1875:
Car il V0U8 atme mout et si le fait acertes. CBD nichts.
19. s. 95, 14 A: ne sua hogliga vardvwittan ^=0 (n. y. 1941:
fie si bien estachie. CBD nichts.
20. s. 99, 14 A: er vel kmn finna fals oc hegoma s» frz.
V. 2063: bien sot conter la beffe, CBD nichts.
I) b) 1. s. 21, 7A: v ridu met piBim, Pißir er fir&r foro,
at gwta hinna er hertecnir varo, ähnlich D: v ridu fyrir peim
ok gwttu peirra. vgl. frz. v. 272 : Or s'en toment paien et eis
ftit les pris gardent. in CB fehlt der ganze satz.
2. 8. 24, 10 A: knder menn =» frz. v. 316 baron (vgl. Vig-
füsson s. Y. lendr). D : pat eru allt framar en herlendir menn.
der Schreiber von D scheint ebenfalls lendir menn vorgefunden,
aber den ausdruck nicht mehr verstanden zu haben. CB bieten
nur menn,
3. s. 26, 5f A: puiat gud vardvceitti honom i miskunn oc i
sinum styrk »= D : pviat gud wardueitti hann med sinni myskunn
ss= frz. v, 346 : que dieus ait en sa garde, CB nichts.
4. 8. 32, 13f A: . . , . oc mioc gimduz hiolp hans; ef hann
gcetti IcByst pa, pa vceri hann frelstr undan dauda. im frz.
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DER ELIS SAGA OK KOSAMUNDU 101
beirrt es v. 476 f: ce dessiroü il fort, Que fuissent desloies, gari
fui$sent de mort, der Übersetzer hal offeobar dessiroient und fuist
in seiner vorläge gelesen, denselben sinn bietet D: en peir
wmdu honvm pat vel launat hafa, ef peir hefdi lausir ordit,
CB nichts.
5. s. 33, 4 ff A : en Malpriant, er gud gefi stceyping, hellt pa
nndan a flotta; en Elis fylgde honom sem kann matti skiotazt
»= D: En er Malpriant sa petta hit mida hogg, hiellt kann a
flotta vndan, en Elis eptir honum = frz. v. 487 f: Malpriant torne
en fuie guant il voit celui mort, Et Elies fencauche et randone
numt fort, die quelle von CB ist hier von dem ersten Malpriant
(z. 5) auf das zweite (z. 6) übergesprungen.
6. s. 66, 1 A : en ißigi at sidr bceid kann haugsim = D : En
^gi at sydr bidr kann peirra <=* frz. v. 1210: A estal s'aresta
droit m ntt le chemin, CB nichts.
7. s. 67, 7 f A: toki per heUdr pann, er villdastr er afpesmm
hestum =>= D: taci pier hinn bezta' hest yduam s» frz. v. 1238:
Mais montes a chelui, qui vaus vient a plaisir. CB nichts.
8. s. 76, 13f A: oc (kann) kysti hana betr en hundrat sinnum
= frz. v. 1470: xl foi$ li baisse et le vis et la char, wo freilich
nicht Elye, sondern Rosamonde subject ist. ähnlich D: ok kysti
hana marga kossa med mikilli blidu. in CB nur: oc kysti hana.
9. 8. 80, 12 f A: puiai firer sakir atgerdar pinnar oc rceysti
pa hefi ec under gengit =» frz. v. 1537: qae por toi ai enprisse.
umschrieben in D : pvi ef eg hefdi ei so treyst pinne atgiorui, pa
htfda ec undir gengit skattinn. in CB fehlt puiat und pa — getigit.
10. s. 82, 3 A: Godr vinr, kuad hann, gack hingat «» D:
t^i>tr, segir hann, far =» frz. v. 1579: Eians amis, dut venes.
CB nichts.
11. s. 83, 3 A: sua at aUdregi scal ec stiga a vaptihest at
tma pik — D : o/ alldri stig eg a minn hest til pess at veria
= frz. V. 1599: Se je monte en cheval por mes armes porter,
io CB fehlt stiga— at.
12. 8. 88, 4 A: fyrr «e «c orf oc öw =» D: fyrr verdi eg
hiBü od ok (Br =^ frz. v. 1724: ains me prenge li rage, od oc wr
m. CB.
13. s. 106, 2 ff A: 6n osyfiiu ser toc hann honndom a henni,
h^^t sacarpess luings, er pa laust hann hana, pa fcer hann bana
^99 firer kudld «= frz. v. 2184f: He! dieus, mar le toucha,
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102 DAS HANDSCHRIFTENVERHÄLTNIS
de pute ore fe fist, Car anfois qu*il sott vespre, Ven convenra morir.
Ähnlich, nur ausfQbrIicher umscbriebeD, D. CR nichts.
H) 1. s. 11, 13 f A: /a dirfaz ungir menn oe glediaz «a frz.
V. 119: Por la joie de li U autre s'eshaudissent. CB: pa gimaz
ungir menn. gimaz entspricht nicht frz. tshaudir und das frz.
for la joie ist gar nicht übersetzt. D weicht sehr im aus-
drucke ab.
2. 8. 15, 3f A: Sua mon vera »em kugr segir mer »■ frz.
Y. 163: Certes, ne feras tu, car li ceur le me dist. CB bieten
dafür: ßat er mer avdscett (audsynt B). D fehlt.
3. 8. 24, 3 — 8 A: oc er engi sa li fände madr, er viU hava
atrcBid oc bardaga, at kann scal ceigi her finna sem ee em, poal
kann se hinn rikasti at CBtt oc hinn mesti atgerdar madr, vita
vil ec af ydr, kuad kann, met pui at per erot herckedder, httar
per tokut pessa hertecna menn , er per dragit eftir ydr med ma
mikiUi suivirding? = frz. v. 311 ff: Onques dieus ne fiet home
qui de mere soit nes, Sil demande bataille, que n'en soit aprestes.
Or V0U8 voi de vos armes gamis et conraes: Ces prisons u pre-
sistee, que si mal demenes? CB bietet dafür: Hverr ea madr er
bardaga ok oJtreidir (atreid B) vill fremia, pa fcsr aUdri fridara
vopnhest en pessi, er (sem add. B) ek sit a baki; (mvn kann ok hingat
at soBkia ok kann dcal ek veria B), hvart sem (til kemr (eptir sadcir
B) rikari eda vrikari; en seg (seget B) mer, hverir erv pessir (p.
6. B), er per dragit her bvndna (om. B) eptir ydr, eda hvar
tokv per pa? man siebt auf den erslen blick dass A sich viel
näher an das original anschliefst als CB. D gibt die stelle ander-
weitig frei wider.
4. s. 28, 8 A: oc fer ee at Iceita , ef pmr mcetti finnaz
= D : ok fer eg at leita peirra «: frz. v. 392 : Je les vieng sor-
veoir, se trove peuent estre. CB bietet statt dessen : ok fer ek at
skempta mer ok reyna vid pa.
5. s. 29, 1 1 ff A: pui nest kceyrde kann hest sinn med spomm
oc lede honom, oc Elis sinn hest i moti med akafri nu «s D: ^i
ncBst keyrir hann hestenn sporum, en linar taumunum, enElis i
mot ridande med micilli akefd &» frz. v. 410 f : II hurte le destrier
et le resne li hsque, Et Elies le sien, que il bien point en haste.
dagegen CB: /t?t neest keyrdi hann sinn hest sporum ok hleypti fram
sem midv (om. B) mest matti hann; en Elis reid i moti med hinv
mesta kappi ok akefd. A schliefst sich dem original am engsten
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DER ELIS SAGA OK ROSAMUNDU 103
an, namentlich auch in bezog auf das fehlen des verbums in dem
saUe, wo Elis subject ist; CB und D hahen gesondert es für
DOlig gehalten rida einzusetzen ; im übrigen stehen AD dem frz.
näher als CB.
6. s. 32, 10 f A: Magkun verde mer rceidr oc batUvadr se
mim hvkr = frz. v. 472: Mahamet me con fange et maldie mon
cor$. CB: Bolfadr verdi minn bukr ok Mavmet verdt mer reidr.
also die umgekehrte reihenfolge. D hat nur Maumet — reidr,
7. s. 32, 11 f A: ef ec mumz fyrr unndan en ec viti medferd
kns = frz. v. 473 : Se je part del Fran^ois, st savrai son con fort,
dem sinne nach ^=1): er eg renn undan honum fyrr en eg veit,
huerso hardr riddari kann er, dagegen CB: ef ek pori eigi at
bida kons (eda sia medferd hans (om. B). die abweichung ira Wort-
laute ist augenfällig.
8. s. 41, 5 A: or Bretlande = D: af Bretlandi = frz.
V. 654: de Bretaigne. CB: or Einglandi.
9. s. 41, 7 f A: er efr V menn eda vi cU CBtnu malt = frz.
T. 656: Qui manguent les homes ▼ u im en I jor. CB: vid vii
mem, D nichts.
10. s. 45, 3 A: pu ert haufut fol aUra fola^D^ frz.
T.748: Va, glous, die dist Blies, tu es fols esperdusi dafür bietet
CB: hofudfol vcera ek pa.
11. s. 68, 9 A: til konungs hallar = frz. v. 1252: Quant
ü fu el palais. C: tilkonvngs. B: a konungs fund. D nichts.
12. s. 74, 6fA: Ridderi, kuad hon, huat manna ert pu?
=»frz. V. 1411: Qui es tu, Chevalier? ähnlich D: eigi veit eg
nafn pitt, eda huat manna ertu? CB: ertv riddari?
13. s. 77, Uflf A: En MaJkabrez, konungr Sobrie borgar, er
nu til borz settr; en fyrr en hann upp stände fra bor dum, pa
verdr hann rceidr oc angradr, puiat Julien, konungr or BalUas
b(nrg, hin huithare oc hinn gamli, er farinn or riki sinu med
XXX pusundrat hwidingia = D : Par er nu til at taca, at Maskabre
konungr i Sobrieborg er undir bord kominn; en fyrr en hann
Uandi upp, verdr hann reidr ok angradr, pviat Lubieti konungr
wr Baidursborg, enn huiti ok hinn gamli, er par kominn med
XU kundrud hermanna »> frz. v. 1516 f: Macabres Vamiraus fu
ossis al düner, Mais an^ois qu'il en liet ert dolans et ires. Lu-
Hen de Baudas, li vies kenus barbes, A tout nx"^ paiens est en
sa tere entres, wesentlich abweichend CB : Nv (ok einnhuern dag
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104 DAS HSSVERHÄLTNIS DER ELIS SAGA OK ROSAMUNDü
B), er Maskalbret Iconvngr (var add. B) tu bordz genginn (a ein-
hverivm deigi (om. B) pa (er petta vard (vard pat B) til tidinda,
at madr einn usw.
14. s. 81,13fA:iVti gefi Magnn mer suivirding oc sncByptt
s= D: iVtt giori Maumet mier skamm == frz. v. 1573: Makomet
me confonge. CB: Ok (add. B) 7w mcoli ec pat vm at Makon gefi
mer svivirding.
15. s. 101, 13f A: iVtt gyrdit ydr, herra, vinstra meginpesm
mer de med pcBim formala, at gud gefi ydr styrk med oc rcpysti
oc si'gr! = D: Herra Elis, segir kann, tac hier uid godu suerdi,
Pviat alldri er sa riddari ne konungr, at betra wtti,
ok gyrdit ydr medl = frz. v. 2092 ff: Sire, chaingies cesti, quens
ne rois n'ot plus bele; Par itel covenant le ^aingies a se-
nestre, Que dims vous doinst barnage et proeche et poeste usw.
dagegen bietet hier CB: [Sidan gyrdli Elis (ok Elis gyrdi B)
sik med (pegar B) pessv sverdi, also ganz anders, es ist bei
dieser wichtigen stelle noch beiläufig hervorzuheben dass sie zu
denen gehört, wo D allein in den gesperrt gedruckten worlcn
einen aus dem frz. Übersetzten satz erhalten hat, sodass diese
stelle s. XXVI unter 3 c) hätte aufgeführt werden sollen.
16. s. 106, 15f A: /u scalt fylgia mer til Bornas = D: ok
fylg mier heim til Bornas = frz. v. 2196: Sie en vien avoec moi
a la chit de Bandas, dagegen CB: ec skal fylgia per til Bornas,
17. s. 84, 1 A: Kaifasl kuad hann, illmannliga hefir pu
skift vid mik = D : Kaifas, segir konungr, illmannliga ferr pier
pat usw. = frz. v. 1548: Biaus fieus, dist Vamiraus, mout m*as
mal engignie, es ist nun sehr bezeichnend für einen isländischen
bearbeiter dass er die hier in auffälliger weise (vgl. Beitr. s. 120)
einsetzende tirade einleiten zu müssen glaubt, während AD die
unvermittelte aneinanderreihung der sätze beibehalten hat; es
heifst nämlich in CB : Kaifas, konungs son, pagdi sidan er (kann
B) lez siukr vera fyrir (sakir hugleysis oc hrcezlu (hrcBzlo sakir
B). pa mcelti konungr (enn add. B) til hans. ebenso leitete CB
cap. XLVi ein durch: Sem Galapin skildi (huat konungr mwlti (ord
konungs B).
Ich gebe mich der hoffnung hin dass nach musterung dieser
50 stellen professor Heinzeis bedenken gegen meine 'kritischen
grundsätze' beseitigt sein werden.
Breslau, den 9 juli 1882. E. KÖLBING.
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Ober otfrids vers- und wortbetonüng io5
ÜBER OTFRIDS VERS- UND WORT-
BETONUNa
Wörter, in denen auf eine lange Stammsilbe zwei flexions-
sitbeo, oder eine ableitungs- und eine Qexionssilbe folgen, deren
erste lang ist, empfangen bekanntlich in Olfrids vers, wenn sie
am schluss desselben sieben, regelmäfsig und sebr hüufig drei
ictas: ^ ^ ^; dagegen Wörter der gleicben bildung, deren Stamm-
silbe kurz ist, können immer nur einen zweiten ictus auf der
letzten silbe tragen: ^ ^ ^.
Diese tatsachen scheinen zunächst Lachmanns annähme als
richtig zu erweisen, dass eine silbe, welche auf lange betonte
silbe folgt, einen sprachlichen nebenton trägt, während silben,
die auf eine kurze betonte silbe folgen, desselben entbehren, der
letzte Satz ist unbestritten ; mit dem zweiten aber stimmen weder
die resultate der grammatik noch der gebrauch des dichters im
ionern ?erse ttberein. manche Wörter der form — - betont Ot-
Irid im innern des Terses fast immer auf der letzten silbe. am
aoffallendsten ist dieser gebrauch bei der 1 p. pl. auf -mes (?gL
Bebaghel Germ. 23, 368); fast immer lässt der dichter ihnen eine
unbetonte silbe folgen : ^
3» 3, 13 wir tdzemes uns lichan
1, 28, 1 bütemes nu druhtin
3, 23, 58 irstirbemes mit imo thar
4, 9, 34 6t thiu fdhemes mit frewida
5, 23, 75 flihemes thio übili
1, 13, 3 Hernes nu dUe
3, 26, 4 gilöubemes thero dato
5 kiremes in müate
25 thenkemes zi güate
61 nu Hernes thes thenken
^ die sammlong der beispiele ist nicht ganz Tollstindig. sie beruht
auf deo xoMmmengteliungea in Keiles graramaUk. einige fehler in den
ciUicn habe ich atillachweigend berichtigt; wo es mir nicht gelang, habe
ich ea io den annoerkungen notiert, die zahl der beispiele ist so grofa,
^*aa auf einige fehlende nichts ankommt.
Z. F. D. A. XXVn. N. F. XV. 8
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106 ÜBER OTFRIDS VERS- UND WORTBETONÜNG
5, 23, 76 Hernes gidröste
99 Hernes io hinana
H 115 thinkemes in mkate
iy 7, 25 nu fergomes thia thiamun
3, 7, 9 scöwomes otih thdnne
3, 23, 27 wisomes thero Jüdono
H 138 joh fölgemes thes wdresA
als die in Otfrids spräche begründete betonung ist also -emes,
'ömes, -imis anzusehen, und dem entsprechend ist wol auch
1, 6, 15 nu singemes alle zu betonen, einmal verschwinden beide
Silben in der Senkung: 2, 3, 63 hi thiu Hernes, io gigähon (vgl.
Hügel s. 33), aber 4, 37, 29 ist wol süntar fdhemes tharazüa zu
lesen (Hügel s. 29). man könnte zweifeln, ob die verba der
2 und 3 schwachen conjugation in diesen formen noch langes
ö und 4 bewahrt haben; doch folgt die kürze der vocale jedes-
falls daraus nicht, dass im versausgang diese formen nicht vor-
kommen, zahlreich sind sie Überhaupt nicht, und ihrem gebrauch
im versende widerstreitet die syntactische bedeutung (imperative).
Auch die praeterita der zweiten und dritten
schwachen conjugation erhalten in der regel den zweiten
ictus auf der letzten silbe. die länge des 6 und i ist durch den
häufigen gebrauch dieser formen im versende aufser zweifei ge-
setzt: dhtdtd 4, 8, 17. dtUota 3, 14, 37. beitota 1, 4, 14. fdn-
dota 1, 11, 43. gieiscota 4, 3, 20. mdchota 4, 6, 16. mitmota
3, 23, 18. ränota 1, 26, 3. scövoota 4, 32, 1. thionota 1, 22, 58.
4, 2, 9. tßimota 3, 20, 169. wüota 1, 10, 4. ziigota 1, 14, 5.
arabeitotun 5, 13, 5. giiinotun 4, 18, 2. 5, 8, 6. gientotun 1, 22, 7.
giscöuDotun 1, 15, 7. giwerkotun 3, 13, 38. gizeinotun 4, 36, 17.
merotun 4, 7, 75. minnotun 5, 20, 50. scöwotun 4, 35, 23.
thingotun 5, 23, 237. bidrdhtoti 2, 4, 97. biscömti 4, 18, 2.
firoti 3, 15, 5. ginddoti 4, 2, 2. 26. 5, 1, 6. giscöwoti 1, 4, 13.
irscömti 5, 23, 24. minnoti 3, 24, 71. H 148. pinoti2j 12, 76.
scövooti 5, 6, 54. spintoti 3, 14, 12. süntoti 3, 5, 3. steinoti
3, 17, 31. thionoti 1, 13, 12. 5, 20, 90. zeigoti 1, 17, 14.
minnotin 4, 1, 14. 5, 25. steinotin 3, 22, 34.
fdreta 3, 14, 45. fdsteta 1, 16, 11. irdUeia 1, 16, 14.
irbUicheta 1, 4, 25. suigeta 4, 23, 33. frdgetun 5, 7, 18. föl-
« eremes 1, 22, 59?
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Ober otfrids vers- und wortbetondng 107
gUun 1, 22, 15. lüageiun 5, 18, 1. firliugiuti 4, 13, 48. föl-
geti 3, 11, 22. 26, 42. frdgtti 5» 15, 12. gierHi 4, 4, 25. gi-
harten 4, 13, 22. giwärteti 3, 5, 4. trbdrmeti 4, 2, 28. 6, 11.
irfrdgeii 4, 12, 30. thärbeti 3, 20, 100. 166. iretm 3, 16, 31.
riiDetm 4, 30, 36. alle diese formen tragen drei versictus.
Im inneren verse wird häufig der auslautende vocal elidiert:
4,32, 11 btsirgeia er thia muater; 1, 19,2. H79. 2, 4,3. 1,10, 28.
3, 7, 21. 10, 2. 4, 18, 1. 12, 35. 21, 3. 26. 5, 7, 47. 4, 19, 5.
3. 12, 28. 2, 2, 28. 4, 31, 1. 5, 7, 7. 12. 1, 26, 4. 4, 84. 15, 4.
17,43. 4, 16, 44. 19, 6. 1, 10, 28. 3, 14, 69. 2, 4, 25. 3, 20,
157. 12, 27. 5, 11, 35. 4, 35, 3. 3, 6, 38. 5, 11, 48. 2, 12, 71.
5,7,2. 1, 16, 10. 3, 24, 8. 2, 3, 19. 3, 19, 21. 4, 32, 10. 2, 2, 26.
3, 10, 28. 4, 29, 50. 4, 26. 3, 24, 75. ttberaU trägt das verbum
nur einen ictus; ausgenommen ist nur L 19 thaz biwdnkota
er sdrA
Wenn im inneren verse die dreisilbigen formen gebraucht
werden, lässt Otfrid meistens eine Senkung folgen :
3, 14, 44 6t hiu 9i irbdldota so frdm
4, 12, 54 mdchota zi nöti
4, 11, 5 krist minnota thie sine
5, 13, 28 want er nan minnota so fram
2, 11, 19 riinota thaz götes hus
4, 11, 2 spiohota ther diufal
5, 10, 29 unz er thingota mit in
1, 16, 1 st thionota thar manag jar
1, 17, 51 er wdnkota thar fihi frdm
3, 10, 1 v>einota thaz ira Hb
2, 2, 21 joh wisota, tho er wöba
1, 13, 2 sie dhtotun thaz imbot
1, 27, 3 sie dhtotun thia giaxti
3, 24, 71 tho dhtotun thie liuti
3, 24, 75 sie dhtotun thaz sinaz ser
3, 20, 64 dhtotun iz reinor
1, 17, 12 sie iiscotun thes kindes
3,20,119 iiscotun thero dato
3, 22, 2 firotun thie liuti
* ich bemerke aasdracklich dan ich unter eliaion alle fille anfflbre,
wo ans- and anlautender vocal ansammeastofaeD, ohne die f^age entscheiden
a wollen, wie wttt 0. den hiatas snliefs.
8*
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108 ÜBER OTFRIDS VERS- UND WORTBETONUNG
4, 12, 16 joh firspotun zi nöti
1, 9, 5 tko güscotun thie mdga
4, 9, 28 thaz githianotun se thar
4, 9, 29 irthionotun se hdrto
bj 22, 4 Mar githknetun sie thdz
2, 12, 87 nah ni minnotun so fram
2, 12, 6 sie thingotnn bi herton
3, 24, 55 saman, wänotun thaz ser
4, 26, 7 sie minotun tho UUo
4, 26, 27 foeinotun se longo
4, 12, 29 tha» er ireiskoti then man
4, 4, 38 so fölgata thardfter
1, 22, 36 inti frdgeta sie kliino
2, 12, 49 tho frdgeta ther guoto mdn
3, 14, 30 joh frdgeta bi nöti
3, 24, 60 irhdrmeta ther döto
3, 4, 36 intereta then diuren dag
2, 9, 46 er suörgata thero toörto
4, 21, 2 er suörgeta thero thingo
3,14,106 fdretun thes ferahes
1, 27, 36 frdgetun nan hdrto
3, 4, 39 frdgetun se thuruh not
3, 17, 11 frdgetun zi wdre
3, 17, 37 si frdgetun tho heizo
3, 20, 3 frdgetun tho thdnana
3, 20, 42 joh frdgetun thero ddto
3, 20, 57 tho frdgetun thie firiston
4, 6, 30 frdgetun thes sindes
4, 6, 31 joh frdgetun zi wdre
4, 19, 74 joh frdgetun ginüagi
4, 26, 4 thie fölgetun imo dUe
H 86 in fölgetun sie in wdru
5, 6, 71 gi fölgetun so spdto
2, 9, 83 hdftetun thie drmon
4, 30, 2 interetun nan herton
5, 6, 8 irlüegetun bi nöti
5, 17, 37 kdpfetun sie Idngo
1, 17» 56 sin wdrtetun gilichon
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Ober otfrids vers- und wortbetonüng 109
2j 6, 5 tha% er mo Mrgeti thiu baz
5, 6, 24 irluegeti ihia fruma thar
Aj 7, 57 er wdcheti bi nöti
4, 7, 69 tha% si sih wdmetin thiu mir
3, 26, 17 joh thdrbetin the$ sindes.
io allen diesen versen fällt der nebenictus auf die letzte silbe;
aber nur einmal lüsst der dichter diese betonung im versende
zq: 1, I9 9 thaz ihm thio buah nirsmdhetinJ
Verhaltnismäfsig selten ist die betonung der zweiten silbe:
3, 2, 29 thia zü er eiscota tho
3, 9, 1 ther liut tho geiscota thaz
4, 12» 1 80 er in gizeigota thdr
2, 4, 32 sie priianiota thdre
5, 7, 6 si stmnt thoh wiinota thar
3, 4, 9 thie selbun bditotun thdr
bf 20, 51 thie hiar githionotun thaz
4, 6, 37 wio ee mintwiun thdr
5, 5, 3 thie inan minnotun meist
2} 69 46 got ginddoti ein
3, 24, 76 er ni wdmoti, ks
4, 9, 12 ther man bisuorgeta thaz
5, 20, 77 ir biriwetut thaz
2, 7, 40 thaz er mo fölgeti sar
2, 24, 13 thaz sie irwdchetin frua.
ferner geboren hierher wol die verse:
L 19 thaz biwdnkota er sdr
3, 16, 18 wanta er ni lemeta sie er,
in denen man schwerlich unter annähme eines hiatus die dritte
silbe betonen darf; dagegen gilt diese . betonung für 3, 12, 3
eiscota sie in thrdti.
Zuweilen stehen auch beide Silben, ohne dass die letzte eli-
diert wird, in der Senkung; auffallend häufig bei fragen.
4, 29, 31 giscdffota siu, söso iz zam
3, 12, 2 frdgeta sie mit minnon
2, 24, 8 folget e mo githiuto
* Hfigel 0. 9 nimmt dreisilbigen anftact nnd die betonung nirsmdhSttn
fto; Tgl. Lachm. 8.402.
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110 OBER OTFRIDS VERS- UND WORTBETONÜNG
1, 27, 43 bi tkiu fragetun sie dvur mera (vgl. Hügel
4, 7, 6 frdgetun sie nan simtar [s. 33)
5, 17, 2 tho frdgetun nan gimeino
1, 7, 22 fragetun sie dvur thuruh not
1, 20, 13 sie zalatun sin io ubar dag
5, 20, 78 tDisetut min (mh in thiu.
viermal ist in diesem fall das verbum unaccentuiert geblieben,
die frage, ob schwebende betonung eintrat, lasse ich unerOrtert.
Aus dem bedeutenden übergewicht der form -^ - ^ konnte
man schliefsen dass in diesen verbalformen die spräche dazu
neigte, einen nd)enton auf die letzte silbe zu legen; aber dem
widerspricht der gebrauch im versausgang, in dem die dritte
silbe nicht den ictus empfangt, ohne dass ihn auch die zweite
hat. es bleibt nur die annähme, dass das tongewicht der beiden
Silben in der spräche, mag es auch nicht gleich gewesen sein,
jedesfalls so wenig verschieden war, dass es auf die versbetonung
einen entscheidenden einflnss nicht ausübte, wenn nun die länge
der Stammsilbe auf die betonung keinen merklichen einfluss hatte,
so muss man dasselbe für die entsprechenden formen mit kurzer
Stammsilbe voraussetzen ; und wenn sich hier immer nur die be-
tonung vL !^ ^ findet, so muss das einen anderen als den von
Lachmann vorausgesetzten grund haben, der dichter mied die
betonung ^ ^ ^s: nicht deshalb, weil in einem worte wie zilotun
die zweite silbe zu wenig betont war, sondern weil die erste zu
kurz war, um einen ganzen metrischen tact zu füllen (vgl. Hügel
s. 7. Trautmann s. 15). die quantiutt der silben würkt also in
diesem falle nicht erst auf die sprachbetonung und durch ihre
vermittelung auf die versbetonung, sondern sie würkt unmittelbar
auf diese. Wörter mit langer Stammsilbe können auf der zweiten
silbe einen zweiten ictus tragen, weil die lange Stammsilbe ge-
nügt, einen metrischen tact zu füllen; wOrter mit kurzer Stamm-
silbe nicht, weil die kurze silbe hinter dem minimalmab eines
metrischen tactes zurückbleibt, aus demselben gründe mnste die
betonung -^ ^ >i. im versausgang gemieden werden.^
Aber, fragt es sich weiter, warum meidet 0. im reim wOrter
von der form - v^ ^ überhaupt, und warum betont er Wörter
der form ^ stets auf allen drei silben; also warum finden
^ die ausnahmen verzeichnet Hflgel s. 39.
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ÜBER OTFRIDS VERS- UND WORTBETONÖW« 111
sich nicht die betonungen -c ^ ^ und -^ - ^? da im inneren
des Yerses solche wOrter und betonungen oft genug angewandt
werden, und da ferner dieselben metrischen Agaren auch im aus-
gang erlaubt sind, wenn sie nur auf verschiedene Wörter yerteilt
sind, so muss der grund in der silbenzahl und in der Stellung
am versende liegen, je länger ein wort ist, je grdfser also die
zahl der silben ist, welche die Stammsilbe durch ihren ton be-
herschen muss, um so starker wird sie natürlich hervorgehoben,
am meisten am ende eines verses, dessen Vortragsweise ein volles
aasklingen der silben verlangt und auf die letzte silbe immer noch
einen ictus legt, die kraftig hervorgehobene Stammsilbe erhalt
deshalb in diesen vielsilbigen wOrtßrn, wenn sie im ausgang des
ferses stehen, immer einen ganzen tact für sich;^ dadurch fällt
ein zweiter ictus von selbst auf die zweite silbe und die formen
-^ v^ ^ und 1 ^ ^ bleiben ausgeschlossen.
Wenn nun auch die art, wie 0. die besprochenen verbal-
formen behandelt, keinen schluss aaf einen sprachlichen neben-
ton gestattet, so darf man doch daraus nicht ohne weiteres ein
recht herleiten, die versbetonung, soweit sie minder betonte silben
betrifft, als von der spräche unabhängig anzusehen, es ist be-
kannt dass der zweite bestandteil zusammengesetzter Wörter, und
ableitungssilben, die an minder betonte silben treten, regelmäfsig
aach den versaccent erhalten; nur unter silben von gleicher oder
annähernd gleicher unbetontheit kann der versictus eine über die
andere erheben; wenn der sprachliche nebenton kräftig hervor-
tritt, so richtet sich auch die versbetonung nach ihm. und
danun kann auch die versbetonung ein mittel abgeben, den
nebenton zu bestimmen, wir beschränken uns hier auf die be-
faandlung der oben bezeichneten Wörter, in denen auf eine lange
Stammsilbe zwei silben der flexion oder eine ableitungs- und eine
flexionssilbe folgen, auch wOrter wie unreinemo 2, 19, 6. atU-
fristota 5, 9, 51, in denen der Stammsilbe eine hochbetonte silbe
vorangeht, bleiben ausgeschlossen.
1. die erste der beiden minder betonten silben ist kurz.
Die zweisilbigen flexionen der adjectiva haben
einen zweiten ictus fast immer auf der ersten silbe; zunächst -emo:
^ eioe andere erklärung yersucht Traotmann s. 16f. vsl. Behagbel
Genn. 23, 370.
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112 ÜBER OTFRIDS VERS- UND WORTBETONÜNG
3» 15, 46 zt (Utemo wiwm
5, 25, 68 mit drgemo wiUen
2, 9, 24 fehemo muate
L 36 80 man guatemo seal
2, 17, 14 in höhemo ndUe
5, 4, 14 Uohemo manne
4, 37, 20 lindemo miiote
3,20,141 in rihtemo müate
3, 23, 46 80 ofto sioehemo diai
5, 20, 56 in zesuemo ringe
1, 22, 42 fiit^ gidröstemo einne
1, 1, 66 tn guatemo Idnte
1, 2, 11 uns zi rihtemo Übe
4, 37, 14 mit rihtemo Übe
4, 37, 22 zi dttemo guate. 5, 23, 182
S 43 blidemo muate
L 61 io hülemo muate
4, 37, 37 mit heilemo muate
3, 26, 25 ouh hülemo mniate
3, 3, 27 richemo manne
1, 4, 44 zi wisemo manne
H 80 zi dhtremo kinde
5, 25, 80 zi missemo muate
2, 2, 35 80 in kinde züzemo ecal.
selten erhalt die dritte silbe den ictus:
4, 23, 5 wir rötemo gifange
5, 20, 98 mit »iremo githuinge.
Öfter tritt elision ein:
1, 5, 68 zi foUemo intwurte
4, 20, 24 zi grozemo ürheize
3, 21, 34 indanemo ännuzze
2, 19, 22 allemo irdriche
2, 24, 16 zi allemo dnaguate
3, 7, 43 uns zi allemo dnaguate. 4, 29, 5. 5, 3, 6
3,24,109 dOemo io zi nöte
4, 19, 8 tn mittemo iro ringe
5, 20, 98 joh tudremo dnaginge
2, 14, 74 zi diafemo dntwurte
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OBER OTFRIDS VERS- UND WORTBETONUNG 113
3, 26, 23 in tuaremo äilente
5, 13, 18 zi thirremo üzktUe.
nur eininal treten beide Silben in die Senkung: 2, 5, 8 zi suaremo
ridnduame.
Wenn man dies resultat mit dem bei den Terbalformen ge-
woDoenen vergleicht, so mochte man annehmen dass hier der
sprachliche nebenton die versbetonung leitet, beim verbum die
Deigung die dritte silbe zu betonen, hier noch entschiedener die
betonnng der zweiten silbe; und dem entsprechend auch die
sprachenlwickelung: aus thahkota wird dankte, aus heilemo hin-
gegen heilem, aber man würde sich doch wol teuschen, wenn man
im versgebrauch ein Symptom dieses Terhältnisses sehen wollte,
die syniactische Verwendung von adjectiv und verbum führt ganz
natürlich zu diesem unterschied in der versbetonung. auf das
verbum folgt sehr oft eine unbetonte silbe, ein angelehntes pro-
nomen, der artikel des subjects oder objects, die präposition einer
adverbialen bestiromung; ihnen gegenüber ist die letzte silbe des
verbums wol im stände den ictus zu empfangen, das adjectivum
hingegen steht gewöhnlich unmittelbar vor dem substantivum, das
ja meistens mit einer hochbetonten silbe anfängt, und dieser gegen-
ober verschwindet die letzte silbe des adjectivs in der Senkung,
wer die angeführten beispiele übersieht, wird nicht zweifeln dass
dies der grund der verschiedenen läge des zweiten ictus ist. also
die versbetonung beweist nicht dass in der spräche die zweite
silbe starker betont war als die dritte.
Dieselbe erscheinung gewähren die adjectivendungen -era,
-eru, -ero, und es ist unnötig, die einzelnen verse auszuschreiben,
die letzte silbe wird elidiert, und das wort hat nur einen ictus auf
der Stammsilbe: im gen. sg. 2, 4, 36. 3, 23, 6. 24, 16; im dat.
sg. 3, 2, 8. 18, 25. 2, 1, 7. 24, 25 ; im gen. pl. 2, 1 1, 20. H 122. —
der zweite ictus liegt auf der zweiten silbe: im gen. sg. 1, 20, 24.
3, 17, 6. L 14; im dat. sg. 5, 20, 44. 1, 12, 14. 4, 37, 9. 4, 4, 23.
t, 3, 40. 5, 31. 1, 36. 23, 26. im gen. pl. 3, 14, 72. 4, 2, 33.
2, 23, 1 (=-= 2, 21, 17). 1, 5, 16. 5, 12, 91. 25, 84. 1, 5, 12. 27,
36. 4, 29, 33. 3, 17, 4. 20, 162. 1, 5, 11. 4, 7, 23. — der zweite
ictus liegt auf der dritten silbe:
im dat. sg. 1, 5, 34 mit suazera giwurti^= 2,7, 57
2, 12, 40 mit scöneru giwirti
im gen. pl. 3, 14, 71 blintero ginüagi
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114 ÜBER OTFRIDS VERS- UND WORTBETONüNG
72 jo krümbero gisdmmi
L 13 tg>isero githdnko
L 17 dünero githdnko.
beide silben stehen in der Senkung 2, 15, 9 siechero mmno menigi
und 2, 15, 58 joh dUero ihero w&rto, wenn man nidit lieber ein-
silbiges thero annehmen will (ygl. Hügel s. 29). — nur im ersten
buch hat der dichter unregelmürsig solche fonnen ans versende
gesetzt: 1, 7, 10 in mir drmeru. 1, 4, 9 kindo zHzero.
Ober die entsprechenden formen von ein, nihein, sdb ist
nichts zu bemerken ; bedero steht einmal unregelmafsig am vers-
ende: H 50 giniazm bedero; ein ander mal hat es den natürlichen
nebenictus auf der zweiten silbe : 2, 22, 2 ir bidero Witten.
Eigentümliche erscheinungen gewähren die pron. poss.^ un-
yerhältnismäfsig oft stehen beide endsilben in der Senkung:
3, 1, 23 zi thinemo disge ovh sizze
4, 6, 18 sinemo lieben manne
5, 17, 14 zi sinemo fdter, thanana er quam
3, 22, 40 mit itwmo steinonne
4, 17, 10 sinero fianto
3, 10, 30 thinera müadun thiuwi
5,23,248 thera sinera selbun heili
3, 20, 23 mit sineru speicheln sar
4, 13, 1 zi sineru sprdchu druhtin fiang
5, 3, 2 minera sila klibe
5, 25, 30 minera diimpheiti
3, 22, 30 thera sinera gifti frümono
4, 31, 31 minero missodato.
überall nehmen die pronomina den ersten tact des verses ein,
der, wie auch sonst zu beobachten ist, eine grOfsere fülle vertrug;
je näher dem reim um so voller klangen im vertrag die silben
aus. dass nun aber gerade die pronomina so häufig der silben-
verschleifung unterliegen, ist jedesfalls die folge ihres geringeren
tongewichts ^, welches der rede gestattete, schneller über sie hin-
wegzugehen, die handschriftliche accentuation bestätigt diese an-
nähme, nur in zweien der angeführten beispiele trägt das pro-
nomen einen accent, 4, 6, 18 und 5, 23, 248, aber an der ersten
* sinemo 2, 2, 39? sineru 3, 11, 8?
' andere Hagel s. 30 f.
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OBER OTFRIDS VERS- UND WORTBETONÜNG 115
steile ist «r id Y ausgekratzt, an der anderen liest P thera sinera
sähm heäiA
Auch das TerhSltnis zwischen der betonung der zweiten und
dritten silbe ist hier anders als beim adjectiv. die zweite silbe
trlgt den accent:
1, 9, 21 tn thinemo kunne
5, 23, 22 th sinemo sänge
3, 13, 42 tn sinemo riche
4, 37, 16 mit sinemo tbihe
1, 19, 11 thero minero wMo
5, 15, 37 thero minero worto
1, 4, 70 thero thinero wirto
1, 2, 8 thero sinero worto. 4, 12, 22
2, 2, 4 joh sinero w&rto
2, 9, 57 joh sinero wörto
4, 1, 40 thinera krefti
4, 29, 45 thera sinera licht
1, 23, 49 thera iuwera sldhta
1, 23, 50 theru iuioeru güati
1, 7, 13 sineru hinti
3, 16, 7 joh sinero kunsH
1, 23, 50 theru iuioeru güati
1, 11, 5 «t miineru hemi. 1, 11, 18
1, 5, 44 mit thineru säu
5, 25, 77 theru minera nidiri
1, 4, 74 mit sineru hinti
1, 17, 58 mit sineru firti
1, 17, 60 mit sineru muater
2, 11, 2 tn sineru jüngi
4, 4, 22 »t sineru heri
5, 25, 27 sinera mdhti
3, 17, 68 joh sinero dato
4, 1, 29 sinero ddto
* auch wenn die letzte silbe elidiert wird, erhüi das prenmnen regel-
niUg keinen acceAt: 6, 15, 44. 1, 11, 11. 23, 40. 2, 9, 38. 6, 2, 4. 4, 5, 22.
1, 22, 88. 5, 25, 32. 3, 14, 114. 4, 37, 41. 3, 21, 32. 4, 23, 12; 3, 26, 56
mit iinemo mnm falle (aber P mit sinemo Sinen falle). 3, 26, 55 W si-
nemo einen guate (aber P H sinemo änen guate), auch beim adjectiviiin
febh der accent in diesem falle oft; aber nicht immer.
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116 ÜBER OTFRIDS VERS- UND WORTBETONÜNG
5, 23, 29 in thinera munti. 5, 23, 59. 131. 173. 185. 195.
207.221.233.243.285
5,23,257 inthlnerumuntu 5, 23, 271. 297
die dritte silbe:
1, 4, 82 zi sinemo gißare
1, 2, 26 thera thinera giseefti
1, 2, 47 theru thinera giscefti
4, 5, 21 thera einera gindda
5, 25, 1 joh sinera gindda
1, 4, 32 ist »ineru giburti
4, 7, 88 in mineru gisihti
2, 24, 44 in thineru gisihti. 4, 1, 54
1, 2, 44 in thineru girihti
1, 23, 44 in sineru gisihti. 3, 26, 58. 5, 18, 15
1, 4, 60 thie in sineru gisihti
1, 10, 17 fora sineru gisihti
1, 2, 46 bi thineru ginadu
4, 5, 65 zi sineru ginadu
1, 2, 35 mit thineru giwelti
2, 4, 85 zi thineru gtwelti
1, 16, 28 zi sineru giwelti
2, 13, 30 zi sineru giweüi
5, 25, 20 mit sinera grwelti
4, 5, 63 er sineru gibürti
3, 21, 20 mit sineru gibürti.
wahrend beim adjectiTum die zweite silbe 25 mal, die dritte 7 mal
den zweiten ictus trägt, tragt ihn beim pronomen die zweite 44nial)
die dritte 24 mal; und der unterschied in diesen Verhältnissen er-
scheint noch bedeutender, wenn man in anschlag bringt dass von
den 44 fällen 14 auf denselben refrainartig gebrauchten yers in
thinera (thineru) munti fallen, zufall möchte ich darin nicht
sehen; vielmehr glaube ich dass auch hierin das geringere ton-
gewicht der pronomina sich äufsert. wir hatten vorhin ange-
nommen dass 0. betonungen wie thdhkotd, blindemö nicht deshalb
im versausgang meidet, weil die zweite silbe einen zu starken
sprachlichen nebenton tragt, um in die Senkung gedruckt za
werden, sondern weil die Stammsilben dieser langen Wörter, wenn
sie im versausgang stehen, eine solche tonfülle erhalten, dass sie
den ganzen tact für sich verlangen, sodass von selbst ein neuer
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OBER OTFRIDS VERS- UND WORTBETONDNG 117
ictus auf die folgende 8ilbe fällt, umgekehrt ist es ganz natür-
lich dass wOrter, die eine weniger bedeutende stelle im satze
eionehmen, eine so nathdrflckliche betonung der Stammsilbe
weniger verlangen, und daher den zweiten ictus öfter auf die
driUe silbe fallen lassen. — was die handschriftliche accentuation
dieser zweimal betonten worte betrifft, so empfangen sie ebenso
regelmäfsig den accent, wie ihn die formen, deren beide unbe-
tonte Silben in der Senkung stehen, entbehren, unter den an-
gefahrten Versen sind nur zwei ausnahmen, 2, 2, 4 und 3, 16, 7,
beide stellen aber sind in P berichtigt: joh Hnero worto. joh
tmeru facnsTt.
In der declination der substantiva und schwa-
chen adjectiva haben wir nur die eine zweisilbige endung
-ifnQj die syntactische Stellung der substantiva begünstigt nicht
in gleichem mafse wie die der adjectiva, dass eine hochbetonte
Silbe ihnen folgt; dem gemafs haben sie zwar gewöhnlich, aber
nicht so oberwiegend wie jene den accent auf der zweiten silbe.
auf die zweite silbe fällt der ictus:
5, 19, 57 thar nüt tniotono mht
4, 3, 21 pdbnono gertun
2, 24, 22 fon süntono s&hti
3, 5, 2 fon süntono suhtt
5,23,110 m iüntono 9&nftin
4, 1, 53 joh midan süntino $ir
L 78 bimide ouh xäiono fdl
3,24,100 fon hiüono tkiote
1, 5, 5 stitrrono strdza
3, 20, 24 in thero öugono siat
2, 22, 16 80 ein thero blitomono thar
3, 7, 50 thero brösmono kleini
und einmal im schw. adj. 1, 13, 22 thero wdrofio worto, diesen
13 fällen stehen 8 gegenüber, in denen der ictus auf die dritte
Silbe fiült:
2, 24, 22 mit ginddono ginühti
4, 15, 52 thero mtnnono ni whike
4, 5, 43 iro säono gifdng
3, 15, 8 mit spisono ginuhtin
4, 5, 11 joh ȟntono bilddane
^ aber die quantitat s. Zs. 16, 114.
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118 ÜBER OTFRIDS VERS- UND WORTBETONUNG
1, 17, 10 sterrmo girusti
3, 10, 38 thera brö^mono sih fülleiU
1, 14, 24 zua dttbono gimdckon
1, 27, 50 th$ro undotio ni iraUhu.
elision tritt nur 4, 31, 30 eio, silbeoverschleifung in der
Senkung nie.
Die fleclierten participia praet werden wie die
adjectiva bebandelt; sie haben den zweiten ictus auf der zweiten
Silbe: 1, 15, 22 gispröchanu. 1, 1, 92 gi^ceidmer. 4, 29, 16 ji-
hdftim. 5, 25, 86 bithikitaz. 3, 26, 36 züprütüe. 5, 11,23
giwurUoter. 4, 36, 19 giwdfnüen. einmal auf der dritten : 4, 20, 5
biwöüane ni wurtin. participia der 2 und 3 sw. cj. können natür-
lich auch im versende stehen: 4, 28, 7 gibösdtis. 4, 5, 52 giiräe;
aber unregelmäfsig im ersten buch 1, 4, 57 das adv. trbUgonß
1, 4, 57.
Im anschluss an die part. praet. behandeln wir die andereo
Wörter, in denen auf eine kurze ableitungssilbe eine flexioos-
silbe folgt.
-an, -on, -en, -in. substantiva mit ictus auf der zweiten
Silbe: m&rganes 5, 13, 7. uxifanes 5, 23, 65. wdfanon 1, 20, 3.
4, 16, 16. wdfane 1, 1, 64. Organa 5, 23, 197. u>ötkonon 4, 19,
54. 7, 40. Idkonan 1, 11, 35. zeichomn 3, 25, 8. iOenes L 68.
4, 13, 30. auf der dritten silbe: Idchanes 4, 33, 36. Iddumon
3, 24, 102. wdfanon 1, 1, 82. zHchonon 3, 15, 20. 20, 185.
(verbäUnis 12 : 5.) elision: wdfanu 2, 11,48. 3, 25, 17. zeichono
2, 11, 32. 5, 16, 35. einmal im ersten buch unregeknfifsig am
Tersende: wölkono 1, 5, 6.
Adjectiva mit ictus auf der zweiten silbe: öfanaz 3, 22, 13.
4, 33, 40. eiganes 1, 21, 26. offenen 3, 21, 33. Hgena 4, 34, 25.
eigenen 3, 26, 18. eiginan 4, 33, 24. heühiner 2, 19, 26. heidinan
5, 6, 14. heidinen 4, 20, 4. kristinaz 1, 12, 31. auf der dritten
silbe : Ügene 5, 4, 40. eiginen 4, 5, 37. eiginaz 3, 26, 52. het-
dene 5, 6, 26. niwanes? 3, 20, 76. 5, 9, 19.
Das adverbium öfono hat den ictus auf der zweiten silbe:
3, 15, 35. 20, 144. 5, 8, 26; einmal auf der dritten: 3, 8,6.
elision findet statt: 2, 20, 12. 3, 25, 39. 4, 7, 89. einmal stehen
beide endsilben in der Senkung: 3, 16, 51 er epriehü öfono kiar
nu zi in.
Verbalformen haben den accent auf der dritten: irhüamei^
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Ober otfrids vers- und wortbetonung 119
(inf.) 2,8, 49. öffonot 2, 14, 19. wizinot 5, 21, 7; auf der
zweiten: eigine 3, 16, 18. öfonan 3, 15, 23. gibürdinot 1, 5, 61
(?Lachm. s. 405). elision erfilhrt festino S 36. 2, 24, 34.
-al, ~il, -ol, -el, 'ulA substantiva mit ictus auf der
zweiteo siibe: tcehsaks 5, 19, 57. wehseks 3, 13, 35. ingües
1 13, 2. ingäon 1, 2, 45. 2, 24, 43. engila 2, 4, 99. 5, 8, 11.
7,13. ingüo 1,3,32. 12,21. 15,39. 2,3,14. 4,68. 4,35,15.
5,20, 19. 23, 179. 293. slüxila 3, 12, 37. fäkolon 4, 16, 16.
dkfek 3, 14, 63.^ speichdu 3, 20, 23. dphules 2, 6, 23. auf der
driuen Silbe: ingäm 1, 17, 73. 2, 1, 26. 5, 25, 96. 104. engila
2,4, 57. 5, 8, 1. auch wol 1, 12, 33. engilo 1, 12,32. 2, 1, 1.
4, 17, 16. 5, 20, 6. gtxingito 1, 2, 33. lüzili 2, 7, 48. lüzilin
5, 14, 5. dhifeks 1, 10, 22. 3, 12, 36. 4, 12, 42. toirzdun 1, 23, 51.
shnboUm L 73. 81. H 163. 4, 29, 56. verhältDis 21 : 21 (22). dass
einige spärlich belegte Wörter nur mit dem ictus auf der zweiten
oder nur mit einem solchen auf der dritten vorkommen, beweist
nichts; nur für das adverbiale rimbolon, das viermal auf der letzten
gilbe betont ist, und nie anders mochten wir in der versbetonung
ein zeichen für den geringeren tonwert des vocals in der zweiten
Silbe sehen.3 — elision des auslautenden vocals : wehsdu 4,22,4.
oi^b 1, 12, 30. 13, 14. 23. 2, 4, 64. 7, 72. 4, 7, 41. engik 4,
4, 51. beide unbetonte silben in der Senkung so tku engihn
dvitf nu thdre 2, 21, 32. thie engila gudmun thuruh thdz 2, 4, 1 02.
unregelmäfsig im versausgang: ttmrzelun 1, 3, 27.
Adjectiva mit ictus auf der zweiten silbe: itälaz 3, 25, 16.
itakn 4, 19, 44. itala 5, 4, 30. mihiles 2, 22, 19. 39. müiilan
S 10. 4, 24, 30. 35, 37. 5, 4, 20. H 89. 3, 15, 1. 4, 8, 23. mi-
hüen 4, 11, 52. 5, 23, 74. 5, 6, 48. 17, 11. 25, 60. nUhihn 3,
10, 7. mihilun 1, 8, 16. 2, 4, 38. mihilu (mihilu P) 3, 19, 10.
mihila 1, 15, 48. 20, 4. 3, 11, 17. 5, 11, 2. 7, 53. 12, 99. 4, 4,
17. 5, 41. mihOo 5, 7, 3. 4. liizila 4, 13, 4. mütilo 5, 1, 21.
iargilo (adv.) 4, 24, 16. auf der dritten silbe: mihilaz 5, 12, 5.
nihüa 4, 3, 8. lüzilo 5, 19, 40. elision: mihila 1, 22, 18. 4,
12, 32. 3, 8, 26. mihilo 1, 3, 34. 17, 40. 18, 37. 5, 7, 5. ein-
mal im ersten buch unregelmäfsig am versende: Uale 1, 7, 18.
* nuhiUm 5, 20, 97 ? engilon 1, 18, 7 ?
^ Lachmaon tu Iwein 651 : thle mit diufele wünnün. höchstens kannte
■an düifde aoBehinen.
* SteTen Beltiige 5, 92. 93.
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120 ÜBER OTFRIDS VERS- UND WORTBETONUNG
Die verba tragen den zweiten ictus gewöhnlich auf der dritten
Silbe: ssuivolot 3, 23, 37. zuivolo 1, 5, 28. 4, 29, 53. mdngob
H 6. murmulo 5, 20, 35. auf der zweiten silbe: giffiängoh 4,
11, 36. einmal stehen beide silben in der Senkung: 3, 2, 33 m
zuivoh müat thinaz; daher fehlt in V der accent, P setzt ihn.
ar, er, or, ir, ur. wir betrachten zunächst das proa.
ander, dann die comparative und die subst. A er ero, ;ifn-
goro. — ander- bat den nebenictus auf der zweiten silbe:
anderer 5, 15, 42. H 39. dnderaz 1, 19, 4. 2, 6, 26. 5, 4, 52.
H 84. dndaraz % 22, 30. anderen 4, 6, 14. dndara 1, 18, 33.
17, 17. auf der dritten silbe: dnderan 2, 4, 97. 4, 4, 21« dnderen
4, 37, 4. 5, 19, 37. 5, 12, 79. andere 3, 7, 40. 5, 20, 29. 25, 82.
H 23. 5, 13, 27. 4, 8, 16. Verhältnis 10 : 11. elision: ändere
2, 3, 21. 3, 4, 26. 7, 38. 4, 21, 8. 5, 20, 52. 57. andere 5, 25, 88.
beide unbetonte silben in der Senkung: ther anderan röubot thanne
(dnderan roubot P) 5, 21, 10. then dnderen aUen üngilih 3, 23, 4.
io dnderen sinen ddtin 5, 12, 42. thie dndere zuene situ 4, 7, 79.
ändere thaz in zdüun 3, 15, 43; immer im ersten tact. das wort
wird also wesentlich anders, ahnlich wie die pron. puss. behandelt,
die neigung, die Stammsilbe nicht den ganzen tact füllen zu lasseo,
die endsilben in die Senkung hinabzudrücken, kann aber nicht
ihren grund in der syntactischen Unterordnung des Wortes haben;
denn sonst würde es ebenso wie die pron. poss. in dem fall,
dass es nur einen ictus trägt, den accent entbehren, den hier
beide hss. nur einmal (5, 25, 85) fehlen lassen, der grupd liegt
vielmehr hier wie bei stmbolon in dem geringen tonwert des
secundären vocals der zweiten silbe (Sievers Beiträge 5, 94);
daher schreibt 0. auch einige mal dndremo 2, 5, 11. 4, 11, 50.
12, 13. 29, 41. 5, 10, 23, neben gewöhnlichem dndaremo (vgl.
Hügel s. 31).
Der comj>arativ hat den ictus auf der zweiten silbe : äftera
4, 4, 56. 5, 62. äfteren 1, 22, 14. drgereti 4, 2, 21. beziro
2, 6, 47. bezira 5, 25, 45. bezzirun H 52. 1 19. 123. heziron
2, 9, 88. ereren 5, 11, 45. irerun 3, 23, 30. 5, 6, 70. kündera
1, 2, 24. liabara 2, 22, 20. lihtera 2, 9, 30. rehteren 3, 26, 11.
giwissara 2, 3, 41. suazeren 2, 9, 28. auf der dritten silbe:
beziron 1, 23, 50. irerun 5, 23, 143. füiirun 2, 7, 70. min-
niron 2, 22, 23. einmal stehen beide silben in der Senkung:
then beziron aüen in war 5, 25, 87 ; und ebenso mttste man nach
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OBER OTPRIDS VERS- Vm WORTBETOHIING 121
der lesart io ? aach 5, 12, 50 thira irerun tteiini leeen, aber
die briden ersten worte sind eimrigiert ans Merer« irun uod P
accentuiert thira ^renm. elision: $€6nara 2, 10, 11; ziarttra
2, 10, 11. eiamat im ersten buoh unregeimKlmg im versende
dftro 1, 22, 1. die confiarativeDdong ist also ebenso behandeU
wie die zweisilbige flexion der adjectiva; dass die erste silbe in
0.9 spräche noch irgendwo die alte Iftoge bewahrt habe (g.-dsay
IlMt sich nicht ersehen.
Das substantivurn hirero trtfgt den iotua auf depr zweite sMbe:
Urero 4, 7, 80. 11, 22. Mrerm 4, 6, 12. 13, 38. 1, 3, 50. 5,
19,47. hireron 2, 15, 18. einmal auf der dritten siibe: 4har
hereron ihie wise; einmal tritt elision ein: herero 5, 20,43. (Uter
als es sonst hei Substantiven der fatt ist, treten beide silhen in
die Senkung: hirero, zälm wir thir thä» 3, 2,. 31. lAes Mrsren
«m m wära 4, A, 8. $o hireron imanwirie 4, 17, 7. joh hireron
»fumnirien 4, 17, 13; vieUeiebt schon ein symptosn der späteren
ziKammenziehnng in hirro, — sehr anfTallend ist die betonnng
von jungoro.^ d^r klus füllt anf die zweite silbe: jim§oro (V olme
accent) 3, 20, 131. jingero 5, 6, 11. ßingoron 2, 8,66. 11, 55.
15, 18. 3, 20, 127. 4, 5, 24. 5, 11, 1. 12, 98- % 7, 5. 4, 4, 7.
3,23, 27. 42. 5,4,59. 3,24, 103. 6, 4, 3. 5, 1. H 143; im
ganzen 18 mal. anf die dritte silbe 7 mal; jüngero S27. . jün-
ioron 5, 6, 1. 3, 8, 7. 13, 1. 5, 8, 45. 10, 17. H 103. nicht
weniger als 13 mal verschwinden beide siibeo in der Senkung:
2, 8, 8 thie ßingoron, thier tho Mtoa
2« 13, 2 tAte jüngoren edbm situ
2, 14, 11 thie jüngoron iro ztiotun
3, 13, 55 fftt« ßmgoron Aar tho gdhun
4, 17, 27 thie jAngoron, thi% giidhun
5, 14, il thie jüngoron noh tho inne
2, 7, 9 then jüngoron $ar tho xiUta
2, 15,22 thm ßmgoron thoh »i hirod
4, 1, 19 then ßkngoron 8U$ io eüntar
4, 36, 9 fora jkmgoron einen hdltan
5, 7f 65 xen jimgoron ei ear iüa
5, 10, 32 then jkngoron ee girkamtin
5, 20, 3 joh jiingoron einen xHnta^
' vgl. Hflgel 8. 31.
Z. P. D. A, XXVIL N. F. XV. 9
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122 OBER OTFRIDS VfSS- UND WORTBETONDNG
immer im ersten taet die neigung, mit der swekeii «Ibe nicht
einen neuen tact beginnen zu lassen, ist unverkennbar, aber der
grund ist zweifelhaft, ein besonders geringes longewicht der
zweiten silbe, wie in htrero oder wie in andtr wüste ich nicht
2u erkU&ren; auf das häufige junpi^ im cod. C des Heliand und
auf ags. geanp^ darf man sich auch nicht berufen, denn in dieaea
dialecien werden auch andere comparative so behandelt (Sievers
Beiträge 5, 71. 83). eher möchte ich annehmen dass der nasal
ng nicht volle position bildete, die Stammsilbe also nicht das mafe
einer ganzen länge erreichte; das wort stand zwischen den beiden
formen kj ^ s^ und - v^ ^; vgl. den stamm /u^- und ga./M-
AtiM (ü?).
fwdoTQ hat den ictus auf der zweiten atlbe: fMI»ron 1, 11,
28. 3, 16, 36. fdrdamn 4, 4, 56; auf der dritten: firdorcn
U 5, 8. 14, 3. beide silben stehen in der Senkung: tkie f^iorw
iro wärun 3, 15, 12. bei der geringen anzahl von staUen konnte
das misverhältnis zufall sein; doch ist mit grolser Wahrschein-
lichkeit ansuDebmen dass wie bei ander der jüngere vocal der
zweiten silbe wenig betont war. 1, 4, 41 tku herxa f4rdTon»
fehlt der vocal ganz, wie in dfulraito, und 2« 14, 57 steht im
versschhiss unsttt äkfordorou,^
Fttr die übrigen wOrter mit r in der abieitungssilbe stellen
sich die betonungsverhältnisse folgender mafsen. suhstantiva
mit dem iclus auf der zweiten sUhe: dkare 2, 22, 14. wd%are
3, 8, 17. fingare 3, 17, 36. füigaren 5, 2, 7. östaron 3, 6, 13.
7, 5. 4, 3, 17. 34, 26. briuidorm 4, 13, 20. 5, 7, 59. bruaderon
5, 20, 94. keisore 4, 24, 10. küsem 4, 6, 30. 20, 22. 24, 6.
mustere 4, 13, 26. dpAerss 2, 9, 34. dph«re 3, 4, 6. enterin
1, 3, 7. ältere 5, 20, 40. Uttiri 2, 11, 47. 5, 8« 50. biUere$
1, 25, 27. auf der dritten silbe: wäxarw 2, 8, 35. 14, 14. 9, 5.
10, 4. wdzare 2, 8, 40. küngeres 2, 7, 13. hungere 3, 7, 90.
hüngiru 2, 22, 22. mmteree 4, 12, 32. dUere 1, 23, 60. 2, 4, 12.
3, 15, 45. öphere 2, 9, 59. ßberes 4, 29, 39. wüntoron 3, 6, 7.
das Verhältnis ist 23: 15; die betonung der zweiten silbe scheint
hier also weniger begünstigt wie bei den ableitungen mit ti (12:5).
da es aber genau dasselbe ist, wie bei der genetivendung -^mo
(13:8), wird man daraus nichts schlieben können. aufTallend
^ hier ist dUfördaron zu betonen, nicht ßrddrön, wie sonst im ersten
buch Wörter der form - v> ^ s^^rancht werden.
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Ober otreids vers- dnd wortbetondng 123
ist es immerhin dass einige wOrter immer oder fast immer die
tweite, andere die dritte betonen; aber wie sollte man aus der
spnebe erklären dasa' die formen von wäatar den zweiten idus
auf der dritten eilbe haben, während die von (hkMfer, wo das e
DaafsprQBgiieh ist, ihn auf die iweite legen? ich glaube also
nicht dass die versbelonung hier auskunft Ober den sprachlichen
Debenaceent geben kann, eher dürfte der umstand einäi schlusa
gestatten dasa, im gegenaaU zu den genetiven aof -ono und den
aUeitangen auf -n, diese worter mehrmals bdde imhetonte silben
io die aenkong fiiUen lassen:
5, 12y 8 wüfUoren managm ün^ih
2, 22, 10 « äkare sie m gängmu
4, 12t 4d ^i<M Moran tf«s giwiaiMi
2t 7, 2 j€k müsteru, ther un$ 4Hda
3, 1, 16 fcn eitere joh fan twbUofi.
darin wird man allerdings wol eine s^r der äkeren ausspräche
wmarcm, akre, oünm, mmire, eitre sehen dürfen; vgl. Sievers
Beiirtge 5, 92« — elisioD: fingart 3, 17, 42. wäctare 3, 4, 21.
wiamru 5, 1, 11. kimgere 4, 7, 12. finaitre 4, 7, 35. auffallend
ist 1, 4, 20 mU idnaeru m Mnii, siehe unten Sw 134.
Adjectiva mit dem ictns auf der zweiten silbe: lüteraz
2, 8, 42. Uttmran 2, 9, 1&. lütm-em 3, 20, 86. 2, 9, 6& fiutUnm
3, 20, 16. büteru 1, 18, 20. IMuru 1, 15» 4& auf der driUen
lilbe: wäkarm 2, 24, 35. {li^eran 2, 24, 36. — die pii»n. poss.
betonen nmner die zweite: länaera 1, 1, 125. ütmren 1, 8, 22.
<MD«rafi 8 26. wenn der letzte vooal etidiert wird, steht in den
bss. regelmtfaig kein accent: umere 2, 14, 57. nusera 8, 21, 13.
26, 66; aber 4, 19, 76 Uiuruh ikio uruer^ nMt.
Verba bdonen in der regel die dritte silbe: gif&rdarm 3, 18,
41. 42. gif^danmi 5, 19, 54. gOdgtaron 3, 17, 2ä. irxlmi^rm
4, 19,32. %knborot 4, 19, 38. öpharon 1, 4, 12; seltener die
zweiu giakmarot 5, 6, 56« fDüntorm 1, 16, 27. LweifeHiafI ist
3, 12, 34 giMimboTM ikaz min hia; aber der corrector ?on V,
der den accent Ober min anskraute, wollte wol giMknhärM thiz
«an käM betont haben, die schwäche des seeundarvocals in der
zweiten silbe in waekorot wird bewiesen durch 1, 12^ 31 biacof,
Aer iA wäekorü. beide unbetonte silben stehen in der Senkung :
2, 12, 37 ni tann^or« tku thik, frimi min. 5, 15, 10 fiuUiri $^
io %i lodru. 35 nu füaliri sedf minu (Lachm. zu Iw. 651).
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124 ÜBER OTFRIDS VERS- UND WOBTBETONiING
-tda. der auslautende focal wird- httiifig elidiert: iiUh
1, 2, 86. b, 44. 26, 4. 2, 2, 8. 7, 10. 44. 3, 9, 12. 4, 3^ 44.
häUda 3, 11, 30. WUida 3, 23, 46. Intida 5, 23, 176. hAngUk
5,23,168. Adittdu 4, 22, 29. m9itWtt4,9,14. 9drphidu3,ll,U.
fßässidu 4, 20, 40. ein zweiter ictus auf der. »weiten tilbe steht:
Unida 3, 19, 6. rimid4i 2, 12, 34. sdlidan 1, 28, 16. MnidM
4, 22, 22. etotdon 1, 12, 11 ; auf der dritten: Mida L 5. S 1.
1, 16, 18. 2, 3, 39. 10, 7. 16, 21. 34. 4, 2, 13. ,4, 45. 5, 1, 4.
23, 213. idkdon 1, 11, 28. 15, 1. 2, 4, 89. 5, 27. 10, 8. U-
nida 3, 19, 7. reinidu 4, 20, 6. reimdan 2, 16, 24. gimämia
4, 11, 32. Mrmido 5, 19, 29. bOdida 4, 20, 20. 5, 5, 9. gän-
zida 3, 2, 36. dies Verhältnis zwischen der zweiten und dritten
Silbe (5 : 24) lässt keinen zweifei dase acho« . in Os spräche die
zweite silbe dem tone der dritten untergeordnet war; aber doch
setzt er nie beide silben in die Senkung, einmal steht unregel-
mäfsig im ersten buche säÜdöH im versausgang 1, 7, 24.
-t^; hier erscheint die zweite silbe der dritten nicht unter-
geordnet, die zweite trägt den ictus: hMntei 4, 17, 3. UM-
ton 5, 8, 17. 21 ; die dritte: Mtibitim 5, 7, 16. eljsion: hMiU
5, 2, 10. — -et ist unbetont in näkote 4, 2, 24« 5, 21, 9. —
-em hat den ictus: mUtemm 3, 17, 52. rikiemen 1, 1, 52.
wazamo 4, 31, 7 ist wol mit schwebender betoming zu lesen
(Lachm. s. 379 a.); P accentuiert toasdmo.
-<f » -^9» -^Of "OgA ein entschieden langer vocal ist für
das Suffix 'ig in 0.8 spräche nicht anzunehmen; dena bw in
einigen oapiteln des ersten buches, das auch sonst die form z ^ ^
zuUsst, erscheinen solche worter am versende: nnstUubige 1, 4,
43. 15, 43. ötmAoHge 1, 7, 16. wMÜge 1, 4,45. ebaniwigttn
1, 5, 26. idligun 1, 5, 19. Hügel s. 40. für die betonung im
Minern des verses macht der vocal des Suffixes keinen unterschied.
gewOhnlidi hat, wie beim adjecüvum zu erwarten, die zweite silbe
den zweiten ictus: brüzigen 2, 12, 33. Hnigo 1, 25, 22. 2, 3,
26. 49. ^igan 2, 9, 34. 1, 19, 21. ünigm 4, 6, 18. Hmgim
4, 6, 10. em^tm 1, 22, 46. ein$ga 1, 22, 52. äm^ 1, 22, 26.
50. 3, 13, 50. Htugm H 34. 4, 29, 34. Hnegm 2, 1, 34. ame-
gm 1, 22, 10. Hmgon 2, 12, 72. 85. gindügo 1, 13* 6. 26, 9.
gMMger 1, 2, 52. 3, 17, 33. giUMgu» 3, 25, 13. Mfügtr
8, 2, 18. 4, 12, 61. krefiigun l, 27, 4. kümigm 3, 4, 16- W-
» tutiHgon 3,18,31?
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OBER OTFRIDS TERS- UND W0RTBET0NDN6 125
migm 3, 4, 34. künftiger 1, 27, 23. kunftigo 3, 12, 20. nidigaz
3. 14, 118. nUkigun 5, 21, 16. idligo 1, 15, 9. sdligun 1, 3,
27. 4, 34, 4. 9äligen 1, 9, 19* 2, 58. iüntigmi, 20, 151. t^mn
tigon 2, 13, 31. 5, 19, 28. 2, 1, 47. sünttgun 2, 19, 27. thUr^
tigan 3, 11, 18. tlMüge 3, 19, 2. Mbtga» 5, 1, 18. 48. üMngeg
5, 1, 24 — 30. 36. 42. ummezzigaz 5, 23, 93. 4tmmaMige 3,
14,68. wolawiUigm 3, 10, 17. — hälego 1, 25, 29. 2, 12, 43.
4. 15, 37. 5, 12, 63. külega 1, 28, 17. hmlegm 1, 8, 15. 26, 5.
2,9,6. kaUgm 1, 27, 61. kHUgan 5, 24, 2. 20. 1, 28, 20.
2, 9, 67. 5, 1 1, 9. 12, 58. kHlegm 1, 26, 10. 2, 9, 96. 4, 22, 82.
heüogo 1, 8, 24. 2, 3, 51. 5, 17, 10. hüligon 2, 9, 98. ^4$gm
1, 7, 18. winego 1, 17, 51. 2, 6, 24. 4, 22, 18. winegun 4, 12,
3. 5, 19, 5. rözagaz 1, 18, 29. siragaz 2, 13, 37. 1, 18, 30.
der ictus Mit auf die dritte silbe: HfHgan 2, 2, 36. ünigm 2,
9,78. kHstigo 3, 13, 6. nidigir 5, 23, 113. öMrigmt 2, U, 59.
9äiga 1, 9, 2. sälige 2, 16, 5. sdligun 1, 17, 6. iüntigan 3,
17, 48. 9untigon 4, 27, 5. keileges 2, 9, 13. kSOegen H 167. we-
negun 2, 14, 44. nötagan 4, 12, 63. rözagen 5, 5, 2(^. terhiiltnis
S5:15. elision findet steh selteo: ^riieiniga 1, 1, 30. Milege 4,
14, 11. — im aD8cMus8 an diese adjectiva seien das verbum sdligdnt
1,7, 8, ond das sobstantitum k6stiga 3, 1, 31 erwähnt, wizdgdn
lieht unregelmiirsig im ersten buche 1, 3, 37 im versausgang.
2. die erste der beiden minder beCmiten siiben ist lang.
-keiti am ende des verses: ekkakkeüi 1, 1, 4. 4, 13, 50.
2 t, 20. d&mpkeüi 4, 5, 6. 5, 25, 30. böskeiti 4, 4, 66; einmal
im innero mit ictus auf der sweiten silbe u>i$keüi 2, 4, 13.
"inna am ende des verses: wkaetitma 1, 23, 3. 3, 25, 40.
mdgiimu 1, 6, 2. Arütinna 2, 3, 10. 3, 23, 14.
-nissi am ende des verses: firstäntnissi 2, 9, 30. firsldnt-^
Ntsse 1, 1, 40. irsidntnisei 3, 24, 27. 4, 37, 23. 5, 24, 11. 6, 32.
imämniite 1, 15, 30. 3, 7, 7. 4, 36, 22. 87, 43. 5, 8, 12. göt-
nim 5» 6, 59. 8, 18. eüaznüei 3, 14, 112. MÜHiai 4, 7, 49.
^»rikii%iitoes 4, 7, 29. ^tAtc^niMe 3, 26, 24. i»i^t»t 4,21,36.
irwtrtnhsi 5, 12, 22. im innern des verses mit ietus auf der
zweiten silbe: iüaznissi 5, 20, 51. götniBsi 5, 8, 23. götniuee
3, 18, 60; auf der dritten silbe: gikähniitn 2, 18, 18. elision
ohne zweiten ictu»: »kazmsti inii güati 1, 25, 30.
-6ti am ende des verses: kirütt 1, 3, 41. 2, 18, 6. 3, 15,
49. 16, 4. 55. 20, 53. 25, 1. 14,21. 4,6,43. 1K23. 19,21.
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126 OBER OTFRIDS VEB8* UND WORTBETONDNG
20, U 21, 26. 24, 20. 36, 5. H 94. hSrete 1,22, 34. 3, 15, 52.
24, 109. eiDmal im innero des verses mit ictus auf der cweileo
Silbe: 3, 20, 53 thar tha% Mroti toas. — anders behandeli O. die
würter auf -od", wizod g. mtöp und mänoi g. mii^pi, sie
•tehen nie am ende des verses; im innern tragen sie den ktus
auf der zweiten silbe: wixodes 3, 7, 23. 4, 19, 18. S 20 mdmio
1,7,23; aber auch auf der dritten: wUtoiBB 1,22,6; eiBmai
tritt elision ein: mdnodo 1, 5,2; einmal stehen sogar beide un*
betonte silben in der Senkung: 2, 14, 103 tha% mdt^edo am fuA
fiari. in diesem sufBx ist die alte iange augenscbeinlich anf-
gegeben.
-tn^ am ende des verses: göringi 1, 20, 15. 2, 6, 34. 3,
26, 52. 4, 26, 40. kemmfe 1, 8, 8. 21, 5. 25, 1. 2, 15, 2. 3,
2, 24. 5, 16, 4. heimingfis 1, 16, 22. 19^ 6. 21, 8. 2, 5, 10. 3,
1, 43. 26, 17. hümingon 2, 14, 1. im innern desversea je ein-
mal mit dem tone auf der zweiten dlbe: hemmges 1, 18, 27;
auf der drilten: 2, 7, 21 tka» hämingi gisdkun.
-enl, ont, and. die participia praesentis ^ erscheinen sehr
häufig als reim Wörter, nameotlich in usfleetierter form: Htsmiii^
4, 13, 43. bliuenti 3, 8, 13. hrdtmti 5, 13, 32;. giheizenii 1, 10,
8. 7, 22. Mffenti 1, 4, 16. Wmii 1, 10, 18. rüafenli 3, 10,
5. 11, 24. »eiMfUi 1, 12, 3. iingmUi 1, 12, 22. tpruhmi 1, 7,
21. 4, 77. 2, 35. stitUmä 1, 4, 60. 5, 25, 100. slixmti 5, 14, 10.
thikenti 1, 10, 27. wdkmti 1, 3, 24. 9, 40. 23, 44. — dbeii/i
1, 10, 10. blidenti 1, 7, 2. böuhnenii 1, 4, 77. 9, 24. brietfenti
1, 11, 18. büetai 1, 11, 4. firiBmi 5, 13, 27. 25, 4. gtUubenti
U 6, 6. häsenii 1, 11, 46. iUnii 1, 13, 7. cUrenti 1, 4, 38.
leitmti 1, 5, 60. 4, 10. Utemti \i 9, 30« mhidenti 1, 4, 32. 5,
25,100. rdiiA«nrt 1, 4, 20. thiggmUi l, A, 11 . loiAeiUt 1, 4, 74.
tDÜnsgenti 1, 11, 32. — dhumti 1, 4, 79. 13, 18. 27, 2. 3, 2, 25.
5, 4, 15. beüonti 1, 4, 22. Hnonti 1, 9, 10. eiaconti 3, 15, 38.
en$onti 1, 4, 81. fdUonti 5, 19, 35. 1, 5, 50. gdh^nii 1, 13, 7.
ginddonti 1, 7, 11. greif onti 3, 20, 38. köwtui 5, 9, 10. 10, 36.
mdcAoM/t 1,9,31. mintiOHrt 1, 4, 8. ^iworUi X^l^l. iUMunUi
L 66. 1, 5, 48. 10, 16. thrdngonti 4, 30, 1. wdnkonti L 69.
U)i$onti 1, 10, 24. xmgonti 1, 17, 58. 5, 20. zisiotUi 3, 7, 15. —
aUenti 15, 5, 41. drümUi 1, 4, 79. er^nti 1, 5, 50. 3, 32. fä-
renti 3, 4, 10. fdstmi 1, 4, 34. frdgenii 1, 17, 13. 34. 2, 11, 31.
> iUnU 3, 14, 34t
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OBER 0TFRID8 TER6- UND WORTBETONUNG 127
m^nrnü 1, 4, 83. 3, 20, 115. 26, 23. migetOi 5, 23, 21. tior^
gmii 1, 22, 51. to<irreiirt 4, 35, 24. — gä»gatUB 4, 26, 17. A4^
teme 1, 12, 1. iingmU 1, 12, 33. Mfen$e 1, 17, 73. mküoHte
H 85. timU 1, 17, 78. wObnie 4, 2, 25. 9, 26. m&mmte 1,
18, 21. 3, 14, 61. drArmUa 1, 5, 9. scki€nia 1, 5^ 21. riananter
3, 24, 63. ifredunuer 1, 9, 29. hingmUer 4, 32, 11. «dnmTa«
2, 17, 11. wälmmuaz 1, 5, 66. ßkuMoUaz 2, 14, 30. fillmUM
1, 4, 6. UUeniax U 2, 5. rüafmtm 1, 23, 19. 27, 41. irrmsi
1,4, 37. flkxentes 5, 24, 5. dawältelUbn 1, 5, 23. Ufirkendan
U 4, 7. MksatUM 3, 14, 57. wk1cen$0 1, 5, 11. ilofUo 4, 1% 53.
dHbmio 5, 9, 14. ^
Im iDDera ies veraes mil eiaem ictus auf der aweileD silbe
findet sich nur: asinetai 5, 8, 4. idnantam 1, 17, 65. MnifUaa
5, 22, 7. 9fringentan 2, 14, 26. kündmti 1, 23, 10. tUononti
1, 15, 2; auf der dritten silbe: köaanii 5, 10, 27. uMlonti 5,
20,74. elisioD tritt einmal ein: 1, 1, 112 oicft göU tkionomi dV«.
Den participien entspreehend sind einige andere Wörter be*
handelt, im versende stehen: hübmu 1, 7, 6. 5, 9, 23. M/-
fkmU 5, 25, 7. äbandB 3, 14, 55» 4, 1 1, 11 ; letiteres auch awei-
mal im innern des verees mit ictus auf der zweiten silbe : ibandeg
5, 4, 9. dbande 4, 2, 7. auch dnmti steht gewöhnlich am ende
des ferses 1, 5, 25. 4, 58. 65. 67; tweiroal mit ictus auf
* ein blick auf die citate zeigt dan diese reimenden participia tnm
grteteD teil auf das erste buch falien ; wir finden dort 78, im zweiten buch
dagegen nar 3, im dritten 13, im vierten 8, hn fünften 14. aber anch über
dM erste buch sind die beisptele nicht gieichmiCsig verteilt, manche capitel
bieten Icein einziges, andere eins oder zwei, am häufigsten sind sie in den
ctpiteln 4. 5. 7. 9. 10. 12. 13. in cap. 4 icommt ein participium auf 4,
Svene; in cap. 10 auf 4, 6 rerse; in cap. 9 auf 6, 6; in cap. 7 auf &, 6;
in cap. 5 aaf 7, 2vtnt; in oap. 13 auf Sverse; in cap. 12 aaf 8, 5yene;
die abrigen abschnitte bieten nur ein oder zwei Alle, augenachebdlich
deotet diesea TerhiUnif auf einen forlscbritt in der verstechnilu der häufige
gebranch des part. beruht zum grofsen teil auf der bequemen Umschreibung
des verb. finitnms durch ein part. mit einem hilfszeitwort; anfangs hatte
neb der dichter ihr sorglos flberlassen, spiter mied er sie. für die chro-
Bologfsche beatinimong der einzelnen abaebnilte ist diese coastructton wichtig,
utSrlieh konunen auch die parL mit kurzer Stammsilbe in beiracfat. die
drei capitel, die nach unserem Verzeichnis am stärksten belastet sind 4. 9.
10 können wol die ältesten des ganzen werken sein; sie behandeln ver-
kondigung und geburt des Johannes, die auch im Heiland h inier einander
ttilblt werden, vor der verkOndigung and gebort des heilands. vgL HOgel
•.37a. Erdmann so 1,1,4.
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128 OBER OTPRIDB TER8- UND WORTBETONUNG
der sweiteo ȟbe im innerD terse: t, 27, 53. 4,48. ebenso tkA-
sinton 3, 6, 53.
Merklicb anders ist die bebaodluug von fiant, ^ im versaus-
gaog: tkmiB % 3, 64. fianta 4, 26, 1. 1, 12, 2. fkmio 4, 17,
10. 14. fiafUon 3, 18, 74. 26, 43. 4, 1, 9. 12, 12. 19, 3. 5, 2, 2.
im inDern des verses mit ictus auf der zweiten: fianie 3^ 18,71.
fianto L 34. 5, 1,4. flantm 4, 23, 16; viel häufiger auf der
dritten: fianta 3, 19, 32. fimUan 1, 1, 75. 10, 15. 21, 14. 3,
26, 50. 4, 2, 4. 7,60. 33, 18. 5^ 1, 3. 3, 17. elision einmal
3, 14, 106 fiania. die häufige betonung der dritten ailbe (4: 10)
lässt schliefsen dass in diesem werte die zweite silbe schon weniger
gewicht hatte als in den anderen partieipialen bildungen; es
findet Übergang ?on ia zu diphthongischen ia statt.
-ann, -enn, -önn. auch der flectierte Infinitiv, nament-
lich der dativ bildet oft den versscbluas: bUionM 5, 23, 202.
drMcatiM 2, 14, 24. 40. 5, 8, 56. izmme 5, 1 1, 33. fekianne L 21.
2, 3, 55. fUahaniu H 82. gdnganne 5, 6, 52. rinanne 2, 15, 7.
wdsganne 2, 8, 28. widarttäiUanns 3, 26, 50. wizanne 2, 14,
76. 4, 11, 28. 5, 17, 5. 1, 17, 48. büenne 2, 1, 26. irräsmne
5, 14,4. nrnmenne 5, 17, 33. rüarenne 5, 12, 37. sUlkfme 3,
23, 2. 5, 19, 13 <«» 43. 65. minnonns 4, 13, 9. idlb<nme 4, 35,
20. 5, 4, 14. ^etnottne 3, 22, 40. 23, 32. 5, 1, 12. Monomie
2, 4, 100. frdgmne 3, 20, 124. zerthörrenM 3, 7, 64. drMcamnes
2, 14, 15. fehtannes 1, 10, 5. tuknmanms 5, 13, 25. hrit^
n$nne$ 5, 23, 66. ftihnnes 5, 23, 66. toHnonn^s 5, 7, 21. —
im innern des verses erfolgt elision : wizanne 5, 17, 8. inüadienne
2, 4, 6. ruarenne 5, 12, 36. tßirkenne 5, 16, 35. zeümne 5, 19,
7. 4, 28, 18* iorganne 5, 19, 2. erhält der inf. zwei ictus, so
liegt der zweite in der regel auf der zweiten silbe; rkaffmnes
3, 11, 20. kruxanne$ 4, 1, 26. tihionn$$ 1, 1, 6. wemimnes 4,
18, 40. finmnne 2, 15, 7. toizzanne 5, 6, 19. erkh^nenne 2,
9, 55; im dativ einige mal auch auf der dritten: bimidannB H 66.
zmbManM 1, 27, 58. zeUenne 5, 1, 22. döufene 1, 25, 6; an
der letzten stelle schreibt V, wie auch sonst noch zuweilen (Kelle
2, 1290 einfaches n. unregehnäfsig hat diese betonnng einmal
auch im versausgang statt: 1, 1, 75 sth fianton zirretHnne (vgl.
Sievers Beiträge 4, 535).
> fianton 1,4,75?
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OBf» 0TPR1D6 TERS^ »ND WORTBETONONG 129
'$än; wie die mit -heit gebildeten wdrler in ihren drei-^
attbigen formen regelmfifeig den versauegang behaupten, so pflegt
dies aoch ait äem xnaaniBiengeselzten subet. and adj. $elticM
dar fall m sei», subst: siüsani 1, d, 34. 12, 8. 17, 15; 2, 12,
4. 50. 3, 9, 4. 14, 2. 5, 8, 48. 12, 31. 17, 84. ieftMHe 3, 6, 7.
b, 12, 17. adi.: Mimu 2, 3, 22. 4, 28, 15. 5, 12, 7. 13. mU-
$mi 2, 12, 15. 5, 12, 2. Msanu 3, 1, 5. 2, 12. siUimm» 1,
11, 1. 19, 20* 23, 176. 27, 30. 3, 6v 2. 9iUmM8 4, 28, 6. siU-
umm 3, 25, 8. im innern des verses ateht das subst. einmal,
iäUam 4, 3, 6^ mit dem iclns auf der zweiten silbe; Öfter das
adiecti?uni: siü$mem 3, 9, 2. 1, 2. sikiana 3, 13, 44. settsano
1, 17, 54. nur onma) fällt der zweite ietus auf die dritte silbe:
4, 29, 36 ikaz üüsana giwäti. beispiele für die elision fehlen.
'lieh erweist sich weniger kraftig, obwol an der länge des
( noch nicht zu zweifeln ist. die adverbia stehen hSufig im vers-
ausgang: MMbVA« 1, 27, 40. 4, 13, 21. bUMeho S 29. 2, 4, 64.
MaiA0 1, 16, 10. föUiAo 2, 23, 6. 3, 22, 18. gSüilicho 2, 10,
16. 14, 70. 5, 23, 203. güaUieko 1, 1, 3. 13, 24. 4, 19, 55. 5,
20, 13. Mrltcfto 1, 19, 8. 4, 19, 55. krä/Uieho 1, 23, 34. 2, 11,
10.4,7,42.5,4,23. lioUkheLbi. «uMdko 4, 29,35. 37, 18.
riaaUiAo 4, 1, 18. ebenso das sabstantivum güaUiM 1, 12, 23.
28, 13. 2, 2, 33. 4, 83. 3, 18, 19. 4, 4, 46. 21, 27. 5, 4, 53. 9,
47. 12, 45. 18, 8. 20, 82. 23, 44. 25, 93. L 70. güMAe 3,
15, 28; und einmal auch das verbum g^äUickon 3, 18, 39. selten
die adjectiva, wie das ihre syntaetisohe Stellung erwarten iSsst:
ümrüthm 4, 29, 1. kinlidiaz 2, 21, 15. kräfilidu 5, 4, 49. ^*-
Hmpflidm 2, 14, 60. hUilkhm^ 3, 24, 80. — im imiern des
verses filllt der zweite iolus beim ad?, und adj. gewOhidich auf
die zweite sUbe: bMk'cko 4, 17, 8. driUlieko 2, 2, 36. erÜeho
1, 8, 7. fUMAo 1, 2, 25. sÜBtlieko 2, 10, 20. 14, 68. Sinddr
HAo 1, 2, 20. krdftUeho 5, 4, 54. liuUieho 4, 37, 19. todr-
HAo 1, 24, 18. 2, 14, 4. 5, 15, 28. adj.: Mnglüka 5, 8, 10.
UkgUAü 4, 15, 24. iüaxlkho 3, 22, 38. liMiAo 3, 23, 23.
kMidba 4, 1, 43. Onlieher 4, 29, 19. güMekaz 1, 17, 68. 2,
9, 16. 3, 7, 77. giUuOickaz 1, 1, 22. kräftliekaz 3, 17, 2. skäUc-
Utktm 3, 7, 59. bUdUthes 2, 9, 10. sitdsftdUs 5, 12, 90. krdft-
HthoM 4, 12, 27. wdrlühu 4, 21, 32. sdr/tcften 3, 24, 9. gitM-
faeken 4, 18, 42. 5, 20, 59. kürzlichen 2, 9, 74. IMdlidwn 2, 23,
24. 3, 17, 60. fMUehm L 25. 9i&r(fiithm 4, 7, 72. wUiichm
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130 ÜBER 0TPRID8 ¥ERS* UND W0RTBET0N0N6
2, 3, 30* %imUdm 3, 24, 108. giuäkhm 3, 7, 4. 47. pUft-
lidm by 23, 73. wisliekm 2, 3, 30. giiMckm 4, 5, 1. fftr
die betoDUDg der driUea silbe bietet das adjectivun mir das eine
beispiel: mit suazUchen gil&stin 2, 14, 98; das adferbium: gt-
suäslicko birüarm 4, 35, 27. gisuäsUehö hicMimeH 4, 25, 30;
ebenso wol: irticho^ so ($9 P) er toöüa 4, 4, 40. an einer stelle
gibt die bs. V, an einer anderen V und P der silbe Ikk den accent:
3, 17, 54 se hidikko (Uidlüho P) nu rüagtun
4,35, 1 baUHdio, to imo zäm;
in dem ersten verse tragen wol die erste und dritte, in dem
anderen die erste und zweite einen versietus. (zweimal erhebt
sich in einem zusammengesetzten adjecÜYum die silbe UA Ober
die minder betonte stemmsilbe:
4, 5, 12 thero itmmexlidia bürün
2, 8, 22 mit götkundUchm rädion.)
wahrend hiernach adjectivum und adverbium verbflltnismäCsig sehr
selten die dritte silbe in die hebung treten lassen, findet dies
dreimal bei dem subst. güaUichi stett: 1, 15, 20. 2, 8, 55. 5, 25,
101 ; jedoch ist es wol nur zufall dass die beton ung der zweiten
sUbe nicht vorkommt — elision ist nnr für die adverbia belegt:
irUthB 1, 5, 13. 23, 13. gHuUehe 3, 7, 30. 46. ginädUAo 4»
25, 4. in zwei fällen trägt dennoch die zweite silbe eine hebung,
falls man nicht hiatus und betonung der dritten annehmen will:
1, 6, 3 thiu wirtun iia Mieho ifUfiang
5, 16, 11 j'oh sie güazUAo intfUmg.
-in. für diese endung gewahrt das subst. driikiin die zahl-
reichsten belege ; ich habe 87 notiert, 59 ftir den genetiv, 28 für
den datiT.i im reim aber erscheint der geneliv nie, der be-
quemere dativ nur an folgenden stellen: 1, 4, 46. 5, 36. 71. 6,
9. 7, 5. 10, 20. 3, 10, 3. 4, 34, 10. 5, 15, 2. 16. H 100; also
nur elf mal, und von diesen elf stellen entfallen mehr als die
hälfle auf das erste buch, in welchem auch sonst Wörter von der
form - ^> 1^ im yersausgang stehen. ofiTenbar hatte das wort nicht
mehr die volle quantitat des i bewahrt, im inoern des Terses
tragt gewohnlich die zweite silbe den zweiten ictus: drkkt^ses
1, 2, 6. 5, 14- 41. 64. 7, 27. 9, 4. 11, 26. 14, 19. 16, 16. 20,
26. 23, 6. 32. 24, 20. 2, 1, 8. 4, 49. 52. 7, 6. 11. 67. 11, 4.
^ druhUnes 1,1,40? 2,2,tt? 23,20? druhHn» S, 18,99t 5,lft,47t
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OBER 0TFRID8 VERS- UND WORTBETONUNG 131
14,73. 23, 2. 3, 5, 17. 7, 19. 10, 15. 12, 24. 26. 14, 43. 19^
31. 22, 4& 23, 1. 24, 86. 4, 1, 35. 3, 5. 12, 14. 18,36. 29,55.
5,6, 10. 7, 62. 12, 29. 52. 21, 1. 25, 15. 34. H 45. 106. 116.
MlUim 1, 23, 14. 2, 1, 9. 3, 6, 50. 22, 57. 24, 50. 5, 12, 66.
nidit aeilea aber auch die dritte: drkhlmei 1, 9, 5. 15, 4. 17, 2.
2, 1. 7. 2, 38. 3, 63. 4, 76. 3, 12, 20. 4, 35, 22. 5, 12, 44. 23,
94. 177. drUume 1, 4, 28. 2, 19, 96. 20, 3. 3, 14, 23. 4, 2, 12.
16, 49. 5, 25, 90. elision: 1, 3, 13. 2, 16, 24. 3, 5, 13. 10, 42.
Auch die adjectiva auf -in kommen im versende nicht vor,
wie das sobst. inJUm haben sie gewAhttlicb einen ictus auf der
xweiten silbe: girsünu 3, 6, 8. ititm 1, 1, 70. BiHnirw 3, 18,
67. 5, 6, 35. aemmun 2, 9, 11. thürmnati 4, 22, 21; auf der
drillen: tcdfinm 2, 23, 9. stiininiu 2, 8, 34. ihümina 4, 23, 8.
-ari. Substantive auf -ort stehen im reim: fdrari 2,4,5.
Ufafi 2, 14, 121. fißgtara 5, 13, 34. wwodtpintarB 5, 8, 36.
Omre 2, 9, 80. fikuwimi 3, 4, 3. an der ISnge des vocalee a
ist in diesen veraen niebt su zweifein; aber im tusammenhang
der rede galt auch noch der kurze voeal, daher diese werte häufig
im innem des verses gebraucht und statt des a auch e, i, o ge-
schrieben wird, meistens Hlllt der accent auf die zweite silbe:
firuni 5, 7, 46. kärkwi 5, 20, 88. UUm 4, 16, 23. Aahari
4,22, 13. »UUari S 28. niphm 1, 5, 25. iUtereß t, 4, 22.
it(vtare2,13,39. 5,20,77. ledAm 4,31,28. Atiorera 5, 21, 15.
KOero 2, 11, 23. drtagero 2, 23, 7. driugarin 2, 21, 9. »cUa-
karin 3, 16, 9. ictus auf der driUen silbe: dliaH 4, 33, 35.
kvkari 4, 13, 24. tcdheru 4, 22, 3. elision: buachari 2, 3, 44.
äüm 2, 9, 47. tfihm U 28, 16. büaekara 1, 17, 33. tea^ra
4, 27, 3. zweimal trtfgt auch in diesem fall das woit einen ictus
auf der zweiten silbe: 2, 8, 31 jok sextari (iixtari P) iz nennen.
4, 31, 1 thero tcdhero (ih »aßen tkir) Hn. — zweifelhall ist 1, 20,
23 nah i% ni tetent teribara (scribara P), vgl. Hügel s. 40. — wie
die worter auf -ari wird sobm' behandelt: $dUere» 4, 28, 20.
Bdlieru 1, 5, 10.
oit, ist, u$U die Superlative ^ stehen nicht selten im
reime: Wmio 1, 13, 10. diuri$ia % 15, 20. miTo 1, 3, 5.
ietMsto 2, 14, 10. UtoUo 1, 27, 56. Utu^on 3, 20, 57. 13, 7.
4, 10, 23. hhroft^ 4, 19, 16. A^oflofi 2, 11, 36. 5, 9, 30. jun-
« htrt^mi 5,3,e. 11,42?
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132 Ober otfrids vers- und wortbetonung
§mun U 27, 7. Uobosta 1, 22, 43. 2, 11, 45. wisoMtun 1, 27, 7.
xeizoito 1, 5, 16. im Innern des verses Mit ein zweiter iclns
gewohnlieh auf die zweite silbe: diuroUun 4, 35^ 41. iriiio 4,
28, 21. *ri$tm 2, 4, 11. eritton 3, 17, 40. ihtia 1, 14, 21.
Mresten 3, 14, 7. Mrotitm 3, 17,5. jungtstun 4, 7, 45. Uobotto
2, 7, 25. atUebestm 2, 13, 33. Uohtotta 4, 33, 10. mümüta 1,
3, 9. 9&axista 5, 23, 287. ictus auf der dritten silbe: irutm 2,
5, 23. hirßsten 2, 8, 37. Mreston 3, 25, 4. A^oaTo 4, 12, 34.
nähüto 4, 12, 31.
Dm substantivnm angust behauptet in der regel da« yersende:
ängu$ti 1, 22, 24. 2, 4, 36. 3, 25, 11. 4, 26, 9. 5, 19, 24. 10, 20.
30. 23,84.144. dngusiin 1,22,27. einmal im innern mit ictus
anf der dritten: ängusii 3, 8, 9. — emmiin steht 1, 22, 27 im
reim, 4, 37, 30 ^rmcslt* im innern des Terses mit ictus auf der
zweiten silbe. — thianoü begegnet nur einmal im reim? tkiono^ei
5, 25, 16; beliebter ist es im innern des yerses, die qualitst
der endung -Ost also nicht ganz zweifellos, der ictus f^llt ein-
mal auf die zweite silbe thiono8te$ 4, 9, 15; zweimal auf die dritte
thionöstss 5, 25, 17. thioneües 5, 7, 41 ; zweimal erfolgt elision:
thionostu 1, 8, 22. 13, 43.
-isg^ gehört gleichfalls zu den schwächeren endungen, die
auch im substantivum gern mit dem platz im innern des verses
vorlieb nehmen, im reim findet sich: minnisgon 1, 3, 44. 3, 20,
22. 5, 19, 11 — 19. 55. 63. 5, 20, 21; ebenso das abstractum
minnügi 4, 29, 12 (Lachm. s. 406). im innern des verses täWi
der ictus auf die zweite silbe: minnisgm 2, 4, 48. 7, 74. 12, 62.
68. 3, 22, 27. 4, 7, 40. 2, 6, 27. minnügm 1, 1, 79. 2, 8, 52.
3, 21, 12; oder auf die dritte: nUmügan 2, 1, 30. 12, 77. 14,
62. 122. 4, 2, 2. 27, 14. 37, 31. 5, 11, 48. 20, 8. elision ein-
mal: nUnnügo 5, 12, 46. — das subst. frönisgi trägt 5, 7, 62
den ictus auf der dritten silbe. — die adjectiva auf -^ig kommen
im versausgang selten vor: frenkisgm 1, 3, 46. im innern des
verses fiillt ein ictus gewohnlich auf die zweite silbe: fräUeisge
5, 8, 8. frhücüga 1, 1, 114. 122. frenkisgon 3, 7, 13. fr&nisga
4, 32, 1 fr&nisgan 2, 8, 44. frdni$gm 3, 20, 22. 4, 1, 15. /W-
nii^on 5, 22, 10. /rc^tlv^n 3, 17, 70. 20, 161. 5, 12, 51. iriisgo
3, 2, 37. 5, 23, 102. kihisgm 2, 13, 20. 5, 20, 28. 23, 10. kinr-
* mennisgen 2,7,62? mennügon 4,19,41t
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OBER OTFRIDS VERS- DND WORTBETONUNG 133
4i$gw 1, 11, 37. ietUB auf der dritten silbe: frinkUgoiü 1, 1, 34.
46.126. itrtoMM^on 3, 4, 4. /rdn^^a 5, 8, 4S. elisioo: tfrcUi^a
2, 12^ 57 ; ekiauil mit einem iotus auf der sweiieD silbe: 4t 15, 11
frhUigQ m siäi ihm.
' i%%: fUgbuti 5,- 13, 1. fügistue 2, 7, 76, beide mal im rera-
icUusa. ich: föruidui 3, 4, 1. p&rzkhe 3, 22, 5; nicht im
venschliMa. — i»: mniMm 3,22, 12 im verMohluas; aber emmi%m
betont inmer die erste und dritte silbe: 2, 14, 45. 102. 3, 14,
116. 118. 19,26. 24,92. 4, 4, 347. — 5, 12, 96. 23, 109. 156.
L6.61. S 17. 38; im versschluss kommt das wert nie vor; also
war die zweite silbe jedesfalls ganz sehwaeh betont.
Resultate.
1. aus O.s versbetoming ergibt sieh nicht dass die länge
der Stammsilbe einen spradiUchen nebenton auf der folgenden
silbe bedingt, der gnind dafOr, dass eine minder betonte silbe,
die auf eine lange Stammsilbe folgt, einen versictus tragen kann.
Dicht aber eine solche, die auf eine kurze Stammsilbe Mgt, liegt
darin dass eine lange silbe dem mafs einee metrischen taetes entr
spricht, eine knrse aber hinter demselben zarQckbleibt (vgl. Hügel
s. 7. Trautmaon s. 15).
3. die syntactisGben verfatftnisse bringen es mit sieh dass
aof ein Terhnm häufig eine unbetonte silbe folgt, seltener auf
ein SttbstaotiTum und adv^rbium, noeh seltener auf ein adjeetiTum.
daraas erklärt sich dass dreisilbige verbalformen oft eioen zweiten
ietos auf der dritten silbe erhalten, substantiva und adjeotiva Öfters
auf der zweiten silbe. für eineo sprachlichen nebenton ergibt
sich aus dieser versbetonung nichts.
3« wenn bei gewissen Substantiven, adjecüven und adverbien
die dritte silbe stets oder uogewohnlieh oft betont ist, so ist ansu-
nehmen dass die zweite dnrch ihr geringes gewicht in der spräche
Dicht oder wenig geeignet war, einen versictus zu erhalten,
ersteres gilt für die adverbia simbolm und emmi%en, letzteres für
die subsUntiva auf -ida, ferner für lutAd, ander, auch für herero,
fordoro, in anderer weise für fkmt und vielleicht für jungoro.
Wenn es umgekehrt, ohne dass syntactischer eiofluss nach-
weisbar ist, vermieden wird, die zweite silbe unbetont zu lassen,
so ist anzunehmen dass das starke gewicht dieser silbe der Stel-
lung in thesi widerstrebte; es gilt dies namentlich für die
endnagen ^heit, -«nit, -fitiss, ^, -ing, -adn, «eul ^-mU hum^ -enn
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134 ÜBER OTFRIDS VERS- UND WOKTBETONUNG
-onti -^nn ; ygl. Sievers Beiträge 4^ 533 f. sie werden vonrags^
weise im versende gebraucht.
In anderen sw^silbigen endungen ist ein merkliciier uitfer-
schied im tongewicht der beiden silben aus der versbelonang
nicht nachsuweisen (vgl. Trantmann s. 12 f); hierher geboren die
zweisilbigen flexionsendnngen, aoch die der schwachen praeterita,
die endungen der comparative und Superlative, die aUeitang»-
silben auf /, r, n, ^, r mit vorhergehenden kurzen vocal, die
endung -od (g. öß); ihnen schlieften sich an -art (äri), -ay,
'Ueh, -in, namentlich dnJuin.
4. verhäUnismäfsig selten hat ein dreisilbiges wort mit langer
Stammsilbe nur einen ictus, und zwar tragt es dann stelBf ab-
gesehen von dem adverbium o/ono 3, 16, 51, den ersten versictus.
es liegt nahe für diese verse schwebende belonung ansttnehmen
(Hügel 8. 31), wie diese dnmal durch die handschriftliche be-
zeichnung angedeutet zu sein scheint: «Hisdm« P 4, 31, 7. wir
wallen, wie gesagt, diese frage hier nicht erOrtern; bemerken je-
doch dass, wenn schwebende betonung anzunehmen wttre, diese
gerade bei solchen Wörtern nicht einUrftte, wo sie am aaUtrlichalen
erschiene, db. bei Wörtern mit schwerem sufBx, das durch aein
tongewicht der Stammsilbe am nfiehsten kommt, alle die Wörter,
die nur einen ictus tragen, sind solche, deren aweite silbe ein
geringes tongewicht hat, zum teil geringer als die dritte: formen
von ander» kerero, jungoro, fardaro, 1 p. pl. auf -utet, praet. der
swv., der dat. des pron. poss., ferner waremOp alhro, ikcher0,
ofan$, engilanf emgäa, zuivolo, bessinm, wunt^ran, akare, otionm,
meistera, eitere, tDuntoro, fuatm, manodo.
5. wenn ein dreisilbigies wert mit vocaliscbem auslaut vor
einem vocalisch anlautenden st^ht, empftegt es sehr selten einen
zweiten ictus; nur in folgenden versen:
L 19 tha% biwänk^a er sdr
1, 4, 20 mit zitmru in hinti
1, 5, 10 mir »dlteru in htnti
1, 6, 3 tUu wirtun sia erUcho intfkmg
2, 8, 31 joh sextari i% niwnm (P $ixtari)
4, 15, 11 frdnisga iu etat thttr
4,31, 1 tkero scdcftoro (ih tagen thir) ein
5, 16, 11 joh sie eüoMlicho nUfiang.
es soll hier nicht untersucht werden, ob in diesen versen der
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OBER OTFRIDS VEBS- UND WORTBfiTONUISG 135
iweite ietas auf die dritte silbe Mit und dano hiatus atattBodef,
oder ob der aweite ictus auf die zweite silbe ftUt und dann elisiou
eioüitt (fDr letzteres spricht io 2,8,31 die lis. P): uns kommt
es auf die tatsaehe an, dass 0., der so überaus häufig den letzten
focal elidiert» es augenscheinlich vermeidet, in diesem falle der
iweiten silbe einen ictus zu lassen, den sie sonst doch tragen
kann, ich wOste diese erscbeinung nicht anders zu erklären,
ab daas es dem dichter uniulSssig erschien, die einsilbigen voca-
liach anlautenden worichen gegenQber einer endsilbe in die Senkung
treten zu lassen, verse wie frdjita er sa 9äri finden sich sehr
oft, dagegen fraget^ er sdre war ihm anstofsig. wenn die vor-
getragene erklürung sich durch eine andere nicht ersetzen lässt,
10 wttrde dieser punct bei der bekannten frage, ob die letzte
Silbe eines zweisilbigen wertes durch den ictus über ein fol-
gendes einsilbiges erhoben werden darf, gar sehr in betracht zu
ziehen sein.
6. dreieillnge wOrter mit einer schweren zweiten silbe,
oamenttich substantiva, braucht 0. mit entschiedener verliebe im
versansgang. im inuern des verses kommen manche gar nicht,
andere selten vor, entweder mit der betonung z ^ o, oder
i 1. c, oder mit elidiertem vooal -^ - 9, nie wie im versende
mit drei ictus. dass diese letztere form vermieden wurde mag
sich aus der neigung zu einem gleicbmafsigen Wechsel von hebung
and Senkung erklären; die form ^ ^ h konnte ihm ungefällig
sein, weil sie die flexion Ober die schwere ableitung erhob, die
form ^ ^ V « weil er das suffiz nicht durch einen ictus Ober das
folgende wort erheben wollte (vgl. 5), aber dass er auch die
form z :l o vermeidet, scheint auf eine positive neigung schliefsen
SU lassen, er liebte es diese gewichtigen werter, in denen die
schwere der endsilben noch zu einer Verstärkung der Stammsilbe
fahrte, in der pauaa-stellung voll ausklingen zu lassen; manche
boten aufserdem willkommene reime.
Bonn 18. 8. 82. W. WILHANNS.
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136 DAS HBLDENBCCH AN DER ETSCH
DAS HELDENBÜCH AN DER ETSCH,
Seit den tnitteilHogen DScbOtiberrs im ersten bände des
ArcbiTS für geschichte und allertamsfcunde Tirols, welche auch
in der Germ. 9, 381 ff zum abdrucke gebracht wurden, md wir
zwar über Hans Ried und sein werk, die sogenannte Ambraser
handsobrlft, woi unterrichtet, aber immer noch mit der beschaffen-
beit seiner vorläge, des Heldenbuches an der Elsch, unbe-
kannt, denn dieselbe scheint das Schicksal so vieler hss. geteilt
zu haben und dem Untergänge aabeimgefatten zu sein , ohne dass
das eine oder andere Fragment erhalten geblieben wäre. vdHagen
wollte allerdings in dem durch prorector Heffter ihm geschenkten
Pergamentbruchstück der Nibelunge not, da der buehdeckel,
welchem es aufgeklebt gewesen, in die Inngegend wies, einen
rest jenes Heldenbuches sehen, und andere traten seiner an-
nähme bei: aber sie ist durchaus nicht so plausibel und unanfecht-
bar als man glaubt, einerseits die datierung dieses bruehstOokes
(mitte des 13 jhs.), andererseits die ton Bartsch Germ. 10, 42 ff
an der Überlieferung der Kudrun angestellten' beobachtungen,
welche ihn zu dem resultate führten, HRied habe eine spätestens
dem anfange des 13 jhs. angehOrige Kudrunhs. benutzt, regten
mich zu der Untersuchung an, ob der Zöllner am Eisaek nur ^ne
bs., das Heldenbucb an der Etsch, abzuschreiben hatte, oder ob
die stücke des Ambraser codex aus verschiedenen mss. zusammen-
getragen sind.
Zur lOsung dieser frage verhilft besonders die betraofatung
der von dem copisten begangenen lesef^ler, weil wir auf diese
weise nicht nur tlber den in seiner jeweiligen vorläge berschen-
den lautstand, sondern auch über den character ihrer schrifttoge
belehrt werden, treten im allgemeinen überall die gleichen er^
scheinungen zu tage, so sind wir berechtigt, eine eiDbeitliche
vorläge anzusetzen, wenn nicht, dann ist die annähme einer
solchen aufzugeben, und wir müssen uns zu dem glauben be-
kennen, erst kaiser Maximilian habe die Sammlung der gedichte
anlegen lassen, den bezeichneten weg hat denn auch Bartsch
hinsichtlich der Kudrun eingeschlagen; doch liefs ihn vorgefasste
meinung manche momente übersehen, welche offenbar zu Un-
gunsten seines ergebnisses ins gewicht fallen, für meinen zweck
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DAS HELDENBUCH AN DER ETSCH 137
habe ich aus dem mittleren teile der Sammlung, auf gruod dessen
ihr eigentlich der titel Heldenbuch sukomml, Biteroif, Diet-
richs flucht und Rabenschlacbt, aus dem Torhergehenden und
nachfolgenden je ein stück, Erec und die eraShIungen Herrands
von Wildonie, durchgesehen, und will jetzt die in diesen partien
begegnenden lesefeUer mit den von Bartsch aus der Kndrnn und
den Nibelungen yeneiehneten zusammenstellen.^
Sein Tenekfanis der lesefeUer beginnt B. mit der Verwechs-
lung von buchstaben. *am häufigsten steht r für u, namentlich
io er fflr tu/ den gegebenen belegen ist zu vergleichen: dm*
8Utt lim (»-> Kudr. 1010,2. 1703,4) Bit. 651. 13116, Dfl. 1626.
2869. 3074. 7683, Rschl. 595, 3, wol auch 855, 1 ; ferner DA.
4113 «fear stett disiu, 6278 guier statt g^tiu, 7757 aUir stott
dku; Rschl. 611, 4 teufeliseher statt HevelUckm, 1091, 6 grosser
sUlt gröMiu («= Kudr. 54, 2. 1644, 1), wozu vielleicht Bit. 339
hoA ir in grosser wirds fflr höhe tr gröziu u>. gestellt werden
* Btrtschs zeilbeslimmung der KudruDvorlage stützt sich fast aos-
tcUiefslich auf die rerwechslang Ton % und k str. 1306, 1 gesahen statt
guäMeny won aao. s. 49 benerkt Ist *die altertflmlicbe form des s ia hss.
da t2 jhf. glich emem kkineB deutschen h (vgl. Germ. 8, 274) und kommt
nur Doch am anfange des 13 jhs. vor.* dieser satz ist nicht richtig, wie ans
folgenden bemerkongen hervorgeht, die ich der gute des hrn prof. Martin
▼erdaoke. 'das einem h znm verwechseln ähnliche z ist Tielfach erwähnt
worden: tod Grimm Gramm. 1 ansg. Lxn, Benecke zu Wigaiois xxxiv (wo
eioe abbildoDg gegeben ist), Lachmann zn Nib. 959, HoflBmann Pnndgmben
2, 139, Vollmer lu Roths KL beitr. it s. 158, Bartsch Unteranchmigen ober
das Nibeloogenlied 67, Kflildebrand Zs. 16, 288. Benecke zn Iwein 3129
sagt dass diese form bis zum anfange des 14 jhs. nicht ungewöhnlich war.
sie findet sich in den Ton Barack Germ. 25, 162 ff veröffentlichten Strafs-
borger bruchstftcken von Wolframs Wfllehalm. ans dieser form erklärt sich
der fehler U% für Uk ia der bs.D Pars. 52, 12. auch ein predigtbmchstAok
in privatbesHs, welches Ich cüsmai bei August Stdber sah, lad weldMS
tonst der schrift nach qm 1300 etwa anzusetzen war, hatte diese form.*
aber selbst in dem falle, dass Bartschs behauptung an sich haltbar wäre,
würde ich es nicht für erlaubt erachten, auf sie eine datierung zu basieren,
ist es denn wahrscheinlich dass der Schreiber der vorläge nur an dem
^iaea orte diese form des s verwendet habe? und wenn er es öfters tat,
•dlte sich HRied nur einmal verlesen habenT es bedarf in der tat blofs
emes einslgen beispiels för die Verwechslung der beiden buchstaben in
einem gedichte derselben hs., dessen vorläge unmöglich so frfiher zeit ent-
stammen kann , nimlich in Dfl., wo A v. 1678 koch für »6eh bietet, um
die haltlosigkeit des Schlusses zu erweisen: andere gegengründe werde Ich
gelegentlich hervorheben.
Z. F. D. A. XXm N. F. XV. 10
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138 DAS HELDENBUCH AN DER ETSCH
darf; Er. 6232 langer statt langiu, 6912 reicher sUtt rickw
(— > Kudr. 184, 3). mit recht nimmt B. die Schreibung eo >« w,
tu für die vorläge an, aber an die stelle seiner erkläning 'v siebt
namentlich am Schlüsse einem r Ähnlich' wird besser eine andere
zu setzen sein, es ist wahr, oam wortende gleicht in hss. von
noch höherem alter als dem angeblichen der Kudrunvorlage einem
r, aber nicht so sehr dem r der minnskel- als dem der urkundeu-
schrift, um mich kurz auszudrücken, bei minuskel ist ein ver-
lesen leichter erklärlich, wenn man annimmt dass v oben bei-
nahe oder ganz geschlossen war. diese form tritt jedoch erst
spater auf, und auch erst nach dem 13 jh. biegt sich r unten
so weit vor, dass es mit v zu verwechseln ist (zb. Dfl. 8171 heute
für herre. s. auch die lesart 1009. 6297). übrigens merkt B.
selbst einige stellen an, wo im wortinnern v für r gelesen wurde,
und im wortanfange geschah es zb. Bit. 10313 reste statt veete,
Er. 9041 rechten^ statt vditen. die Osterreichische Schreibung eu
statt tu weist er aufserdem noch aus anderen fehlem nach, und
dasselbe lässt sich auch für die von mir untersuchten dicbtungen
belegen, ursprüngliches tu ergibt sich besonders für die formen
des Personalpronomens, so nu für tu (>» Kudr. 1484, 4) Bit 1 31 34,
Dfl. 7873, Rschl. 15t, 2. 471, 6, Er. 1237; in für tu Dfl. 398.
7028. 7910, HvWild. iii 476; im für tu Dfl. 7522, vergelte ein
knah für vergelte tu knabe Er. 3595. anderes übergehe ich.
Von consonanten wurden verlesen:
b und h: Bit. 1875 geetraekten sUtt gestabten, Dfl. 450 er-
herre statt erbcere, 3268 hetten statt betten, 6686 hat statt bat
— Er. 4942, wo 6953 umgekehrt pat für hat (s. Kudr. 1557, 1),
6842 hab statt hähen wie Er. 4180, HvWild. m 351 haben sUtt
hdhen (— Kudr. 202, 1. 228, 4. 229, 2. 737, 4); Er. 3494 Mebes
»tzii dwehel, 4ibQ gepart er statt gtMrter, 4710 pant statt hont,
dagegen 1028 hauee statt huoze,
d und h: Bit. 2613 die statt hie, umgekehrt Dfl. 122, wo
andererseits 5145 der statt her wie Rschl. 476, 2. Er. 7951 steht,
dagegen Bit. 7790 her für der.
l und h: Bit. 11544 lant statt hant (vgl. Kudr. 1625, 3),
Dfl. 650. 8427 liez statt hiez, 2764 lan sUtt hän, 7752 verlast
statt hdst; Er. 1566 behangen statt langen. 8939 harmlin stall
langen.
n und h: Bit. 12684 Ate sUtt nie wie Er. 4529 (—Kudr.
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DAS HELDENBUCH AN DER ETSCH 139
475, 2). umgekehrt itte statt kü Dfl. 8668; RschL 590, 4 nu
gUU hü (— Kudr. 828, 1).
k uod k: Dfl. 7069 kan statt Uran (— Kudr. 538, 4. 1028, 1);
Er. 2521 sukant statt htkani; Er. 8100 erkant statt enkänt.
$ und k: Bit. 9452 sy statt kte; Rschl. 307, 5 sere statt
hin; Er. 5443 verAob statt venoli.
n und r: in der vertauschung von vor uod von, wo indes
mehr der verschiedene Sprachgebrauch in anschlag kommt: ib.
Bit 3608. 3610. 6024. 8319. 8709 uö., Dfl. 5441. 8156. 9520,
Rschl. 2, 1. 92, 2. 266, 6. 332, 4. 446, 6.
I und r: des statt der Dfl. 4823, Rschl. 284, 6 (-» Kudr.
94, 2. 1096, 3); HvWiM. ir 158 maus statt müre.
% und r: ,er statt $% {^ Kudr. 315, 2. 491, 1) Bit. 394.
2172. 9160, Dfl. 652. 3342, Rschl. 876, 3, Er. 7419. umgekehrt
et (es) statt er Bit. 507. 576. 2274, s. 1601, Er. 9594, HvWild.
I 47. 48; lannger statt Umgez Bit. 859; mare statt müzs ib. 7040;
mdte statt sndUe Rschl. 395, 6, s. 656, 3; der statt da% Er. 7543.
aufter in er ist r noch Öfters als a^ gelesen, wie Bit. 3029 xe
dm statt reden, Dfl. 937 müesse statt entrre, 3093. 6599. 7333
et statt tn 8964 dex statt (/ar> 1758. 8011 das statt itor— Er.
6012, wo zb. 2894 noch da% statt der steht. B. notiert aus der
Kndnin nur stellen, wo z mit r verwechselt wurde, bemerkt aber
gieichwol dazu ^die form des schluss-r sieht in hss. einem z oft
nicht uDflhnUch', was sich indes schwerlich in hss. aus dem
anfange des 13 jhs. wird nachweisen lassen, dagegen sehen die
beiden buchstaben in solchen des 14 jhs. sich sehr Ähnlich, und
wenn sich derartige lesefehler in einer copie vorfinden, so kann
man schon ungefilhr den terminus post quem für deren vorläge
bestimmen : sie gehört dann frühestens dem ende des 13 jhs. an.
um die parallele hinsichtlich der fehler vollständig durchzuftthreo,
mOgen noch Alle von Verwechslung zweier anderer buchstaben
verzeichnet werden, ntfmlich:
t und r: Bit. 1830 mit statt tu ir (-» Er. 3972), 9459.
11918. 12591 (-» Er. 3592) mit statt mir, 3513 beraitet statt
bereite er, 6179 toeUet statt weUe er, 6694 tote statt röte, 8492
tiren statt rüeren, 10442 weit statt lotr, 11055 kerre statt kete;
Dfl. 8171 keute statt kerre; Rschl. 179, 5 geumrde statt geumrre(?);
Er. 6021 ti^or^e statt wem, 7571 lautende statt Laurente, 8831
Mir statt Ztr. umgekehrt t als r gelesen: Bit. 3720. 6910 er
10*
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140 DAS HELDENBUCH AN DER ETSCH
statt et, 6145. 7314. 8875 mir statt mit, 9242 rotumnt suti t&t"
wunt; Dfl. 3273 emphdret statt mphettet, 3274 geperet statt ge-
bettet, 6574 m trem statt mtr, 9793 tr statt er; Rschl. 703, 4
verre statt toarte; Er. 4881 eerre statt t>erre; HvWild« m 493 gar
statt gdt.
t und $: Bit. 3364 lOoT 0itd ot statt »(U «nndr; Rschl.
785, 2 ey(Ii^ statt etgUcAen. dabei kommt aber vielleicht etwas
anderes ids spiel.
Den anderen von B. noch erwähnten bemerkenswerten und
öfter widerkehrenden ßdlen von Schreibfehlern scUieTsen sich an
vnd statt vil Dfl. 6265 («Kudr. 41,3), vgl. auch Bit. 7306 vä
fro statt unfrö, 8848 vü gerne statt ungeme, Dfl. 8049 vil der
statt ander und 6490 eylen statt eilen; vnd statt nA (^^Kudr.
965,4) Rschl. 152,6; Er. 13. 5152. 7027. 8059.8422.8508;
vnd bezwungen statt unbettoungen Bit. 5261, vnd lange statt im-
lange Rschl. 112,6, ungeriten statt n^^ren Er. 1082; nu statt
und Bit. 862; Dfl. 4018. zur erklärung dient die abkOrzung un
»> und. vnd statt wm Bit. 679. 6499. 10951. 11012; Er. 5894.
kaum ist hierbei mit B. an die abbreviatur u>h und vn zu denken,
schon weil auch und für vant vorkommt es ist einfach der
blick des abschreiben über a hinweggeglitten, wie das bei buch-
staben im innern des wertes nicht selten geschiebt und leicht
möglich ist, w^n die vorläge nicht vor sondern neben dem
schreibenden sich befindet im statt fi^ (»r Kudr. 350, 3) Bit.
9503. 12230; Er. 6210, umgekehrt nu für im Bit 5491; Er.
4666. 7892. vnne statt tf9if (^ Kudr. 375, 2. 637, 4) Er. 6182.
aufser in diesen Worten ist t noch zum Öfteren verlesen, wie Nu
statt Mir Rschl. 183, 1 (vgl. mir statt nti Kudr. 210, 2), mer (me)
statt nie Dfl. 5195; Er. 2598 ; HvWiid. ni 246, umgekehrt Er. 8328.
meiner statt immer Dfl. 7796, m/mmer statt miner Rschl. 26, 5,
statt in mtner Dfl. 7004. nun sUtt min Bit 3824, daselbst 8487
uö. hanndt statt hämU, 8692 zynnr sUtt zimier, 10436 euch stott
miek, 11551 ynfel statt niftd. Dfl. 6206 nider statt inder, 3147.
6124 reymen statt rennen, 7195 Sekeminungen statt SdUmmtnjrm ua.
mit statt in (-» Kudr. 654, 2. 726, 1 . 1352, 3) findet sich Bit 1378,
doch scheint es mir bedenklich mit B. ein abgekürztes mmmsweii
anzusetzen.
daz statt dö begegnet Bit 738. 2869. 10970; Rschl. 444, 6;
Er. 9137; auch wird daz mit dd und umgekehrt verwechselt die
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DAS HELDENBUCH AN DER ETSCH 141
stau M (Kadr. 174, 1. 724, 1. 1282, 1) steht Bit 6852; Dfl. 1072.
5056; RschL 394, 6. 847, 2; Er. 524. 953. 9475. B. sucht die
schreibuDg du «« Aio fOr die Kudrunvorlage wahrscheinlich zu
macben, und dieselbe mUsten wir an den von mir angezogenen
steilen, wo keine andere erklärung möglich ist, annehmen, dafür
leagt vielleicht auch Dfl. 5102 thu für dö, wie für die Schreibung
(tt — <im Dfl. 8777; flvWild. iv 89 du statt dm, Rschl. 172, 5
wmm du statt von diu, doch ist hierbei im hinblick auf andere
lesefehler einige vorsieht zu empfehlen, vgl. noch Dfl. 9165
mHg für rimne, die Verwechslung von rewe und rouwß Kudr.
287, 3 und rewm und routoen 936, 1 deutet auf ruwen, wie ja
haulg in handschriften übergeschriebenes o weg blieb, auf diese
weise konnte auch huote Kudr. 231, 1 als Uute gelesen werden. «^
omgekehrt wie Kudr. 10, 1. 1476, 2 steht ir für i$ Bit. 1836
(mir statt noie 9002); dagegen Er. 8103 die statt dir, 5601 schein
statt sckrfn. firambde für friunde findet sich Er. 2682 und so muss
Kadr. 313, 3. 1213, 3 freunde gerade nicht aus fremde verlesen
sein, sodass diese form für fremde der vorläge notwendig zu-
käme; freunde für freude ^ («» Kudr. 314, 3. 550, 4. 707, 2) bietet
unsere hs. Rschl. 135, 1, freunthaffter für freudehafter Bit 5242.
Nehmen wir noch hinzu dass lesarten wie waychent für un-
hmde Bit 3680, rechte für recke Dfl. 2919. 4484. 4878. 5515.
6298, Dietiriehen für die redcen 8195, nahm für nadcei Rschl.
866, 6, die erden steh f Qr dd er dsti iie 847, 2, licker für gtk&t
Er. 7301 den gebrauch von ch statt e, k beweisen, so wird man
sieh kaum der Überzeugung verschUeben können dass die von
mir verglichenen gedichte auf einer vorläge basieren, die in vo-
calisBUs« eonsonantismus und nicht minder in graphischer
benehung den gleichen character trug, wie ihn B. für jene der
Kudmn nachwies, und zwar leitet die gesaramtbetracbtung auf
die erste halfte des 14 jhs. dazu stimmen noch andere
m lesefehlern sich ergebende buchstabenformen, auf grund
> wenn B. s. 49 sagt: 'gefolgert werden iniisB die aUertSmliche
icMboBf frowed€ sUtt Mt*de ans 1352, 2, wo die ks. hei wm er da
teUtur frawen seläed statt wom er dd sehtener frautoen von ir fraweden
fehiä\ 80 lässt sich dagegen einwenden dass ebenso gut der abschreiber
nf firovden, was frowen grapbisch sehr nahe kommt, übergesprungen sein
^(*ui. so »t ancb Br. 6449 fl'ettde (In der vorläge wol frovde) in firaiwn
Ycricaen.
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142 DAS HELDENBUCH AN DER ETSCH
dessen ist man wol berechtigt, so lange die durchsieht der
übrigen in der Ambraser hs. enthalteneu stücke nicht zu anderen
resultaten führt, anzunehmen dass das Heldenbuch an der Etsch
wesentlich desselben inhalts wie die von HRied angefertigte hs.
war, was aufserdem noch durch den Wortlaut von Maximilians
schreiben und durch die gruppierung der dichtungen unter-
stützt wird, dem einfachen kanzleischreiber darf man dieselbe
kaum zutrauen, und wenn er unter leitung eines mannes, der
dafür Verständnis hatte, arbeitete, so müsten notwendig alle hss.,
welche copiert werden sollten, vorher zu geböte gestanden haben,
immerhin wäre es in dem falle, wenn die gedichte dem ab-
scbreiber separat vorlagen, auch auflallender dass von den ver-
schiedenen hss. bis jetzt nicht ein einziges Matt aufgefunden
wurde, der vollständige Untergang 6ines ms. ist leichter er-
klärlich.
Gufidaun, august 82. OSWALD ZINGERLE.
WENZELEN.
Es ist keiner der schlechtesten beweise für das grundlos be-
strittene Vorhandensein von Schriftsprachen im ma., dass in den
Zeiten des Verfalles der titteratur fast plötzlich eine füUe neuer
constructionen , formen und worter sich einstellt, in ihnen er-
kennen wir die producte der lebendigen entwickelung, welche sich
in der Volkssprache stetig vollzog, aber auf die in engeren grenzen
sich bewegende Schriftsprache ohne einfluss blieb, es wäre darum
verkehrt, den in jüngeren deutschen dialecten zb. hervortretenden
Wortvorrat in allen fällen auf altgerm. oder gar arische formen
zurückführen zu wollen; denn manches ist ohne zweifei erst in
jüngeren perioden unter anlehnung an das vorhandene neu ge-
schaffen worden, besonders die flaihigkeit, nuancen des verbal-
begriffs durch formverflnderung anzudeuten, scheint sehr lange
bestanden zu haben, und eine erschöpfende beobachtung des ein-
schlägigen materials dürfte auch für die erkenntnis älterer sprach-
bildung förderlich sein, am einfachsten werden verbalnuancen durch
die unter dem namen der frequentativa bekannten Wörter ausge-
drückt; man darf einen beweis für das jüngere alter vieler der-
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WENZELEN 143
selben darin erblicken^ dass das nh, welches sich im ausgehenden
ma. und im anfange der neueren zeit sehr enge an die Volkssprache
anlehnte, besonders reich daran ist die menge dieser frequenta-
tiva lernt man leicht kennen aus der vortrefflichen, bei uns nicht
nach gebühr bekannt gewordenen Sammlung von AdeJagerJ der
durch zahlreiche arbeiten um das Studium des nl. hochverdiente
gelehrte stellt darin die bildungen auf -dm, -eren, dann die auf
-nen, -dam, -g/ten, -ften und -^gen zusammen, und im anhange
fflgt sein söhn noch die vom vater behandelten ^scheinbaren fre-
quentativa' hinzu, können wir auch nicht überall mit de Jagers
ansichten übereinstimmen, so verdient doch der unermüdliche eifer
unsere unbedingte anerkennung, mit welchem er aus der um-
fangreichen litteratur das material gesammelt und die geschichte
der Wörter verfolgt hat.
Die bildung der frequentativa auf -eren und -efen ist an sich
sehr klar, aber gerade dieser umstand scheint dem richtigen ver-
sUndniflse eines wortes, nämlich des verbums wmtetm, hinderlich
gewesen zu sein, in so fern als man eine dort vor sich gegangene
lautdifferenzierung übersah, meines Wissens ist dasselbe nirgends,
auch bei de Jager nicht, richtig erklärt, wentden (se volvere)
ist bereits im mnl. ganz geläufig, im Reinaert bewegt sich der
verwundete bflr, da er seine füfse nicht gebrauchen kann, fort,
indem er abwechselnd over sinen staert rutscht und wentek (975.
981). wegen sonstiger citate aus dem nl., wo das wort noch
heute, transitiv und reflexiv, ganz gewöhnlich ist, verweise ich
auf de Jager i 883 ff. neben wetUden hat das mnl. und ältere
nnl. auch mtUden mit einem vor nasalverbindungen nicht seltenen
lautwandel. hier kann auf die einführung des t allerdings noch
ein anderes moment von einfluss gewesen sein, nämlich die an*
lehnung an winden, wentelm und wyntden hat auch der Teu-
thonista, daneben eine verschobene form tventzdm, und auch in
den deutsdien dialecten am Nieder- und Mittelrhein ist wmzden
noch heute geläufig, im nd. stimmt wentden ttberein. die nl.
Wörterbücher fassen das wort als frequentativ zu wendm, wobei
das (nach aasweis des verschobenen wmzden) germ. t unerklärt
Ueibt. wentdm ist vielmehr, wie die bedeutung über allen zweifei
erhebt, frequentativ zu wdtan, waU oder zu wdtan (*wal0'an), mit
* Woordenboek der freqnentatieven in het nederlandscb door dr AdeJager.
xwei teile und anhang. Gonda 1875. 187S.
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144 WEISZELEN
differenzieruDg des ersteo { zu n. das nwvl. subst. wetUel (de Ba
1390) kann aus dem verbum abgeleitet sein: diese bildungsweise
begegnet im ol. häufig, aber die aulehnuDg des verbums an
wenden und winden ist nicht erst neuen datums; nur durch
sie erklart sich Kilians Schreibung wendtden und windiekn. in
der tat fliersen im nl. die beiden Wörter wendden und wenteHen
in einander, wie man aus den beispielen bei de Jager und im
Woordenboek der nl. taal unter omwenteten^ am besten aus
wentekrap für wendeUrap ersehen kann, für meine ansieht lässt
sich vielleicht auch wantelen anführen , welches de Jager i 867
verzeichnet; es kann ebenso zu waUen gehören, wie wentelen zu
weUepk, und würde beweisen dass die differenzierung alt ist, dass
sie eintrat, ehe die gruppe alt zu out übergegangen war. in
derselben bedeutung wie wentelen ist auf nl. gebiete und auf
anderen auch weiteren gebräuchlich (de Jager ii 713). dies braucht
nicht einmal eine parallelbildung zu *weltäen zu sein, sondern
kann eine andere art der differenzierung darstellen, wie wanieUn
zu wentelen, so würde sich das gleichfalls vorkommende wauieren
(aus waüeren) zu weiteren verhalten.^
^ Eneide 694 1 hat die hs. E die 3 plnr. praet. waltzerten and Veldeke
selbst dürfte hier wol die freqaentativforin gebraaeht haben.
Aachen, 27 august 1882. JOHANNES FRANCK.
ZU WOLFRAM.
Gügerel, das iiki Parz. 145, 20 vorkommt, aufserdem im
Wigamur 3736, und schon vor Wolfram im Lanzelet 646. 4438
(gnldin was aln gügerel, ein bäum mit löuhem niki %e breit) und
im Reinhart 1337, ist in seiner bedeutung 'kopfschmuck d«
pferdes', im Reinh. ^kopfschmuck des leoparden' klar genof, aber
der Ursprung des Wortes ist, so viel ich weifs, noch nicht er-
mittelt, schon die endsilbe, im reim auf enel, zeigt romanischen
Ursprung, darauf führen auch die ersten silben, nur dass sie
die fremden laute nach deutscher art umgestalten, güg kann in.
coq widergeben : vgl. gollier für coUier und gunterfeit für cmUre-
fait. eoquerel könnte ursprünglich heifsen 'bahnenkamm', woraus
sich die Übertragung auf einen pferdeschmuck, seien es nun
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zu WOLFRAM 145
federn »der, wie im Lanzelet, ein mit blättern sich doldenartig
ausbreitender bäum, leicht verstehen liefse. ähnlich ist die be-
grifteatwidcehiDg von ceearde. nur lässt sich weder afr. noch
in den französischen dialecten diese bedeutung nachweisen, wenn
aoch andere t ebenfalls von jenem grundbegriff abgdeitete. co-
funBm sind ^grüne faaselnUsse, je drei an einem stiele.' bei
Godefroy Dict. de Fancienne langue fran^aise (Paris 1882) wird
tourd dnrch rmenäeur, cockerel durch marehand de caqs wider-
gegeben, wobei das zweite wort wenigstens die ableitung von coq
zeigt, allerdings teilt mir ATobler gOtigst mit dass das ver-
mutete afr. eoquerd wie nfr. coquereau und eoquerdle zu eoque
^mnscher gehören mtlste; afr. begegne auch coquille als bezeich-
Quog einer kopfbedeckung für weiber (nicht bei Godefroy, aber
Jefaan de Cond6 ii 218). auch an afr. cogoh (eutulla) lasse sich
deoken, von dem man cogoM und durch dissimilation coquerel
bilden konnte.
BM Wilh. 197,11. 316, 7 'zeit' ist, wie bereits ASchullz
Hof. leben 2, 219 bemerkte, afr. aueube, öfters in der Chanson
d'Alesefaans erscheinend, bei ionckbloet 4335 und sonst, zu
ginnde liegt lat. excuhiae. die widergabe des tn. au durch
dentsches e findet sich ebenso in ßuiUäm Mcumeiz^'^Guillaume
M amrt nm.
Die übrigen ebenso nur im Willehahn vorkommenden aus-
drucke für zeit, tuhmt, fr^ifmeHtn, sind noch immer rätselhaft,
ersteres mag in Verbindung stehen mit frz. kaant Jonckbl. 4334;
letzteres aus einem misverstündnis stammen, indem frz. premerain
irgendwie unserem dichter so begegnete, dass er es als 'zdt'
auffasfite.
Sotcbe misverstandnisse sind bekanntlich schon mehrfach bei
Welfram nachgewiesen; namentlich verdanken ihnen mehrere seiner
eigeuBamen ihren Ursprung, ein noch nicht bemerkter fall findet
sieh Willeh. 369, 1 von BaiHe Sinaguan. hier liegt zu gründe
JanckU. 5342 Sipwgon — Cfi ot Gfnllavme tnekit jwr m $a baillie
in aeioem gewabrsam' Dedmix Piderm,
Von einem anderen, vielbesprochenen Ortsnamen, Wilimbere
Pars. 230, 13 sagt Schade Altd. wb. mit recht, es sei ein ^name
verscliiedeiier borgen.' MHaept bei Beiger s. 275 citiert Mon.
Baica 16, 219. hier ist durch eine Urkunde von 1454 ein schloes
W. in der nahe von Schweinbach, bei Abensberg südlich von der
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146 ZU WOLFRAM
Donau, erwiesen, naher der beimat Wolframs liegt W., ein alter
rittersitz der marschälle von Ebnet, im bambergischen amt Burg-
kunstadt, bei Lichtenfels, halbwegs in der richtung auf Cronach.
andere Wiidenberg kennt die Bavaria v 3 (München 1868) bei
Schongau, Passau, Lindau, auf jeden fall braucht man nicht zu
dem durch die form unterschiedenen Ortsnamen Wädenbergen zu
greifen, welcher ebenfalls verschiedentlich voriiommt. für ein
Wildenbei^en bei Ansbach wird als heutiger name Wdilenberg
angegeben, den ich doch auf keiner karte und in keinem topo-
graphischen handbuch gefunden habe.
E. MARTIN.
VELDEKES SERVATIÜS.
MÜNCHNER FRAGMENT.
KikrzUch löste ich von einem der Staatsbibliothek gehörenden
gedrudcten buche, welches auf seinem deckel von einer hand da
15/6 jhs. den vermerk Johannes Poltz ex Nürenperga trug (es
ist inxwischen als dovbktte verkauft), zwei unmittelbar oi» ein-
ander passende pergamentstreifen mit schrift aus dem ende des
12 jhs. ab. mit Steinmeyers hilfe ergab sich dass sie dem Tel-
ddeeschen Servatius angdUfrten und die w. n 2064 — 2117 der
ausgäbe von Bormans enuhielten, beide streifen sind je 4 ew.
breit, der äufsere 14, der imiere 15,5 em. hoch; in folge dessen
fehlen auf der Vorderseite die anfange, auf der rUckseite die enden
der Zeilen, offenbar wurde, wie sich leidU durch berechnung der
feUmd/tn buchstaben ermitteln lässt, ein quartbhut von ca. 13 cm.
breite und 16 cm. höhe m 3 Idngsstreifen zerschnitten, von denen,
wie gesagt, noch der mittlere und der dufsere erhalten sind, inr-
dem ich im folgenden den inhaü beider streifen diplomatisA getreu
abdrucken lasse, den Bormansschen text aber der leichteren oriei^
tierung wegen am fufse der seiten mitteile, bemerke ich iüm^ das
fragment noch folgendes : die einzelnen verse sind meht abgesetzt,
sondern durch punete von einander getrennt; zum teil begismen
sie mit grofsen buchstaben, welche wie die sonst vorkommenden
majuskeln rot verziert sind, in den fällen, wo vers- und Zeilen^
an fang sich dedcen, ist der grofse anfangsbuAstabe (auf der rüde-
Seite) vorgerückt, die formen des eigennamen Servatius erscheinen
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VELDEKES SERVATIUS 147
ttets (aufior rilckseite z. 10) durch rote striche darMer und darunter
herwrgdioben.*
/* aut dem neuen brue/utücke ergibt sich vor aUem die tatsaehe,
dau die einsUge voUtiändige he, des Servatius auslassungen und Willkür^
lieh» Snderungen erfahren hat denn nach v, 2078 fehlt ihr ein reimpar :
Rike ende gode Bit (dann muss irgend ein adjeeUe gestanden haben)
rnude; 9. 2087 hat sie unier angleiehung an v. 2080 entstellt; in den
m, 2103. 4 Seote Seruases gebeines, des heileges ende des reines hat sie
dm partttiven geneäv fortgeschafft und die zweite zeile anders gewendet
auch abweiekungen in geringfügigeren dingen mangeln nicht, St.]
y^rierseite: ge biscope teuere.
de te patrone. des had
lone. Dat hene dekke
dar siner helpe gerede.
5 wale benonden. te ue
r stunde. Dahe in grote
8. daheme erloste sente
as. Dat weste der keiser
war. du stigtedeher te
10 e selue keiser henric.
1 biscope] p zum kleineren, e zum gröfseren teile zerstört f vielleicht
kst dahinier noch ein n gestanden, teuore] u gröstenteils zerstört,
2 de] vom d nur ein geringer rest vorhanden, 3 lone] von 1 nur 100-
nige spuren, 6 r stände] vom r nur die zweite hälfte erhalten,
1 von dem die zeile beginnenden s ist nur ein schatten sichtbar,
10 das erste e teilweise abgeschnitten.
Allen heiligen Busscopen te voren,
2065 Te beeren ende te patrone.
Des badde by dat te lone,
Dat b'yne decke gbeneerde
Die synre bulpen gheerde.
Dat hadder wale boTonden
3070 Te voele mengben stonden,
Daer bi in groter vreysen was,
Da boem Yeiloeste Sinte Servaes.
Dat wiste der Keyser wale Yoerwaer.
Doen stiebte by te Gozslaer,
2075 Die selve Keyser Heynryck,
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148 VELDEKES SERVATIUS
faus harde herlic. Atee
da wale siet. prouedeo he
it. Rike en gude. bit
lüde. Di gtat di wolder
15 t godis hu8 deder wien.
lele gehere. iotwer a
ere. lüde ende Symonis.
s patroDis. Sines here
de was. de genedege sete
20 en drin widement all . . .
t godis hus in boren
ne sente Seruase s . . .
Rückseite: sin mut. want he dede
gut. Ane heme hadde
11 has] der senkrechte balken des h fehlt 15 das die zeile be-
ginnende t nur teilweise erhalten. 17 ere] von dem ersten e nur
schwache spuren. 18 das erste s nur teilweise erhalten, desgl \^ das
erste d. 20 ah . . .] a scheint aus o CQrr,^ nach i noch schatten von
buehstaben, 21 hören] von reo nur die obersten spitzen vorhanden,
22 vor ne ist der rest eines roten striches wahrzunehmen.
1 mut] die obere hälfte des m beschädigt, want] von w nur die
oberen spitzen, von a die zweite häl/te erhalten, der punct vor want er-
gänzt 2 hadde] von e nur die obere hälfte vorhanden.
Eyn Goids huys herde eerlyck,
Als men noch wale syet.
Provonden hy daer toe beriet
Die stat die wolde hy yryen.
2060 Dat goids hnys dede hy wyen
Der Keyser voele ghebeer.
In tweer apostelen eer,
Sinte Jade ende Symoens,
Ende euch syns patroens,
2065 Syns beeren, die der deerde was,
Die gbenadighe Sinte Servaes.
Den dryen dede byt wyen te samen,
Dat Gods hnys, in baren namen.
Aen Sinte Senraes stont syn moet,
2090 Want fay dede bem mennich goet;
Aen heme badde hy groten troost,
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VELDEKES SERVATIUS 149
want hene decke had
was sines herte ligt. s
^ 5 der du tetrigt Te aeii
houestat sine bruder
Den profste uanden do
ken eä den costi'e. End
ren allssamen. te eren
10 ses nain. AUen sine ho
sende wolde. Sente Ser
nes. des heileges ende d
Te siaen nuwen werke, t
sine kerke. He woldet g
15 ende sine lof ermere. S
üiiffi. dat wolder fmer
Diwile dater mugte lei
6 brader] darnach noch der »chatten eines buchstaben. 7 do] o
UilweUe fortgestknUien, 10 nach ho noch spur eines L 13—16 die
iMen hteksiaben mir taüweise erhaUm,
Want hyne decke hadde ferloest:
Hy was syns herten liecht
Syne boden sande hy te Triecht,
2096 Te Sinte Senraes houft sUt.
Synen Broederen hy des bat,
Den Proeste vanden cloester,
Den Deken, ende den Cöster,
Ende den Broederen al te samen,
StOO Ter eeren Sinte Servaes namen,
Ende allen synen holden«
Dat sy heme senden wolden
Van Sinte Servaes ghebeyne.
Des Confessoers en Busscop reyne,
jm Te sif'nen nuwen werke,
Te verchieren syne kerke:
*Hy woldet gheme eeren,
Ende synen loff vermeeren
Den heilighen Sinte Servacium;
1110 Dat woude hy ommer gheme doen,
Die wyle dat hy mochte le?en.'
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150 VELDEKES SERVATIUS
stens heme idog nit g
was heme leit dohet
20 triebt he du selue qua ^
tiden darna. he warf
. . . en da. Dat si gedr
18 doM letzte g teihtmte abgeeekniUen, 20 qua] a teilweite ab-
geschnitten, 21 tiden] von tid sind nur die oberen hälften vorhanden.
warf] f teilweise abgeschnitten. 22 gedr] r teilweise abgeschnitten,
Sy en doerstens hem doch nyet gheven.
Dat was hem leyt doen hyt vemam;
Te Triecbt hy doen selver quam.
2115 In corten tyden daer nae,
Hy werff aen die beeren dae,
Dat sy ghedroeghen over eyn
Die deutschen gedickte von Servatius, dasjenige Heinrichs von
Yeldske und das des Anonymus (ed. Haupt Zs. 5, 75—192), gdien
natürlich auf lateinische quellen xurück, welche schon Haupt
»um teil nachgewiesen hat. weder die erzäUung in Hörigere Getta
pontifieum Tungrensium usw. (Auetores qui gesta pontifieum Tun-
grensium scripserunt usw. ed. ChapeaviUius 1622, MG SS 7, liAff
und AA SS 13 mai) noch die Vita Servatii, welche gewöhnlieh in
den aüen hss. steht (auch in den Münchner hss. 18854 saec. xi
lind 21551 saec. xu) und in den Analecta Bollandianai (1882)
s. 94 — 104 gedruckt ist Ad illuminandum ... in principe sine fine,
können diese quellen sein, denn hier kommt nichts vor von den
enthÜUungen des Armeniers Alagraeeus, nichts von den zahlreichen
wundem. Henschen hat in den AA SS «um 13 mai viele solche
wunder veröffentlicht, man weiß nicht, aus welchen quellen, da er
von vielen verschiedenen hss. spricht, eine hauptqudle war ihm
jedesfalls eine schrift des Jucundus, welche am scUusse des
11 jhs. verfasst sein soll. Henschen erwähnt dieselbe zum 13mat
öfter und hat aus ihr in der einleitung zum 7 band des mai
(s. xxi) einige stücke veröffentlicht, eine andere fassung der legende,
welche nach einigen dtaten in seinen noten auch Bormans kannte,
fand ich in zwei Münchner hss., cl. 7769 saec. xii, die ich hier
besonders benutzte, und 17140 saec. xn— xiii. viele stücke stmmen
fast wörtlich mit dem, was Henschen drucken liefs, andere gd^en
denselben inhalt in ähnlichen worten. doch finden sich hier so
viele historische notizen oder andere stücke mdir, dass ich nicht
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VELDEKES SERVATIUS 151
annehmen kann, unsere legende sei mit dem Jucundus des Ben-
KJbi identisch und nur Henschen luAe dieselben weggelassen, son-
dern dass ich glaube, kurze zeit nach Jucundus habe ein stilge-
wmdier, sehr belesener und fanatischer Verehrer des Servatius den
text des Jucundus verschönert und durch theologische betrachtungen,
moie durch notizen über die gesMchte der friAereih zeit, ins-
htumdere aber iüfer die neuesten Schicksale seiner kirche vermehrt,
und diese iOferarbeitung liege in den beiden Münchner hss. vorA
So lange wir also Jucundus nicht genauer kennen, Idsst sich
über die frage, welche kUetnische schrift Heinrieh von Yeldeke und
äer Anonymus verarbeiteten, kein endurteil fdUen. aber unsere
leteinische legende steht dieser quelle offenbar sehr n<Ae. das zeigt
der umstand, dass die reihen folge der wunder in unserer legende
und in dm beiden deutsehen gedichten mit einer unbedmUenden
eumahme am Schlüsse genau übereinstimmt; wenn auch femer
diese diduer die häufung von namen und historischefi tatsachen
vermeiden, so findet doch von dem, was unsere legende mehr hat
eh Henschen, wenigstens einiges sieh in den gedichten benutzt.
In beziehung auf den ersten teil der legende, das leben des
Servatius selbst, sei nur bemerkt dass das, was Henschen (mai
temus vu 5. xxi. xxii) aus Jucundus iUfer die enthÜUungen des
Arwieniers Alagraeeus hat drucken lassen, hier in einer Überarbeitung
gegeben ist, welche, wie viele stiUke unserer legende, sich auch in
den Zusätzen des Aegidius zum Hariger (bei ChapeaviUes) findet,
dass dann aber weiter fortgefahren wird addidit quoqoe Alagraeeus
de loco nativitatis eiua, quod nomen oppidi Phestia, nomen terrae
Hebrea, nomen regionis esset Persia.
BelArender ist es, das zu vergleichen, toas von den wundem
enihU wird, also bkut 25—57 der hs. 7769 mit Yeldeke buch 11
und Anonymus vers 1724—3548.
Fol, 27* — 28* gesdiiclUe der kämpfe gegen die Goten und
gegen die Hunnen vor Attila: fehlt bei Veld, und An.
Fol 28*— 30^ geschidUe Attilas bis zu seinem tode: Veld.
1—217; i», 1724— 1813.
> di0 Münchner h$. 23422 iaec. xv efdkäU eine Fita des Servatius
(ohne die wunder), welche »war die anfangsworte Ad illuminandam usw.
au* der allen legende abgesehrieben hat, weiterhin aber die fabeln des
Alagraeeus bringt, also eine Verarbeitung unserer legende oder des Ju-
cundus ist.
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152 VELDEKES SERVATIUS
Fol 30**. 31* zunehmende Verehrung, umnder: gtaaz iher
der kirche; weder emsturz der kirche, noch regen oder seknee ver-
letzt das grab; palUum auf dem grabe: Vdd. 218—291. 292 Us
350. 351 — 375. 376—406 (palUum fekU); in. 1814 — 1832.
1833—1843. 1844—1866. 1867—1899.
Fol. 3V coneil zu Orleans, klage über das unglüdc der stoA.
bisehof Agrieolaus: Yeld. 407—479; in. 1900—1930.
Fol. 32* bisehöfe bis Monulf (loco duodecimo a B. SerTatio
MoDulfus: vgl. Haupt zu An. 1931 D^ch dem der dolefte ver-
schiet): Veld. 480—504; An. nur 1931.
Fol. 32«'' Monulfs Stiftungen; YeU. 505 — 540; An. 1932
bis 1947.
Fol 32^ geheul in einem widde, wo die teufd um die sede
eines verstorbenen forsten streiten; Monulf befreit dieselbe: FeU.
om.; An. 1948—1991.
Fol 33* bisehof Gundelf bejammert die Stadt; der aufhau
wird verhindert prodigio luporum vespertinorum, terrae motu,
miDaci fulmine: An. 1992—2000. Yeld. liefe das weg, dafOr be-
handelt er hier (541 — 553) die bisdUffe, welche in unserer hs. erst
fol 36* genannt werden.
Fol 33^ — 35*" Karls sieg über die Saracenen. die trandatis
der gebeine des Servatius : Ball § 29. 30 ; Yeld. 554—669. 670—940 ;
An. 2001—2154. 2155—2260. Leg. nennt ausdrüdcUch Karl
den grofsen; darnach sprechen Yeld. und An. (vgf. Haupt wu 2001
und 2266) nur von Karl; der Carolas MarieUus bei Bett. § 29
beruht wol nur auf einer eorrectur Henschens.
Fol 35^ 36* tag der translatio m Id. Jun.: vgl. BoU. $ 31;
Yeld. 941—947 ; An. 2261—2265.
Fol. 36* Karl feiert ostem in MastridU: BoU. § 34 G; YM.
948-958; An. 2166—21,75.
Fol 36* heilungen: BoU. § UD; Yeld. 959 — 981; in.
2276—2294.
Fol 36* Karl liest die miraeula Servatii: BoU. § 341»; Tdd.
982—1007; An. om.
Fol 36* büchöfe: Ydd. oben 541—553; An. om.
Fol. 36^ einfaU der Dänen (DoDorum hs.): BoU. § 341>; YeUL
1008—1052; An. 2295—2324 (ungern).
Fol 36*" herzog Heinrich bringt des Servatius stola und stsA
in ein von ihm gestiftetes kloster: BoU. § 35 £; Yeld. 1053—1168;
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VELDEKES SERVATIUS 153
in, 2325—2342. in leg. geht eine lange einkitung voran: Lo-
thario Francorum regi festivitatem natalis dominici Colooiae ageoti
Heioricus Saxonum dox occurrit . . nepos regis fuit . . gladium
trabeato a tergo portavit . . usque fluvium Osnam abeuntem regem
comitatns dux regium duxit gladium filiusque illius Otto clipeam . .
dedit eis quicquid Osnae Renoque interiacet in beaeficio (Lotha-
riam). An. Übergeht diese erzdhhing, Veld, berilhrt sie, doch heifst
der känig Ludwig, Karh sahn.
Fol 37'— 38' Otto bringt den leib des Servatius nach Sachsen;
durtk raub kommt er wider zurUdc: Bott. § 35. 36; VeU. tt69 bis
1286. 1287—1541; in. 2343— 2365. 2366—2404.
Fol 38' gut in Koblenz: Boü. §39; Vdd. 1542—1651; An.
2405—2429.
Fol 38*» Weinberg bei Mich: BoU, §40; Veld. 1652—1759;
An. 2430—2458.
Fol 39^ Gisilbertus dux et uxor: BoU. § 37. 38; Veld.
1760—1841. 1842—2202; An. 2459—2475. 2476—2544.
Fol 39^ — 40 Cendebaldus tempore Conradi imperatoris:
Bott. §41; Veld. 2003—2048; An. om.
Fol 40* — 41' kaiser Heinrich ii und die goldschmiede: Boü.
§42; F«M. 2049—2234; An. 2545—2611. da unser fragment
gerade in dieses stüdc fdüt^ wiU ich angeben, wo die hs. bedeutend
von Henschens druck abweicht : nou iDferiorem operum insignitate
novit: ins. [praeterire] noluitJST; Goslariam tripudians remeavit:
gioriaudo tr. r. H; quippe qui haud quemquam viventium iner-
rabilius per artem malleatoriam quam se quicquam effigiari posse
ant nosse iacta?eraDt: q. quod h. g. inventum iri, qui iuerr. . ^
effigiare posset aut nosset iactaverant H; comminus astitit: com-
fflmiis ast. H; oroma: visionem H. also fast nur schreibfeMer
oder interpolationen Henschens oder seiner vorläge.
Fol 41'— 42^ kaiser Heinrich ii und 40 gefangene: BoU. § 52;
^eU. om.; An. 2612 — 2767. Leg. hat eine reihe zusdtze, die im
An. verarbeitet sind, aber bei Boü. fehlen.
Fol. 42^. 43' Primo imperii sui anno cum regni aui forte
coDsulibus residens Traiecto, basilicam a xii episcopis . . dedicari
statnit xfi ans . . (in missa) cantum omnem ab omnibus (epi-
scopis?) universaliter iussit cantari. quod . . ingenti extulit favore
curialis turba , potissimum qui de Italia venerant et Burgnndia.
H. liest das buch von des Servatius wundem und erzählt, wie ihm
Z.F. D. A. XX VII. N.F.XV. 11
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154 VELDEKES SERVATIUS
schmi ah kncAen Serv. tue künftige herschaft verheifim habe: om.
Bell und Veld.; An. 2768—2793.
Fol 43*'* besitzung bei Jülich: Boll §44; Veld. om.; An.
2794—2862. Leg. und An. haben mehr ah Boll.
Fol. 45* (44 ist überzählt) blutendes gewebe: Boll. § 43; Vdd.
2235—2324; i». 2863— 2894.
Fol 45*". 46* zu Andernach wird ein gewalttätiger Schirmherr
von einem baren getödtet, ein zweiter vom pferde abgeworfen: BoU.
§ 45; Veld. om.; An. 2895—2942. 2943—2989. Leg. und An.
haben mehr ah Boll. so erklärt sich der von Haupt zu An. 2897
und 2959 gerügte irrtum aus dem anhange in Leg.: Sublato..
Heinrico ii ipsiusque filio Heinrico tum rege quarto, po8t autem
tercio imperatore' . . Anno S. AgrippiDensium presul ideinque
Lnclilissimi regni consur ^isw. interessant ist die Schilderung des
Pferdes instratus ostro pictoque tapeti monilibus frontem peclus-
<}ue preÜDnieotibus lasciviens fulvumque duris sub dentibus aurum
mandeos; vgl. An. 29\S. dann ^inter bestias, quae comitari pri-
matum aolent potentias', ursus forte tenebatur secus viam.
Fol. 46^ strafe des palatinus Heinricus und des Gothefridus
Lotbariae dux: ähnlich Boll. § 46; dodi hat Leg. mehrere auf-
fallende Zusätze, so: Heioricus palatinus 'et marchio Ilaliae' . .
coDtra pontificem Coloniensium Aononem bella ciens Hnque moDte
Sigiberto castrum bostile constitueDa.' Gottfried 'nee priscis
Laomedontiaduoi nee Micenarum laudibus ia arte bellica post-
habendus' erzählte den träum, den er in Italien hatte, 'postea mo-
nachis quibuadam, illi Gothefrido ipsius filio, Gothefridus juoior
Dostratum nonnullis, illi nobis*. Veid. und An. haben diese und
die folgenden wunder weggelassen; An. entschuldigt sich deshalb
V. 2990 — 3007, indem er einen Übergang benutzt, welchen die Leg.
erst fol. 52* unten bringt.
Fol. 47*^ frau in der kirche: BoU. § 47; Leg. im anfang
'Gutlinbergensia' ut fama fert aaDctimonialis; fehlt bei Vdd.
und An.
Fol. 47^ 48* reihe von wundem, welche aluniDus quidam ex
ipsius (Servatii Trajeeteusi) coogregatione devota erlebte, zuerst
werden sündhafte schiffer erschlagen, die waUfahrer verschont: fMt
bei Boll., Veld. und An.
Fol. 48** bei der wallfahrt nach Rom wird ein begleiter (ein
engel) erwähnt: fehU bei BoU., Veld., An.
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VELDEKES SERVATIDS 155
FoL 49* ab eimt die canamker, weil da$ gdd anubUeb, keine
fMise legen, sang der knabe doek und fand zu hause dm gewöhn-
Ueken lohn: An. 3008—3046 (3025 er vaat einen pbenninc üf
eioem buoche : Haupi dlm für einem ; vgl. Leg. super libello su'o
Dummum . . iBYenit) ; fekk bei Bell, und YM.
Fol. 49*^ bei der Ramfakrt trinken mit dem jüngling 20 leute
yoem, ^ne dass das fass leer wird: in. 3047 — 3078; /eftb bei
BeU. und VeU.
Fol. 49** auf der rückreise über Basel und Würzburg erlebt
er folgendes: Erat tempus pluviale ibaturque per silvam per duo
fere miliaria . . Servatii nomen ingeminavit . . pueros comminus
in arbore duos quasi trimos considere conspexit. Eipavit . • Sa-
lutatus . . ab eis amantissime . . quaesivit, quinam fuerint vel unde
.. Uli nichil ad haec; sed aiunt Horrens ante vos decurrit ve-
hemens . . ne desolare . . venimus te consolari . .' Postquam ab
eis relinquitur, . . crucis signo seque iumentumque armans de-
scenderunt . . evasit ad litus; canonici nee pedem nee vestein
contaminavit flumen: fehU bei BoU., Yeld., An.
Fol. 50* demselben kleriker erscheint auf der rückreise von
Rem ein ehrwürdiger greis und erzählt in allodio B. Servatii quan-
tam contentionem Wernberus comes et Thebaldus atque Alu-
aqueoses pro tenninis eiusdem allodii cum Traiectinis babuerint
el quomodo in aqua iudicio veritatem rei probaverint et sortes
B. Servatio semel iterumque in preclaris ceciderint et quomodo
iD8uper illi scelus suum periurio confirmassent et quantas poenas
alius mortis alius captionis alius rei familiaris dispendio luissent:
fehlt bei Bau., Vdd., An.
Fol 50* Heinrich und Otto grafen von Brabant: Boll. § 49**;
feUt bei Yeld. und An.
Fol 51* mehrere angaben über die locdgeschidUe: horreo me-
morare, quomodo episcopus Renici Traiecti ^illehelmus res B. Ser-
vatii tamquam locum melioraturus sibi committi a rege concupierit
fiaudulenterque obtinuerit moxque Humbertum loci prepositum
calumniatnras illo ire contenderit, sed crudeli preventus morte
Qon perrenerit, Novimus quantas dederint ruinas ferro torre ac
rapina decernentes palatinus comes Herimannus et Namucensis
Albertus ceterique principes Lotbariae pro Castro Thalaheim . .
quantas qooque mortium penas dederint . . primi interienint
u*
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156 VELDEKES SERVATIUS
Herniannus cuius hereditarium idem erat Thalaheim et Hemmo
dactor militiae, deindeque Winaodus.
Fol bV". 52* die geheine des Servatius m Aachen tmd graf
Gerhard: Bell § 50, doch mU längerer eMeitung in Leg. comes
Gerharde Flamingonim illustrissime superbiensque proceritatis
gigantaae I . . ecdeaiam in vico Eitba uaurpana . . Gotescalco loci
preposito Aqqisgrani regias interpellante aures, eo quod cuocUe
possessionis B. Servatii res, ex quo nomen episcopale Leodio
translatum est, semper in manibus regum iiberi iuris constitis-
sent, postquam ex ore imperatoris et primorum permissa causa
est sententiis censorum, quidam senex . . historiam retexuit, qua-
liter Gisilbertus dux olim Lothariae instinctu coniugis suae Ger-
beriae, sororis videiicet Ottonis iunioris, ab eodem imperatore
Ottone desciverit armaque pro vendicando sibi regno commovens
a militibus regiis peremptus interierit. ... die form des eides
ist eine andere ut predictam traditionem sacrainento confirmareDt
ex more Septem nobiles. das tounder fehlt bei Veld. und An,
Fol b2*^ pauca de sola Servatii dementia super accumula-
bimus: vgl. An, 3006.
Fol. 52*» vom advena David: BoU. §51*; Veld. om.; An.
3079—3128.
Fol. 53* vom wahnsinnigen Langobarden: Boü. 51^; Veld. om.;
An. 3129—3178.
Fol. 53*^ vom gelähmten, dessen der canonicus Adelbert steh
erbarmte: Boü. § 53*; Veld. om.; An. 3179—3209. den anfang
hat Henschen komisch entsteüt. die Leg. berichtet Pauper paraly-
ticus ad beati viri memoriam esseda delatus (gefüeret üf einem
garren An.) extra ecclesiam iacebat perpetua fere anni hieme
(nämlich nur bis zum nächsten Jahrestag des Servatius) : bei Hen-
schen heifst es Pauper ab Esseda quidam paralyticus Walteras
nomine ad beati viri memoriam delatus extra ecclesiam plerisqae
annis iacebat.
Fol 53^ ein lahmer geheiU: BoU. §53^ Vdd. om.; An.
3210—3224.
Fol bA*^ von 28 schiffen wird eines gerettet, auf welchem ein
Flandrer nur den Servatius anruft, jene, auf welchen gott und olfe
heiligen angerufen werden, gehen zu gründe: Boll § 54; Veld. om.;
An. 3225-^3270.
Während bis hierher die rethenfolge der geschithten in der
•
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VELDEKES SERVATIUS 157
ktimmkm legmde, bei Vdddte und bei dem Anonj/mus geMU
iäereifuiimmt , ist sie am scUusse verschieden, denn Leg. hat
fol 55*<— 57* nur noch eine einzige geschickte von dem brabami-
tehen ritter, wdther erzählt, was er in der anderen web erhkt
hat: Bott. § 56. 57. 58. — Veld. hat zuerst diese gesshiekte
(2325 — 2587), dann eine zweite von dem gottlosen ßingUng in
oppido Niveilensi: BoU. §60. — An. hat zuerst 3271—3320
die gesdiiAte von dem geistUcien zu Köln, stark abweichend von
BoU. §59; dann 3321 — 3376 die geschidUe von dem goUhsen
jih^Ung BoU. §60; endlich 3377—3548, wo die hs. in der er-
zihbing abbricht, die gescUchte von dem brabanter rittet BoU.
§ 56. 57. vieUeicht sind die Münchner abschriften der Leg. am
iMuse gAürzt. doch ist auch im egm. 210 sau. xiv, welcher ein
umpendium der Servoiiussage m prosa (nur die vorrede ist ge^
reimt, nidu das ganze, wie im Catahg angegeben steht) enthält, die
reikenfolge der wunder dieselbe wie in der Leg.: tramlatio; be-
tchädigung des gutes; weinberg; goldschmiede und 40 gefangetse ;
pfemiing für wusseksen; schdmler gesund; pilgrim von Flandern;
riuer von Brabant.
Abgesd^en von dieser Verschiedenheit des Schlusses ist die enge
venoandtschaft unserer Uueimschen legende und der beiden deutschen
gediehte offenbar, die Untersuchung des Jucundus und einiger
snderen absdiriften unserer legende wird diese frage vöUig lösen,
hienm soUten meine notizen anregung und boden geben.
MünAem, november 1882. WILHELM METER.
AHD. GLOSSEN IN HAMILTONHSS.
1. nr 132, ein codex canonum des Qjhs., enthdU hinter den
wwnes unter der Überschrift Questiones de dinersis sermaoilHis
super canoD iDterpraetantibus folgende gesammelte gU., wekhe
mü den im zweiten bände der Ahd. gU. nr DLXxxfn' zusammenr'
gtUdUen übereinstimmen:
Seditiostts Nee non qui Sahim d^'oh dhoh
didtar in ruetka parabola Refricentur ribent
UBguech Inpudenter unscamalih
Oirescent dispicieDS. seu in Inhomaiiitafi. UDmanaheiü
nifttica proaerbia egiso Pernitio est. freisaest
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158 AHD. GLOSSEN IN HAMILTONHSS.
Iia duiDtaxat. sodhanneso; uel Coaqairioelque8ti.eoDplangere.
sine dubio chamea
SoUicitare halön Nihil obesse Nioa'^ehni terre
Soggestionem manunga Ignattia unattistaam
ObDoxius scolo Ludicnis eiauuigi
Proteruua abuh Seuus grimiior
Viaticum uueganest Austerius. grimU'^or
Cos cotis uuezistein Fraudes furationes nel feich
Eraergentes farsenchen Cogat capeitit
Vageqoe auui.'^aDte Seorsim sunttrigon
InpaDitua. damoatas UDgauui- Nisus cilenti
' ZlDOt
2. nr 542, Pmdtntius aus dm iO oder U jh. mit glU, wddn
mdemn tfüttr aufhören, darunter dmt9ch:
Anfractus cb^ra (P. Hipf. 156) Chirurgos arzata ^P. Rom. 501)
PerpoiiU innuDdurtu (P. Cypr. (Clienti) scalche (P. Rom. 523)
19)
BerUn. * W. WATTENBACH.
ALBRECHT VON SCHARFENBERG UND DER
DICHTER DES JÜNGERN TITÜREL.
Der dichter des Jüngern Titurei führt sich als 4cb Wolfram*
ein, indessen wirft er gegen das ende des Werkes hin diese maske
ab und nennt seinen wahren namen Albrecht, so in der Heidel-
berger handschrift nr 353, abgedruckt von Hahn , Strophe 5883
(im druck von 1477 fehlend):
Die auentevre habende.
Bin ich alhreht vil gantze.
ferner im druck von 1477 in der drittletzten Strophe (bei Hahn
fehlend):
Kyote Fkgetanise
Der waz her Wolfram gehende
Die aventeur xuo prise
Die bin ich Albreeht hie nadh im aufh^ende.
endlich in den beiden von Sulpice Boisser^ an der Heidelberger
hs. nr 141 gefandenen blättern (bei San Harte, Wolfram von
Eschenbach, Magdeburg 1836, s. 281. 282):
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ALBR. V. SCHARFENB. ü. D. DICHTER D. JUNG. TITÜREL 159
Ick Albrecht niemand swache,
Da» ist mir immer wilde.
Daz lob in niht zebrochen
Wirt von mir Albrechte ze keiner stunde.
über diesen Albrecht hat man weiter keine künde gewinnen
können ; es schien aber, als ob Ulrich Fdetrer den schlttssel des
geheimnisses in den banden gehabt habe, er nennt in seinem
Buch der abenteuer oft einen Albrecht von Scharfenberg, dessen
kunst er grofses lob spendet, und zwar ist derselbe gerade der
erste unter den drei dichtem, die Füetrer im eingange seines
Werkes, beim beginn der bearbeitung des Jüngern Titurel auf-
führt, in ihm vermutete daher Docen (Altdeutsches museum
1 135) zuerst den Albrecht des Jüngern Titurel.
Man schloss so (vgl. HMS iv216): der Jüngere Titurel nimmt
bei Füetrer die hauptstelle ein, bildet den grundstein des Buchs
der abefiteuer, und ihm ist die strophenform entlehnt; der dichter
wird also gewis dessen Verfasser am höchsten preisen und vor
anderen dichtem nennen, da nun Albrecht von Scharfenberg
zuerst erwähnt wird, so hielt man den rückschiuss auf dessen
Verfasserschaft des Jüngern Titurel für gerechtfertigt.
Man hat dieser beweisführang meistens -zu viel ehre angetan.
San Marte aao. s. 288 sagt geradezu : *Ulrich Füterer bezeichnet
darin den dichter des Jüngern Titurel näher als Albrecht von
Scharfifenberg', und mit derselben Sicherheit verlässt sich EDroysen
auf diese argumentation. die betreffenden Strophen lauten nach
cgm. 1:
1^7 Albrecht von Scharfenberge,
War ich mit k%m9t dein gnoss!
AUs ein Ris gen dem twerge,
Also ist mein kunst gen dir eben gross.
Sein lob ^ kuntzt du mit kunst uil pas gephiemen,
Oder von Straspurg her Gottfrid,
Des kunst man mag mit warhait wol geruemen.
PfaUtz alier engel wunnen
Hoch in der hymel tron.
Der frewd u>oU ich euch gunnen.
Mit euch dem künstenreichen Wolforan
* nlmlich dasjenige Senebors von Gapadocia.
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160 ALBRECHT VON SCHARFENBERG
Von Esckenwach des iiclu toas 90 durchveinet.
Aus für den tziegel der Jochant,
AUso sein kunst aus anndem tickten scheinet.
Graf, Ritter vnd auch dmeckte,
Die kunste sieh verstandt,
Dy sagen da% ich rechte
MU warhait vor; doch da pey pngeschanndt
SAIkn sein die edlen künstenreidken.
0 goU, sott ich dem münsten
mit meiner kunst »ue eben masz mit geleichen.
die oben dargdegle argumentation wird dadurch ganz hinfiUlig,
da86 dieee Strophen im akrostichon stehen« wo der dichter eben
einen Albrecht an der spitze haben muste^ weil er das werk
seinem herzöge, Albrecht iy, widmete, ob Aibrecht von Scharfen-
berg oder Wolfram in der vorliegenden steUe der hoher gq^riesene
sei, wird niemand entscheiden wollen; doch ist bemerkenswert
dass Füetrer den Albrecht in der Qbersicht über die bedentendsten
dichter, die er im Lanzeiot gibt, gar nicht erwähnt. ^ ich spreche
dieser stelle daher alle beweiskraftab und gehe von einer andern aus.
Nach dem tode Tschionachdolanders madit Füetrer der frau
Minne bittere vorwürfe wegen ihres treulosen handelns an ihren
dienern; sie aber hohnt ihn und erklärt ihm dann:
35% 9 Hör, lieber, ich unl dich fragen
auf dein pestte gewiesen,
Ynnd thue mir auch redu sagen,
Vnd pis der warhait auch gen mir gefUssen,
du hast gdesen fraw eren hof den sch&nen,
den her Albrecht von seharffenberg
thuet mit chunst vnd wortten so hohe krönen.
Drin hastu, gauch verbassen,
dir glesen dick genueg
dy artt von recfUen massen.
Wenn gar zu vil ist aller fueg vnfueg.
> am Schlüsse dieser übersieht beifst es 154*, 5:
RuedoU wirrig vnd vom Türlin
her Albreeht warn benetzet mit kuneten tawe,
dies ist woi ksom anders aufzufassen, als dass Füetrer Heinrich vom Tärlio
irrtümlich Albrecht nennt.
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UND DER DICHTER DES JÜNGERN TITUREL 161
dmw mos» woüt nye penüsgen den vil herren,
darumbe von tmmasBe
UU 9iek die nuue «u wunase auch vereheren.
Was das nidU vbermasse
darU mit den Galiothen
Ynd aus der weiskait Strasse
attaiH sue streäten so mit mengen retten?
Bin stardcen kid mag man auf wassere vnnde
Mit vnmasz so pehden,
das er muesM sineken von vnmas» gar %u gründe.
kann man hier den eren hof vielleicht mit dem Jungend Titurel
identiflcieren? Docen, welcher diese stelle kannte (YgK Museum
1 136), hielt es nicht fQr recht wahrscheinlich, wobei für ihn das
grOste bedenken darin lag, dass der Jüngere Titurel seiner ansieht
nach für ein werk Wolframs zu halten war, das von Albrecht
nar ToUendet worden sei. diese ansieht ist nattlrlich längst auf-
gegeben, und die gestellte frage bedarf einer erneuten erOrterung.
Die bezeichnung ain eren hof kommt am ende von Füetrers
LaDeekC fQr den hof des Artus vor, sodass es also wol möglich
vire dass man den Jüngern Titurel in dieser weise betitelt hätte.
347% 5 Nvn sedu, fraw wellt, getrawen
sol euch n^emandt %er weit;
wer vil auf euch tuet pawen,
dem gdft ir nidU wann rew zue widergdt.
sedu wie habt Ir ain eren hof zeret(fret,
Ir wUfcht euch sd^amen soUieher tHdc,
fraw weHt, wo man das ymsner von euch höret.
in Buch der abenteuer foL 23% 8 wird die tafebrunde der eren
iefü genannt es entsteht nun die frage: finden sich stellen im
Alogern Titurel, welche dy artt von rechten massen lehren? dies
ist in der tat der fall , vgl. in Hahns abdruck :
1699 An dem vierden morgen.
den ersten hodmten.
Fvrbax da niht enborgen.
woUen si di orss zv velde riten.
Artus gebot man soll also niht mere.
Der vbermazze volgen.
daz sich die frevde in trovren iht kere.
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162 ALBRECHT VON SCHARFENBERG
Strophe 1877 — 1881 wird die mäze besonders verherlieht, zb.:
von vnmazze wart Ivcifer ein helle gerte (hauptmann der holle).
Zv vü ZV klein sdiadet an allen dingen usw. 2271: Swer sidk
durch pris erwerben kan vergahen. Die eit an rehter mazze.
mvgen sich werder wir de baz genahen. 4146: Swen nach genvge
ZV rehte niht wil genvgen. Vnd gerl der vbermazze, dem kun
die mazze daz erger teil gefvgen.
2444 Sie sprach dv habe zv mazzen.
tvmei tmd hohzite.
Vnd solt ez ntht gar lazzen.
die mazze gesigt mit eren an allem etrüe,
Dv mäht der vbermazze so sin pflegende.
Daz dine kvnickn'che.
kovm gein einer graschaft toerdent wegende.
2445 Vnd wer oveh vbermazze.
ist aUe zit die habende.
In hoher eren sazze.
Wirt in daz gesinde fvder schabende.^
aufser den angefahrten gibt es noch manche solche stellen, und
es isC verlockend, darauf hin die Verfasserschaft des Jüngern
Titurel für den Scharfenberger als durch Füetrers Zeugnis e^
wiesen anzunehmen, allein dass eren hof eine Überschrift des
Jüngern Titurel sein könnte, beweist noch nichts, und die
stellen, welche sich auf mafse und unmafse beziehen, bieten auch
keine voUgiltigen beweise, denn der darin enthaltene gedanke
kommt in sehr vielen anderen gedichten auch vor. der name
Albrecht ist natürlich keine stütze; Albrechte gab es in menge.
Zum glücke findet sich aber ein besserer anhaltspunct. von
2'', 7—3% 7 schreibt Füetrer von Anfortasse und Trefretzeni ain
Wenig, und zwar folgt er dem ix buch des Parzival, gibt aber
die erzfihlung Trefrezents in chronologischer reihenfolge unter
hinzunahme der bezü^ichen stellen aus dem x und xni buche,
sowie des Jüngern Titurel.
Hit dem Parzival beginnt er, und bevor er die Schilderung
des kostreichen hoffestes auf Floritschanze dem Jüngern Ti-
> ich lese: gutoinde furder. es soll darin eine motiviemng des Un-
falles liegen, der Artns dnrch Glingsors franenranb zugestofsen ist, weil er
SU freigebig und in den festlichkeiten zu verschwenderisch war (der druck
liest 122', 2: geHnde sunder).
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UND DER DICHTER DES JGNGERN tlTUREL 163
turel entnimmt, zeigt er an dass er jetzt einer anderen quelle
fdgen wotte:
2% 11 Nun hört ain ander märe.
Ick muess ye fürpas greif ffen.
Wie der uil Mepäre
Anfortas ain tail ifn Hess entscUeiffen
Ordnung des Grales; frau mtitn thet in das^ raissen.
Vnnd Orgulus de logroys
Durch die muest er in nott seyd dick erschwaissen.
darauf folgt die Schilderung der Vorbereitungen zum feste und da
steht die wichtige stelle:
2"*, 3 Do ward auf Floritschanze
Dy erd so i)ber decket,
pauilun mit färben glantxe.
Der zelUe schnHere waren weitt erstrecket.
her wolforan mit kunst es hat gepreyset,
kain man nie lebt auf erden,
Der säch ain schar so gar geparadeyset.
dass sich Füetrer dabei wol bewust ist, eine geschickte aus dem
Jflogem Titurel zu erzählen (denn das fest auf Floritschanze
kommt im Parzival nicht vor), bevFeist auch der schluss dieser
kleinen episode:
2^, 9 Ettlicher nicht enperen
mit frag mag diser ding,
Wairumh ich von den heren
ledlichem sunder nicht ir tat für pring,
Und manichem thet an preis vil wol gelingen,
Der wartt der rechten stunde,
ick nag von iedlichem noch sunderUngen.
Das ich euch nidit zue gründe
Dy abentewr mag sagen:
Es ndm zue lange stunde
Vnnd möcht da nit peschehen in manigen tagen,
Vom prackensail vnd Tschionachtolander,
Von der prugk vnd Morroches her,
von zawberey, von ain vnd auch von ander.
darauf folgt dann wider die benützung des Parzival.
s B! des, schwanken zwischen des ond das begegnet in den band-
sduiflen gegen du ende des ISjhs. sehr oft.
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164 ALBRECHT VON SCHARFENBCR6
E8 i8t demnach völlig sieher dass Fdetrer den
Jüngern Titurel für ein werk Wolframs hielt, wie ja
auch Püterich (Ehrenbrief str. 58. tOO).
Es erübrigt noch, einige stellen zu betrachten, die mit dem
gewonnenen resultate in Widerspruch zu stehen scheinen, bei
der erzflhlung der kühnen taten Senebors von Capadocia, wozu
. natürlich der Jüngere Titurel als quelle dient, sagt PQetrer:
1^, 5 Herren und diener mnnder
er maniehe hurst durchrait
Gar vil seUzamer umnder
Im u>iedergieng in aw auff vM vnd hayd.
Das er mit sig ye ward der Imhgepreyset,
Ah mir dy awentewr gieht
Vnnd Mörlin mich ddrlich vnntenoeyset.
2% 1 beginnt der tempeibau, der aber nicht, wie im Jüngero
Titurel, weitläufig geschildert wird, sondern Füetrer sagt einfach
dass weder kaisers noch kOniges macht, weder Kaucasas, Triba-
bilot noch Alexander der grofse ihm zu gnossen vermöchten,
darauf fährt er fort:
2S 3 Das ich euch nicht wil trengen
Nach wane diser aach,
Dqrumb hört geware sueugen:
Kioth, Wolforam von Eschenbach,
Mörlin thnet die ding vns lautter ckunde;
Der das nicht gelaid>en u)OÜe,
In Mörlin Titurel ers gesehriben funde.
im Merlin steht weder von Senabors taten noch vom gnltompel
das geringste; auch kann Füetrer den Jüngern Titurel unmög-
lich als von Merlin verfasst angesehen haben, denn die vielen
stellen, wo sich der dichter ich Wolfram nennt, musten ihm ja
bekannt sein, er stellte den von geheimnisvollem zauber um-
gebenen namen offenbar nur zu dem zwecke an die spitze des
Werkes, um interesse zu erregen. Mörlin Titurd erkläre ich für
gleichbedeutend mit Mörlin und Titurel; die richtigkeit dieser
interpretation ergibt sich aus zahlreichen beispielen gleichartiger
asyndetischer Verbindung, zb. :
16^ 10 Von Pruto Kurno vindt man gesdiribens wunnden
Bis auf den thewm hem Mörlin,
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UND DER DICHTER DES JÜNGERN TITUREL 165
Kuniiis efitepricirt Corioeus, nach weichem bei Gottfried von Mon*
mouth I cap. 12 — 16 Cornwalii« benannt wird, wie Rmtonia naeb
BnitQs (dem Cornwaliia Gottfrieds entspricht bei POetrer Kur-
nibal). weitere belege sind:
131% 5 Nw hartt nach dainer stunnde
knmft her dy myntkleiA
mit rubin rotem munde,
tr todfifi^Ietn kin den roeen teol geleieh,
wenn $i petawet am tr hQlMn eehUeffkn,
Ir antlüt% hälslein Ulkn vor;
Zw ir gewerb ey nyemant tet perHeffen.
142\ 8 vor %orn grymm der nngefüeg ereehawmte.
weitere stellen finden sich 17% 2. 3. 34% 11. 151% 2. 153% 7.
diese art asyndetischer verbindang ist um so mehr für eine eigen-
tflniichkeit der spräche Ftletrers, und nicht für eine blofse Un-
geschicklichkeit im dichten lu halten, als die prosaische Chronik
desselben die gleiche erscheinung zeigt, zb. (ich ciUere nach
cgm. 225t der ausTegernsee stammt) fol. 80*: 0 du vngetrewer
hetrogner pfaüzgraff vnd arger verrdtter; dies dein verrOtnuss
zmpt für war deinem edeln nam $tam nicht. foL 87': er machte
Rpudden amen grafen hertxogon In Sidlia.
Somit bleibt das gefundene resultat unangefochten bestehen.
Nachdem es sich gezeigt hat dass FOetrer mit bezug auf die
gestellte frage nicht besser unterrichtet war als wir, ist es nötig,
eineo blick auf das material zu werfen , das eventuell eine ant-
wmt liefern kann.
Füetrer bringt unter dem namen Albrecht von Scharfenberg
den Inhalt zweier dichtongen, die wir mit dem Jüngern Titurel
zo vergleiclien haben, um zu entscheiden, ob sie demselben Ver-
fasser angehören, die Sachlage ist freilich mislich: auf der einen
Seite fehlt eine zuverlässige ausgäbe des Jüngern Titurel, auf der
anderen sind die Scharfenbergschen werke nur in Füetrers be-
arbeitnng überliefert, welche zwar inhaltlich sehr exact ist, aber
die eigenttimlichkeiten der ursprünglichen gestalt in hohem grade
verwiscbt, vrie eine vergleichung des Jüngern Titurel mit seiner
bearbeitong durch Füetrer am besten zeigt, ein absolut sicheres
resultat kann daher von dieser betrachtung nicht verlangt werden.
Aofser dem gftnzUch verlorenen Frau Eren ho f sind Albrecht
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166 ALBRECHT VON SCHARPENBERG
von Scharfenberg nach dem seognis Fttetrers noch zwei werke
zuzuweisen :
1. Merlin, dass das epos, welches FüeCrer zu seinem
auszuge (17% 1 — 23% 3) vorlag, dem Albrecht von Scharfenberg
zuzuschreiben ist, zeigt Strophe 17% 6, welche zugleich auf die
beschaffenheit von dessen quelle hinweist
Aus Frantzois vnns gelemet
hat gar ain toeyser man,
Aus der gtsehrifft gantz erkemei.
frato awentewr sprach vlrich so vach an.
Wie du es von her Albrecht hast vemomen,
den man nennt den von scharf fenh er g;
der ding warUch ist er zu ende kumen,
auffallender weise citiert Füetrer als Zeugnisse für die Wahrheit
der erzahlung einzelne werke, was er sonst nie tut; es liegt
daher der gedanke nahe, diese citate möchten Scharfenbergs werke
entnommen sein, dessen gelehrsamkeit dann einen vergleichungs-
punct mit derjenigen des Titureldichters abgäbe.
17% 5 Wie hie ist vnderschaiden
das mer, hab ich genueg
Mir gelesen in in paiden
Welches hab mer volg vnd pessem fueg,
fraw awentewr nach dem woUt ich mich richten
doch kains in seinem werde
Will ich mit disem mere gar vernichten.
dieses paide bezieht sich auf Scharfenbergs epos und die 17% 4
genannte kronick von priton. Da findt man vrsprung, mäiri
vnnd den grunnde. der Jüngere Titurel bezieht sich ebenfalls
darauf, vgl. Strophe 4023: Kronica xv britani vnd zv komvale,
indessen hat Füetrer die Historia regum Britanniae des Gottfried
▼on Monmouth sicher selbst gelesen, da er sie von 16% 7 — 10
als quelle benützt
Im beginne (17% 1) spricht Füetrer, manchem möchte die
wunderbare gehurt Herlins und seine taten bedenklich erscheinen:
Manig tummer sprechen möchi aus synnen tauben, Das iA wM
mit vnrechte fidem kaihoUcam gröblich perawben, er beruft sich
daher auf gewährsmanner: Zezarius 17% 2, Albertus magnus in
dem seeret der haimlicheit, Trotula und Gilbertus 11^^ 2.
Caesarius Heisterbacensis war Füetrer in einer deutschen
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UND DER DICHTER DES JÜNGERN TITUREL 167
überseUuDg bekaoot, was aus seiner Chronik cgm. 225 foL 12^
hervorgeht, wo es beifst: Ich hab ain hystorj gefumkn In Ce$ario,
dar stkreibt usw. hernach folgt Dise hystinj hab Ich auch zue
ktein gefunden usw. in der ausgäbe von Strange findet sich
die kurze stelle, welche von Merlin handelt, 1 124.
Alberti magni Secrßta mulierum sind von dr Hans Hartlieb
deutsch bearbeitet worden und zwar im auftrage herzog Sigmunds
VCD Baiern (von 1463--1467 regierend), cgm. 261 enthält diese
freie widergabe, die auch einzelne stellen anderer autoren (Muscio,
Hacrobius, Trotula) enthält.
Das buch Trotula beginnt fol. 50 in demselben codex, auch
voQ Harllieb in gleicher weise mit binzunahme des Gilbertus
(Anglicus) und Muscio bearbeitet, somit stammt die an-
führung dieser werke wol sicher von Füetrer.
Ich schreite nun zur beantwortung der frage, wie sich Schar-
feobergs etwaige abweichungen von seiner quelle zum Jüngern
Titurel verhalten, wobei natürlich zuerst die quelle zu bestimmen
ist. Maerlants holländische bearbeitung des Merlin (nach der
Steinforter hs. herausgegeben von JvVioten, Leiden 1880 — 1881)
steht in keiner directen beziehung zu Scharfenbergs werke, dessen
quelle die französische prosa war, indessen wol zweifellos bereits
mit interpolationen versehen, einen auszug aus dem Merlin unter-
lasse ich, da er im wesentlichen mit dem von Birch- Hirschfeld
(Die sage vom gral, Leipzig 1877, s. 166) gegebenen auszuge
aus dem französischen prosaromane übereinstimmen würde, den
letzteren benutzte ich in einer abschrift der Pariser hs. fonds
franiais 95 fol. 113 — 159, weiche mir hr dr Birch -Hirschfeld
gütigst zur Verfügung stellte, die zahlreichen abweichungen
Scharfenbergs von seiner quelle sämmtlich aufzuführen ist un-
nötig; ich hebe nur diejenigen heraus, welche für die gestellte
frage bedeutung haben.
Die weglassung des Vorspiels in der bölle, wo der teufe)
mit seinen gesellen den entschluss fasst, wie gott einen söhn von
einer reinen Jungfrau zu zeugen, damit dieser Christo widerstand
leiste, spricht gegen die Identität Scharfenbergs mit dem Titurel-
dichier, der eine entschiedene neigung zu mystischen geheimnissen
hat. dass diese weglassung auf Fttetrers rechnung gesetzt werden
könne, muss ich nach genauer prttfung des Verhältnisses desselben
zu seiDen quellen als höchst unwahrscheinlich bezeichnen, da-
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168 ALBRECHT VON SCHARFENBERG
gegefi wäre es möglich, dieselbe dem interpolator der französischen
prosa zuzuschreiben. '
Wie Merlin dem Uterpandragon befidilt, die tafelninde Jo-
sephs von Arimathia zu erneuern, wird geiegenheit zu weiterer
ausfübruDg genommen; die Schicksale Josephs werden kurz be-
rührt (mit benutzung des Perceval). von der fahrt nach Grors-
britannien an wird die interpolation etwas weitläufiger; sie er-
zahlt auf grund des Grand saint grai die geschicke des Evaleth
(Grand saint gral: Bvalack), der in der taufe den namen Hor-
delas füfordrami^ erhalt, des Nasien (NaseieM) und des Narpus.
diese interpolation stammt wol gewis aus Scharfenb«*g8 voriage.
sobald die teile des Werkes von Robert de Boron (Joseph von
Arimathia, Merlin und wol auch der Perceval) fOr sich allein ab-
geschrieben und gelesen wurden, war zu diesem zusatze veran-
lassung genug gegeben, zb. forderte der befehl Merlins an Blaise,
seine (Herlins) geschichte zu schreiben, welches werk dann mit
der geschichte Josephs von Arimathia verbunden werden solle,
dazu apf, vgl. die genannte Pariser hs. fol. 123^: Unrs sera tes
Uures atoins au liüre ioseph et $t sera un biaus Uvre$. weiter
deutet die prosa auch noch ganz flüchtig darauf hin, dass Blaise
les amours de Ate erist et de Joseph darimathie, Josephs tod, die
beratung der teufel und alles weitere niederschrieb, eine Hafserst
günstige stelle zur einfOgung der interpolation bot sodann die
erklärung Merlins über die bedeutung der tafeirunde, dem deut-
schen bearbeiter, Albrecht von Scharfenberg, diese interpolation
zuzuschreiben, würde gewis gegen die Wahrscheinlichkeit ver-
stofsen. dadurch verliert der Merlin aber offenbar viel von seiner
autoritat für die beantwortung der gestellten frage, denn nun
brauchen die abweichungen Scharfenbergs von dem
französischen prosaromane nicht sein eigentum zu
sein, sondern sie können alle dem interpolator zu-
fallen.
Tiefgreifende unterschiede weist die genealogie in der franzö-
sischen prosa, in Scharfenbergs dichtnng und im Jüngern Titurd
auf. Constans erscheint bei Scharfenberg als der bruder des
Moygines (frz. Maines}, wahrend- er nach der frz. prosa dessen
vater sein sollte; er ist der vater der vom satan bedrängten Jung-
frau, wahrend in der prosa fol. 123'' maines, pandragans, utiers
seine söhne sind und der vater der Jungfrau einfach ein reicher
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UND DER DICHTER DES JÜNGERN TITOREL 169
maoD genannt wird, ferner zeugt bei Scharfenberg Merlin mit
eioer fflrstin, die er am böte Wertigiers zur gattin nimmt, den
Paodragon und den Uter, sodass er also zum abnberrn des
ArUis wird.
Im prosaroman:
-^ ' \ (sulin) (lochtcr) (tochler) (tochter) diable
Maines, Paudragons, Utiers Yf^erne dus de tintaieul Merlin
(ermord«t) '"'"'^^ —
Artus Mor^aio (ältere tochter) Loth dorcaaie
la fee ^~
Gauuaius, Agravaias, Gabariea, Moadiea.
Bei Scharfenberg:
MoygiDcs Conajtans
(nobn) (tochter) (tochter) satan
anDordat t
Mörlin
PandragoD Uter Arnifa herzog von Tintayol
Ginofer Artus Soy«> Loi TOfi Norbfege
Beakürs, Gaban | Itoaie, Goutixeye,
Im JtliiferD Titurel 4554 If bezieht steh der dicbler auf die-
selbe geschiebte, welche offenbar aus Gottfried von Monmouth
n4 stMiBt, wenn aueh vielleicht nicht direct (es gab französische
bearbeituDgen davon, darunter eine von Mee$i$r Mwt^ vom liere;
fgi. den tiolbndischen Merlin Maerlanis 4506 und den englischen
Meriio : the Uary of Breims, that ü a boke thai Maytttr Martin
trmmibued wU of Laiyti).
Z. F. D. A. XXVU. N. F. XV. 12
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170
ALBRECHT VON SCHARFENBERG
Bei Gottfried:
GoDStantinus
rex Demetiac
I
(aoDne) Satin
Gonatans Aurelias UtherpeDdragon Igerna Gorloia ^"HH^
(«rmordet) Ambroaius ^""V"^ '"•^~' zu Tintagol Merlinus
Arturas Anna Lot de Londonesia
Walvanaa.
Im Jüngern Titurel:
Gonstantinna
Aurelius Vtpandragon Arnive
Urlois
zn Tintajol
Ginover Artus Sangive Lot Ton Norwege
Marke
Beakora, Gaweio | Itonie, Kuodrie.
(NB. Urlois ist im Titorel onr ein mitbewerber nm Arniyea minoe.)
Das ende der genealogie ist sowol beim Jüngern Titurel
als bei Scharfenberg dem Parzival entnommen, die TeranderuDg
der genealogie bei Scharfenberg bringt mehr Zusammenhang in
die erzflhlungy führt aber auch manche ungereimtheäen herbei;
es ist zb. höchst auffallend, wenn Merlin, der vater, von mis-
günstigen bei seinen söhnen verleumdet wird, weil seine nl-
scbUge nicht stets zuverlässig seien.
Fallt die anderung der genealogie Scharfenberg zu, so ist
eine Identität desselben mit dem Titureldichter unmöglich; ist sie
aber dem interpolator zuzuschreiben, so kann die identitlit mOg-
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UND DER DICHTER DES JÜNGERN TITUREL 171.
lieh sein, doch ist der Merlin gewig für spAter ge-
dichtet anzunehmen, aU der Jangere TitureL
2. Seifrid de Ardemont (cgm. If. 83\ 1—97*, 1). dass
dieses epos Albrecht von Scbarfenberg zum verfasaer hat, be-
2eugt die yorletzte atrophe:
96^ 9 Das ich mer van im tagte,
Wa$ er hob preist erstriten,
to hat es mir verdagte
Von schar fenhergk her Alhrecht; dqrumb vermiten
Wirt es wm mir, wann ichs hob kaine künde.
Der ding kain pottschaß zw pritan
Ynd au€h %w ürouerstn in kurzer siunnde.
Inhalt [zuerst fleht der dichter: dreieiniger gott, benetze
mich mit kttnsten tau, Maria, hilf uns zu Josephat und gib
meiDem werke, das teh einem edeln fttrsten dichte, gelingen.]
Nachdem Gundrie, die Schwester Gabans, mit Litschois, dem
herzog von Korerzin, auf Tschopfantze Termählt worden war, be-
glllekte sie bald die geburt eines sohnes, der Seifrid genannt
wurde, er zeigte sich schon als knabe in allem ritterspiel tQchtig,
QDd da er ofl ton Artus und der tafeirunde erzflhlen hörte, be-
schloss er zu ihm zu ziehen, allein seine eitern gestatteten es
ihn nicht, da bat er ein Junckherlein, ihm verstohlen sein streit-
Ueh gewand in den wald zu führen, und ritt auf einem hohen
spanischen kastdan aus, wie zum tergnOgen. im walde wappnete
er sich und gebot dem knaben, nichts zu yerraten.
Er kam auf ein rauhes gabirge, voll kämpfender schlangen,
drachen and kocodrSim, ton denen er eine gewaltige menge er-
schlog. auf einem berge hielt mu vielfarbiger wurm in seinem
naole ein reblein, das jammerlich schrie, trotz der warnung
eines zwerges bekämpfte und todtete Seifrid das ungetÜm, fiel aber
von dem gebrOüe desselben in ohnmacht. der zwerg Lorandin
erfrischte ihn wider und bat ihn, schnell davon zu eilen, denn
der riese Amphiguior bttle hier vier von Clinsor verzauberte
frauen; der junge held sprach aber: mein oheim hat auch ein
solches Wagnis glücklich bestanden, das Zwerglein gab ihm einen
neoen acbild, ein schwort und eine wurzel gegen unkralk, Seifrid
ritt den riesen an und stach ihn nach kurzem kämpfe todi, worauf
er die vier minniglichen Jungfrauen sammt ihrem wunderreichen
zelte mit sich nach Raridol nahm.
12*
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172 ALBRECHT VON SCHARPENBERG
Zu Koferzio hatten unterdessen seine eitern ttbendl durch
boten nach ihm geforscht, so auch bei Gaban an Artus hof, wo
nun Seifrid erschien und sein zeit auf dem felde aufschlug, die
ritter der tafeirunde riefen alle nach ihren waffen, nur Kay sprach
selbstbewust : seid nur ruhig; er meint gewis, ich sei gestorben,
sonst würde er diese kühnheit nicht wagen, er wurde aber von
Seifrid hinter das ross geworfen, nach ihm Segrimors, dann Do-
dines; so wurden vierzehn ritter geßült. nun kam Gaban, dessen
namen ein garzun dem jungen beiden sagte, worauf dieser, statt
zu streiten, speer und heim wegwarf und sich zu erkennen gab.
Alle bewunderten ihn« die vier Jungfrauen waren HargitoD
aus Portigale, Albaflore, kitmg fiordawinstt parm, Eleiae, die
tocbter des herm Gurnemans, und Weatreyse toh Schampania. als
sie von ihren angehorigen abgeholt wurden, veranstaltete man
ein grofses fest, zu dem auch Litschois, der vater Seifrids, kam.
mit hundert genossen wurde sein söhn zum ritter geschlagen und
fiillte beim turnier viele gegner, so auch den Lolienis von Zezily,
ivorauf man ihn am folgenden tage unter allgemeiner Zustimmung
in die tafeirunde aufnahm.
Eine Jungfrau kam an den hof nnd bat om hilfe fOr ihren
berrn, den kOnig von Igerland, der seine tochter Condiflor dem
könig Florendin zu Tbelemone in Kerlingen verlobt hatte» diesen
hatte aber ein beide von Saragos erschlagen, um selbst die band
der Jungfrau zu gewinnen, mit Waffengewalt gab er seiner Werbung
nachdruck und bot zuletzt einen entscheidendeo Zweikampf an;
allein niemand wagte es, dem gewaltigen die spitze zu bieten.
Seifrid erhielt die erlaubftis, das abenieuer zu bestehen und
ritt mit der Jungfrau dahin* sie kamen in einen wald, wo der
riese Schrutor und sein weib Rubal hauste, er warf den riesen
auf das feld und schlug ihm das schwort durch die achsel, worauf
er ihn noch vollends todtete. das weib, das unterdessen die
Jungfrau in gewahraam gebracht hatte, fuhr nun auf ihn tos, er
aber schlug ihr lunge und milz aus dem leibe.
Auf einer nahen bürg fand er ein gutes nachtquartier: der
wirt Periiamor indessen sprach betrabt: morgen mOsst Ihr dnen
harten kämpf bestehen; schon ist die Jungfrau, welche mit Euch
gekommen ist, mit dreihundert anderen gefangenen eingeschlossen,
am morgen muste der held mit zwei riesen streiten, die er nach
harter anstrengung tödtete, wodurch die Jungfrau mit den anderen
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UND DER DICHTER DES JÜNGERN TITUREL 173
gefasgeneD, darunter auch der fOrst Ton GireDland, befreit
wurde.
[Ptletrer streitet mit der frau Abenteuer und der frau Minne,
weil sie ihren dienern zu harte arbeiten zumuten.]
Auf der Weiterreise hörten sie in einem walde eine klagende
stimme. Palltinor, ein waldmann, wurde Yon einem dracben (ser-
famdt) bedrfingt Sdfrid befreite ihn und erhielt dafür ein von
Zwergen geschmiedetes schwert. Trebuchnet machte nie ein bes-
seres; die Schwerter von Honsalvatsch und Kahavies waren ge-
ling dagegen.
Bald kamen sie nach Igerland, wo die kOnigstocbter sie wol
eropfieng und Seifrid ihr leid klagte , welcher dem beiden den
kämpf auf den folgenden tag ansagen liefs. am andern morgen
kam der beide Agraton prahlend, durch die anwesenheit der
fnaen gesUrkt, gewann Seifrid endlich den sieg und Agraton
muste ihm Sicherheit geben, die forsten beschlossen nun, den
beiden zum herm des landes zu machen; er dankte aber und
sprach die absieht aus, bald zu scheiden, was der Cendiflor grofsen
sckmerz venirsacbte.
[Ffletrer wirft der frau Minne vor, sie sei wie aprillen*
Wetter.]
Waldin, ein junger ritter, bat, ihn begleiten zu dürfen, and
so nahmen sie zusammen Urlaub, nachdem sie «ner klagenden
fran ihren ameis aus der gewalt eines dracben und eines wilden
weibes befreit hatten, kamen sie auf die barg des Sehandamur,
der alle ritler und frauen, deren er habhaft werden konnte, ge-
fangen nahm und den Anziflore, den bruder der frau, welcher
sie faOfe geleistet hatten, bedrängte, vergeblich warnte sie ein
Zwerglein bei einer linde ; sie nahmen den kämpf mit vier rittem
auf, die teils besiegt wurden, teils flohen; ebenso ergieng es
den folgenden vieren, da kam Schandamur selbst, Seifrid aber
erschlag ihn und besiegte mit Waldins hilfe auch seine gefthrten,
sodass nun alle gefangenen frei wurden.
Anziflore freute sich, und Seifrid erfuhr dass er der bruder
des Torkoii (Gebans Schwager) sei und also auch zu ihm in ver-
waadlschiftlicliem Verhältnisse stehe.
Hierauf ritten die beiden zu Artus, wo Waldin in die tafel-
niode aufgenommen wurde, und durchzogen dann die lande
wider, um abenteuer zu suchen, als sie einmal auf eine haide
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174 ALBRECHT VON SCHARFENBERG
ritten f erhob sich eine gewaltige schlänge vor ihnen, die haide
begann zu brennen und ein ungewitter mit blitz und donner
stürmte, kahn ritten sie durch das feuer, worauf dasselbe er-
losch, als Seifrid der schlänge den worten gemUfs, die auf einer
Säule standen, am protz^ gar aisleiehe von ihrem halse riss, ver-
wandelte sie sich in eine herliche Jungfrau, die gott fOr die
gnade ihrer erlOsung dankte, als eine weifse taube flog darauf
ihre seele zum himmel.
Weiter reitend fanden sie ein wundervoll gearbeitetes schapd,
nach drei tagen ein herliches halsband, wider nach drei tagen
einen reichen mantel. Seifrid liefs diese kostbarkeiten trotz
Waldins widerholtem rate liegen, da ein feldraub sie schänden
würde.
Sie gelangten zu einem hohen berge, der von einem dom-
hage umgeben war. drachen, schlangen, löwen sahen sie da
überall, als sie den berg überstiegen hatten, lag eine blühende
haide vor ihnen, auf der ein reiches fest gefdert wurde, mit
einem zuge von rittem und frauen ritt ihnen die jungfräuliche
kOnigin Mundirosa entgegen und umfleug Seifrid mit weifsen
armen; auf mund, kinn und wangen endmaUt mancher kass.
die frau Minne schoss ihren pfeil in das herz der kOnigin, wie
es Parzival bei den blutstropfen geschah.
[Füetrer macht wider der frau Minne und der frau Abenteuer
vorwürfe].
Seifrid fragte, an was sie ihn erkannt habe, und die kOnigin
antwortete : am ersten tag meiner gehurt sagten Astrmiomi meinen
magm dass ich mich hier auf dem anger ameym müsse, so habe
ich denn lange gewartet, bis ein kühner, tadelloser ritter käme,
hättet ihr die drei kleinode nicht liegen lassen, so wäret ihr
nie hieher gekommen, aber in drei tagen müssen wir uns
scheiden, um uns erst in Jahresfrist wider zu sehen, vorausgesetzt
dass ihr unterdessen nirgends, wo man schone frauen rühmt,
sagt dass ihr eine schönere kennt, sonst werden wir nimmer zu-
sammen kommen.
Nach schmerzlichem abschiede zogen die beiden weiter, eine
klagende stimme rief sie zu einem walde, wo zwei riesen den
fürsten Joserans und seine tochter Albazona todten wollten, sie
retteten die bedrängten und ritten mit ihnen nach ihrem schlösse
* vgl. DWB n 407. Schmeller i 876: broH » kröte.
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UND DER DICHTER DES JÜNGERN TITUREL 175
Termis, worauf sie sich trennten. Waldin ritt in sein land,
Seifrid aber zu Artus, wo sie sich dann wider trafen. Seifrid
hatte keine ruhe; immer lag ihm die schone Hundirosa im sinne.
Bei einem turniere zu Ibem, wohin die beiden beiden ge-
logen waren, bestand der preis far den tüchtigsten ritter in einem
f^knpmn, einem grufs und einem vmhtfandc von der kOnigs-
toehter Ducisiunor. wagte aber einer zu sprechen dass er schon
ein sdiOneres weih gesehen habci so sei sein leben verloren, es
sei denn dass er es beweisen könne.
Seifrid gewann den preis, einer fragte: wo hat man je eine
schönere magd gesehen? alle sagten, sie sei die schönste, das
gieog Seifrid zu herzen und er sprach zu Waldin : die meine ist
doch viel schöner, sogleich meldete einer der im tumier von
Seifrid besiegten diese werte dem kOnig, welcher die beiden vor
sich berief. Waldin erklärte, auch er habe sie gesehen, die noch
Tid schöner sei. sie wurden in fesseln gelegt und sollten sterben,
wenn sie nicht binnen fünf tagen den beweis dafür erbringen
konnten, da zog Mundirosa mit einer schwarz gekleideten schaar
weinend daher und alle sprachen ihr den preis der Schönheit zu.
ein schmerzliches scheiden muste an den liebenden ergehen, die
sich nun nimmer sehen sollten.
[Füetrer macht der frau Minne wider vorwürfe.]
Zum andenken gab sie ihm die drei kleinode, bevor sie sich
trennten, die beiden ritten nach Igerland, wo Seifrid den Waldin
krönen Uefs und sich dann auf die fahrt nach seiner verlorenen
geUebten machte.
Nadidem er alle lande durchstreift hatte, fand er endlich
die au wider, wo ihm die königin zuerst begegnet war. ein
einsiedler erzählte dem ritter dass oft ein greif aus dem lande
der Mundirosa komme und sich hier vrild hole, und riet ihm,
sich in die haut seines pferdes nähen zu lassen, damit er von
dem greifen dahin getragen werde, so geschah es; der greif
holte ihn würklich und trug ihn viele tage weit ins nest seiner
jungen, wo sich Seifrid herausschnitt und mit seinen drei kleinoden
vom bäume stieg. Althesor, ein Untertan Mundirosas, begegnete
ihm und erzählte dass Girot, ein gewaltiger graf, behaupte, die
kOnigin habe ihm die ehe versprochen, deswegen sei ein Zwei-
kampf festgesetzt, der nach drei wochen zu Ardemont stattfinden
und die sache entscheiden solle. Seifrid gab sich ihm durch
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176 ALBRECHT VON SCHARPENBERG
seine kieinode zu erkeDoen und versprach, das recht der kOnigin
zu vertreten«
Sie reisten zusammen nach Arderoont, wo Seifrid nach bartan
streite siegte, darauf folgte ein fest mit einem grofaen turnier,
bei dem der noch unerkannte Seifrid den grafen von PjßimaiUt
und viele andere aus dem sattel warf, um sich dann mit aeinem
gefolge, reich mit den drei kleinoden geschmückt, zu der königio
auf den saal zu begeben, sie erkannte ihn sogleich, atttrzte ia
seine arme und eine vierzigtägige brautlauft folgte, virie sie nie
herlicher gesehen wurde.
Von ihrem söhne Flormund, der auch ein trefflicher ritter
wurde, wftre noch viel zu sagen [wenn es nicht Albredit von
Scbarfenberg verschwiegen hfitte; und so schnell ist keine bot-
Schaft aus Britannien und Koverzin zu bekommen].
So lebten sie in glflckseligkeit, bis sie gott in sein hinimel-
reich aufnahm.
Quellen, die vielfachen anlehnungen an die deutsche
heldensage lassen den gedanken nicht aufkommen dass Scharfen-
berg nach einer französischen vorläge gearbeitet habe, sondern
zeigen dass er deutsche dichtungen benutzte und im Obrigen
seine phantasie frei walten liefs.
Ob eine beziehung zum Rosengarten darin gesucht werden
kann dass der preis beim turnier zu Ibern aus einem fibr^pmw,
einem gruess und einem vmbefanck (Roseng. : am heben und m
küssen) besteht, ist mir sehr zweifelhaft, da andere gedichte dm-
selben zug aufweisen, zb. der Jüngere Titurel 244: Daz im ein
werde frowe, von rotem munde ein küssen selde bieten. 245 Und
vmmevane mit armen.
Der Herzog Ernst diente zu dem abenteuer mit dem greif«,
der Seifrid in einer rosahaut davon tragt, als quelle, vgl. die
älteste Überarbeitung des niederrheinischen gedichts vom herzog
Ernst, bei BarUch 4169 ff (s. 91).
Höchst interessant ist die stelle, wo Seifrid den von eineoi
dornhage umschlossenen berg ersteigend die jungfräuliche Nun-
dirosa trifft, die ihn umarmt und küssl. es ist nicht sweirelhaft
dass hier eine anlehnung des dichters an den DomrOachenmythus
vorliegt, und man mochte zu der Vermutung geneigt sein, der
kOnigasohn des märcbens (Grimm nr 50) habe zu der zeit, als
Scbarfenberg entlehnte, noch den namen Sigfrid getragen, jedes-
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UND DER DICHTER DES JÜNGERN TITUREL 177
falls ist aufTallend dass sich aufser dem naroen Seifrid gar nichts
an das NibduogeDlied erioaernde bei Scbarfeoberg fiodet. nach-
dcflo der Bylhus vom DonirOscheD als alt erwiesen ist, darf eine
Verwandtschaft desselben mit der Nibelungensage, wie ich glanbe,
nicht mehr in zweifei gesetst werden.
Der Parziml ist benutzt, wie sb. gleich der anfang zeigt.
Das Terbot der geliebten, ihre schOnheit zd preisen, und der
Tsrrat des durch Seifrid im turnier besiegten ritlers beruhen wol
auf der kenntnis des Lohengrio oder solcher dichtungen, die
dessen molive bereits benutzt hatten, doch konnte auch nur die
darstdlung, welche der Jüngere Titurel von den geschicken
Lahengrine gibt, die quelle gewesen sein.
Am meisten Ähnlichkeit zeigt Seifrid de Ardemont mit dem
Gaoriel von Montavei des Konrad von Stoffeln (vgl. Jeitteles aus»
ZBg, Germ, vi 385 — 411). der streit mit den Artusrittern, die
brennende haide, die festlichkeit» bei der Seifrid die Mundirosa
zuerst indet, und das verbot, die schdnheit seiner dame zu preisen,
sind zflge, welche auch dem Gauriel angeboren, die frage, welcher
von beiden dichtem entlehnte, lasse ich hier offen, doch gedenke
ich bei anderer gelegenheit und in anderem zusammenhange
darauf zurückzukommen.
Evident ist die anlehnung an den Meleranz des Pieiers. in
beiden gedichten will der knabe ohne wissen der eitern an Artus
bof kommen und bedient sich dazu der hilfe eines Junkers.
Füetrer 83% 6. Mel. 205.
Br nam %er ktmenaU Bmem juneherrm wind er.
Bin Jnmiherhm huundtr.
Beim ersten susamroentreffen mit der geliebten ist identisch
daas es auf einem wonniglichen anger geschieht, und dass das
erwarten ihres amts und ihre kenntnis seiner Vergangenheit durch
Prophezeiung sternkundiger motiviert wird.
FOetrer 91% 6. Mel. 530 ff.
AMfimomi nrnn mögen htmnä min meisterin mir des verjack,
feemgi, üu kan wol an den stemen eehen^
lA müett ametfen mich hye omf wa% in der wdde sol geed^ehen.
dem €mger, diu sagt mir da» ein junger man
Annders in keiner weyse; sol kamen her auf disen plan,
Sunsi hob ich hie gewartt mit der ist ein» riehen kikeiges kint.
%eä ml langer.
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178 ALBRECHT VON SCHARFENBERG
1016 ff.
iek hän ein meiHerin, diu mir
seit didce frömder mmre viL
mit listen zauberUehiu zil
kan si und auch an stemen sehen.
Diese ttbereinstimmuDgen sind zwar wenige, aber gerade
solche stellen betreffend, in denen der Heleranz dem Wigalois
gegenüber ändert oder hinzufügt über die prioriut des Meleranz
wird man nicht im zweifei sein können; die abenteuerhetzeDf
welche Scharfenberg ausmalt, sprechen deutlich für eine spätere
zeit wie Meleranz von hause fortgeritten ist, kommt er za^^t
zu einem wirte, der ihn auf seiner bürg gastlich aufnimmt, und
dann gelangt er zu dem berge, worauf der anger mit der schönen
Titomie sich befindet, wie aber Seifrid von hause weg ist, kommt
er gleich in das wilde gebirge, das von wunderbaren Ungeheuern,
drachen, Würmern, lOwen, riesen usw. wimmelt.
Mit dem Jüngern Titurel stimmen vier namen überein:
J. Titurel: Füetrer:
Albaflare Albaflart.
Flordibintze (druck v. 1477: Fhrdiprintze) Fhrdawins.
Pitimont 5995 Pytimonis.
Termis (druck v. 1477 fol. 279^ 5) Tennü.
Nach dem Jüngern Titurel herscht Jordibas in Termis und
empfängt mit seinem beere den Parzivai feindlich, muss dann
aber Artus seine ftanze bringen. Scharfenberg macht keine an-
spielung auf diesen verfall; der fürst Joseranns und seine tochter
Albazona werden aus der gewalt zweier riesen errettet und reiten
mit ihren befreiern, Seifrid und Waldin, nach ihrem schlösse Termis.
Im Jüngern Titurel ist Albaflore die gemahlin Fiordibintzes,
während seine tochter Floramie heifst.
5704 Der kunic flordibintze,
sin wip hiez aVbafiore,
bei Scharfenberg ist Albaflore 85*, 1 Ftordawinses parm, also
seine tochter. es ist mir ganz unglaublich dass ein dichter, der
sich auf eine von ihm früher dargestellte Situation bezieht, die
Verhaltnisse so ändern sollte, dass die änderung Füetrer zufalle,
ist sehr unwahrscheinlich.
Rechnet man dazu die compositionsweise des Stoffes, die sich
an die richtung Wirnts von Gravenberg anschliefst, so muss
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UND DER DICHTER DES JÜNGERN TITUREL 179
die frage, ob der Albrecht des Jangern Titurel mit
Aibrecht von Scharfenberg identisch sei, entschie-
deo Terneint werden.
Leipzig, 10 november 1882. REINHOLD SPILLER.
HAT OSWALD VON WOLKENSTEIN IM
JAHRE 1424 TIROL VERLASSEN?
Bekanntlich vermutete Beda Weber in seinem biographischen
werke über Oswald von Wolkenstein dass der dichter sich vom
Jahre 1424 an aufserhalb Tirols befunden habe, um bei den deut-
schen forsten gegen herzog Friedrich zu wOrken, und dass er bei
seiner rttckkehr 1427 von seinem grofsen gegner gefangen worden
sei. wider diese annähme sprach sich OZingerle Zs. 24, 268 ff
wenigstens in so weit aus, als er zu beweisen suchte dass 0.
seine reise nicht im jähre 1424 unternommen habe, er liefs
freilich die frage offen, wann der dichter sich an die bofe der
deutschen forsten begeben habe, weil er die am meisten hierbei
los gewicht fallende Zusammenkunft der fünf kurfürsten in Heidel-
berg nicht festzustellen vermochte, lesen wir aber zwischen den
Zeilen des aufsatzes, so gewinnt es fast den anschein, als ob
Ziogerle sich zu der annähme hinneige, dass jene Zusammenkunft
and somit auch die reise O.s nach dem am sonntage quasimodo-
geniti (15 april) 1425 zu Wien abgehaltenen rechtstage stattge-
funden habe (aao. s. 273 ff)-
Gestützt auf ein reichhaltigeres urkundliches material glaube
ich nun mit Sicherheit den nachweis erbringen zu' können dass
der dichter würklich im jähre 1424 eine reise unternahm und
dass er bei dieser gelegenheit nicht nur die höfe der deutschen
forsten, sondern auch könig Sigmund in Pressburg besuchte, um
in seinem und seiner freunde Interesse zu würken. dabei dürfte
sich zugleich zeigen, in wie weit die historischen bemerkungen,
welche 0. in seinen gedichten niederlegt, zu einer kritischen
biographie des mannes verwendet werden können.
Nicht leicht lasst sich die entstehungszeit eines gedichtes be-
stimmter feststellen, als die des von Weber auf die Ungarnreise
0.S im jähre 1419 bezogenen: We$ mich mein puel ie hat er-
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180 HAT OSWALD VON WOLEENSTEIN
frmtA denn schon die einfache frage, was für einen grund
konig Sigmund wol gehabt bab^ mOchle, seinem rate und diener,
der bisher alles für ihn gewagt hatte, die aodienz 2a verweigern,
noch dazu in einem augenblicke, wo ihm derselbe seinen arm
gegen Türken und Hussiten anbot, dürfte uns stntzig machen.^
^egen diese datieruog sprechen aber noch andere weit wichtigere
gründe, nach Beda Weber soll nämlich 0. zugleich mit den
Starkenbergern im spütberbste 1419 Tirol verlassen und durch
das Pustertal den kürzesten weg nach Wien eingeschlagen haben.'
diese annähme ist jedoch unmöglich, die Urkunde, wodurch 0.
den streit dea chorherrenstiftes Neostifi mit Thomas dem Sflbser
schlichtet, und auf die sich Webers darstellung stützt, kann nam»
lieh nur anfangs jifnner 1419 aasgestellt sein.^ nach abwickeiung
dieses geschäftes begab sich der dichter buchst wahrscheinlich
nach Fragenstein, wo er am 20 jXnner mit seinen schwtigern ein
abkommen über die heimsteuer seiner gemahlin traf.& erst von
hier aus scheint er mit Ulrich von Starkenberg nach Wien ab-
gegangen zu sein, der sich gerade damals dorthin begab, um vom
herzöge Albrecht die bestütigung der landesfreiheiten für denjenigen
teil Tirols zu erlangen, der diesem vom herzöge Friedrich um
36000 ducaten verpfändet worden war.<) dass unter solchen um-
standen der gewöhnliche weg über das Unterinntal der von Weber
angenommenen route vorzuziehen sei, dürfte keinem zweifei unter-
1 Beda Weber Die gedichte Oswalds voo Wolkeasteio tiii s. 47 and 498.
allen naehfolgenden citaten aus O.s gedichten lege ich die von IVZingerle
in den Sitzungsberichten der Wiener academie 64, 619 — 696 als beste nach-
gewiesene hs. X zu gründe.
* dass wurklich eine audientverweigerang von seite SigmiuidB ange>
nommen werden mass, geht ans dem gedichte abschnitt t unliogbar liervor.
' Beda Weber Oswald von Wolkenstein und Friedrich mit der leeren
tasche s. 386 f und 337 note 9, unter bernfang auf das Troslburger archiv
und die reisenotate O.s.
4 die Urkunde, abgedruckt in Fontes rernm Austriac. n 84 s. 485 f,
tragt zwar nur die Jahnahl 1419, die n&here zeitbestimmuBg folgt aber aas
der ebendaselbst s. 480 f veröffentlichten Urkunde, durch welche Heinrich
Gerhart, richter auf Rodeneck, dem genannten SIbser den endtag niertmeken
tag nach weyhennaehten (1418) darüber wol vnd darundet^ nicht ansetzt.
" KAMuffat Über Margaretha von Schwangan in den Sitzungsberichten
der MAncbner academie 1875, i 98 f.
* Ulrich von Starkenberg erscheint wenigstens schon am 22 febrasr
in Wien; vgl. Lichnowsky Regesten ii nr 1886.
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IM JAHRE 1424 TIROL VERLASSEN? 181
liegen. 0. seliwt encheiiil urkuodlich am bofe seioes königlicben
freundes 2u Preesburg am 1 april 1419, wo ibm derselbe einen
geleitsbrief aussleUt, weil er ie auria noatra imperiäU vernn
fnffia mtendii üriffere gressiu «na« (Wolkensteinscbes arcbiv im
Germ, muaeum). für den augenblick dürfte aber der dicbter
diesen geleitsbrief nicbt benutzt haben , denn noch am 5 mai
treffen wir ihn zu Blindenburg in Ungarn, an diesem tage und
orte nimmt ihn nftmlich hersog Przemko von Troppau unter Ver-
leihung eines eigenen wappens in seine nächste Umgebung auf
(hs. der Wiener hofbibliothek 12575 fol. 486'' f). ob nun (X den
zag Sigmunds gegen die Türken im october dieses jabres mit-
gemacht oder nicht, können wir beim mangel urkundlicher nach-
richten nicht entscheiden, jedesfalls aber ist gewis dass er beim
ersten kreotf uge gegen die Hussiten nicht anwesend war. schon
am 20 november dieses Jahres erscheint er nttmlich wider in Tirol
(Fontes aao. s.486f) und ebenso am 28 Juli 1420 (aao. s. 490),
aa welchem tage Sigmund auf dem Prager schlösse zum kOnige
von Böhmen gekrönt wurde (Ascbbach Geschichte kaiser Sigmunds
III 81. 434).
Schon die von der urkundlichen gescbichte voUig abweichende
darstdlung Webers dürfte uns zu dem Schlüsse berechtigen, dass
auch das angezogene gedieht O.s sich nicht auf diese reise be-
zieht, für diese behauptung können wir aber auch noch ganz
positive angaben des dichters ins feld führen, vor allem verweist
die erwftbnung seines reisegehbrten Ebser das gedieht unbedingt
in eine spätere zeit derselbe kann nämlich nur Wilhelm Ebser
von Kufstein sein, der in dem erst im jähre 1422 ausgebrochenen
streite der brüder Ulrich und Wilhelm von Starkenberg mit herzog
Friedrich als agent der erstereo tätig war.^ aus anderen be-
merkungen, die teils in diesem, teils in anderen gedichten ein-
gestreut sind, vermögen wir den zeitpunct der entstehung noch
bestimmter festzustellen, auf den Vorwurf Sigmunds, dass er sein
ungemacb nur seiner ersten geliebten zu verdanken habe, er-
widert der dichter dass ihm ein schwerer beutel dieses ungemach
wol erspart hätte (Weber vm 2), und an derselben stelle beklagt er
sich bitter dass herzog Friedrich sich zum anwalt der übergrofsen
* ab toleher cncheiat er in einem sehreiben an Ulrich von Staiken-
beif d. d. KniMein 14itaier 1423 (k. k. •iatth.-arcb. Innsbruck sab SUrken-
berger).
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182 HAT OSWALD VON WOLKENSTEIN
forderung seiner Widersacher aufgeworfen habe (vui 3). die reise
0.S kann also jedesfalls our zwischen seine ersle und zweite
gefangenschaft fallen, also in den Zeitraum vom herbste 142 1^
bis 1 mai 1427, an welchem tage er sich endlich mit seinen
gegnem zu vertragen gezwungen sah.* diese zeit können wir
aber weiter einschränken.
Die erste gefangenschaft O.s erstreckte sich nllmlich mit ein-
maliger Unterbrechung bis gegen das ende des Jahres 1423.^ die
Unterbrechung selbst fiel in die zeit vom 18 mflrz bis 21 august
1422.^ abgesehen davon dass das urkundliche material den
dichter wahrend dieses Zeitraumes zu widerholten malen in Tirol
zeigt ^ kann er schon aus dem einfachen gründe damals die in
unserem gedichte erwähnte reise nach Ungarn nicht untemonmen
haben, weil dieselbe jedesfalls in die zeit des Spätherbstes oder
winters gefallen sein muss. er und sein reisegefährte sehen sich
ja genötigt, eine audienz bei Sigmund dadurch zu erzwingen, dass
sie denselben durch flbermäfsiges heizen des ofens aus seinem
Zimmer heraustreiben (Weber vni 2) , und zu widerholten malen
^ die gefangeDnahme 0.8 durch Stbioa Jäger fallt oach zwei mir vor-
liegenden Urkunden zwischen den 16 September und 20noyen)ber dieses Jahres.
' nach 5 an diesem tage ausgestellten Urkunden, wovon 3 im k. k.
statth.-archWe zu Innsbruck, 2 im Germanischen museum zu Nürnberg sich
befinden.
* am 20 october d. j. ruft Marlin Jäger den herzog Friedrieh a», ihm
von dem gefangenen Osw. vWolkenstein recht au venchaffeo; atatÜi.-aKh-
Innsbruck, sehatzarchiF nr 148. -^ am 17 december desselben Jahres befiehlt
könig Sigmund dem Michael und Leonhard von Wolkenstein , sich Ulrichs von
Starkenberg und des gefangenen Osw. vWolkenstein anzunehmen; ibidem
anb Starkenberger.
4 nach 3 Urkunden im WolkeDsteinschen arcbirc im Germanischen
maaeum.
> am 25märz d.j. verpfändet Osw. vWolkeostein an Michael vWolken-
stein und Hana von Villaoders für ihre bürgschaftleistung bei herzog Friedrich
alle seine habe (Wolkenst. arch. im Germ, musenm). am 14 april desselben
Jahres schliefsen die drei brflder Michael, Osw. und Leonhard vWolkenstein
ein gegenseitiges bflndnis (Wolkenst. archiv im Germ, raosenm). am 12 Juli
treffen die bröder Michael und Oswald vWolkenstein mit Sigmund 4eni
Annenberger, welcher die tochter Wilhelms vWolkenstein zur ehe nioainu
auf Reifenstein eine heiratsberedung (Dornsberger archiv). am 4 augast
endlich entledigt Michael vWolkenstein seinen brader Oswald von aller tct-
bindlichkeit, die dieser gegen ihn wegen seiner bAigschaftleistang hei hersog
Friedrich eingegangen war (statth.-arch. Innsbruck, Schatzarchiv nr 144).
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IM JAHRE 1424 TIROL VERLASSEN? 183
beklagt sich 0. über die laogen ollchte, die ihm teils das ge-
schrei eines kleinen kindes, teils das schlechte bett und andere
anliebsame gegenstände in seiner herberge gründlich verleideten
(IX 3). gerade aus diesen klagen ergibt sich aber auch dass das
Yorliegende gedieht um die gleiche zeit entstand, denn die leiden,
worüber er sich so bitter ausltfsst, werden als gegenwärtige ge-
schildert (tio 3). aus allen diesen umstünden folgt mit be-
stimmtheit dass die entstehung desselben erst nach 1423 fallen
kann, da nun Sabina Jttger, die nach dem eigenen gestflndnis
des dichters ihm noch geOhrlich war, als er nach Ungarn ritt
(a3 8. 29), bereits im juli des Jahres 1425 nicht mehr lebtet
andererseits 0. vom december 1424 bis marz 1425 in Tirol sich
befindet ^ so glauben wir mit Sicherheit das jähr 1424 als das
der Dngamreise desselben ansetzen zu dürfen, damit stimmt end-
lich in ausgezeichneter weise der letzte directe beweis überein,
den wir aus 0.s gedichten anzuführen vermögen, er selbst sagt
Dämlich ausdrücklich dass seine zweite gefangenschafl, die wir
in den april des jahres 1427 setzen können, dritthalb jähre
nach dieser reise sich ereignete (ii 4). halten wir an dieser be-
haaptung des dichters fest, so gelangen wir für seinen aufenthait
io Pressburg auf den october des jahres 1424. da wir nun im
weiteren verlaufe noch zeigen werden dass der dichter sich im
anfange dieses jahres an ganz anderen orten befand, da er am
15 december desselben jahres das hoflager Sigmunds bereits wider
verhssen hatte ^ so glauben wir um so eher an dieser annähme
festhalten zu sollen, als kOnig Sigmund würklich in diesem monate
in Pressburg erscheint.^
* 80 wirft herzog Friedrich in einer nrknnde rom 25 juli dieses Jahres
0. unter anderem Tor dass er sich seine* erlösten guts von der Hausmannin,
»an das tmser erb ist, unterzogen habe (Wolkenst. arcb. im Germ, moseum).
ebenso bezeichnet Nicolans Paltram, amtmann zu Moos, in seiner amtsrech-
DDog für die zeit vom Thomastage 1424 — Thomastag 1425 die Hansmann
als bereits verstorben (statth.-arch. Innsbruck^, raitbuch 1424/5).
' nach mehreren noch zn erwähnenden Urkunden.
' an diesem tage Fersprieht nämlich k5nig Sigmund dem dichter auf
dessen 'schriftliche' bitte, sich fflr ihn bei herzog Friedrich zu verwenden,
wenn derselbe zu ihm komme, nur möge er dafür sorge tragen dass ihn
jemand an dieses versprechen erinnere (Wolkenst arcb. im Germ, museum).
* in einem schreiben der königin Sophie von Böhmen an ihren bmder
beraog Wilhelm zu Mflnchen, gegeben zu Pressburg am 18 october 1424, be-
richtet dieselbe, köoig Sigmund wäre vor 3 tagen in Pressburg gewesen, sei
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184 HAT OSWALD VON WOLKENSTEUN
Das eine ist aber gewis: 0. bat im jabre 1424 Tiroi ver-
lassen, um bei kOAig Sigmund in Pressburg schütz gegen seine
feinde und deren anwalt, herzog Friedrieh, zu suche».
Gestützt auf diese sichere grundlage werden wir jetzt zu
zeigen versudien, in wie weit andere gedicbte oder bema1(ungen
in denselben sich mit diesem resultate vereinigen lassen, oder mit
anderen werten, in wie weit die von Beda Weber angenommene
reiseroute von 1424 — 1427 wenigstens zum teile berechtigt sei.
dabei werden wir vorzugsweise auf die gedicbte xi und lu der
Weberseben ausgäbe rücksiebt nehmen müssen.
Nach Weber s. 499 soll sich das erstere auf 0.s reise nach
Deutschland im jähre 1409, das zweite auf seiae gesandtschaft im
auftrage Sigmunds gegen herzog Friedrich am Rhein im jähr» 1426
beziehen, beide annahmen sind irrig, im gegenteile betreffen die
gedicbte O.s kurze reise im jähre 1424. neben der bereits oben
bewiesenen tatsache, dass unser dichter wttrklich wahrend des
Jahres 1424 aufserhalb der heimaUiehen berge verweilte, kdnnen
wir auch den höchst wahrscheinlichen aacbweis erbringen dass
derselbe während der jähre 1425 und 1426 Tirol nicht verliefs.
ganz bestimmt vermögen wir aber zu zeigen dass, soDte er auch
in diesem Zeiträume eine reise unternommen haben, er alsdann
nicht mit den 5 kurfttrsten in Heidelberg zusammengetroffen
sein kann.
OZingerle legt ein hauptgewicht auf den umstand, dass 0.
jedesfalis zu dem am sonnlag quasimodogeniti in Wien abzu-
haltenden rechtstag erschienen sei. dies ist aber nicht der faU.
am 25 juii 1425 beklagt sich nämlich herzog Friedrich bitter über
O.s fortbleiben von diesem rechtstage (Wolkenst. arch. im Germ,
museum). ebenso wenig scheint der dichter bis zu dieaeoi zeit-
puncte Tirol verlassen zu haben, am 31 märz ersucht nltolich
Martin Jäger den herzog Friedrich, er möge ihm endlich gegen
Osw. vWolkenstein zum rechte verhelfen » da dieser und seine
brüder ihm jetzt alles entrissen hätten, und er vor denseiben so-
gar des lebens nicht mehr sicher wäre.^ diese angaben mit der
aber jetst zu seinem schwiegersohDe in das feldlager nach M&bren abgereist,
von wo tt in acht tagen wider sorOckzakebren versprochen habe (FGbrJFischer
Kleine Schriften n 173 f nr xvii).
1 JLadnrner Urkunden ans dem 8tattb.-areh. Innsbruck nr 2663. gleich-
sam eine iUnstration za dieser klage sind die beiebauogen, welehe Michael
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IM JAHRE 1424 TIROL VERLASSEN? 185
bereits toq Ziogerle erwithnteD Urkunde Tom pfinztage vor laetare,
15 mflrz, zusammeDgehallen ^ ergeben beinahe mit Sicherheit dass,
falls 0. wOrklich noch in diesem jähre Tirol verliefs, dies erst
nach dem 25 juli geschehen sein könnte, nun yermögen wir
aber während der kurzen frist bis anfang februar 1426, um welche
zeit 0. wider urkundlich in Tirol erscheint, die am meisten in
frage stehende Zusammenkunft der 5 kurfttrsten in Heidelberg
nicht nachzuweisen, freilich könnten wir daran denken dass die-
selben vor oder nach dem kurfürstentage zu Mainz, der im
Dovember dieses Jahres abgehalten worden sein soll (Droysen
Geschichte der preufsischen politik i s. 480), in Heidelberg sich
Yersammelt häUen, aber abgesehen davon dass wir nicht wissen,
aus welcher quelle Droysen diese nachricht schöpfte \ muss uns
wenigstens die anwesenheit des kurfürsten Friedrich' von Branden-
burg sehr zweifelhaft vorkommen, da derselbe in diesem monate
auch in der mark Brandenbui:g erscheint, wo er von den Pom-
mern bei Yierraden geschlagen wurde (Theodor Hirsch in der
Allgemeinen deutschen biographie vii 473).
Nicht viel besser verhalt es sich mit dem jähre 1426.
zwar könnte es scheinen, als ob 0. in diesem jähre Tirol ver-
lassen habe, um in seinen und der Starkenberger angelegen-
heiten bei den ausländischen fttrsten zu würken ; sagt er ja selbst
IQ dem an Georg Torer am 11 februar von Fragenstein aus
gerichteten schreiben, worin er demselben über seine vermit-
telungsversuche in der Starkenbergischen angelegenheit bericht
erstattet: Auch $o dundct mich mer geratttn sein, das sich Wil-
Ao/m der Starckemberger vnd auch du bei einander fueget ze sein,
es seif xe Miinchen, zue Homstem oder swo alslanng. Ob es zu
▼Woikeostein in seiDem ood seiner brfider namen am auffahrtstage (17 mai)
dieses Jahres mit HaaensteiDscben gütera vornahm (Wiener ha. 12575 fol.337
Dod 338' f.
^ aao. 8. 271. flbrigeoa sollen nach denselben Troatburger regesten
nr 172 die beiden brüder Michael nnd Oswald das gleiche geschift mit ihrer
Schwester auch am freitage vor dem palmtage, 30 min, abgeschlossen haben.
' entnahm er dieselbe, wie wir vermuten, der chronik des Eberhard
Wiodeck (Mencken Scriptores rerum germaoicarum i 1188 cap. czliv), so
wüsten wir nns nicht zu erklären, wie er dieses ereignis in den november
1425 verlegen konnte. Wiodeck gibt nämlich weder monat noch Jahr,
nad die am rande beigefügte Jahn ahl ist wot nur anf rechnnng des heraus-
gebers sn setzen.
Z. F. D. A. XXVn. N. F. XV. 13
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186 HAT OSWALD VON WOLKENSTEIN
schulden kom, ab ich nach der antwurt, die ir mir auf die gagen-
wurtig verschreibung sach geben werd, mchm oder emhieten wurd,
daz ich ew dann bei einander in ainer nähen wif$ ze vindm
(statthalterei-archiv Innsbruck sub Starkenberger). auch könnten
wir unwillkürlich an jene fürstenversammlung denken, welche
zwischen pfingsten und Lorenzi in diesem jähre zu Boppard ge-
halten wurde, aber weder auf diesem noch auf dem im vor-
hergehenden jähre abgehaltenen fürstentage war der kurfQrst
Friedrich von Brandenburg anwesend.^ ebenso wenig können
wir an den reichstag von Nürnberg denken, der anfang juni dieses
Jahres zusammentrat, denn erstens spricht gegen eine solche an-
nähme schon die weite entfernung des ortes von Heidelberg und
zweitens erschienen auf diesem tage von den kurfQrsten nur der
pfalzgraf Ludwig und der erzbischof von Köln.^ hat 0. wörklich
nach dem 1 1 februar Tirol verlassen, so könnte er sich höchstens
zu dem reichstage nach Wien begeben haben, was indes für unsere
frage natürlich nicht in betracht kommt, bereits am 19 august
dieses Jahres treffen wir aber den dichter wider in Tirol, an
diesem tage entschuldigt er sich nSlmlich von Neuhaus im Puster-
tale aus bei einem nicht genannten forsten, dass er trotz dessen
wünsch seine pilgerfahrt in das beilige land nicht mit machen
könne und auch jetzt nicht zu ihm gekommen sei, und erteilt
demselben ratschlage bezüglich dieser fahrt. ^ der adressat dieses
Schreibens ist leicht zu finden, es ist pfalzgraf Ludwig, der ende
august dieses Jahres seine pilgerfahrt in das gelobte land antrat.^
gerade diese abwesenheit Ludwigs verbietet uns aber die in frage
stehende reise O.s in die letzten vier monate dieses jahres zu
verlegen; es bliebe daher nur noch der anfang des jahres 1427
zu berücksichtigen, dagegen hat jedoch bereits Zingerle s. 271 f
' Eberhard Win deck Historia imperaloris Sigismundi (Mencken Scrip-
tores rerum germanicarum 1 1 188) .4Uo griffen die ftirstm daran vnd siugen
es auf ein Ungern tag, äi% gesehaeh in dem Jare ab man zaHe nach
gotes gepurie xim hundert vnd xxvi Jare xwitehen phingiten tmd L&r&n%u
' fläufser Geschichte der rheinischen Pfah 1 296, der aber das falsche
jähr 1425 gibt; vgl. Aschbach aao. ni 243.
' nach einem concepte im Wolkensteinschen archive im Gennanischea
museum.
* HIarser aao. 294 und note 88 (PenuUima die AugtuH recesHt do-
minus Dux Ludovicus intentione terram sanctam visitandi).
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IM JAHRE 1424 TIROL VERLÄSSEN? 187
den feinen unterschied heryorgehoben , wodurch 0. selbst in
seioeo gedichten diese beiden reisen aus einander hält, dagegen
spricht ferner ganz besonders das urkundliche material. noch
am 22 februar 1427 scheint sich nämlich der dichter im lande
befunden zu haben, denn an diesem tage fordert ihn herzog
Friedrich von Innsbruck aus auf, den durch ihn auf den 17 märz
nach Bozen einberufenen landtag zu besuchen (Originalurkunde
des Wolkensteinscben arcbives im Germanischen museum). 0.
dflrfte jedoch auf demselben kaum erschienen sein, denn er
mochte es wol selbst fühlen dass die landesgebrechen , Ober die
sich herzog Friedrich in seinem ladschreiben bitter beklagt, nicht
ziun geringsten teile auch ihm zur last gelegt werden dürften,
miulerweile waren aber auch die letzten reste der bündnerischen
eriiebung zu boden geschlagen worden, erst vor kurzem war
0.8 Schwager, Parcival von Weineck, an die reihe gekommen,
schon am 25 februar hatte er zu Innsbruck urfehde schworen
müssen (statthalterei-archiv Innsbruck, schatzarchiv nr 3689).
jetzt zwang ihn herzog Friedrich, getreu seinem Systeme, den
mächtigeren adel wo möglich ganz aus dem Inntale zu verdrängen,
ihm die bürg Fragenstein mit allen dazu gehörigen rechten und
gütern käuflich zn überlassen (statth. - archiv Innsbruck, schatz-
archiv nr 1407, Urkunde vom 4 mSrz 1427). unter solchen um-
standen mochte es dem dichter in den heimatlichen bergen nicht
mehr recht geheuer vorkommen, zumal ihm sehr gut bekannt
war dass seine noch immer nicht befriedigten gegner dem herzöge
fortwahrend anlagen, ihnen doch endlich gegen den gewalttätigen
Wolkensteiner zum rechte zu verhelfen, wie er ihnen dies ja zu
widerholten malen versprochen hatte, dass der dichter würklich
erst nach dem 17 märz dieses Jahres Tirol Terlassen, können wir
Qbrigens auch aus seinen eigenen bemerkungen erweisen, er
selbst sagt ja dass er einige tage auf Vellenberg gefangen ge-
wesen, bevor er seine unfreiwillige Preufsenfahrt nach Innsbruck
habe antreten müssen, dort sei er wider .20 tage lang in haft ge-
halten, bis endlich sein streit aasgetragen worden wäre, was, wie
bereits erwähnt, am 1 mai dieses Jahres geschah (Weber nr xiii).
rechnen wir dazu die zeit seiner reise bis nach Wasserburg und
seine zurUckführung nach Vellenberg, so dürften wir auf die
oben genannte zeit als die seiner ausfahrt zurückkommen, dass
der dichter bemerkt, erst vor kurzem sei er mit pfalzgraf Ludwig
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188 HAT OSWALD VON WOLKENSTEIN
zu tische gesessen, kann dagegen kaum in die wagschale fallen,
da der ausdruck kurtzlich ein dehnbarerer begriff ist als zb. Zingerle
anzunehmen scheint, überdies bringt der dichter diese freuden-
reiche zeit noch mit einem anderen ereignis in Zusammenhang,
von dem er selbst sagt dass es vor Zeiten stattfand (Weber xm 9),
nSmlich mit seiner reise an den hof kOnig Sigmunds, welche
reise wir mit Sicherheit in das jähr 1424 zu setzen vermochten,
damit haben wir nun bereits einen positiven beweis dafUr ge-
geben, dass 0.S reise an den Rhein mit der vom jähre 1427
nicht zusammengefallen sein kann, um aber den negativen be-
weis zu vervollständigen, müssen wir noch einen augenblick bei
dieser zweiten reise verweilen, wir können es dem romantischen
Sänger wol glauben dass ihn unter den angeführten widrigen
umständen sein nie ruhender Wandertrieb von neuem erfasste und
ihn dorthin zog, wo er einst so viel ehre erlangt hatte, nämlich
nach Spanien, mag aber auch dies reiseziel von ihm nur vor-
geschützt sein, um den eigentlichen zweck seiner entfemung
zu verdecken, immerhin können wir mit Sicherheit schliefsen
dass die hier erwähnte reise nicht mit der im gedichte xn der
Weberschen ausgäbe geschilderten zusammenfallen kann, gleich-
wie nämlich der dichter den ausgangspunct beider reisen ver-
schieden angibt, ebenso hält er auch das reiseziel genau aus
einander, in dem einen gedichte bezeichnet er als ziel seiner
ausfahrt Köln (Weber xu 1), bis wohin er auch gelangte (xu 4),
Während in den auf seine reise von 1427 bezüglichen stellen
die pyrenaeische halbinsel, ja selbst Ceuta als endpunct dar-
gestellt wird, sagt er ja selbst:
Durch aubenteuer, tat und perg
ab nach dem Rein geti Haidelberg,
in Engelant stv^nd mir der sin nicht träge
gen Schottland^ Yerland Übersee
auf hölggen gross gen Portugal ze siglen,
und in der zweiten Strophe fährt er fort:
Von Lizabon in Barbarei
gen Septa, das ich weiknt half gewinnen usw. (Weber xiu 1 und 2).
und wenn wir noch zweifeln wollten, ob sich diese stellen würk-
lich auf die beabsichtigte reise O.s vom jähre 1427 bezidien
oder nicht, so stellt sich dies als ganz unzweifelhaft dar, sobald
wir die bereits oben (s. 183) angeführte parallele aus ii 4 heran-
ziehen, ob dem dichter, der in der ersten dieser stellen so zu
sagen eine ganze reiseroute zeichnet, dabei ein vollständig neuer
weg vorschwebte, oder ob er, wie Weber Osw. vWolkenstein und
Friedrich mit der leeren tasche s. 173 f glaubt, dabei seine erste
fahrt nach Spanien im äuge hatte, vermögen wir nicht zu ent-
scheiden, eines ist aber gewis, dass nämlich, wie bereits bemerkt,
die in dem gedichte xii beschriebene reise auch nicht in den
anfang des Jahres 1427 gefallen sein kann, und es bliebe daher
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IM JAHRE 1424 TIROL VERLASSEN? 189
Dttr mehr zu zeigen flbrig dass dieselbe würklich in das jabr 1424
verlegt werden muss.
Gerade am beginne dieses jahres finden wir die von 0. ge-
aaiinten 5 kurfürsten urkundlich zwar nicht zu Heidelberg , wol
aber in nicht gar weiter entfernung von diesem orte, nämlich
zu Bingen (Joach. Müller Reichstagstheatrnm s. 451 f und Fischer
Kleine Schriften i 188 f). ob dieselben nun vor oder nach diesem
tage in Heidelberg sich versammelten, wage ich nicht sicher zu
entscheiden, dass aber diese Zusammenkunft würklich in diese
zeit fiel, glaube ich sogar aus 0.s gedieht xi 3 schliersen zu können,
wo er ja selbst diesen sonst so unbedeutenden ort nennt, indem
er sagt:
Do ich den Necker kos,
der baeh
gemach
nicht flo9S
in Rein, der Main
darzue die Now
umb Pingen Neckerow usw.i
aus diesem gedichte könnten wir ferner den schluss ziehen dass
die Zusammenkunft der fttrsten in Heidelberg vor den tag zu
Bingen fiel, weil ja der dichter seinen aufenthalt auf der her-
lichen bürg seines fürstlichen gönners schildert, bevor er der
sonst noch genannten orte, Bingen, Mannheim, Bacharach, er-
wahnung tut (Weber xi 1). diese Vermutung dürfte auch aus
der geschichte bestfltigung finden, auf dem genannten tage zu
Bingen handelte es sich nämlich unter anderem um eine ent-
scheidung in der höchst wichtigen und heiklen frage über die
Verleihung der sächsischen kur (vgl. Droysen aao. i 465 f ; Fischer
aao. 1 188 f und Müller aao. s. 452), und da mochten die fünf
karfflrsten, denen die entscheidung oblag, immerhin zuerst zu
einer Vorbesprechung in Heidelberg zusammengekommen sein,
freilich haben wir schon stillschweigend vorausgesetzt dass auch
das eben genannte gedieht: 0 Phalzgraff Ludewig bei Rein, so
vein (Weber xi) sich auf das jähr 1424 beziehe, was eben erst
noch zu beweisen ist. dass dasselbe unmöglich auf das jähr 1409
bezogen werden kann, muss jedem, der nur einiger mafsen mit
der geschichte der rheinischen Pfalz vertraut ist, sofort einleuchten.
0. nennt nSmlich in diesem gedichte deutlich als gattin des pfalz-
grafen Ludwig die Malhilde von Savoyen (Weber xi 1). nun
vermählte sich Ludwig mit dieser seiner zweiten gemahlin erst
im jähre 1418 (Häufser aao. s. 311), und die erwähnung mehrerer
* diese erwähnung des kleinen Bingen ist um so wichtiger, weU sie
zugleich ein directer beweis dafür zu sein scheint, dass 0. nicht in der zweiten
bilfte des jahres t425 seine reise nach Deutschland antrat, indem er ja in
diesem falle gewis Mainz genannt hätte, woselbst, wie bereits erwähnt, die
kurfiiftteo im november des jahres einen congress abgehalten haben sollen.
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190 HAT OSWALD VON WOLKENSTEIN
kiader derselben weist mit notwendigkeit die eutstehung dieses
gedichtes, das wir entschieden als unmittelbaren gefühUausOuss
betrachten müssen, in die zwanziger jähre des Jahrhunderts, wir
haben bereits gesehen dass wir alsdann nur au die jähre 1424
und 1427 denken können« wie sich aber aus dem urkundlicheD
materiale mit voilsUindiger evidenz nachweisen lässt, wurde 0. im
jähre 1427 schon bei seiner ausfahrt und nicht erst bei seioer
rückkehr, wie Beda Weber Osw. vWolkenstein und Friedrieb
mit der leeren tasche s. 387 annimmt, gefangen. ^ es bleibt also
nur mehr das jähr 1424 als einzig mögliches für den aufenthali
des dichters zu Fleidelberg ttbrig. wir glauben aber diese be-
hauptung auch direct aus den gedichten selbst beweisen zu kOnoea.
man vergleiche nur die beiden stellen , an denen 0. die ihm am
hofe Ludwigs erwiesenen ehren schildert:
Unfröstlieh
köstlich
mein da ward
gepflegen
engegen
von dem lieben hart,
der mich hat schon gedecket
mit fUchsen swer
durch märder ser erschrecket usw. (Weber xi 3),
und Von mantel, rock,
recht als ein tock
ward ich beklait
durch füchs und märder (Weber xii 3).
gerade die erwähnung des Pelzwerkes in beiden gedichten scheiot
mir ein neuer beweis dafür, dass der aufenthalt O.s in Heidelberg
in die kalte Jahreszeit fiel, was unsere Vermutung, die Zusammen-
kunft daselbst hänge mit dem tage zu Bingen zusammen, jedes-
falls nicht unwesentlich zu stutzen vermag, dadurch hätten wir
aber auch den beweis erbracht dass 0. unmöglich im anfange
dieses Jahres am hofe könig Sigmunds zu Pressburg gewesen
sein konnte, welchen beweis wir oben einstweilen offen lassen
musten (s. 184). aber noch ein zweites moment können wir für
unsere behauptuug, dass das vorliegende gedieht sich auf das
jähr 1424 beziehe, ins feld führen, die schmeichelnameo, welche
0. den kleinen kindern des pfalzgrafen Ludwig beilegt, sind eol-
' wir führea hier nur das eiaaige zeugois 0.« selbst an. derselbe
spricht in jener Urkunde yom 1 mal 1427, in welcher er die endliche bei-
legung des ttreites mit seinen gegnern bezeugt: Alt ich yec%nnd we^uertig
gewesen pin vom lannde zereiten, vnd aber etUieh lanndteute — dim dur-
leuchtigen fursten herczog Fridreichen etc. annifften, vnd baten, mich
bei dem lannde zebehalten — das derselb mein gnediger herr von Osler-
reich iet, vnd bin nach seinem gesche/ft widerumb zu seinen gnaden ge-
riteti usw. ( Wolkenstein sches arcbiv im Germauischen museum).
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IM JAHRE 1424 TIROL VERLASSEN? 191
schieden nur auf roädchen anwendbar, sie passen auf Mathilde,
Katharina und Agnes, ganz gewis hatte der dichter, falls schon
eJD söhn aus der zweiten ehe Ludwigs vorhanden gewesen wäre,
denselben erwähnt; aber im anfange des Jahres 1424 existierte
ein solcher noch nicht. ^ gerade dieser umstand dürfte woi auch
als weiterer beweis dienen, dass 0. kaum in der zweiten hälfte
des Jahres 1425 seine politische reise nach Deutschland angetreten
hat, denn um diese zeit war bereits der nachherige kurfürst
Ludwig IV ein jähr alt, Friedrich der siegreiche vielleicht schon
geboren (Häufser aao. s. 311). bei diesem beweise haben wir
freilich vorausgesetzt dass jedes der von Weber angeführten ge-
dichte vm, xi und xii fOr sich als ein ganzes angesehen werden
müsse, hinsichtlich vni und xi dürfte diese annähme kaum auf
Widerspruch stofsen, eher konnte es bedenklich erscheinen ^ die
4 teile des zwölften als ganzes zu betrachten, aber abgesehen da-
von, dass schon der versbau aller dieser abschnitte für eine gleich-
zeitige entstehung spricht, können wir auch einige stellen in
diesem gedichte selbst geltend machen, so knüpft 0. seinen auf-
eotbalt am hofe Eberhards ni in Salzburg unmittelbar an seinen
auszag von Wolkenstein, ebenso wenig dürfte es zweifelhaft
i^io dass dieser abschnitt mit dem vierten auf das innigste zu-
sammenhängt, nehmen wir aber Salzburg als erste ruhestation
des dichters an, so ist der im zweiten und dritten teile bezeich-
nete weg: München, Augsburg, Ulm, Heidelberg vollkommen
naturgemäfs; diesen weg muss er aber in einer ziemlich kurzen
zeit zurückgelegt haben, da er, wie bereits bemerkt, Tirol erst
gegen das ende des Jahres 1423 verlassen haben konnte, schon
am 17 jänner 1424 fand nämlich jene merkwürdige kurfürsten-
einigong zu Bingen statt, welche direct gegen könig Sigmunds
aufserdeutsche polilik gerichtet war und mit voller bestimmtheit
statt der bisher noch immer monarchischen regierungsform die
öbertragung des regimentes in Deutschland auf das geeinigte kur-
collegium anstrebte, vgl. hierüber die ausführliche darstellung
bei Droysen aao. i 465 f. mochte 0. wol ahnen dass damit sein
erster gönner seinem grösten feinde in die arme getrieben wurde,
dass derselbe, um sich ein gegengewicht gegen die prätensionen
der kurfürsten zu schaffen, um jeden preis die gesammte Habs-
burgische macht zu sich herüberziehen muste? wir wissen es
nicht, denn aus beiden gedrehten tönt uns nur die innere befrie-
digong ober die auszeichnungen entgegen, die man ihm» dem
gern gehörten Sänger, dem alten freunde, entgegen brachte, erst
Dachdena er die erfolglosigkeit seiner sendung durch eigene an-
schauüDg kennen gelernt hatte, scheint ihm das bewustsein ge-
^ Hän&er aao. 8. 311. Ruprecht, Ludwigs söhn aus erster ehe, kommt
natürlich hier nieht in betracht, da derselbe am diese zeit bereits 18 jähre
alt war.
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192 OSWALD VON WOLRENSTEIN
kommen zu sein, dass er von dieser seile nichts erwarten darfe;
und seine bangen befürchtungen klingen aus dem Schlüsse des
zweiten dieser gedichte hervor, wenn er singt:
Nu bin ich hie
und wais noch, wie
es sich verdärt
e ich zu la$id kom
in meine weites schösse (Weber xii 4 s. 58).
gerade die erfolglosigkeit seiner reise an den Rhein scheint in
ihm den entschluss gereift zu haben, einen glücklichen austrag
seines Streites vor dem tribunale zu suchen, vor das bereits seine
freunde ihre angelegenheit getragen hatten, bei kOnig Sigmund,
dass er aber auch hier nicht mehr den schütz finden konnte, der
ihm bisher zu teil geworden, lag an dem gespannten Verhältnisse,
in welchem sich sein alter königlicher freund zum kurcollegium
befand, lag weiter an den gefahren, welche diesem, dem ge-
sammten reiche, vor allem aber der iuxemburgiscb-habsburgischen
macht von den Hussiten drohten, schon der kühle empfang, deu
0. zu Pressburg fand, mochte ihm zeigen dass seine sache einer
höheren politik zum opfer fallen müsse, wenn wir aber sehen,
wie Sigmund noch im letzten augenblicke vor seiner aussöhnung
mit herzog Friedrich dem dichter seinen schütz zusagt, freilich
in der sehr problematischen form, falls er es nicht vergesse (vgl.
oben s. 183 note 3), so müssen wir immerhin mit Weber einge-
stehen dass der kaiser seinen langjährigeu freund in höchst
schmählicher weise verliefs; obwol wir andererseits auch wider
erkennen dass 0. selbst nur zu gut den endlichen ausgang ahnte
und fürchtete, und dass ihm daher die am 17 februar 1425 zu
Hornstein erfolgte aussöhnung des königs mit Friedrich von
Österreich keineswegs unerwartet gekommen sein dürfte.
Jedesfalls ist aber das resultat, das wir aus den vorstehenden
betrachtungen ziehen können, ein überraschend günstiges, nicht
nur vermögen wir auf grund der besprochenen gedichte ein
ganzes iebensjahr unseres dichters vollständig zu überschauen,
sondern wir sehen auch dass 0. in diesen seinen liedern der
Wahrheit völlig treu blieb, auf dieses resultat gestützt glauben
wir ferner nicht zu irren, wenn wir wenigstens den historischen
reminiscenzen dieser drei gedichte den wert einer quelle ersten
ranges für eine kritische biographie 0.s beilegen.
Innsbruck. ANTON NOGGLER.
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UNTERSUCHUNGEN ZUR GESCHICHTE ULFILAS 193
KRITISCHE UNTERSUCHUNG DER QUELLEN
ZUR GESCHICHTE ULFILAS.
NacbricbteD über Ulfila finden sieb bei:
1) Aaxentius, entdeckt und herausgegeben von GWaitz Über
das leben und die lebre des Ulfila, Hannover 1840, wider
abgedruckt bei EBernhardt Vulfila, Halle 1875.
2) Philostorgius in der Historia ecclesiastica > einer um 440
geschriebenen Fortsetzung der Kirchengescbichte des Euse-
bius vom arianischen standpuncte.
3) Socrates, Sozomenus und Tbeodoretus, welche um dieselbe
zeit das werk des Eusebius vom orthodoxen standpuncte
fortsetzten.
4) Acta SNicetae, eines um 370 getödteten gotischen mSr-
tyrers, Acta Sanctorum vom 15 September v 40.
5) Jordanis De rebus geticis und Isidor von Sevilla, in dem
Chronicon und in der Historia Gothorum.
Ihre angaben über Ulfila sind mehrfach untersucht worden
und zwar mit dem glücklichsten Scharfsinn: aber ein abschluss
ist bisher nicht erreicht, die forscher gehen in der beurteilung
jener quellen an zahlreichen und wesentlichen puncten aus ein-
ander, schreibt doch selbst HRichter in seinem vortrefflichen
werke Das weströmische reich von 375 — 388 s. 444 noch die
fabel nach, Ulfila sei ein schüler des orthodoxen bischofs Theo-
philus gewesen, ich nehme deshalb die Untersuchung noch ein-
mal auf, um für alle genannten quellenschriften festzustellen:
in wie weit sie zuverlässig sind, in welchem Verhältnis sie zu
einander stehen und was sie an nachrichten über Ulfila bieten.
Was mir von meinen Vorgängern bereits erledigt scheint,
werde ich im resultat mitteilen, wo noch zweifei blieben, werde
ich die Untersuchung selbst geben.
So hoffe ich die gesammten nachrichten über Ulfila in kri-
tischer Sichtung zusammenzustellen, daran soll sich dann noch
die prttfung derjenigen stellen schliefsen, welche von der Chri-
stianisierung der Goten handeln.
Z. F. D. A. XXVII. N. F. XV. U
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194 UNTERSUCHUNGEN ZUR GESCHICHTE ULFU.AS
1. Auxentius.
Aufmerksam gemacht durch Knust hat GWaitz diese weitaus
wichtigste quelle zu Paris in der handschrifl Supplement latin 594
entdeckt, mit unendlicher Sorgfalt herausgegeben und mit dem
glücklichsten Scharfsinn erläutert, auf dem so gelichteten boden
sich freier bewegend, hat dann der der Wissenschaft zu früh ent-
rissene WBessell^in seiner schriftOber das leben des Ulfilas und die
bekehrung der Goten zum Christentum, GOttingen 1860, ver-
schiedene puncte richtiger oder genauer bestimmt, seinen aus-
führungen haben sich die späteren ^ meist angeschlossen, andere
haben ihm widersprochen, ohne dass jedoch die Untersuchung
im zusammenhange wider aufgenommen wflre. das ist aber not-
wendig, denn Bessell ist ein solcher liebhaber scharfsinniger com-
bination, dass ihm seine begabung zur grOsten gefahr wird, fast
möchte man sagen, die Schwierigkeit reize ihn an und verführe
ihn, sich für eine auffassung zu entscheiden, aus diesem gründe
bin ich auch den blendenden erOrterungen, mit denen er Waitzs
ebenso scharfsinnige wie vorsichtige Untersuchungen Ober Auxen-
tius weiter führte, nicht ohne mistrauen gefolgt — aber in be-
zug auf wichtige ergebnisse mu^e ich ihm beitreten, namentlich
in bezug auf die bestimmung der lebenszeit Ulfilas von 311 — 381
statt 318 — 388. doch schien mir hierbei die beweisfohning
anderungen zu erfordern, und einige seiner erOrterungen Ober
Auxentius halte ich auch für unrichtig oder doch unsicher, die-
jenigen abschnitte endlich von Bessells schrift, welche die angaben
des Socrates, der Acta Nicetae, des Jordanis usw. über Ulfila
untersuchen, sind in der hauptsache verfehlt.
Oberlieferung des Auxentius.
Auf dem concil zu Aquileja von 381 waren die Arianer nur
durch zwei ihrer bischofe vertreten, Palladius und Secundianus,
und diese hatten nicht recht zu werte kommen können, sie
klagten dass ihre reden nicht richtig protocoUiert seien, dies
veranlasste einen sonst unbekannten bischof Maximin, an deo
rand eines codex der acten jenes concils eine auseinandersetzung
^ 80 Bernhardt in seiner ausgäbe des Vulfila, wihrend FDahn noch Id
der neoen ausgäbe von Vietersheim Völkerwandemog Waitzs annahmen folgt.
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UNTERSUCHUNGEN ZUR GESCHICHTE ULFILAS 195
lu schreiben, welche die Ungerechtigkeit der orthodoxen erweisen
und den arianischen glauben verteidigen sollte.
Zu dieser auseinandersetzung benutzte Maximin den codex
Theodosianus, der 438 ausgegeben ward.^ er schrieb also frühe-
stens um 440, doch nahm er in seinen commentar zwei altere
Schriften auf: 1) einen brief des Palladius an den hl. Ambrosius
Aber das concil von Aquileja von 381, der unmittelbar nach
demselben und noch ohne benutzung der ofBciellen acten ge-
schrieben ist, und 2) einen bericht des Auxentius, bischofs von
Dorostorum (Silistria) über Ulfiia und seine lehre, diese beiden
Schriften sind auf folgende weise in den commentar eingefügt.
Die nindschrift Haximins beginnt auf f. 276 und bietet bis
f. 281 nur eine kritik der den text des codex bildenden acten des
Aquilejer concils. diese kritik schliefst mit einem hinweis auf
die weiter unten folgende schrift des Palladius, in welcher das
verfahren der orthodoxen auf diesem concil einer eingehenderen
beleuchtung unterworfen werde, darauf folgt eine Verteidigung
der arianischen lehre, und zum beweis für die richtigkeit dieser
dogmatischen erOrterung wird auf Anus, Theognis, Eusebius und
weiter auf bischofe hingewiesen, welche mit Ulfila an den hof
des Theodosius gekommen seien, es wird hinzugefügt dass die
oamen und bekenntnisse derselben unten aufgeführt werden sollen,
tatsflchlich wird dann aber nur das bekenntnis des Ulfila mitgeteilt
und zwar in der schrift eines bischofs Auxentius. diese schrift
füllt den rand von f. 282—286. es folgt ein nachtrag Maximins
Ober einen ausdruck jener schrift f. 286 — 289^ in dem sich wider
eine leider unverstandliche angäbe über Ulfila und seine geführten
findet, daraufsind 24V2blatter oder 49 selten leer gelassen, um
die anderen oben angekündigten professiones der mit Ulfila nach
Constantinopel gekommenen bischofe aufzunehmen, die dem Maxi-
min nicht gleich zur band sein mochten, dann folgt f. 314 bis
327 der in form eines briefes erstattete bericht des Palladius
(oder Palladius und Secundianus) über das concil von Aquileja.
Palladius sucht in diesem berichte nachzuweisen dass die
* Waitz hatte auf momeDte hingewiesen, die es wahrscheinlich machten
dasi Maximin noch zn lebzeiten des hl. Ambrosins schrieb, allein die von
Betsell nachgewiesene beoatzung des codex Theodosianus ist ein dorch-
ichlagendes argoment dagegen, vgl. Bessell fiber die von Waita hervor-
febobcnen poocte a. 20.
14*
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196 UNTERSUCHUNGEN ZUR GESCHICHTE ULFILAS
▼erbandlung auf dem concil nicht frei gewesen sei. Ambrosius
wird verhöhnt, dass er zwar io mitten seiner partei (in anffulo,
in latehris, inter tuos) das grofse wort führe, aber den offenen
kämpf (in phnis, in püblico, aput aemulos) scheue, wahrend die
arianische partei dagegen bereit sei, den kämpf aufzunehmen und
speciell auf jedem concil die sacbe des von Theodosius plötzlich
abgesetzten arianischen bischofs Demofilus von Constantinopel zu
verteidigen, mit dieser stolzen Versicherung schliefst PaUadius,
und Maximin knüpft daran ein Schlusswort, das die Wahrheit der-
selben erhärten soll, er erzählt nämlich dass die von Palladius
genannten bischüfe in Constantinopel, wohin sie mit dem heiligen
Ulflla zu einer anderen Versammlung gekommen waren, eine audienz
beim kaiser Theodosius nachsuchten und in derselben um ein concil
baten, es sei ihnen auch zugesagt worden, aber dann hätten die
orthodoxen wider das ohr des kaisers gewonnen und durchgesetzt
dass ein gesetz gegeben ward, welches 1) das concil und 2) alles
disputieren über den glauben, sowol privatim als öffentlich, ver-
bot, dies gesetz sei folgendes, nun gibt Maximin aber nicht ein
gesetz, sondern zwei, von denen das eine dem jähre 388, das
andere dem jähre 1^86 angehört, über diesen punct wird gleich
besonders gehandelt werden, im ganzen aber weisen die schluss-
bemerkungen Maximins zurück auf den anfang seiner schrift und
bestätigen die annähme, dass die randbemerkungen des codex
trotz jener lücke von 49 seilen als eine zusammenhängende schnfi
zu betrachten sind.
Die Zeitangaben über Ulfila, die sich bei
Auxentius finden.
Die Zeitangaben im Auxentius sind von dem todesjahre Ulfilas
an zu berechnen, dies ist zunächst dadurch bestimmt, dass Ulfila
unter kaiser Theodosius (379 — 395) starb, dann näher durch
die gesetze, welche das concil verboten haben sollen, das den
Arianern gleich nach Ulfilas tode versprochen worden war. aber
Auxentius führt zwei gesetze an und aus zwei verschiedenen
Jahren, welches gesetz ist das richtige? Waitz entscheidet sich
für das erste von 388 und betrachtet das zweite von 386 nur
als ein müfsiges anhängsei. da nun Ulfila nach Auxentius mit
30 jähren zum biscbof geweiht wurde und 40 jähre dies amt ver-
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I
UNTERSUCHUNGEN ZUR GESCHICHTE ULFILAS 197
waltete, so setzt Waitz den tod Ulfilas in die mitte des jahres 388,
seine gebort 318, seine weihe 348, seine auswanderung aus dem
gotischen in das römische gebiet 355. die sonstigen nachrichten
machen es jedoch wenig glaublich dass im jähre 388 den Arianern
eine audienz gewährt und ein concil ?ersprochen wurde, auf dem
ihr streit mit den orthodoxen noch einmal untersucht werden
solle. W. verhehlte sich das nicht, glaubte jedoch der bestimmten
Zeitangabe des gesetzes weichen zu müssen, aber liegt denn
eine bestimmte angäbe vor? liegen nicht zwei angaben vor, die
sich gegenseitig widerlegen? W. nennt das eine gesetz ein an-
haogsel; aber ist es nicht auch von Maximin angeführt? hat es
nicht ganz dieselbe äufsere autorität für sich, welche W. bestimmt,
sich dem sonst so wenig passenden datum 388 zu fügen? aus
dem Widerspruch der beiden gesetze folgt vielmehr dass Maximin
nicht genau wüste, wann und durch welches gesetz jenes ver-
sprochene concil aufgehoben worden sei.
Dieser schluss wird bestätigt durch die beschaffenheit der
gesetze, und diesen weg hat Bessell eingeschlagen, um den irrtum
der angäbe zu erweisen, er fand nämlich dass jenes angebliche
gesetz von 386 gar kein gesetz sei, sondern nur ein unverständ-
liches bruchstück aus einem gesetze dieses jahres und zwar ein
brucbstflck, welches in dem codex Theodosianus durch einen irrtum
als gesetz aufgeführt ist.^ da es nun nicht denkbar ist dass Maxi-
min das gesetz zufällig gerade so verstümmelt haben sollte, wie
es an jener stelle des codex verstümmelt ist, so entnahm es
Maximin in dieser form aus dem codex Theodosianus und hatte
also über das gesetz, welches das den freunden Ulfilas versprochene
concil verbot, keine besondere Überlieferung, er suchte vielmehr
in dem codex nach dem gesetz und glaubte in jenen beiden ge-
eignete gefunden zu haben, freilich ist Maximin dabei sehr un-
geschickt verfahren, ungeschickt war es dass er nicht an gesetz
nannte sondern zwei, ungeschickt dass er dabei jenes sinnlose
bruchstück wählte, und ungeschickt ist endlich auch die wähl
des anderen gesetzes von 388. denn dies gesetz richtet sich
nicht -^ wie die erzählung des Maximin doch fordert — gegen
^ schon Gotbofred hatte dies in seinem commentar zu Codex Theo-
dMianos ivi 4, 1 tom. 6 s. 100 nachgewieseo. Waitz hatte nicht diese
^lle verglicheD, sondern das volistfindig^ gesetz xti 1, 4 (De fide cathol.), aus
dem XVI 4, 1 Terstümmelt ist.
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198 UNTERSUCHUNGEN ZUR GESCHICHTE ULFILAS
€10 den Arianern vorher versprochenes concil, sondern verbietet
nur ganz allgemein den öOentlichen streit über das dogma. die
Arianer werden in dem gesetze gar nicht besonders genannt.
Diese gesetze bieten also keine zuverlässige angäbe über die
zeit der von Maximin-Auxentius erwähnten Vorgänge^ sie sind von
Maximin ohne bestimmte kenntnis hinzugefügt worden, es bleibt
also nichts anderes übrig, als von den sonst gebotenen anhalts-
puncten aus die zeit zu erschliefsen.
Das edict von 383, das den Arianismus vernichten sollte,
wurde nicht in vollem umfange ausgeführt: allein es ist doch
unwahrscheinlich dass der kaiser nach diesem edict den Arianern
nodi einmal eine derartige aussieht eröffnete, das hiefs ja alles
in frage stellen, was eben mit grofser härte und schweren opfern
durchgeführt worden war. Theodosius war keineswegs vorwiegend
von theologischen motiven beherscht, aber diese theologischen
fragen bildeten damals doch eine der wichtigsten öffentlichen an-
gelegenheiten und Theodosius war nicht der mann, um in wich-
tigen Staatsgeschäften hin und her zu schwanken, wenn nicht
positive Zeugnisse dagegen aufzubringen sind, so wird man an-
nehmen müssen dass jene audienz, in der Theodosius den Arianern
solche hoffnungen erweckte, vor 383 statt fand, nun existieren
aber derartige Zeugnisse nicht, dagegen findet sich unter dem
10 Januar 381 ein gesetz, welches sich deutlich als das gesuchte
zu erkennen gibt, denn es wendet sich einmal direct gegen die
Arianer — Arriani samkgii venenum und Eunomianae perfidiae
crimen — und nimmt ausdrücklich etwas zurück, was ihnen
durch ein erschlichenes rescript bewilligt sei : Seiant omnes ettam
$i quid speciali quolibet rescripto per fraudem elieito ab hufuimodi
hominum genere impetraium esi, non valere. Arceantur cuneio-
rum haereticorum ab inlicitis congregationibus turbae Codex Theod.
lex 6, XVI 5.
Im weiteren verlauf stellt das gesetz auch das dogma selbst
fest, also gerade den gegenständ, über den die Arianer auf dem
concil zu verhandeln wünschten, die auf den Inhalt dieses ge-
setzes gegründete Vermutung, dass es das von Maximin gemeiote
sei, wird zur gewisheit erhoben durch die geschichte, welche So-
zomenus Histor. eccl. vii 6 vop der entstehung eines gesetzes
gibt, das der Zeitbestimmung und dem inhalt nach das gesetz vom
10 Januar 381 zu sein scheint.
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UNTERSUCHUNGEN ZUR GESCHICHTE ULFILAS 199
Die absetzuQg des Demofllus von Constanünopel tan 26 no-
Tember 380 hatte die Arianer nicht entmutigt sie hofften auf
einen Umschwung der meinung am hofe. die orthodoxen waren
deshalb voll sorge, besonders aber fürchteten sie die beredsamkeit
des Eunomius, welcher sich in Bithynien, Constantinopel gegen-
über, aufhielt und zu dem viele leute hinüber fuhren, um mit
ihm zu disputieren oder ihn zu hören, auch der kaiser hörte
davon und wollte ihn sprechen, cvyye^ic&ai avvfp UtoiiÄog ^y.
aber die kaiserin war eine eifrige glaubenswächterin und fürchtete,
der kaiser könne durch Eunomins verführt werden, vom katho-
lischen ghuben abzufallen, während so beide parteien in grofser
Spannung waren, begaben sich die in Constantinopel anwesenden
bischofe zum kaiser zur gewöhnlichen begrüfsung. bei dieser
gelegenheit suchte nun ein alter bischof dem kaiser die Verkehrt-
heit der Arianer deutlich vor äugen zu führen, indem er seinem
söhne, der dabei safs, nicht gleiche ehre mit dem vater wider-
fahren liefs. der kaiser wurde zornig darüber; als aber der
bischof sagte, weshalb er es getan, da ward er gegen die Arianer
eingenommen und liefs sie nicht vor sich, verbot vielmehr das
streiten auf dem markte und alle Zusammenkünfte und gab ein
gesetz, welches ein derartiges disputieren t&ber die natur und
ovcla gottes für strafbar erklärte, das nächste ereignis, das
Sozomenus erzählt, ist die synode von Constantinopel, die im
mai381 zusammentrat das gesetz ist also aufgeführt zwischen
zwei ereignissen vom 26 november 380 und vom mai 381, ist also
Termutlich auch zwischen diesen beiden daten erlassen, und dies
passt demnach vortrefflich auf das gesetz vom 10 Januar 381.
auch der Inhalt desselben stimmt zu dieser aufTassung. die be-
schreibung, welche Maximin von dem bezüglichen gesetze macht,
ist zwar nicht so erschöpfend, dass man sagen könnte, sie passt
nur auf das ge»etz vom 10 Januar und nicht auch auf die gesetze
verwandten inhalts — aber sie passt doch recht gut auf den
Inhalt des gesetzes vom 10 Januar.
Eine ähnliche erzählung hat Theodoret diese darstellung
der orthodoxen kirchenhistoriker ist anecdotenhaft und gibt gewis
nur ein sehr unvollständiges bild von dem getriebe der parteien,
aber sie versetzt uns doch im ganzen in dieselbe läge wie der
arianische bericht des Auxentius und die Schlussbemerkung des
Maximin. die gegner der orthodoxen gewinnen einfluss auf Theo-
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200 UNTERSUCHUNGEN ZUR GESCHICHTE ULPILAS
dosius, es ist eine yerhandluDg über den glauben in aussieht,
'von welcher die Arianer erfolge hoffen und vor welcher die katho-
liken zittern : da gelingt es den katholischen bischofen, Theodosius
zu bewegen, jene Verhandlung zu verbieten und zugleich jede
Verhandlung über den glauben.
Der katholische bericht erzählt dass Eunomins, der arianische
dass die um Ulfila gescharten eigentlichen Arianer einfluss ge-
wannen, das ist kein Widerspruch, die berichte ergänzen sich
vielmehr« Eunomins war den orthodoxen der gefährUchste und
verhassteste gegner. von ihm klagte Basilius der grofse, er
sei so hochmütig, dass er das, was bisher nur zwischen den
Zähnen gemurmelt sei, schriftUch bekannt mache. ^ leicht erschien
er deshalb den orthodoxen als der alleinige träger derjenigen be-
wegungen, welche um die wende des jahres 380/81 den Theo-
dosius in das arianische lager zu treiben drohten. Auxentius und
Maximin gedenken seiner dagegen nicht, weil in ihrem berichte
nur bestimmte Vorgänge geschildert werden, an denen Eunomius,
der in Kleinasien würkte, nicht teil nahm, zudem standen die
Eunomianer zu den anderen Arianern vielfach in heftigen, nament-
lich auch personlichen gegensätzen. wir haben also zwei dem
anschein nach von einander unabhängige versuche der Arianer,
den kaiser Theodosius zu gewinnen, die versuche der Eunomianer
und die der eigentlichen Arianer. nun nennt das gesetz vom
10 Januar 381 nur drei ketzereien mit namen, unter diesen aber
sowol die Eunomianer als auch die Arianer. ist das nicht wider
ein zeichen dass dies das gesetz ist, von dem Sozomenus und Maxi-
min erzählen ? wahrlich, die schlussreihen, welche zu der annähme
führten, dass das gesetz, welches kurz nach Ulfilas tode erlassen
wurde, das gesetz vom 10 Januar 381 ist, sind so bündig, wie
wir sie bei Untersuchungen der art nur selten herstellen können,
und dazu kommt noch ein weiteres moment. i\ach Auxentius
war Constantinopel damals als Ulfila starb angefüllt von Arianern
und namentlich arianischen bischofen. sie herschten in der Stadt,
gaben ihr den character. Auxentius möchte sie deshalb statt
Constantinopel Christianopel nennen, das ist ein zustand, der
nicht wol auf die zeit von 383 und nach 383 passt, aber vor-
trefflich auf die von Sozomenus geschilderten Verhältnisse um die
* Klose GeBchichte and lehre des Eanomias 1833 s. 4 note.
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UNTERSUCHUNGEN ZUR GESCHICHTE ULFILAS 201
wende des jabres 380/381, welche das gesetz vom 10 Januar 381
Teraolassten. dies hat Bessell Dachdrücklich hervorgehoben ; da-
gegen ist nicht zutreffend, was er s. 44 sagt : Mas entscheidende
moment suche ich darin, dass nach dem gesetze vom 10 Januar 381
die Arianer auch staatlich im Orient als häretiker gelten und der
kaiser von jener zeit an nicht mehr ein concil dieser bdretiker
berufen konnte, welches eine besondere von ihnen sich trennende
secte auch noch für besondere häretiker erklaren sollte/ Bessell
beschreibt mit diesem satz den auftrag, zu dem Ulfila mit seinen
freunden von Theodosius berufen wurde, und wenn der auftrag
so lautete wie er ihn beschreibt, dann konnte er allerdings nach
383 sicher nicht mehr erteilt werden, allein keiner sagt dass.
er so lautete, die werte Maximins lassen auch die auffassung
zu dass Ulflla mit seinen genossen berufen wurde, um unruhen
und Spaltungen, die unter den arianischen Goten zu Constantinopel
ausgebrochen waren, zu beseitigen, dazu konnte sich der kaiser
auch nach 383 noch veranlasst fühlen, denn auch das edict von
383 vernichtete wol die rechtliche aber nicht die tatsachliche
existeoz der Arianer, und die bewegungen unter ihnen gaben
gerade in der späteren zeit noch mehrfach veranlassung dass sich
die Öffentliche aufmerksamkeit auf sie richtete, unwahrscheinlich
ist nur dass der kaiser den Arianern nach 383 ein concil ver-
sprach, auf dem sie noch einmal gleichberechtigt mit den ortho-
doxen kämpfen sollten, also die berufung des Ulfila wäre bei der
unbestimmten Vorstellung, die wir von ihr haben, wol auch noch
nach 383 denkbar, aber ein concil, wie es den begleitern des
ülfila gleich nach Ulfilas tode vom kaiser versprochen wurde,
konnte ihnen nach 383 nicht versprochen weFden. deshalb ist
auch Ulfilas tod vor 383 zu legen, und das führt wider dahin,
in dem gesetz vom 10 Januar 381 dasjenige gesetz zu sehen, das
in folge der in der zeit seines todes zwischen orthodoxen und
Arianern herschenden kämpfe erlassen wurde. ^
^ Gothofred Codex TheodosiaDus tom. 6 8.119 will die datieruDg dieses
gesetzes (I. 6, zti 5) iv Id. Jan, in iv Id, Jun. oder JuL Indem , denn das
gesetz scheine auf gewisse ausdrücke der canones der synode von Gon-
suntioopel (mal und jani 381) bezng zo nehmen, allein die flbereinstim-
muog bindert gar nicht dass das gesetz nicht vorher erlassen sein könnte,
taf der synode herschte eben die gleiche partei, welche dies gesetz vom
kaiser ertrotzte, es ist gar kein gnind vorhanden, die lesart der mss., die
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202 UNTERSUCHUNGEN ZUR GESCHICHTE ULFILAS
Diese auf Auxentius und die bei ihm aDgeführteo geseUa
gestützte Schlussreihe wird durch das von ihnen ganz unabhängige
Zeugnis des Philostorgius bestätigt, nach ihm wurde Ulflla von
Eusebius und den mit?ersammelten bischöfen zum bischof geweilit.
weil der bischof schlechthin Eusebius heifst ohne jede bezeich-
nung seines sitzes, so kann nur das berühmte haupt der Ariaoer,
Eusebius von Nicomedien, geroeint sein, dieser starb aber 341/342
und die weihe des Ulfila kann also nicht 348 fallen, wie man
nach Waitzs auslegung des Auxentius annehmen müste.^ BesseU
s. 101.
jOber entstehung und wesen der in den commentar
des Maximin eingefügten schrift des Auxentius.
Die Schrift des Auxentius über Ulfila folgt in dem com-
mentar des Maximin auf eine dogmatische erOrterung über die
richtigkeit der arianischen lehre und wird an dieselbe angeknüpft
durch folgenden satz: Hoc secundum divinum magisterium Ärii
[criitiajna professio hoc et Theognis [episcopus] hoc ei Eusehiu*
storiografus et ceteri complurimi episcopi, quorum profemonet et
nomina in sequentibus dicenda sunt. Nam et ad orientem per-
rexisse memoratos episcopos cum Ulfila episcopo ad comitatum Iheo-
dosii imperatoris epiitula declarat — fehlt eine zeile und nach der
lücke stehen schon worte aus dem Auxentius. es fehlt also ge-
rade diejenige zeile, welche die besondere einführung der schrift
des Auxentius enthielt, der satz vorher gibt an dass die folgenden
professiones als beweis für die dogmatische auseinandersetzung
auch durch die mss^des Codex JostioiaDi bestätigt wird, der du gesets eben*
falls und unter dem iv Jd, Jan, hat, anzazweifdn« die spateren heransgeber
haben des^ialb zwar die coiviector Gothofreds erwähnt, aber die lesart Jan.
bewahrt vgl. flinel Index legom in seinem Corpus legum, Bonn 1837-^2.
1 ohne wert ist dagegen , was Bessell s. 104 gegen Waitzs annähme,
dass die einwandemng Ulfilas 355 erfolgte, vorbringt; <vom Jahre 353 an
haben wir den sehr ansfabrlichen und gleichzeitigen berichterstatter Am-
mianns Marcellinos, der bei seiner eingehenden art die geschichtlicbe be-
dentong der einwandemng eines groben Volkes gerade in Thraden und
Mösien doch schwerlich übergangen hat' man denke sich nnn aber dass
Ulfiia nur mit etwa 500 famiUen über die Donau kam und in einem der
vielen yerlassenen gebiete Und erhielt — war denn das ein ereignis von
solcher bedeutung für Rom, dass es Ämmian nicht übergehen konnte T
schwelgt er doch von der ganzen wflrksamkeit des Ulfila.
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UNTERSUCHUNGEN ZUR GESCHICHTE ULFH^AS 203
dieDCD sollten, und die erste dieser frofessiones ist nun das be-
kenotnis des Ulfila, das jedoch nicht selbständig, sondern in einer
Schrift über Ulfila mitgeteilt wird, dies muss in jener wegge-
schDittenen zeile gestanden haben, vielleicht aber auch ein und
das andere wort, welches über den zweck, zu dem, und über
die zeit, in der Auxentius schrieb, aufschluss gewahrte, jetzt sind
wir auf folgende combinationen angewiesen. Maximin citiert einen
satz des Auxentius mit dem worte ut autem recitatum est ah
Auxentio. daraus zog Waitz s. 34 den schluss dass Auxentius
die Schrift Terfasst habe, um sie auf einem concile Yorzulesen.
W. dadite dabei an eine gedachtnisfeier für den grofsen toten,
und die schrift macht auch durchaus den eindruck, als konnte
sie zu diesem zweck verfasst sein. Bessell s. 47 f glaubt jedoch
den zweck derselben noch anders fassen zu müssen, er geht
aus Ton dem ergebnis seiner früheren Untersuchung, dass Ulfila
io Constantinopel starb zu anfang des Jahres 381 in einem augen-
blicke, in welchem der Arianismus noch einmal hoffnung fasste,
den kaiser Theodosius zu gewinnen, dass seine begleiter damals
zu dem kaiser drangen und Ton ihm das versprechen eines concils
erhielten, und sagt dann s. 46: *wenn nun kurz nach dem tode
des ülfila Auxentius und seine genossen sich zum kaiser be-
gaben und dort über geistliche aogelegenheiten der parteien ver-
haodelten, so liegt es ganz in der natur der sache und jener
zeit dass sie dem kaiser eine auseinandersetzung ihrer glaubens-
richtung vorlegten, und meine ich dass die uns erhaltene schrift
des Auxentius diesen zweck gerade gehabt hat.'
Die erOrterung, durch welche er diese ansieht stützt, ist
allerdings nicht in allen teilen gleich sicher, namentlich durfte
Bessdl seine meinung nicht so sehr auf die annähme stützen,
dass die schrift in Constantinopel geschrieben wurde, diese an-
nähme ist vielmehr erst dann einiger mafsen sicher, wenn man
von Bessells annähme ausgeht, dass die schrift für eine kaiser-
liche audienz bestimmt war. die ausdrücke, aus welchen Bessell
folgert dass Auxentius in Constantinopel schrieb, lassen sich auch
erklären, wenn man annimmt dass der kreis, vor welchem die
schrift verlesen werden sollte, aus männern bestand, die in Con-
stantinopel bekannt waren und die grOstenteils beim tode des
Ulflla in Constantinopel zugegen gewesen waren, trotzdem halte
ich Bessells Vermutung über die bestimmung der schrift des
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204 UNTERSUCHUNGEN ZUR GESCHICHTE ULFILAS
Auxentius für richtig; aber ich stutze mich dabei mehr nur auf
den ganzen Zusammenhang, der zwischen dem inhalt der schrift
und der läge der dinge waltet, die schrift steht in dem buche
MaximinSy in welchem er die professiones der mit Ulfila nach
Constantinopel gekommenen bischofe zu geben verspricht, da
diese bischofe nach dem tode des UlBla mit dem kaiser Theo-
dosius über die gestattung einer synode verhandelten, auf der
sie die richtigkeit ihrer lehre erweisen wollten, so werden sie
für diese Verhandlung ihr bekenntnis formuliert haben und die
professiones, welche Maximin zu geben verspricht, werden aller
Vermutung nach die zu dieser audienz aufgesetzten sein. Maximin
gibt nun die versprochenen professiones (confessiones) der mit
Ulfila gekommenen bischofe nicht, sondern nur diese schrift des
Auxentius und dann einen leeren räum, der dem anschein nach
für die aufnähme jener in der Verhandlung mit Theodosius ver-
lesenen professiones bestimmt war. der ort, an dem die schrift
des Auxentius steht, spricht also dafür, in ihr eine professio
(confessio) des Ulfila oder auch zugleich des Ulfila und Auxentius
zu sehen und der inhalt der schrift stimmt damit überein. ^
Eine weitere bestfltigung für Ressells Vermutung finde ich in
dem Satze, mit welchem Maxiroin den schluss des Auxentius be-
gleitet (Bessell s. 49): emulatio dei servomm sanctorum epi-
scopomm nostrorum nt non solum in partibus occidentdUbus de lUi-
rico advenirent p^Uantes conciUum d(ar)i (ut) gesta ab ipsis erweis
confeeta (indi)cant etiam quae confessio ab ipsis proeessit
quod deberent (lücke von mehr als einer zeile) recitaiae, etiam ad
orientem perrexerunt idem posttUantes die worte sind
arg verstümmelt, aber soviel sieht man, es soll der eifer hervorge-
hoben werden, mit dem der arianische episcopat ein unabhängiges
concil herbeizuführen suchte, und zwar ist es eine Zusammen-
fassung des gesagten, auf die nachricht, dass im westen ein
concil gegeben werden solle, kommen nostri saneti episcopi db.
die arianischen bischofe — es waren freilich nur zwei — aus
^ man kann allerdings vermoteo dass bereits jener alius eomitaius d. i.
die disputation, za der Ulfila berufen war, den biachöfen anlass bot, ihre
confessionen durchzusetzen und also auch diese schrift über UlfiU so rer-
fassen : allein Jedesfalls haben sie dann diese confessionen und diese schrift
doch auch in der kaiserlichen audienz benutzt, es wurde also durch solche
Vermutung die annähme Bessells nicht gehindert.
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UNTERSUCHUNGEN ZUR GESCHICHTE ULFILAS 205
Illyrieo dorihio, nämlich oach Aquileja, und dann sind sie auch
nach dem osten gegangen idem postulantes. als beweis für die
reise nach dem westen werden zwei Urkunden angeführt: 1) gesta
ab ipsis ertticis confecta dh. die acten des concils von Aquileja ;
2) ^ioe confessio ab ipsis processit dh. der von Maximin weiter
unten mitgeteilte bericht des Palladius über dasselbe concil, der
hier als bericht der beiden arianischen bischofe Palladius und
Secuodianus bezeichnet wird, für die bemühungen der Arianer
um ein concil in Constantinopel wird kein beweis angeführt,
warum nicht? offenbar deshalb nicht, weil die eben mitgeteilte
Schrift des Auxentius über UlBIa nebst den versprochenen pro-
festiones der anderen bischofe diesen beweis erbrachte, weil sie
das mittel war, durch welches die Arianer den kaiser Theodosius
zur berufung eines concils zu bewegen suchten, diese beobach-
tUDg vervollständigt den von Bessell versuchten beweis, und wir
köDoen mit bestimmtbeit sagen: die schrift des Auxentius ist in
der audienz der arianischen bischofe bei Theodosius vorgetragen
worden. Bessell nimmt nun weiter an dass sie vorgetragen ward
als das bekenntnis des Auxentius, und dass also die nachrichten
Aber Ulfilas würken und glauben von Auxentius nur mitgeteilt
seien, um dem eignen bekenntnis ein passendes gewand zu leihen,
er nimmt dies an, weil die bischofe und also auch Auxentius in
jener audienz ihr eignes bekenntnis hätten vortragen müssen, und
fiodet eine bestätigung seiner annähme in der stelle der schrift,
in welcher Auxentius erzählt dass er der schüler des Ulfila ge-
wesen sei. allein daraus folgt zwar dass Auxentius den glauben
des Ulfila teilte und dass indirect diese darlegung von Ulfilas
bekenntnis auch als professto Auxentü mit gelten konnte, aber
nicht dass die schrift zunächst und eigentlich eine professto des
Auxentius war. und eine unbefangene lectüre lässt denn auch
erkennen dass der zweck der schrift der ist, über glauben und
würken des Ulfila zu berichten, sein bild lebendig in erinnerung
zurückzurufen und durch diese erinnerung zu würken. Auxentius
tritt ganz zurück, im leben war Ulfila der führer der genossen
gewesen, noch auf dieser letzten reise ehrte ihn freund und feind
als das haupt der partei. die nach Constantinopel berufenen
arianischen bischofe bezeichnet Maximin einfach als *die, welche
mit Ulfila nach Constantinopel zogen.' und so sollte er es auch
noch bei dieser Verhandlung mit dem kaiser sein, welche gleich
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206 UNTERSUCHUNGEN ZUR GESCHICHTE ULFILAS
nach seinem tode stattfand, sein bekenntnis eröffnete die reihe
der bekenntnisse, mit welchen seine freunde das obr des Theo-
dosius bestQrroten und den letzten sieg des Arianismus ge-
wannen.
Die glaubwürdigkeit der schrift.
Die Schrift des Auxentius ist also eine parteischrift, ver-
fasst, um in entscheidender stunde den Arianismus gegen die an-
griffe der durch den tbronwechsel plötzlich zum siege gelangten
Athanasianer zu verteidigen, in diesen kämpfen ist die geschichts-
ßlschung eine gewohnliche waffe. tendenziöse Sammlungen von
briefen und actenstacken , tendenziöse berichte und protocolle
sollten die menge gewinnen und vor allem die mafsgebenden per-
sonen im kaiserlichen palaste, denn des kaisers edicte entschieden
schliefslich doch, welche parte! als rechtgläubig und weiche als
ärgerliche ketzer angesehen werden sollte, im besonderen ist
auch die geschichte der Überlieferung über Ulfila fast nur eine
geschichte der i^lschung der aberlieferung. bei solchem stände
der dinge ist vor allem zu fragen, wie weit Auxentius glauben
verdient, wer die schrift unbefangen liest, kann über die ant-
wort nicht zweifelhaft sein, die schrift ist der lautere ausdruck
des eindrucks, den Auxentius von seinem grofsen lehrer empfangen
hat. trotz der Verstümmelung mancher sätze, trotz der schwül-
stigen spräche fühlen wir etwas von dem herzschlag des mannes,
der das schrieb, und von dem geist des grofsen propheten und
apostels, der ihn so schreiben lehrte, die Verehrung des Auxentius
für Ulfila ist das medium, durch welches Ulfila auf uns wflrkt.
Auxentius hatte aber die vollständigste kenntnis von Ulfila. in
der frühesten Jugend, sagt er, empfieng mich Ulfila von meinen
eitern, lehrte mich die heilige schrift kennen und verkündete
mir die Wahrheit, wie seinen söhn hat er mich in treuen auf-
gezogen, leiblich und geistig, und er tat dies um gottes und
Christi willen.
Leider teilt Auxentius aus dieser reichen kenntnis nur wenig
mit, er erwähnt nicht einmal die Übersetzung der bibel und die
erfindung der gotischen schrift. aber bei dem zweck der schrift
müssen wir uns fast wundern dass er von dem äufseren leben
überhaupt etwas sagt, jede solche mitteilung war eine ab-
Schweifung von dem gegenstände der Verhandlung.
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DNTERSUCBUr^GEN ZUR GESCHICHTE ULFILAS 207
Des Auxentius Dachrichteo über Ulfilas leben.
Dreifsig jähre war Ulfila nach Auxentius alt, als er bischof
ward, und 40 jähre hatte er das amt bekleidet, als er starb; er
war also 381 70 jähre alt, somit 310 oder 311 geboren und 341
zum bischof geweiht. Ober herkunft und heimat des Ulfila sagt
Auxentius nichts, auch dicht wo und von wem er geweiht ward,
er sagt nur folgendes. *nach gottes ratschluss und Christi barm-
henigkeit wurde dieser Ulfila — um der Seligkeit vieler willen —
im Volke der Goten im alter von 30 jähren vom lector zum
bischof geweiht, er sollte nicht blofs erbe gottes und miterbe
Christi sein, sondern durch die gnade Christi auch ein nachfolger
Christi und seiner heiligen; und wie der heilige David im alter
von 30 jähren zum könig und zum propheten bestellt ward, um
das Volk gottes und die kinder Israel zugleich zu leiten und zu
bessern, so ist auch jener fromme mann gleichsam als ein prophet
bezeugt und zum priester Christi bestellt, um das volk der Goten
zu leiten, zu bessern, zu lehren und zu erbauen, nach gottes
willen und mit Christi hilfe hat er dies auf bewunderungs-
wflrdige weise erfüllt, wie Joseph im 30 jähre in Egypten be-
zeugt wurde (sc. als gesandter gottes [manifeatatus]) und wie
der söhn gottes, unser herr und gott, im 30 jähre seines irdi-
schen lebens bestellt und getauft ward und zu predigen begann,
so hat auch jener heilige auf Christi eigenes gebot und verord-
nuDg das eigentliche Gotenvolk, das der predigt ermangelte und
gleicbgiltig dahin lebte, gemäfs der regel des evangeliums, der
apostd und der propheten gebessert, hat es seinem gotte leben
gelehrt und machte offenbar dass sie Christen, wahre Christen
seien, und mehrte die zahl der Christen.'
Nicht bestimmt sagt Auxentius, ob es auch schon vor Ulfila
Christen in der gens ipta Gothorum gab, der ausdruck, dies volk
sei in fame et penuria fraedieationis indifferenter agentem, schliefst
wenigstens die auffassung nicht aus dass Ulfila nicht der erste
Prediger war, der bei den Goten das Christentum verkündete,
aus anderen quellen ist uns dasselbe bezeugt und es ist also auch
sachlich keine Schwierigkeit vorhanden, die worte des Auxentius
so zu verstehen, vielleicht war demnach Ulfila auch schon vor
seiner bischofsweihe als lector im Gotenvolk tätig. Bessell hat
es verneint und die Vermutung aufgestellt, Ulfih sei lector in
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208 UNTERSUCHUNGEN ZUR GESCHICHTE ULFILAS
einer gotischen gemeinde auf römigchem boden gewesen, nicht
in der gens ipsa jenseit der Donau, es ist das nur eine Ver-
mutung, Auxentius sagt das nicht, seine ivorte Hie dei Providentia
et Christi misericordia propter muUorum salntem in gente Gotko-
rum de leclare triginta annorum episeopus est orditiaius lassen
Yielmehr die deutung zu dass er in eben der gens Gothorum
lector war, in welcher er bischof wurde, zweifellos wflrde diese
deutung sein, wenn nicht das in gente Gothorum an dieser stelle
auch als zusatz zu multorum gefasst werden könnte ^um der Selig-
keit vieler Goten willen.' da aber Auxentius die würksamkeit
des Ulflla keineswegs auf die Goten beschrankt -— erwähnt er
doch auch die lateinischen und griechischen Schriften Ulfilas —,
und es zweifellos die meinung des Auxentius ist dass Ulfila nicht
nur viele Goten, sondern überhaupt viele zur Seligkeit geftlhrt
hat: so ist das in gente Gothorum zu ordinätus est zu bezieben,
auch Bessell erkennt dies als die natürlichste auffassung des satzes
an s. 105, aber er sträubt sich gegen den gedanken, dass es schon
vor 341 arianische Christen im Gotenvolke gab, s. 107. allein da
es bereits Christen unter den Goten gab, so ist nicht der ge-
ringste grund vorhanden zu behaupten dass, als die Spaltung
zwischen Arius und Athanasius begann, alle Christen im Goten-
lande sich für die auffassung des Athanasius entschieden haben
sollten, solche kämpfe erzeugen regelmäfsig in allen gemeinden
Spaltungen. Bessell stützt endlich seine annähme, dass Ulfila bis
341 lector an einer gemeinde im römischen reich war, noch durch
die erwägung, dass er doch seine ausbildung notwendig im reiche
müsse erhalten haben, allein notwendig ist auch dieses nicht,
so wie Ulfila den Auxentius erzog, so kann auch Ulfila von einem
einzelnen gebildeten manne erzogen worden sein, der als ge-
fangener oder flüchtling oder sonstwie dorthin verschlagen worden
war. die Acta Sabae und die geschichte der Audianer zeigen hin-
reichend dass es an der mOglichkeit dazu nicht fehlte, endlich
wäre es ja auch nicht undenkbar dass er südlich der Donau aus-
gebildet, aber dann doch in ipsa Gothia als lector angestellt
worden wäre.
Mit Sicherheit lässt sich also die frage, ob Ulfila als lector
in einer gemeinde in ipsa Gothia nördlich der Donau würkte,
nicht entscheiden: aber sicher ist dass es bis auf die bischofs-
weihe und die mit ihr beginnende mission Ulfilas bei den Goten
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UNTERSUCHUNGEN ZUR GESCHICHTE CLFU.AS 209
Dur zerstreute anfilnge christlicher gemeiodebilduDg gab, und dads
Ulfila im ganzen hier die rolle des apostels und missionafs hatte,
das lehren seine ferneren Schicksale.
*Der böse feind reizte den gottlosen und gottesschSnderischen
hSuptling der Goten, die Christen im Gotenlande mit tyrannischer
gewalt zu Yerfolgen. aber der satan, der da gedachte, ihnen
Obles zu tun, muste ihnen gegen seinen willen gutes tun, er
gedachte sie zu YerrStern zu machen, aber mit Christi hiire wurden
sie bekenner und mSrtyrer. da geriet der Verfolger in verwir-
ruog und die verfolgten wurden gekrOnt, der aogreifer muste
erröten ob seiner niederlage, und die angegriffenen jauchzten als
Sieger, glorreich starben so viele diener und dienerinnen Christi
den märtyrertod, aber dann wurde der heilige UlAla, nachdem er
7 jähre bischof gewesen war, durch die heftig drohende Verfolgung
mit einer grofsen schaar der bekenner aus dem Goteulande ver-
trieben und von dem damaligen kaiser, dem hochseligen Con-
stantius, ehrenvoll aufgenommen auf römischem boden.'
Ulffla war also von 341 — 348 bischof im Gotenlande, der
häoptling, der ihn vertrieb, ist nicht weiter zu bestimmen, die
gegeod, in welcher er mit seiner gemeinde eine Zuflucht fand,
wird als bergland bezeichnet (in manUlms), es war die gegend des
beutigen Plewna, wie wir aus Jordanis 51 wissen, über die Organi-
sation der gemeinde, und die Stellung des Ulfila sagt Auxentius
nichts — aber aus Jordanis ergibt sich dass Ulflla nicht nur ihr
bischof, sondern zugleich ihr richter und also ihr politisches haupt
war. als kirchliche gemeinde nahm sie wahrscheinlich keine ab-
gesonderte Stellung ein, sie war eine schwestergemeinde der
romischen (griechischen) bistümer, die ja damals ebenfalls aria-
nisch waren.
Die letzte reise des Ulfila.
'So waren ihm vierzig jähre vergangen (in bischöflicher würk-
samkeit) : da rief ihn ein kaiserlicher befehl nach der Stadt Con-
stantinopel zu einer disputation gegen die ' hier ist
in dem texte ein bis auf wenige buchstaben verstümmeltes wort
ausgefallen, in welchem Bessell durch eine höchst bestechende
Temratung den namen psathyropolistas erkennen will, dieser
name begegnet zwar nicht unter den secten dieser zeit, wol aber
gab es eine nach einem tpad-vQortciltjg oder zuckerbScker Psa-
Z. F. D. A. XXVII. N. F. XV. 15
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210 UNTERSUCHUNGEN ZUR GESCHICHTE ULFILAS
thyriani benannte secte. Bessell behauptet nun mit grund dass
diese secte nach der analogie von Priscillianisten, Origenisteo
usw. auch Psathyropolislen hätte genannt werden können, wie
denn auch die anhänger des Apollinaris sowol Apollinaristen wie
ApoUinarii genannt werden, das kann ihm also ohne weiteres
zugegeben werden dass, wenn der name Psathyropolisten irgendwo
begegnet, die Psaihyriani der Kirchengeschichte des Socrates usw.
darunter zu verstehen sind, auch das ist zuzugeben dass der
buchstabe p zu anfang und die buchstaben $tas nach 12 meist ganz
unleserlichen buchstaben dazu aufTordern, diesen namen hier zu
finden, und dass sich kein sectenname angeben lasst, auf deo
diese spuren besser passen, allein, es bleiben trotzdem noch
manche zweifei. die buchstaben, welche von jenen 12 gelesen
sind, fügen sich nicht wol in diesen namen ein, und man mOste
schon weiter annehmen dass sie anders zu lesen seien, ferner
wäre es doch nicht unmöglich dass von p bis stas zwei oder
drei Wörter gestanden hätten und nicht blofs eines, endlich aber
erhebt sich die hauptschwierigkeit in der geschichte jener secte.
es gab damals zahlreiche Spaltungen in der kirche, aber der streit,
der die secte der Psathyrianer hervorrief, erschien auch damals
schon vielen ungereimt und ungehörig, man stritt nämlich über
die frage, ob gott auch schon ehe Christus von ihm erzeugt war
vater genannt werden konnte, unter denen, welche dieses be-
haupteten, zeichnete sich ein Syrer aus, ein ipa&vQOrtciJir^g db.
ein bändler mit zuckerwaren, und nach ihm wurde die secte die
der Psathyrianer genannt, in Constantinopel geborten ihr viele
Goten an, auch Selenas der bischof der Goten, mit dem dogma-
tischen war ein personlicher kämpf verbunden, ein kaaipf um
den besitz der kirchlichen ämter und einkUnfte. so waren denn
alle leidenschaften entfesselt, und der kämpf erregte allgemeines
aufsehen und trug nicht wenig dazu bei, den durch die edicte
des Theodosius schwer getroffenen Arianismus der griechischen
kirche auch innerlich zu zersetzen.
Im jähre 419 vereinigten sich deshalb die Psathyrianer wider
mit den übrigen Arianern, und es wurde beschlossen dass fortan
keiner des strittigen punctes auch nur gedenken sollte, das war
35 jähre nach dem beginn des Streits, wie Socrates in seiner
Kirchengeschichte ausdrücklich versichert, die absonderung der
Psathyrianer fällt also in das jähr 384. da nun Ulflla 381 sUrb,
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UNTERSUCHUNGEN ZUR GESCHICHTE ULFILAS 211
so muss man zuoflcbst schliefsen dass UlQla nicht zur beruhigung
der Psathjropolisten berufen sein kann, und dass also das ver-
stOfflmelte wort des Auxentius anders gelautet haben muss. Bessell
sucht diesem schluss zu entgehen, indem er die von Socrates
erwähnte dauer von 35 jähren auf eine weitere Spaltung be-
zieht, welche nach Socrates unter den Psathyrianern ausbrach,
nachdem sie sich von den anderen Arianern getrennt und als
besondere kircbe eingerichtet hatten, allein Socrates sagt aus-
drücklich dass 419 die Psathyrianer sich nach 35 jähriger trennung
wider mit den übrigen Arianern vereinigten, und dass diese Ver-
einigung durch beseitigung des dogmatischen streitpunctes be-
workt wurde. Socrates denkt also bei dieser angäbe nicht an
die Spaltung unter den Psathyrianern, denn von dieser Spaltung
hat er vorher ausdrücklich gesagt dass sie nur persönliche, nicht
dogmatische gründe hatte* .
Sollte aber trotzdem das verstümmelte wort Psalhyropolistai
zu ergänzen sein, so muss man, da Ulfila bereits 381 starb, not-
wendig annehmen dass Socrates ungenau berichtet und dass er
den beginn der Spaltung von einem ereignis ab zählt, dem schon
eiaige jähre voll derartiger bewegungen vorausgiengen. das ist
schon möglich, aber so lange nicht unzweideutige Zeugnisse da-
für gefunden werden, dass jener streit früher begann, so lange
müssen wir uns doch an die werte des Socrates halten, so lange
aber können wir auch nicht annehmen dass das verstümmelte
Wort zu psathyropolistas zu ergänzen sei. bleibt es aber auch
UDgewis, ob es dieser streit war, der den kaiser Theodosius ver-
anlasste, den Ulfila nach Constantinopel zu berufen, so ist doch
diese benifung selbst aufser allem zweifei. zu einer disputation
über den glauben berief ihn der kaiser in die hauptstadt und
zwar in dem augenbUck, in welchem er damit beschäftigt war,
den seit 40 jähren im Orient und namentlich in Constantinopel
berscbenden Arianismus zu stürzen und die kirchen orthodoxen
geistlichen zu überweisen, der anfang war bereits gemacht, in-
dem Demofilus, der arianische bischof von Constantinopel, das
bistum niederlegen muste und an seine stelle Gregor von Nazianz
gesetzt wurde, so können wir auch abgesehen von dem beson-
deren anlass seiner berufung verstehen dass Auxentius von Ulfila
sagt, er war auf dieser letzten reise von schweren sorgen erfüllt
um einen teil des volkes, ^welchen er in gefahr sah, den wahren
15*
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212 UNTERSUCHUNGEN ZUR GESCHICHTE ULFILAS
glauben zu verlieren und sich selbst das ewige Terderben za
bereiten.'
Er kam nicht dazu, für die sache zu würken, die seine be-
rufung veranlasst hatte, da er bald nach seiner ankunft in Con-
stantinopel erkrankte und starb; eine grofse menge von ariani-
sehen priestern war damals in Constantinopel, und so wurde Ulfila
hier in feierlichster weise bestattet, seine letzten augenblicke
hatte er dazu verwendet, seinem volke noch einmal das glaubens-
bekenntnis zu verkünden, für das er gelebt hatte und in welchem
er sterben wollte. Auxentius bildete daraus den schluss seiner
Schrift, der also lautet: ^als er sein ende nahe fühlte, da bat
er im augenblick des todes dem ihm anvertrauten volke in seioem
testament sein glaubensbekenntnis schrifllich hinterlassen, indem
er folgende werte dictierte:
Ich, UlBla, der bischof und bekenner, habe immer so geglaubt
und in diesem einzig wahren glauben mache ich mein testament
an den herm (d. i. mein religiöses testament; ai dominum meum
facto testamentum s» in bezug auf d. h.) :
Ich glaube dass nur ^in gott ist, nümlich der vater, der
allein ungeboren ist und unsichtbar, und ich glaube an den ein-
geborenen söhn desselben, unseren gott und herrn, den schopfer
und erzeuger aller creatur, der nicht seines gleichen hat. so isi
also nur 6in gott über alles und der ist auch der gott unseres
gottes. und ich glaube an den 6inen heiligen geist; er ist die
kralt, die da erleuchtet und heiligt [es folgen zwei bibelstellen,
Luc. XU 49 und Ap. i 8, zur begründung des namens mrtus fflr
den heiligen geist], aber er ist nicht gott und nicht herr sondern
der diener Christi.'
Der schluss ist verstümmelt, aber es Iflsst sich erkennen dass
hier diese Unterordnung noch näher bezeichnet, und dann die
rangordnung zwischen vater, söhn und geist noch einmal fest-
gestellt war. der geist ist dem söhn in allen dingen untergeben
und zu gehorsam verpflichtet, und der söhn ist dem vater in allen
dingen untergeben und zu gehorsam verpflichtet, für beide Stel-
lungen wird der gleiche ausdruck mbditum et ohoeüentem in
Omnibus gewählt, dies glaubenstestament Ulfilas bildet den acten-
inäfsigen beweis für die erörterungen des Auxentius Ober das
bekenntnis des Ulfila, welche den ersten teil der schrift aus-
machen.
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UNTERSUCHUNGEN ZUR GESCHICHTE ULFILAS 213
UI6]a war ein eifriger Arianer. er verwarf den ausdnick
bomOttsiacb so gut wie deo ausdruck homousiach. 'der vater ist
der Urquell alles seios, von ihm ist der sobn geschaffen und von
dem söhne ist der heilige geist geschaffen, der heilige geist ist
abo dem Ursprung nach der übrigen creatur gleich, die auch
von Christo geschaffen ist. er ist aher der ersüing dieser creatur
oad der vemiittler zwischen ihr und Christo, ohne ihn kann
niemand Christum einen herren nennen. Christus ist von gott
geschaffen, Christus ist für die menschen gott, aber der vater ist
fflr Christum golt.' Maximin vergleicht seine lehre ausdrücklich
der lehre des Arius, freilich auch der des geschichtschreibers
Eosebitts. dieser gehört nicht eigentlich zu den Arianern, er gilt
ab haupt einer vermittelnden partei — aber es unterscheidet ihn
aar die tactik, die art des Vorgehens, nicht das dogma selbst,
auch EusebittB ISUignet die wesenseinheit zwischen vater und söhn,
betont dass nur gott vater ungeboren äyivvtjtog sei, entsprechend
dem mgiHüui des UUila, und Christus nicht im eigentlichen sinne
gott genannt werden dürfe (Zahn Marcellus von Ancyra s. 37).
so bt es erklärlich dass Haximin die anderen differenzen über-
sido. auffallender ist dass Palladius und Secundianus, erklarte
Semiarianer, sich in der schrift des Palladius auf Anxentius beriefen
und dass sie mit Auxentius und Ulflla nach Constantinopel giengen.
Die not der zeit wird die verschiedenen gruppen der Arianer
genötigt haben, in -diesem kämpf mit den orthodoxen zusammen-
zohalten, in theoretischen auseinandersetzungen mochten sie dabei
immerhin scharf ihre besonderheiten wahren.^
2. Philostorgius Cappadox.
Ecclesiasticae historiae a Constantio M. Arriique initiis ad
sua usque tempora libri 12 a Photio in epitomen contracti ed.
iGothofredus, Genevae 1642 und 1663, sodann zusammen mit
Tbeodoret ed. HValesius, Paris 1673. letztere ausgäbe ist in dem
bezüglichen abschnitt correcter als die von Gothofred, wesent-
liche abweichungen bietet sie jedoch nicht.
^ diese erwignogen halten mich sarQck, den scharfsinnigen nnter-
nchnngen KraflU beizutreten oder sie wider aafzonebmeo, in denen er den
besonderen character des gotischen Arianismus festzustellen sucht (Gommen-
tatio bbtorica de fontibus Ulfilae Arianumi ex fragmentis Bobiensibus emtis,
BMaael860).
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214 UNTERSUCHUNGEN ZUR GESCHICHTE ULFILAS
Nächst Auxentius hat Philostorgius vreitaus die wichtigsteo
angaben über Ulfila. Philostorgius war um 368 in Cappadocien
geboren, in diesem merkwürdigen lande, das sonst weder in alter
noch in neuer zeit an dem leben der weit einen hervorragendea
anteil genommen , das aber im ^vierten Jahrhundert die grOste
zahl der träger des geistigen lebens stellte, sein vater war Arianen,
die mutter dagegen ?on väterlicher wie von mütterlicher seile ho-
roousisch. sie liefs sich jedoch durch ihren mann Tür den Arianis-
mus gewinnen, und so wurden die kinder wenigstens nicht durch
den streit der eitern gestOrt.
Philostorgius erwuchs zu einem eifrigen* kämpfer für die
Verschiedenheit des sohnes und des vaters. mit 20 jähren kam
er nach Constantinopel, also etwa 7 jähre nach Ulfllas tode und
der niederlage der Arianen das werk, in welchem er die nach-
richten über Ulflla gibt, ist jedoch erst später, um 440, ge-
schrieben, es war eine fortsetzung der Kirchengeschichte des
Eusebius und sehr umfassend: 12 bücher, die in 2 bände verteilt
waren, leider ist es uns nur in einem auszuge des Photius er-
halten, dieser umstand erschwert die Untersuchung der wichtigen
frage, in welchem Verhältnis Philostorgius zu den orthodoxen
fortsetzern des Eusebius steht, zu Socrates, Sozomenus und Tbeo-
doret, welche ebenfalls um 440 schrieben.
JGothofred, der seine ausgäbe des Philostorgius mit aus-
führlichen und eindringenden abhandlungen begleitet hat« lässt
die frage unentschieden, meine ansieht ist folgende: fQr ge-
wisse abschnitte haben die werke eine gemeinsame quelle be-
nutzt, für andere nicht, zu den letzteren gehören die angaben
über Ulfila. hier ist Philostorgius unabhängig von den orthodoxen
und sie von ihm. wo sie hier übereinstimmen, gelten sie als
zwei zeugen, die sich gegenseitig bestätigen.
Philostorgius hat weitaus die meisten nachrichten voq Ulfila,
und unter denselben ist nichts, was mit grund bezweifelt werden
könnte, selbst der auszug, der uns allein erhalten ist, lässt er-
kennen dass Philostorgius hier ganz besonders gut unterrichtet
war. es ist das natürlich, oftmals mochten die Ariäner am ende
des 4 und im 5jh. sehnsüchtig zurückdenken an die zeit, da
Ulfila als Patriarch in Mösien waltete, von dem kaiser Constantius
als ein anderer Moses verehrt, auch Philostorgius selbst war
begeistert von dem hohen manne, llav »eiaJ^ei sagt Photius von
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UNTERSUCUUN6BN ZUR GESCHICHTE DLFILAS 215
ihm. gegen seine giaubwUrdigkeit scheint zu sprechen dass Phi-
lostorgius die einwanderung des Ulfiia in rdmisches gebiet (348)
zwischen ereignissen aus der zeit Constantins des grofsen (f. 337)
eniblt. aber das ist nur scheinbar ein irrlum, denn Philostorgius
fust hier alles zusammen, was er Oberhaupt von Ulfiia weifs, und
zwar in anschluss an die erste reise des Ulfila an den kaiser-
lichen hof, welche noch unter Constantin den grofsen fallt.
Die nachrichten des Philostorgius.
I. 'Ulfila stammt ab ?on einer christlichen familie aus Sa-
dalgothina bei Parnassus in Cappadocien, welche zur zeit des
Valerian und Gallien (267) mit vielen anderen von einem häufen
plOudemder Donaugoten geraubt und in die knechtachaft ge-
schleppt wurde/
Besseil s. 110 ff hat seinen ganzen Scharfsinn aufgeboten, um
Dachzuweisen dass Philostorgius hier irre — aber sein beweis ist
nichts als ein künstliches gewebe von Vermutungen, die anderen
angaben des Philostorgius seien glaubwürdig, aber das sei kein
grand auch diese angäbe zu glauben, ^fttr welche einerseits nicht
die historische beobachtung die quelle gewesen sein kann, und
die andererseits doch gar zu sehr den zwecken einer, noch dazu
fehlerhaften tendenz entspricht.'
Der ausdruck ^historische beobachtung' ist unbestimmt, er
wird aber verstandlich durch den zusatz : *das vorliegende Zeugnis
mOste, um ihm unbedingten glauben schenken zu können, min-
destens auf Ulfila selbst zurückgeführt werden, in dessen familien-
tradition jene specielle ursprüngliche heimat festgehalten wäre.'
nun trügen aber die sämmtlichen nachrichten der kirchenhistoriker
ober Ulfila so sehr den Stempel der unvollständigkeit, dass es
bedenklich sei, etwas als geschichtliches factum anzunehmen, was
uns 60 jähre nach seinem tode gemeldet würde und nur als rest
einer Ulfilaschen familientradition aotorität haben konnte, hier-
von ist soviel richtig, dass die nachrichten der kirchenhistoriker
sehr lückenhaft sind; aber beweist nicht schon die schrift des
Anxentius dass im 4 jh. viel ausführlichere nachrichten vorbanden
waren, als jene darstellungen vermuten lassen ? ist eine nachricht
zu verwerfen, weil sie specielle kenntnis verrät? Ulfila hat eine
so hervorragende rolle gespielt, dass es gar nicht zu verwundern
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216 UNTERSUCHUNGEN ZUR GESCHICHTE ULFILAS
ist, wenn fteinem leben und seiner herkunft oft nachgefragt ward,
vielleicht hatte er auch seihet in einer seiner Welen abhandlungea
seiner vorfahren gedacht, ihr mMyrertum und ihre treue be*
Wahrung des giauhens gerühmt es ist eine kritische regel, einer
nachricht um so leichter zu trauen, je mehr tatsächliches sie
bietet sollten wir hier mistrauisch sein, weil genau der ort ge-
nannt wird, aus dem die £8imilie stammt, und der römische ur-
Sprung nicht blofs im allgemeinen angegeben wird? das andere
bedenken war, dass diese angäbe den zwecken einer noch dazu
fehlerhaften tendenz 'des Philostorgius' entspreche, ^es kam dem
Pbilostorgius durchaus darauf an dass das im jähre 267 nach Go-
üen gewanderte Christentum unter Constantin als Arianismus wider
mm Vorschein kam, und wie wesentlich es dabei war dass Ulfila,
der repräsentant dieses Arianismus, unmittelbar von jenen ab*
stammle, die 267 das Christentum nach Gotien brachten, leuchtet
von selbst ein.' also, die nachricht ist dem Philostoigius er-
wünscht, deshalb ist sie eine tendenziöse erfindnng. aber der
katholisch gesinnte Sacrates berichtet von Selenas, dem scholer
Ulfilas, ebenfalls dass er von geraubten Christen abstamme. Se~
lenas von Phrygiern, Ulfila von Cappadociern, das ist hier gleich,
es handelt sich blofs um die abkunft dieser Arianer von geraubten
Kleinasiaten.
Nicht besser steht es mit der besonderen begrttndung, durch
welche er diesen verdacht zu stützen sucht, in dem folgenden
abschnitt werde erzählt dass die ^inneren Inder' von dem apoetel
Bartholomäus im Christentum unterrichtet seien und dass sie
arianisch glaubten, man soll deutlich erkennen ^dass Philostorgius
durch zwei eclatante beispiele die haupttendenz seines Werkes be-
legen will, nach welcher der Arianismus das Urchristentum war.'
zunächst ist nicht erwiesen dass Philostorgius sein buch in dieser
absieht schrieb, an einigen stellen offenbart sie sich, so in dem
cap. 6, das von den Indern handelt, in der erzählung von Ulfila
findet sich eine solche tendenz nicht, die herkunft Ulfilas wird er-
zählt, weil die erzählung darauf fahrt, wollte Philostor^s mit der*
selben den erweis bringen dass die kirche ursprünglich arianiscb
geglaubt habe, so hätte er betont dass Ulfila seinen arianischeo
glauben von diesen cappadocischen ahnen überkommen habe.
Selbstverständlich war es ja durchaus nicht dass seine lehre
nur die lehre jener ahnen darstellte.
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UNTERSUCHUNGEN ZUR GESCHICHTE ULFILAS 217
Er hat das nicht getan, aber auch wenn er es getan hättet
wenn er Ulfllas herkanfl ausdrücklich deshalb erzählt hätte, um
einen beweis Tür das alter des Arianismus zu gewinnen: so würde
doch nicht daraus folgen dass diese angaben über die herkunft
DIfias erfunden seien.
Besseti flDhlt das selbst und will mit diesen erwägungen nicht
sowol den beweis liefern dass die nacbricht zu verwerfen sei, als
?idniehr den leser in die Stimmung versetzen, welche geeignet
ist, den darauf folgenden eigentlichen beweis überzeugend zu
fiaden. dieser besteht aus zwei stücken:
1) es gab noch am ende des 4 jbs. Urkunden über den los-
kanf duristÜeher Cappadocier, die ums jähr 267 von den Goten
fortgeschleppt waren, auch aus anderen gegenden sind gefangene
fortgeführt worden, aber gerade aus Cappadocien lagen den kirchen-
historikern nachrichten vor. nun erscheine es doch als höchst
aelliam ^dass Ulfila gerade von den gefangenen der zeit und der
gegend abstammen soll, aus welchen allein unter den vielen, wo,
wie wir voraussetzen dürfen, ähnliches geschehen war, der zufall
nachweisbar den historikern anderweitige nachrichten hinterlassen
hatte' 8. 113. das ist so verwickelt, dass man versucht ist, sich im
gbaben zu ergeben, wagt man sich aber daran, die Verwickelung
IQ losen , so ergibt sich folgender schlusSt weil wir wissen dass
die Goten um 267 aus Cappadocien Christen fortschleppten, deshalb
ist es höchst seltsam dass Ulfilas ahnen um 267 von den Goten
aos Cappadocien fortgeschleppt sein sollen, bedarf es noch einer
besonderen Widerlegung? einer ruhigen erwägung wird doch die
angäbe des Philoslorgius eben desh^ gerade für besonders glaub-
würdig erscheinen, weil wir auch aus anderen nachrichten wissen
dass um jene zeit Cappadocier geraubt wurden.
2) bedeutender scheint der andere einwand, dass die Donau*
go4e& nidit bis Cappadocien gestreift seien, die Cappadocier
wären nicht von den Donaugoten, sondern von den Krimgoten
geruibt. allein das ist eine durch nichts gegründete behauptung.
wir sind Über die Gotenzttge des 3 jhs. schlecht unterrichtet und
es ist ganz unmöglich, auf grund einer allgemeinen betrachtung
über ihren verlauf eine bestimmte nachricht zu verwerfen, dazu
kommen noch folgende umstllnde, welche die glauhwttrdigkeit der
nachricht erhohen. ^
a. Philostorgius war selbst Cappadocier und konnte deshalb
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218 UNTERSUCHUNGEN ZUR GESCHICHTE ULFILAS
gerade über die raubzQge nach Cappadocien gute kuade haben,
vgl. Bessell s. 112.
b. dergehilfe und oachfolger desUlfib, der bischofSelenas,
war von väterlicher seile Gote, von mtttterlicher ein Phrygier
(Socrates). die Phrygier waren die nacbbarn der Cappadocier,
und wenn die einen von Donaugoten geraubt wurden, so ist es
auch bei den anderen nicht zu bezweifeln.
c. die Acta SSabae (s. u.) beweisen dass zwischen den
Christen unter den Donaugoten und der kirche Cappadocieos auch
noch hundert jähre spater ein Zusammenhang und verkehr stattfand.
Kurz die nachricht des Philostorgius, dass die ahnen Ulfllas
aus Cappadocien geraubt waren, ist ganz zuverlässig. ^ Ulfila war
demnach griechischen blutes, sicher wenigstens von der einen
Seite, die mOglichkeit einer mischung der stamme zeigt schon
das beispiel des Selenas. allein Ulfila ist doch als Gote zu be-
trachten, er ward unter den Goten geboren, wahrscheinlich auch
schon seine eitern resp. seine mutter, er wuchs mit ihrer jvgend
auf, und schon sein name verrät dass sich seine familie dem
gotischen wesen nicht verschloss.
n. die zweite angäbe des Philostorgius, welche Bessell be-
zweifelt, lautet: 'jene cappadocischen gefangenen bekehrten nicht
wenige von den Goten.' Bessell erklärt s. 118 dass keine quelle
'in irgend einer glaubhaften weise ein unter den Goten vor 341
existierendes Christentum bezeuge.' die stellen des Basilius, Atha-
nasius und Cyrillus, welche man dafQr anführt, deutet er auf die
Krimgoten oder nimmt ihnen die glaubwOrdigkeit aber das ge-
lingt ihm nicht, der briefwechsel Basilius des grofsen und die
Acta SSabae beseitigen jeden zweifei darüber, dass die von den
Donaugoten geraubten Cappadocier ihr Christentum bewahrten
und Goten bekehrten, es gab katholiken unter den Goten, und
es gab also auch von Ulfila unabhängige anfiKnge des Christentums
unter den Goten.
Bessell behauptet endlich geradezu, UlAla sei erst in firfge
seiner teilnähme an jener gesandtschaft Christ geworden, denn
er sage ja, er sei stets Arianer gewesen, könne also von 311-^25
nicht Christ gewesen sei. das ist ein trugschluss. Uifila sagt aller-
dings ego Mtnper $ie (arianisch) eredüi, aber was heifst das anders,
> 80 aach EBernhardt in der einleUoDg za seinem Volflla.
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UNTERSUCHUNGEN ZUR GESCHICHTE ULFILAS 219
als das8 er immer so geglaubt habe, seit er über diese dinge
nacbgedacbt? als Ulfila geboren wurde, standen sich die parteiea
noch nicht als zwei feindliche kirchen gegenüber, seine generation
hatte zu entscheiden, ob sie ihren alten glauben in dem sinne
des Anas oder in dem des Albanasius schärfer bestimmen wollte,
keine parte! glaubte eine Änderung ihres glaubens zu erleiden,
jede war vielmehr überzeugt dass sie die alte lehre bewahre
^egenflber heilloser neuerung. in dieser zeit wuchs Ulfila heran
und da hat er und wahrscheinlich schon sein unbekannter lehrer
die auflassung des Arius und Eusebius ergriffen, wahrend andere
TOD den bisherigen genossen die spater als orthodox anerkannte
kircbe bildeten, das ego sie semper credidi des Ulfila ist also
kein beweis dafür, dass er als beide geboren ward, und noch
weniger dafür, dass er nicht von geraubten Christen abstamme
und dass es unter den Donaugoten solche geraubte Christen überall
nicht gegeben habe.
Bessetl fühlt sich denn auch sehr unsicher bei diesen kriti*
sehen irrgängen, so unsicher, dass er sogar bei der von ihm
selbst als fälschung anerkannten angäbe des Sozomenus, dass die
Goten ursprünglich katholiken gewesen seien, eine Unterstützung
sucht, s. 118. er verwirft freilich diese angäbe, entnimmt ihr
aber als historischen kern den satz, dass der Arianismus der Goten
doch nicht älter sein künne als Arius und Eusebius und also
nicht von den um 267 gefangenen Christen herstammen könne,
es ist eben gezeigt worden dass dieser in der natur der sache
begründete satz für unsere frage nichts austragt, und es verwirrt
oor die Untersuchung, wenn man für diesen selbstverständlichen
satz die auch von Bessell als falschung bezeichnete angäbe des So-
zomenus über das ursprünglich orthodoxe bekenntnis des Ulfila
anfahrt, ferner beruft er sich darauf, dass Sozomenus aus-
drücklich sage, Ulfila sei zum bischof bestellt worden, als die
Goten noch beiden waren, diese angäbe ist ebenfalls ohne be-
denken, so lange man die worte nicht presst. die masse der
Goten war heidnisch. Ulfila hat als apostel unter ihnen gewürkt
aber das nütigt doch nicht, die Zeugnisse zu verwerfen, welche
besagen dass es auch schon vor der bestellung Ulfilas zum bischof
einige Christen unter den Goten gab und dass im besonderen die
eitern Ulfilas schon Christen waren.
III. die gesandtschaft Ulfilas. zu Constantins zeit ward Ulfila
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220 UNTERSUCHUNGEN ZUR GESCHICHTE ULFILAS
von dem berscher der Goten nagä %ov ri}» OQX'Q^ ayowoQ xov
is^yovg mit anderen als gesandter nach ConsUntinopel geschickt
Ulfila war beim tode Constantins (mai 337) 26 jähre alt, und da
die gesandtschaft nicht in das todesjahr zu fallen braachtf so war
Uiflia zur zeit derselben vielleicht noch recht jung^ Bessell hat
deshalb vermatet, er sei nicht als gesandter sondern als geisel
nach Constantinopel gekommen« allein es liegt kein gnind vor,
an der Überlieferung zu deuteln, freilich wählt man r^eknaTsig
nicht Jünglinge zu gesandten , aber ausnahmsweise geschieht es
doch, wenn sie königliche geburt oder besondere brauchbarkeit
empfiehlt, nun stammte U. von Cappadociern ab oder von Cappa*
dociern und Goten und kannte die drei sprachen — grieciuBch,
lateinisch und gotisch, diese fertigkeit und seine sonstige be-
gabung mochten den Jungen mann empfehlen, er war vielleicht
der dolmetscher der graubärtigen krieger.
IV. die weihe zum bischof: vnb Eiceßiov xal tw aw
avtifi irtiaxaTtwv xei^OToy^Zra^ rtSv h %^ r^tmfj %Q%a%t€nfi^
^ovxiav. unter Eusebius ist Eusebius von Nicomedien und Con-
stantinopel zu verstehen, er war das unbestrittene baupt 4er
anti-orthodoxen partei, diese wird geradezu als ol nBi^l Evuißwoy
bezeichnet, und er ist allemal gemeint, wenn die kirdienhistoriker
Eusebius ohne zusatz schreiben, also von diesem Eusebius wurde
U. geweiht, und da jener 341/42 starb, so fiel die weihe U-s
nicht später als anfang 342. das ist eine bestätigung des ekeo
aus Auxentius gewonnenen resultats über die Chronologie des
lebens des U. — seine weihe kann nicht 348 fallen, die um
7 jähre frühere rechnung Bessells ist gesichert.
Was heifst das aber: er wurde geweiht 'von Eosebius und
den um ihn versammelten bischüfen?' Bessell deutet es auf eine
Synode, deren haupt Eusebius war, und vermutet, es sei die
Synode von Antiochien 341 gewesen. Eusebius war auf der-
selben zugegen, ob er ihr präsidierte, ist nicht bekannt, aber er
war ihr geistiges haupt, und auf diese synode würde der ausdruck
des Pbilostorgius also doch passen: da wir nun eine andere
Synode nicht kennen, auf welche alles dies anwendung fiodeu
konnte, so sagt Bessell bestimmt: U. wurde auf der synode von
Antiochien geweiht, allein wir kennen eben nicht alle synodeD,
welche Eusebius damals abhielt, und endlich ist es nicht eiiunal
notwendig dass jener ausdruck 'von Eusebius und den um ihn
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UNTERSUCHUNGEN ZUR GESCHICHTE ULFILAS 221
feraammelten oder bei ibm vereioigteD bischofen' aaf eine synode
gedeutet wird, es konnten auch biscbofe gemeint sein, die zu-
filllig bei Eosebius waren oder zum zwecke dieser weihe geladen
waren. Easebhis war damals (seit 339} bischof Ton Constantinopel.
bei ihm fanden sich häufig andere bischöfe ein und bischofsweihen
wurden Ton diesen bischofen der hauptsUldte sdir zahlreich vor-
genommen, der Patriarch von Alexandrien klagte dass er ganz
Qberladen sei mit dieser arbeit, es ist also ebenso wol möglich
da» U. nicht auf einer synode und nicht in Antiochien sondern
in Constantinopel geweiht wurde vor einem kleinen kreise, der
gerade um das haupt der Arianer versammelt war.
V. er wurde geweiht zum bischof der Christen im Goten-
laode, tw h %^ rettx^ X^taTiowC^'^^y» dh. in dem lande
nördlich der Donau, es gab also daselbst bereits Christen, aber
es gab dort noch keinen bischof, U. war der erste bischof der-
selben, irtlaxOTcog avToiy nQfatoq xaramra^. bei dem hass der
Arianer gegen die orthodoxen konnte Philostorgius auch dann so
schreiben, wenn es schon orthodoxe bischofe gegeben hatte, aber
anch die orthodoxen Acta SSabae kennen keinen bischof in der
Gotia. die orthodoxen Christen daselbst standen noch um 370
unter dem bischof von Tomi. die Audianer haben bischOfe er-
nannt, aber sie kamen erst nach 350 in die Gotia.
VI. 'Uifila sorgte in jeder weise fflr seine gemeinde, dazu
erfand er für sie eine eigene schrift und übersetzte die heiligen
Schriften in ihre spräche mit ausnähme der Bttcher der kOnige.
denn diese enthalten die geschichte von kriegen, und da die Goten
ainfserst kriegerisch sind, so glaubte er diesen eifer nicht noch
mehr anspornen sondern zügeln zu müssen.'
Diese nachricht über die erfindung der schrift und die
Obersetzung der bibel ist unabhängig von der entsprechenden
nachricht der orthodoxen kirchenhistoriker (s. u.); yga/ifictttav
tvQstr^g wird U. genannt, die Goten hatten also vor U. keine
ygafifiota. sie hatten runen, aber diese runen waren symbo-
lische zeichen für gewisse begriffe, keine ygafifiara, keine buch-
Stäben im sinne des römischen und griechischen alphabets. dies
ist ein starkes Zeugnis gegen die theorie, dass die runen aus dem
lateinischen aiphabet abgeleitet seien, die Germanen hätten sich
sonst die schrift, welche sie bei den Griechen und Römern kennen
lernten, zwei mal angeeignet und zwar das zweite mal ganz
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222 UNTERSUCHUNGEN ZUR GESCHICHTE ULFILAS
anders wie das erste mal. erst hätten sie dieselbe in ganz freier,
geradezu schöpferischer weise zu runen d. i. zu mystischen
zeichen für einen gewissen kreis von begriffen umgearbeitet, die
nur in beschrankter weise nach analogie der buchstaben ver-
wertet werden konnten, und dann hätte zum zweiten male U.
das griechische aiphabet umgearbeitet zu wQrkUchen buchstaben
für die gotischen laute, vgl. meine Deutsche geschichte bis auf
Karl den grofsen i s. 204 ff.
Vll. 'die gemeinde des U. wurde hart verfolgt und da führte
sie U. über die Donau, der kaiser siedelte sie in MOsien an,
wo ein jeder wollte, er hielt den U. in grofsen ehren, sodass
er ihn oft den Moses unserer zeit nannte.' dagegen ist Ton
keiner seite zweifei erhoben.
3. Die nachrichten der orthodoxen kirchen-
historiker.
Es sind Socrates, Sozomenus und Theodoretus. dazu die
Acta SNicetae. zunächst ist ihr Verhältnis unter einander fest-
zustellen, die angaben des Theodoret sind nur für die ge-
sdiichte der fälschung der tradition wichtig: ihre beurteilung
macht keine Schwierigkeit, sehr bestritten ist dagegen das ver*
haltnis von Socrates, Sozomenus und den Acta SNicetae zu
einander.
Der herausgeber der Acta (september v 39) macht Theodoret
zur grundlage unserer kenntnis über U. und sein bekenntnis.
alles was Philostorgius und Socrates von dem Arianismus der Goten
erzählen sei falsch. Waitz (Ober das leben und die lehre des U.
s. 41. 42. 44) hält dafür dass nur Socrates in betracht komme,
aus ihm habe Sozomenus und der Verfasser der Acta geschöpft,
ebenso Kraffl Die kirchengeschichte der germanischen Völker,
Berlin 1854, und HRichter Das weströmische reich, Berlin 1865,
s. 689 note 21. umgekehrt sieht Dabn Könige der Germanen
V 6 note 1 in den Acta die gemeinschaftliche quelle von Socrates
und Sozomenus, und Bessell glaubt s. 88 aus den Acta einen
älteren bestandteil ausscheiden zu können, der auf den Cilicier
Marianus zurückgehe , und 'dass die ursprüngliche gestalt der
ersten 5 capitel der Acta des Nicetas die grundlage der erzäblung
bildete, wie wir sie in den beiden historikern lesen.'
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UNTERSUCHUNGEN ZUR GESCHICHTE ULPILAS 223
Allgemeines.
Socrates, Sozornenus und Theodoretus schrieben ungefähr
UD dieselbe zeit (um 440) und über denselben gegenständ: der
eine wie der andere wollte eine fortsetzung von Eusebius Kirchen-
gescbichte liefern. Socrates endet 439, Sozomenus wollte bis zu
demselben jabre gelangen, endet aber schon mit dem tode des
Honorius 423, Theodoretus 427 ; vgl. Valesii nota ad flnem.
Tbeodoret berücksichtigt mehr den Orient, Socrates und
Sozomenus mehr den oecident. diese beiden sind einander sehr
nahe verwandt, die auswahl und die anordnung des Stoffes stimmt
mehrfach so auffallend überein, dass ein Zusammenhang zwischen
ihnen bestehen muss« nun bietet Socrates im ganzen eine ver-
ständige erzUhlung, Sozomenus ist ein verwirrter mensch, zu
nichls weniger geeignet als zu einem geschichtschreiber.
Unter solchen Verhältnissen wird man geneigt sein, da wo
Socrates und Sozomenus übereinstimmen, Socrates für den träger
der flberlieferung zu halten und Sozomenus für den plagiator.
freilich ist das eine Verwechselung des besseren talents und
besserer Überlieferung, aber die neigung wird jeder spüren,
zQmal wenn er die weitläufigen Schriften nur für einen einzelnen
puDCt benutzt, diese neigung ist doppelt stark geworden, seit
ihr Valesius seine autorität geliehen bat, der die erste und bis
attf die Oxforder ^ einzige kritische ausgäbe der werke besorgte,
allein die Untersuchung des Valesius De vita et scriptis Socratis
et Sozomeni bewegt sich in bezug auf diesen punct in allgemein-
heiten. es gilt zahlreiche abschnitte zu vergleichen, um zu sehen,
ob die abweichungen des Sozomenus zu erklären sind bei der
annähme, dass er Socrates zu gründe legt, diese vergleichung
ist vorgenommen von Holzhausen Commentatio de fontibus quibus
Socrates Sozomenus ac Theodoretus in scribenda sacra historia usi
sunt, Gottingen 1825, und das ergebnis ist, dass alle drei selbständig
von einander sind, dass keiner den anderen kannte, dass die Über-
einstimmung daraus zu erklären ist dass sie dieselben quellen
benutzten.
' Socratis Ecclesiastica hiitoria ed. Hossey, 3 bände, Oxonii 1S53, So-
romeni Eedesiastica historia ed. Hassey, Oionii 1S60. Hossey widerholt die
anmcriLBogeo des Valesios und bemerkt die abweichungen von dessen teit.
fflr uoieren absehnitt sind die abweicbongen unwesentlich.
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224 UNTERSUCHUNGEN ZUR GESCHICHTE ULFILAS
Schon die vergieichuDg der erzäbluog ton der bekehrung
Constantins bei Socrates 1, 2 und Sozomenus 1, 3 genQgt, dies zu
erweisen, aucb nennt hier Sozomenus ausdrflcklich die Vita
Conslanlini des Eusebius als seine quelle, ebenso ist es bei der
erzSblung von der niederlage des Licinius, von dem persischen
siege und dem tode Julians Socrates 3, 23 und Sozomenus 6, 1.
gegen diese auffassung scheint auf den ersten bück die vergleichuog
des abschnittes über die Sammlungen von briefen and concil-
beschlQssen zu sprechen, beide sagen dass die streitenden Par-
teien derartige Sammlungen mit solcher auswahl veranstalteten,
dass der leser den eindmck gewinnen mOsse, als stimme alle
weit mit ihnen ttberein. hier scheint Sozomenus 1, 1 zu verall-
gemeinern, was Socrates 1, 6 sagt: aber dem ist nicht so. die
belrachtung liegt in der natur der sache, fand sich aucb vrabr-
schelnlich schon in einer der benutzten quellen, und endlich
bringt sie Sozomenus in einem anderen zusammenhange als So-
crates: jener wo er Ober seine quellen handelt, dieser bei der
geschichte des Arius. in dem negativen ergebnis stimme ich also
Holzhausen bei, nicht aber in der weiteren behauptung, dass eine
nachricht, die sich bei allen dreien finde, als dreifach beglaubigt
zu gelten habe (aao. s. 34 quibus vero omnes eonsentiunt, iis trium
testimonio eo granius additur momeniwn): Socrates und Sozo«-
menus repräsentieren, da wo sie tibereinstimmen, vielfach nur
ein Zeugnis, die quelle nSmlich, aus der sie beide schöpften, ich
sage vielfach, denn bei blofs sachlicher Übereinstimmung konnten
sie auch auf verschiedene grundlagen zurückgehen, so vielleicht
bei dem briefe Constantins über die Verurteilung des Athanasius,
Socrates 1, 34 und Sozomenus 2, 28. Theodoret hat diesen brief
gar nicht, dagegen einen anderen brief Constantins an diesdbe
Synode, der weder bei Socrates noch bei Sozomenus steht.
Man muss also das Verhältnis der beiden werke für jede
einzelne stelle besonders prüfen, und wo sie einander wider»
sprechen, daran festhalten dass Socrates grofseren glauben verdient.
Die nachrichten des Socrates und Sozomenus über
Ulfila und den Arianismus der Goten.
In den angaben über die Goten und über Uifila gehen So-
crates und Sozomenus auf dieselbe quelle zurück, und zwar hat
Sozomenus manches, was dem Socrates fehlt.
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UNTERSUCHUNGEN ZUR GESCHICHTE ULFILAS^ 225
1) beide knOpfen die bekehrung der Goten zum cbristeDtum
an zwei Vorgänge an: an den kämpf zwischen den zwei Goten-
hüoptlingen Fritigern und Atbanarich. Fritigern erbielt unter*
Stützung vom kaiser Valens und zum dank dafür wurde er Christ
uod zwar Arianer.
2) beide erzählen hier von der Christenverfolgung unter den
Goten und erwecken ebenfalls beide die irrige Vorstellung, als
ob die Verfolgung, welche 348 den U. aus der heimat trieb, erst
zur zeit jenes kampfes (um 370) stattgefunden hätte.
3) beide melden die Vertreibung der Goten durch die Hunnen
nod ihre bitte um land. Valens hofft in den Goten tüchtige Soldaten
zu haben und das kostbare beer verringern zu können, die Goten
faDgen treulos krieg an, ohne grund verwüsten sie das land, das
ihnen Valens gab. Valens erfährt dies in Antiochien, wo er die
orthodoxen verfolgt, eilt nach Constantinopel , wird mit murren
empfangen, droht dafür nach dem kriege räche zu nehmen und
zieht in den kämpf, in welchem er fällt.
So ist also der hauptinhalt beider darstellungen gleich, und
dazu kommt dass diese tatsachen in demselben Zusammenhang
erzählt werden, beide schriftsteiler betrachten den Gotenkrieg
unter dem gesichtspunct, dass er die Verfolgungen der ortho-
doxen beendet, und sie scbliefsen ihn deshalb an eine rede des
Themistius an, welcher den kaiser Valens von den Verfolgungen
abmahnte, der ausbruch des Gotenkriegs vollendet, was die be-
redtsamkeit des Themistius vorbereitet hatte, gleich auffallend
ist die Obereinstimmung in den ereignissen, welche sie am schluss
erzählen: tod des bischofs Euzoius, die geschichte der Sara-
zenenkOnigin , die Vertreibung des arianischen bischofs Lucius
aus Alexandrien und die einsetzung eines aus Rom gekommenen
orthodoxen bischofs. diese mit dem Gotenkriege nicht zusammen-
hängenden dinge geben Socrates wie Sozomenus unmittelbar vor
der ankunft des Valens in Constantinopel und der erzflhlung von
seinem ende: Socrates iv 37 und 38. Sozomenus vi 39. end-
lich finden sich auch wörtliche anklänge, von der würkung der
rede des Themistius sagt Socrates iv 32 ov fifjv teXicog vq>lu
^?S OQyfjg, Sozom. vi 37 ov fArjv veleiwg iqfeidevo vf^g 6q-
y^g. von Athanarichs Verfolgung Socrates iv 33 6 ^A^ava-
Qixog (ig nagaxagajvofiiytjg %rjg natgipov ^QrjOMiag nol"
^vg . . . vifiWQlaig vftißalXev, Sozom. vi 37 6 'A&. €og Trjg
Z. F. D. A. XXVir. N. F. XV. 16
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226 UNTERSUCHUNGEN ZUR GESCHICHTE ULFILAS
natQtpag 'd'Qtjoxelag xaivo%Of40v^ivtig nolXovg f9oXläig rijuci)-
Qiaig VTtißaXev.
Trotz dieser übereinstimoiUDg machen die beiden erzähluugeD
auf den ersten blick einen sehr verschiedenen eindruck. alleia
,. diese Verschiedenheit besteht nur darin, dass Sozomenus einige
und zum teil recht wichtige angaben bat, die Socrates nicht
hat, dass er einiges ausrtthrlich erzählt und dass er durch eine
grofse confusion die dinge verwirrt, er legt nämlich den kämpf
zwischen Athanarich und Fritigern von dem linken auf das rechte
Donauufer, wodurch alles auf den köpf gestellt wird, dass das
ein Irrtum ist, ergibt sich unzweifelhaft schon aus der tatsache,
dass Athanarich erst unmittelbar vor seinem tode fiber die Donau
gegangen ist und zwar als ein flttchtling, nicht als siegreidier
häuptling.
Diese abweichungen verschwinden vor der Übereinstimmung :
es kann kein zweifei sein dass Socrates und Sozomenus in diesem
abschnitt auf eine gemeinsame vorläge zurückgehen, dagegen ist
es ganz unmöglich, diesen abschnitt des Sozomenus als einen
durch wiUkürliche zutaten veränderten Socrates zu fassen, wir
dürfen ihre angaben vereinigen und haben keinen grund, eine
nachricht schon deshalb zu verwerfen, weil sie sich allein bei
Sozomenus findet, zunächst ist zu vermuten dass er sie der ge-
meinsamen quelle entnahm, ob und welche nachrichten er aus
anderen quellen schöpfte, ist nicht zu entscheiden.
Die angaben des Socrates und Sozomenus.
Socrates ist sehr kurz über Ulfila. er sagt nur: ^damals (als
Fritigern aus dankbarkeit gegen Valens Christ ward, um 370)
war U. biscbof der Goten, er erfand die gotischen buchstaben,
übersetzte die heiligen Schriften in das gotische und machte die
barbaren fähig, die göttliche lehre aufzunehmen, es wareo das
aber nicht nur leute aus dem volke des Fritigern, sondern auch
aus dem des Athanarich.
Athanarich wollte jedoch die religion seiner väter schätzen
und verfolgte die Christen, sodass damals viele barbaren märtyrer
wurden und zwar barbaren arianischer confession. sie haUeu
Christum mit einfachem herzen aufgenommen und verachteten die
weit.' Socrates kennt hier U. als Arianer und schreibt es neben
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UNTERSUCHUNGEN ZUR GESCHICHTE ULFILAS 227
der politischen bekehrung des Fritigern der würksamkeil des U.
zu dass die Goten Arianer wurden.
Ad einer früheren stelle ii 41 sagt er dann noch: U. sei
ursprünglich ein anhänger des orthodoxen Gotenbischofs Theo-
philus gewesen, welcher auf dem concil von Nicaea zugegen ge-
wesen war und das symbolum mit unterschrieben hatte, erst
auf der synode von Consta ntinopel 360 habe sich U. den Arianern
angeschlossen.
Sozomenus hat dieselben nachrichten, nur fügt er eine längere
Schilderung hinzu, wie Athanarich die Christen zu zwingen Ver-
suchte, den gOtzen zu opfern, und die gemeinde eines dorfes in'
ihrer zehkirche verbrannte, ausführlicher spricht er auch von
der würksamkeit des U. :
'Er war der lehrer der Goten und hatte sie zum glauben und
zu einem ruhigeren und geordneteren leben geführt (di* avtov
fietaaxovreg noXiTBlag '^fieQwtigag), deshalb gehorchten sie
ihm in allen stücken, sie waren überzeugt dass nichts schlecht
sein könne, was er sage oder tue, sondern nützlich sei für die
gemeiDde der gläubigen, hatte er ihnen doch manigfaltige be-
weise seiner tugend gegeben und für den glauben zahllose ge-
fahren bestanden, als die masse der Goten noch heidnisch war.
aoch erfand er ihnen zuerst eine schrift und übersetzte die
heiligen bOcher in ihre spräche, und das ist nun die Ursache
dass die barbaren an der Donau Arianer sind (Sozomenus setzt
hier hinzu wg ininav d. i. im ganzen, der masse nach, kurz vor-
her jedoch näv %b ifvlov)' in diesem stück ist der bericht
des Sozomenus offenbar weit besser als der des Socrates. wir
müssen ihm dankbar sein dass er uns trotz seines sonstigen
orthodoxen eifers ein so lebhaftes zeugnis von der stillen grOfse
des in allen gefahren treu erfundenen Arianers erhalten hat.
zweifelhaft ist, ob er hier aus derselben quelle schöpfte wie
Socrates. dafür spricht der satz von dem Ursprung der christen-
verfolgung des Athanarich, in dem sich sogar ein wörtlicher
anklang findet, aber es ist immerhin möglich dass er die Schil-
derung von dem ansehen des U., die einzelheiten aus der Christen-
Verfolgung und auch die stelle über die erfindung der schrift und
die bibelübersetzung einer anderen quelle entnahm. Sozomenus
hat dann die sage, dass U. ursprünglich orthodox gewesen sei,
and eine andere nachricht, die Socrates nicht kennt, dass U. als
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228 UNTERSUCHUNGEN ZUR GESCHICHTE ULFILAS
gesandter der vor den Hunnen flüchtenden Goten von kaiser Valens
land im Süden der Donau erbeten habe, mit jenen nachrichteo
zu einem ganzen verarbeitet, dadurch ist eine vollständige Ver-
wirrung entstanden, namentlich auch dadurch, dass er nun die
kämpfe zwischen Athanarich und Fritigern nach 376 und aaf
das rechte Donauufer legt.
Gbereinstimmend mit Socrates sagt Sozomenus dass U. zuerst
auf der von Eudoxius und Acacius geleiteten Arianersynode von
360 mit den Arianern in Verbindung getreten sei. aber während
Socfates geradezu sagt dass U. damals dem arianischen dogma bei-
trat (tavtfj xal OvXq>ilag 6 twv rdr^wv inioxOTtog rove nqü-
%ov avvi&ero), sucht Sozomenus dies wider zu bemänteln: ^Ulftla,
sagt er, wich anfangs nicht vom katholischen glauben ab. er nahm
zwar an der unter Acacius und Eudoxius versammelten Arianer-
synode in Constantinopel teil, aber wie ich glaube ohne bewust-
sein von ihrem dogmatischen irrtum (iTteQiaxintwg olfiai), denn
er blieb auch ferner in der kirchengemeinschaft der orthodoxen
(diifieivB xotvüivüiv roig legevai tuiv iv Nixalf avveX&oy'
%(ay). allein als er 376 nach Constantinopel kam als gesandter
der vor den Hunnen flüchtenden Goten, da hielten die führer
der Arianer ein religionsgespräch mit ihm und versprachen ihm
seine gesandtschaft beim kaiser zu unterstützen, wenn er ihrer
meinung beitrete (el Ofioicog aivoig öo^dt^oi), gedrängt von
der not oder auch in Wahrheit überzeugt dass es besser sei, so
von gott zu denken, soll er da in kirchengemeinschaft mit den
Arianern eingetreten sein und sein ganzes volk mitgezogen haben,
denn die Goten folgten ihm.' und nun kommt jene stelle über
den einfluss des U.
Sozomenus unterscheidet sich hier in zwei stücken von So-
crates. einmal nennt er den Theophilus nicht und, was wichtiger
ist, er gibt die sage von der Orthodoxie des U. in einer jüngeren,
erweiterten form.
Nach Socrates ist U. seit 360 Arianer, nach Sozomenus ist
die teilnähme an dem concil von 360 nur eine vorübergehende
irrung, würklich übergetreten ist er erst 376. ferner: Socrates
sagt nur, er ward Arianer, Sozomenus weifs gar viel voo der
veranlassung und den beweggründen des Übertritts zu berichten,
die Schrift des Auxentius und das in derselben erhaltene testa-
ment des U. setzen aufser zweifei dass U. Arianer war, so lange
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UNTERSUCHUNGEN ZUR GESCHICHTE ULFILAS 229
er Ober diese dinge dachte, und zwar ein leidenschaftlicher Arianer.
die aberlieferung über die ursprangliche Orthodoxie des U. ist
eioe fromme f^lschung. Socrates hat sie aufgenommen, aber
nicht in den Zusammenhang der erzählung von der bekehrung
der Goten, bei ihm scheinen deshalb die Goten immer Arianer
gewesen zu sein, er empfand es wol deshalb nicht dass die sage
von der Orthodoxie des U. damit in Widerspruch stand, weil er
die würksamkeit des U. erst in jenem kriege des Fritigern und
Atbanarich um 370, also nach dem angeblichen (Ibertritt U.s zur
arianischen lehre beginnen liefs. die sage von der ursprüng-
lichen Orthodoxie U.s ist also bei Socrates der anderen tther-
lieferung mehr nur hinzugefügt, sie bat sie noch nicht umge-
staltet, mit Wahrscheinlichkeit ISsst sich noch erkennen, wie
diese sage entstand, nach dem siege der orthodoxen kirche
empfand man es als eine beschämung dass es den verbassten
Arianem gelungen war, das grofse volk der Goten zu bekehren,
man suchte nach einer entschuldigung. besondere ereignisse,
unvorhergesehene zufölligkeiten , schwache oder verrat einzelner
personen sollten die schuld tragen, sollten die kirche von ihrer
schände befreien, die ketzer ihres ruhms berauben.
Nun war ein Gotenbischof Theophilus auf dem concil von
Nicaea gewesen und hatte das symbolum unterschrieben, diese
tatsache kam jenem wünsche entgegen, schien zu beweisen dass
die Goten ursprünglich orthodox waren, dass also auch U. da-
mals orthodox war. allein jener bischof Theophilus heifst Bospo-
ritanus, er war also bischof der Goten der Krim, welche eine
von den übrigen Goten ganz getrennte entwickelung genommen
haben, wüsten wir dies nicht und fehlte uns die schrift des
Auxentius , so würde auch . uns jener schluss sehr scheinbar
klingen: behelfen wir uns doch leider olt mit viel bedenk-
licheren.
Socrates hat diese sage schon in seiner vorläge gefunden,
denn einmal ist es gegen die art des Socrates, dergleichen zu
erfinden, und dann kehrt der für Socrates erzählung wesentliche
zug, dass U. zuerst auf dem concil von Contantinopel mit den
Ahaoern in gemeinschaft trat, auch bei Sozomenus wider.
Mit der sage ßdlt natürlich auch der satz, dass U. sich nach
Theophilus gerichtet habe (knofAevog @Boq>ihfi), also mittelbar
oder unmittelbar dessen schüler gewesen sei. dagegen wird man
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230 UNTERSUCHUNGEN ZUR GESCHICHTE ULFILAS
vielleicht festhalten dürfen dass U. 360 auf dem concil zu Con-
sta ntinopel war.
Trotz dieser sage bewahren Socrates und Sozomenus noch die
volle hochacbtung vor U. und seiner todesmutigen gemeinde. So-
zomenus Vermutungen, dass er 360 aus dummheit an der Arianer-
synode teil genommen und 376 vielleicht mehr aus schwäche als
aus Überzeugung würklich Arianer geworden sei, sind zwar nicht
sehr schmeichelhaft, aber diese Vermutungen sind nur folgerungeo
des unklaren köpf es, um jene sage mit seinen sonstigen nacb-
richten zu vereinigen, und sie haben den Sozomenus auch nicht
gehindert, in seinem bericht noch ein gut teil der wärme zu
bewahren, mit der die Zeitgenossen von dem apostel der Goten
gesprochen haben.
In einer dritten, bedeutend erweiterten form hat Theodoret
IV 37 diese sage: iyw äi ngovQyov vOfÄi^ü) dida^ai tovg ayvo*
ovvTag, OTtiaq ot ßaQßagoi T^y 'AQeiavixrjv Blaedi^avto voaov.
OTE tbv *la%QOv diaßavteg nQog rov OvaXerra v^v eigr^vr^v
iattelcavto Ttjvcnavta Ttagwv Evdo^iog 6 dvowwfAog vtii*
■d'Bto %(p ßacikei neiaai ai%Q xoivwyijaai jovg r6%&ovg,
Ttalai yaQ %ag %i}g d'eoyywaiag axvivag de^afieyoi, %oZg ano^
aroXixolg he%Qi(povto doy^iaai' ßeßaioviQov yaQy ^qn], "fo
KOivdv jov q>QOV7]fAa%og %7jv el^jvr^v igydaerai. Tavtrjv inai-
viaag tr^v ywaifnf^v 6 Ovdltjg, nQOvteive zolg hulvcjv ^yefioot
%<3y doyfiatwv trjv avf4q>wvlav, ol dk ovx avi§€0&ai Sleyov
rijy na%Q(pav xavaXeliffeiv didaaidaXiav. %a%* inelyop 6k %ov
XQOvoy, OvXq>llag avtäv inlaxOTtog tjv, (p fiaXa ijiei&ovto
xal 'fovg huBlvov Xoyovg OKivrixovg vntkafjißavov vofiovg'
xovTov xa2 löyoig xavaxXi^aag Evöo^iog xal XQtifiaoi de-
leaaag, Ttelaai Ttafeansvaae %oug ßagßaQOvg xiqv ßaailitag
xoivwvlav äandaaa&ai. ineiae dh g>rjaag Ix g>iXo%ifiiag yt-
yevrja^ai vrjv flgiv, doyfiatwv di fÄtjdegzlav ehai diag^gop.
ov d^ üvexa xai xrnieQOv ol r6%9oi fisi^ova fikv %bv Ilaziga
Xiyovot %ov Ylov' xtlapia de töv Yldv bItzbIv ovx oy^oyvcu,
xaUoi xoivwvovvteg xolg Xiyovaiv aXX^ SfÄtog ov Ttarrarcaüi
xriv ftoTQffiav diöaaxaXlav xaviXiftov' xai yäg OvXg>iXag
Evdo^iifi xai QvaXtvxi xoiywv^aai nel^wv mxovg ovk elyai
öoyfiatüiy iq>ri diaq>OQav aXXd g4cevaiay Mgiy igydaac&ai Tr;v
diaaraaiv.
Darnach waren also die Goten orthodox bis zu deoi ver-
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UNTERSUCHUNGEN ZUR GESCHICHTE ULFILAS 231
trage mit Valens 376. damals riet Eudoxius dem kaiser, er möge
fordern dass die Goten mit ihm in glaubensgemeinschaft ein-
traten, das stärke den politischen band, aber die häuptlinge
erklarten, den glauben (d. i. die orthodoxe lehre) ihrer iräter nicht
Terlassen zu wollen. Eudoxius verstand es jedoch, ihren wider-
stand zu überwinden, er wandte sich an U., den bischof der
Goten, der grofses ansehen genoss und dessen worte fttr die
Goten gesetz waren, teils durch tiberredung teils durch bestechung
verlockte er ihn dazu, die Goten zu bewegen, mit dem arianischen
kaiser in kirchengemeinschaft einzutreten, der ganze streit, sagte
er, sei aus ehrsucht entstanden und berühre das dogma nicht.
80 sagte dann U. den Goten und sie wurden Arianer, ohne je-
doch ihren alten glauben ganz fallen zu lassen, niemals sagten
sie dass der söhn ein geschOpf sei.
Diese erzählung richtet sich schon dadurch, dass Eudoxius,
der bereits 370 starb, 376 den U. beredet haben soll, und dann
verwischt sie jeden zug von dem character des grofsen mannes.
die Vermutungen des Sozomenus sind hier zu Verleumdungen
ausgeartet. U. soll sich beschwatzen und bestechen lassen? U.
soll den Goten einreden: der streit über die person Christi sei
ein sU*eit um worte? wir wissen dagegen' dass er einen grorsen
teil seiner kraft auf diesen streit verwendet hat und seine schüler
dazu erzog dass sie ihn mit gleichem eifer aufnahmen, auch die
Goten spielen hier eine ganz falsche rolle, die psathyrianischen
Streitigkeiten zeigen dass die Goten, welche Christen wurden, bei
den dogmatischen kämpfen nicht gleicbgiltig blieben, es ist die
auffassung des Römers, der die barbaren verachtet.
Wo Theodoret von dem ansehen des U. spricht und seinem
mafsgebenden einfluss, wird man an Sozomenus erinnert, ebenso
durch die erwahnung des Eudoxius und dadurch, dass der über-
tritt zum Arianismus mit dem Donauübergang von 376 verbunden
wird, doch lohnt es nicht dem weiter nachzugehen und Ver-
mutungen darüber aufzustellen, ob Theodoret die vorläge des
Sozomenus benutzte oder welche andere quellen, für die würk-
liehe geschichte U.8 ist nichts daraus zu entnehmen.
Eine weitere, also die vierte, stufe erreicht die falscbung in
den Acta SNicetae (Acta Sanctorum vom 15 September, v 39 ff),
die einleitung des herausgebers ist für diese kritischen fragen
ganz wertlos, soviel kritik sie auch treibt, ich fasse sie des-
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232 UNTERSUCHUNGEN ZUR GESCHICHTE ULFILAS
halb einfach bei seite. ihre behauptungen werden durch den
gang dieser Untersuchung von selbst widerlegt, die Acta SNicetae
verläugnen den Arianismus des U. ganz und gar. U. und seine
gemeinde sind von je her katholiken gewesen und sind es immer
geblieben, daraus ergibt sich dass die Acta nicht die quelle sein
können für Socrates und Sozomenus. da sie aber einen Zusammen-
hang mit Socrates unzweideutig verraten, so müssen die Acta ent-
weder die vorläge des Socrates, die zugleich vorläge des Sozo-
menus war, benutzt haben oder den Socrates selbst, das letzte
ist der fall: ihre ganze kenntnis von U. und den Goten ist aus
Socrates geschöpft.
Anders urteilt Bessell. die ersten 5 capitel der Acta sollen in
ihrer ursprünglichen gestalt die gemeinsame 'grundlage der er-
Zählung bilden, wie wir sie in den historikern lesen' (s. 88).
allein andererseits steht es für Bessell fest 'dass die angäbe der
Acta über den durchaus katholischen U. erst aus einer nachricht
entstanden sein kann, wie sie die historiker haben' (s. 82).
Er denkt sich den Zusammenhang folgender mafseo: die
Acta hatten ursprünglich von U. gar nichts, sie enthielten nur
die geschichte der reliquien, und von den ersten 5 capiteln,
welche das leben des Nicetas behandeln, nur das 1. 4. 5. 'so
halte ich denn allerdings das 2 und 3 capitel der Acta für ein
späteres einschiebsei in die Acta, aber auch für ein solches,
welches speciell für die Acta gemacht ist' (s. 85). Bessell weifs
auch den grund anzugeben, der diese ßilschung veranlasste.
Im 4 jh. hielt man ganz allgemein gotische Christen für
arianische Christen, gotisch und arianisch deckten sich, da
muste ein katholischer märtyrer unter den Goten verdächtig er-
scheinen, und deshalb erfand man eine sage, welche die zweifei
an der rechtgläubigkeit des Nicetas widerlegte, man machte den
Nicetas zu einem schüler des Theophilus und versicherte, ur-
sprünglich seien alle Goten, sei auch U. katholisch gewesen und
erst im lauf der zeit Arianer geworden, den Arianismus der
Goten ganz zu läugnen, das gieng damals noch nicht, und so
erfand man eine sage, die ungefähr dem entsprach, was wir
heute bei Socrates lesen.
Als man aber in späterer zeit nicht allgemein mehr be-
scheid wüste um die specielle confession der Goten, ubd deshalb
kein bedürfnis mehr vorlag, ihren Arianismus zu erwähnen, da
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UiNTERSUCHUNGEN ZUR GESCHICHTE ULFILAS 233
Soderte man jene sage von U. in der weise, dass man U. und
die Goten überall zu katholiken machte, man wandelte sie aus
der form, wie sie bei Socrates vorliegt, in die form, wie sie die
UDS erhaltenen Acta haben, es gieng das um so leichter, als
die ünderung äufserlich der hauptsache nach nur darauf beruht
^dass man aus dem inofievog &€oq>llqt (Socr. u 41) ein aü/«-
nagwv in bezug auf das concil von Nicaea, und aus dem concil
zu Constantinopel des Jahres 360 das von 381 machte' (s. 85).
Die Acta Nicetae erlitten also eine doppelle fUschung. zu-
erst wurden sie durch die sage erweitert, dass die Goten und U.
anftoglich orthodox waren und später arianisch wurden, also
durch die sage wie sie bei Socrates und Sozomenus vorliegt.
In dieser gestalt wurden die Acta von Socrates
und Sozomenus benutzt, die Acta sind aber in dieser
gestalt nicht mehr erhalten, sondern nur in einer zweiten Um-
arbeitung, welche jede erinnerung an den Arianismus der Goten
▼ertilgte, das ist doch sehr künstlich und ruht auf ganz will-
kOrlichen annahmen, auch ist die umwandelung einer erzählung,
welche die quelle von Socrates und Sozomenus nachrichten über
U. bilden soll, in die erzählung der Acta keineswegs so leicht,
doch sehen wir davon ab, wichtiger ist folgende erwägung. So-
crates spricht trotz seiner kürze mit unverkennbarer wärme von
dem glaubensmut der sterbenden Arianen diese wärme stammt
— wie einige anklänge bei Sozomenus zeigen — schon aus der
vorläge, diese vorläge kann also nicht ein capitel sein, das in
die acten eines märtyrers eingeschoben ward, um ihn von dem
verdacht des Arianismus zu reinigen, ferner: Bessell bemüht sich,
zu beweisen dass gerade in einer solchen legende eine Veran-
lassung zo jener ftlschung von U.s bekenntnis gegeben war
(vgl. s. 84. 85). allein, wenn man einmal dem Arianismus seine
beiden rauben wollte, lag es da nicht näher, seine kunst gleich
an den erzählungen zu versuchen, die von U. handelten? die
stutzen endlich, auf denen jenes künstliche gebäude von hypo-
thesen ruhen soll, sind ganz unzureichend.
Es sind folgende zwei: 1) die Acta geben die sage über U.s
veriialtnis zu Theophilus da wo sie hingehören, in dem Zusammen-
hang der übrigen nachrichten von U., Socrates dagegen an einer
anderen stelle, es sei deshalb unmöglich dass die Acta diese an-
gäbe aus Socrates schöpften (s. 83). das ist kein grund, wäre
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234 UNTERSUCHUNGEN ZUR GESCHICHTE ULFILAS
es aber einer, so künDte man ihn auch gegen Bessells ansieht
geltend machen, dass Socrates aus den Acten abzuleiten sei. aber
es ist kein grund. der verf. der Acta hat eben nur in passender
weise zusammengestellt, was er bei Socrates an zwei yersdiiedeneD
stellen gelesen hatte, unfähig war dieser autor nicht, er be-
kundet vielmehr ein gewisses talent der darstellung. er schildert
die dinge und die personen nicht mit allgemeinen Wendungen,
er weifs alles in einer bestimmten Stellung und läge aufzufassen
und mit einem bezeichnenden attribute zu versehen, der mann war
offenbar durch die rhetorenschule gegangen und war darin ge-
Qbt, aus anderer leute flicken ein kleid zu stücken, es bedurfte
wahrlich keiner kunst, diese beiden stellen zusammenzubringen,
oder will man durchaus eine anleitung dazu? nun, so lasse man
ihn den Sozomenus lesen — er wird ihn aller Wahrscheinlichkeit
nach gelesen haben ebenso wie andere orthodoxe litteratur — ;
schon Sozomenus hat die sage in dem gesuchten zusammenhange.
Doch genug davon, es muss schlecht stehen mit einer Ver-
mutung, die man so stützt, das ist aber Bessells art. die ver-
wickeitste lösung erscheint ihm leicht auch als die richtigste,
beschilftigt sie doch seine glänzende begabung zu kühner com-
bination auf das vollkommenste.
Scheinbarer ist der zweite grund. 2) Mie Schilderungen der
kämpfe, die rOckkehr des Athanarich und mancherlei speciellere
Züge, wie jener Athanarich ra nawa ÖBivog, Fritigern der aTio-
CTCcg, Valens 6 f4iaoxQio%6g, selbst die beschreibung der von U.
erfundenen buchstaben machen es unwahrscheinlich dass das alles
nur rhetorische Verschönerungen der dürren sokratischen er-
zählung seien' (s. 83).
Es ist wahr, der ton der erzählung ist lebendig, aber das
kann entweder eine folge davon sein, dass der autor selbsterlebtes
berichtet, oder es ist manier, schriftstellerische fertigkeit das
erste will auch Bessell nicht behaupten — denn diese capitel sollen
ja ein späterer zusatz zur alten vita sein — , also ist es manier
des autors und beweist nichts für seine ursprünglichkeit, man
gebe ihm was man will, er wird es in gleicher weise lebendig
machen.
Er gibt solche attribute, wie sie Bessell als beweis anführt,
allen personen — dem Nicetas, dem Gratian, dem Marian, dem
Auxenlius, und die ereignisse werden nach demselben recept
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UNTERSUCHUNGEN ZUR GESCHICHTE ULFILAS 235
lebendig gemacht. Athanarich siegt nicht nur, sondern Tqönaiov
iofrjai, Fritigern flieht nicht nur zu den Römern, er wird auch
aitoßoXog genannt
Auf diese dinge beschränken sich die 'mancherlei speciei-
lerea zOge', welche den schein besonderer kenntnis erwecken.
Gerade die stelle, in der jene von Bessell angefahrten 3 bei-
Worte stehen, verrät deutlich ihren Ursprung aus Socrates. streicht
man die rhetorischen ausführungen , so hat man Socrates. der
lusanunenhang ist so eng, dass die eine stelle aus der anderen
eatDommen sein muss, und eine vergleichung zeigt dass die Acta
den Socrates ausschreiben, nicht umgekehrt.
Acta Nicetae: Socrates iv 33 :
%o r6%^(üv i&vog elg dv- Fov&oi ifAq>vhov TtQog
unalavg öiBQQoyti xai iiiq>v- iavtovg xivrjaayteg nole/iov
Uovg iiolQag xo2 elg dio kys- elg ovo iiiqri iriitidrioav wy
yifaai fAe^Tj xai Tovrofv ^yeUo %ov hog riyelto OQiTiyeQVfjg
9a%iQ0v OQitiyiQvijg d-ätsQOv %ov de itiqov ^Ad^avaqi%og,
6ili9apaQlxv amjxove.
Die worte der Acta to r6%&o}v i&vog elg ävjiTtdlovg
SitQQoyt} aal ifiq>vXiovg fioi^ag (xal elg dio iyeyovaai f^iQf])
sind kaum zu verstehen, was soll das €f4q>vUovg? der autor
hat das gleiche gefühl gehabt und widerholt den gedanken ähn-
lich den einfachen worten des Socrates durch elg ovo iyeyovaai
^UiHi]* aber jener auffallende ausdruck ist ganz begreiflich, wenn
man weifs dass die Acta hier die angaben des Socrates umge-
stalten : das ififpvXiovg fioigag ist aus dem ifiqfvliov noXefiov
des Socrates entstanden.
Besonders reich sind die rhetorischen ausführungen am
schluss von cap. 2 und namentlich macht die Schilderung, wie
Pritigem sich das kreuz vorantragen liefs, als er mit Unterstützung
romischer truppen den kämpf gegen Athanarich erneuerte, den
eindrnck, als hatten wir hier würklich eine auf genauerer kenntnis
ruhende darstellung vor uns. allein Bessell s. 89 hat seihst daran
erinnert dass die Acta hier nur ein 'vielfach bei den christlichen
autoren vorkommendes motiv' benutzen, zudem steht sie zwi-
schen nachrichteu, die aus Socrates genommen sind.
Der anfang des 3 capitels ist in den Acten unverständlich,
erst ans Socrates erkennt man, wie der sieg des Fritigern viele
Goten zur annähme des Christentums bewog. die Acta lassen
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236 UNTERSUCHUNGEN ZUR GESCHICHTE ULFILAS
dies weg, um Dicht merken zu lassen dass der Arianer Valens
diese bekehrung bewürkte. nach diesem so TerstOmmeUen satze
gehen die Acta plötzlich auf Ulfila tlber. dies erinnert wider
an Socrates, während Sozomenus ganz natürlich überleitet, durch
den satz : ^an dem Arianismus der Goten ist nicht nur die politik
Fritigerns, sondern auch U. schuld.' über U. — den sie wie
Philostorgius Urfila nennen — bieten dann die Acta zunfichsl
3 angaben aus seinem leben, von denen unten die rede sein wird,
darauf einen satz über die erfindung der buchstaben und die
bibelübersetzung. dieser satz ist aus Socrates entnommen, und
zum teil wörtlich:
Socrates it 33:
Die heilige schrift elg Trjv tag d'elag ygaq^ag elg ti;v
roT&iuLriv ylüaaav fieraßa- FoTd-tav (letaßaXwv %ovg ßoQ-
X(üv Tovg 6fioq>vlovg luptav- ßagovg fiav&dveiv %a ^ela 16-
&avBiv naaj] Oftovdfj nagB- yia na^BOKevaaev.
axevacev.
Von da ab werden Socrates angaben verallgemeinert, um
den Übergang zu dem hl. Nicetas zu finden, ^da gewann, heifst
es, das Christentum eine grofse ausbreitung bei den barbaren.
Athanarich aber bekehrte sich nicht, sondern verfolgte die Christen
und besonders den hl. Nicetas.' Nicetas soll also verfolgt sein
in der Verfolgung, welche Athanarich über die gemeinde des U.
verhängte, andererseits soll Nicetas längere zeit (c. 3) nach jenem
kämpf mit Fritigem und Athanarich, der um 370 statt fand, ver-
folgt sein und zwar nach c. 1 nach der auswanderung der Goten
über die Donau 376, nach c. 4 unter kaiser Gratian, der 383,
und von Athanarich, der im januar 381 starb. Nicetas Verfolgung
fiele demnach zwischen 376 und 381. die Verfolgung der ge-
meinde des U. fiele demnach auch zwischen 376 und 381, und
südlich der Donau, schon das beweist dass die Acta von U.
nichts wissen, und dasselbe ergibt sich bei einer prüfung der
angeblichen tatsachen aus seinem leben.
1) U. soll der nachfolger des Theophilus gewesen sein —
das ist ein misverständnis des Irtofievog t<^ @Boq>il^ bei
Socrates.
2) er soll mit Theophilus auf dem concil von Nicaea ge-
wesen sein — das ist ein Zusatz zu Socrates und ein sehr un-
glücklicher, denn U. war damals 12 jähre alt.
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UNTERSUCHUNGEN ZUR GESCHICHTE ÜLFILAS 237
3) U. soll auf dem orthodoxen concil zu Constantinopel
im jabre 381 gewesen sein — das ist eine orthodoxe entstel-
lüog der tatsache, dass er auf dem Arianerconcil zu Con-
staDtJDopel von 360 war. zur zeit des orthodoxen concils war
U. schon tot.
Es hat sich ergeben: die Acta enthalten die sage tlber den
katholicismus U.s in einer sehr ausgebildeten form, wahrend So-
crates sie in einer ursprünglichen form bewahrt, die angaben
der Acta über l]. lassen sich aus Socrates ableiten, nicht aber
Socrates und, was ebenfalls notwendig wäre, Sozomeuus aus den
Acta, endlich haben die Acta, abgesehen von wörtlichen an-
liläDgeD, an einer stelle einen ausdruck (lfiq>vXlovg) , der sich
nar begreifen Iflsst, wenn man die stelle als eine Umgestaltung
der entsprechenden worte des Socrates auffasst. daraus folgt:
die Dachrichten der Acta über. U. sind aus Socrates entlehnt, bald
wörtlich bald mit willkürlicher Veränderung in inhalt und form.
Sie haben deshalb für die geschichte Ulfilas
gar keinen wert, wol aber für die geschichte der
sage von dem katholicismus Ulfilas.
Zugleich ergibt sich dass Bessell uurecht hat, die nachrichten,
welche Socrates und Sozomenus liefern, auf eine fälschung zu-
rflckzuführen. aus den Acta Nicetae darf man keinen grund zum
mistrauen gegen Socrates und Sozomenus entnehmen.
Was die Acta über den heiligen Nicetas erzählen, berührt
die Überlieferung von U. nicht; und auch für die geschichte der
gotischen kirche tragen sie nichts aus. abgesehen von den schick^
salen des leichnams, die wahrscheinlich auf alten aufzeichnungen
beruhen, wissen die Acta von dem Nicetas nur dass er unter
Gratian von Athanarich gelOdtet ward, über gehurt, erziehung,
begabung bieten sie nur rhetorische Wendungen, die sie auch
ohne irgendwelche kenntnis zusammenstellen konnten, nur die
angäbe, Nicetas sei ein schüler des Theophilus gewesen, scheint
auf wQrklicher kenntnis zu ruhen, aber sie scheint auch nur so:
denn sie ist sicher nur eine nachbildung der gleichen angäbe
über U. Nicetas der Donaugote ein schüler des Bosporitaners I
da müste eine andere beglaubigung vorliegen, als eine legende,
die 80 viel unwahres berichtet, da kann man nicht einmal sicher
sein, ob Nicetas orthodox war oder ob hier eine ähnliche Um-
arbeitung vorliegt wie beim U.
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238 UNTERSUCHUNGEN ZUR GESCHICHTE ULHLAS
Die märtyrer vom 26 märz.
Ein anderes beispiel solcher Teränderung der confession bieten
die märtyrer, welche die orthodoxe kirche am 26 märz verehrt,
die angaben über ihr martyrium sind sehr dürftig, aber sie nennen
mehrere namen. von denen kehren nun zwei, und War die der
beiden priester^ Verekan und Batvin, in den dürftigen bnich-
stücken wider, die uns von dem heiligenkalender der gotischen
kirche ^halten sind, ein irrtum, eine zufällige namensabnlich-
keit ist nicht anzunehmen, es ist nicht ein name, es sind zwei,
und dann deutet der kalender an dass mit jenen beiden eine
grofse anzahl gemeindegenossen (aikkksjons fuUaizos . . gabranr
nidaize), verbrannt wurden, ganz entsprechend der erzählang
der Acta Sanctorum, dass jene priester mit vielen ihrer gemeinde-
genossen verbrannt wurden.
Also die Arianer des kalenders und die orthodoxen der Acta
Sanctorum sind dieselben personen. es ist nun nicht denkbar
dass die im kämpfe stehende kirche des U., die so viele der
ihrigen als märtyrer verehren konnte, ihre gegner als märtyrer
verehrt habe, die katholische kirche hatte dagegen nach dem
siege über den Arianismus ein lebhaftes interesse daran, die von
den ehemaligen Arianern verehrten mflrtyrer katholisch zu machen,
die geschichte des U. ist ja ein deutlicher beweis dafür, diese
reception konnte um so leichter vollzogen werden, als sich die
arianische kirche selbst auch die katholische kirche nannte.
Eine bestätigung dieser combination findet sich in folgendem.
Sozomenus erzählt dass Athanarich zahlreiche anhänger des U.,
männer und weiber, die sich in eine kirche geflüchtet hatten, mit
der kirche verbrannte, es liegt nahe, anzunehmen dass dies die im
kalender resp. den Acten verzeichneten märtyrer sind, und da sie
als anhänger des U. bezeichnet werden, so waren es Arianer.
Zusammenstellung der beiSocrates undSozomenus
berichteten tatsachen.
1) U. war bischof der Goten, beide gebrauchen den ausdruck
so unbestimmt, dass es scheint, als sei U. um 370 und 376 bischof
aller christlichen Goten gewesen, und nicht blofs seiner ursprüng-
' im kalender papa, in den Acten pretbyter, ohne onterBchied.
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UNTERSUCHUNGEN ZUR GESCHICHTE ULFILAS 239
lieben gemeinde, das ist an sich aicht unwahrscheinlich, allein
das Zeugnis des Socrates und Sozomenus ist für diese frage nicht
sehr gewichtig, weil sie die flucht U.s 348 und die absonderung
seiner anhänger von den übrigen Goten nicht kennen und weil
sie auch ferner nicht angeben dass es aufser den Arianern auch
noch orthodoxe Christen und Audianer unter den Goten gab.
2) er stand zahllose gefahren aus um des glaubens willen,
ab die Goten noch beiden waren. Sozomenus vi 37.
3) er erfand den Goten die schrift und übersetzte die bibel
in das gotische: yqaiAfjKna iq>evqB ror&iKa xal vag &elag
yi^g>ag eis trjv FotSwv fievaßaXwy. Socrates iv 33. Sozo-
menus VI 37 TtQüiTOs Se yqhiAfiomav evQeriig ovrolg iyiveto
Ml tlg ti]v oiiulav g>fapfjv fietiq>Qaae jäg leQag ßißXovg, es
sciieint dass Socrates und Sozomenus hier die gemeinsame vor-
läge benutzen, doch ist es nicht bestimmt zu erweisen.
4) beide knüpfen die predigt U.s und die Verfolgung seiner
anhänger an den kämpf von 370. man darf deshalb aus der
hier erwähnten Verfolgung durch Athanarich nicht schliefsen dass
U. auch 348 von Athanarich vertrieben wurde, auch sonst hat
man darüber keine nachricht. der vater des Athanarich- war zur
zeit des Constantin (f 337) mächtig, also konnte Athanarich um
348 bereits seine stelle ausgefüllt haben: aber es bleibt ebenso
wol möglich dass U. unter einem anderen häuptling wohnte.
Auxentius nennt den Verfolger nur iudex Gothorum, so konnte
aber jeder häuptling bezeichnet werden.
5) damals sind viele barbaren arianischer confession stand-
haften mntes für ihren glauben in den tod gegangen. Socrates
und Sozomenus haben offenbar dieselbe nachricht, aber Sozo-
menus sucht zu verhüllen dass es Arianer waren, dazu ver-
wechselt er einmal die namen Fritigern und Athanarich. wichtig
ist sein bericht durch einzelheiten aus der Verfolgung. Atha-
narich liefs ein gOtzenbild vor die zelte der Goten fahren, welche
im verdachte standen, Christen zu sein, und verbrannte eine zelt-
kirche mit allen, die sich hinein geflüchtet hatten, über diese
nachricht siehe oben.
6) U. war auf dem concil zu Constantinopel von 360. So-
crates und Sozomenus. ohne diese veranlassung würde kaum
die flllsehuDg gewagt sein, dass er dort von dem Nicaenum abfiel.
7) U. gieng 376 als gesandter der Goten zu Valens. Sozo-
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240 UNTERSUCHUNGEN ZUR GESCHICHTE ULFILAS
menus hat diese nachricht allein und zwar so, dass U. als bischet
der Tor den Hunnen flüchtenden Goten erscheint, das ist sicher
falsch, darüber unten.
Jordanis und Isidor von Sevilla.
Die kirchenhistoriker geben die nachrichten von U. bei ge-
legenheit des Gotenkriegs, um zu erklären, wie die Goten Ariaaer
wurden, Philostorgius im anscbluss an die gesandtschaft des U.
zur zeit Constantins des grofsen, Jordanis wird durch die Schick-
sale des Volkes darauf geführt, das aus der gemeinde des U. ent-
standen war. die stelle lautet De febus geticis c. 51 :
Erant siquidem et alii Gothi, gut dicuntur Minores, papulus
immenstis cum suo pontifice ipsoque primate Vülfila qui eis did'
tur et litteras instituisse, hodieque sunt in Moesia regianem incth
kntes Nicopolitanam ad pedes Emimonti gens muUa sed paupera
et itnbellis nihilque äbundans nisi armento diversi generis pecorum
et pascuis silvaque lignorum, parum Habens tritid caeterarum spe-
derum terras femndas, Vineas vero nee si sunt alibi certi eorum
cognoscent, ex vicinis locis sibi vinum negotiantes nam lacte aluntur
pUfique.
Bessell behauptet nun s. 64, zu Jordanis zeit hätten diese
Gothi Minares nicht mehr existiert, die worte hodie sunt in Moesia
seien auf die zeit der von Jordanis benutzten quelle (von 416)
zu beziehen. Jordanis habe diese worte aus seiner vorläge ge-
dankenlos übernommen, die stelle besage also nur, die G(^hx
Minores hatten um 416, nicht aber, sie hätten auch noch be-
standen als Jordanis schrieb, also um die mitte des 6jhs. er
begründet diese behauptung damit, dass Jordanis auch an anderen
stellen c. 6 und c. 11 das hodie seiner quellen beibehalte, auch
für diese stellen ist das teils falsch teils nicht aufser zweifei —
aber wäre es auch richtig, so läge darin noch kein beweis da-
für dass es auch hier so sein müsse. Bessell fühlt das selbst
und sucht deshalb auch direct zu beweisen dass zu Jordanis zeit
die Gothi Minores nicht mehr existierten. Procop gebe wenige
jähre nach Jordanis eine darstellung von den Wanderungen und
sitzen der Goten, ^und so sehr er sich bei den wenigen tetraxi-
tischen Goten auf der Krim aufhält, von einem immensen volke
der Goten in solcher nähe von Constantinopel weifs er nichts/
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UNTERSUCHUNGEN ZUR GESCHICHTE ULFILAS 241
die knft dieses beweises ruht namentlich auf dem gegensatz der
^wenigen' Goten der Krim, welche erwähnt werden, und dem
«immensen* volk der Gothi Minares, die nicht erw2ihnt werden.
dleiD die ^wenigen' Goten der Krim stellten 3000 krieger für
das romische heer, waren also keineswegs unbedeutend, und um-
gekehrt ist es sehr zweifelhaft, ob der populus immensua des Jor«*
danis so buchstäblich zu nehmen ist. dieser gegensatz ist also
zanächst zu streichen, und der beweis Bessells ruht nur noch auf
der behauptung, dass Procop an jener stelle die absieht verfolge,
einen vollständigen catalog aller Goten zu geben, das ist aber
kaum zu sagen und keinesfalls ist sein schweigen ein grund, die
poftitive angäbe des Jordanis zu verwerfen, dass die nachkommen
der mit U. geflohenen in den neuen Wohnsitzen zu einem volke
erwuchsen und noch 200 jähre später in der stillen weise lebten,
wie sie U. es gelehrt hatte. Bessells erörterung hat nicht ein-
mal die existenz der vorgeblichen quelle erwiesen, auf deren zeit
er das hodie des Jordanis deuten will, er behauptet dass Jordanis
seine nachrichten von der gotischen einwanderung bis zum frieden
der Romer mit Vallia 416 aus einer quelle schöpfe, die auch
des Orosius Adversus paganos libri vii zu gründe liege, und
die 416 — unmittelbar nach jenem frieden — verfasst sein
müsse, weil Orosius 417 schreibt« sein grund ist: 'bis auf wenige
puncte, die nur von speciellem interesse für gotische geschichte
sind, erzählt Jordanis aus jenem abschnitt nichts, was nicht auch
Orosius wenigstens andeutet, stets aber abweichend im ausdnick
und oft mit individuellen von Orosius nicht überlieferten zQgen.'
aus derselben quelle stamme auch Isidor Historia Gothorum era 416
(378 p. Chr.) Invenerunt autem eo proelio Gothi confessorea priare$
Goihos quo$ iudum propter fidem a terra sua expulerant et ch^*
luerunt eo$ tibi ad praedae societatem eonjungere. Qui cum non
adquiemsKnt aliqiumtie inSerfectis alii montuosa loca tenentes et
refugta $iln qualiacunque con^ruentes wm aolum perseveraoerunt
ckriitiani Catholici sed etiam ta concordia Romanorutn, a quibm
dudum excepti fuerant, permamerunt.
Isidor sagt also: die Goten des Fritigern fanden während
ihrer kämpfe gegen Valens südlich der Donau eine oder einige
gemdaden von Goten, die in früheren jähren den namen der be-
kenner erworben hatten, sie waren nämlich, weil sie Christen
geworden waren, von dem Gotenvolke vertrieben und zu den
Z. F. D. A. XXVII. N. F. XV. 17
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242 UNTERSUCHUNGEN ZUR GESCHICHTE ULFILAS
Römern geflüchtet, die Goten des Fritigern forderten sie auf,
sich ihnen anzuschliefsen. diese weigerten sich jedoch , und
nachdem einige von ihnen gefallen waren, besetzten- sie eine
gebirgige gegend und erbauten sich Zufluchtsorte, wo sie ihren
katholischen glauben und ihre treue gegen die Römer be-
wahrten.
Bessell folgt Waitz in der annähme, dass diese Gothi Con-
fesMres die Gothi Minores des Jordanis seien, und behauptet
weiter dass Isidor seine angäbe aus derselben quelle — der an-
geblichen Schrift von 416 — und zwar aus demselben abschniu
dieser quelle genommen habe, aus der Jordanis schöpfte (s. 65).
die stelle habe in der vorläge so gelautet: Erant iiquidm ä
(Hii Gothi, qui dieutUur Minores, fopulus immentus, cum 9uo pen-
tifice efusque primate Yulfila, qui eis dieitur et literas instituisse.
Voluerunt eos sibi ad praedae sodetatem conjungere. Qui cum
non adquietnswU . . . fermanserunt , hodieque sunt in Moesia
regionem incolentes Nicopolitanam.
Also hatte Jordanis den anfang und den schluss der quelle
genommen und das mittelstück Voluerunt — permanserunt weg-
gelassen. Isidor hätte anfang und schluss weggelassen und nur
das mittelstück behalten und ihm in den Worten invenerunt —
expulerunt einen anfang gegeben, zufällig hätte aber keiner ein
wort behalten, das der andere nahm, zufällig hätte aber jeder
dem Volke einen anderen namen gegeben: Jordanis Gothi Mi-
nores, Isidor Gothi Confessores. dieser process ist so seltsam,
dass man die ansieht, welche durch ihn begründet werden soll,
wird fallen lassen müssen, wenn nicht unwidersprechliche gründe
ihre annähme erzwingen, aber davon hat Bessell keinen einzigen
beigebracht, es häufen sich vielmehr die Schwierigkeiten, die
GoAi Confessores des Isidor sind katholiken, die Gothi Minores des
Jordanis sind Arianer. es gab katholische Goten und 370 waren
viele derselben vor der Verfolgung des Athanarich über die Donau
getrieben, leicht kann sich hielt eine schar derselben ähnlich
wie die Goten des U. als eine eigene gemeinde oder ein kleines
Volk eingerichtet haben, solche abzweigungen waren gar nicht
selten, nun kommt noch hinzu dass Orosius, der ebenfalls aus
dieser vorläge geschöpft haben soll, von alledem nichts behalten
hat. er kennt nicht einmal den namen des U. die anklänge,
welche Jordanis und Isidor an Orosius zeigen, erklären sich viel-
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UNTERSUCHUNGEN ZUR GESCHICHTE ULFILAS 243
mehr einfach daraus, dass beide den Orosius benutzten, worüber
ja so wie so kein zweifei besteht, i
Noch eins ist zu beachten. Bessell niornit an dass U. der
geistliche war, der 376 dem Fri tigern als Unterhändler diente
(s. 63). wie ist das zu vereinigen mit dieser annähme, dass die
von Fritigern bekämpften Gotht Confessores das volk des U. ge-
wesen seien ? es handelt sich hier nicht darum , allen möglich-
keiten nachzugehen, aber deutlich ist doch dass die hypothesen
Bessells die Schwierigkeiten nur vermehren, man hat also die an-
gäbe des Jordanis tlber die Gothi Minores von der angäbe des Isidor
Aber die Gothi Confessores gesondert zu benutzen. Isidors an-
gaben sind dürftig und angeknüpft an berichte über die bekehrung
der Goten, die teils aus den kirchenhistorikern, teils aus Orosius
geDommen sind, trotzdem haben sie in gewisser beziehung einen
selbständigen wert. Isidor erlebte den Übergang der gotischen
kirehe zum katholischen bekenntnis und hatte dcishalb vielfach
Veranlassung gehabt, sich mit der lehre und den Schriften der
Goten bekannt zu machen, deshalb kann man annehmen dass
seine angaben über die lehre sowie auch über die erfindung der
scbrift und die bibelübersetzung des U. auf selbständiger kenntnis
beruhen, in diesem falle hätten wir also vier von einander un-
abhängige Zeugnisse dafür: 1) Philostorgius, 2) Socrates und So-
zomenus, 3) Jordanis, 4) Isidor.
Isidor schreibt den namen Gulfllas und Gilfilas. diese formen
weisen zurück auf die form Vulfila, welche Jordanis und Cas-
siodor (in der Historia triperlita, wo er Socrates usw. übersetzt
resp. auszieht) bieten, indessen bewahrt er doch den namen nicht
unverändert, er bezeugt nur dass der name Vulfila (später Gul-
fUa) bei den Goten begegnete, nicht aber die genaue form, in
welcher der alte bischof den namen geführt hatte, die Griechen
(Socrates, Sozomenus, Theodoret) schreiben Ovlq>ilag oder Ovq-
^ nor darüber geben die meinungen noch ans einander, ob Jordanis
deo Orosius direct oder nur durch vermittelung des Gassiodor benutzte, doch
ist wol jetzt die fiberwiegende ansieht dass Orosius zu den quellen gehört,
vdebe Jordanis neben Gassiodor benutzte, indessen möchte ich nicht so
weit gehen wie Mom rasen in der vorrede seiner ausgäbe (Monumenta Ger-
maniae), der da sagt dass Gassiodor deu Orosius zu benutzen verschmäht
habe, die Vermischung von Ammian 31, 3 mit angaben aus Orosius im
capitel25 und 26 des Jordanis scheint mir nicht von Jordanis, sondern be-
reits TOD Gassiodor herzurühren.
17*
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244 UNTERSUCHUNGEN ZUR GESCHICHTE ULFILAS
q)i)Lag (Philostorgius), allein da sie das V durch Ov geben und
hier also Ovov hätten schreiben müssen, so kann man kaum
sagen dass ihr zeugnis gegen die form Vulfila ins gewicht falle.
iron grOster hedeutung ist dagegen dass Auxentius Ul/Ua und
nicht Vulfila schreibt, die Goten hatten beide formen für diesen
namen. AFick schreibt mir darüber: ^der alte Gotenbischof hiefs,
wie ich glaube, Ulfila und Vulfila ist eine jüngere form dieses
namens, dass derselbe koseform zu einem wolfnamen ist liegt ja
auf der band, nun aber kommt das namenwort Wolf sowol im
ersten, wie im zweiten teile von namen vor (Wolf gang — Gfan-
golf), und zwar ist es, wie Du Forstemann Altdeutsches namen-
buch I 1340 sehen kannst, viel häufiger im zweiten teile, hier
aber lautet es von jeher nicht wolf sondern ulf wie zb. im got.
Apa-ulf Adolf, die koseform auf l von einem solchen auf ulf
schliefsenden vollnamen lautete naturgemäfs ursprünglich Vlfik
und nicht Wolfila; die letztere form geborte zu namen, welche
mit Wolf' anfiengen. später erst ist die form mit W auch fflr
die koseformen von namen auf -ulf üblich geworden , ?ermut-
lieh, um den Wolf nicht zu verdunkeln.' es gab also beide
formen des namens bei den Goten und der häuptling Eri-vlf
bietet für die zeit des Ulfila gleich ein beispiel für die hier er-
forderliche, in diesem falle ist das zeugnis des Jordanis-Cas-
siodor nicht so schwerwiegend dafür, dass der bischof, der zwei-
hundert jähre vor ihnen lebte, in seinem namen die form Vulfila
gehabt habe. Auxentius ist für eine solche frage ein ungleich
stärkerer zeuge, er muste wissen, wie sein meister und lehrer
sich nannte, er konnte vor allem in seinem testamente Ego ölflA
semper sie credidi den namen nicht verändern, auch lag keine
veranlassung dazu vor. Auxentius schrieb lateinisch upd es war
ihm die form Vulfila ebenso leicht wie ülfikt. unter diesen um-
ständen ist daran festzuhalten dass der bischof der Goten sich
Ulfila genannt hat und nicht Vulfila.
Autoren, welche den Ulfila nicht erwähnen.
Bemerkenswert ist dass die Acta SSabae den U. nicht nenneo,
und dass er auch in den Schriften und briefen der grofsen kirchen-
väter jener zeit niemals erwähnt wird, es ist das ein indirectes
Zeugnis dafür dass U. nicht katholik war. auch die ausführlicheren
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UNTERSUCHUNGEN ZUR GESCHICHTE ULPILAS 245
geschichtswerke der zeit, die des Anunianus Marcellinus, Euna-
pias und Zosimus berichten von U. nichts, eine stelle des Am-
mianus hat man freilich auf U. gedeutet, aber es ist unwahr-
scbeinlich dass dies berechtigt ist. Ammian erzahlt nämlich, vor
der Schlacht bei Adrianopel sei ein presbyter als gesandter des
Fritigern zu Valens gekommen und habe den frieden zu ver-
mitteln gesucht, dies hat man combiniert mit der angäbe des
Sozomenus, U. sei 376 als gesandter der vor den Hunnen flüchten-
dea Goten zu Valens geschickt worden, um land im Süden der Donau
zu erbitten, diese gesandtschaft bildet das entscheidende glied in
der sage des Sozomenus von dem katholicismus der Goten und des
U. bis 376; es ist unbrauchbar, man kann also aus dieser an-
geblichen gesandtschaft U.s von 376 keinen schluss ziehen dass
der von Ammian erwähnte presbyter vielleicht widerum U. ge-
wesen sei. indessen haben auch so mehrere forscher den versuch
gemacht, die stelle Aromians auf U. zu beziehen, er scheint ja
wie kein anderer geeignet zu sein als friedensvermittler zwischen
dea Goten und dem kaiser aufzutreten, dem steht entgegen dass
der geistliche des Ammian presbyter heifst, U. aber bischof war.
aoD kommt es allerdings im 4 jh. wol noch vor dass die beiden
würden nicht so scharf geschieden wurden, und Waitz ist der
ffleinung dass in dieser stelle Ammians unter dem ehristiani ritus
fr^Aj/ter lU ipsi appeüasit auch ein bischof verstanden werden
kOnne. ^beim Maximin werden die bischofe noch prepositi ge-
nannt.' Bessell stimmt ihm bei s. 58 und KraQl Anfänge der
christlichen kirche bei den germanischen Völkern i 229 urteilt
ebenso, indem er behauptet, bischof und presbyter sei bei den
Goten dasselbe gewesen. Richter Das weströmische reich s. 689
noCe 27 protestiert dagegen, die Goten überkamen alle kirchlichen
warden und benennungen von den Römern, und es ist auch nicht
nachzuweisen dass die Goten eine andere kirchenverfassung hatten
als die Römer, wo von U. die rede ist, heifst er stets bischof,
nie presbyter. auch kann man nicht sagen dass Ammian hier
vielleicht ungenau schreibe und nur allgemein den geistlichen be-
zeichne, der ausdruck ckrütiani titus presbyter ut ipsi appeUant
beweist dass der gesandte gerade unter diesem titel auftrat, das
ist nicht wahrscheinlich bei U, wenn man aber trotz alledem
diese Schwierigkeit gering achten will, so würde damit erst die
mOglichkeit gewonnen dass U. jener priester war, keinerlei posi-
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246 UNTERSUCHUNGEN ZUR GESCHICHTE ULFILAS
tive aussage darüber oder wahrscbeinlicbkeit dafür, will man
sieb auf vermutUDgeD einlassen, so kann man ebenso wol sagen,
es ist nicbt wahrscheinlicb dass Ammian den U. so voUsUlndig
mit stillschweigen übergangen halte, wenn ihn der gang seiner
erzäblong so unmittelbar auf ihn geführt hatte.
Die Verhältnisse, unter denen Ulfila würkte.
Im jähre 270 überliefs Aurelian die provinz Dacien, welche
das heutige Siebenbürgen und Rumänien umfasste, an die West-
goten, die besatzungen wurden aus den festungen gezogen, die
bewohner veranlasst, über die Donau zu ziehen, und südlich der
Donau wurde eine neue provinz Dacien eingerichtet und mit den
flüchtlingen besiedelt, die Donau bildete fortan vom eisernen
tor bis an ihren ausfluss die grenze des reichs gegen die Goten,
die alte provinz Dacia hiefs jelzt Gothia, FeTixi^ (Philost), oder
auch Barharicum (Ammian 27, 5) , Gotenland , barbarenland , und
bildete einen teil des grofsen Gotenlandes, das noch weit nach
Osten reichte, das land südlich der Donau hiefs Romania (Ana-
mian, Acta Sabae). die Goten lebten daselbst etwa 100 jähre,
von den Römern immer als unruhige nachbarn angesehen, und
meistens nur durch ^geschenke' in ruhe gehalten, welche die
kaiser an die häuptlinge machten, oder dadurch, dass man grofsere
scharen von ihnen in sold nahm, als kaiser Valens 369 mit den
Goten einen vertrag abschloss, ohne 'häufen von gold und schiffe
voll kleider' als 'geschenke' zu verteilen, da wurde dies als ein
besonderer triumph gepriesen, ^v ov &iafia tdeiv aniavw —
didopvag tjIjv elQi^vtjv 'PiOfzalovg ovk tovovfiivovg sagte der
redner Themistius x 134. von zeit zu zeit bedurfte es aber
aufserdem grOfserer feldzüge, um die barbaren wider daran zu
erinnern dass die machtmittel des reichs ihnen doch immer noch
überlegen seien, das zeigte sich auch , sobald nur ein kaiser
zeit und kraft genug hatte, diese machtmittel in bewegung zu
setzen, andererseits leisteten die Goten den kaisern zu wider-
holten malen und in grofsen massen zuzug. mit Constantin dem
grofsen, der anfangs schwer gegen sie zu kämpfen hatte und ihr
land vorübergehend wider unterwarf, schlössen sie dann einen
dauernden dienstvertrag ab und wurden foederati des reichs. sie
sollen ihm 40000 mann gestellt haben, die ihm im felde und bei
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ONTERSUCHUNGEN ZUR GESCHICHTE ÜLFiLAS 247
dem bau der hauptstadi Constantinopel erhebliche dienste leisteten,
vide Goten lebten so eine zeit lang in Constantinopel, und diese
Stadt galt ihnen allen als der inbegriff menschlicher gröfse und
herlichkeit. als deshalb kaiscr Constantin einen einflussreichen
bäuptliog Tersöhnen wollte, da Uers er ihm in Constantinopel
DDweit des senatsgebaudes ein reiterstandbild aufrichten, The-
mistius X? 190. die bewachung der grenze stützte sich auf die
Dooaufestungen Troesmis in der Dobrudscha, Dorostorum (Si-
listria), Ratiaria ua., hinter denen dann noch am fufse des Balkan
eiae zweite reihe lag wie Marcianopolis und (das alte) Nicopolis.
die beste schutzwehr bildete jedoch der gewaltige ström selbst,
mit leichter mühe hinderte die römische flotte jede überfahrt,
anders war es im winter. wurde die eisdecke der Donau dick
genug, um zu tragen, so zitterten die ROmer. noch schlimmer
war dass die befeblshaber der grenztruppen ihre {)flicht vernach-
lässigten, einen teil der mannschaft führten sie nur auf dem
papier und die flotte verfiel. Themistius sagte damals in Öffent-
licher rede rovg fikv atgariiorag ov fiovov ävoftXovg aXXd xai
aiitiapag %ovg noXXovg . . . q>QOVQaQ%ag di xai ra^iaQx^S
(ßnOQovg fxäXXov xai twv avdqanodiav xartrjhivg (x 136).
flicht selten trafen sie gar abrede mit den raubscharen, dass sie
ihnen einen teil der beute überliefsen und dafür frei passierten,
die furchtbarsten strafen drohten den schuldigen, in einem ge-
sell von 323 (Codex Theodos. 1, vii de re milüari) droht Constantin
9i qui$ barbaris sederata faetione facuUatem depraedationis in Ro-
manot dederit — vivus amburatur. aber bei der allgemeinen cor-
nipüon deckte sich der rücksichtslose schurke leichter als der
ehrenmann. der verkehr war auch im frieden an bestimmte Zeiten
und Vorschriften gebunden, kaiser Valens beschränkte ihn 369 — 78
auf einige wenige grenzplfltze.
Nach Constantins tode lockerte sich die Verbindung der Goten
mit dem reich wider, und Julian dachte daran, gegen sie zu
ziehen, zu einem grOfseren kriege kam es jedoch erst 366 — 69,
ab die Goten den prätendenten Procop gegen den kaiser Valens
unterstützten, an der spitze der Goten stand damals Athanarich,
der söhn jenes hfluptlings, den Constantin durch das reiterstand-
bild geehrt hatte. ^ Athanarich war nicht kOnig der Goten, er
^ ov TOT narif^ o nafifuyd&rjs KafPirravTlvos eixov* &nefieiXiffffero
ThemUtias xv 190.
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248 UNTERSUCHUNGEN ZUR GESCHICHTE ULHLAS
lehnte diesen titel ab, als ihn die ROmer bei den TerhandlungeD
mit demselben ehren wollten: Themistius x 134 Ti^y %ov ßaai-
li wg enwvvfilav ctTta^ioly ttjv rov dixaatov de ayan^A er
führte den titel ^ricbter^. die Westgoten hatten damals wie einst
die Cherusker zu Armins zeit zahlreiche hauptlinge, welche von
den Römern mit den manigfaltigsten namen benannt werden:
optimates, magnates, principes Ammian 31, 15 und 7, reges ib. 31, 6
und 26, 10, dvvaavai, q)v).i!iv fiyefioveg Eunapius, iieyunS»^
Acta Sabae; ßaoiXiaxog Acta Sabae usw.
Jede schar konnte für sich krieg fahren, frieden schliefsen,
die Christen dulden oder verfolgen, im allgemeinen galt noch
der Satz in paee miüus eammunis magistratns, aber um 365 hatte
Athanarich doch die leitung eines gröfseren teiles des voIkes:
%bv ix^vta %i}y vftig tov tatQoy Sxv&dv inixQoteiay nennt
ihn Zosimus iv7, und er war im stände dem Procopius 10000 mann
zur hilfe zu senden, uns erscheint er in der Stellung eines kOnigs
der Goten, und er war auch das haupt des königlichen geschlechts
(Zosimus IV 34 *A9avaQtxov navtog tov ßaaileiov %wv Iw-
^üiv aQxovra yivovg), aber er führte diesen titel nicht, und es
müssen seiner Stellung deshalb einige merkmale gefehlt haben,
welche den Deutschen für das königtum characteristisch waren.
er heifst auch einmal 6 raiy ^Kv^uiv ^yovfAevogf der führer der
Goten, und es liegt nahe, dies mit herzog zu übersetzen, allein
er war nicht blofs der herzog jenes kriegs, er hatte jene leitende
Stellung bereits im frieden, so scheint er die Stellung inne zu
haben, die Tacitus als princeps dmtaiis bezeichnet, und von der
wir wol deshalb kein weiteres beispiel haben, weil in der regel
von diesen Staaten nur die rede ist, wenn sie krieg führen, un-
bestimmt ist, ob jemals alle Westgoten ihm unterstanden, es
gibt stellen, die man so auslegen kann, aber es ist keineswegs
sicher, ob diese stellen eine so genaue Interpretation vertragen
und nicht vielmehr nur einen allgemeineren ausdruck gebrauchen.
^ aus inaSioJ folgert vSybet Entstehung des deutschen königtnms
B. 110' dass Athanarich zur fahrung des titeis berechtigt war nod ihn nur
nicht lieble, allein das heifst die worte des Themistius pressen» nnd sie
sind gewählt in folge der rhetorischen betrachtungen des Themistius. Sybel
sucht in der stelle einen beleg für die ansieht, dass die Germanen keine
unterscheidenden merkmale hatten, welche den könig von dem biuptlio^
schieden, die Römer waren darin leicht ungenau, die Germanen lunoitn
den unterschied.
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UNTERSl]CHU^GEN ZUR GESCHICHTE ULFILAS 249
Um 370 stand ihm mindestens ein bfluptling von ähnlicher
macht gegenüber, Fritigern, und dessen Stellung erscheint nicht
etwa als die eines rehellen, ferner, die Römer waren gewöhnt,
immer nur mit einzelnen teilen des Volkes zu tun zu haben,
'das ganze volk der Goten will sich verbünden' gentem Gothomm
wn^irare in unum Ammian 26, 6 : dies wurde als eine besonders
bedrohliche nachricht angesehen, in dem kriege gegen Valens
366^369, der sich daraus entspann dass Valens die Goten, welche
Athanarich dem Procop zu hilfe geschickt hatte, gefangen hielt, trat
Ätbanarich bedeutend hervor und hatte, wenn nicht das ganze,
so doch den gröfseren teil des volkes hinter sich, die Römer
behaupteten im felde die Überlegenheit — aber die Goten wichen
weiter und weiter zurück, ihre Wirtschaft war noch sehr roh.
es gab zwar schon unterschiede des Vermögens ^ und der be-
sitzende hatte gegen den besitzlosen schon ganz den rücksichts-
losen bauernstolz. *ein solcher kerl kann weder nützen noch
schaden' sagte der hauptling, als er hörte dass der heilige Saba
aiehts besitze, aber ihre Verhältnisse waren doch noch sehr ein-
fach, und wenn sie ihre herden flüchteten, so liefsen sie dem
feinde wenig zurück, was er vernichten konnte, ihre Wohnungen
waren rohe holten, vielfach noch zelte, sogar die kirchen der
lum Christentum übergetretenen Goten waren zelte oder doch
teilweise: Hieronymus nennt sie so, und Sozomenus n 37 inl
%r;p axi)vrjv — rijg h^ade hxhjaiag. die Wohnungen der
christlichen Goten nennt er ebenfalls axTjvij. so fühlte denn
auch kaiser Valens das bedttrfnis nach frieden lebhafter als es
die Goten fühlten, und ihr führer Athanarich nutzte diese gunst
der läge so aus, dass die Römer ihm ihre bewunderung nicht
versagten.^ zunächst weigerte er sich, zu der Verhandlung auf
das römische gebiet binttberzukommen. er habe seinem vater
einen feierlichen eid geleistet, niemals auf das römische ufer
hinüberzugehen, und er könne also nicht kommen. Ammian 27, 5
oiterdHü AihoMricus suh timenda exsecratione jurisjurandi se esse
obsirieium mandatisque prohibitum patris, ne solum cakaret aH-
q»umd0 Romanarum. tatsächlich betrachtete man es als eine ehren-
sache, bei diesen Verhandlungen auf seinem gebiete zu bleiben,
^ X^^^oTA oud nlfifAoxa (xrrjftara?) steht Acta Sabae § 2 für gut
aad geld, aber offenbar sprichwörtlich.
' Themiat. z ovSi äüntf^ yXtortti ßa^ßaQov ovro» xai j^ diavoiq.
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250 UNTERSUCHUNGEN ZUR GESCHICHTE ULFU.AS
und zuletzt einigte man sich dahin dass kaiser Valens und Atba-
narich einander in die mitte des Stromes entgegenfuhren, währeod
sich die scharen der Goten am linken ufer drängten und das
römische heer auf dem rechten aufgestellt war.
Es war ein heifser sommertag, und vom frühen morgen bis
zum abend dauerte diese merkwürdige Unterhandlung (Themistius
X 134*). sie brachte den frieden, aber keine dauernde rohe,
unter, den Goten brach ein zwist aus zwischen Athanarich und
einem anderen hervorragenden hfluptling namens Fritigern. Fri-
tigern unterlag und wurde auf römisches gebiet gedrängt, die
Römer benutzten diese gelegenheit, um die Goten zu schwacbeo,
und gewährten dem Fritigern eine so ausreichende Unterstützung,
dass er über die Donau zurückkehren und sich neben Athanarich
behaupten konnte, doch waren diese beiden keineswegs die
einzigen, sondern nur die hervorragenden; neben ihnen, teil-
weise wol auch unter ihnen standen dann noch viele andere baupt-
linge, von denen uns auch manche namen erhalten sind wie
Atharid, Jungerich, Alaviv, Eriulf, Fravitta. als aber 376 die
Hunnen auf die Westgoten heranstürmten, da wurde Athanarich
zum führer oder herzog des ganzen volkes gewählt, an rühm
und einfluss war er also wol auch vorher der erste gebliebeo.
seine Stellung war jedoch nicht von dauer. als er geschlagen
wurde, folgte die masse des volkes dem Fritigern und Alaviv,
liefs sich von ihnen an die Donau führen und bat den kaiser
um die erlaubnis den ström zu überschreiten, es geschah dies
auf beschluss des volkes resp. der grofsen, nicht auf befehl eines
königs oder herzogs.^
Nur ein kleinerer teil folgte dem Athanarich, der sich in
das hochland Siebenbürgen warf und sich hier auch gegen die
Hunnen hielt, er nahm deshalb nicht teil an den grofsen schick-
salen, welche Fritigern mit der masse des volkes in den jähren
376 — 380 erlebte, vielmehr wandten sich die siegreichen Volks-
genossen zuletzt auch gegen ihn (Forschungen z. d. gesch. xii 41 1).
Im jähre 380 gieng ein teil derselben — ob unter Fritigerns
fflhrung wird nicht gesagt — über die Donau zurück und ver-
trieb den Athanarich aus seinen sitzen, die Hunnen hinderten
sie nicht, entweder hatten sie das land noch nicht besetzt oder
* Ammian 31,4 Populi pars major quae Athanarieum attenuata neces&m'
riarum penuria deseruerat. . . diu deliberant quat eligeret 9»de9 eogitaviL . • .
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UNTERSUCHUNGEN ZUR GESCHICHTE ULFILAS 251
der bezügliche schwärm verband sich auch wol mit den angreifem.
dergleichen kam in diesen kämpfen vielfach vor. Athanarichs
anhaog wurde ganz zersprengt, es blieb ihm nichts als sein ge-
folge. da suchte er eine Zuflucht bei dem kaiser, dessen feinde
ouD auch die seinen waren. Theodosius erklärte sich nicht nur
bereit, ihn aufzunehmen, sondern empfieng ihn auch mit einem
glaDze, als wäre Athanarich der kOnig der Goten und nicht ein
flOchÜing. die späteren darstellungen dSs Jordanis und Isidor
machen deshalb den Athanarich auch zu dem künige der Goten.
Dach Jordanis wäre er nachfolger des Fritigern, also kOnig seit
c. 380, nach Isidor könig seit 369. beide angaben sind wert-
los. Jordanis schreibt c. 28:
^Während der krankbeit des Theodosius schloss Gratian
frieden und bündnis mit den Goten. Theodosius erfuhr dies
bei seiner genesung, war sehr erfreut dartlber, gab dem vertrage
seine Zustimmung und lud den könig Athanarich, der dem Fri-
tigern (als könig) gefolgt war, zu einem besuche nach Con-
stantinopel ein. Athanarich kam, bewunderte die herliche Stadt
und verweilte daselbst einige monate, bis er plötzlich starb, da
veranstaltete ihm Theodosius ein glänzendes leichenbegängnis. sein
beer verharrte im gehorsam des kaisers und bildete wie zur zeit
CoDStantins des grofsen eine abteilung des römischen heeres.*
diese darstellung verstöfst gegen tatsachen, die unbezweifelt sind.
1} Athanarich war nicht einige monate in Constantinopel,
sondern er kam am 11 Januar 381 an und starb bereits am
25 Januar. Fasti Idatio adscripti s. a. 381.
2) auch vor dem Übergang der Goten über die Donau, als
er tatsächlich an der spitze des ganzen Gotenvolkes stand oder
doch des mafsgebenden teiles, war Athanarich seiner eigenen aus-
sage nach nicht könig der Goten, seit 376 hatte er dann auch
tatsächlich nicht mehr die leitung des Volkes, geschweige dass
er könig der Westgoten gewesen wäre, auch Fritigern war nicht
könig der Goten, sondern ein häuptling und zeitweise herzog der
ganzen masse. die worte des Jordanis: Athanaricum regem, qui
tune Früigemo tuccesserat sind nichts als ein product des be-
slrebens, eine königsreihe herzustellen.
3) Athanarich kam nicht auf besuch nach Constantinopel,
sondern er kam als flüchüing, Ixhrjg. er kam auch nicht auf
grund von Gratians mit den Goten abgeschlossenen und durch
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252 UNTERSUCHUNGEN ZUR GESCHICHTE ULFILAS
Theodo8ius besUHigten vertragen ^ sondern er wandte sieb mit
bitten an Tbeodosius, kam nach Constantinopel und schloss hier
einen vertrag für sein gefolge ab.' die masse der Goten blieb
nocb fast zwei jähre lang im kriegszustand mit Theodosius.
* dass Gratian w&hrend der krankheit des Tbeodoaias mit den Gotea
vertrage acbloss, sagt auch Prosper: proeurarUe GraUano, quod Theodonut
aegroUtret, pax firmatur cum Gothü, gibt jedocb irrtümlich erst 38t an.
welchen iDhalt diese vertrage battcD, ist nicht bekannt, sicher aber ist dssi
Atbanarich später für sich abschloss und dass die hanptmasse der Goten
erst october 382 befriedet warde.
' Dahn Könige der Germanen v t7 ff gibt eine grofse, aber ganz un-
geordnete und falsch interpretierte masse von citateo. er ereifert sich darüber
dass man auf die worte des Jordanis c. 28 qui tutie Fridigemo sueeeuttüi
kein gewicht legt, aber er hat auch nicht einmal den versuch gemacht,
gründe beizubringen, welche uns bewegen könnten, die angaben der Zeit-
genossen Themistius und Ammian zu verwerfen und dem Jordanis zu
folgen, der die ganze frühere geschichte des Alhanarich nicht kennt und,
abgesehen von der anecdoten haften ausführung des empfangt, auch über
diesen aufenlhalt in Constantinopel nur summarisch und ungenau berichtet,
er citiert zum beweise auch dass Ambrosius De spiritu sancto den Atba-
narich judicem regum nenne und übersetzt das: 'oberrichter über den
einzelnen königen*. von dieser unbekannten würde sehe ich ab, sicher ist
aber dass Ambrosius damit die machtstellung bezeichnen will, welche Atba-
narich früher einmal gehabt hatte, ausdrucklich sagt er das« er damals bei
seiner ankunft in Constantinopel machtlos war: hottem ipsumjudieem rtgum
quem semper timere eansueverat (der kaiser), deditum videt, suppiieem
recipit, morientem obruit, sepultum potsidel, weiter citiert Dahn die stelle
des Orosius universae gentcM Gotkorum romano imperio ie tradidemni so,
als sei diese traditio der universae gentes durch Atbanarich bewürkt. aber
diese stelle geht auf die Fasten ad 382 zurück und beweist gerade dass
die universae gentes sich erst l'/4 jähr nach Athanarichs tode ergaben,
endlich beruft er sich s. 19 note 3 auf Zosimus iv 34. dieser sage aus-
drücklich, nicht nur für seine begleiter (daoi a/ia xqf tc>Uvt^ik»^c na^e-
ysvavTo), sondern für alle (anayrss) erfolgte der friede (dh. der von
Atbanarich geschlossene vertrag) mit Byzanz. das wort anapxes steht
allerdings bei Zosimus, aber es steht nicht da dass diese aneiwes in dem
vertrag des Atbanarich einbegriffen waren, sondern' das gegenteil. auf xavi
ßa^ßa^ovs anavras machte das grofsartige begräbnis, durch welches Theo-
dosius den Atbanarich ehrte, einen so starken eindruck (MaraTfhjyiyras),
dass sie von den angriffen auf die Römer abliefsen und sich zurückzogen,
ausdrücklich sagt Zosimus dass damals nur die begleiter oder das gefolge
des Atbanarich in den römischen dienst traten, ftera x»v ^vv av%<p fte^
ßa^fov und oVo« ik a/ia rta reXsvrriaavTi na(>eyivovxo sind die ausdröeke.
Socrates sagt dafür oixsXov TtXrj&os. sogar diese stelle citiert Dahn für sieb,
während doch deutlich ist dass damit eine kleine, dem Atbanarich naher
verbundene schar im gegensatz zu dem volke gemeint ist
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UNTERSUCHUNGEN ZUR GESCHICHTE ULFILAS 253
Mit Jordanis ist Isidorus von Sevilla zu vergleichen, nach
der Historia Gothorum war Athanarich der erste kOnig der West-
goten — wahrend ihn Jordanis zum nachfolger des Fritigern
macht er schloss mit Theodosius einen freundschaftsvertrag und
begab sich nach Constantinopel. er ward hier von dem kaiser
ehrenvoll aufgenommen , starb aber am 15 tage nach seiner an-
kuaft da nun ihr eigener kOnig gestorben war, so schlössen
die Goten einen vertrag mit Theodosius, weil sie sahen dass er
gütig war, unterwarfen sich dem reich und verharrten in dieser
Stellung 28 jähre. Isidor unterscheidet also den vertrag, durch
welchen Athanarich seinen frieden mit Theodosius machte, und
den vertrag, durch welchen das ganze volk der Goten in das
foederatverhaltnis trat, aber er weifs nicht dass die masse der
Goten 376 den Athanarich verlassen und all die grofsen kämpfe
mit den Römern ohne ihn bestanden hatte, er beginnt mit Atha-
aaricb seine reihe der westgotischen kOnige und lässt ihn von
369—381 über die Goten regieren, der Widerspruch, der dann
darin liegt, dass Athanarichs vertrag mit Theodosius nicht zugleich
ein vertrag der Goten mit Theodosius war, dass diese vielmehr erst
nachher selbständig einen vertrag schlössen, stört ihn nicht. Jor-
danis verfährt consequenter, indem er die Goten in dem vertrage
nor verharren lässt.
Die grundlage dieser darstellungen bilden angaben, die in
den Fasti Idatio adscripti und in der chronik Marcellins erhalten
sind. 381 Fasti Id. Bis coss, ingressus est Athanarieus Can-
ftantinopolim die iii Idm Januar. Eodem mense diem functus idetn
Athafunicus viii Kai. Februar. 382 Ipso anno universa gens Go-
thorum cum rege suo m Romaniam se tradiderunt die v Non.
Oaohr. Marcellin zu diesem jähre: universa gens Gothorum Atha-
nan'co rege suo defuncto Romano imperio se dedit. Mense Octobr.
Nun gehen aber die beiden Chroniken auf eine gemeinsame
vorläge zurück, deren nachrichten bald in den Fasti Idatio adscr.,
bald in dem Chronicon paschale, bald bei Marcellin oder Orosius
besser erhalten sind, die Fasti Idatio adscr. bewahren 381 die
genauen daten, die dem Marcellin fehlen, aber zu 382 haben sie
ein Verderbnis, indem sie schreiben universa gens Gothorum cum
rege suo. unter dem rex ist ohne zweifei Athanarich zu ver-
stehen, dessen tod bereits 381 gemeldet ist. deshalb muss statt
cum rege suo in den ursprünglichen Fasten rege suo defuncto ge-
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254 UNTERSUCHUNGEN ZUR GESCHICHTE ULFILAS
standen haben, wie Orosius und Marcellin lesen, die Ver-
derbnis zeigt dass Orosius und Harcellin nicbt aus den Fasti
Idatiani sondern aus der vorläge derselben schöpften, was auch
die vergleichung der übrigen gemeinsamen nachricbten bestätigt
andererseits zeigt die erwahnung des monats bei Marcellin, welche
Orosius fehlt, dass er auch an dieser stelle nicht blofs den Orosius
benutzte sondern die alten Fasten selbst, wir haben also drei
zeugen, dass die alten Fasten den vertrag, durch welchen die
Goten foederate des römischen reichs wurden, erst in die zeit
nach dem tode des Athanarich legten und zwar 1^/4 jähre nach
dem tode desselben, october 382. auffallend ist dabei dass diese
Fasten — wie widerum alle drei ableitungen bezeugen — dem
Athanarich den titel könig der Goten geben, dieser titel kam
ihm damals noch weit weniger zu als im jähre 369, wo Atha-
narich ausdrücklich versicherte dass ihm dieser titel nicht ge-
büre. auch nennen ihn die Zeitgenossen Ammian und The-
mistius, sowie Zosimus und Socrates nicht so. die benennung
in den Fasten ist ofTenbar eine folge von dem glänzenden empfange
und dem königlichen begräbnisse des Athanarich. die Römer ge-
brauchten den titel leicht von hervorragenden häuptlingen.
Noch bemerkenswerter würde diese benennung in den Fasl^
sein, wenn es richtig wäre dass jene Fasten einen amtlichen
character halten, dann würde man darin noch einen rest der
mafsregeln sehen können, durch welche Theodosius den flücht-
ling ehrte, doch tragen die Fasten den amtlichen character
nicht. ^ sie sind durch compilation verschiedener gleichzeitiger
^ Pallmann Geschichte der Völkerwanderung 11 213 ff hatte diese Fasten
für oströmische reichsannalen erklart, dies habe ich zu widerlegen versucht
im Philologns 34, 235—295 Die Fasten der spateren kaiserzeit (auch separat
erschienen als festschrift zu ehren von Georg Waitz 1875), sodann in fort-
Setzungen ib. 386—413 und 729—739. neuerdings hat Holder-Egger die an-
sieht Pallmanns unter anderem namen wider aufgenommen, Neues archiv
1 13—120. 215—368. u 47— 111. die gemeinsame vorläge der Fasti Idatio
adscripti, des Ghronicon paschale und des Marcellin sei amtlichen Ursprungs,
allein nur so viel lässt sich sagen, dass diese vorläge in Gonstantinopel
entstanden ist. amtlichen Ursprung kann sie nicht haben, dazu ist sie
schon viel zu dörfUg und die consulliste zeigt auch die von dem Usurpator
Maxentius ernannten consuln. eine hauptstQtze sucht Holder -Egger fQr
seine ansieht an der behauptung, dass auch die Ravennater fasten amtlichen
Ursprungs seien, er gibt dann eine reconstruction dieser amtlichen Raven-
nater fasten von 379—572, aber nur für den abschnitt 455—493 haben wir
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UNTERSUCHUNGEN ZUR GESCHICHTE ULFILAS 255
privataufzeichnuDgen entstanden, immerhin aber bleibt diese be-
Zeichnung Athanarichs in den Fasten ein wichtiges zeugnis für
den eindruck, den die behandlung des Athanarich auf die Stadt
Constanlinopel machte, es lassen sich viele gründe denken, die
den Theodosius dazu bewogen, den machtlosen flüchlling so
glänzend zu empfangen, am nächsten liegt dass er dadurch auf
die Stimmung der hauptstadt zu würken oder andere gotische
häuptlinge anzulocken versuchte.
Dass Athanarich nicht als führer oder kOnig der Westgoten
handelte, als er jenen vertrag mit Theodosius schloss, ergibt sich
ferner noch aus zwei stellen des redners Themistius. 1) in der
festrede, die er anfang des Jahres 381 hielt (nrxv), preist er
den kaiser dass der Gotenfürst, der einst so stolze worte führte
und dessen vater so mächtig war, dass kaiser Constantin ihm
durch eine reiterstatue schmeicheln muste (rbv rizr]v dvvaatfjv
6 naXai OBfivbg xot vtprjloyvwfiwy), als hilfeQehender (Ixitr^g)
nach Constantinopel gekommen sei (Dindorfs ausgäbe 234). 2) in
der 16 rede (Dindorf 254) rühmt er den consul des Jahres 383
Saturninus dass er im auftrage des Theodosius in das lager der
Goten gegangen sei und sie bewogen habe, die feindseligkeiten
einzustellen und eine botschaft an Theodosius zu senden, welche
frieden und foederatvertrag mit Theodosius abschloss. nach den
Fasten geschah dies am 3october382, also 1^/4 jähre nach dem
tode des Athanarich. ganz übereinstimmend damit sagt der heilige
Ambrosius in einer damals geschriebenen abhandlung De spiritu
sancto: Athanarich, der einst so gefürchtete, sei als hilfeQehender
nach Constantinopel gekommen und dort gestorben, ebenso Am-
mian 27, 5: Athanarich wurde durch eine partei seiner stamm-
genossen aus seiner heimat vertrieben, floh nach Constantinopel,
starb dort und wurde in einem nach römischer sitte geordneten,
grofsartigen leichenbegängnis bestattet. tt(t (zu Constantinopel)
postea Athanaricus proxtmorum (actione gmitdibus terris expulsus,
fatali Sorte decessit et atnbüiom exsequiis ritu sepuüus esi nostro.
wer ihn aus der heimat vertrieb, sagt Ammian nicht genau.
Seine worte proximorum (actione genitalibus terris expulsus
lassen aber doch so viel erkennen, dass es Goten waren, vor
hierza eioe eiDiger mafsen sichere grondlage, and auch dieser abschnitt trägt
nicht den character amtlicher aufzeichnung. nfiher werde ich dies erörtern
Philologos 1883.
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256 UNTERSUCHUNGEN ZUR GESCHICHTE ULFILAS
denen er weichen muste. da tritt nun eine erzählung des Zo-
simus erläuternd ein. die Goten, welche sich 376 von Atbanarich
getrennt hatten und dann seit 378 die lande sOdlich der Donau
plündernd durchzogen, hätten gefürchtet, Athanarich kOnne ihnen
bei einem zuge, den sie planten, gefährlich werden, deshalb
wären sie über die Donau gegangen und hätten ihn aus seiner
Stellung vertrieben, da habe sich Athanarich zu Theodosius ge-
flüchtet, sei mit seinen begleitem (fietä tcSv avv mz^ ßag-
ßaQüiv) in glänzender weise aufgenommen und, als er bald darauf
gestorben, wie ein kOnig bestattet worden, dieser glänzende
empfang hätte auf die übrigen Goten — offenbar dieselben, die
den Athanarich eben vertrieben hatten — so grofsen eindruck
gemacht, dass sie ihren beabsichtigten raubzug unterliefsen. die-
jenigen Goten, die mit Athanarich gekommen waren (fierä rtSv
avv airqi ßagßoQiov Zosimus, Sfia t(p olxeiip nXtj&u Soerates
y 10), traten als foederate in das römische beer.
Damit stimmt endlich auch Soerates ttberein, der in seiner
Kirchengeschichte die Unterwerfung des Atbanarich kurz berührt
(6 Ttav rdt&iov OLQxriybg vntquoov kavxov Sfia tip olxelfp nXri^
^Bi TtoQ^axev), indem er die Gotenschar, die dem Atbanarich nach
Constantinopel folgte, als 'seinen besonderen anhang' (olxtZov
nXfjd-og) bezeichnete, diese Zeugnisse widerlegen die Irrtümer
von Isidor und Jordanis, und erläutern die kurzen angaben der
Fasti Idatio adscripti und des Marcellinus.
In jenen tagen kam auch U. nach Constantinopel. der apostel
der Goten und der feind der mission unter ihnen. Athanarich
kam als flflcbtling, U. im auftrag des kaisers. ob sie sich noch
begegneten, ist nicht überliefert, aber es bildet einen bezeich-
nenden zug in dem bilde der kaiserstadt, dass zwei Goten da-
mals das öffentliche Interesse beherscliten und dass, als sie starben,
ihre begräbnisse ereignisse von allgemeiner bedeutung waren.
Athanarich war allem anschein nach beide, als er starb, aber
die masse der Goten war bereits übergetreten und zwar zum
arianischen Christentum, als sie mit Theodosius 382 den foederat-
vertrag schlössen, auch diejenigen Goten, welche erst nach dieser
zeit Christen wurden, traten zum Arianismus. der foederatvertrag
mit Theodosius sicherte den Goten freie Übung des im reiche
sonst verfolgten Arianismus, oder, wenn darüber nichts aus-
gemacht war, so war es stillschweigend zugestanden, auch in
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UNTERSUCHUNGEN ZUR GESCHICHTE ULFILAS 257
CoDstantinopel selbst hatten die Goten eine oder mehrere aria-
nische kirchen. der Arianismas hatte in den gotischen Schriften
und den schüIern des U. eine feste stütze, und als er bei den
Römern unterdrflckt wurde, gewann er für die Goten eine art
nationaler bedeutung. er erschien als die gotische form des
Christentums.
Das Christentum unter den Goten.
Nach den oben angeführten Zeugnissen kann kein zweifei
sein dass schon im 3 jh. eine anzahl Cappadocier unter den Goten
wohnte und dass mindestens ein teil derselben Christen war.
auch wird um 270, als die provinz den Goten eingeräumt wurde,
mancher Christ zurückgeblieben sein, dazu kamen die Audianer.
um 350 flüchtete der Syrer Audius mit seinen anhangern zu den
Goten, bekehrte viele von ihnen, legte kloster an und weihte
geistliche unter ihnen. Audius war den bischöfen der syrischen
kirche lästig geworden durch seine schroffen predigten über ihren
Wandel, nach seiner trennung von der kirche entwickelten sich
dann auch dogmatische Verschiedenheiten (Epiphanius Adversus
haereses m und Hieronymus a. 340). bis 370 wurden sie aus
dem Gotenlande nicht vertrieben.
Um 370 gab es also drei verschiedene richtungen unter den
Christen im Gotenlande: katholiken, Audianer und Arianer. die
Verfolgung richtete sich gegen die einen so gut wie gegen die
anderen, die Acta Sabae geben einige einzeiheiten aus diesen
Verfolgungen, welche auf die zustände bei den Goten und die
art, wie sich das Christentum unter ihnen ausbreitete, rück-
schlüsse gestatten, die Christen lebten zerstreut in den dorfern,
mitten zwischen den noch heidnischen verwandten und gemeinde-
genossen, diese liefsen sie gewähren und suchten sie zu schützen,
wenn eine Verfolgung begann, in den Acta Sabae werden drei
Verfolgungen erwähnt, die der heilige als erwachsener erlebte, und
er ward nur 38 jähre alt es scheinen sogar solche Verfolgungen
noch häufiger stattgefunden zu haben, urbeber der Verfolgung
waren die grofsen, die fxsytarSveg, die leiter des Staates.^ ein-
^ dabei kann sowol an eine veraammluog des gesammteD Gotenvolks
gedacht werdea als aa die teiUtaateD, aber dem aoacheio nach kam die ver-
aammlnng des ganzen Volkes selten zusammen, das volk war sich seines
ZQsammenhangs bewust und wurde von den Römern als ein politisches
Z. F. D. A. XXVU. N. F. XV. 18
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258 UNTERSUCHUNGEN ZUR GESCHICHTE ULFILAS
mal tritt ein häuptling Atbaridus dabei besonders hervor, und
vielleicht war er auch da der anstifter, wo die ^ieyiotSveg ge-
nannt werden, wäre er der häuptling jenes Staats, so konnte
die Verfolgung sowol als anordnung des häuptlings wie als be-
schluss der grofsen bezeichnet werden, das dorf bildete ein
untergeordnetes glied dieses Staates, es hatte sich der von den
grofsen resp. dem häuptling angeordneten Verfolgung zu unter-
werfen, hatte aber die entscheidung über ausweisung aus und Zu-
lassung in seine gemeinde, es erschien der häuptling oder ein von
ihm beauftragter in dem dorfe, die gemeinde versammelte sich, es
wurde geopfert und nun sollte ein jeder von dem fleisch der
opfertiere essen, in dem dorfe des Saba waren aufser ihm noch
mehrere Christen gotischer herkunft. die verwandten derselben
suchten sie zu retten, indem sie statt des opferfleisches anderes
fleisch hinlegten, der heilige Saba binderte aber den betrug und
sagte dass jeder, der von diesem fleische esse, ebenso ausgeschieden
sei aus der gemeinschaft der Christen, als wenn er würkliches
opferfleisch gegessen hätte, da wiesen ihn die dorfgenossen aus
und erlaubten ihm erst später zurückzukehren, bei einer anderen
Verfolgung verbargen die heidnischen dorfgenossen ihre christlichen
freunde und schwuren dass kein Christ im dorfe sei. da trat Saba
vor und sagte, für mich soll niemand schwören, ich bin ein Christ,
die leute schwuren nun dass aufser Saba kein Christ im dorfe
sei. damit war die Untersuchung abgewendet, Saba aber muste
dem Verfolger ausgeliefert werden, er wurde jedoch sofort wider
freigelassen, als der häuptling erfuhr dass Saba nicht zu den wol-
habenden zähle, 'denn solch ein kerl, meinte der häuptling, kann
weder schaden noch nützen.' bei der dritten Verfolgung ward
er getOdtet.
Der Donauübergang von 376 und die bekehruug
der Goten.
Von dem Donauübergang haben wir drei von einander un-
abhängige Schilderungen von einiger ausfuhrlichkeit, Ammian 31, 4 ;
Zosimus 4, 20 und Eunapius De legg. 6, 7 und De sent. 46 S und
ganze bebandelt, aber dieser Staat aolserte immer nur vereinzelte acte po-
litischer tatigkeit, in denen er gewisser mafaen nenformiert wurde, meist
handelten die teilataaten fQr sich.
^ ed. Bonn., in Maliers Fragmenta historicomm graecorum t. iv
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UNTERSUCHUNGEN ZUR GESCHICHTE ULFILAS 259
in keiner derselben ist eine solche bedingung erwähnt, auch
Eunapius sagt nichts dergleichen, obwol er die religiösen Ver-
hältnisse der Goten berührt, nach seiner darstellung waren die
Goten noch beiden, hatten aber gewisse anfönge des Christen-
tums, jeder stamm führte seine heidnischen heiligtümer mit
sich, aber sie suchten dieselben vor den Römern zu verbergen
und sich den auschein von Christen zu geben, einige bischofe und
mOnche oder wenigstens wunderlich gekleidete leute, die dafür
gehalten sein wollten S machten sich möglichst breit , damit die
schar für eine christenschar angesehen werde, auch Socrates
weifs nichts von einer solchen bedingung, nur Sozomenus und
Theodoret melden sie, aber ihre berichte über diese zeit sind
voll irrtümer und Widersprüche, nach ihnen waren die Goten
376 katholiken, traten aber zum Arianismus über, um dem kaiser
Valens zu gefallen, es ist oben gezeigt worden dass diese dar-
stellung wertlos ist.
Nicht viel besser steht es mit Jordanis und Isidor. Jordanis
sagt c. 25 : erschreckt durch das Schicksal der Ostgoten giengen
die Westgoten zu rate, wie sie sich vor den Hunnen retten konnten.
*nach langer Überlegung sandten sie endlich auf beschluss der
landesversaromlung gesandte in das ROmerland zum kaiser Valens,
dem bruder Valentinians des alteren, wenn er ihnen einen teil
Thraciens oder MOsiens zur benutzung übergäbe, so wollten sie
seinen geboten gemafs. leben und seinen befehlen gehorchen, um
aber mehr glauben zu finden, versprachen sie Christen zu werden,
wenn Valens ihnen prediger sende, die gotisch verstanden. Valens
war voll freude dass sie das anboten, was er hatte fordern wollen,
nahm die Goten in Mosien auf und stellte sie als mauer gegen
andere barbaren auf. der kaiser Valens war aber der falschen
lehre des Arius verfallen und hatte die kirchen unserer partei ge-
schlossen, deshalb sandle er ihnen arianische prediger. so nahmen
die Goten ohne es zu wissen das gift der ketzerei in sich auf.'
Diese stelle ist der hauptsache nach aus Ammian entnommen,
wie eine reihe von anklangen beweist.^ aber diese darstellung
nr 42. 60. 55. andere haben das Tragment 46 (55) anr einen anderen
Donauübergang belogen , aber mit unrecht , wie ich Forschnngen xii 432 ff
gezeigt habe.
* sie tmgen noch den eidring der heidnischen prieater. vgl. die stellen
bei Bessellei und Mnllenhoff Zs. 17, 428 f.
^ Jord. 25: Quidnam de se propter Hunnorum gentem deli-
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260 UNTERSUCHUNGEN ZUR GESCHICHTE ULPILAS
des Ammian ist verändert durch den zusatz, dass die Goten da-
mals dem kaiser Valens erklärten, Christen zu werden, wenn er
ihnen prediger schicke, und dass die Goten auf diese weise das
gift der arianischen ketzerei aufgenommen hatten, dies entlehnte
Jordanis aus Orosius vii 33 Gotht antea per hgatos supplices po-
po9cerunt ut iUis episcopi a quibus regulam Christianae fidei disee-
rent mitteretUur, Valens imperatiyr exitiabüi pravitaie doctores
ariani dogmatis misit. Gothi primae fidei rudimentum, quod ao-
cepere, tenuerurU. Itaque jufto Bei judicio tpst eum vivum iti-
cenderunt, qui prapter eum etiam mortui vitio erroris armri sunt.
die bitte um prediger, die betonung, dass die Goten ganz frisch
die irrlehre empfiengen, und die starke Verfluchung des Valens
deuten auf gemeinschaft. scheinbar flndet sich allerdings eine
abweichung. der characteristische schlusssatz des Orosius Ita-
que — arsuri sunt fehlt bei Jordanis hier, aber er bringt ihn
nur etwas später, im folgenden capitel, da wo er den tod des
Valens erzählt. Orosius sagt nicht bestimmt dass die Goten bei
dem Donauübergang 376 chrislen wurden, sondern nur dass es
vor der schiacht bei Adrianopel geschehen sei. er sagt sogar dass
der Donauübergang nuUa pactione bewerkstelligt wurde, es ist
also sehr wol möglich dass Orosius hier eine dunkle erinnerung
an den krieg zwischen Fritigern und Athanarich 370 vorschwebt.
aHein er erzählt diesen krieg nicht und Jordanis muste deshalb
diese nachricht auf das jähr 376 bezieben.
Isidor benutzte ebenfalls den Orosius. der gedankengang
und mehrere übereinstimmende Wendungen bezeugen es. man
vergleiche nur errorem, quem recens creduUtas eibihit, tenuü. aufser
Orosius benutzte er aber auch Socrates und Sozomenus und bezog
das antea des Orosius deshalb nicht auf den Donauobergang son-
dern auf den von Orosius gar nicht erwähnten kämpf zwischen
Fritigern und Athanarich. diesen kämpf legt er aber in die zeit
des Donauübergangs, und damit die confusion vollendet werde,
hat er den Vorgang zweimal erzählt und in ganz- verschiedener
berarent ambigebant, diuque eogitanies tandem communi pla-
cito legatot — direxere ad Falentem . , , ut partem Thraciae sive Moe-
iiae si ilUs traderet ad colendum eßa se legibus vivere, , . . Ammiao
31,3 f: diu deitberans, (Gothorum pars major) quas eligeret sedes
eogitavit Thraciae receptacubim . . . veiut mente eogitavere com»
muni . , , missis oratoribus ad Falentem. ... 8. Monum. Germao. v 92.
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UNTERSUCHUNGEN ZUR GESCHICHTE ÜLFILAS 261
weise, in der Historia Gotborum combiniert er Orosius und
Socrates und lasst Fritigern aus eiDem beiden arianischer Christ
werden, in dem Chronicon wird Orosius mit Sozonienus com-
biniert und Fritigern wird ex cathoUeo arianui cum omni getUe
Gi>ikorum,
Nach der Historia waren die Goten bis zu jenem kriege
beiden, nach dem Chronicon katholiken. gleich aber ist an beiden
stellen dass Fritigern Arianer ward, um sich Valens für die Unter-
stützung gegen Athanaricb dankbar zu erweisen.
Jordanis und Isidor besitzen also fQr diese nachricht keinen
selbstflndigen wert, da wir Orosius noch haben, es Tragt sich,
wie viel auf dessen bericht zu geben ist. er schrieb 417 und
zwar in Spanien, teilweise standen ihm vorzügliche quellen zu
gebot wie die Fasten von Constantinopel , aber die Schilderung
dieser kämpre, welche 40 jähre frtther an der Donau stattranden,
zeugt nicht von besonderer kenntnis.^ nur wo er eine notiz der
Fasten benutzen konnte, ist es anders, die bekehrung der Goten
stand aber nicht in den Fasten, und gegenüber dem schweigen von
Ammian, Zosimus und Eunapius hat seine angäbe keinen wert«
dazu kommt dass es wenigstens nicht zweirellos ist, ob er sagen
wollte dass die Goten bei dem Donauübergange oder schon bei
einer Trüberen gelegenheit den kaiser Valens um bischofe baten.
Das ergebnis dieser letzten Untersuchung ist: die bekehrung
der Goten zum Christentum und zwar zum arianischen Christentum
ist auf den einfluss des U. zurückzuführen und auf den durch
politische ereignisse veranlassten übertritt des hfluptlings Fritigern
um 370. dass dann auch der Donauübergang von 376» welcher den
Christen Fritigern an die spitze des Volkes brachte und das volk
selbst in ein christliches land führte, die bekehrung der Goten
wesentlich forderte, liegt in der natur der sache — aber es
wurde weder eine bedingung der art gestellt noch ein versprechen
der art geleistet.
^ der ausdruck ntppHees poposcerunt klingt zwar so, als ob der
aator eine lebendige Vorstellung von dem Vorgang habe, aber dieser mg
ist stehend in der Qberli^erang und zwar bei allen verhandlongen mit den
barbaren, bei denen die Römer nicht gar zn sehr im nachteil stehen. Am-
mian sagt: kumiU preee poseebant und preeiöus et ohtettaUane pose^^
bani. ihnlich Socrates, Zosimos and Eanapias.
Strafsburg. GEORG KAUFMANN.
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262 STUDIEN ÜBER ULRICH FOETRER
STUDIEN ÜBER ULRICH FÜETRER.
A. abfassuDgszeit seiner werke.
Von den füDf werken Ulrich Füetrers, die wir besitzen, trägt
weder das in der Schleifsheimer gallerie befindliche gemälde ^ noch
das Buch der abenteuer, noch der prosaische Lanzelot, noch der
in Versen eine Jahreszahl ; nur die Bayerische chronik ist datiert,
in seiner ersten vorrede ^ zu derselben sagt Füetrer nflniUch:
Nu durch vorgen^eü gepott des Jüngeren fürsten vnd Herren Herren
Albrecht hertzog in Bayern etc. hob Ich mich vnderstannden zu
be$direyben der zeitt ah man zekt von der gepurt tmnsers haylers
Christo iheeu Tausent vierhundert Acht vnd Sybentzigk Jar das her-
kamen des aller edlisten Stammen usw. in der Schlussbemerkung
(Würthmann aao. s. St 2) heifst es: vnd ist disz ainfäUig piUch-
lein, süuil vnd sein biszher ist, zue enndi gemacht Als man zalt
von der gepttrd ihesu christi vnnsers lieben Hern Tausent vier-
hundert vnd Im ains vnd achtzigisten Jar an Sant vlrichs abent
des heyligen Bischoffs (3 juli). hierauf folgt in cgm. 43 und
cgm. 227:
Diss päecA/etn ist vollendet zwar
nachdem Maria cristum gepar
tausent vierhundert ains vnd achtzig jar
zu dienst dem edeln fürsten klar
des lob schwebt gleich dem Adelar
Albrecht pfaltzgraf mer nemt war
Hertzog vnd fürst vemembt mich gar
Obern Nidem Baym der nie kain har
Entwanckte von der Eren schar
Her Sand Michel nu pring in dar
wann der tod macht sein leben mar
^ vgl. Kogler Handboch der geschickte der malerei ii 83. genaueres
werde ich bei der behaadiaDg von Ffietrers leben mitteilen.
* Wflrthmann Oberbayerisches archiv v 53. bei dieser Chronik führe
ich stets den wortiant der Tegernseer hs. cgm. 225 an, citiere aber, so weit
möglich, Wflrthmanns ausgäbe einselner stellen, das Buch der abenteuer
benutzte ich in der MQnchner hs. cgm. 1, welche auch den poetischen Lan-
zelot enthfilt.
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STUDIEN OBER ULRICH FOETRER 263
das gel mit gtiaden im lang 9ipar
Vnd er von dümn eilend vor
dass er dort niese der Engel schar. Amen.
die Bayerische Chronik ist also von 1478 — 3 juli 1481
entstanden.
Da fOr die zeit, in welcher FOetrer das Buch der abenteuer
dichtete, die Lanzelotprosa schrieb und diese prosa dann in verse
brachte, keine solchen angaben vorhanden sind, hat man sich
nach anderen hiirsmittein zur datierung umzusehen.
Im beginne des Buchs der abenteuer (cgm. 1 f. 1% 10 bis
r, 7) bezeichnen die in roter färbe ausgeführten anfangswdrter
ein akrostichon : Dem DurehleudUigenn Hoekgehomn Für^enn Vnnd
Herren Herren AUn-edU PfaUtzGraf Bey Rein Inn Obemn Vnnd
Nideren Bayren Ett Zettera. dazu vergleiche man die folgenden
stellen :
35^, 1 Durch ainen fürsten grossen
Von Bayern des Eddn Slams,
der tmiugent ye tett stossen
Von imy auch was er mneterhalb des Nams
Von fraumsweygk, dem mein dienst stendt sunder rewen;
Ist mein werde künsten Iure,
so laist ich im den willen dodh mit trewen.
im Lanzelot heifst es in dem briefe, den frau Minne an FUetrers
herrn sendet:
1 54^, 3 Dem durMaiUhiigen erkoren
fürsten vnd edlen hem
pfaltzgraf hey Rein geporen
Albrecht in Bairlant herzog, der mit eren
Obern vnd Nidem Bayern herschlich besitzet,
dem hört der brief, der mit weyshait
durch vnnser gunst sein gnossen vber witzet.
Albrecbt iv, der weise oder wilzige genannt, war ein söhn
Albrechts lu, des gütigen, und dessen gemahlin Anna von Braun-
schweig, welche 1474 starb. Albrecht m starb am 29 februar 1460,
worauf seiner bestimmung gemafs seine beiden ältesten söhne in
Oberbayern zur regierung kamen. Johann starb am 18 nov. 1463,
und Sigmund, der darauf allein herschen wollte, wurde von dem
aus Pavia zurückgekehrten bruder Albrecbt iv (geboren 15 dec.
1447) genötigt, die regierung seit dem 10 sept. 1465 mit ihm
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264 STUDIEN ÜBER ULRICH FÜETRER
zu teilen (nach Aventia geschah dies an vnser Frauwm tag im
Herbstmonat, also am 8 sept). am 3 sept. 1467 wurde Albrecht
alleiniger herzog und blieb es, indem Sigmund von der regierung
zurücktrat. Albrecht vermählte sich den 1 jan. 1487 zu Innsbruck
mit Kunigunde, geborener erzherzogin von Österreich, der tochter
kaiser Friedrichs iii. Sigmund starb am 1 febr. 1501 und am
18 mflrz 1508 endete Albrecht iv sein ruhmvolles leben, da-
durch sind die jähre 1465 — 1508 als die dufsersten grenzen der
entstehungszeit gegeben.
Anfänglich bestimmte man die entstehungszeit der dichtungen
Füetrers nach der datierung der Bayerischen chronik (1478 bis
1481), undDocen (Museum für altd. litt, und kunst i 161, Ber-
lin 1809), welchem vdHagen (MS iv 216. Grundriss 153) folgte,
sagte: um 1478. später kam er zu der ansieht, die Münchner
hs. der gedichte, cgm. 1, sei vom dichter selbst geschrieben,
woraus sich für ihn ein anhaltspunct zur datierung ergab, denn
diese hs. enthält im anfang eine wappentafel mit dem allianz-
wappen von Bayern und Österreich, die Vermählung Albrechts iv
mit Kunigunde von Österreich fand am 1 jan. 1487 (nach Aventin
zu Weihnachten 1486) statt; der codex und damit die gedichte
wären demnach nicht vor 1487 vollendet gewesen.^ Docen^
änderte aber bald seine ansieht, die hs. sei ein autograph, eine
ansieht, welche schon ein flüchtiger blick in den von etwa 7 bänden
geschriebenen codex zurückweist, damit fUlt der ganze schluss
dahin, nicht einmal für die zeit der niederschrift ist die wappen-
tafel ein stricter beweis, weil sie sich auf einem selbständigen,
aus zwei pergamentblättem zusammengeleimten doppelblatte be-
findet, welches der hs. vorgebunden ist.
Piscbon (Denkmäler der deutschen spräche ii 21, Berlin 1840)
nahm 1503 als terminus a quo an, da Albrecht iv herzog von
Ober- und Niederbayem genannt wird, während Niederbayern
erat nach dem tode Georgs von Landshut (1503) unter seine her-
schaft kam. es ist nicht nOtig, darauf hinzuweisen dass Albrecht
^ an diese dalierung lehnt sich aucli Bartsch au (AUgem. deuCache
biogr. VUI271: ^om 1487'), der aber irrlümlich aagt daaa die Münchner ha.
diese ^Jahreszahl' enthalte.
* Aretius Beiträge zur geschichte und litteratur ix 1226. das Ulelblatt
tragt die Jahreszahl 1807, doch ist der aufsali jedesfalls nicht vor dem
october 1811 gedruckt worden.
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STUDIEN ÜBER ULRICH FOETRER 265
schon vorher das niederbayerische Straubing besafs; Pischons
ansieht verliert allen halt durch den umstand, dass Albrecht ja
auch pfalsgraf genannt wird, obwol er nie die herschaft Ober die
pfakgrafscbaft in den banden hatte, und in der 1481 vollendeten
Chronik Füetrers ebenfalls herzog von Ober- und Niederbayern
und pfalzgraf bei Rhein beifst, was sich aus der früheren bayeri-
schen geschichte sehr wol erklart und zur vorsieht mahnt in der
Verwendung von titeln zur datierung.
Durch Docens erwähnten aufsatz (Aretins Beitr. 1227) wurden
die grenzen für die Zeitbestimmung enger gezogeo, indem dort
auf Lipowskis Bayerisches musiklexicon (München 1811, s. 236)
verwiesen wird, wo die grabschrift Conrad Paulmanns (so schreibt
Lipowski) abgedruckt ist. dieser Paulmann, richtiger Paumaun,
ist oCTenbar der meister Cuenradt, der von Füetrer als gestorben
erwähnt wird. 6% 7 redet der dichter bei der erzahlung des tro-
janischen krieges von Medea, die durch ihre zaubersalbe den vater
Jasons wider lebendig machte und verjüngte, dabei wünscht er:
O Got, todr ich geleret
Der nlben kunst audi wol.
Mein > fürum uil geherei
WoU ich auch machen ein grossen liippen vol;
Es war audi Jacob pütrich mir genesen
Vnd maister Cuenradt, der ye was plind
Ynnd meines fUrsten Organist ist gewesen.
Jacob Pütrich ist, wie ich später zeigen werde, wahrscheinlich
1471 gestorben. Conrad Paumann starb am 24 jan. 1473. auf
der Südseite der frauenkirche in München, links vom portale, ist
sein grabstein in der mauer befestigt, der in rotem Scblehdorfer
mahnor folgende werte eingegraben zeigt:
'An. mcccdxxiii an s pauk bdcerung aibent ist gstarbn und hie
begraben der kunstreichist (Mer instrament vnd der Mueica maister
Cunrad pawmann Ritter purtig von numberg vnd pUnter geboren
dem got genad.
^ diese lesart Ist wol alcht zu ändern, denn der ploral Mein (^ meinen)
braucht sich oicht aaf die seil zu beziehen, da Sigmnnd noch mit Albrecht
zusammen regierte (1466*1467). Sigmund lebte j« noch bis 1501, und
dann waren «och noch Christof und Wolfgang, herzog Albrecbts jüngere
bfüder, vorhanden, vgl. 140% 8: ich sprich mein kern et wäre nicht all
tu gueL
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266 STUDIEN ÜBER ULRICH FOETRER
Darunter ist Paumann die orgel spielend dargestellt, neben
ihm befinden sich guitarre, flöte, harfe und bauernleier.
Als grenzen fQr die abfassungszeit des Buchs
der abenteuer ergeben sich somit die jähre 1473 bis
1508, und Gervinus setzt mit recht darauf fufsend die runde zahl
1475 als terminus a quo, worin ihm Koberstein folgte da Fttetrer
von 1478—1481 seine Chronik schrieb, fragt es sich, ob er von
1473—1478, oder von 1481—1508 dichtete, am nächsten liegt
es, durch eine vergleichung der Chronik mit dem Buch der
abenteuer die priorität des einen oder anderen Werkes festzu-
stellen; diese vergleichung hat aber kein resultat von bedeutung
ergeben, ich gehe also vom Buch der abenteuer selbst aus.
Für die abfassung in späterer zeit spricht der umstand, dass
FOetrer sich im beginne des werkes all nennt, im Trojanisdien
kriege wQnscbt er beim tode des Pelewus, der duixh die list der
Hedea umkommt, statt gleich Jasons vater verjüngt zu werden:
6"*, 4 Got midi hewar, das mir kain artzt
Mein cUUes verch mit seiner kunst so newe.
in betracht zu ziehen ist ferner die stelle 15^ 2, wo der dichter
von den Amazonen spricht:
Des namens ab den Zelben
ah dem veld gähe flucht;
Bey meiner frawen sehen
hab ich gesehen magt mit solieher ztuAt.
Gen^ gerten zer thiost in nur sper zue raichen,
So sieht man auff meinr frawen sal
Von Schwertes flick ir mägt aUtzeit erplaichen.
Füetrer scheint hier nicht von seiner fAiu, sondern von seiner
herrin , der gemahlin herzog Albrechts iv zu sprechen, da sich
letzterer am 1 januar 1487 vermählte, wird man die ab-
fassungszeit des Buchs der abenteuer nach 1487 zu
setzen haben.^
^ es beraht offenbar auf eioem vereeheo, wenn Bartsch (AUg. deutsche
biogr. vui 271) diesen zahlen die bedeutung unterlegt, dass Aibrecht von
1475 — 1508 regiert habe.
s Gen — > j'ene. e kann in allen fallen apocoptert werden, und wenn
die bezeicbhung des / durch g in de^ hs. auch nicht hiufig erscheint, so
kommt sie doch vor ib. Ge$chawd mm Jeschute; Genet «at JeneL
* wenn Georg von Eysenhofen, wie Wiguleus Hund s. 196 angibt,
würklich 1498 gestorben ist, so ergibt sich daraus ein terminus ad quem*
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STUDIEN ÜBER ULRICH FÜETREU 267
Dagegen kOonten mir zwei einwände gemacht werden. Füetrer
gedenkt 74"^, 5 ^ Jorgs von Eysenhofen als eines noch lebenden,
während es nach Wiguleus Hund (Bayrisch stammenbuch, Ingol-
stadt 1598, 1 t95) scheinen möchte, er sei schon 1486 gestorben,
allein mit diesem 1486 gestorbenen Georg ist offenbar nicht Eysen-
hofer, sondern JOrg Awer von Puolach gemeint, und die seite 196
angefohrle notiz, dass Georg von Eysenhofen 1498 gestorben sein
solle, ist auf unseren JOrg von Eysenhofen zu beziehen, der ja
1493 noch in den -im anhange abgedruckten Tegernseer weih-
nachts-erungen vorkommt.
An derselben stelle erwähnt Füetrer den dichter Andre Hesen-
locher ebenfalls als noch lebend, der ehemalige reichsarchivs-
secretär Ludw. Zenker gibt in seiner arbeit über Hans den Hesel-
loher (Hormayrs Taschenbuch für die vaterlaindische geschichte,
München 1831, s. 238— 245) an, Andre sei 1470 gestorben, die
im anhang abgedruckte Urkunde zeigt aber dass derselbe auch
1471 noch nicht ans sterben dachte, sondern vielmehr der meinung
war: da got noch lang vor wdl sein. —
Es Iflsst sich fragen, ob die reihenfolge der einzelnen be-
arbeiteten werke im Buch der abenteuer die chronologische sei,
wie sie Füetrer dichtete, und darauf darf mit ziemlicher Sicherheit
eine bejahende antwort gegeben werden, fol. 1', 1 — 74'', 6 bilden
offenbar ein zusammenhängend gedichtetes werk und zwar das
erste, am faden des Jüngern Titurel werden der Tro-
janische krieg, Merlin, Parzival, Krone, Lohengrin
angereiht, sodass sie als cpisoden desselben erscheinen sollen,
bevor der dichter aber beginnt, bedenkt er sich ernstlich, ob er
auch zu solcher arbeit tauge, da er ungelehrt und in den künsten
unerfahren sei. er nennt sich selbst ein vOglein, welches das
elterliche nest verlässt, bevor ihm die Schwungfedern gewachsen
sind, einen wanderer, der in der finsternis über die baumwurzeln
strauchelt, einen blinden, der fechten will, es ist also offenbar
Füetrerg erste dichtung, welcher der Wigalois folgte, wie eine
endstrophe der erwähnten gruppe und der anfang des Wigalois
zeigen :
74^,4 Hye stet der stam vnd esstte
der läuber gar gesundertt;
ewr gnad Ratt ich das pestte,
^ ich werde die stelle später anfahren.
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268 STUDIEN ÜBER ULRICH FOETRER
seyd dar zu höret etiwas mer dann hundert,^
. euch werd ein man der kunst dar zue erkoren,
der seine wortt so plueme,
das sein arbait nicht haiss ain mike verloren.
Der Wigalois beginnt:
75*, 1 Ain stam ist aufgerichtet
fiOcA mangelennd maniger zier;
das er bleib vnuemichtet,
ddrumb hat ain edler fürst gepoten mir,
das ich mit frucht vfind leübem in behencke.
Seim pott ich vnterwürffig bin.
So hati an kunstt vnd witzen ich die chrencke.
als weitere leuber schliefsen sich an Seifrid de Ardemont,
Meleranzy Iweiu, Persibein, Poytislier, Flordimar,
von denen wol anzunehmen ist dass sie in dieser reihenfolge
von Füetrer gedichtet wurden.
Wann der prosaische Lanzelot verfasst wurde, ist nicht sicher
zu bestimmen, doch ist so viel gewis, dass er vor dem poetischen
entstand.^ der letztere wurde pach dem Buch der abenteuer ge-
dichtet, da er ein register der wichtigsten in den Artusepen vor-
kommenden damen und herren enthält, also das Buch der aben-
teuer voraussetzt.
B. das leben des dichters.
0
Sein Vorname Ulrich ist im Buch der abenteuer sehr oft
genannt, so 3^ 2. 17*, 5 usw. man pflegte ihn offenbar bei
diesem namen zu nennen nach der alten sitte, die noch jetzt in
den dOrfem Oberdeutschlands (bekanntlich auch bei den nordi-
schen Völkern) gebräuchlich ist. von der frau Minne lässt er
sich stets so anreden, sein vollständiger name wird von der
UberBchrift des Lanzelot (cgm. 1) überliefert: Vlreich Fürtrer tzu
München, ferner von dem älteren prosaischen Lanzelot (Donau-
eschinger papierhs. nr 141), wo dieselbe Überschrift nahezu wört-
' db.: es bedarf mehr als huadert blitter, um stamm uod äste mit
laub zu klddeu, mehr als hundert epeo der eiozelnen heldeo, um das von
Fuetrer bis dahin gedichtete werk, den grundstock der Artus- uod gralsage,
würdig auszuschmflckeo.
* Tgl. dr Arthur Peter Germania xxviii 2 beft
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STUDIEN ÜBER ULRICH FOETRER 269
lieh gleichlauteDd erscheint: vbrith füettrer ein mäler zu Mü-
ntcAen. die Wiener hs. des poetischen Lanzelot scheint Fütrer
oder FüSerer zu lesen, wobei Ü nach dem damaligen schreib-
gebrauch ebensowol üe als ü bedeuten kann, aus den hss. der
Bayerischen chronik, die sich sflmmtlich in München befinden,
ergeben sich folgende lesarten. cgm. 43 : Ulrich fiUrer (daneben
auch güier 8== gueter; miUs »* mueti; xü »> zue). cgm. 225:
Tlrich fiUtrtT, cgm. 227: vhrich fuetrer. cgm. 565: vlrich
fiietrer. cgm. 566 : vlrieh fiUtrdr. die hs. des kgl. hausarchivs ^
eBthfllt den namen nicht.
Die angeführte Überschrift des Münchner poetischen Lanzelot
bietet in ihrer lesart Fürtrer also einfach einen fehler; der be-
treffende Schreiber, der überhaupt etwas flüchtig war, hat das e
seiner vorläge für ein r gelesen, und Füetrer ist somit die
form, in welcher der dichter selbst seinen namen
schrieb.
Ulrich Füetrer stammte aus Landshut, wo sein vater für
das jähr 1410 von ihm erwähnt wird, zu dieser zeit sollte näm-
lich daselbst ein aufstand gegen herzog Heinrich, den söhn herzog
Friedrichs von Landshut, stattfinden, allein derselbe wurde dem
herzog noch rechtzeitig verraten und mit Waffengewalt unterdrückt,
davon sagt Füetrer in seiner Chronik 2; Es nam der hertzog gar
mit aU, Das ich armer Vlrich füetrer mit andern meinen ge-
swistergeüten wol dagen mag. Wann manger fromer man wol toays,
das des vm wiUen mein vatter säliger auch vmb ettlich Tausent
guiden werd kam. Ich mneszt mein nott ye auch hier Inn zue
Ueeht fringen, mir wird sunst nicht mer darumb.
Wie ich Docens hinterlassenen papieren entnahm, war dieser
zwar spater der ansieht, Füetrer möchte wol aus Nürnberg
stammen, wo ein Ulrich Fütterer, geboren den 8 juli 1449,
gestorben den 2 april 1524, verehelicht mit Ursula Beheim, der
lochter des bekannten Martin Beheim und der Agnes Schopper,
Dacbgewiesen ist. Murr^ druckt einen brief ab, den Martin Be-
* nachricht davon gab Rockinger Abhandlungen der bayer. academie
hist cL XV 179—197.
* vgl. Würthmann Oberbayer, arch. v 63. Heigels einleitung zur Lands-
boter raUchronik, Stadtechr. xv 268.
' ich kenne nur die französische Übersetzung: Histoire diplomatique
dn Chevalier portngais Martin Behaim usw. par GhThMurr, Strasbourg et
Paris 1802, s. 115 (das original erschien 1801).
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270 STUDIEN OBER ULRICH FÜETRER
heim 1494 aus Portugal schrieb und in dem Ulrich Futlerer
erwflhnt wird. Docen faud sich mit der obeu ausgehobenen stelle
der Bayerischen chronik so ab, dass er sagte, FUetrers vater kOnne
capitalien in Landshut ausgeliehen haben, welche ihm bei der
Unterdrückung jenes aufstandes verloren giengen. dem wider-
spricht aber folgendes, dieser Nürnberger Ulrich Fütterer war,
wie aus Beheims brief hervorgeht, ein Nürnberger kaufmann.
das geschlecht dieser Fütterer war sehr angesehen, ratsfilhig
(Städtechroniken i 217, 6) und trieb lebhaften handel nach Mai-
land und Genua (ibid. i 218, 9). es ist klar dass dieser mann
mit unserem dichter, der sich ick armer Ulrich FUeirer nennt,
nicht verwechselt werden darf.
Füetrers vater scheint, nach der obigen stelle der Bayeri-
schen Chronik zu schliefsen, ein ziemlich wolhabender mann ge-
wesen zu sein, welcher, angeregt von dem bildungsdrange, der
zu ende des mittelalters in den weiteren kreisen des deutschen
Volkes so müchtig würkte, seinem söhne eine Schulbildung zu
teil werden liefs, die ihm wenigstens die ersten elemente des
Wissens gegeben haben wird. Landshut hatte schon 1257 eine
schule, da ein Johannes scolasticus am 4 kal. julii 1257 als zeuge
einer dortigen Urkunde erscheint (Monumenta Boica in 155. vi 369).
ein rascher lehrerwechsel, der im beginne des 15 jhs. in diesen
Stadtschulen nachweisbar ist, macht es wahrscheinlich dass sie von
herumziehenden clerikern besorgt wurden, lesen und schreiben
waren die hau ptz wecke der schule, besonder» weil darin die erste
bedingung zum Verständnis der heiligen schrifl bestand, und da
dieselbe lateinisch geschrieben war, wurde aufserdeih ein beson-
deres gewicht auf die erlernuog dieser spräche gelegt, die me-
thode war einfach genug: der lehrer besafs ein geschriebenes
buch, woraus er lesen und abschreiben liefs und dictierte, und
woran die schttler zugleich etwas latein lernten, wo eine gram-
matik verwendet wurde, -war es natüriich der Donatus, während
wenigstens in Bayern seit dem beginn des 16 jhs. die neue gram-
matik von Aventin gebräuchlich wurde.
Wie Füetrer nach München kam ist nicht sicher; das Lands-
huter archiv vermag leider gar keine aufschlUsse zu geben. 1465
begegnet er uns zuerst in seiner neuen heimat, wie aus dem
folgenden hervorgeht, dass die ganze familie dahin übergesiedelt
sei, scheint mir höchst unwahrscheinlich, da der name Füetrer
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STUDIEN ÜBER ULRICH FÜETRER 271
in den städtischen Urkunden jener zeit gar nie vorkommt, und
wenn man bedenkt, eine wie grofse Wanderlust damals die jungen
leute beseelte \ sodass gewöhnlich der kaum erwachsene söhn
mit einem kleinen zehrpfennig in der lasche vom vaterhause ab-
schied nahm und in die fremde zog, so wird mau wol zu der
annähme geneigt sein, dass der junge Füetrer allein sein bOndel
schnürte und seine heimat verliefs, um in der weiten weit sein
glQck zu probieren.
Zuerst erscheint er in Manchen als decoralions- und kunst-
maler, und es ist wol möglich dass er noch in Landshut, welches
wegen seiner schönen maiereien besonders gerühmt wird ^ malen
lernte, er nennt sich selbst Ulrich Füetrer ein Maler zu Mikr
niAen und die tradition schreibt ihm ein aus dem kloster Te-
gernsee stammendes, jetzt der kgl. gallerie zu Schleirsfaeim an-
gehöriges gemälde zu. die durchforschung der Münchner und
Tegernseer Urkunden, die ich daraufhin unternahm, lieferte nur
ein einziges Schriftstück, in welchem Füetrer genannt wird, näm-
lich ein register der ^erungen' (= geschenke), welche das kloster
Tegernsee alle Weihnachten an bedeutendere personen zu senden
^ eio beispiei gibt Borkhart Zioggs Selbstbiographie im iii bach sdoer
Chronik (Städtechroniken v 122—143). 1396 zu Memmlogen geboren, verlor
er seine matter in seinem fünften jähre, und das regiment seiner Stiefmutter,
einer jungen, stolzen frau, die seit 1404 im vaterhause schaltete, machte ihm
die heimat unleidlich, kaum 11 jähre alt, lief er seinen eitern davon und
wanderte als achOIer (er hatte schon 4 jähre die Memminger schule besucht)
bis nach Krain, wo ein bnider seines vaters, wie er woste, in dem dorfe
Riegg pfairer war. dieser nahm ihn sehr gut auf und wollte ihn nach
7 Jahren , während welcher Ziogg die Reifnitzer schule besucht hatte , auf
die hohe schule nach Wien schicken; allein es scheint dass das heimweh
den Jungen mann veranlasste , gegen den willen seines woltäters nach Mem-
mingen beknauwandern, wo sieh unterdessen vieles geändert halte, die Ver-
hältnisse trieben ihn wider fort; er lief ins land hinein, bis er abermals in
Krain ankam, aber sein ohdm, den verlassen zu haben er sich bittere vor-
würfe machte, war gestorben, und so blieb ihm nichts übrig, als zum vierten
male den weg zu machen, nach knrsem aufentbait in seiner heimat be-
gann er da anstätes Wanderleben, bis er dann zu Augsburg eine bleibende
Stätte und eine sehr geachtete Stellung erwarb, immer machte er aber
noch ausgedehnte reisen im Interesse eines kanfberrn oder der Stadt; so
kam er auch nach Rom, und nach Venedig ritt er alle jähre ein bis
zwd mal.
' Rumpler Calamitatum Bavariae Über, Oefele Script, rer. Boic. 1 144:
Dümot quas jtuta fr^quens pietura figurata
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272 STUDIEN ÜBER ULRICH FOETRER
pflegte, mit denen es in beziehung stand, besonders an Hünebner
einwobner und die vorstände der umliegenden gemeinden. Ver-
zeichnisse solcber erungen an Münchner Persönlichkeiten werden
vom kgl. kreisarchiv in München aufbewahrt und beziehen sich
auf weibnachten ^ 1465,1466,1471,1476,1493. die oberbayeri-
scben herzOge, die herzogin, die Stadtkammer, der zoll, die wage,
ferner der kanzler, die rate des regierenden herzogs, die maier,
goldschmiede, steinmetze, zinngiefser, glockengiefser , büchsen-
meister, apotheker erscheinen anf diesen listen, welche im an-
hange abgedruckt sind, ein besonderes interesse beanspruchen
die beiden maier, von denen Gabriel, maier, der Schwager des
ahtes, zwei gute und zwei lagerkäse nebst einem fässchen senf
erhält, während dem Ulrich, maier, zwei lagerkäse und ein fässchen
senf zu teil werden, bis 1476 kommen beide in den Verzeich-
nissen vor; 1493 erscheint nur meisler Gabriel, der auch 1502
noch beschenkt wurde. ^
Der geschlechtsname ist nach damaligem brauche nicht an-
gegeben, aber ich halte es doch für zweifellos dass dieser meister
Ulrich, maier zu München, mit dem dichter identisch ist, der sich
Ulrich Füetrer, ein maier zu München nennt und in Tegern-
see malte.
Füetrer stand also mit Tegernsee in Verbindung, und durch
die feststellung dieser tatsache tritt eine längst bekannte Urkunde
in ein ganz anderes licht, das original scheint verloren zu sein,
indessen ist der inhalt durch den abdruck Günthners (Geschichte
der litterarischen anstalten in Bayern ai296, auch unter deni
titel: Was hat Bayern für künste und Wissenschaften getan i,
München 1815) erhalten und lautet:
Ad annum 1465^ 44 & dn. Maister Ulrich pro picturis capeUae
S. Andreae et capeUae annexae, item stubarum et item Solariarum.^
^ dass diese scheDkungeo zur Weihnachtszeit gemacht wurden, schlielse
ich aus einer notiz (reichs-arch., kl. Tegernsee 185Vs fol. 138'), nach welcher
Gabriel maier zu München 1502 zu weibnachten als erung 1 gwtm, 1 l^er
käiz, 1 senif vässel erhält, dass diese erung kleiner ist als die in den
Verzeichnissen angegebene erklärt sich daraus, dass zu dieser zeit nicht mehr
sein Schwager Conrad, sondern Hdnricos abt von Tegernsee war.
* die Jahreszahl 1455, welche sich in der abhandlung Kluckbobns Über
Ev Wildenberg und UFüetrer, Forschungen z. d. geschichte vu 210 findet,
beruht auf einem druck fehler.
^ Solarium «» erker, söUerzimmer. vgl. dazu die chronik der Tegern-
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STUDIEN OBER ULRICH FÜETRER 273
Wahrend früher die ideatificieruDg dieses meisters mit Ulrich
FOetrer sehr zweifelhaft erschien und eher abgelehnt wurde,
glaube ich jetzt die urkande mit grofser Wahrscheinlichkeit als
ein zeagnis fOr Pfletrer in ansprach nehmen zu dürfen, der-
selbe war demnach 1465 bereits meister und seine kunst scheint
in nicht geringem ansehen gestanden zu haben, da er eine so
bedeutende summe erhielt.^
Ein gemalde der kgl. gallerie zu Schleifsheim (bei Mün-
chen), welches die nummer 322 führt, wird Ulrich FOetrer zu-
geschrieben, es ist sehr grofs, auf holz gemalt, und tragt weder
einen namen noch ein monogramm. auch die gehobelte rückseite
gibt keinen aufschluss Ober den künstler oder die berkunft des
bildes, wahrend der catalog bemerkt, UFOetrer sei der Urheber,
und das werk habe einen teil der Zweibrücker Sammlung aus-
gemacht.
Herr dr Beyerstorfer, der conservator dier gallerie, war so
freundlich, diese beiden puncto zu untersuchen, und teilte mir
mit dass das gemalde, wie aus dem commissionsbericht über die
aufhebung des kloslers Tegernsee zu schliefsen ist, von dort und
nicht ans Zweibrttcken stammt, es hat aber in jenem berichte
nur die bezeichnung * altdeutsch' ohne angäbe eines meister-
namens. letzterer findet sich zuerst in Mannlichs catalog der
Schleifsheimer gallerie vom jähre 1810 und kann nur auf einer
mit dem bilde überkommenen tradition beruhen, da der damalige
stand der kunstgeschichtliehen kenntnisse eine solche taufe seitens
der galleriedirection vollständig ausschliefst
Es ist die kreuzignng Christi, welche dargestellt wird, sechs
gemahe saulen, oben durch gotische, von kreuzblumen gekrönte
giebel veriiunden, teilen das bild in fünf felder, wobei die beiden
anfseren sdimaler sind, als die drei inneren, das aufserste feld
auf der linken Seite zeigt einen bartigen mann, dessen gewand
bis zum boden reicht; unter ihm befindet sich ein zweiter mit
seer äbte, Ptt Thesannis anecdotorom ni3, 54S: Muii depingere Capeliam
tsmeü Andreas apoitoH et aUa.
1 1465 galt das gute pfond pfenoige 4 fl. 12 Vs kr.; 44 pfd. also — 184 fl.
50 kr. «■ 316 mark 98 pfge. vgl. Moffat Beitrige zur geschichte des bayeri-
schen münzwesens , Abhandlungen der k. bayer. acad. xi 1 s. 201 — 269.
Hefners bereehnang 44 pfd. — 2112 fl. ist natfirlich irrig, Oberbayer.
arehiv i 28.
Z. F. D A. XXVn. N. F. XV. 19
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274 STUDIEN ÜBER ULRICH FOETRER
Schurzfell und steinmetzhammer, wäbreod im äufsersten felde
rechU ein ritter in vollem barnisch und darunter ein priester
gemalt ist. die mittleren drei felder, welche breiter sind, bilden
gleichsam tore, durch welche man die kreuzigung erblickt, so-
dass durch jedes tor ein kreuz sichtbar wird, links hängt der
eine Schacher am kreuze, davor sieht man die hl. Veronica mit
dem schweifslucbe. im mittelsten felde erscheint der heiland,
und Longinus, dessen blindheit durch geschlossene äugen an-
gedeutet wird, hält die band an der lanze, welche sein genösse
Christo in die seite stöfst, während die frauen im Vordergründe
um die ohnmächtige Maria beschäftigt sind, in dem rechts davon
befindlichen felde ist der andere schächer gekreuzigt, und davor
würfeln die kriegsknechte um Christi kleider.
Das bild, dessen darstellung im einzelnen noch recht steif
ist, scheint in der weise der älteren technik durch schichten-
weise übermalung hergestellt zu sein, es ist grau in grau ge-
malt; nur die haare sind lichtblond gefärbt und die nackten kOrper-
teile ganz leicht coloriert. diese art, grau in grau mit leichter
colorierung der kOrper zu malen, habe ich in keinem anderem
bayerischen gemälde finden können, und auch die miniaturen,
welche in Bayern entstanden sind, zeigen meines Wissens nichts
ähnliches; dagegen trifft man diese manier in niederrheinischen
miniaturen. eine rahmenmalerei in gotischem stile anzubringen,
war bei den alten bayerischen meistern sehr beliebt; zb. zeigen
die bilder Holbeins des älteren in München und Nürnberg eine
reichliche Verwendung derselben und ebenso zahlreiche sigiile.
dieser gebrauch architectonischer kunstformen in der maierei be-
ruht auf dem einflusse niederländisch -rheinischer kunst, welche
besonders in Tournay (vgl. Crowe und Cavalcaselle Geschichte
der altniederländischen maierei, bearbeitet von Springer, 1875,
s. 14 anm.) diese richtung verfolgte, wie leicht von da aus eine
einwürkung auf die bayerischen maier möglich war, ergibt sich
aus dem umstände, dass Holland und Hennegau unter bayerischem
regimente standen und von herzog Johann beherscht wurden,
welcher den berühmten Jan van Eyck vom october 1422 bis ende
december 1424 in seinem dienste hatte.
Da eine directe angäbe zur bestimmung der zeit, in welcher
l^üetrer das besprochene gemälde verfertigte, nicht vorhanden ist,
so wage ich den versuch, auf indirectem wege zu einer datierung
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STUDIEN OBER ULRICH FÜETRER 275
zu gelangen, die beiden im aursersten felde rechts befindlichen
gestalten, ritter nnd abt, halte ich entschieden für die beiden
gründer^ des klosters Tegernsee, Otkarius und Albertus, und
dieser umstand weist wol darauf hin dass das gemflide sich an
der stelle befand, wo dieselben begraben waren, bis 1445^ ruhten
ihre gebeine in der capella SAndreae, allein in diese capelle ge-
hört das bild gewis nicht, weil es ja die kreuzigung Christi und
keine scene aus der vita SAndreae darstellt, im genannten jähre
wurden die Überreste der beiden in den chor vor den hochaltar
gebracht atque in arcka ad hoc ordinata sunt candiia et ut <tc in
soeriitia per annum et amplim reservata, tandem ad Ecdesiam
majorem ante aitare S. Crucis cum omni diligentia in novo se-
pulehro posita sunt, ibique dum annis xiiii^ repaiussassent , Abbas
venerabilis Caspar ea ampliori censuit honore decoranda. Unde
cum ingenti desiderio summoque studio nee non maximo pretio
pretiosum sepukhrum de marmore rubeo, quod ad praesens eemitur,
fieri disposuit, in guo et ossa praedieta cum reverentia condigna
reponere curavit, ubi et haetenus recondita manent. auf dem hoch-
altar kann das gemälde auch nicht gestanden haben, denn dieser
altar war der dreifaltigkeit, den aposteln Peter und Paul und dem
hl. Quirinus geweiht.^ es gehörte also dem altar SCrucis an,
wozu der inhalt des bildes, die kreuzigung, trefflich passt, und
damit ist 1447 als terminus a quo gegeben, wir können aber
noch weiter gehen, das marmorne grab wurde, wie dessen in-
^ die geschichte der grüoduos gibt Füetrer in seiner Bayerischen
Chronik, cgm. 225 fol. 26 — 29, indem er dem Garibaldas folgt : nach dem
tode Hartwigs, dessen gemahlin die erbtochter von Bnrgnnd gewesen war,
regierte Albertus, sein sehn, in Bayern, dessen brader Otkarius erschlug
beim Schachspiel den söhn des französischen königs Pipin und blieb zwar
dank dem klugen benehmen des Albertns ungestraft, allein zur sühne baute
er mit seinem bruder das kloster, in welchem Albertns abt, er selbst aber
laienbmder (frater conversus) wurde, vgl. die etwas abweichende darstel-
luog in der chronik der Tegemseer §bte bei Pez Thesaurus m 3, 544.
Chronik des bmder Andree ed. Freyberg Sammlung bist. Schriften n 385.
' Tgl. die Chronik der Tegemseer äbte bei Pez aao. 543. besser er-
halten ist die betreffende stelle in den bruchstäcken der chronik ed. Oefele
Script rer. Boic. i 632.
* diese zahl beruht wol auf einem fehler; vermuüich ist vm zu lesen,
was auf das Jahr 1456 führt.
^ YgL die Annotationes consecrationis ecciesiae Tegernseensis bei Pez
Thesaoms m 3, 575.
19*
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276 STUDIEN ÜBER ULRICH FOETRER
Schrift 1 sagt, 1457 durch meister HaoB gteinmetz tod München
vollendet, welcher Oberhaupt die sehr ausgedehnten baulichen
Veränderungen unter abt Caspar geleitet zu haben scheint ^ diesen
kttnstler haben wir doch wol in dem manne mit scburzfell und
Steinmetzhammer zu erkennen, welcher im ersten felde von
Fttetrers gemälde dargestellt ist. ob die darüber befindliche figur,
der mann im langen gewande, abt Conrad ist, den man wol
als zweiten gründer des klosters betrachten kann, wage ich nicht
zu entscheiden, daraus, dass der Steinmetz Hans auf dem bilde
erscheint, ergibt sich dass dasselbe nicht vor 1457 und
höchst wahrscheinlich auch nicht später entstan-
den ist. wenn sich nachweisen liefse -^ doch das scheint bei
dem jetzigen zustande der klosterkircbe unmöglich zu sein —
dass die kreuzcapelle die capeUa a$mexa der Andreascapelle ge-
wesen sei, so konnte vermutet werden, die bezahlung für dieses
gemälde sei in den 44 pfund inbegriffen, welche Füetrer zu folge
der von Günthner überlieferten, oben mitgeteilten notiz des Te-
gernseer ausgaberegisters 1465 erhielt
Der fürstliche kammerschreiber Matheus Prätzl notiert in
seinem ausgabenverzeichnis zum jähre 1468 (Westenrieders Bei-
träge V.203): Item Ulrich Mafier, als er etUA fronen gdaden het,
da herzog Sigfnund von ositerreieh hie was, darob sy Wein heften
getrunkhen an sunwent abent Summa 1 /?. (also am 20 juni). ich
denke mir dass kunstliebende hofdamen, die mit herzog Sigmund
gekommen waren, Füetrers atelier und seine arbeiten zu sehen
^ Chronik der Tegernseer äbte , Pes aao. 544, wo quadrinpie wol ffir
quadHngeno verlesen ist:
Anno ndlieno quadringeno quingeno iepteno
Pott ineamatum Dm. vwbum virgine nahtm
Hoc gubemante monatierium ac renovante
Caspar Abbats lapU perfieitur iste,
^ vgl. Westenrieders Beiträge 1 389 Extract ex chartis Tegenneeosibns :
Ich Maisier Hanme Stainmetz Burger %u München Bekenn offenHeh mit
dem Brieve für mich vnd all mein erben alt wm solioker Schuld wegen^
so mir der Erwirdig und gaUtUeh Herr Herr abbte des got»haus T&-
gemse schuldig worden ist umb arbait mit Namen 230 Pf, und von CrawU-
gangk vnd vom Capitel ze gewelben. Item 58 PfUnd umb die Pild alle in
dem geslueL Item MQ Pfund umb der Stifter grab. Item 18 tt
umb ain Parmherzigkait und Crucifix, Dasz mich der obgenannt wuin
gnediger Herr der obgemelUen schuld aller gar und ganzHeh berait aus-
gericht und zali hat etc. besehehen aufSuntag vor Sand Feiekls tag 1460.
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STUDIEN ÜBER ULRICH FÜETRER 277
wünschten, wobei ihnen dieser nach guter, alter sitte einen trunk
wein vorsetzte, welcher dem armen maier dann aus der herzog-
lichen kasse vergütet wurde, seine kunst sdieint also damals
sdir geschätzt worden zu sein.
Herr hofrat dr Trautmann hatte die gute mir mitzuteilen
dass der schone turm^ in München um 1480 von Cröll mit
einer uhr versehen und von Nittenauer mit flguren bemalt wurde,
wahrend Füetrer dessen sprenggewülbe mit färben schmückte,
leider konnte er mir die quelle dieser notiz nicht mehr be-
zeichnen.
Seit 1426, in welchem jähre Caspar Ayndorfer abt zu Te-
gernsee wurde, war die Verwilderung der sitten, die daselbst wie
in anderen klöstem überhand genommen hatte, wider einem regen
interesse für litteralur und kunst gewichen , sodass Albredit in
diesen energischen abt zu Visitationen der klOster seines landes
abordnete, unter seiner herschaft wurden in Tegernsee neue ge-
baude aufgeführt, die alten, von denen manche mit dem einsturz
drohten, renoviert, die klosterschule nahm einen neuen aufschwung
und viele gelehrte zierten das gotteshaus, darunter auch Conrad
Ahrinsmaltz; der dann von 1461 — 1492 die stelle des abtes be-
kleidete, das begonnene schön fortführte, stets viele künstler be-
schäftigte und grofse summen für die beschaffung von hss. ver-
wendete.
Der meister Gabriel, welcher im register der Tegernseer
weihnachts-erungen erscheint, war sein schwager und hiefs mit
seinem vollen namen Gabriel Mächleskircher, maier und
hürger zu München, er malte wol noch mit Füetrer zusammen
in Tegernsee und manche seiner bilder sind uns erhalten, so
bewahrt zb. die Schleifsheimer gallerie eine kreuzigung Christi
von ihm, welche in der gruppierung dem bilde Füetrers ent-
spricht, indessen fehlt die anwendnng architectonischer kunst-
formen, und statt grau in grau zu malen, schmückt der künstler
sein weit besser ausgeführtes gemälde mit lebhaften färben.
In den weihnachts-erungen erscheint er, soweit sie uns er-
halten sind, in jedem jähre (1465, 1466, 1471, 1476, 1493). —
1468 erhielt er eine Zahlung von 5 gülden rh. von seite Albrechts iv
(vgl. Westenrieders Beiträge v 204). — von 1472 — 1478 malte
1 er befand sich zwischen der Kanfinger nnd der Neuhaoaer strafse,
-wurde 11S7 erbaut und 1807 abgebrochen.
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278 STUDIEN OBER ULRICH FOETRER
er 14 gemalde für die Tegernseer altftre, jedes für 90 gülden rb.,
und zwei kleine bilder für je 10 gülden (Westenrieder i 390.
Pez Thesaurus in 3, 587). — 1475 nennt ihn eine Urkunde:
So hab ich benante Veronica sein hausfraw gepetm vnd erpetm
dm erbem vnd toetsen Gabridn mäledcircher des Rats vnd purger
%u) München usw. und darauf noch einmal : des benanten Gabridn
mäleskircher Insigel (reichs-archiv, 62 fasc. kl. Tegernsee). er war
also zu dieser zeit im rate.
1481: Den kauff haben gemacht die Brsamen Mayster gabriel
mdchkukircher , hanns frölich, payd mähr %w Mündern (reichs-
archiv, 25 fasc. München Stadt). — 1484: Gabriel Maeiaskircher,
civ. Mon., mitglied des äufseren rates (Mon. Boica xxxv 2, 419). —
1502 empfieng er als weihnachts-erung vom kloster Tegernsee
1 gwiten, 1 %er käs%, 1 senif vässel (reichs - archiv, kl. Tegern-
see 185V2 fol. 138*).
Wie Füetrer mit dem herzoglichen hofe zu München be-
kannt wurde, ist nicht gewis. er könnte wol von dem kunst-
sinnigen Albrecht iv, der ja auch einen hofmusikus, den Conrad
Paumann ^ hatte, als hofmaler engagiert und nachher zum histo-
riker gemacht worden sein, wahrscheinlicher ist es mir dass
ihn der durch seinen Ehrenbrief bekannte Jacob Pütricb
von Reicherzhausen^ einführte, derselbe ist nachzuweisen
für die jähre:
1440 (Mon. Boica xvui 422). — 1441 (MB x 171). — 1442
wurde er von herzog Heinrich als richter in den Landshuter rat
geseut.3 — 1447 (Oefele Script, rer. Boic. ii 320). — 1451 (MB
XIX 291. XX 383). — 1462 schrieb er den Ehrenbrief. — 1465
und 1466 erscheint er in den Tegernseer weihnachts-erungen
an Münchner einwohner. — 1466 (märz) wurde er nebst dem
hofmeister Veit von Egloffstein und fünf anderen raten den
herzogen Sigmund und Albrecbt iv zur seite gegeben.^ — 1471
1 über diesen damals berühmten blinden musiker und freond Ffietrers
vgl. Oefele ScripL rer. Boic i 539 anm. und Gflnthner Was hat Bayern für
Wissenschaft und künste getan i 30t— 903.
* cod. Palat dclxxvi (Wilken s. 5t8) enthfilt eine privatgeschichte
Putrichs, die mir leider nnsagingiich ist.
' vgl. Joannis Vetteri Fasti consnlares Landshatani, Oefele aao. n 761.
Landshnter ratschronik, Stadtechroniken xv 285.
* vgl. den compromiss-spmch bei Krenner Bayer, landtagsverhandlnngen
V 165—193. Hefner Oberbayer, archiv xin 245.
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STUDIEN OBER ULRICH FÜETRER 279
wird sein name vom register der weihnachts-erungen nicht mehr
genannt; da er 1400 geboren wurde, ist wol anzunehmen dass
er damals bereits verstorben war.
Pütricb befand sich also in seinen späteren lebensjahren zu
Manchen und stand in engen beziehungen zum hofe. als herzog
Albrecht iv, der an den alten riUergeschichten so grofse freude
hatte, ans rüder kam (8 sept. 1465), da mochte dem greisen
manne das herz wider jung werden, wie oft hatte man seiner
leidenschaft für das alte höfische wesen, den minnedienst und
die verstaubten ritterbttcher gespottet, ihn nach einem buch gar
alUe geschickt, und wenn er frohlockend ankam, so muste er
erfahren dass die herren vom hof nur spafs mit ihm getrieben
hatten, jetzt wurde das anders; jetzt kam er zur geltung. er
nahm sich Pttetrers an und fand in ihm einen aufgeweckten,
talentvollen schQler, der sich mit liebe und begeisterung in seinen
gedankenkreis hineinlebte, ihn machte er zum erben seiner lit*
terarischen kenntnisse und lehrte ihn auch die kunst, so edle
verse zu dichten, wie sie der höchste von allen poeten Wolfram
von Eschenbach im Jüngern Titurel, dem Haubt ob Teutschen
fueckm, als leuchtendes vorbild hingestellt habe.
Dass sein Verhältnis zu Fttetrer^ in der tat so aufzufassen
ist, glaube ich wahrscheinlich machen zu können, wie Pütricb
in seinem Ehrenbriefe str. 100 (Zs. 6) den Jüngern Titurel nach
der allgemeinen ansieht seiner zeit Wolfram zuschreibt, so tut es
auch Füetrer, und es war wol die hohe Verehrung dieses Werkes,
welche Pütricb hegte und so begeistert ausspricht, die in ihm
den gedanken reifen liefs, auf diesen grundstein sein Buch der
abenteuer zu bauen und die Titurelstrophe als form zu wählen,
auch im anbringen seines akrostichons lehnte er sich an Pütricb an.
Man hat nämlich bis jetzt übersehen dass der Ehrenbrief von
Strophe 5 — 47 ein akrostichon enthält, welches offenbare cor-
ruptelen aufweist, nach Karajans ausgäbe lautet es: Möckt Hidi
Gebaren Von Baspm PfaU% Graf Im Bey Rain Ercz Herezogin In
Ositerreieh Mueuer Halb Vor Safft Pfui Ein EnickU Des Römi-
Bchen Khunig Rue Brächt Ynnd Tochter Pasz Lud SolA ain Pfalcz
Graf Bey Otting Rhein Herizogin Von Ir In In Bayern.
Mechtild (1419 — 1482) war die enkeUn Ruprechts iii, der
^ Docen dachte schon an eine beziehang Pütrichs so Füetrer. Wiener
JahrbQcher der litterator 1821, xv 68.
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280 STUDIEN OBER ULRICH FOETRER
am 20 august 1400 zum deutseben kOoig gewählt, am 6 jan. 1401
zu Köln und am 14 nov. 1407 zu Aachen gekrönt wurde, ihr
Tater war Ludwig lu der bärtige, der sich am 13 juli 1402 mit
Bianca , der tochter kOnig Heinrichs iv von England vermflhlte.
nach deren tode (21 mai 1409) gieng er die zweite ehe ein
^0 nov. 1417) mit Mathilde, der tochter des grafen Amadeus von
Savoyen, welche die Mechtild gebar und den 14 mai 1438 starb,
am 17 oct. 1434 nahm Mechtild den grafen Ludwig von Wirtem-
berg zum gatten, der ihr am 24 sept. 1450 durch den tod ent-
rissen wurde. 1452 gab sie Albrecbt vi, erzherzog von Öster-
reich (t 1463) die band.
Ich wage den versuch das akrostichon zu emendieren. str. 12
ist In zu lesen. — str. 21 muss Von gesetzt werden, und viel-
leicht gestattet die hs.. Vor als unrichtige lesung Karajans auf-
zufassen, da nach dessen vorbericht « und r, e und n schwer
darin zu unterscheiden sind. — str. 33 Pa9» stOrt das akrostichon;
es ist dieser Strophe somit eine andere stelle zuzuweisen. —
Str. 35 Solch passt nicht und es ist mit Sicherheit zu conjicieren
Wiglicken (wigUdior sc&tmp/«« turnier). — str. 40 muss an eine
andere stelle gehören. — str. 45, 46, 47 geboren dem sinne nach
zusammen und zwar ans ende des akrostichons. das erste der
beiden auf einander folgenden In muss den schluss eines titeis
bilden, und da bietet sich nur Her%og[in] str. 42, welches ein
in annehmen kann, indem das schon dastehende als nicht zum
akrostichon gehörig betrachtet wird.
Ober die Stellung der str. 33, 40, 43, 44 bin ich mir trotz
sorgfältiger prüfung nicht klar geworden, die stichworter ergeben
nur einen sinn, wenn man ordnet: 33, 44, 43, 40. Pasz ir von
Otting mm base der grafen von öttingen. mit diesen war aber
Mechtild meines Wissens nicht verwandt S denn dass Adolf der
einfilltige, der grofsvater Ruprechts in, eine gräfin von öttingen
zur gemahlin hatte, wird niemand herbeiziehen wollen, die
betretTenden Strophen können nicht für interpolationen erklart
werden, und es ist auch nicht glaublich dass Strophen ausge-
fallen seien.
Das akrostichon lautet also: Möchthidt geboren von Bayr^,
¥fdU%girafin bey Rom, Ertshertzogin in Ositerreich, muetterhalb
^ vgl. Oefele Materialien zur öitin^ischen geschidite iv 1474. Strelin
Genealogische geachichte der grafen von Öttingen, 1799.
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STUDIEN OBER ULRICH PÜETRER
281
vm Safftpfui, ein Emckhl des römischen Khunig Ruebrächi vnnd
TodUer Ludwig ain PfMzgraf bey Rhein [Pasz ir von OUing],
Bertxogin tu Beyern,
Füetrer setete sein akrosüchon, wie Pütricb, aus Worten und
nicht aus initialen zusammen und liefs ebenfalls einige nicht dazu
gehörige Strophen vorausgehen, bei zwei wOrlern, die sowol bei
Patrich als bei Fttetrer im akrostichon stehen, ist eine nach-
ahmung in der anbringung kaum abzulehnen.
Patrich Füetrer
9 Bayrn, Sdiwabm vnd Frm- 1% 5 Bayren, Schwaben, Fran-
ckhen
seindt biUich des gepundten
usw.
U Graf RUter vnnd khnechte
wie das in ZOhten leb usw.
cken,
Karlingen, provetUzal usw.
auch
r,9 Graf Ritter vnd
chneehte,
Die kunste sich verstandt
usw.
AufTaliend ist auch die stelle, wo Wolfram von Eschenbach
gepriesen wird:
100 Das nie sein gleich ward
funden in aüen Sachen
Mit Ticht so gar durch feinet
Als in dan hat Wolfram von
Eschenbachen,
1^, 8 Von Eschenwach des ticht
was so durchveinet,
Alls für de}% tziegel der
Jochant,
Allso seinkunst ausann-
dem tichten sdmnet.
Wenig beweist die gleichheit einzelner gedenken, zb.:
23 Sollt mich das Alter also 137^2 £r iach so sey gegrüesset
thun nit khrenckhen,
lanndt, pürg vnd auch
dy etat;
der luft ist mir gesHesset,
der mir zugegen von der
kewschen gat.
Eine enge Verbindung mit Pütricb beweist am besten die
innige Verehrung, die Füetrer für den längst verstorbenen hegte ;
es ist rührend, wie er str. 6% 7 wünscht, gleich Medea das alter
Teijüngen zu können , denn dann war auch Jacob pUtrich mir
genesen.
So müest der windt mich
freuen hertzelichen,
Der von dem Landt thuet
wäen
Dar Innen da wonnth die
her Ufbelichen.
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282 STUDIEN ÜBER DLRICH FCETRER
Auch dr Johann Hartlieb S Albrechts ni und nachher
Sigmunds leibarzt, hat auf Füetrer eingewürkt. die gelehrten
werke, welche der dichter als zeugen für die Wahrheit der ge-
schichte Meriins anruft, entnahm er den Übersetzungen Hartliebs,
auf welchen wol auch seine manier zurückgeht, verse über die
Planeten an die spitze mancher gedichte, besonders des Lanzdot
zu stellen.^ der herzogliche leibarzt war mit dem höfischen epos
wol vertraut, da er ja am hofe Albrechts vi von Österreich ge-
weilt hatte, dessen gemahlin die oben erwähnte Mechtild war,
und er hat vielleicht persönlich den talentvollen Füetrer in seinem
streben nach höherer bildung unterstützt.
Hartlieb erscheint 1465 und 1466 im register der Tegern-
seer weihnachts-erungen und ist nach Oefeles angäbe noch 1471
nachzuweisen; da er aber in dem register 1471 nicht mehr vor-
kommt und 1474 als verstorben bezeichnet wird, Ittsst sich mit
ziemlich grofser Wahrscheinlichkeit schliefsen dass er gegen das
ende des jahres 1471 gestorben ist.
Bei der abfassung der Bayerischen chronik mag Füetrer
manchmal in den fall gekommen sein, sich beim herzoglichen
hofmeister Jörg von Eysenhofen rats zu erholen, er er-
wähnt ihn mehrmals und bittet den herzog, was etwa in der
Chronik versäumt sei, durch ihn bessern zu lassen, da er in
diesen Sachen vast pas berichtet sei als er selbst (Würthmann
Oberbayer, archiv v 52).
Am 25 november 1460 nahm Eysenhofer am brautzuge der
Prinzessin Elisabeth von Bayern zu Leipzig teil, als sie sich mit
herzog Ernst von Sachsen vermählte (vgl. Hasselholdt-Stockheim
Albrecht iv, Leipzig 1865). — 1465, 1466, 1471 erwähnen ihn
die Tegernseer weihnachts-erungen. — 1475 (Rotter regesten,
Oberbayer, archiv xui 325). — 1476 (weihnachts-erungen; Mon.
Boic. VI 466).
1481 finde ich ihn zum ersten male hofmeister betitelt (HB
VIII 312. IX 337). — 1483 ist er in einem Ingolstadter turnier-
^ über ihn vgl. den trefflichen artikel Oefeles in der Allg. dentochen
biogr. X 670-672.
' vgl. die noiiz über den Wiener codex, welcher Hartliebs Kriegsbuch
enthUt, in Hoffmanns Verzeichnis der Wiener hss. ccxix. der allegoiische
eingang des Lanzeiot scheint von Htrtliebs Bach der liebe beeinflosst zu sein.
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STUDIEN OBER ULRICH FÜETRER 283
auBSchreiben unterzeichnet^ (ferner Mon. Boica xmi 591). —
1485 (MB m 220). — 1486 nennt er sich zum ersten male
Jdrg wm Byumhofm xto EysoUtmed Hofmeister (HB xtui 600.
601). — 1493 erscheint er nicht mehr als hofmeister (weihnachts-
erungen). in diesem jähre wurde er nebst zwei grafen pate des
vierten kindes Albrechts iv, des herzogs Wilhelm, geb. 13 nov.
1493 (Füetrers Chronik, fortsetzung, Oberbayer, archiv v 84). —
1496 (MB xym 633). — 1497 nennt er sich herzog Albrechts
aUen Hofmeister (MB xx 379). — 1498 soll er nach Wig. Hund
I 196 gestorben sein, und in der tat ist er spflter nicht mehr
nachzuweisen, seine frau, eine geborene Layminger, wurde mit
zwei anderen vornehmen frauen 1488 die patin des ersten tOchter-
chens Albrechts iy Sidonia (fortsetzung von Füetrers Chronik,
Oberbayer, archiv v 83).
Füetrer erwähnt Eysenhofer auch im Buch der abenteuer
74*, 5:
Bwr gnad der mangen vindet,
das ich red vngmött,
der sidis auch vnderwinnd^
das ich sdugm kunsthdib sten vor im gerött.
Jörg von eysenhouen ist der aine
Vnnd Änndre hesenlocher;
für ioar sein ticht an künsten ist nicht klaine,
die Münchner papierhs. nr 247 liest: für war i ticht an künsten
üt nkkt dains. dass Eysenhofer gedichtet habe, kann ich durch
nichts bestätigen, doch ist wol die letztere lesart zu bevorzugen ;
er braucht deswegen noch nicht als dichter betrachtet zu werden.
der herzogliche hofmeister war Füetrer an wissen überlegen, und
der bescheidene dichter nennt ihn daher in erster linie, als einen,
dtf alles besser zu machen verstehe, als er.
Von Hesenlocher^ hat Uhland in den Volksliedern ein
gedieht (nr 249) herausgegeben und seite 1026 einige notizen
daran geschlossen, welche er nachher erweiterte (Schriften iv
222 — 230). er nennt den dichter Hans, was auf Hunds Stam-
menbuch m (Freyberg Sammlung bist. Schriften lu 378 — 379)
* gedruckt in der vonede zu Wig. Hunds Bayerischem stammenbuch,
iogolsUdt 1598.
* vgl. LZenker in Hoimayrs Taschenbuch 1S31 s. 238 — 245. Bartsch
Allg. deutsche biogr. xn271.
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284 STUDIEN ÜBER ULRICH FOETRER
zurückgebt I wo Hans Heseloer als verf. vieler sdioner teutsehmr
laAerlüher und artUcher Ueder angeführt wird, indessen hat Hund
den Vornamen nur aus dem gedichte ^Hänsl Heseloher, wie lang
wilt leppisch sein' erschlossen, und da Fttetrers angäbe ungleich
gewichtiger ist, muss es für wahrscheinlich gehalten werden dass
die betreffenden Ueder wenigstens zum teil dem Andre zuzu-
weisen sind, das wird durch eine notiz bestätigt, welche ich im
nachlasse Schmellers (Schmelleriana 59, 20) gefunden habe, wo
gesagt wird dass die Jungfrau von Holnstein, der zu ehren Hesen*
locher ein tagelied dichtete (vgl. Uhland Schriften iv 223), seine
braut gewesen sei.^ nun erscheint aber als frau des Hans in
den Urkunden eine Anna Schondorferin von PÜ; ihm kommt
also wenigstens das betreffende gedieht nicht zu.
Die Ueder haben einen frischen, volksmäfsigen , nicht zu
derben ton und halten sich fern von allen unsittlichen spüfsen.
aus der ehrenvoUen erwflhnung bei Fttetrer ist zu ersehen dass
diese Ueder sehr beliebt waren und auch am hofe gern gehört
wurden, für die Hesenlocher kann ich folgende urkundUche
nachweise geben.
1416 Nicias H., richter zu Wolfratshausen (MB u 71). —
1455 Andreas et Johannes fratres de Heseloch (MB vm312). —
1469 Andre H., der zeit pfleger ze PäU (MB x 286). — 1471
Andre H., die zeit pfleger zu Pfll, sein bruder Hans, landrichter
zu Päl und der Stadt Weilhaim, beurkunden dass ihnen und ihren
eitern Niclasen H., die zeit landrichter zu Wolffertzhausen, und
Margreten seiner hau^rau ein leibgeding vom Tegernseer able
verliehen worden sei.^ — 1472 Hans H., land- und Stadtrichter
zu Weilham (MB x 189). — 1493 Andre H., Hans H. und seine
hausfrau Anne (MB viii 350).
Fol. 2^, 4 warnt die frau Abenteuer den dichter beim he-
' das betreffeode Jied beginnt nicht Tanzen hei ich mich vermessen,
wie Uhland aao. s. 226 vermutet, sondern Es taget von dem HoUenstain,
Schmeller überliefert diesen anfang; ihm war das lied also bekannt, nnd
ans dessen Inhalt hat er ohne zweifei schliefsen könneii dass die gefeierte
des dichters braut gewesen sei.
' vgl. die im anhange abgedruckte Urkunde, nach Zenker sollte Andre
1470 gestorben sein; ebenso sind Hunds (Freyberg Samml. bist sehr, m 379),
Ühlands (Yolksl. s. 1026) und Wackemagels (Litt, gesch. i 384 anm. 7) an-
gaben zu berichtigen, nach welchen Hans H., pfleger su Pil (sie!), 1470
gestorben wire.
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STUDIEN OBER DLRICH FOETRER 285
ginne seines Werkes, dem er, wie er selbst gesteht, nicht ge-
wachsen sei:
Erchennstu kuentx$n harna$eh wol?
Also toirt man dein vor dm weyien heh$n.
In einer Ordnung herzog Albrechts iv an seinem hof ^ erscheint
unter dem gesinde Cont% hamoich, welcher offenbar der hofnarr
herzog Albrechts war. Knntz war ein gebranchlicber name von
narren, und wie der betreffende zu seinem beinamen kam, ist
leicht ersichtlich aus Hesenlochers gedieht (Uhland Volksl. s. 654),
wo es heifst: der haiur hetan am panner, der mit ir uwibher trat.
es liegt darin ein nachklang des höfischen spottes über die bauem,
deren plumpe nachäffung der ritterlichen sitten in Neidhartscher
weise zu einem komischen effecte benutzt wird.
140% 8 sagt Füetrer:
Und dae der piperl kette
sperpreehem söllichm muet,
aUs flordmar pflog stete,
idi sprich mein kern es war nicht all zu guet;
der forst sto m ml übel u^r gewmndet,
liUxel pawm dörfft man da von,
er Met m am mit thioste schier versehwmndet.
In einer Urkunde des klosters Beuersberg vom 28 februar
1482* erscheint unter den zeugen Thomas Pipperl, des herzogs tür-
huter. dadurch wird es uns möglich, die komische würkung dieses
Intermezzos auf die zuhOrer einiger marsen nachzuempfinden.
Fol. 21^ 9 schilt der dichter die frau Minne, weil sie den
Uterpandragon minnesiech gemacht hat, sodass er trotz seines
hohen alters noch im dienste der herzogin von Tintayol turniert.
sie antwortet ihm hohnisch:
21% 2 An not dein haupt du prichest,
merdun wol all die weysm,
Vnnd waist nkkt was du richest
Vnd machst ditk selb in dem schopffe gre^sm.
Wann du kennst weder mywn noch mynne lone;
Zewch hin dm dawm %w amer myet
Ynnd far mit deinm werttm ßrbas schone.
* reichs-arcbiv, füratensachsen ii. specialii lit. G, fasc. xxvi.
* Beoenberger regeatan aas den excerpten biacfaof Eckhera, Oberbayer.
arehlT Tni266.
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286 STUDIEN ÜBER ULRICH FOETRER
»
Du möchst doch fitege Urm
Von pretzel dem campan,
der ye die rnipm M eren,
dqrumb mynn mit mynne im das Ionen kan.
er ward der mynne kempf noch ye gefunden;
dar wider mä deinen wofiten scharff
pistu mein wider sack zu aUen stunden»
Matheus Prätzl war fürstlicher kammerschreiber (vgl. Westen-
rieders Beiträge v 201) am bofe Aibrechts iv, und von seinen
ausgaberegistern sind uns diejenigen für 1467 und 1468 be-
kannt. 1492 erscheint mit dem titel rentmeisterin seine frau
(fortsetzung von Füetrers Chronik, Oberbayer, archiv v 84), eine
geborne Kneblin, welche nebst zwei andern Yornehmen frauen
die patin des dritten kindes herzog Albrechts wurde, das Sabina
hiefs. sie wird an der betreffenden stelle nicht witwe genannt,
während es stets angegeben wird, wenn eine der patinnen ihren
gemahl verloren hatte; Prätzl lebte also 1492 noch als rentmeister
des herzogs. es lässt sich denken dass er zu der zeit im be-
griffe war, sich zu vermählen, als der schalkhafte dichter die
obigen verse schrieb.
Als Füetrer sein Buch der abenteuer zu dichten begann,
war er verheiratet und hatte mehrere kinder, wie er selbst bei
der beschreibung des kampfes von Melerans und Tursian mit
Libers und Maculun sagt:
103\ 1 Schnell widerumb sich wandten
Dy heUden gen dem punder;
Zway anndre sper zerrandten
Si aUso gar, AteT mein fraw söUcher zilnnder.
Ich törfft ir spreyssen dainer nymer machen.
Ja wann si durch ir mäien muet
Ob reschem fewr mir krapffen haüs wil pachen.
Bei der Schilderung des turniers, welches Artus nach der
Verlesung der sprttche des brackenseils hält, drückt sich der
dichter so aus:
27^, 2 Ob manigem ritter eddn
sach man mit varben glantz
Vil reicher zimierd wedeln
ob Hechten hellmen; ich woUt den vierlevantz
mit meim genossn nach sanck vil lieber tretten,
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STUDIEN OBER ULRICH FOETRER 287
denn ich in iiser hertte
soUi sein In mitt, ich trawt mich nü erretten.
Doch handt mein vodem seUteti
mü $öüicher not gerungen;
Wien ich nach ainem zelUen
an ainer spent nicht tod oder hartt gedrungen,
so darf ich sorgen klayn sölicher frayse,
das in Tumierens dicke
Ich mein kindt nymer mach zu wayse.
Ober Füetrers todesjahr lässt sich leider nichts bestimmtes
auftsagen. da er 1493 im register der Tegeroseer weihnachts-
erungen nicht mehr erwähnt wird, konnte man vermuten, er
sei damals bereits gestorben gewesen; Sicherheit bietet dieser
schluss aber namentlich deswegen nicht, weil seit 1492 ein
anderer abt in Tegernsee regierte, welcher manche früher be-
schenkte aus den listen strich, doch ist Füetrer sehr wahrschein-
lich noch vor dem beginne des 16 Jahrhunderts gestorben, worauf
ich bei anderer gelegenheit zurückkommen werde, meine ver-
suche, ihn später nachzuweisen, sind erfolglos geblieben, doch
darf ich nicht unterlassen, eine auffällige stelle zu erörtern.
Im kgl. reichsarchive werden ausgaberegister des klosters
Tegernsee aus den jähren 1512—1524 aufbewahrt und darin
steht fol. 10 auf einem eingefügten blättchen:
1512 Item xlii gülden Rh. recepit frater ulricus ad mo-
nacum ad emendum feiles et atia feria sexta post ascensionem. —
Item L kMfel misimus ad monacum pro pergamento feria sexta
post ascensionem. — Item 30 kalbfel misimus ad monacum an^
Jacobi pro pergamento. — Item x gülden Rh. xl den. haben
fratres Gabriel et Vlricus conversus ad monacum feria
dedma post penthecostes.
1514 (fol. 85') Item Lxm den. pro libeUo aff^ fratri vlrico
artulo anime.
Offenbar ein in Tegernsee wohnender Ulrich ist der folgende:
1512 (f. 7') Item xi Schilling ni den. vmb Irch fratri vlrico.
^ wie es häufig in diesen notizen vorkommt^ erscheint hier ein deutsches
wort mitten im lateinischen satze.
* die beiden ff' sind quer durchstrichen, ich weifs diese abbreviatar
nicht aufzulösen.
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2S8 STUDIEN OBER ULRICH FOETRER
1518 (f. 188*) Item 31 den. fratri vbico ßr %ird nüi%. (f. 196*)
Item XII SMUing xxii den. xemng frattis vlrii^' propter peUes,
1519 (f. 219**) Item 21 den. für 1 glasz fratri vlrico. 1520
(f. 250^) Item n gülden viii creuzer für Irich frater vlricus.
(f. 257**) Item vi SckiUing frater andrea» et frater vbrieus zerung
in monaco. — Item v Schilling frater vlricus verzert in monaeo
propter fratrem philipp usw.
Daneben erscheint sehr oft in allen Jahrgängen ein frater
Vdalricus, dem geld zu allen möglichen einkaufen gegeben wurde;
es ist wol Ulrich Leittner, hofkoch zu Tegernsee, den die Ur-
kunden sehr häufig nennen, während Ulrich Sackrer, probst zum
Thor in Tegernsee, vom ausgaberegister stets beim familiennamen
genannt wird.
Die oben erwähnten fratres Gabriel et Ulrieue canvereui
konnten die Vermutung wachrufen, Gabriel Mächleskircher und
Ulrich Füetrer, die ja beide in Mtlnchen lebten und mit Tegernsee
in naher Verbindung standen, möchten sich in ihrem alter dem
kloster angeschlossen haben; allein conv^sus bezieht sich nur
auf Ulrich, und es ist jedesfalls keine berechtigung vorhanden,
in einem Schreiber Ulrich, der zum Tegernseer kloster beziehungen
hatte, Füetrer zu sehen, von diesem anzunehmen, er sei auch
Schreiber gewesen, ist durchaus haltlos, und sehr bedenklich
erscheint der umstand dass er zu dieser zeit mindestens 85 jähre
alt gewesen sein mQste.
Basching^ berichtet dass am rande des 215 blattes der mit
schönen gemälden gezierten Ambraser handschrift, die an jener
stelle den Erek enthält, die Jahreszahl 1517 und daneben F.F.
stehe, was er auf Ulrich Füetrer als den Schreiber und bemaler
der handschrift deuten möchte, als Schreiber ist bereits ein
anderer nachgewiesen, und wie wenig Wahrscheinlichkeit für
Füetrer als den bemaler spricht, brauche ich nicht zu betonen.
Füetrers leben hat man sich also so zu denken: sein vater,
der zu Landshut lebte und 1410 durch einen geplanten bfli^er-
aufstand einen bedeutenden teil seines Vermögens verlor, liefs
den knaben die lateinschule besuchen und das malerhandwerk
erlernen, zum jüngling herangewachsen, verliefs Füetrer seine
heimat und siedelte sich in Hünchen an, von wo aus er oft nach
dem kloster Tegernsee wanderte, um die von abt Caspar reno-
* Wöchentliche nachrichten n 155. vgl. Pfeiffer Germania ix 381 ff.
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STUDIEN ÜBER ULRICH POETRER 289
▼ierten gebäode mit maiereien zu schmückea. so schuf er wol
um 1457 für das kioster ein noch jetzt erhaltenes gemälde, das
die kreuzigung Christi darstellt, neben ihm arbeitete dann der
zweifelsohne jüngere maier Gabriel Mächleskircher, welcher ihn
bald überflügelte, in den sechziger jähren lernte er Jacob Pütricb
von Reicherzhausen, der sich seiner besonders annahm, und wol
auch den dr Hans Hartlieb kennen and wurde so bei hofe ein-
geführt. 1468 besuchten österreichische hofdamen den künstler.
von herzog Albrecht iv mit der ausarbeitung einer Bayerischen
Chronik beti*aut, vollendete er dieselbe in den jähren 1478 — 1481,
worauf er noch sein Buch der abenteuer dichtete, den prosaischen
und den poetischen Lanzelot verfasste. gestorben ist er wol im
letzten Jahrzehnt des xv Jahrhunderts.
ANHANG.
I. die Tegernseer weihnachts-erungen.i
1465« Vermercket die Erung gm München de Anno Sexa-
gtiifnoquinto.
Item Hofmaister (hat kaüenprvnner autgericht) [eglofstainer].
Itmn Asm Torer Ztoen guet vnd zwen legerkäs ain senifvassei Item
Ewerhart Torer souil. Item Rosler Canntzler souil Item Eysen^
hofer souil Item Smidhanser souil. Item Peter sluder souiL
Item hem Conrad brobst souil (Item Maister Rudolf souil). Item
Maister ernsten souil Item Maister hannsen waptisten souil (vnd
das smaltz). Item Maister Gabrieln maier vnnserm swager souil
[Jacob pitt reich], (voolff waldecker). [Tuemprobst. hanns
sehupff. It. Maister hanns (lieb) hart lieb].
Item Thoman Rudolf ainen guten vnd 1 legerkäs vnd ain
vässel. Item Peter rudolfen souil Item Thoman rostaler souil
Item HaUder souil Item Conrad kantzelschreiber souil Item
Maister Hannsen viechtmair souil Item maister Hannsen kirch-
mair souil Item Yppoliten Apotecker souil Item Wolfgangen
Miehdspecken souil
Item (Hannen) Her Wilhalmen Crätzel iv legerkäs ain vässel
* kgl. kreisarchiv Manchen, repert 33. kl. Tegernsee, fisc. 2 nr 4.
stellen, welche in der hs. dnrchstrichen sind, fasse ich in runde klammern,
während eckige andeuten dass ihr Inhalt nicht von derselben band berrfibrt,
welche die notizen fflr den beireffenden Jahrgang schrieb, di^enigen namen,
welche für meine arbeit bedeutung haben, sind gesperrt gedruckt. — je ein
blatt der hs. enthalt einen Jahrgang und diese einzelnen bl&tter verschiedenen
fonnato sind in spaterer zeit zusammengeheftet worden.
Z. F. D. A. XXVn. N. F. XV. 20
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290 STUDIEN OBER ULRICH FÜETRER
Item Jörgen frashauser sühH Item vngeiUier wemdd souil Item
Jacob zwengin sotul.
Item Hanns Aicksteter zweti legerkäs ain senifvdssel Item
Hanns Taufkircher souiL Item Conrad Grätzel souil, (Item AUt
wager souil). Item Hannsen Part souil. (Item Aisingerin souil).
Item lienhart zingiesser souil. Item Maister Hanns Stainmetz
souil. Item maister Hannsen GoUsmid souil (vnd i guten käsz).
Item Haider Gabridn goltsmid souil. Item Maister Vlrichen
maier souil Item Maister franntzen souil Item Hannsen kalten-
prunner souil Item Matheusen vtiserm wirtt souil Item Maister
Jorgin souil Item Hofmairin souil. Item Öder souil, (Item Gol-
later souil Item Hannsen Saylerin souil). Item Pauken Crwant-
gsehlachter souil Item Spiegier souil (Item kirchfüchlerin souil),
[Item hertzog Sigmunden yiii easz ain seniff uassd. Item
hertzog Albrechten viii casz ain seniff uassel], (Item den Fürsten xii
kasz, zvoay senifvässel, ain vässel) alat Wein, ^ [Item der hertzogin
VI casz ain seniff vassl].
Item XXX legerkäs in der burger kamer. Item vi legerkäs an
den zol Item ii legerkäs an die wag,
[Item alt saekendarffer v guet cas vnd v leger casz, ain seniff-
vasset],
i466. Vermerckt die Erung gen Münchens de anno Sexa-
gesimo Sexto,
Tuembrobst zwen guet, ii legerkäs, ain Senifvässel. Hof-
maister egloffstainer auch souil Asm vom Tor zwen gtU n leger-
käs ain Senifvässel, Ewerhart Torer souil Jacob Putrich
souil Sewold eglinger souil Hanns Stupfen souil Rösler
Cantzler souil Eysenhofer sotiil Smidhauser souil Peter
Schluder souil Dem Roten souil Her conradteti brobst souil
Maister Ernsten souil (Maister Hannsen waptisten souil), Maister
Hannsen Hartlieb souil Maister Gabrieln maier vm^serm
swager souil
Item Thoman Rudolf ainen guten, ainen leger käs, ain senif--
vässel Peter rudolfen souil Thoman rostakr souil Hallder
souil Conradt Cantzelschreiber souil Maister Hannsen viedu--
mair souil Maister Hantisen kirchmair souil Yppoliten Apotedcer
souil Wolf gangen Michelspecken souil [Vetter Hannsefi souil].
Item Her Wilhalmen Crätzl vier legerkäs, ain vässd. JOrgm
frashauser souil vngellter wemdel souil Jacob zwengin soutt.
Item Hanns Aichsteter zwen legerkäs, ain vässel. Item Hanns
Taußircher souil Item Conrad Grätzel souil. Item Hanns Part
souil Item lienharten Zingiesser souil Item Maister Hannsen
Stainmetz souil Item Maister Hannsen goltsmid souil vfid dm'n
' dieses wort ist sehr flüciilig über dem vorhergehenden vässel ge-
schrieben nnd entspricht einem anderwärts (vgl. Lexer 1 33. Nachtr. 16) über-
lieferten alantwtn, wein, der darch alant (inula L), ein auch als arznei-
mittel dienendes mittelalterliches kächenkraut, gewürzt wurde.
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STUDIEN OBER ULRICH FOETRER 291
i guten käs. Item Maister Gabrieln goltsmid souil Item Maister
Vlriehen Maler sauiL Item Maiiter franntzen stniil Item
Hannsen kaüenprunner eouil. Item Matheusen tmnserm mrt sauü.
Item Maister Jorgin sanü. Item Bofmairin souil. Item Oder
sauiL Item Hanns Sailehn souil. (Item Pauken Gwantgslaekter
sauil). Item Spiegier souil. Item kirchpücMerin souil.
Item Hertzog Sigmunden vni cdsz, ain Senifvassd. Item
Hertzog Alhrechten vni cäsz, ain Senifvassel. Item der Hertzogin
vr eäsz, ain Senifvassel.
Item XXX Legerkäs in der burger Camer. Item vi Legeiicäs
an den zol. Item ii legerkäs an die wag.
(Item AU Sägkendorffer y guet käsz, v legerkäs, ain Senif-
vassel).
1471« hoc anno haben uxir kainen seniff gehabt , wann das
seniff mel was nit guet.
Vermereket die erung gen München de Anno Septuagesimo Primo.
zwen guet cäsz, zwen legercäs [ain senifvassel]: Tumprobst.
Bofmaister Ritter. Egolfstainer. Asm vom Tor. Ewerhart vom
Tor. Sewold eglinger. Banns stüpf. Rosler Canntzkr. Peter
studer. (Ber conradbrobst). Maister ernst. Maister Gabriel maier.
Ainen gneten cäsz, ainen legercdsz [ain senifvassel]: hanns
stupff. Toman Rudolf. Toman Rostakr, cantzkr. JBallder cantzler.
Conrad em Reich, cantzler. Maister Banns viecktmair. Maister
Ba9ms kirchmair. Maister Hannsen ruelanTid artzt. Ypolito apo-
lecker. (Wolf gang michelspeck). Banns weylhamer, castner. wemdel
von ketz. Jacob Zwengin. Banns kaltenprunner.
zwen hgercäsz [ain seniffvassel] : Banns Aichsteter. Banm
Tauf kircher. Banns Part. Maister Banns stainmetz. Maister
Hannsen goltsmid. Maister Vir ich maier. Maister franntz.
Matheusen vnnserm wirt. Maister Jorgin. Bofmairin. Öder.
Spiegier. [Zingiesser].
Item gen Bof. Item Bertzog Sigmunden (x) mi casz guet
[am seniffvassel]. Item Bertzog Albrechten (x) viii casz guet [ain
seniffvassel]. Item Bertzog cristoffen (x) viii casz guet [ain seniff-
vassel]. Item Bertzog wolfgangen (x) viii casz ouet [ain seniff-
vassel]. Item der Bertzogin (viii) vi casz guet [ain seniffvassel].
Camer. Item xxx cäsz m der stat Camer. Item vi kgercäsz
an dm zol. Item zwen legercasz an die wag.
1476« Nota die Eruiig gen München de Anno Septuage-
simosexto.
Zwen guet [gros] käsz (zwen legercasz, ain senifvassel) [ >
ain guten casz vom rost ain legercasz] : Tumprobst. (Bofmaister).
Eglofstainer. (Asm vom Tor). [Eysenhofer. Adaüzhauser].
Pfarrer zu vnnser frawn. Rösler Cantzler. Thoman Rudolf.
Maister gahriel maüer.
^ anleserlich.
20*
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292 STUDIEN ÜBER ULRICH FOETRER
Ainen gtUm cäiz (vnd ainen kgercas%, ain senifvasid). [vom
rost ain guetm aus verschnitten, ain kgereasz]: [ Jacob zwengin
zwen guet casz und zwen legercasz], Hanns fmrt. Hanns Stüpf.
Toman Rostalm-, Cantzler. HaUder, Cantzler. Enreicher, Cantzkr.
MaisttT Hanns kirchmair. Maüter Hanns Rueland artzt. Maister
walthauser. Ypolitus apotecker. (Hanns Weylhamer). Castner,
[scharffzand], Wemdel von ketz. (Jacob Zwengin). Hanns kauen-
prunner. Maister Hanns goUsmid der alt. Maister Hanns goUemid
sein San. Maister vlrich püchsmmaister. Alt Hofmairin. Ludwig
Hofmair, Matheus vnnser wirt. Hanns öder, Maister frantz,
Hanns Taußircher, Hanns Aicksteter.
yedem (zwen legercäsz vnd ain senifvassd) [ain gtUen casz,
ain legercäsz]: Maister Hanns Stainmetz. Maister Vlrich
maier, Spiegier, Antonj Sngiesser, Sayler.
Item gen Hof. Item Hertzog Sigmunden viii cäsz gut [groszj.
Item Hertzog Albrechten viir cdsz guet. Item Hertzog kristoffen
▼in cäsz guet. Item Hertzog Wolfgangen viii cäsz gu/et, yedem
ain senifvassd.
(Item dem aUten hem von freising iv casz gut, ain senifvassd.
Item auf den heiligen perg ain senifvassd).
Camer. Item xxx cäsz in der stat kamer. Item vi legercäsz
an den zol. Item zwen legercäsz an die wag.
1498«^ Erung gen Munichen pro Anno Nonagesimo Tertio,
Zwen guet käs, zwen legerkäs, Ain seniffvässd von m massen:
Techant tzw sand peter, Phfarrer von vnser frawen. Hoff maister
Ahaimer, Rosler Catitzler, Hanns goldsmid,^ Hanns Ryshaimer,
Eysenhofer, Maister Vlrich glogkengyesser, Ränntmaister,
Zwen guet käs, Ain legerkäs, Ain seniffvässd von in mass:
Thoman Rosstaler. Doctor Balthesar. Doctor Eysenreich, Wilhalm
Mäxlrainer, Bärtlme schrenkh, Maister gabryel.^
Zwen guet käs, Ain seniffvässd von ni massen: Hanns stüphf.
Apoteckärin. kastner Jacob, Althoffmayrin, Matheus vnser wirt.
Hanns Zwenng.
* ZQ diesem jähre gibt es zwei Verzeichnisse, von denen das erste für
einen entwurf zu halten ist; denn das zweite enthält die im ersten von
anderer hand hinzngeffigten namen im texte, doch lasst es aach namen des
ersten weg, nämlich: Maytter Hans Euetand, Mayster nrieh nüxen-
maister. Stainawer und Schrenckhaimer, des alten kern Swäger. Ludwig
Hofmair, Reycher der gastlin man. ferner erhält Gabriel maier nach dem
ersten Verzeichnisse 2 gute käse, 2 lagerkäse und ein fasschen senf, nach
dem zweiten aber nur 2 gute käse, 1 laserkäse und ein fteschen. es ist
also eine zorücksetzim^ degenigen bemerkbar, welche mit dem voriffen abte
Conrad (f 4 Jan. 1492) m besonderen beziehongen standen. — wo aas erste
register einen namen ausführlicher bezeichnet, Rebe ich eine anmerkong bei ;
im übrigen erscheint ein vollständiger abdnick desselben unnötig, da es sonst
mit dem zweiten, welches hier folgt, beinahe identiseh ist.
* Hanns ff^nshmmer goUsmid.
3 Gabriel maier.
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STUDIEN ÜBER ULRICH FOETRER 293
Ein guetm käs, Ain legerkäs: TäufkircherA Maister Jörg
Nürnberger.
Zwen kgerkäs, Ain seniff väsnl von ii mass: Anthony Zin-
gyesser (i gueten, i kgerkäss). Sayler (ain gueten und i legerkäsz).
Item gen Hoff. Item herzog AlbredUen i grossen, ii klainer
tmd IV nodi klainer. Item herzog Sigmund vi klain. Item der
herzogin i grossen, ii klainer und iv noch klainer.
Auf dy kamer. Item xxx legerkäs. Item vi hgerkäs an den
zoll. Item II legerkäs an dy wag.
Item her Oswalden i guten käs vnd ain legercäsz, Ain seniff
vdssel von u mass. Item der Alten winshaimerin ainen guten käs,
ain legerkäs vnd ain seniff vässd. Item Michel Stamberger i guten
käs, ain legerkäs, i seniff vässel. Item Pauls fürkhewffer i guten
käs, ain seniff vässel. Item her pangrätzen ain guetten käss.
Pfleger zu wolfratzhausen ii kreutzkasz, n lagerkass, iii mos»
senif. Richter daselbs n kreutsJcasz, u lagerkas, i Sänifvassel,
I eimer weins. Gerichtsschreiber ibidem ii lagerkasz. Caspar Torer
III kreOtzkasz, n lagerkas, i Sänif.
Pfleger zu Töltz i lagerkasz, i kreutzkasz, i senif von ii mas.
Richter ibidem i kreutzkasz, i lagerkasz. Gotharten ibidem i kreutz-
kasz, i lagerkasz, i senif. Asm hewgl i kreutzkasz, i lagerkasz,
I senif.
Pfleger zu AybUng n kreutzkasz, ii lagerkasz. Castner ibidem
II kreutzkasz, i lagerkasz. Gericht Schreiber i kreutzkasz, ii lager-
kasz. Richter ibidem i kreutzkasz, ii lagerkasz.
Hern Jeronimus SeyboUstorfer n kreutzkasz, i lagerkasz,
I Senif. Her Sigmund Prant von Sliersee ii käsz, ein Senif.
Her Schrötel ibidem ii käsz, ein Senif.
Item yedUchem schergen vi mass wein, i lagerkas.
IL gegenbrief der Hesenlocher.^
Ich Andre hesenlöher, die zeit Pfleger zu päl vnd ich hanns
hesenlöher, baid geprOder, die zeit landt Richter zu päl vnd der
Stet weilhaim, Eekennen vnd tuen kunt offenlich mit dem briff,
für vns vnd all vnser Erben vnd allermencklichen, wye vns der
Erwirdig vnd gaistlich herr her Jörg Abbte des wirdigen Götz-
hausz Tegemsee, linhart Techant vnd gemainlich Aller Conuentt
daselbst nach Rat vnd mit gutem Witten Recht vnd redlichen zu
ainem rechten leibgeding verlihen vnd verlassen haben vnserm vater
tmd mueter ffidasen hesenlöher die zeit lanndt Richter zu wolffertz-
hausen Margreten seiner elichen hausfrauen, den got baiden genedig
wdU sein, Auch vns obgenant Andres vnd Hannsen Iren baiden
eUchen leiblichen Sün Also vnser vierer leib lebtag vnd nit lennger
^ Hanns Taufkircher.
^ Teichs -archiv, kl. Tegernsee, fasc. 61.
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294 STUDIEN ÜBER ULRICH PÜETRER
noch furha$er Ir aigm zehent atcss dm hemachgeschriben gueten:
von erst aus dem Oberhof, gelegen zu Eysenpach, vnd ausx dem
Niderkof daselbst vnd ausz der leutoUzhueb daselbst vnd auch zu
varemzhausen aus des wolfUins hoff daselbst vnd ausz der Täfem
daseW^ vnd dartzue ausz ainer hueben gelegen zu pakken mit
allen em, rechten vnd nutzen nach laut des leibgedingbriffs , den
wir von In haben, In soUcher masz. Das wir In vnd Im nach-
komen all lar larlichen vnnser kbtag zu rechter dinstzeit raichen
vnd dyenn soUen ain halb pfundt gueter vnd genger Müncher
Pfennig Landszwerung In obem Baym, Auch dartzu die Schüssel,
die larlich in die obgenanten guet gehom. Als dann ob alter her-
kamen ist, Vnd wann vnd wdlichs lars wir das versdssen vnd
dem gotzhausz nidu dyenten, als vor geschriben stet. So haben sy
oder Ir Bröpst vnd dyener dann volle werung vnd wann wir 06-
genannt Andre vnd hanns auch mit tode vergangen vnd nymmer
sein, da got noch lang vor weU sein. So sind dem obgenamUen
Goizhausz vnd Conuent die obgenannten zehent fr&f los vnd
ledig worden vnd sollen noch mügen vnnser Erben, nodi yemanni
änderst kainerlay anspradi noch vodrung nymmermer darauff haben,
noch gewynnen In kain weise. Des zu ainer vrhmd geben mr
ob genant Andre vnd hanns dem erwirdigen In got harren vnd
vater Conradten Abbte des obgenanten Gotzhausz vnd dem gantzen
Conuent daselbs, die vns vmb soUich gagenbriff In zegeben gepeten
haben, disen briff versigelten mit vnsem baiden anhangmden In--
sigdn, darunter wir vns verpintten, alles das war vnd stat ze-
halten, das der briff lautt vnd sagt. Besehehen an freytag nächst
nach vnser liben frawen tag Aseumptionis tnarie ab man zait von
Cristi gepurt viertzehenhundert vnd darnach In dem Ain vnd
Sibentzigisten lar etc. ^
' der Wappenschild des angehängten sigills der Hesenlocher enthäll
zwei eichein an einem stiele, zusammen die fonn eines T bildend.
Leipzig, 16 märz 1883. REINHOLD SPILLER.
DER STRASSBURGER ALEXANDER UND
EILHARTS TRISTRANT.
Der herausgeber des Eilbart von Oberge hat bekaooüicb die
aDsicht ausgesprochen, dass der dichter zwar das Alexanderlied
gekannt und benutzt, dann aber seinerseits wider einfluss auf
die Alexanderdicbtung gehabt habe ; in die Strafsburger bearbeitung
des alten gedichtes sollen verse aus seinem Tristrant aufgenommeo
sein, in dem jüngsten streit über die priorität Heinrichs von
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DER STRASSB. ALEXANDER UND EILHART6 TRISTRANT 205
Vddeke und Eilbarts ist zu widerhollen malen mit besonderem
nachdruck auf diesen punct hingewiesen, sowol von dem heraus-
geber selbst (Zs. 26, 13), als auch von anderen (ESchröder DLZ
1882 sp. 579; Kinzel Zs. f. d. pb. 14, 111). im gegensaU zu
ihnen bemerkte ich in der Zs. für das gymnasialwesen 36, 708
dass meiner ansieht nach die betreffende stelle im Alexanderliede
falsdi beurteilt werde und das nicht beweise, was sie beweisen
solle, da der zweck jener Zeitschrift es mir nicht gestattete, meine
abweichende auffassung zu begründen, so erlaube ich mir, hier
darauf zurückzukommen, den nächsten anlass finde ich in einer
recension Schröders (DLZ 1883 sp. 155), der ohne^ wie es scheint,
meine notiz bemerkt zu haben, von neuem auf die entscheidende
Wichtigkeit jener stelle hingewiesen hat.
In der scene, um die es sich bandelt, bittet der junge
Alexander seinen vater dass er ihn wehrhaft mache, er begrüfst
den kOnig mit einem heileswunsch und fährt dann fort:
192, 23 Er chot fater nu bin ich fun%m iar alt.
daz haben ich rehte gexaU.
unt bin äho chotnen ze minen tagen,
daz ich wole wafen mach tragen,
unt ewer eigen tugent iemer 8ol gewinnen,
der m2 ein in einer iugende beginnen,
u»^ ^ seh er eich eciddich,
nieuht vereumer eich.
so lauten die verse in der Voraue r bearbeitung. die ersten
sechs sind klar und verständlich; ganz zweckmäfsig beschliefst
und bekrifUgt der junge kOnig seine bitte mit einer sprichwört-
lichen Wendung, aber schwierig sind die beiden folgenden zeilen.
zwar findet Harczyk (Zs. f. d. pb. 4, 18 f) dass sich diese werte
mit der von Alexander ausgesprochenen sentenz ganz gut in zu*»
sanunenhang bringen lassen , und die anderen , weiche die stelle
benutzen, scheinen diese ansieht zu teilen, ich vermag nicht ihr
beizupflichten, mag auch Diemers leichte ttnderung des unt t in
wede aufgenommen werden und richtig sein: das reflexive sieh
ecMUg sehen in der bedeutung eines nhd. ^sich schuldig wissen,
sich verpflichtet halten' ist mir sehr auffallend und wenig glaub*
lieh; noch weniger dass der klare, in satz und reim abgerundete
gedanke diese inhaltslose dunkle fortsetzung erhalten haben sollte,
ich verstehe die verse nicht, und weifs mir ihre existenz nicht
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296 DER STRASSBURGER ALEXANDER
anders als durch die annähme zu erklären, dass sie von ihrem
dichter in einem anderen Zusammenhang gedacht waren, als uns
die Vorauer hs. bietet.
In der Strafshurger bearheitung (ed. Hafsmann) lauten
die entsprechenden verse folgender mafsen:
noch suU rr, vater, mich geweren
eines dinges, des ick sere geren:
410 Uli bin ih funfzehen iar aU,
daz han ih rehte gezdk —
unde hin so kämm zo minen tagen,
daz ih wol wafen mac tragen.
swer diheine tugent sol gwinnen,
415 der salis in siner iugende heginnen.
nnde sver dir zins sol gehen,
wil er At der widerstreben,
der muz en dir mit scanden
senden von einen landen
unde ouh leisterlicke.'
V. 410 — 415 stimmen mit der anderen bearheitung ttberein; aber
dann weichen beide gänzlich von einander ab. die unverständ-
lichen verse der Vorauer bearheitung fehlen und statt ihrer finden
wir fünf andere, die einen ganz neuen gedanken aussprechen.
Harczyk meint, der bearbeiter habe sculdich irrtttmlich in dem
gewöhnlichen sinn 'zu zahlen verpflichtet' aufgefasst, und darauf
bin dem sprechenden einen ganz unschicklichen gedanken in den
mund gelegt, dass eben diese unschicklichen verse sich auch im
Eilhart finden, konnte er nicht wissen, weil ihm der Eilhart noch
unbekannt war. Lichtenstein bemerkte die Übereinstimmung, und
im anschluss an Harczyks urteil hält er es für erwiesen dass der
bearbeiter des Alexanderliedes die verse aus dem Tristrant ent-
lehnte und sie ungeschickt genug dem alten text des Alexander-
liedes einfügte. — ich frage zunächst, ist es irgendwie glaublich
dass der Strafshurger text auf diesem wege seine form gewann?
der Zusammenhang, in welchem die Vorauer hs. die worte unde
seh er sich usw. bietet, leiten nicht im mindesten auf die ge-
dankenreihe hin, die wir in der Strafshurger bearheitung finden,
der bearbeiter müste ganz aufser äugen gelassen haben dass die
angeführten worte dasselbe subject haben, wie die vorhergehenden
verse, und dass also auch das adj« sculdich auf eben dies subject
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UND EILHARTS TRISTRANT 297
gehe; nur das eiuzelne wort aculdich mttste in seiner Vorstellung
lebendig gewesen sein, und seine phantasie dann eine richiung
genommen haben, auf die in seiner vorläge nichts hinwies; ein
par zerstreute reminiscenzen aus Eilhart (v. 417 f. 388 ff. 394)
h^en ihm dann, seinen gedanken form zu geben , und darüber
kam es dass das wort scuUich und der ganze folgende vers, die
grundlage seiner gedanken, in seinen versen keinen platz fanden,
wer soll das glauben?
Die Verschiedenheit der beiden bearbeitungen scheint mir
auf einen ganz anderen Ursprung zu weisen, es ist leicht zu
bemerken dass die beiden rätselhaften verse der Vorauer hs. einen
gedanken andeuten, der sich sehr wol zu den Vorstellungen, in
denen die Strafsburger bearbeitung sich bewegt, fügen: zins-
pflichtige länder, die ihre Schuldigkeit nicht erfüllen, verspricht
der junge kOnig zu zwingen dass sie ihren tribut mit schänden
bezahlen und unversäumt (nietJu nemme er sieh), das, glaube
ich, war der gedanke, der ursprünglich in der dichtung ausge-
sprochen war. in V ist eine lücke anzunehmen; S bietet einen
besseren text, wenn auch nicht den ursprünglichen, die beiden
unverständlichen verse in V sind ein zeichen, dass die nur in S
erhaltenen verse, wenigstens ihrem inhalt nach, schon der alten
dichtung angehörten; wie umgekehrt der umstand, dass jene
beiden verse in S fehlen, beweist dass auch der bearbeiter von
S den ursprünglichen text nicht treu widergibt, wahrscheinlich
war schon die beiden gemeinsame quelle getrübt, der text schwer
zu entziffern, so lässt sich sowol der text der Vorauer hs. als
auch das Verhältnis der beiden bearbeitungen zu einander be-
greifen.
Aber Harczyk und Lichtenstein nahmen nicht nur daran an-
stofs; auch der text in S an und für sich erregte ihr bedenken.
Harczyk findet den gedanken von v. 416 — 420 ganz unschicklich.
Lichtenstein ungeschickt eingefügt, letzteres ist nicht zu be-
streiten; zwischen v. 415 und 416 fehlt in der tat jede natür-
liche gedankenentwickelung. nur folgt daraus nicht dass die
verse interpoliert sind, der mangel an Zusammenhang zvrischen
den beiden teilen der rede kann nicht befremden, wenn schon
die gemeinsame vorläge verderbt und in beiden bearbeitungen un-
vollkommen widergegeWn ist. dass aber der gedanke in der
rede Alexanders an und für sich unschicklich sei, lässt sich
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298 DER STRASSE. ALEXANDER UND EILHARTS TRISTRANT
schlecbterdiogs nicht behaupteo. im gegeateil, wenn wir sehen
dass gerade die ersten taten des jungen kOnigs darauf gerichtet
sind, die tributpflichtigen zu zwingen, so wird es uns nicht un-
angemessen und unnatürlich ei*scheinen dass schon an dieser
stelle darauf hingewiesen wird« der Terlauf der erzShlung be-
kräftigt die annähme, dass der text in S hier dem ursprQnglichen
näher steht als in V.
Die dritte bearbeitung, die wir besitzen, der Basler Alexander
zeigt, wie die beiden in S und V aus einander klaffenden teile
der rede mit einander verbunden waren oder verbunden sein
konnten; diese frage will ich hier weder entscheiden noch er-
örtern, dort heifst es:
660 vatter u»id her, ick han gtzalt
dax ich bin xxjor oft
und bin komen m den tagen,
daz ich wol waffen möchtle tragen.
ir eöUetit mir gebietten,
665 ick toil mich arbeitten
in allen iutoeren landen,
ich getriuw mit minen handen
den zin$ gewinen in kurczer frist,
der uns her uncz her uesen ist.'
hier herscht guter zusammenhange der auch nicht aufgehoben
sein würde, wenn auf v. 663 die sprichwörtliche wendung folgte,
die wir in V und S an entsprechender stelle finden.
Das resultat der vorstehenden auseinandersetzuog ist also,
dass der gedanke, der in S 416—420 ausgesprochen wird, schon
der alten Alexanderdichtung angehört hat. und wenn wir die
verse, die jenen gedanken ausdrücken, im Tristrant widerfinden,
so sind diese eben nur den manchen anderen stellen zuzu-
zahlen, in welchen Eilhart sieh von dem alten Alexandeiüede
abhängig zeigt.
Bonn, 22 februar 1883. W. WILHANNS.
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PARRICIDA IN SCHILLERS TELL 299
PARRICIDA IN SCHILLEKS TELL.
Von ästhetischen beurleilero des Teil ist mehr als einmal
die episode des Parricida zum gegenständ der erOrterung genomaen
worden; und als die allgemeine auffassung scheint festzustehen
dass der g^ensatz zwischen dem helden des Stückes, dem befreier
seines Vaterlandes, und dem Schwabenherzog, den persönliches
empfinden zum morde des oheims treibt, mehr ein theoretisch
gewollter, als ein dichterischer ▼erwarklichter ist, dass die in-
lention des dichters dabei allzu offen zu tage liegt und Intention
geblieben ist.
Gegenttber diesem rein ästhetisebeo urteil, dessen berech-
tigUBg nicht bestritten sein soll, ist es vielleicht interessant,
historisch festzustellen dass Schiller zu der erftndung, welche im
Parricida vorliegt, durch das werk eines andern autors geftlhrt
worden ist: Johann von Schwaben, Schauspiel von AGMeifsner
(Leipsig 1780). in einer theatralisch effectvoUea, aber ziemlich
aufserlicben handlung ist hier, ohne rechten historischen sinn,
herzog Jobann in den mittelpunct eines Schauspieles gestellt, das
zu den zahmeren nachahmungen des Götz von Beriichingen ge-
bort und in der geschichte des ritterdramas seinen bestimmten
platz einnimmt (QF 40, 103 ff)« in einer episode dieses werkes
tritt ein gefangener Schweizer, Mecheln, auf, und der dichter ver-
herlicht in ihm die herzenseinfalt und biedere treue der schweizer
nation. Heifsners stQck erscheint sonach als ein vollkommenes
gegeobild zum Teil: hier haben wir den Schweizer als helden,
und Parricida in einer episode, bei Meifsner Parricida als helden
und den Schweizer in einer episode.
Diese beiden episoden bieten nun bei näherem zusehen ge-
naue analogien dar. der zweck beider erfindungen ist der näm-
liche: dem aus personlicher verletztheit geborenen egoistischen
und darum verbrecherischen rachegefühl des herzogs von Schwaben
wird das für die allgemeine sacbe und zugleich für das heiligtum
der familie kampfende, ideale freibeitsstreben des Schweizers ent-
gegengestellt, und so dieses durch den gegensatz jenes gehoben
und verklärt, bei Schiller ist, wie jedem bekannt, die ermordung
Attredits und Gesslers vollzogen, als Teil und Parricida auf
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300 PARRICIDA IN SCHILLERS TELL
einander treffen; bei Meifsner gibt herzog Johann dem Hecheln
zögernde künde von dem verbrecherischen vorhaben, und sucht
ihn ins einverständnis zu ziehen, unter berufung auf gemein-
same interessen, die jener jedoch mit entschiedenheit abläugnet.
Die folgenden stellen lassen sich etwa im einzelnen ver-
gleichen:
Johann, wenn dereinst der fall stcA zutrüge, dose Albert
und ich feinde würden, könnt' ich dann van den eidgenoseen Unter-
stützung hoffen?
Parricida. Bei Euch haß' tcft harmherzijßteit zu finden.
Auch Ihr ncAmt roch' an euerm feind.
Mecheln. meine landsleute und Ihr habt nur den gegenständ
des hasses zusammen gemein; die gründe bei beiden sind weit ver-
schieden, wir stritten erst dann, ob jedes glimpfliche mittel ver-
gebens blieb, als es freiheit und leben gab, als wir nichts mAr zu
verlieren hatten. Euch, mein tapferer Johann, steht noch mandier
ausweg offen ; schlägt Euer ansddag feU, dann ist mühseliges elend
Bure einzige Zuflucht, wir vergossen kein mensehenbhu , aufser
derer ihres, die uns zuerst angriffen; Ihr würdet ganz DeutsMand
mit empifrung anfüUen.
Teil. Unglüdclicher!
Darfst Du der ehrsucht blutge schuld vermengen
Mit der geredUen notwehr eines vaters?
Hast Du der kinder liebes haupt verteidigt?
Zum himmd Ae6' ich meine reinen hdnde.
Verfluche Dich und deine tat — gerdda
Hab' ich die heilige natur, die Du
Geschändet — nichts teiV ich mit Dir — gemordet
Hast Du, ich hob mein teuerstes verteidigt.
der ton ist, auch abgesehen davon dass Meifsners marklose breite
mit Schillers gesammelter kraft nicht vergleichbar ist, bei Meifsner
schwächer, weil es sich eben um zukOnfUge, nicht um geschehene
dinge handelt, aber wie er dem Johann die folgen seiner tat
ausmalt — fluch im bettlergewande, hass bei jedem redlidken,
mangel, dend und ach! ein gewissen, gegen dessen marter Luxifer
selbst mitleidig sein würde — so hat Schiller diese folgen würk-
lieh vorgefahrt.
So viel im einzelnen, die hauptsache bleibt dass die Stellung,
welche die scene in der öconomie des kunstwerks einnimmt, bei
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PARRICIDA IN SCHILLERS TELL 301
beiden dramatikern dieselbe ist, dass Meifsners und Schillers zweck
sich auf das genaueste decken.
Johann von Schwaben ist in den achtziger jähren viel ge-
spielt worden, auch in Mannheim ; Schiller konnte das stück also,
wie durch die lectOre, so auch durch die darstellung leicht kennen
lernen, dass er hSufig genug, in jüngeren wie in älteren jähren,
durch dichtungen geringerer gute in einzelheiten der erfindung
beeinflusst wurde, ist bekannt; und unsere fortschreitende kenntnis
dieser minderen litteratur dürfte noch manche solcher für die
dichterpsychologie Schillers nicht unwichtigen beeinflussungen
ans licht stellen.
Berlin. OTTO BRAHM.
KÖNIGSBERG,
DER DICHTER DER KLAGE ÜBER DIE ERMORDUNG FRIEDRICHS
VON BRAÜNSCHWEIG.
Durch lust 8old ich eins morgens gan
an einen anger wol getan.
Da hegenet mir in dem angir grone
ein wip, was u/sirmafsen schone.
Sie sprach: 'got grufs dich, Königsberg,
ich mufs dir clagen jammertoerg,
die uns armen sint getan'
So beginnt das gedieht bei Liliencron Volkslieder i 207.
Königsberg wird der dichter auch v. 70. 108. 165 genannt; v. 72.
73. 121 — 124 und die haltung des ganzen geben ihn als einen
faerold zu erkennen, wie Liliencron richtig bemerkt hat. die
person des dichters ist meines wissens bisher nicht nachgewiesen
worden, die Aachener Stadtrechnung aus den tagen der krOnung
kOnig Wenzels (1376 juli) enthält folgenden posten: Item Kui-
ninxberg, Goetkin ind Vkckestein mit allen ieren geseUen hi-
ralden, der 40 wären, 15 gülden 52V2 mk.^ hier erscheint der
herold Königsberg: gewis derselbe, der 24 jähre später jenes ge-
dieht verfasste. man hat den dichter früher irrig für einen grafen
^ Laurent Aachener stadtrechnnngen s. 247,8; Dentsche reichstags-
•cUn I 170, 17.
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302 KÖNIGSBERG
von Solms aus der Köoigsberger lioie gehalten;^ diese linie starb
bereits 1363 aus. ob der name Königsberg auf einen bestimmteD,
so benannten ort zurückzuführen ist, und auf weichen, ist nicht
auszumachen, die herolde liebten derartige stolz klingende namen;
so heifst es in der Kiingenberger chronik herausgegeben von Henne
s. 156 vom Frankfurter reichstag des Jahres 1397 nach aufzahlang
der anwesenden : Diss Herren vnd volk zaU vnd ergieng Michsen"
land der heroUen küng.
^ Römer- Büchaer im Archiv für Frankfurts gescb. und kunst, neue
folge 1 162.
Darmstadl 29. 1. 83. ARTHUR WYSS.
SARANTASMfi.
Eine genügende erklfirung für den sarantasm^ benannten
mittelalterlichen kleiderstoff ist bisher nicht gegeben worden.
Wolframs deutungsversuch im Parzival 629, 17 (Sin meister hiez
Sdrant, Ndch dem Sires wart genant: Der was von Triande. In
Secundillen lande Stit ein stat heizet Thasm4, Diu ist grcezer danne
Ninive Oder dan diu wite Äcratön. Sdrant durch prises Un Eins
Pfeiles da gedähte Der heizet saranthasme) erkennt man
leicht als gelehrte fabelei. ich halte sarantasme ebenso für ein
griechisches wort wie somit, darin bestärkt mich die form eooa-
rentasmata in des Hugo Falcandus Historia Siciliae, aus welcher
ich die stelle, welche die Webereien des berühmten h6tel de Tiräz
im sicilianischen konigspalast zu Palermo schildert, unverkürzt
hieher setze.
Nee vero tiobiles iUas palatio adhaerentes silentio praeteriri
convenit officinas, uhi in fila i>airiis distincta coloribus serum
veUera tenuantur, et sibi invicem multiplici texendi genere coap-
tantur. Eine enim Videos amita^ dimitaque, et trimita minori
peritia sumptuque perfid: exhimita uberioris materioe copia con-
densari. Hie diarhodon igneo fulgore visum reverberat. Hie dia-
pisti color subviridis intuentium oculis grato blanditur aspectu. Hie
exarentasmato circulorum varietatibus insignitafna-
^ das von Schultz H5f. leben 2, 67 aom. 1 nicht verstandene tTami-
tuns der Chronik der Normannenherzoge ist vielleicht richtiger zu diesem
griechischen worl als zu amietu* zu stellen, wie ich Ans. vni 94 ver-
mutet habe.
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SARANTASMC; 303
jwem quitkm arlifkum industriam et maieriae ubertatem deside-
rant, majori nihilominus pretiü distrahenda. MuUa quidem et
ah'a Videos ibi varii coloris ae diversi generis omamenta, in quibus
H serids aurum ititexitur, et multiformis fictwrae varietas gemmis
intertueentibus iUustratur (Maratori tom. 7 col. 256). exarentafnna
ist demnach ein mit bunten kreisen ornamentierter stoff. wie
i^dfiitog ein aus sechsfachem faden gefertigtes, so bedeutet i^a-
gavTia^ög ein sechsfach gesprenkeltes gewebe, ^avticfiog zu ^ay*
ri^to, ^alt(ü. Hugos beschreibung und die versuchte griechische
etymologie stimmen sehr wol zusammen, dass sarantasmi los-
getost von drianthaemS, richtiger triantasmS erklärt worden ist,
hat kein bedenken: drianthaeme ist, wie auch Schultz Höfisches
leben 1,260 richtig bemerkt, identisch m\i paüium triaeontasimtim,
also ebenfalls aus dem griechischen herzuleiten «» TQiaKovta"
arjfiog, pannus, qui triginta elavis exomatur (Du Cange 6,661*);
leicht mag sarantaem^ statt des erwarteten sarantiemS nach ana^
logie von triantasm^, mit dem es zb. bei Veldeke En. 9309 reimt,
geformt worden sein, die geographischen namen Triant (vgl. Mhd.
wb. 3, 86) und Särant scheinen demnach ganz dem gebiete der
fabel anzugehören. FRAJNZ LICHTENSTEIN.
ZU BRUDER BERTHOLD.
Das interesse, welches man in neuester zeit den lateinischen
predigten Bertholds von Regensburg zuwendet, möge es ent-
schuldigen, wenn ich auf einen in der biblioteca Colombina zu
Sevilla sich findenden Rusticanus antiquus anfmerksam mache,
er tragt die bibliotheksnummer 7. 6. 20. (pap. 15 jh. in fol.) und
ist ein geschenk don Fernandos Colon, des sohnes des entdeckers
von Amerika, die hs., so weit mir bekannt in Spanien ein unicum,
enthält vorne nach dem inhaltsverzeichnis folgende notiz, die sich
auch in einer Bertholdhs. des Stiftes SPeter zu Salzburg findet
und aus dieser von p. Jeiler in der Litt, rundschau 1881 nr 3
(vgh KUnkel Berthold vRegensburg, 1882, s. 20 anm.) veröffent-
licht wurde.
Istos sermones ea necessitate coactus sum notare, c^im tarnen in-
vitissime hoc fecerim, quod cum predicarem eos in popuh, quidam
simplices derici et religiosi non intelligentes, in quibtis verbis et sen-
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304 ZU BRUDER BERTHOLD
tentiis veritas penderet, voluerunt notare sibi iUa que poterant ca-
pere et sie muUa falsa notaverunt. Quod cum ego deprehendissem,
timui ne, st taUa populo predicarmtur qualia ipsi notaverant, po-
pulm in errarem dueeretur per falsitates iUas, et hac neeesiitate
coactus sum ipse notare quod predicavi, ut ad istorum iermonum
exemplar alia faUa et inordinate notata corrigerentur. Nee est
necesse ut älii lüterati et periit eos conscribant, cum muUo me^
lioree sermimee a magistris facti sint, qui aufficiant ad omnem edi-
ficationem et eruditionem fidei et morum, et ideo rdinquant i^os
rudibus et simplicibus mei similibus et qui alta ac subtilia twn
possunt capere, quia nee in sententiis nee in dktamine aliquid pre-
tendunt qtwd sit a litteratiaribus appetendum vel curandum.
Das inhaltsverzeichnis zählt 58 sermones auf; im werke
selbst sind aber deren 65 enthalten, bei der ersten predigt (für
den ersten adventsonntag) findet sich die rote Überschrift: In-
cipit Rusticanus anliquus. anfang: Hora est tarn nos de somne
sfitrgere, Exätat apostolus dormientes. Dormientes sunt qui non
drca Vera bona sed fantastica occupantur, die letzte predigt
(24 Sonntag nach pfingsten) rot: Quod homo bene facere debet
dum sanus et iuvenis est. Filia mea modo defuncta est. Non
cessavit apostolus orare ^it dicit in epistola pro disciptdis suis.
Darauf folgen noch drei predigten , die zum Rusticanus ge-
hören und darin übergangen wurden:
1. Ingrediente domino in sanctam civitatem.
2. rot: Duodecimus sermo in daminica terciapost epiphaniam.
De antichristo. Ascendente Jhesu in naviculam • • . Nam-
cula sancta ecclesia est.
3. rot: Fer. iiu. inj'^' temporum ante nativitatem domini de Ave
Maria (am rande rot: Expositio Ave Maria). Ave graiia
plena etc. Tam in epistola quam in evangelio gloriose vir-
ginis gloriosa multipliciter extoUitur. Unde sicut angelus
offidose, ita et nos affectuose eam salutare debemus.
Der name Bertholds fehlt, keine notiz deutet auf die pro-
yenienz der hs. hin; der schriitcharacter weist aber auf Deutschland.
Sevilla 28. 1. 83. P. HEINRICH DENIFLE 0. P.
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PREDIGTBRUCHSTCCKE 305
PREÜIGTBRUCHSTÜCKE.
VI
Steinmeyer überundet mir freundlichst seine abschrift eines
pergamentblattes , 26 cm. lang, 20 cm. breit, lijhs., ztoeispaltig
schön geschrieben, das in zwei genau an einander fassende teile
zerschnitten von Wilhelm Meyer auf der hof- und staatsbibliothdt
zu München kürzlich aus einer ineunabel der tüten churfürstlichen
bibliothek losgelöst wurde, der folgende abdruck ist getreu nach
der hs. veranstaltet (i : j, v : u, T zu s), auch die z für s sind be-
lassen, abkürzungen dagegen, deren nur wenige und einfache vor-
kommen, aufgelöst, ergdnzungen waren an mehreren stellen not-
wendig, wo durch schere oder löcher Zeilenanfänge resp, -scMüsse
weggefaUen sind, sie wurden eursiv gedrudct. die interfunction
httbe ich hinzugefügt und dabei die Überlieferung möglichst be-
rücksichtigt.
Mehrere teils positive teils negative anzeichen alemannischen
dialectes sind vorhanden; es wird aber wol untunlich sein, das
stück darauf hin einer bestimmten gegend zuzuweisen.
Wie es scheint, stammt das bkut aus dem anfange einer predigt
de eireumcisione dommi. sie war sorgfältig disponiert: erst sechs
gritnde für Christi beschneidung, deren erster und zweiter jedoch
durch zugesetzte vorschlage für geistige askese aus der Ordnung
gerückt werden, es folgen vier gründe dafür, dass die geistliche
beschneidung von den zuhörem geübt werde, und dann gründliche,
ausführliche bespreehungen der einzelnen, die predigt muss ziem-
lichen umfang gehabt haben und gehört darnach schon, sowie durch
ihre ganze anläge zu der kategorie späterer sermone des xiii jAs.
Ich habe in dem mir zugänglichen deutschen gedruckten und
ungedruckten material nichts verwandtes gefunden, auch ist es
mir nicht gelungen, in meinen tabellen lateinischer predigten die
quelle zu eruieren, ähnliches existiert genug, schon bei Hikrius
De trinitate 9, 9 (Migne x 288), Maximus Taiarinensis homil. 25
De baptismo Christi 7 (Migne hm 299 ff), Fulgentius im ersten
der bei Migne lxv 833 ff publicierten, früher ungedruckten, sermone
ist der gedankengang im allgemeinen derselbe wie hier, die bibd-
Z. F. D. A. XXVII. N. F. XV. 21
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306 PREDIGTBRUCHSTOCKE
stdlm werden me in unserem stück auch sonst sehr oft verbunden,
zb. bei Beda Homiliarum lib. i hom. x (Migne xciv 53 ff), Hugo
von SVictor sermo xlix (Migne clxxvii 1034), SBemhard und
anderen, aber meistens wird doch in den lateinis(Aen und den da-
von abhängigen deutschen sermonen die allegorische beschneidung
verschiedener kOrperteile wegen ihrer Sündhaftigkeit empfohlen.
(]*) und udser wandel uod UBsriu wort und unsriu werk
und alles unser leben also besaiten sin, daz do von ieman werde
geergert und gebösert und daz uns dar uoibe ieman oiAge ge-
siraffea; wann tAn wir daz, so haben wir uns auzwendig be-
5 sniten. Diu ander besnidunge sol innan sin, daz. ist daz wir
alle^ unser gedenke und alle unser begirde von unserm hertzen
sniden mit der aodaht, und daz haist ^inwendig besniien.' Zw
dem iriCien mal do woli er sieb lazzen besniden dar umb, daz
die Juden sich niht mohten entschuldigen, wann bette er sich
to niht lazzen besniten^ so beten die Juden gesprochen: wir^ wellen
an dich niht gelouben, wnn din leben ist ungelich unserr. h.
vater lebeiiv Zw dem vierden male do wolt er sich lazzen be-
sniden, daz der tiuvel iht sein bürt erkennet und daz er im sein,
h» gothait auch vor verbürge (wann diu besnidunge nam in der
15 alten. 6. ab die angehören sAnde diu die kinte haut), sam er in
den sAnden (t^) were geporn, und do von wann er wolt waenea
er wer in den sAnden geporn, do Hez er sich besniden, und
das er wer sam ain ander mensch, und dor umb wolt unser
lieber herr auch daz liaz sin mAter wArde hern Josep ^emnhelt,
20 das der tiuvel iht erkante daz er wer der wäre ^otes sAn, wan
das er wer her» Josephs sAn. Zw dem fAnften mal do wart er
besniten, daz er die gerehticheit wolt erfüllen, wann reht sam
er sich in der nuiDcn. ^. liez toAfen, daz er die rehticbeit er*
fallet, also wolt er sich in der alten, e. lazzen besniden, daz er
25 «IVe Tehticheit erfüllet, wann ez waz an im ain grozziu demAti-
eheit, wie doch daz wer daz er wer ain rehter herr der. ^., daz
er »cb selber wolt binden und untertanig wesen der. 4. und daz
et dem reht als gehorsam waz sam ain ander mensch, und auch
daz selbe in der nAwen. ^. Zw dem sehsten mal do wolt er
30 sich lassen besniden, das er do mit diu alten. ^. bewaeret und
ouch lobet wie rehte gute sie wer, und waz in der alten (2*). ^.
* aller tu. • t öfters für d, daher hier nicht geändert wurde
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PREDIGTBRUCHSTOCKE 307
Dibt volle komen waz gewesen daz daz in der olwen. 6. wurde
volle komen und auch volle braht. und do von sprtcbet er in
dem. b. ewangelio: Non veni solvere legem et destruere, 8ed
adimplere.1 Daz sprichet^ also: Ich pin dar nmh oibi komen 35
io dise werk, das ich die alten. 6. welle zerfurm und aueh zer-
brechen, Ich pin dar umb in dise werk chom^H, das ich diu
alten 6 wille erfüllen. Nw 861 wir merken daz wir uns sollen
durch vt>r^ saeh willen geistlichen besniden. Zw dem erstem
mal so sollen wir uns besniden, daz wir über werden dez ewigen 40
todes. Zw dem andern mal sullen wir uns besniden, daz wir
unser sele dem almebtigen got geoKeheln. Zw dem dritten mal
sullen wir uns besniden dar umb, daz wir den vrönlichnamen
unsers herrn wirdeclicben und auch trostlichen enphahen. Zw
dem vierden male, daz wir erwerben daz bimelrich und auch daz 45
ewige leben enpbahen. (2*^) Nw sprich ich aber: als zw dem
ersten male so sullen wir uns besniden dar umb^, daz wir über
werden dez ewigen todes; und do von so spricht unser herr in
der alten. 6. an dem ersten buche, daz ist Genesis^: Masculus
cujus preputii caro circumcisa non fuerit delebitur anima ilia de 50
populo suo. i. de cetu fidelium. Er spricht also: Der sun der
niht besniten an sinem leib ist und auch wirt dez selben sele
sol werden vertilget von dem volk von Israel, wan er hat mein
gebot über gangen, und do von, saliger mensch, wil du das
gebot unsers hern behalten, als er sich do liez liplichen be*- 55
sniden durch dinen willen, also solt diu dich durch sinen willen
gaistlichen lazzen besniden dar umb, daz din sele oucb iht werde
vertilgt von dem volk von Israel, daz ist von dem volk aller ge-
laubigen lewte. wan ist daz diu dich niht geistlichen besnidest,
so bistu dez gebotes unsers herrn ^ ungehorsam worden und 60
wirt din armA. ......
' Matth, 5, 17, aber et destroere steht nicht in der rulgnta
* sprich hl. ' ie durch ein loch stersUfrt * dar iiinb %vm mai
^ 17, 14] die warte nach suo fehlen in der Fnlgata * dmmaek oikt
unterpungiert.
Gras, 29. 11. 82. ANTON SCHÖNBACH.
ii-*
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308 SEGEN
SEGEN.
Aus der ^.2817 (Hoffmann nr ccxxiv) der k. hofbibliothek
in Wim, papier, 71 blätter fol, xivjhs., hat JM Wagner im Anzeiger
für künde der deutschen vorzeit 1862 sp. 234 /f verschiedene segen
mitgeteiU, andere sind MSD* 461/. 464. 466. 473/1 481 be-
n%Uzt worden, doch erübrigt immer eine anzahl kleiner stücke,
welche vornehmlich wegen ihrer Verwandtschaft mit bereits bekannten
Überlieferungen interesse beanspruchen dürfen, ich führe daher in
kürze an was in dem codex an segen noch zu finden ist, wie
häufig sonst (zb, bei der alten Innsbrudcer hs. Mones Anz, 7, 608 /f.
Zingerle. Germania 12, 463 ff) unter recepten verstreut, ich spare
dies mal ausführliche Verweisungen, nicht bei jeder kleinen publi-
cation sind sie nötig.
2&^ — 27** stehen lat. augensegen, welche aber blofs anrufungen
von heiligen enthalten. 21" findet sich: Der lieb berr sant Nt-
casius het aio vel in dem äugen uod bat got ?ou himelrich:
wer der wer der sineo namen by im irAge» daz er an schaden
erlöset würde von dem smerczen und wetlagen der äugen —
invocation folgt, vgl. Zs. 24, 75 f. darauf enthalten 2V^ recepte
gegen äugen- und zcAnleiden. 28' steht unter der roten Über-
schrift Der zen segen folgendes: Sanctus Petrus cum sederet
super petram marmoream misit manum ad caput, dolore dentiuui
Taligalus tristabatur. apparuit autem ei Jesus qui ait: Square
iristaris, Petre?' 'Domine, venit vermis emigraneus et devorat
dentes meos.' Jesus autem ait: 'adjuro te, eniigranee, per palreui
et filium et spiritum sanctum, ut exeas et recedaa a famulo dei.
N. et ultra eum non ledas.' Kyrie el. Cbriste el. Kyrie el.. paler
noster. sicut liberet te ab hoc malo deus amen f increalus
pater f increatus filius f increatus spiritus sanctus f immensus
— eternus — sancle — benedicat. diese fassung ist in mehreren
puncten besser aU die MSD* 466 aus 28" eiUnommene. zu der
scMuss formet vgl. Zs. 20, 22. 21, 210. 24, 65. nach einem sdhon
gedruckten wundsegen sind gelübde und gebete kranker personen
verzeidmet. es folgt ein kurzer Longinussegeti (der längere aus
2b^ ist MSD* 481 publidert): Longiuus stach dnsern herreu
durch sin seitun, daz wasser und plüt dar us ran. dem euswal
noch enswür die wund sin, also müzzen dir die wunden diu.
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SEGEN 309
zum schlusä: plaus io die wunden, plaus ie als oft dar in, so
?erslet daz plöL 29* steht ein bekannter blutsegen und dieses
stück: So dö an daz geriebt gest, so sprich dis worl: Rex pa-
cificus inter me et vos appropinquat deprecatio mea in conspeclu
luo. leb scblietf vil sözz uf des bailigen Cristes fözzen; Crist
der weckte mich (29**), der gesegeu mich und min fraw sant
Marie, daz gebet sei beschlozzen gen mir und daz sei mir offen
auch fair aelliä gescbUffen waffen denn daz min, daz mfisz mir
bCut gesegeni sin. daz sprich drislunl mit dri pater nosler, so
mag dir kain waffen nit geschaden. trotz der argen corruplion
ist der Zusammenhang mit den MSD* 468 ff behandelten segen un-
verkennbar.
Es folgt die formet: Swer diu veind sei, dem sprich dis
wort under sein äugen, so wirt er diu friünt: per Signum crucis
Christus imperat, ut me diligas — und läuft in ein gebet aus.
Für den zenswern wird dann empfohlen ein briefleiu umzubindm,
das nur ein lateinisches gebet enthält. 29"" steht Der pfeilsegen
(rot). So der mensch so gar ser geschossen ist oder wirt f in
dem namen des vaters und des sAns und des vil hailigen gaistes f
Longinus der jud der Anserm herren Jesu Christo die uagel us
zoch US benden und us fözzen. als war (hs. was) dis wort sieo,
als weriich geb mir .N. got häit kraft und mach mir .N. christeu-
menschen dicz isen uf gän und us flaisch zu ziechen in gotes
namen amen. vgl. Zs. 20, 24.
Der nächste blutsegen MSD* 462. darnach lateinische formein
gegen das bluten und krankhafte ausartung der menstruation, mit
berufung auf das blut flüssige weib, das = Veronica gesetzt wird.
die Zeilen sind auf blättchen zu schreiben, diese auf den nabel zu
binden, recepte und einfache segenssprüche gegen geschwulst stehen
darnach. 30*^ Benedictio dencium (rot), f In nomine patris et
filii et Spiritus sancti amen, f Christus in pelra sedebat et
virgam in manu tenebat et vermibus conlradicebat. discipuli ve-
Diebant qui ad eum dicebant: ^ domine, quid facis bic?' qui
respondit: * vermibus contradico; si sint vivi moriantur, si mortui
sunt exeant foras.' et tunc (hs, tue) scribe hanc liguram (ein
wwrmförmiger Schnörkel) omnis(?). das ist die bessere formu-
lierung eines Stückes, welches sdion Mone Anz. 7, 609 veröffentlicht
hiMi, vgl. Myth:* 1042. es folgt: Fuir den Irit an den rossen
sprich f die hailigen dri nagel die unserm herren durch hend
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3t0 SEGEN
und durch fAzz wurden geschlagen, und die hailigen yier wunden
hauen die fAnften in gotes namen amen, f leg den gerechten
doumen Aber den drit und den gelinggen dar uf. vgl Mones
Anz. 6, 476. 3, 278. 282. darauf der wurmsegen MSB* 464.
dann für den stechen ein gebet auf einen brief. wider die würmer
mit dem schluss: geschehe wie dem geschacb der valsch urtail
Aber Ansern herrn sprach, lateinisdie fiebersegen, nur anrufungen
enthaltend, stehen 31'*^, ein tat. wurmsegen 31 ^ wer nicht schlafen
kann, dem wird geraten, engelnamen auf ein blätlchen zu schreibefi
und dieses auf den köpf zu legen. Contra caducum niorhum ist
nur ein gebet, aus psalmenbrocketh zusammengesetzt, mit anrufung
der hlL 3 könige. dolorem gulluris soll ein gebet heilen, conlra
fluxuin sanguinis 31"* eine formet helfen, die schliefst: sicut
sletit Jesus in se stans sangwis fissus; sicut Jesus stellt cruci-
fixus stans saogwis in tua vena; sicut Jesus sletit in morte sua.
darauf reeepte. ut mulier cito pariat genügt es, einen zettel mit
defi namen Elisabeth und Maria aufzulegen, 32^^ zA dem wArm
die pfert da lötent, so scrib disiA wort f Job tergson f cenobia f
cerobantur f. der zettel soll mit wachs am halse des pferdes be-
festigt werden, kriege zu schlichten, werden messopfer und gebete
für heilsam erachtet, zettel mit heiligennamen sollen gegen zahn-
weh umgebunden werden.
32"" dann folgendes stück: Das man die wArm lAtet an dem
menschen oder an dem rosse, so sprich disiA wort f vlpiuiu
pauday f Alphando troysum traositor ayos f miritus f cruci-
lixus t in dem namen des vaters und des f sAns f und des
hailigen gaistes (32^) f er ist tod pater nosler. Job f den aus
der wArm die wil got wolt. do got nit mer wolt, do ward im
rat des Siechtums des selben tages. bflzz ich dir mit dem selben
bAzz und des wArms. Job lag uf der erde oder uf dem mist,
er rief zA dem hailigen Crist: 'dA in dem hymel bist.' dA ei^
hortest Jobs gehet daz er mit s^ndacht zA dir tet do in dem mist
zA dir, Crist. vil tief der wurm ist tod. pater noster. credo
in deum. Got durch sinen tod gebiet dir hiAt daz dA ligest tod
und durch die marter daz er laid, do er an daz hailig crikcz
schrait, die wunden namen im den üb; got gebiet dir, wArin,
daz dA sterbest an diser zit. Es bissen minen herren saoi Job
dri wArm : der ain was weis, der ander rot, der dritl was swarcz.
wArm, dA soll ligen tod durch des gAten sant Jopen ere, daz dfi
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SEGEN 311
dem menschen .N. (33*) flaisch noch bain enbissest nimmer mer.
amen, van den überaus zahlreichen fasmngen dieses segens steht
der verderbten unserigen keine näher als die Mones Anz. 6, 474/".
vgl MSD^A^h.
Gebete und recepte verschiedenes umfanges folgen, sachlich be-
deutungslos. 63* If werden leiden und freuden Christi und Marias
zum teil in versen besprochen, toetterprophezeiungen sMiefsen sich
an, lofstage und einftuss von winden an verschiedenen Wochen-
tagen, 71'^ sieht der segen von bulwechs und bulwechsin, welchen
JM Wagner aao, gedruckt hat, zweimal in übereinstimmenden fas-
sungen,
10^^ unten am rande findet sich notiert: es gas salb und
fra salb und unser her Jesus Crist sazzen baidiu über ain tisch,
da sprach fra salb: es ist hiut der trit tag, da slug mich das
gesegnet und das ungenant und der tropf und der schlag, da dA
crucz über ertrich und strich umb dich und an dich, das half
mich, das hilft ach das weitere ist unleserlich, dazu
vgl Zs. 24, 69. 79.
Bin gebet folgt, das mit anrufung des heiligen grabes beginnt,
71* steht: Nafel und Naflin die gingen ain guten weg. sy ge-
vieng. da gegent in zu der selben frist unser her Jesu Christ
damit bricht es ab, obschon räum genug wäre. 71* folgt dann
noch eine Verteilung der passion auf die hören (vgl Anz, vii 243 ff)
und anweisung zu gebeten, 71^ ein stück Cisiojanus. — 5"* sind
die Freidankverse 109, 16—20 ( Salamander, adler, hering, scher)
rot eingetragen,
Wien, fastnacht 1S83. ANTON SCHÖNBACH.
EIN DIEBSSEGEN.
Ad fugitivum. peda inpeda. prepeda. conpeda. prepedias In-
pedias. Conpedias Chvm wider in daz hvs da du bist gegangen
uz daz heilige cruce bringe dich von sundert wider, daz heilige
crvce bringe dich von nodert (sie) wider, daz heilige crvce bringe
dich von wester wider, daz heilige crvce bringe dich von oster
wider, daz heilige crvce wart von sand elenen fvnden also mvstv
mir werden fvnden vnd widerchomen nv chvm wider min diep.
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312 EIN DICBSSEGEN
oder min chnehl od swaz mir verstolu si durh den svzzen wech
den der heilig crist gie do er daz crvce ane sah. Ich beswer
erde vnd m<^re bi dem vater vod bi dem svn vnt d(em) b(eiligeD)
g(eisle) daz si mir in bringen wider.
Dieser segen (dessen abkürzungen ich aufgelöst habe) befindet
sich, von einer hand des \4jhs. eingetragen, auf bl. 9*** des clm. 373;
dahinter folgen von anderen händen andere besegnungen in lateini-
scher spräche, die hs,, welche aus zuoei verschiedenen teilen (bl t — 9
und 10 — 69) saecL 13 besteht und mehrere medicinische Schriften
enthält, wird 69*" oben bezeichnet als lib^ magri lacobi de frenis
pariseu arciü i medicTe pfessor atme vniu^»ilat, oxoniea (dies wort
auf rasur) ä 1439 alt'a die p» lestQ lucie. ST.
AHD, EIGENNAMEN.
Die folgenden eigennamen habe ich vor ungefähr 30 jähren
aus dem Füfsner codex der Regula SBenedicti abgeschrieben, den
mir dr Ruland, oberbibliothekar in Würzburg, aus Augsburg mit-
brachte, wo er sich in der bibliothek des domcapitels befand und
noch befindet, er gehört dem 9 jh. an. das alter utid die Wichtig-
keit der namen lässt ihren abdruck auch heute noch gerechtfertigt
erscheinen.
1) letzte Seite: Gundrun. Reginbold. Ratolt. Dominica. Goi.
Ernebold. Reginbind. Perhtoll. Ilemmo. Reginbardus.
2) in dem vorgebundenen jüngeren Martyrologium des Beda
sind eine reihe namen verstorbener eingetragen: perlolfus. Dieterih.
billebaU. Erchinbertus. Attili monachus obiit. Albericus abbas.
Chutrun (sie) sanctimonialis inclusa obiit. Helpericus m. & diac. e.
Hiiterat. Hiilebrand. Richina (n zweifelhaft). Witanlaic. e. Ilu-
gebert. Altmau abba obiit. Wizolfus. Altolfus. Richpertus.
Rodburcb a. Ratgoz abbas. Furchard"^ abbas. Irmingart. Re-
ginbaldi episc. Frömundus pr. & m. Digna o. Adalsunt e.
Richker mag. e. Liupmaonus I a. Adalfrith muiier obiit. Gi-
salpertus ir. & pr. a. Adelhard episc*
/♦ von den unter 2) mitgeteilten namen führt einige an Steickete
Das bittum Augsburg iv 3S1.]
Müncheti. K. HOPMANN.
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WOtFBAMS SGLBSTVfiRTEIDIGVNG 313
WOLFBAMS SELBSTVERTEIDiaUNG,
PARZIVAL 114,5-.116,4.
£8 i$4 b^k^nnl jd^ss der Partival nichl ab ein fertiges ganzes,
sondefo in zaiirflumen und stückweise herausgegeben wurde.
Sprenger, weleher nacbwiee (Gerai. ix 432 ff, nacbtrag dazu Litte*
raturbl. ui sp. 97) dass Wirot von Gravenberg ungeTühr von der
miti« seines Wigalois an die ersten sechs bacber des Parzival
benützt hat und sie, wie die entleboungen «eigen, alle zugleich
oiuas erhalten haben, yermutele deshalb, besonders da mit dem
sechsten buche ein gewisser abscbluss der erzählung gegeben
sei, dass buch i — vi zusammen erschienen, das erste, was Wolfram
fon seiner dicblung publicierte. als bedeutsam dafür hob RLüek
in einer Hallenser dissertation Über die abfassungszeit des Par-
zival (1878) s. 14 noch hervor dass Wotfraoi zu ende des sechsten
buch^s (837, 1 fl)f nach dem bericht über das verbleien der zu-
letzt versammelt gewesenen, einen rüd^Uick hält auf die von
ihm geschilderten edlen frauen in allen sechs büchern — wobei
er seine leserinnen anredet, die diz fnatre (also buch i — vi) ge-
$chibm sehen — und dann (337, 23 ff) die fortsetzung der er-
zSblung erst von dem willen eines anderen abhangig macht*
bemerkt sei auch dass er darauf das siebente buch mit allgemeinen
Sentenzen, ganz Ähnlich wie das erste, eröffnet, dem allen scheint
nur eines zu widerstreben: der apologetische abschnitt 114, 5l
bis 116, 4 zwischen dem zweiten und dritten buche, denn nach
der meinung Lachmanns (s. ix) und Haupts (Zs. xi 49. vgl. Beiger
HHaupt als academischer lebrer s. 279) wurde er hinzugefügt,
^als der eingang des dritten bucbes uotl der darin ausgesprochene
tadel der weiber anstofs gegeben hatte/ • weil sich nun zu ende
des sechsten bucbes (337, 1 ff) nach Haupt schon eine bezug-
nabme auf jene einlage findet, muss mithin das dritte buch noch
vor abecbluss des sechsten in Umlauf gewesen sein, dieser wider**
Spruch ist Lück nicht entgangen, allein sein erklarungsversuch
(s. 16), der dichter habe *gewis kleinere partien, die vollständig
waren, zb. einzelne büclier, seiner engeren Umgebung mitgeteilt,'
bleibt ein notbehelf.
Z. P. D. A. XXVII. N. F. XV. 22
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314 WOLFRAMS SELBSTVERTEIDIGUNG
Die hypotbese, um die es sich handelt, ist für die Chrono-
logie des Parzival von interesse. wenn GBötticher (Wolfram-
litteratur s. 44 anm.) die gemeinsam erfolgte publication der ersten
sechs bücher wegen jenes abschnittes zwischen dem zweiten und
dritten buche für *jedesfalls falsch' erklärt, so zeigt das nur,
wie wenig er die umstände in betracbt gezogen hat, die für
dieselbe sprechen. ^ vielmehr drängt sich ihnen gegenüber die
Vermutung auf dass die von Lachmanu und Haupt doch nur
ganz beiläufig gegebene auffassung eben jenes Zwischenstückes
nicht stichhaltig ist. dasselbe ist auch sonst durch mancherlei
personliche und Htterarische beziehungen des dichters wichtig.
es sei uns daher erlaubt, die beiden fragen hier noch einmal zu
erörtern: was enthalten die verse 114,5 — 116,4 and
wann wurden sie abgefasst?
Kein zweifei im allgemeinen dass wir es mit einer Ver-
teidigungsrede Wolframs zu tun haben, wie schon gesagt, deutete
Lachmann dieselbe auf den eingang des folgenden buches. Haupt
aao. erinnerte dass es sich aufserdem auch noch um scheltlieder
in ihr handele, die Wolfram gegen eine ungetreue gesungen habe,
das letztere ist der fall (nur ob es eines oder mehrere lieder
waren, steht nicht geschrieben);^ von einer tendenz jedoch da-
neben auf das dritte buch werden wir absehen müssen, denn
was Wolfram dort (116, 5 ff. 22 ff) von den frauen und der weit-
lust beider geschlechter sagt, wenn es ja einer misliebigeo aus-
legung ffthig war, ist doch an keine bestimmte adresse gerichtet,
es konnte ihm also auch nicht als eine persOn liehe beleidigung
angerechnet werden, eine solche aber und zwar nur eine solche
kommt in dem uns vorliegenden abschnitte (1 14, 7 ff) zur spräche:
ich vriesehe gerne ir freude breit,
wan einer bin ich unbereit
dienstlicher triuwe:
^ die Untersuchung Sprengers ist Bötticher überhaupt unbekannt ge-
blieben, sonst würde er auch nicht so zuversichtlich behaupten dass Woltam
sieh keine andere art der publication habe angelegen sein lassen, als ^as
vorlesen der einzelnen abschnitte des gedichtes gleich nach ihrer entstehaog.*
' dieselbe erklärung gibt auch Bartsch (Parzival' u 1662) : 'der dichter
bezieht sich hier auf ein gedieht, worin er eine frau, der er gedient und
die sich treulos erwiesen hatte, geschmäht, und das ihm tadel zugezogen
hatte.' vgl. auch Schcrer Geschichte der deutschen litteratur s. 174.
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WOLFRAMS SELBSTVERTEIDIGUNG 315
mtn »am ist immer niuwe
gein ir, Mt ich se an wanke saeh.
dass aber das erste verletzende wort (denn das hier stehende
widerbolt nur, was der Verfasser aufrecht erhalten will) nicht im
epos sondern im minnesange gefallen sei, lassen die nächsten
Zeilen erkennen (114, t2ff):
ich bin Wolfram von Eschenbach
unt kan ein teil mit sänge
unt bin ein habendiu^ zange
minen zom gern einem toibe:
diu hat mime Übe
erboten solhe m^issetät,
ine hdn si hazzens keinen rät.
das hier angedeutete scheltlied Wolframs ist uns unter den weni-
gen von ihm überlieferten liedern nicht erhalten, denn die Strophe
5, 28 ff, von der wir nachher noch sprechen werden, erwähnt
wol den brucb, ist aber nicht an die geliebte selbst, sondern
an andere gerichtet.
Weshalb der sanger seine Verteidigung dennoch im Par«
zival einschaltete, weshalb gerade an diesem puncte, nach dem
zweiten buche, bleibe einstweilen dahingestellt.
Die Situation ist nun folgende: wie wir aus den angeführten
Zeugnissen sahen, hatte Wolfram schlimme erfahrungen im minne-
dienste gemacht, die Verweigerung dienetÜdier triwoe (114,9)
deutet auf ein vorangegangenes liebesverhsltnis conventioneller
art zu einer vornehmen dame. aber die umworbene war ihm
untreu geworden, er hatte sie wankelmütig gefanden (114,11:
sii ich se an wanke sach) und ihr in einem scheltliede den ab-
schied gegeben, indem er die geschichte erzählt, motiviert er
ebenso sein betragen dabei, er sucht keinen ausgieich mit der
geschmähten dame, aber er bedauert es (114, 19 f), durch sein
auftreten auch die übrigen gegen sieh eingenommen zu haben:
dar umb hän ich der andern haz.
öwi war umbe tuont si daz?^
^ zur coDstraction vgl. MSD* zn zxziv 5, 10.
* die frage Ut besonders in der minnepoesie formelhaft, vgl. Mo-
ningen MF 143, 1. Reinmar MF 175,24. Walther 112,33. Neidhart 89,17.
Neifen 13,8. Ulrich von Winterstetten BMS 1161*. Walther tod Klingen
BMS 1 72\ von Troslberg HMS n 73*. Püller HMS n 69\ Hadknb HMS n 278'.
22*
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316 WOLFRAMS SELBSTVERTEIDIGUNG
die frage nach dem warum wird alsbald beantwortet (114, 21 f):
dlem si mir ir kazzen Mf,
es itt iedodi ir wipheit ....
und was damit gemeint sei, erhellt deutlich aus der spfiter fol-
gemien Widerlegung: das gefübl der mitleidenschaft, das in dem
verletzten weibe die repräsentantin ihres geschlecbtes erkannte,
jenes schelüied auf eine frau schien eine beleidigung aller
frauen, von deren keiner schlecht zu reden dem ritter unter
allen umständen geboten war. Wolfram gesteht zwar ein, in
dieser hinsieht gefehlt (^sich versprochen') zuhaben (114, 23fi):
Sit ich mich versprochen hdn
und an mir selben misiädn;
daz Ukle nimmer mir gesAikt.
doch sollen die frauen in ihrer entrtlstung gegen ihn auch nicht
zu weit gehen (ihm nicht 'ins gehäge kommen')^ denn er weifs
sich zu wehren (114,260):
doch sulen si eich vergdhen niiu
mit hurte an min hdmit:
9i vindent werlichen strit.^
hiermit lenkt er, nachdem er die veranlassung dargetan, nun
zu der eigentlichen Verteidigung über.
Also den frauen gilt dieselbe, die ein schelllied, das Wolfram
auf eine wankelmütige liebe gesungen hatte, ihm ala eine be-
leidigung ihres geschlechtes auslegten, wir dürfen aus den bisher
übergangenen eingangsversen unseres abschnittes noch schlieben
dass sie den schmSiher auf die poetischen lobreden anderer mttnner
hingewiesen hatten, denn er beginnt (114, 5 f):
Su>er tili wiben spriehet baz^
deiswdr da» lä» ich dne haz.
Sehen wir nun, wie er ihre klage zurückweist 114, 29tf:
ine hän des niht vergezzen,
nie küsme wol gemezzen
beide ir hcerde unt ir süre.
HStzlerin ii 48, 14. — £ckenlied 9, 11. Lanz. 9227. — Qber ähnliche fragen,
Mie figar der correction', zb. war umtM spreche iehdoM? handelt Lichten-
stein zu EUh. 2413. der dort citierte tafsats von Heinid in 4er Öster-
reichischen Wochenschrift ffir Wissenschaft und knnst 1872 bd. 2, 434 war
mir nicht inganglich.
* derselbe reim hdmtt : $trü Wig. 106, 36 f.
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WOLFRAMS SELBSTVERTEIDIGUNG 317
noelhem wibe wdget kiu9cke mite,
der lobes kemphe wil teh ün:
mir i$t von herzen leit tr pin.
dh. Mch verstehe wol, das betragen der fraiien (beide ir bestde
unt ir Site) zu beurteilen, und will für jedes tugendhafte weib
(podchem uMe volget kinscke mite) ein kflmpfer seines tobes sein.
— ich hege also keinen groll gegen alle frauen, mein scbelt-
lied auf die eine, die sich an mir vergangen hat (dieser schluss
ist zu ziehen), gilt nicht auch den übrigen, schuldlosen
franen.' nattlrlich ist kemphe (115, 3) hier nur in weiterem sinne
als ^Verteidiger, anwak' zu fassen und von dem später (115, Uff)
erwähnten schihiesamte des dichter» ganz getrennt zu halten. ^
Es folgt (115, 5 ff):
Sin lop hinket ame spat,
swer allen fnmwen eprichet mat
durch ein eines frouwen.
aus Bartscbs (n 1691) ohne erktening gegebener Übersetzung der
letiten zeile: 'biofs um seiner herrin willen' lässt sich leider
nicht ersehen, wie er den sinn dieser stelle verstanden hat:
«UDB des Vorzugs' oder ^um der missetat seiner dame willen'? der
Zusammenhang (vgl. 114, 17) seheint, was die meinung des autors
betriffl, zunächst für die zweite auffassung zu sprechen, wie auch
Sirorock (und ähnlich San Marte) übersetzt:
an der krttcke hinkt sein rühm,
der das ganze frauentum
schmäht um seiner frauen schmach.
der dichter tadelt den, der die missetat einer dame alle ent-
gelten lasst. dieser gedanke schlösse sich ganz wol an das vor-
hergehende an, wo Wolfram eben von sich sagte dass er es nicht
so mache, sondern die frauen zu beurteilen wisse usw. doch
prüfen wir, ehe wir an dieser auslegung fest halten, auch noch
die andere, entgegengesetzte, dem Wortlaute nach ebenso müg-
liehe: ^um des Vorzugs seiner dame willen, ihr zu gunsten.' wir
kennen einen Sänger, der wttrklich ^zu gunsten seiner dame'
allen anderen frauen 'matt' sprach, nämlich Reinmar von Hagenau,
welcher singt (MF 159, 5 f):
' Tsl. Neidh. 73,21f:
d(nes heiles kempfe wil ich sin
und dBi lop wol sprechen unde singen.
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318 WOLFRAMS SELBSTVERTEIDIGUNG
lob ich 81 8ö ma?i ander frowen luot,
dazu nimet ehl disiu von mir niht für guot.
doch swer ich des, sist an der stat
das üzer wibes lügenden noch nie fuoz gelnU,
daz ist in mat. ^
aus dem eingaoge der Verteidigung aber (114, 5 f)« ^o sich Wolf-
ram damit zufrieden erklärte, wenn jemand Yon den frauen besser
redete als er, war zu vermuten dass man ihm bei der beschwerde
über sein scheltlied die galantene anderer sdnger vorgehalten
hatte, sollte er nun hier nicht gegen Reinmar polemisieren, weil
dieser es war, mit dem man ihn zu beschämen und seines un-
rechtes zu überfuhren gemeint hatte? wie treffend eine berufung
der frauen gerade auf Reinmar, das haupt der hofischen mnoe-
Sänger, der sich mit Wahrheit rühmen konnte (MF 163, 24) dass
er nie wip mit rede verlos, dieselbe Strophe Reinmars, auf welche
die Worte Wolframs passen, hat bekanntlich auch Walther (1 11 , 22 ff)
ihrer Übertreibung wegen verspottet und dabei seinen gegoer
ebenso wenig, wie Wolfram, mit namen bezeichnet, die an-
spielung des letzteren muste ja um so deutlicher sein, als die
frauen, wie wir glauben, ihn zuvor selbst auf Reinmar verwiesen
hatten. — unsere stelle gewinnt nun einen viel prägnanteren in-
halt: Wolfram gebt davon aus dass sein scheltlied auf die ihm
untreu gewordene herrin die übrigen frauen nicht verletze, viel-
mehr, sagt er, trete ihnen derjenige zu nahe, den sie ihm als
muster eines artigen Sängers vorgehalten hätten (nämlich Rein-
mar), wenn er seine dame so überschwenglich preise, dass er
neben ihr allen anderen frauen *matt' spreche. — sin lop
hinket ame spat dh. entweder, wie Bartsch (ii 1689) erklärt: *er
verdient kein lob' oder: ^das lob, das er seiner dame singt, ist
unziemUch, bildlich gesprochen: es hinkt am spat.'^
^ Bartsch schreibt Liederdichter^ xv v. 90 gegen die hss. (iu A, in E,
du bC) ir, worunter nar die dame zu verstehen wäre, die, mit Reinmars
früherem lobe nicht zufrieden, nun ein solches von ihm erhSlt, dass sie
keine höheren anspröche mehr machen kann, sich für g^eschlagen (matt) er-
klären muss. allein schon aus Walthers parodie scheint deutlich hervor-
zugehen, wie es Lachmann und Haupt fassteo, dass Reinmar den anderen
frauen 'matt' sprach — noch deutlicher aus unserer stelle, wenn wir sie
richtig auf Reinmar beziehen, wie es auch ESchmidt (Reinmar von Hagenau
und Heinrich von Rugge, QFiv 8.44 anm.) tut.
* die parallelsteücn zu dieser ausdrucksweise ans Wolfram sammelt
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WOLFRAMS SELBSTVERTEIDIGUNG 319
Es scheint, als ob Wolfram auch noch bei einer späteren
bemerkuog Reinmar im äuge hatte, vorher aber müssen wir
die verse 115,8 bis 10 betrachten, die abermals verschiedene
aolTassung zulassen:
swelhiu min reht toil sckouwen,
beidiu sehen %ind hcßrm,
dien sol ich nidU betceren.
erklaren wir den Vordersatz mit Bartsch (ii 1692): *wenn ein weib
beachten will, was mir gebUrt, mir zukommt, mir mein recht
werden lasst' — so kann der nachsatz nur den sinn haben:
*die will ich auch nicht in ihrem rechte schädigen (betwrepi,
Barlseh: *betriegen')t der will auch ich ihr recht widerfahren
lassen.' die meinung also wäre: 'ich will nicht wie Reinmar
eioe frao ausschliefslich, auf kosten aller anderen loben, sondern
jede, nadi dem sie es um mich verdient hat.' ungefähr wie
115,2f: swelhem wibe volget kiueehe mite, der lobea kemphe toil
kk sin. aber abgesehen von dem bei dieser auffassung doch
allzu unbestimmten ausdrucke betceren (dh. 'jemanden zum toren
machen', daher 'betriegen, schädigen, benachteiligen'?) ständen
dann die folgenden verse (1 15, 1 1 ff: Schildes ambet ist min ort,.. .)
ganz ohne Verbindung. Wolfram redet dort von seinem stände,
ttiDem berufe, offenbar gleichbedeutend gebraucht er an unserer
stelle min reht, bezeichnend das recht seines Standes, die ge-
sammlheit seiner rechtlichen Verhältnisse (vgl. Hhd. wb. ii 1, 620''):
'will ein weib meine rechtliche Stellung, meinen stand genau
erfahren (sehoutoen, sehen und hceren), die will ich nicht be-
tören, ihr die Wahrheit nicht vorenthalten : nämlich . . . . ' i
(115, 11 ff):
alle LBock (Wolframs vod Escbenbach bilder und Wörter für freude und
lad, QF XXXIII 8. 23). die Vorstellung des lahmens und hinkens speciell auf
lob und ehre Obertragen auch bei Neidh. 83, 12 ff:
Miner vrotnven ere
diiiH an all&n lidmi lam
unde »truehet tere,
Virtioa 50, 15 ir vinde lop vii lamer wart und dar zuo spurlialz.
* San Marte übersetzt nicht gerade treflend, aber auch dem gedenken
Dich nicht falsch :
doch die mich recht erkennen mag,
am unberückl mich zu erwählen,
derselben wHl ich nicht verhehlen ....
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320 WOLFRAMS SeLBBTVERTEIDlGUNG
sMUes ütnbei ist min ort:
md min dien si gespmt,
melkiu miiA minnet umbe sanc,
so dunket mich ir witze kranc
ob ick ^otes u>ib9s minne ^er,
mag ich mit Schilde und ovcft mit sper
verdienen niht ir minne töU,
al dar tidch si sie mir hok.
ml hohes topels er doch spilt
der an rUiersehaft nach m^nen %iU.
(zu den beiden letzlen versen vgl. Parz. 289, 24. Winsbeke 20, 9.
Haupt zu Erek 867.) mau pflegt diese Zeilen gewMinlich »16 m
Zeugnis dafür anzuführen, dasd Wolfram seine kunst dem ihm
angealammten ritterlichen berufe nachsetzte und etwa wie Hartr
mann tiktennes pflac, swenner sine stunde niht baz bewenden künde.
wie mir herr prof. Luoae freundlichst mitteilt, erinnerte Haupt
betreffs dieser vermeintlichen Vorliebe Wolframs zu seinem ritter-
tume seine zuhOrer an eine stelle aus Athenaeus xiv 627 A:
^AXKaiBg yovv h notr^ti^g, si rig xort äkXog fiovaixiovawag
yevofiev^g, nt^oteqa xüv xota noiriTiyifiv tä xata vijv cofdgeiav
xi^etOLi, fi&lXov toS diovrog noXefAinbg yevofisvog
j^QXlXoxog yovv dyix&bg wy noitjzfjg ngwtov ixavxfj^^tfo
tb Svvaa&ai piet6%uv rcHv noXitixwv dyüva^v, devtegov Si
if4vi]ü^ Ttüv ftegl rijp noiritiiiriv vnaQxivxiav avt^ ....
Ofiolwg di xal AlaxiXog rTjXinavTrjv do^av ^^^y diä x^v
ftOititiKriv ovdliß fixxov ifti vov tdq^ov iniyQafprjvai ri^iiaüe
fiäXXo¥ tfjv onfdgeiav noirjaag
aXxijv d* evdoxifiov fiaQa&cjviov äXaog av eirtoi -
mat ßa&vxaitrietg Mrjdog iniaxaßevog.
allein der ausspruch Wolframs kann damit nicht verglichen wer-
den, zunächst ist zu beachten dass Wolfram hier nicht von
seiner poesie im allgemeinen, sondern nur von seinem sänge
redet, den er seinem schildesamte gegen übersetzt; aber nicht —
und das ist das zweite — um zu entscheiden, welches von beiden
ihm hoher gilt, sondern wofür er guote» u>ibes minne begehre,
nämlich für seine taten mit Schilde und ouch mit sper, nicht jedoch
für seine lieder. und warum dies? die antwort gibt der Zu-
sammenhang. Wolfram bat erklärt dass er jedes tugendhafte
weih loben wolle, nicht wie Reinmar eines ausschliefslich auf
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WOLFRAMS SELBSTVERTEIDIGUNG 321
kosten aH«r aiidereD. da niisa sieh denn die frage erbeben c
aber wie willst du eines weibes min ne erwerben? und er ent^
gegaet: ^achtet auf meinen stand, ich bin aum riiter geboren
(9ehtldes ambet üt min ort) und will als solcher für meine danie
streiten. Hebt mich eine frau meines gemnges wegen (worin
ich sie doch vor anderen frauen nicbt bevorzQge), während ieii
keine ritterlichen taten für sie Tefricfate ^ (swd min Men «I gt^
ifort), die tut es ohne grand, die handelt uniserstfindig fad dun*^
kit midi ir ¥fMz6 krane). der spielt um hoben gewinn, der «m
riraiienliebe ritterscbaft übt.' auch diese erklärumg^ scheint es,
geht gegen Reinmar, den berufsmäfsigen minnes^nger, dem gegen^
über Wolfram sein schildesamt geltend macht, er meint es dabei
mit semen Worten wol nicht so genau, wenigstens besitaen wir
auch ?on ihm drei minnelieder (ich halte die beiden ersten atro-
phen des von Lachmann verworfenen letzten Hedes 9, 3 ff auch
fQr ecbt^), in denen er die geliebte um gnade anfleht, vielleicht
allerdings fallen sie vor unseren abschnitt.
Hiermit ist die Verteidigung Wolframs und seine poleaeiik
gegen Reinmar su ende, in den scbiussversen (115, 21 — 116, 4)
lenkt er nun wider zn seiner erzahlung Qber:
ki/tenz wip niht für 0in smekhm,
ick 80Ü iu fütrhaz rticken
an disem mioere unkundiu \oort,
ick »prwche iu d'äviniiure vort,
8wer des von mir geruoche,
dem »eh %e keinem buodie,
ine kam deckeinen huoekstap.
dd nemeni gennoge ir nrhap:
disiu dventiure
veri dne der buaeke stinre.
4 man ei kete fikr ein btiock,
ich uxBre 4 nacket dne tnock,
8ö ick in dem bade smze,
ob ichs queeten niki vergwze.
^ nicht, wie Bartseh erklärt (n 1696): *wibrend ich keinen mut beweise/
* nicht aber, wie Paul (Beilr. i 203) aocfa die dritte Strophe, die da-
durch abaticht, dass Ton der dame, die vorher angeredet wurde, hier plötz-
lich in dritter peraon gesprochen wird, was Pani selbst gegen die folgenden
Strophen eingewendet hat.
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322 WOLFRAMS SELBSTVERTEIDIGUNG
er will ia der erzähluDg forlfabren, wena seine leserinnen sie
nicht für Schmeichelei halten (wahrscheinlich weil noch manches
zum lobe edler frauen darin vorkommt), vof^ allem sollen sie
sein werk nicht zu den büchern rechnen, da er nicht gelehrt
sei (ine chan deeheinen buoehstap), wie so viele andere dichter,
ehe man die ansprttche eines huches an dasselbe stellte, sodass
er sich schämen müste, sagt er launig, wollte er lieber nackt
im bade sitzen, wenn er nur notdürftig mit einem laubbüschel
(questen) bedeckt wäre. — die bedeutung von ^^usten ist von
Haupt (Zs. XI 50 ff. vgl. Kinzel Zs. f. d. phil. xii 266 0 erklärt
worden.
Bartsch sah (ii 1712) in dem hin weis auf andere, des lesens
und Schreibens kundige dichter eine spitze gegen Hartmann von
Aue, der in den eingängen des Armen Heinrich und des Iweio
seine litterarische bildung besonders hervorhob, und ESchmidt
aao. stimmt ihm darin bei. auf den ersten blick hat diese an-
nähme allerdings etwas bestechendes für uns. neben der pole-
mik gegen Reinmar auch ein seitenbieb auf Harlmann, vermut-
lich weil dieser gleichfalls dem dichter als norm, wie man von
frauen reden solle, vorgehalten wart zudem werden wir sehen
dass unser Zwischenstück in eine zeit fällt, wo Wolfram den
Iwein Hartmanns (den Armen Heinrich erwähnt er nirgends <)
bereits kannte, allein was hätte mit einer solchen bevorzugung
Hartmanns seitens der frauen die erklärung Wolframs zu tun,
dass er nicht wie jener bücher zu schreiben verstände? konnte
das etwa Hartmann irgendwie compromittieren ? überdies spricht
er ja nicht von einem, sondern von vielen dichtem, die im
gegensatze zu ihm selbst von der büchergelebrsamkeit ausgiengen
(da nement genuoge ir urhap), offenbar will er damit nur die
grOfsere Schwierigkeit bezeichnen, die ihm im vergleich mit jenen
bei seinem schaffen entgegenstände, um sich hier, wo er die er-
Zählung wider aufnimmt, nötiges falls der nachsieht seiner lese-
rinnen zu versichern. ^ die werte sind gewis ebenso wenig ten-
denziös gemeint wie die ähnlichen Wh. 2, 19 ff:
> Simrock meint (za 795, 30) dass er ihn fiberhanpt nicht gekannt
habe, weil er ihn bei der heilnng des Anfortas sonst wol angeführt hatte. (?)
' die meinung Lachmanns (s. ixQ, weil Wolfram ein stäck (114,5
bis 116,4) einfügte, sage er, seine erzählang sei kein buch, ist woi nicht
zutreffend.
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WOLFRAMS SELBSTVERTEIDIGUNG 323
swax an den bnoehen stet gesd^riben,
des bin tVA kiisistelös bdiben,
niht anders ick gelSrei bin:
wan hän ich kunst, die git mir sin. ^
Wir wenden uns, nachdem wir den inhalt betrachtet haben,
nun zor datierung des abschnittes. denn daas derselbe an der
stelle, wo er jetzt steht, zwischen dem zweiten und dritten buche,
nachträgiich eingeschaltet ist, lehrt schon sein versbestand, 2 X 30.
bekanntlich dichtete Wolfram erst von dem fünften buche an in
absfitzen zu dreifsig Zeilen, nachdem er die gesammte verssurome
der ersten vier bttcher darnach eingerichtet hatte (Lachmann
9. iz, Zu den Nibel. 1235 -• 1239).' — etwas weiter als bis an
den anfang des fünften buches, wenn auch nur vermutungs-
weise, führt uns die polemik gegen Reinmar von Hagenau. sollte
sie unabhängig von Walther entstanden sein, der wie gesagt
dieselbe strophe Reinmars parodiert hat, da doch Wolfram schon
im sechsten buche (297, 24 0 sein persönliches zusammentreffen
mit Walther auf der Wartburg bezeugt und seitdem auch noch
einige male auf lieder desselben bezug nimmt? von ihm, dem
einstigen schüler Reinmars, konnte er ja am besten über die
poesie des letzteren aufgeklärt werden. » an den Thüringer hof
oder einen dem ähnlichen weisen überhaupt die Verhältnisse,
die in unserem Zwischenstücke vorausgesetzt werden: ein kreis
vornehmer damen, der Wolframs scheltlied nach dem strengen
gesetze des höfischen frauendienstes beurteilt, der die tageslitte-
ratar kennt und aus ihren Vertretern mit feinem tacte Reinmar
beranswählt, um ihn Wolfram zum exempel vorzuhalten, ein
^ Domanig hält (Panivalstudien ii 72) diese worte Wolframs, dass er
weder lesen noch schreiben köane, für erlogen! er hat wol noch niemals
Wolframs stil beobachtet? das motto seiner beinahe komisch würkenden
Schrift lautet: biss schnell, das da yede red verstast, bys trag, das da
fremde wort ufslafsst!
* gelernt hatte er diese einrichtong, *die nichts mystisches bat', wie
Haupt (Zs. xi 49 f) meint, wahrscheinlich aas dem Iwein, der eben im fünften
hocbe (253, 10 ff) zum ersten male erwähnt wird.
* wol möglich dass auch Walthers parodie, die man gewöhnlich höher
binaufröckt, erst in Thäringen entstanden ist. vielleicht war gerade die
be'voraugung Reinmars vor Wolfram auch für Walther die Ursache seines
«Dgriffes.
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324 WOLFRAMS SELBSTVERTEIDIGUNG
solches publicum vermuten wir eber an dem hofe eines kunst-
liebenden fttrsten, als hw xe WUdmbere (dem heutigen Wehlen-
berg bei Ansbach, des dichters heimat?), ^ wo er den abschnitt
230 des fünften bncbes noch abfasste. apflter also als dieser
muss seine Übersiedlung nach Thüringen erfolgt sein, spüter auch,
glauben wir, iat uaaer zwischenstfick entstanden«
Suchen wir ton diesem puncte an nach weiteren fiageraeigen,
ein moment von entscheidender bedeutsng bietet sich» wir ent«
decken die spuren eines längeren minnewerbens Wolfraois, unter
dessen erfolgtosigkeit er leidet schritt für schritt können wir
ihn bald klagend, bald mismutig in seiner liebe begleiten, der
gewaltsame bruch, unterstützt von anderen übereinstimnienden
tatsachen beweist dass es dasselbe Verhältnis ist, dessen uner-
quickliches ende das in unserem Zwischenstücke verteidigte schdt«-
lied bezeichnet.
Die Zeugnisse sollen der reihe nach angeführt werden.
Fraglich, ob eine stelle im fünften buche (253, 15 AD schon
hierher zu rechnen ist. Sigune an der leiche Schionatulanders
will nichts von ersetz wissen:
Sigüne gerte ergetzens niht,
ab u4p die man bi wanke siht,
manege, der ich tot{ gedagn.
den Wankelmut der geliebten gibt ja Wolfram auch tl4, 11 ala
grund seines scheltens an : sU ich se an wanke sadi, doch sehen
vnr ihn im sechsten buche, wo die beziehungen viel deutlicher
sind, anfangs nur über die härte seiner dame klagen, derentwegen
er sie verlassen möchte, und erst gegen den scbluss hin sich
von ihrer untreue überzeugen, worauf dann sein scheltKed au«
zusetzen ist, welches das verhältois löste, seine Werbung geschah,
wie die im sechsten buche enthaltenen anspielungen beweisen,
in Thüringen, wo die geliebte wahrscheinlich ebenso wie er an
dem hofe des landgrafen sich aufhielt, wir würden daher über
die obigen verse weit sicherer entscheiden können, wenn wir
genau wüsten, wann Wolfram nach Thüringen kam, ob vor oder
nach Vollendung des fünften buches.
Die beziehungen, wie gesagt, werden im sechsten buche
^ 230| 12 f: »S grSziu fiwer sit noch 4
$aeh niemen hie se ßf^ildenberc,
vgl Allgem. Zeitung 1866 8. 5131 f. Martin Zs. xxvii 145 f.
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WOLFRAMS SELBSTTERTEIDIGUNG 326
deutlicher, drei blutetropfen im weifsen schnee gemahnen Par-
zival an Condwiramiirs; er hält unvertunmn. Wolfram erklärt
(287, lOfl):
daz fuogten im diu bluotes mal
und auch diu ntrmge minm,
diu mir dickt nimt sinne^
unt mir daz herze unsanfte regt.
ach not ein wip an mich legt:
u>il si mich alsus twingen
unt selten hilfe bringen,
ich sol eis underziehen
und V9n ir tröste vliehen.
Der somnambule zustand Parzivals dauert fort, es folgt
daher 291, 1 ff ein längerer verweis an frau Minne, die gewal-
tige beherscherin der geister. ^ am Schlüsse rechtfertigt sich der
dichter (292, 5 ff):
disiu rede enzceme keinem man,
wan der nie tröst von tu gewan.
ha ir mir geholfen baz,
min lop WOBT gern m niht so laz.
ir habt mir mangel vor geziü
und miner engen ecke also verspilt
daz ich tu niht geträwen mac.
min not iuch ie vä ringe wae.
^ vgl. En. 10153 f: dat doet dU starke minne,
die bringet mieh üter sitme,
eine übereinstimmaiig , die Behagbel ia seiner ausgäbe (s. ccxvi) nicbt an-
gemerkt bat.
' 291, 19 ff bat Wolfram, wie es scbeint, bestimmte beispiele (woi aus
der romanlitteratur) von der verderblicben wQrkung der minne im äuge.
Tielleieht sind die verse 291, 21 f ein seugnis dafflr, dass er Hartmanns
Gregor kannte:
(frou Minne) ir zucket manegem wtbe ir prts
unt rät in sippiu dmis,
das folgende könnte auf Eilbarts Tristrant geben:
und daz manee herre an nnem man
von ifoerr kraft kdt nUuetdn,
wut der fiduni an i^me geseüen
(iwer nie kan sieh heilen),
unt der man an stme Herren,
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326 WOLFRAMS SELBSTVERTEIDIGUNG
doch Sit ir mir ze tool gehom,
daz gein tu min kranker zom
immer solde bringen wort,
iwer druc hat so strengen ort,
ir ladet i&f herze swoeren soum.
hir Heinrich von Veldeke sinen houm >
mit hinst gein iwerm arde maz:
het er uns dö bescheiden baz
wie man iuch sük behalten 1
er hat her dan gespalten
wie man iuch sol erwerbefi.
von tumpheit muoz verderben
maneges tören höher funt,
was od Wirt mir daz noch kunt,
daz wize ich iu, fron Minne
sol man iu sölhe zinse gebn,
wol mich daz ich von iu niht hdn^
iren wolt mir bezzer senfte län.
ich hdn geredet unser aUer wort.
Meint Wolfram hier dass seine unerfahrenbeit (tumpheit) ihm
sein liebesglück verscherzt habe, nachdem er anfangs besseren
erfolg bei seiner dame halte, so erkennt er bald darnach die
wahre Ursache der entfremdung: die geliebte ist wankelmütig,
sie bevorzugt wol einen anderen, er spielt darauf in den verseo
311,20fr an, wo er die Schönheit des Parzival beschreibt:
sin varwe zeiner zangen
wcer guot: si möhte sttete habn,
diu den zwivel wol hin dan kan schabn.
ich meine wip die wenkent
und ir vriuntschaft überdenkent.
also hier erst spricht er im sechsten buche, wie in der Ver-
teidigung 114, 11 von dem wanke der dame. auch das bild der
zange, wenn man gewicht darauf legen will, findet sich ebenda
114,14:
^ dieser vers ist überfüll L Lachmann schlägt vor: hSr Henrc von
Veldeke einen boum . . . vielleicht besser: her Veldeke «Ihen boum wie
Wh. 286, 19: her Vogehoeidf — die ganze stelle klingt an Lavinias monolog
an : s. Behaghel s. ccxvi.
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WOLFRAMS SELBSTVERTEIDIGUNG 327
ick bin ein habendiu xange . . . ^
Um diese zeit mag sein verlorenes scheltlied gesungen sein.
Noch zweimal blickt er voller resignation auf sein misge-
schick in der liebe zurück. 234, 10:
ick pin dock frowoen lönes la»
und 234,27 fr:
wan 8wer durck toip kdt arbeit,
daz git im freude, eiswenne ouck leit
an dem orte fürbaz wigt:
8U8 dicke minne ir lönes pfligt.
Dann folgen die verse 337, 1 ff:
Nu wei» ick, swekk sinnee wip,
ob $i kdt getriwen Up,
diu diz mcere gesckriben sikt,
daz 8i mir mit wdrkeit gikt,
ick künde wiben sprecken haz
denne als ick sanc gein einer maz.
wie man sieht, genau die Situation unseres Zwischenstückes : der
dichter verteidigt sich, weil er eine frau gescholten hat, vor den
übrigen Trauen, wir erkennen darin aber nicht mit Haupt eine
spatere bezugnahme auf die frühere Verteidigung, denn das betref-
fende scheltlied kann nach den vorausgehenden anspielungen erst
ganz vor kurzem gesungen sein, und auch unser zwischen-
stock fallt an das ende des sechsten buches.
Und nun bemerken wir noch eine andere, wichtige Über-
einstimmung: die abschnitte 336 und 337 fehlen in den drei
Münchner und der Hamburger hs. sie stechen im tone merklich
ab von den vorhergehenden versen: 336 enthält eine trockene
liste der aurbrechenden personen, 337 die Verteidigung und ein
Schlusswort des autors. Bartsch (vi 1740) meinte daher, sie seien
nachtraglich erst hinzugefügt, ^vielleicht weil man den dichter
aufoierksam gemacht dass er über das verbleiben der versammelt
gewesenen etwas sagen müste, und weil es passend erschien,
hier, wo die erzdhlung eine wendung nimmt, zurückzublicken.'
Vergleichen wir diese abschnitte mit unserem zwischen-
geschobenen stücke, so bietet sich ein auffallender parallelismus
^ über die bildliche Verwendung von zarige bei den mittelhochdeutschen
diebtern vgl. Strauch zu Marner 1 25, wo unsere beiden stellen nachzu-
tragen sind.
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328 WOLFRAMS SELBSTVERTEIDIGUNG
dar: beide gruppen besteheo aus zweimal dreiraig versen, beide
ettlhahen etiifi eDtachuldiguog des aorüchigeo scheltliedea, beide
schliefsefi mit dem versprechen einer forUetzung der erzühlung.
dabei lernen wir in den veraen 114, 5 — ^20 eine antitbese beachten,
die wir gelegentlich unserer analyse vorher absichtlich Ober-
gangen haben. 337, 5 f wird das sagen dem singen gegen-
übergestellt:
ich künde wiben sprechen baz
denne ob ich sanc gein einer tna%,
der dichter meint, wenn er durch sein scheltlied bei den frauen
in miscredit gekommen sei, so müsse ihn doch sein Parzival
wider in ihre gunst bringen, in welchem er so viel herliche
frauen geschildert habe, und nun zählt er sie auf (337, 7 — 22 ^)
von Belakane bis Cunneware aus allen sechs büchern. — der-
selbe gegensatz von sagen und singen, nur weniger scharf
accentuiert, trifft sich auch zu anfang des Zwischenstückes
(114, 5f. 12ff):
Swer nu wiben sprichet baz,
deiswär da% ld% ich äne haz ....
ich bin Wolfram von Eichenbach
unt kan ein teil wut sänge
unt bin ein habendiu zange
minen zorn gein einem wibe ....
aus den eingangsversen 114, 5 f schlössen wir dass man dem
scbmäher andere aänger (oder einen anderen; wir fanden nach-
* de kfingtn Belakane
was tnissewenden äne
und aller valtcheite laz,
dS si ein tdUr künec besaz,
fit gap froun Her^eloyden trimm
siufzebipren herxeroum,
welch was froun Ginovfiren klage
an JthSret endetage!
dar %uo was mir ein trüren leii,
daz als6 sehamtichen reit
des künges kint von Kamant,
freu Jeschtite kiusche erkant.
wie wart frou Cunneware
gälunet mit ir hdrel
des sint si vaste wider kamn:
ir beder schäm hat prfs genomn.
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WOLFRAMS SELBSTVERTEIDIGUNG 329
her dass es Reinmar war) vorgehalten hatte, wir sehen jetzt wie
er den vergleich mit diesem rivalen zunächst auf das epische
gebiet hinüber spielt: ^als Sänger habe ich allerdings ein weib
gescholten; ob aber als epiker jemand von den frauen besser
spricht — das ist die frage!' so bedeuten die vei*se 114, 5 f in
der kürze dasselbe, was 337, 7 — 22 der rOckblick auf die gallerie
edler frauen aus den vorhergehenden büchern: eine berufung
auf den Parzival, durch die partikel nu 114, 5 wie 337, 1 an-
geknüpft, die galanterie des epikers soll den verstofs des
Sängers wider wett machen, darum also hat er seine Vertei-
digung im Parzival eingeschaltet, ^ darum auch verbittet er sich
am Schlüsse derselben, seine erzählung für schmeichele! zu halten.
Ist es nach allen diesen Übereinstimmungen nun zu gewagt,
wenn wir behaupten, die einlage vor buch m sei ursprünglich
ebenso wie die abschnitte 336 und 337 als schluss- oder nach-
wort zu dem sechsten buche bestimmt gewesen? das versprechen
einer fortsetzung 115,21 fT deutete ursprünglich wie das gleiche
337, 23 ff auf das siebente buch, zwischen dem zweiten und
dritten, wo die erzählung gar nicht abbricht, steht es müfsig.
wahrscheinlich wurden die verse 114, 5 — 116, 4 früher verfasst,
als die von 336 und 337, unmittelbar nach dem eclat jenes zer-
' er hat sich aofäerdero auch noch in einem liede verteidigt, dessen
entstehongszeit deshalb gleichfalls an das ende des sechsten boches zu
setzen ist. denn als Verteidigung rofissen wir die schon erwihnte Strophe
5, 28 ff anffassen:
Seht waz ein storch den säten schade:
noch minre schaden hdnt mfn diu wip,
ir haz ich ungern {if mich lade.
diu nu den schuldehaften Jtp
gegen mir treit, da% IdM ich stn:
ich wil nu pflegen der ȟ/Ue mtn
(rgl. Haupt Zs. XI 49). die beiden vorhergehenden Strophen desselben tones
(5, 16 bis 27) sind offenbar früher gedichtet, zu einer zeit, als Wolfram noch
auf erhörung von der geliebten hoflle. 5, 25 ff:
vil Ithte erschtnet noch der tac,
da% man mir muoz vräiden jehen,
noch graser wunder ist geschehen,
es ist wol möglich dass die beiden anderen liebeslieder Wolframs (7, Uff.
9, 3 II), in denen beiden er sich ein liebez ende (7, 32. 9, 13) von seiner
berrin wünscht, in den anfang desselben Verhältnisses gehören, vgl. 1, 30
dm helfeltch gebot mit 5,22 den helfeltchen gruoz.
Z. F. D. A. XXVIL N. F. XV. 23
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330 WOLFRAMS SELBSTVERTEIDIGUNG
würfnisses, denn der zorn gegen die ungetreue geliebte ist nocli
nicht verraucht, das gefuhl der Zurücksetzung hinler Reinmar
äufsert sich in scharfer polemik. ein passus von ruhigerer haltung
trat an die stelle: der wankelmut der dame wird nicht mehr
erwähnt, die polemik ist weggelassen, statt dessen findet sich
336 die lange liste der abreisenden personen.
Warum aber, fragen wir nun, wurde jenes erste, von seinem
platze verdrängte scblusswort zwischen das zweite und dritte buch
eingeschaltet?
In der originalhs. füllten die 60 verse 114,5 — 116,4 ur*
sprünglich das letzte blatt, oder, wenn man will, die eine seite^
die Vorderseite, desselben, dies blatt wurde ausgeschnitten, um
den absätzen 336 und 337 räum zu machen, die wolfeiLste er-
klärung darnach wäre, dass es sich durch zufall, ohne des dich-
ters wissen, an seinen jetzigen ort verirrt habe, man tilge das
Zwischenstück, und die ersten vier bücher bleuten, wie es ver-
anschlagt war, in ihrer gesammtsumme durch 30 teilbar, wer
spitzfündig sein will, nimmt noch die Überlieferung der SGaller
hs. (D) zu hilfe. in ihr sind die betreffenden verse mit zu dem
zweiten buche gerechnet (s. Lachmann s. ix). das kommt daher,
argumentiert man, weil die rückseite des schlussblattes frei ge-
blieben war. so fügte sich der einschub direct an buch ii, wurde
aber von buch m durch einen leeren räum, den man für das
zeichen eines abscbnittes nahm, geschieden, auch das ist nicht
wunderbar, diss sich dieses hineingeratene blatt in allen hss.
erhalten hat, während die zu äufserst angehefteten abschnitte
336 und 337 in einem teile der hss. ausgefallen sind. Zufällig-
keiten lassen sich eben leicht combinieren, aber ihre annähme
ist meistens nur ein deckmantel unserer ratlosigkeit.
Geschah die einschaltung nicht von ungeßhr, so wird sich
die absieht des dichters bei derselben wol noch erkennen lassen.
Gehen wir zu diesem zwecke einfach von dem gegebenen
aus. die partikel nu knüpft das Zwischenstück an das zweite buch
an, wo Herzeloide in ihrer witwentrauer bei der gehurt ihres
kindes geschildert ist: ein ergreifendes bild weiblicher treue und
hingebung, noch verklärt durch den auiblick zu der himmels-
konigin, die der säugenden mutter in gleicher Situation vor-
schwebt, nach dieser wunderbaren Schilderung durfte der dichter
wol sagen:
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WOLFRAMS SELBSTVERTEIDIGUNG 331
Swer nu toibm sprichet baz,
deiswär daz lä% ich äne ha».
uod darauf verteidigt er sich dass er eine ungetreue gescholten
habe, allerdings, sehen wir, ist dieser punct mit berechnung ge-
wählt, die von ihrem eigentlichen platze entfernte Verteidigung
konnte an keiner passenderen stelle eingeschaltet werden, aber
warum wurde sie vom ende des sechsten buches entfernt und durch
ein anderes seblusswort ersetzt? vielleicht weil der dichter mit der
schroffen anklage seiner dame und der polemik gegen Reinmar
nicht schliefsen wollte, vielleicht auch, weil eben zwischen dem
zweiten und dritten buche eine berufung noch besonders an-
gebracht erschien, dass aber die abschnitte 336 und 337 in
einem teile der hse. fehlen, werden wir wol dem schon berührten
umstände zuschreiben müssen, dass sie das aufserste, noch dazu
spater angeheftete blatt der originaihs. ausmachten.
Mag man diese erklarung annehmen oder nicht, so viel
glauben wir bewiesen zu haben, dass unser Zwischenstück erst
gegen ende des sechsten buches kann entstanden sein, und dass
keine beziehung auf das dritte buch darin vorliegt, es steht
also der hypothese Sprengers und Lücks nicht im wege. im
gegenteil lässt sich bei der annähme, dass buch i — vi zusammen
erschienen« am leichtesten begreifen, wie Wolfram nach Vollen-
dung des sechsten buches zwischen dem zweiten und dritten noch
eine einschaltung machen konnte, auch deutet der Inhalt der-
selben, der rückblick (114,50 und das versprechen einer fort-
setiung der erzahlung (115, 21 fl), an ihrer eigentlichen stelle
gedacht, ebenso wie der von 337 darauf hin dass nach dem
sechsten buche eine pause stattfinden sollte. ^
Das sechste buch wurde in Thüringen verfasst. am Schlüsse
desselben (337, 23 ff) heifst es:
ze machen nem diz tncere ein man,
der dventiure prüeven kan
^ gewis sind auch die übrigeo zehn bOcher des Parzival nicht eiaaeio,
sodass die erzäblnng ans eiAander gerissen wnrde» sondern in gröfseren
abteilnngen erschienen, dieselben zu bestimmen allerdings, wie es Lock
weiter versacht hat, hill schwer, da sich wenig anhaltspnncte dafflr finden.
Bötlicher hat aao. auch diese ferneren abteilnngen fOr 'jedesfalls faisc^h'
crUirt
23*
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332 WOLFRAMS SELBSTVERTEIDIGUNG
und rime künne sprechen,
beidi%t samnen unde brechen.
ich twtz tu gerne fürbaz kunt,
woU ez gebieten mir ein munl,
den doch ander fiUze tragend
dan die mir ze Stegreif wagent,
wir können die worte nicht mehr, wie es bisher geschehen ist,
als huldigung für eine geliebte frau auffassen, der später auch
das ganze werk gewidmet wurde, denn Wolframs minnedienst
war, als er dies dichtete, eben zu ende, und noch im zwölften
buche (587, 7 ff) ist er frei und darf sich nicht unter die minncere
rechnen, gelten die worte aber einem manne, so zweifeln wir
nicht dass es landgraf Hermann ist, dem Wolfram den ersten
teil seines Parzival damit darbrachte, seinem fürstlichen gast-
freunde, dem grofsen protector der kunst, von dem er auffor-
derung und ermunterung zu weiterem schaffen erwartete — und
gefunden hat.
Marburg 1883. JOHANNES STOSCH.
DIE ANORDNUNG DER ßüODLIEB-
FRAGMENTE UND DER ALTE RUODLIEBUS.
1
LLaistner hat in der besprechung meiner Ruodliebausgabe
Anz. IX 70 — 106 meine in dem fraglichen puncte mit Schmeller
übereinstimmende anordnung der fragmente angegriffen und dafür
eine neue versucht, er setzt die blätter 28. 29 vor 26. 27 und
nimmt an, F 1 falle in die lücke zwischen 29 und 26, sodass als
neue reihenfolge der fragmente sich ergäbe: xn. xm. ix. x. xi.
der ton seiner auseinandersetzungen wäre wol weniger zuver-
sichtlich gewesen, auch hätte er sich die mühe einer neuen re-
construction der handschrift auf grund seiner Umstellung viel-
leicht erspart, wenn er gleich von anfang an die verse xin 127
und 128 beachtet hätte, dieselben waren ihm entgangen; erst
nachträglich auf s. 106 am Schlüsse seiner ganzen besprechung
sucht er dies versehen wider gut zu machen und sich mit ihnen
abzufinden, indem er meine ergänzung von 127 abändert, allein
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DIE ANORDNUNG DER RUODLIEBFRAGMENTE 333
er beseitigt damit nicht die eigeDlliche kiippe, an welcher seine
neuordnung und die mit derselben zusammenhängenden hypo-
thesen scheitern; diese liegt in vers 128. die Situation ist dass
Ruodliebs neffe toilette macht, dabei heifst es xiii 127 f:
danauü digitalem
Ad minimum digitum bene nix tum conuem'entem.
damit vergleiche man die verse ix 63—72, wo das fräulein im
Würfelspiel ihren ring an den neffen verliert, ihn vom finger zieht
und jenem zuwirft, worauf dann folgt:
In cuius media nodus fuerat cauus intro;
Hunc ni laxaret, digito non imposuisset.
niemand, dem es nicht darauf ankommt, einmal gefasste meinungen
auch gewaltsam zu verteidigen, wird, wenn er beide stellen neben
einander hält, bezweifeln dass der ring, von dem in xni gesagt
wird, er habe auch da noch (nämlich nachdem er mittels des
hohlen knotens erweitert und längere zeit gebraucht worden ist)
kaum an den kleinsten finger des neffen gepasst, derselbe ist,
wie der, welchen ihm in ix die herilis gibt (donauit -»• donetur
IX 63) und welchen er durch erweiterung erst notdürftig für
seinen finger passend machen muss, dass mithin meine ergänzung ^
des verstümmelten ersten verses: Sumpsit herilis quem sibi dem
sinne nach das richtige trifft. Laistners Umänderung: Sumpsit
herili quem post ist erstens nur ein notbehelf, denn sie bietet
nichts als die gänzlich zwecklose und unkünsllerische vorweg-
nähme eines später erzählten nebensächlichen factums, wie eine
solche im gedichte sonst nicht vorkommt, ^ und zweitens ist sie
eine Unmöglichkeit, denn dem neffen kann sein eigener ring
nicht zu klein sein, diese eine stelle ist für die anordnung der
in rede stehenden fragmente entscheidend. Laistners fehler be-
steht darin dass er seine neuordnung nicht auf den inhalt der
fragmente, welcher allein den ausschlag geben kann, gründet,
sondern auf seine hypothese zweier sich ausschliefsender ab-
> im text ist vor danauü das zeicheo der ergSozuDg, die klammer,
durch einen drockfehler leider ausgefallen, wie vi 54 hinter Hec and 58
hinter Que^.
' etwas ganz anderes ist naturlich die dunkele echt epische hindeu-
(OQg auf das bevorstehende Verhängnis vn 34; vgl. s. 189. die hier noch
angeflihrte stelle xvi 33 deutet E Voigt DLZ 1882 s. 1644 wol mit recht
auf die kröne des ewigen lebens.
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334 DIE ANORDNUNG DER RUODLIEBFRAGMENTE
schDiUe, eine bypothese, welche, erst nachdem die fragmente
geordnet, aus ihnen herausgezogen, aber nicht, um dieselben
danach zu ordnen, a priori aufgestellt werden durfte.
Auch im flbrigen bietet die von Laistner vorgeschlagene
neuordnung mehr Unbequemlichkeiten und Schwierigkeiten als
die von Schmeller hergestellte und von mir angenommene an-
Ordnung, obgleich sich bei jener auf den ersten blick alles schein-
bar einfacher gestaltet, bei unserer anordnung ist es allerdings
unbequem dass Ruodlieb und sein neffe sich in das haus der
commater zurückbegeben (xin) und dann vor xv mit den beiden
frauen, die sie zur hochzeit abgeholt haben, wider zu Ruodliebs
mutter zurückgekehrt sein müssen, aber kämen wir bei Laist-
ners neuordnung um diese doppelte fahrt der ritter herum?
ebenso wenig; denn auch nach dieser müste die erzählung zwi-
schen XI und XV noch einmal in das haus der commater zurück-
kehren, weil sich dieselbe mit ihrer tochter, der herilis, in x
noch im eigenen, in xv aber in Ruodliebs hause befinden würde,
der neffe müste seine braut in person abholen, zumal da er noch
gar nicht förmlich um sie angehalten hatte, und wäre dabei sieher
von Ruodlieb begleitet worden, der überdies die einladung, in
sein haus zu kommen, hätte ausrichten müssen, also die Un-
bequemlichkeit der doppelten fahrt der beiden roänner bleibt in
beiden fällen; sie liegt eben im gange der erzählung selbst,
dagegen ist fragment xii bei Laistners Umstellung gar nicht zu
deuten, bei unserer anordnung deutet es sich von selbst Laistner
hat s. 99 die gröste mühe, sich mit diesem fragment auseinander-
zusetzen, wie er es selbst offen anerkennt, und dennoch gelingt
es ihm nicht. Ruodlieb soll sich in xii im gespräche mit einem
scutifer befinden, den er im geleite eines andern diens (4) oder
scutifer (11) nach hause zu schicken im begriffe stehe, aber
der redende will ii nach v. 6 selbst mitreiten: Mie landsleute
werden, wenn sie*dich sehen, mich unbeachtet lassen, weil sie
dich besser kennen'; folglich kann Ruodlieb, der nach Laistners
berechnung (s. 76) erst 515 verse später (G 167 bis 682 läge
dazwischen) wOrklich heimreitet, nicht der Sprecher sein, was
soll ferner, wenn schon in xii zwei scutiferi an Ruodliebs mutter
abgesandt werden, die nochmalige botschaft x 20 an sie? und
wie überaus gezwungen ist die Laistnersche deutung von v. 7?
nach der von mir s. 38 gegebenen deutung dagegen macht sieb
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DIE ANORDNUNG DER RUODLIEBPRAGMENTE 335
alles wie von selbst, der neffe will in das haus der commater
zurückreiten, um um die berilis zu werben und sie abzuholen;
er bittet Ruodlieb, ihn zu begleiten, damit er desto weniger durch
die neugier der landsleute belästigt werde.
Um die hypothese vom mtYes- und Ruodbeb-ahschniii auf-
recht zu erbalten, konnte man nun noch die anordnung: ix. zu.
XIII. X. XI vorschlagen, dieselbe ist jedoch unmöglich wegen der
innigen beziehung von x 22 ff zu ix 62 ff, welche eine so weite
t rennung der beiden Tragmente nicht zulässt. auch Laistners
berechnung, wonach zwischen ix und x hundert verse (G 523
bis 622) ausgerallen wären, ist aus ebendemselben gründe un-
i^abrscheinlich ; ich muss dem gegenüber bei meiner ansieht
(s. 18), dass zwischen beiden Tragmenten nur wenige verse fehlen,
stehen bleiben.
Es wird demnach in beziehung auf die anordnung dieser
fragmente alles beim alten bleiben müssen, und die ganze recon-
struction der handschrift, wie sie Laistner messend und rechneod
▼ersucht hat, dürfte sich mithin als ein auf den sand gegründetes
hans erweisen.
Ebenso aber auch die hypothese, der zu liebe die Umstellung
vorgenommen ist, dass auf einen abschnitt, in welchem der held
ausschliefslich mit mäes oder anderen appellativen bezeichnet
werde, ein zweiter folge, in welchem er ebenso ausschliefslich
mit seinem namen benannt sei. nach unserer anordnung kommen
in den fragmenten x — xiii beide benennungen abwechselnd vor,
und es lässt'sich vielleicht auch ein innerer grund dafür erkennen,
mit der bezeichnung des beiden verhalt es sich nämlich so. ein-
geführt wird er echt märchenhaft allgemein ('es war einmal ein
mann') mit uir quidam. da dann sofort seine eigenschaft als eines
in die fremde ziehenden hervortritt, so folgt eooul i 75. 113.
II 43; eine Variation davon ist miles ftregrinus n 49. daneben
lieifst er n 36 uenator in seiner tätigkeit als jäger. in ui kommt
er gar nicht vor, falls er nicht — was immerhin möglich ist —
unter dem princeps 7 und dem signifer 27 zu verstehen ist;
wir hätten ihn dann wider nach seiner augenblicklichen tätigkeit
benannt, in iv heifst er widerum entsprechend seiner tätigkeit
kgatus 28, tniuus 35. 81. in v finden wir ihn ebenfalls seiner
augenblicklichen eigenschaft gemäfs als legaius 14, missus 26 be-
zeichnet, seiner lestallung gemäfs als nenator peregrtnus 199.
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336 DIE ANORDNUNG DER RUODLIEBFRAGMENTE
darauf folgt die zweifelhafte stelle 223, über die uacbher oocli
ein wort zu sagen ist, und erst jetzt finden wir ibu zum ersteu
male schlechtweg miles genannt 264, ebenso 529. 556, aber noch
wechselnd mit extil 301. 578, cliens 393, exul cltens 448. also
in dem ganzen abschnitte bis v 219, den man mit Laistuer ^Ruod-
lieb exur überschreiben mag, heifst der held nirgends schlecht-
weg miles. erst von da ab, wo er nach hause zurückgerufen
worden ist, wo seine beziehungen zur fremde sich also lOsen,
tritt diese benennung auf, aber so lange er noch am hofe des
kOnigs oder in der gesellschaft seiner dort gewonnenen freunde
verweilt, besteht daneben exul fort, von dem augenblicke da-
gegen an, wo er sich von den dortigen Verhältnissen und per-
sonen ganz losgelöst hat und nun allein der heimat zuzieht, heifst
er ausschliefslich miles v 592. 610. vi 7. 31. vu 20. 22. 27. 29.
vm 126. 129. ix 25. 27. x 6. 13, da von den früheren bezeich-
nungen keine einzige mehr gilligkeit hat. der dichter bezeichnet
also erstens seinen beiden stets mit einer benennung, die ihm
für die augenblickliche la^e desselben die zutrefTendste scheint,
und zweitens ist der Übergang vom exul- uenalor- missus-db-
schnitt zum mtfes-abschnitt nicht ein plötzlicher, sondern findet
der sich allmählich verändernden läge entsprechend allmählich
statt, bis miles zur alleinherschaft gelangt, in demselben Ver-
hältnis nun, wie 7niles zu den früheren bencnuungen, steht Ruod-
lieb zu miles. so lange der held auf der heimfahrt ist, heifst
er nur miles, auch noch in x 6 und 13. in dem augenblicke
aber, wo er an der grenze der heimatlichen besitzung ankommt
X 78, wird er bei namen genannt, und zwar an einer stelle, wo
in dem munde des nach ihm seufzenden knaben miles eine Un-
möglichkeit wäre, so lange er nun in der heimat bleibt, wird
er mit seinem namen oder entsprechend seinem Verhältnis zur
dienerschaft mit dominus (x 88, was die Iheorie von der aus-
schliefslichkeit der benennung bereits durchlöchert) bezeichnet,
sowie er sich wider zur abreise anschickt, erscheint auch wider
die benennung, die er vor dem eintritt in die heimat geführt
hatte (in xu und xiu). in xv befindet er sich wider zu hause
und fortab herscht Ruodlieb ausschliefslich und wird nun so fest,
dass es unnatürlich wäre, es in xvui nochmals fallen zu lassen,
wir haben also ebenso wie vorhin erstens den allmählichen Über-
gang von der miles- zur namensbezeichnung, indem der held
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DIE ANORDjNÜNG der RüODLIEBFRAGMENTE 337
auch nachdem er bereits mit namen genannt ist noch als mile$
(dominus) vorkommt, und zweitens die anpassung der bezeich-
nung an die augenblickliche Situation des beiden, wo seine fa-
miliären und gemütlichen beziebungen hervortreten, in der heimat^
wird er mit namen genannt, wo mehr sein stand und sein ge-
selischartlicher rang in den Vordergrund treten, in der fremde,
heifst er miles. — von v 223 erklärt Laistner s. 72 dass hier das
wort Ruodlieb von moderner band, wahrscheinlich Docens, zwar
recht artig im schriftcharacter des Originals, aber schief und mit
roter tinte in den verstümmelten text gesetzt sei. in meiner er-
innerung liegt der Sachverhalt anders, allerdings ist der name
rOLlicb geschrieben, aber diese rote schrift erschien mir, als ich
die stelle betrachtete, nur nachgezogen auf den ursprünglichen,
das gleiche ergebenden buchstaben. ich vermutete dass Docen
(oder Schmeller) das getan habe, um den hier zuerst vorkommen-
den namen gebürend hervorzuheben, wie sich sonst vielfach merk-
würdige ausdrücke rot unterstrichen flnden. eine Verstümmelung
des textes ist aus dem gründe wenig glaublich, weil gerade in
dieser partie die versanfänge sehr wol erhalten sind, dass aber
die nennung des namens an dieser stelle nach der eben gegebenen
auseinandersetzung ihre volle berechügung haben würde, ist klar;
denn hier, wo er den brief der ^geUebten mutter' empßngt, treten
zuerst jene gemütlichen und familiären heimatsbeziehungen hervor.
Ebenso wie dieser punct hängt auch die Stellung von frag-
nient xiv und xv von der äufserlichen beschaffenheit der blälter
ab. aus s. 16 konnte L. ersehen dass mir bereits der ge-
denke gekommen war, blatt 25 und 30 umzustellen, weil sich
der schluss von xiv gut an den anfang von xvi zu schliefsen
scheint; ich gab diesen gedanken wider auf, weil sich bei einer
sorgfältigen prüfung des doppelblattes ergab dass es jeder falzung
nach der seite hin, nach der es dann ursprünglich gebrochen
ge%Tesen sein müste, auf das entschiedenste widerstrebt, nun ist
aber noch im jähre 1494 auf dieses doppelblatt geschrieben wor-
den (vgl. s. 5), damals war es also noch nicht aufgeklebt, wenn
es also mOgUch ist dass die ursprüngliche brechung eines per-
gamentblattes, in welcher dasselbe circa 5 Jahrhunderte verblieben
ist, durch ein aufgeklebtsein von c. 3 Jahrhunderten so vollständig
Terloren geht, dass das blatt auch nicht mehr die geringste nei-
gung zeigt, sich in seine ursprüngliche gestalt zurückbrechen
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338 DIE ANORDNUNG DER RUODLIEBFRAGMENTE
zu lassen, so habe ich nichts gegen die Umstellung von xi? und
XV einzuwenden, natüiiich verdient dieser buchbinderisch-tech-
nische gesichtspunct ganz ebenso bei den oben besprochenen
fragmenten berücksichtigung.
11
An seine erste hypothese von sich ausschliefsendcn mileS'-
und Attodlteft-abschnitten lehnt Laistner eine zweite, dass n&mlich
der dichter erst während seiner arbeit sich zu dem namen Rnod-
lieb entschlossen habe, möglich ist das allerdings auch bei unserer
anordnung der fragmente, vorausgesetzt dass v 223 ursprflnglich
würklich etwas anderes gestanden hat; der dichter kann wahrend
der arbeit das bedOrfnis empfunden haben, seinem beiden einen
bestimmten namen zu geben, zwingende gründe, dies anzu-
nehmen, liegen nicht vor. beweisen lässt es sich nicht, es ist
auch vollkommen gleichgiltig für die beurteilung der dritten hypo-
these Laistners, die wir nunmehr zu besprechen haben, es soll
nflmlich nach ihm ein lateinisches, aber in der weise des Wal-
tharius auf deutsche quellen zurückgehendes gedieht von Ruodlieb
gegeben haben, welches er Men alten Ruodliebus' nennt, ein
stück dieses ^alten Ruodliebus' soll in unsern Ruodlieb über-
gegangen sein ; die letzte partie nämlich von xvii 85 an sei nichts
anderes als eine entlehnung aus jenem, was zunächst die existenz
eines solchen lateinischen heldenliedes von Ruodlieb betrifft, so
haben wir dafür erstens keinerlei zeugnis oder beweis, zweitens
spielt die gestalt eines Ruodlieb in der heldensage überhaupt eine
sehr unsichere rolle; die einzige stelle, in welcher ein solcher
erwähnt wird, lässt es durchaus ungewis, ob wir in ihm den
beiden unseres gedichtes zu sehen haben (s. 78 0- ^^^^ tir-
sprüngliche Zugehörigkeit zur heldensage ist so zweifelhaft, dass
Scherer (Litteraturgesch. s, 72) ihn sogar erst aus unserm ge-
dichte in die heldensage durch spielleute übertragen werden liefs,
und in keinem falle kann er sich dem in der sage festgewurzelten,
weitbertthmten , häufig genannten nationalhelden Walther auch
nur annähernd vergleichen, dass aber das letzte stfick unseres
gedichtes von xvii 85 an ebenso gut eigentum des dichters ist
wie alles vorhergehende, das lässt sich mit solcher Sicherheit be-
weisen, wie überhaupt derartige dinge bewiesen werden können.
Laistner bezeichnet die art der vermeintlichen entlehnung
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DER ALTE RUODLIEBUS 339
zuerst (s. 73) einfach als abschreiben aus der vorläge, dessen der
dichter bald müde geworden sei. dann bemerkt er die verse
XTU 119 ff, die, weil sie auf das vorhergehende zurückweisen, im
*alten Ruodliebus' nicht gestanden haben können, er bemerkt die
zahlreichen rasuren (und correcturen) in xviu, und nun wird ihm
aus dem ^abschreiben' mit einem male ein 'bearbeiten* der vorläge,
sei es nach der seite des inhalts, sei es nach der der form, wir
werden eben durch diese rückweisenden verse und durch diese
rasuren schon zu starkem verdacht gegen die richtigkeit der
ganzen hypothese geführt werden; es wird gewichtiger beweise
bedürfen, denselben zu heben, welches sind die von Laistner
vorgeführten ?
Der name Ruodlieb, sagt er, kommt in diesem letzten ab-
schnitt allein mit kurzer letzter silbe vor. nun, ähnliches ist
zb. bei monedula der fall, welches wort nur in der partie von v,
in welcher die geschenke aufgezahlt werden (136. 173), mit langer
erster vorkommt , sonst richtig kurz ist x 76. xi 21 (nach letzter
stelle auch x 71. 83). aufserdem aber ist der deutsche auch in
den casus obliqui indeclinable gebrauch des namens, welchen
wir im letzten abschnitt (xvn 100. 107. xviii 30) ebenso gut finden
wie zuvor (XI 18), einem 'alten Ruodliebus' doch wol kaum zu-
zutrauen. — zweitens zeige die metrik neue gepflogenheiten.
vers xvni 5 sei caesurlos und es komme sonst nicht ein fall vor,
Jass der reim mit dem fufsende zusammenfalle, letzteres ist ein-
fach nicht richtig; denn i 59 föUt das ende des dritten, ix 48
das des zweiten und vierten, vn 20 und xvi 37 das des vierten
fufses mit dem reime zusammen, und was die caesurlosigkeit
betrifft, so ist einerseits auch ix 48 ohne caesur — denn weib-
liche anzunehmen verbietet eben der reim — und andrerseits
war der anfang des von Laistner vorgeführten verses, wie die
correctur zeigt, vom dichter ursprünglich so concipiert: st non
oceideris me; bevor er die verhängnisvolle silbe et niederschrieb,
flel ihm der unterschied zwischen oceido und ocetdo bei und er
half sich nun durch Umstellung, wie er in ahnlicher läge vii 5
udque gewaltsam für atque eingesetzt hatte, dieser vers entbehrt
also jeglicher beweiskraft. — drittens sei auch der Sprachgebrauch
ein anderer, sania (xvii 101. 114) komme sonst nicht vor, nur
ba»ia oder oteula. das ist richtig, der eigentlich stehende aus«
druck des dichters ist das biblische oscuta, welches vierzehn mal
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340 DER ALTE RUODUEBUS
auftritt, basia setzt er dafür nur ein, wo die metrik es verlangt,
nämlich wo Tocalischer auslaut vorhergeht: iv 163. vii 97. viii 81.
XV 87 und nur einmal ausnahmsweise im versanfang v 582. wenn
er dafür nun einmal sauia gebraucht (beide stellen haben nur
den wert einer, weil die zweite lediglich die erste recapituliert),
so wäre, wenn man überhaupt etwas daraus schliefsen will,
höchstens das daraus zu schliefsen dass der dichter inzwischen
seinen lateinischen Wortschatz um dieses wort bereichert hatte
und das neuerlernte nun auch verwerten wollte, doch haben
wir zb. auch obrtzum nur an einer stelle (i 30) gegenüber min-
destens einem dutzend von beispielen für aurum. wie gefährlich
es ist, aus solchen nur einmal vorkommenden werten weitgehende
Schlussfolgerungen zu ziehen, kann etiam zeigen, da diese Par-
tikel sich trotz zahlreicher quoque, insuper, ud und et nur an
einer stelle findet, so würde sie, stünde diese stelle im letzten
abschnitt, von Laistner ohne zweifei als beweis für seine hypo-
these in anspruch genommen werden, da es aber v 166 ist, wo
sie vorkommt, so könnte jemand, der in dieser weise argumentiert,
daraus die unechtheit des abschnittes v 164 — 173 beweisen, zu-
mal derselbe nur eine höchst lästige widerholung von etwas schon
weitläufig erzähltem enthält, ferner führt Laistner an dass zwei-
mal das gerundiv zur Umschreibung des fut. i pass. gebraucht
werde (xvni 12. 14). für die erste stelle indessen muss ich trotz
Laistners hinweis auf v. 9 die s. 124 gegebene erklärung aus
dem deutschen gerundiv festhalten: ist zu gewinnen «: kann
gewonnen werden; auch die zweite stelle übersetze ich nicht:
'du wirst', sondern 'du sollst getötet werden', aber selbst die
erklärung L.s als richtig vorausgesetzt, dürfte man daraus doch
noch nicht auf Verschiedenheit des Sprachgebrauchs schliefsen,
aus dem einfachen gründe, weil das fut. i pass. in dem gedicbte
überhaupt zufällig so gut wie gar nicht vorkommt, also auch
nicht umschrieben werden konnte, nur i 103 und v 508 findet
es sich, an diesen stellen ist aber widerum die Umschreibung
danda est und despoliandus es, wie jedermann zugeben wird, eine
bare Unmöglichkeit, und zwar aus keinem andern gründe, als
weil hier das deutsche gerundivum unmöglich ist. einmal da-
gegen — aber nicht in dem von L. als entlehnt in anspruch
genommenen abschnitte — hat das attributiv gebrauchte gerun-
divum reine futuralbedeutung: v 385, wo sponsae accipiendae
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DER ALTE RUODLIEBUS 341
nicht heifsen kann 'welche du bekommen musst' sondern 'wirst',
von allen Termeintlichen beweisen für einen andern autor des
heldenabschnittes bliebe nun noch der, dass der name Ruodlieh
in ihm dreimal klein geschrieben worden ist, was im übrigen
gedieht zwar nicht gerade bei diesem, wol aber bei andern eigen-
namen häufig genug der Tall ist (Laistner s. 71). daraus auf
einen andern Verfasser des heldenabschnittes und auf eine schrift-
liche vorläge zu schliefsen geht nicht an. um so weniger, weil
dieser abschnitt in metrischer, sprachlicher und stilistischer be-
ziehung dem übrigen gedichte vollkommen gleich ist, und zwar
auch in solchen dingen, die nicht aus einem allgemeineren ge*
brauche der zeit, sondern aus der neigung und gewohnheit des
individuums entspringen.
In metrischer beziehung finden wir in dem letzten abschnitte
nicht nur die Vermeidung der elision (s. 154) und die caesur-
verlängerung (s. 155), sondern auch dasselbe Verhältnis zwischen
penthemimeres und trithemimeres mit hephthemimeres (s. 164),
zwischen ein- und zweisilbigem, zwischen reinem und unreinem
reim (s. 143 ff), wie im ganzen gedieht, wir finden in ihm wider
die neigung, einsilbige pronomina in den reim zu setzen (xvii 116.
xvm 14. 25. 32; vgl. s. 149), ferner die neigung, dasselbe wort
in zwei auf einander folgenden versen unmittelbar vor der caesur
zu widerholen (xvui 26 f; vgl. s. 151 unten). — was dann den
Sprachgebrauch betrifft, so haben wir im letzten abschnitt so
gut wie im ganzen gedieht unter andern das fut. für das praes.,
das fut. II für das fut. i, den conj. perf. für praes. (vgl. die stellen
s. 121), fueram für eram, das plusquaroperf. für perf. (s. 122).
sodann haben wir neue für neque (xviii 24), bini für duo (xviu 6;
s. 112) sowie mehrere specielle lieblingsausdrücke des dichters,
namentlich das so ungemein beliebte ciio (xvni 5), ferner niueus
(xvn 98 wie zb. i 27. v 85), epeeiosus (xvn 98 wie zb. v 95. 476.
VII 68. 69), post modicum (xvii 98; vgl. s. 117 oben), undique
steht xviii 1 als fünfter dactylus wie i 63. iii 49. iv 84. 138..
152. V 2. ep. II 2 und zwar in der bedeutung 'nach allen selten
hin' wie ii 11 (s. anm.). der verkürzte abl. gerund, wird zur
bildung des fünften dactylus benutzt (xvii 113. xviii 30; vgl.
s. 126 unten), tuimet steht xviii 17 und zwar mit verkürzter
penultima wie xv 49. xvn 25 »utm^, während bis xv -met nur
an sibi, tibi, se und ipse angehängt vorkommt, wider ein fall, wo
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342 DER ALTE RUODLIEBUS
der dichter während seiner arbeit zu neuen Wortbildungen-, zu
neuen prosodischen eigentümlichkeiten vorgeschritten ist. endlich
teilt der letzte abschnitt auch die Vorliebe für die relativische
anknüpfung (xvm 3. 30), die dem ganzen gedieht so characte-
ristisch ist (s. 118). — auch die darstellungsweise des letxten
abschnittes, so kurz derselbe ist, spiegelt dennoch die eigentüm-
lichkeiten unseres dichters ganz deutlich wider, echt ruodliebisch
ist erstens die widerholung des traumes mit allen details (zvn 109
bis 114) im berichte der mutter (vgl. s. 194 0 und zweitens die
neigung, den fluss der erzflhlung, oft auch der construction, durch
ganze verse, welche parenthetisch eingeschoben werden, zu unter-
brechen, wie dies xvui 8 geschieht (iv 62. 90. v 184 ff. 530. vu 46.
VIII 2. 60. 98).
Diese gleichheit in versbau, spräche und stil muss jeden
zweifei daran, dass auch der letzte abschnitt ganz und voll das
eigentum des dichters ist, beseitigen; die bypothese, dass der-
selbe aus einem andern gedichte, sei es auch mehr oder weniger
verändert, entnommen sei, vermag dieser tatsache gegenüber nicht
stich zu halten, ob der dichter sich den namen seines beiden
frei gewählt oder aus einer deutschen sage entlehnt hat, ob es
überhaupt eine einiger mafsen ausgebildete und verbreitete volks-
sage von einem Ruodlieb gegeben hat, das sind fragen, die wol
fürs erste und vielleicht für immer unbeantwortet bleiben werden,
das phantom eines alten lateinischen Ruodbebus, denke ich, ist
aber endgiltig beseitigt.
Zum Schlüsse mOge mir die Verbesserung einiger in meiner
ausgäbe stehen gebliebener druckfehler gestattet sein : s. 73 z. 24
1. arte st. artem. — s. 89 z. 1 1. 283 st. 284. — s. 117 z. 4
1. 74 St. 77. — s. 135 z. 17 1. 107 st. 104. — s. 274 z. 24
I. püus St. plus. — s. 294 z. 2 I. Qui st. Quo.
Trarbacb, den 31 december 1882. F. SEILER.
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DAS VOLKSTÜMLICHE DEUTSCHE LIEBESLIED 343
DAS VOLKSTÜMLICHE DEUTSCHE
LIEBESLIED.
la seinem Lebeo und dichten Waltbers von der Vogelweide
hat Wilmanns eine neue schon früher geauberte hypothese über
die entstebung des deutseben minnesangs zu begründen versucht,
es soll danach vor der mitte des zwölften Jahrhunderts eine 'weit
verbreitete liebeslyrik' in Deutschland nicht gegeben haben, die
liebe habe ihren ausdnick wie alle andere empfindung in der
epischen poesie gefunden, nicht in abrede stellt er dass nicht
schon früher gesjinge vorhanden gewesen, in denen von liebe
die rede war. tanze waren von jeher da und zum tanze wurde
vermutlich auch von liebe gesungen, aber solche lieder hatten
sich nicht als der ausdnick personlicher empfindung gegeben,
nur ganz vereinzelte ausnahmen seien denkbar: glücklieh bean-
lagte geister mögen schon im 11 Jahrhundert die regungen der
liebe dem liede anvertraut haben (aao. s. 16 0*
Diese ansieht^ ist so neu und würde , liefse sie sich be*
weisen, der geschichte des deutschen minnesangs ein so völlig
anderes aussehen geben, dass es geboten ist, mit aller Unbe-
fangenheit und Sorgfalt sie zu prüfen.
Was ist der hauptgrund für diese hypothese? wir haben,
meint Wilmanns, keine Zeugnisse für alte volksmSfsige lyrik,
wahrend gebete, klage- und spott-, lob- und scheltlieder früh
bezeugt werden (s. 16. 17).
Ich will einmal davon absehen, ob es in der tat sich so
verhalt, ich will annehmen, wir hatten gar keine belege für eine
alte deutsche volkslyrik. aber erklart sich das nur, wenn eins
' sie hat obrigcos schon lustimmuDg gefanden. Becker Der altheimische
minnesaDg, Balle 1882, s. 70 sagt: 'dass die lyrik in ihren anfingen noch
beUrichtlich über Körenberg in ältere zeit hinausgehe, ist eine hypothese (!),
die Wilmanns Ans. f. d. a. vii 263 mit gntem gründe bestreitet es
bat nichts nnwahrscheinlichcs, geradezn anzunehmen, dass Kürenberg der
erste ist, der diese nene bahn betrat.' man sieht, Becker geht bereits noch
weiter als Wilmanns.
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344 DAS VOLKSTÜMLICHE DEUTSCHE LIEBESLIED
voD beiden stattfindet: wenn entweder 'launenhafter zufall einer
lückenhaften Überlieferung sein spiel trieb' oder wenn würklich
— gemäfs 'der natur des menschUchen herzens und der all-
mählichen entwickelung des geisteslebens' — in der alteren zeit
noch keine lyrischen volksmäfsigen dichtungen vorhanden waren?
es erklärt sich weder aus dem einen noch aus dem andern,
sondern aus dem wesen der volkspoesie.
Was ist Volkspoesie? jedermann antwortet: dichtung, die
entsteht und lebt in einem geschlossenen kreise gleichgearteter
menschen, der von der cultur noch unberührt und durch indi-
viduelle entwicklung noch wenig geteilt ist, mag er nun eine
nation sein oder nur ein stand, ein bruchteil eines Volkes.
Volksdichtung ist stets momentan , gegenwartig, gelegenheitsdich-
tong. sie stellt sich überall ein wo der ursprüngliche mensch
über das gewöhnliche mafs bewegt wird von einem vorgange
der aufsenwelt oder seines innern, aber sie ist niemals poesie
an sich, sie ist niemals poesie für sich: sie dient immer
dem bedürfnis, aus einer bestimmten Situation heraus in einem
hörer oder in mehreren einen bestimmten eindruck hervorzu-
bringen, und so ist sie niemals rein subjectiv, ebenso wenig als
die spräche.
Ein liebeslied also im zustande der Volksdichtung kann sich
nur an 6ine person richten : der liebende singt nur für die ge-
liebte, die liebende nur für den geliebten, ihre lieder sind eben-
soviel acte ihres liebelebens, natürliche aufserungen von Werbung
und gestandnis, einwilligung und abweisung, Zurückhaltung und
neckerei; sie bringen mehr ein wollen zum ausdruck als ein
fühlen und beides oft nicht direct, sondern angedeutet, verhüllt
in einem bild, in einer parabel; sie stehen der gebärde naher
als dem gedanken und sagen wenig mehr als ein heifser blick,
ein lebhafter druck der band, eine zornige Wendung des kopfes.
die fahigkeit, seine liebe mitzuteilen im gesange, ist in diesem
zustande so verbreitet wie die föhigkeit zu lieben und gleich
dieser verschieden nach der tiefe des gemOtes, der treue des
herzens. aber auch schon für die ursprünglichsten Verhältnisse
dürfen wir hinzusetzen : verschieden nach der poetischen bega-
bung; denn immer wird es einzelne gegeben haben, die in der
Stegreifdichtung hervorragten durch gute einfalle und glückliche
darstellung.
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DAS VOLKSTÜMLICHE DEUTSCHE LIEBESLIED 345
Dies etwa sind die grundzOge aller erotischen Tolkslyrik, <
wie sie sich nicht aus construction und allgemeinen erwägungen
ergeben, sondern für jeden zu tage treten, der sich einmal die
mühe nimmt, die grofse masse uns erhaltener rolkstümlicher
liebeslieder verschiedener vOlker und Zeiten mit einander zu ver-
gleichen.^ das liebeslied der volkspoesie bringt hervor und ver-
weht der augenblick: es lebt und vergeht mit der liebe der be-
teiligten menschen, wie kann man erwarten dass aus den frühen
Zeiten des deutschen mittelalters solche volkstümlichen impro«
visationen Oberliefert sein sollten ? irgend welch litterarisches be-
wustsein hatte sie nicht erzeugt, ihr zweck war erfüllt und ihr
dasein vollendet, wenn sie auf die personen, welche es angieng,
gewürkt hatten, liebende mögen ihre geheimnisse nicht aus-
plaudern, und ihr verkehr pflegt auch wenige zu interessieren.
die Verfasser solcher lieder waren des Schreibens unkundig, die
geistlichen verabscheuten, wie wir wissen, jeden weltlichen ge-
sang als sat des teufeis, was konnte sie veranlassen, in ihren
Schriften von diesen nichtigen liebesreimereien zu reden? was
bei anderen Völkern an derartigen erotischen Improvisationen
erhalten ist, verdanken wir den bemühungen methodisch vor-
gehender männer von litterarhistorischer bildung wie es im mit-
telalter keine gab und keine geben konnte, und auch diese
haben liebeslieder nur äufserst schwierig, mit anwendung von list
^ es ist dabei abgesehen von der chorischen poesie, die jedesfalls als
die ilteste gelten darf, auch sie wird zum teil schon rein lyrisch und
erotisch gewesen sein: eine mehrzahl von personen spricht in gemeinsamer
läge eine gemeiDscbafUiche empfiodang aus, etwa bei der feier bestimmter
religiöser feste, die liebeslyrik konnte anmittelbar aus dem cultas gewisser
gottheiten hervorgehen, aber hier werden im allgemeinen lyrische, dra-
matische und selbst epische demente sich untrennbar durchdringen, für
die nrsprtinglichste poesie reichen eben die schulbegriffe nicht aus.
' leider gibt es meines Wissens kein werk, welches ffir unsere zeit
dasselbe leistete wie Herders Stimmen der Völker in liedern für das acht-
zehnte Jahrhundert so ist man, will man durch würklich umfassende be-
trachtnng sich über das wesen und die entfaltung der volkspoesie unter-
richten, auf die zahllosen Specialsammlungen von Volksliedern und für die
naturvölker auf die schwer übersehbaren modernen reisebeschreibungen an-
gewiesen, für diese letzteren kann als zuverlässiger Wegweiser dienen die
Anthropologie der naturvölker von Waitz, fortges. von Gerland (6 binde,
Leipzig 1859—1872): sie enth< zwar nur wenige proben, weist aber stets
»orgfiiltig die quellen nach, wo man weitere milteilungen poetischer er-
seagnisse findet
Z. P. D. A. XXVII. N. F. XV. 24
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346 DAS VOLKSTÜMLICHE DEUTSCHE UEBESLIED
und in jahrelaDgem verkehr mit dem volke erhascht, charac-
terisüsch ist zb. was im vorigen Jahrhundert der um die bekannl-
machung der finuischen volkspoesie hochverdiente Portban darüber
berichtet, in seiner Dissertatio de poesi fennica, Aboae 1766
bis 1778, erzahlt er (Opera selecta, Helsingfors 1867, § xii s. 367)
dass die Trauen beim mahlen zur Unterhaltung während der
schweren arbeit lieder singen — eine gattung volkstümlicher
poesie, die durch den altnordischen grottasöngr auch für das
germanische altertum bezeugt ist — , und zwar sind diese fin-
nischen mahllieder doppelter art : imprimis tradita (carmina) tibi
a m(yoribu$, nonnuUa recentius comfosita. die roahlende singt,
die übrigen hören zu; wenn zwei zugleich mahlen, singen ent-
weder beide zusammen oder eine wechselt mit der anderen ab:
man sieht, auch hier eignet sich die lyrik sofort dramatischen
character an. der inhalt dieser lieder ist verschieden: agufU
partim de argumentis ieveriaribus maxtme moralibus (gnomische
dichtung), partim fabulas aut historiolas continent (fabein, er-
zählungen), partim etiam amori consecrata sunt; saiyras
(spottlieder) interdum exhibent, egregiorum fadnorum laudes (lob-
lieder). es sei ihm gelungen, fährt Porthan fort, einige Volks-
lieder zu sammeln, liebeslieder aber nur mit mühe; denn amm
vere dieatas Runas non faeile nisi inter 8$ solae recitant, juniores
inprimis; itaque a vetulis eliciendae stmt, quarttm nee soüennis
istius in cmviviis cantus vices detrectant, quas concipere pudlas
nunqmrn videas, die meisten dieser lieder seien auch von mädchen
gedichtet und einige dieser dichterinnen stünden wegen ihrer
gäbe in hohem ruf. und die nämlichen erfahrungen, dass das
Volk seine liebeslieder, die nur von jungen und verliebten leuten
gesungen werden, offen mitzuteilen sich scheut, berichtet aus
Italien Tommaseo, der dort zuerst in grOfserem umfange Volks-
lieder sammelte, er erzählt (Canti popolari Toscani Corsi lUirici
Greci, Vehezia 1841, voLi8.8): junge mädchen, frauen, Jüng-
linge und männer — alle wären weder durch bitten noch durch
Versprechungen zu bewegen gewesen, ihre — fast ausschliefslich
erotischen — gesänge ihm vorzutragen ; ^so grofs war die scbam
(la vergogna), vor einem fremden liebeslieder zu widerholen.'
manches von den jüngeren mädchen fasste seine dringende bitte,
ihm etwas vorzusingen, als die einleitung zu einem liebesantrag
auf (preambolo dt proposta amarosa).
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DAS VOLKSTÜMLICHE DEUTSCHE LIEBESLIED 347;
Gab es eine alle einheimische lyrik in unserem volke, so
muss auch sie in gleicher weise geübt worden sein, nämhch sie
unter allen galtungen der volkspoesie zumeist abseits von der
lauten Oifeotlichkeit des tages. klage- und spott-, lob- und schelt-
lieder konnten immerhin von geistlichen beachtet und in ihren
Schriften erwähnt werden: sie hatten einen realeren inhalt. das
liebeslied des Volkes bot dazu keinen anlass.
Auch 'die allgemeine entwicklung des Volkes' soll nach Wil-
manns nicht dafür sprechen dass eine alte weitverbreitete liebes-
lyrik in Deutschland bestanden habe (s. 16). er sucht auch aus
dem wesen des 'natürlichen menschen' gründe dagegen her-
zuleiten.
Ich fürchte, er hat dabei einen schwankenden boden be-
treten, und doch hätte er einen ganz festen standpunct finden
können, von dem aus man allein an diese allgemeinen fragen
sieb heranwagen darf, denn heutigen tages darf man, wie mich
dünkt, darüber, wie der 'natürliche mensch' seine liebesempfin-
dung auszudrücken suche, nicht a priori Überlegungen anstellen,
sondern muss die vorliegenden tatsachen zu rate ziehen, im laufe
unseres Jahrhunderts sind unsere kenntnisse von den zuständen
culturloser oder wenig cultivierter volker ungemein bereichert,
was hilft alles raisoonement, das sich einredet, die lyrik könne
erst spät nach und nach aus der epik hervorgegangen, die liebes-
lyrik müsse anfangs rein episch gewesen sein , wenn unbefangene
vergleichende betrachtung der poesie derjenigen Völker, die wir
noch jetzt im naturzustande oder auf einer wenig höheren stufe
beobachten, gerade das gegenteil lehrt ? und das ist der fall, wir
sind über die volkspoesie der negerstämme, der Malayen, der
Polynesier, der Indianer, der eingebornen Brasiliens ziemlich geiiaa
unterrichtet. ^ aber wo zeigt sich eine spur dass bei ihnen die
^ lyrik der neger Waitz aao. 2, 236 : ^freode nnd trauer werden reci-
taüvisch aasgesungen; aas dem Stegreife za singen in lobender oder spot-
te»der weise ist in geseilscliaft gewöhnlich, viele ihrer mechanischen titig*
ketten begleiten sie mit gesang.' liebes- und kriegsiieder der Gaila
ebenda 517. — kriegsiieder zum aosdrnck der tapferkeit, rar Verspottung
der feinde, zur feier des siegs oder der klagen am die toten sowie liebes-
lieder bei den Indianern 3, 2)2. — peruanische lyrik, liebeslieder,
nameDtlieh 'elegien welche den schmerz der nnglncitlichen liebe aussprechen'
ebenda 4, 476 ff. — über die reiche malayische liebespoesie 5,172.—
aber die der Polynesier 6, 79 ff: Mie Maoris singen bei allen gelegenheiten,
24*
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348 DAS VOLKSTCHLICHE DEUTSCHE LIEBESLIED
lyrik der epik gefolgt sei? sie alle sind reich an Improvisationen
erotischen inhalts, an neck* und Scherzliedern, an gesängen zu
Unzen und religiösen gelegenheiten , an liedern für bestimmte
wichtige augenblicke des taglichen lebens, sei es zur arbeit, zur
jagd, zum krieg, sie bilden selbst dramatische darstellungen aus
mit einzel- und chorgesang. daneben tritt die epische poesie,
meist religiöse legenden oder sagen und märchen, die zur Unter-
haltung bestimmt sind, beinahe zurdck. jedesfalls bestehen Überall
beide gattungen selbständig neben einander, nirgends ein zeichen
dass die eine aus der andern sich entwickelt habe, nirgends ist
ein älterer zustand nachzuweisen, wo etwa ausschliefslich epische
poesie existiert hätte.
Das alte Vorurteil, dem auch Wilmanns unterworfen ist»
epik sei älter als lyrik, hat seine berechtigung nur für würkliche
litteraturen. «wenn ein volk aus dem zustande der mündlichen
volkspoesie heraustritt und zur schrifllich fixierten litteratur über-
geht, besinnt es sich auf sich selbst, auf seine Vergangenheit,
seine geschichte. nur die epische poesie wird daher zunächst
zur aufzeichnung und weiteren ausbildung kommen; denn nur
sie birgt den jetzt als wertvoll empfundenen schätz von erinne-
rungen, der in blofs mündlicher Überlieferung verloren oder ver-
mindert werden könnte, die lyrik haftet in den lebenden men-
schen, in der gegen wart und erneut sich mit den aufwachsenden
generationen: erst höhere cultur kann daran denken, auch diese,
beim spiel, bei der arbeit, beim rodeni, beim auszug zum krieg, beim tanz,
aoch ohne besondere veranlassong nur zum vergnägen, und zu letzterer art
rouss man die wechselgesSnge zwischen einem einzelnen und dem chor,
welche öfters ausgefAhrt werden, rechnen.' mimische tinze s. 8t f, auch
Solotanz eines mädchens, der die Sehnsucht nach dem fernen geliebten, den
entschluss, ihm zu folgen, und die freude des widersehens darstellt anter be-
gleitung eines schönen liedes gleichen inhalts: also ein liebeslied mit dra-
matischer action in lyrischer form, liebeslieder, kurze Strophen, die
von midchen und jQnglingen abwechselnd gesnngen werden, indem der chor
einen refrain singt und den gesang mit tanzbewegungen begleitet (s. 84).
improvisationen 8.90; 'Darwins ankauft auf Tahiti besang ein junges
midchen in vier improvisierten Strophen, welche die äbrigen midchen im
chor begleiteten' s. 100; bei Melanesiem und Aostraliern s. 754 ff; 'wichtige
ereignisse des lebens werden sofort ans dem Stegreife besungen' 756; 'übrigens
geht ihre spräche bei allen feierlichen gelegenheiten in ein recitativisches
singen Aber und jede heftigere empfindung scheint sie zum singen anan-
regen' 754.
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DAS VOLKSTÜMLICHE DEUTSCHE LIEBESLIED 349
deren äurserungen so weuig allgemeingiltiges enthalten, so rein
personlich sind, in die litteratur einzuführen, diese reihenfolge,
welche für die litteraturen typisch sein mag, darf man aber nicht
auch in dem ihnen vorausgehenden zustande der -volkspoesie
erwarten.
Die culturlosen menschen haben wie die kinder ein schlechtes
gedüchtnis für die Vergangenheit, für frühere erfahrungen; sie
leben in den tag hinein , ohne auf das hinter ihnen liegende
zurückzublicken, zufrieden mit der gegen wart, in allem han-
deln bestimmt durch augenblickliche Impulse , plötzliche einfalle,
nicht durch grundsätze, die aus früheren erlebnissen abgeleitet
sind, nun ist aber das der eigentümliche Wesensunterschied von
epischer und lyrischer dichtung, dass jene vergangenes, diese
gegenwartiges und persönliches darstellt, der natürliche mensch
im augenblick lebend wird also seinen empfindungen, seinem be-
gehren und vor allem dem heftigsten affect, der liebe, zuerst auch
einen momentanen, persönlichen dh. lyrischen ausdruck geben.
und auch hierin bietet das leben des kindes eine bestätigende
analogie : in frühestem alter schon stellt sich der lyrische schrei-
gesang ein, der alle wichtigen entschlüsse, besonders zärtliche
liebkosungen und kriegerische kundgebungen zu begleiten pflegt,
wobei gewöhnlich nur wenige worte in prosa immer wider ge-
sungen werden,^ meist verstärkt durch lebhafte bewegungen des
ganzen körpers; viel später erst lernen die kinder geschichten
erzählen, in der regel erst nachdem auch die epoche der dra-
matischen darstellung schon ihre blute erreicht hat.
Es entspricht also nur der historischen Wahrscheinlichkeit
und ist ein gebotener analogieschluss, wenn wir annehmen dass
wie bei den uns bekannten natur Völkern aller erd teile, wie bei den
wenig cultivierten Völkern Europas (den Finnen, Lappen, Serben)
so auch bei den Germanen von alters her neben der chorischen
und epischen eine lyrische volkspoesie bestanden habe, und
innerhalb dieser alten volksmäfsigen lyrik, schliefsen wir wider
' ganz in der art solcher kindergesinge sind die lieder der Meianesier
and Australier, über welche Gerland aao. 6, 756 f berichtet, 'als der erste
eiogeboreae sich nach England einschiffte, sangen die flbrigen in ewiger
widerholang: 'wohin wandert das einsame schiff?' ... im Südwesten singt
man bei abwesenheit eines freundes stundenlang; 'kehre wider, kehre
wider ol'
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350 DAS VOLKSTÜMLICHE DEUTSCHE LIEBESLIED
Dach analogie und auch aus allgemeinen psychologischen gründen,
rouss es eine weitverbreitete liebespoesie gegeben haben, denn
die gründe halten nicht stich, die Wilmanns s. 17 dafür anführt,
dass die übrigen gattungen der lyrik, deren hohes alter und
Volkstümlichkeit er zugibt, auch ihrer natur nach schon «uf einer
niedrigeren stufe der geistigen entvi^ickelung gepflegt werden
konnten als die liebespoesie. die spott-, lob- und scheltlieder
sprechen allerdings unter umständen (nicht immer I) mehr urteile
aus als empfindungen, und auch dass solche 'urteile, die nach
aufsen drängen, leichter zu bekennen als zu verschweigen sind'
mag richtig sein, aber was kommt es darauf an? urteile aus-
zusprechen, die man hat, mag leicht sein, aber sie überhaupt zu
haben ist bereits das zeichen fortgeschrittener geistiger freiheit.
urteilen beruht auf abstraction, empflndung ist rein sinnlich, ich
denke, 'der natürliche mensch' wird früher diese als jenes aus-
sprechen.
Indes hüten wir uns, voreilig zu sein. liegt nicht der be-
merkung 'auf die aufsenwelt ist das äuge des natürlichen menschen
gerichtet' eine durchaus richtige Überlegung zu gründe? sicher-
lich, aber nur folgt daraus nicht das was Wilmanns ableitet.
Objectivieren muss der lyrische dichter allerdings seine
empflndung, aber die weitere beschreibung, die Wilmanns von
der entstehung eines lyrischen gedichtes gibt, passt höchstens
auf einen teil der kunstlyrik, niemals auf lyrische volkspoesie.
der kunstlyriker vielleicht mag seine empflndung erst von sich los-
lösen , sie gegenständlich betrachten und sie dann doch darstellen
als wären seine worte der unmittelbare ausdruck der herzensempfin-
dung: also scheinbare subjectivität bei würklicher objectivität. < ge<^
rade umgekehrt gehts in der lyrik des Volkes her: der dichtende
ist ganz gepackt und erfüllt von seiner leidenschaft, aber er
sucht seine freiheit zu behaupten, darum meidet er, direct die
empflndung auszusprechen , darum liebt er anzuknüpfen an einen
äufseren vergleichbaren Vorgang in der natur oder im mensch-
lichen leben , worauf der in den liebesliedern so vieler Völker ver-
breitete parallelismus beruht (vgl. Scherer Anzeiger 1 199. ii 324),
darum kleidet er sein herzen serlebnis in ein bild, darum versteckt
' es durfte ratsifti'seio, mit einer bestimmten allgemeineir antwort für
diese frage zurQckziihaheo. JedesfaUs haben nicht alle konsldichter ihre
dichtongen so hervorgebracht.
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DAS VOLKSTGMLICHE DEUTSCHE LI&BESLIED 351
er seine bitte wie seine klage, seinen zom wie seinen scherz so
gern hinter einer parabel, darum spielen in der volkstümlichen
liebespoesie die Sinnbilder, wie kreuz und ring und die färben
der blumen , eine so grosse rolle, das volksmSfsige liebeslied ist
durch und durch subjectiv, aber es sucht objectiv zu scheinen,
es lohnte wol, was ich mir hier versagen muss, diesen zug nach
verschlossener anspielongsvolier darstellung, nach symbolischer
oder allegorischer einkleidung an beispielen, die alle volkstüm-
lichen liebeslieder in masse liefern würden, aufzuweisen, die
lust des Volkes, sich bildlich verständlich zu machen, ist ja be-^
kannt. naturvolker pflegen selbst tatsachliche mitteilungen so
auszudrücken: ich erinnere an die botschafi, welche die kOnige
der Skythen an Darius sendeten (Herodot 4, 131. 132), und ähn-
liches wird für die neger bezeugt.^ kinder spielen für ihr leben
gern Versteckens: auch in den liebesliedern des volkes, in den
pantuD der Malayen, in den gesängen der Serben, in den alt-
indischen Volksliedern im prakrit wie in den deutschen schnader-
hopfeln glaubt man oft so ein kindlich neckisches *such michl
wo bin ich?' zu vernehmen.
Dazu kommt ein zweites, der naive mensch, zumal wenn
er beherscht wird von einer starken empfindung, bezeichnet sich
nicht als tätiges ich, als subject von dem etwas ausgeht, er kommt
sich vielmehr leidend vor: so gebrauchen naturmenschen und
kinder ihren eigennamen statt des pronomens der ersten person
(vgl. JGrimm Personenwechsel in der rede, Kl. sehr. 3, 241 fl),
und 80 ist auch alle volkslyrik verglichen mit derjenigen der
kunstdichter ohne selbstbewustsein.
Man mag also immerhinsagen: die populäre liebeslyrik ob-
> Waits aao. 2, 247 : 'ein Yornba-neger erhielt als botschafi von einem
anderen einen stein, ein stfick kohle, eine pfefTerbflchse, ein gedörrtes ge-
treidekom and einen Inmpen , die in ein bflndei zusammengebunden waren,
die anslegnng davon ist diese: ich bin stark und fest wie ein stein, aber
mdne aussieht in die zukunfl ist schwarz wie kohle , ich bin so voll angst,
dass meine haut wie pfeffer brennt und körn auf ihr gedörrt werden könnte,
meine kleidang ist ein lumpen.* diese botschaft konnte nur verstanden
werden, wenn man den einzelnen zeichen bereits nach einer gewissen con-
Teniens eine ungefähr bestimmte bedeutong beizulegen gewohnt war, and
durch diese bildliche ausdrucksweise bereits der wurklichen spräche sich
niherte. vgl. Lessing Abhandl. fiber die fabel, Hempei 10, 29 f. — blumen
aar Verständigung für liebende bei den ben^ohnera Tahitis: Waitz aao. 6,82.
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352 DAS VOLKSTÜMLICHE DEUTSCHE LIEBESLIED
jecüviert das geftthl^ wenn das soviel heirsen soll als sie sucht
nach sinnlichen ausdrucksmitteln. deshalb ist und bleibt sie aber
immer was sie von ihrem Ursprung an war : subjective ly rik, und
nur in dieser fand 'die liebe wie alle andere empfindung' ihren
ausdruck.
Wilmanns scheint freilich einen anderen begriff von lyrik
zu haben als den ich für richtig balle, er verlangt von ihr mit
recht als wesentlich 'ausdruck persönlicher empfindung' (s. 17),
aber was er sich nun eigentlich darunter denkt ist mir nicht
klar, er scheint in dem liede der Carmina Burana Swaz hie
gdt umbe usw. einen solchen ausdruck der persönlichen empfin*
düng nicht zu finden und meint, eine so allgemeine, so einfache
alte volksmafsige lyrik möge es immerbin gegeben haben, ich
begreife das nicht, dies lied ist doch durchaus 'ausdruck per-
sönlicher empfindung' und gibt sich als solche, es ist gedichtet
aus einer bestimmten Situation heraus, es ist echt lyrisch, dass
es die empfindung einer mehrzahl von mädchen ausspricht, ändert
daran nichts: es wurde vermutlich beim tanz von einer gruppe
spröder mädchen im chor gesungen, worauf dann vielleicht ein
antwortlied der burschen folgte, die es sangen reden von sich
wie von fremden in der dritten persou, was wir eben als eine
eigentümlicbkeit der volkstümlichen lyrik kennen lernten, das
lied ist zwar einfach, aber nicht 'allgemein', wenn Wilmanus
solche lieder der alten lyrik zutraut, dann kann er nimmermehr
ihr Vorhandensein läugnen.
Sie wird allerdings noch ein geringes 'Verständnis für die
geheimnisvollen Vorgänge des Seelenlebens' gehabt haben, sie wird
weniger aus gewesen sein auf 'entwickelung der fülle manig-
faltiger empfindungen' (s. 18): sie war gewis mehr tatsächlich
als grübelnd, mehr synthetisch als analytisch; ein einzelnes mo-
mentanes gefühl nur machte sie kund und setzte es meist um
in ein begehren, eine entschliefsung, ein wollen, sie diente ja
noch ausschliefslich dem würklichen liebesverkehr der geschlechter
und jedes psychologische Interesse war ihr fremd.
Hätte Wihnanns recht, es liefse sich das plö^licbe auf-
kommen des höfischen minnesangs als ein teil der neuen bildung
nicht begreifen, 'die offenstehende bahn wurde betreten , indem
die ritter den minnesang zum gegenständ geselliger Unterhaltung
machten' (s. 18): ein solcher sprung in der entwickelung ist un-
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DAS VOLKSTOMLICHE DEUTSCHE LIEBESLIED 353
denkbar, wie konate es den rittern beikommeß^ zur geselligen
Unterhaltung minnelieder zu dichten, wenn die hOrer liebeslieder,
die ^sich als der ausdruck personlicher empfindung geben', noch
gar nicht kannten? was sollte das deutsche publicum des 12 jbs.,
das ja nach Wilmanns so roh und ungebildet war und ein so
geringes ^ästhetisches abstractionsvermOgen' (s. 164) besafs, sich
denken, wenn plötzlich die ritterlichen dichter von ihren liebes«
leiden und -freuden zu singen begannen und dies nicht mit der
absieht, ihm würkliche erlebnisse mitzuteilen, sondern es durch
ein spiel, dessen sinn ihm unverstandlich war, durch fiction von
empfindungen, die es noch nie hatte aussprechen hOren, zu amü-
sieren? ich glaube, diese Unterhaltung würde, obwol sie aus
Frankreich kam, wenig beifall gefunden haben. Wilmanns hat
hier aufser äugen gelassen was er sonst mit recht so betont:
jeder Fortschritt in der kunstentwickelung ist nur möglich, wenn
dichter wie publicum zusammenwürken.
Nach allem gesagten ist kein grund von derjenigen auffas-
sung abzuweichen, die am knappsten und schärfsten MüUenhoff
in der Zs. 9, 129 formuliert hat: ^den Ursprung der lyrik über-
haupt später zu setzen als das epos beruht auf einem Irrtum. ^
das liebeslied ist wie das preislied und das scheltlied ein not-
wendiges gUed der uralten Stegreifdichtung.' wer dem deutschen
Volke vor dem 12 jh. mit rücksicht auf die 'allmähliche ent-
wickelung des geistigen lebeus' keine liebeslyrik zutraut, drückt
damit die frühere zeit herab unter die geistigen zustände der
naturvolker Afrikas und Australiens, also in eine so tiefe barbarei
wie sie sich überhaupt kaum irgendwo nachweisen lässl.
Bisher sah ich von allen Zeugnissen für die alte einheimische
volkslyrik ab. es sind uns aber deren einige aufbewahrt und an
ihrer bedeutung ist nicht zu rütteln.
Das capitular, welches den nonneu verbietet wmileodos scrt-
6ere vdmütere (Ubland Sehr. 3,383.457. Wackernagel Litteratur-
gescb.* 48) übergeht Wilmanns mit schweigen, er muss darin
also iroU den bemerkungen Müllenhofifs (Zs. 9, 130 und MSD 364)
kein zeugnis für die alte lyrische poesie erkennen, mir wider-
strebt es , längst gesagtes , dessen richtigkeit wie mir scheint auf
der band liegt, noch einmal zuwiderholen, deshalb nur soviel:
* auch Jacob Grimm teilte diese meinung: Über das finnische epos,
Kl. sehr. 2, 75 anm.
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854 DAS VOLKSTÜMLICHE DEUTSCHE LIEBESLIED
die winileodi, welche weltlich gesinnte nonnen lum ärger ihrer
geistlichen vorgesetzten dichteten, werden schwerlich einen anderen
als einen Terliebten inhalt gehabt haben ^ mag winikod an sich
auch nur ^gesellenlied' bedeuten, es wird im capitular unter-
schieden ^dichten' und ^schicken' (sei es durch holen zu münd-
licher bestellung oder durch schriftliche mitteilung): wem anders
können solche winihodos geschickt worden sein als einem ge-
liebten? es gab mithin im 9 jh. volkstümliche liebeslieder, welche
personliche empfindung ausdrückten.
Die bekannte stelle aus dem Ruodlieb (MSD 28) ist Wilroanns
augenscheinlich unbequem, die deutschen worte sollen (s. 293)
auf einen deutschen verbreiteten volksmafsigen grufs anspielen,
derartige liebesgrüfse, die vom 11 jh.i bis ins 15 und 16 jh. be-
zeugt würden, seien freilich auch lyrisch, aber wesentlich ver-
schieden von dem lyrischen minnelied, sie konnten für sanges-
roäfsige liebeslyrik nichts beweisen, also liebespoesie, und zwar
nichtepische, muss Wilmanns bereits für das 10 jh. zugeben, wo
bleibt da der satz: *die liebe fand bis zur mitte des 12 jhs. ihren
ausdruck wie alle andere empfindung in der epischen poesie'
(s. 16)? ich vermag übrigens nicht zu glauben dass man im
10 jh. diese ^iebesgrüfse' nicht gesungen haben sollte, wenn ein
Jahrhundert früher Otfrid selbst sein Evangelienbuch für den ge-
sang bestimmte, in reimparen ist ja auch eines unserer ältesten
minnelieder So wi dir sumerwunne (37, 18), das reinlyrisch ist
und jedes epischen elementes entbehrt, gedichtet, damit ftlh
dann der angebliche unterschied zwischen dem liebesgrufs and
der sangesmafsigen liebespoesie, und die stelle des Ruodlieb kann
nach wie vor als unanfechtbares zeugnis für die volkstümliche
erotische lyrik gelten.
Durch Heinrichs von Melk Erinnerung (v. 610 ff) werden
bekanntlich troutUet für die kreise der Osterreichischen ritter be-
legt, dies gedieht ist nach Heinzel (s. 42) wenige jähre vor 1163
entstanden: aber die sitte der troutUet erscheint nach dem Zu-
sammenhang als bereits ganz gewöhnlich, seit längerer zeit her-
gebracht, man darf also schliefsen dass auch schon einige jdir-
* ich denke vom 10 jh. ao. dean der von Dammler (Mitteilungen der
Zfiricher antiquarischen geseUschaft 12, 228) poblicierte liebesgrafa (fuot
eoelum r&tinei Hellas, quot flores prati vel quot sunt grandna campi^
tot usw.) reicht soweit zurQck.
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DAS VOLKSTÜMLICHE DEUTSCHE LIEBESLIED 355
zehDte frtlher derartige liebeslieder von adlichen gesungen wurden,
also jedesfalls vor 1150. Wilmanns *kann starke zweifei gegen die
richtige datierung Heinrichs nicht unterdrücken' (s. 294), ohne
sie indes irgendwie zu begründen, wir betrachten also auch diese
verse Heinrichs als sicheres Zeugnis für eine spätestens um 1150
in Osterreich weit verbreitete liebeslyrik.
Die eigentliche minnepoesie des 12 jhs. war von hause aus
besebrSnkt auf den ritterlichen stand; nach den anschauungen
der zeit war den bürgerlichen sflngern, den spielleuten dieses
dichtungsgebiet verschlossen (Reinmar und Walther 131). W.
erkennt das an (s. 18 0 9 aber schwerlich schliefst er daraus mit
recht: 'eine derartige beschränkung der liebeslyrik auf einen stand
wftre unmöglich gewesen, wenn sie früher besitz des ganzen voikes
und althergebrachte sitte gewesen wäre.' die liebeslyrik, sofern
sie der poetische natürliche und wahre ausdruck persönlicher
empflndung war, konnte selbstverständlich keinem stände versagt
sein, ebenso wenig wie die liebe und der liebesverkehr; alle
liebenden, gleichviel ob adlich oder bürgerlich, ^ hatten daran teil
und übten sie aus. nur die eigentümliche neue art derselben,
der minnesang, welcher mit bewuster litterarischer tendenz und
bewusten litterarischen ansprUchen auftrat, nach romanischer sitte
ein liebesverhaltnis mit einer dame, den sogenannten minnedienst
zum gegenständ hatte und für die Unterhaltung der gesellschaft
sorgte — nur dieser war ausschliefslich in den bänden der mit
proven^alischer poesie vertrauten ritter.
Wie stellt sich nun W. zu den Kürenbergliedern , die seiner
aoflfassung natürlich am meisten im wege stehen? er gibt zu
dass vor Reinmars ankunft in Osterreich dort bereits eine liebes-
lyrik bluten getrieben habe so eigentümlicher art, *dass sie
unmöglich aus dem bäume, dessen Wachstum wir bisher ver-
folgt haben (dem höfischen minnesang nach proven^lisdiem vor-
' gewisse Verschiedenheiten werden sich innerhalb dieser lyrik aller-
dings bereits frühzeitig ausgebildet haben, den standesunterschieden ent*
sprechend, der ausdruck volkslyrik ist also in so fern dafür nicht ganz
passend, die gelegenheitsdichtungen der ritter des 12Jh8. werden gewis einen
anderen charaeter gehabt haben als die der bauem. beiden fehlte aber jede
iitterarische pritention*. lo den lltesten selten dagegen, als noch die ge-
safliiDlea lebensverhaltnisse einfacher waren, wird auch die volkslyrik ein-
heitlicher gewesen sein.
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356 DAS VOLKSTÜMLICHE DEUTSCHE LIEBESLIED
bilde) 9 hervorgegangen sein können' (s. 26). aber sie sollen
weder gelegenbeitsdichlungen verschiedener Verfasser noch autoch-
thon sein.
Weder von verschiedenen Verfassern. Scherer halte gemeint,
zwischen den männer- und frauenstrophen des Kttrenbergers gähne
eine unausfüUhare kluft. der mann erscheine stolz und hart, roh
und begehrlich: diese mflnner können nicht jene zarten frauen-
lieder gedichtet haben. Wilmanns will diesen gegensatz, den er
auch wahrnimmt, anders erklären, er hält es für möglich dass
der mann die sanfteren regungen absichtlich durch den mund der
frauen verkündete, dass er es verschmähte sie als seine eigenen
auszusprechen, weil er sich der tränen, der rührung schämte und
nicht weich erscheinen wollte (s. 27 0- ich kann mich mit dieser
erklärung, die jetzt auch unabhängig von W. Becker (Altheim,
minnesang s. 60 0 vorbringt, wenig befreunden: dergleichen Ver-
mutungen erscheinen mir rationalistisch und nichtig, der mann,
welcher seine Weichheit nicht bekennen will, ist eben nicht mehr
roh und hart, sondern weich, und sein trotziges selbstbewustsein,
wo es sich zeigt, müste erzwungen sein, und sonderbare männer,
welche die frauen liebend und hingebend darstellen , weil sie sich
dieselben so wünschen (W. s. 28) , um dann diese liebe , diese
hingebung wild zurUckzustofsen M nein, da ist Scherer doch
natürlicher und der Wahrheit näher, wenn er sagte : 'naive künstler
können unmöglich gefühle besingen, die sie niemals gehabt haben'
(Zs. 17, 577). W. kann nicht einwenden: *aber die sie an
anderen, an den frauen wünschen.' denn man wünscht nicht
was man nicht selbst kennt, gefühle aber lassen sich nicht dar-
stellen, wenn man sie nicht aus eigener erfahrung kennt.
Wie dem auch sei,, ob man diesen allgemeinen betrachtungen
überhaupt wert beimessen mag oder nicht, folgende tatsacben
fordern sorgfältige berflcksicbtigung, wenn man diese frage ent-
scheiden will, wo ursprüngliche volkstümliche liebespoesie blüht,
da finden wir auch sonst die frauen hervorragend als dichterinnen
tälig. Scherer hat Anz. i 204 bei aufsergermanischen Völkern
' Wilmanns verbindet sogar, was man bei seiner auffassung am wenig-
sten erwartet, MF 8, 1 mit 9, 29 su einem gedieht (s. 30) und umschreibt
dessen inhait folgender maÜBen; ^kflholich lässt er (der Kürenberger) die
£rau heifses liebetveriangen aussprechen und antwortet, sich selbst, mit
sprödem abweisen'!
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DAS VOLKSTÜMLICHE DEUTSCHE LIEBESLIED 357
(Chinesen, Arabern, Stidseeinsulanern, Kabylen, Serben) ^ zahl*
reiche Beispiele dafür nachgewiesen, worauf sich W. gar nicht
einlas»!, auf deutschem boden sind ferner seit früher zeit madchen-
lieder bezeugt: in der besprochenen capitularstelle die winüeodi
der nonnen, im 9 jh. werden pueUarum cantica als besondere
gattung des verbotenen weltlichen gesangs erwähnt (Wackernagel
Littg.' 48). will man wdrklich im ernste behaupten dass damit
immer nur von mfinnern für madchen gedichtete und von madchen
1 dazQ kommt das oben (s. 346) beigebrachte zeognis Porthans fAr fio-
Dische dichteriDoen. eine umfangreiche auswahl aas der Lönnrotachen samm-
long finnischer Volkslieder ist jetzt in deutscher Übersetzung zugänglich:
Kanleletar, die Toikslyrik der Finnen, ins deutsche übertragen von Hermann
Paul. Helsingfors, GWEdlnnd, 1882. Leipzig, KFKöhler. die midchenlieder,
die meisten ohne frage würklich von madchen gedichtet und auch in der
etwas glatten Übersetzung noch als improvisationen (Paul s. vn) erkennbar,
nehmen hier einen breiten räum ein. dazu kommen franenlieder und Wiegen-
lieder, von höchstem interesse für unsere frage ist ferner die sehr alte
indische volkstümliche liebeslyrik, wie sie uns in Halas Sammlung prakriti-
scher Volkslieder meist erotischen inbalts vorliegt, die erste halfte derselben
ist mit prosaübersetzung herausgegeben von A Weber im 5 bände der Ab-
handlangen für kande des morgenlandes (1870), das ganze nach mehreren
hss. und mit deutscher prosaübersetzung des noch nicht edierten teiles eben-
falls von Weber im 8 bände der Abhandlungen (1881), vgl. auch Zs. der
deuUchen morgenlandischen gesellschafl bd. 26, 735 ff (1872) und 28, 345 ff
(1874). nach Weber ist die Sammlung des Hdla frühestens im dritten, jedes-
falla aber vor dem siebenten Jahrhundert unserer Zeitrechnung entstanden,
einzelne darin enthaltene liedchen können natOrlich noch Slter sein, die
verse erscheinen vorzugsweise aus weiblichem munde gesprochen: diese
lieder, die völlig den character von gelegenheilsdichtungen tragen und sich
unmittelbar mit den bayerisch -Österreichischen schnaderhüpfeln vergleichen
lassen, haben die indischen mädchen, dorfmadchen, aber auch bajaderen der
tempel, hetären der stadte gesungen, und ich zweifle nicht dass sie auch
zam teil von fraaen gedichtet sind, die Überlieferung gibt als verf. namen
aas den verschiedensten schichten des volkes, darunter auch vier fraaeo-
namen (s. s. lvii der an zweiter stelle genannten Abhandl.), aber freilich haben
alle diese namen eine geringe gewähr, ein geradezu blendender reichtum
poetischer begabung ist in dieser anthologie prakritischer volksliedchen
niedergelegt proben einer metrischen Übersetzung, die nicht übel geraten
sind, aber kaum eine ahnang von der schier nncrschöpfllchen fülle und
manigfaltigkeit des erhaltenen geben können, lieferte Brunnhofer Über den
geiat der indischen lyrik, Leipzig 1882, s. 24 ff. in die äugen ßllt bei den
indischen liebesliedern die neigung, durch bilder aus der natnr auf die eigenen
wünsche und empfindungen anzuspielen (s. oben s. 350 0* vieles erinnert
an abendlindische lyrik, znmal an den deutschen minnesang.
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358 DAS VOLKSTOMLICHE DEUTSCHE LIEBESLIED
gesuDgeoe lieder gemeiDt seieo? das liedeben vom verloreneD
schlüsselein (MF 3, 1) rührt von einer dame her, die es ent-
weder selbst verfasst hatte oder nur citierte. man bedenke ferner,
wie sehr die vornehmen frauen den mflnnern an geistiger bildnng
überlegen waren, wie sie dadurch den klerikern näher standen
als den laien. es wäre daher nur natürlich, wenn, wie in der
epischen für die aufzeichnung bestimmten poesie die geistlichen
den laien vorangiengen, in der lyrischen dicbtung zunächst die
geistlich gebildeten frauen ein gewisses übergewicht behaupteten,
soll nun die unläugbar auffällige tatsache erklärt werden , dass in
der ältesten zeit die frauenstrophen so unverhältoismäfsig zahl-
reicher auftreten als später, so muss es zwar nicht als gewis,
wol aber als ziemlich wahrscheinlich gelten dass ein teil wo nicht
die meisten dieser frauenstrophen auch würklich von frauen ge-
dichtet sind, was dagegen sprechen konnte will ich nicht ver-
schweigen: aus derzeit des ausgebildeten minnesangs sind dich-
terinnen, wie etwa in Frankreich, nicht bezeugt, indes auch
dies lässt sich begreifen: gegen die unnatürliche sitte des aus
der fremde eingeführten minnedienstes und die modepoesie mögen
die deutschen frauen eine tiefe abneigung empfunden haben , wo-
für auch anderes spricht.
Ob die stropheoform, in der MF 7, 19 — 10, 24 gedichtet sind,
die Rürenberges wise ist, in welcher nach 8, 5 der ritter nächt-
lich sang, ob der darauf antwortende verf. von 9, 29 dieselbe
erfunden oder nur in ihr gesungen habe, lässt sich nicht aus-
machen, aber dass die unter dem namen Kürenbergs Oberlieferteo
Strophen von 4inem verf. seien und dass dieser so geheifsen
habe wie die Überschrift des rubricators angibt mangelt aller
gewähr.
Wie man auch die viel umstrittene Strophe MF 8, 1 ver-
stehe, folgendes, meine ich, lässt sich einiger mafeen wahr-
scheinlich machen, um den nächtlichen Sänger zu bezeichnen
sagt die dame einfach 'er sang in Kürenberges wIse.' Scherer
schloss daraus (aao. 571) dass es nur 6ine Kürenbergweise ge-
geben habe, das ist allerdings zu viel gefolgert, nur so viel er-
gibt sich streng genommen, dass zu der zeit, als diese Strophe
entstand, es nur ^ine Kürenbergweise gegeben hat oder wenig-
stens nur 6ine bekannt war. aber gesucht ist es, diese mOglich-
keiten als würklich anzunehmen, wenn es bereits sitte war dass
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DAS VOLKSTÜMLICHE DEUTSCHE LIEBESLIED 359
ein dichtender ritter mehrere weisen brauchte, häUe die dame
schwerlich den ausdruck Kürenberges wise ohne nähere bezeich*
nnng brauchen können, kannte sie aber nur äne weise, wäh-
rend es in Wahrheit schon mehrere Kttrenbergweisen gab, so
mosten wir dem Sammler von C, der so lange nach dem Küren-
berger lebte, eine genauere kenntuia zutrauen als der dame, die
des dichters landsmännin und Zeitgenossin war, das wäre wenig
methodisch, es wird demnach, mag nun die Kttrenbergweise in
einem der beiden unter Kttrenbergs namen überlieferten tOnen
vorliegen oder nicht, ein Irrtum der Überlieferung sein, wenn
in C zwei Strophenformen dem Kürenberger beigelegt werden,
dann aber ist weder für den ersten noch für den zweiten ton
der Überlieferung zu glauben, die lieder sind sämmtlich als
namen- und herrenlos überliefert zu betrachten, dass sie alle
von Einern dichter herrühren wäre nach unseren sonstigen er-
fahrungen sehr seltsam, müste jedesfalls durch eine genaue phi-
lologische Untersuchung des stils und der poetischen kunst nach-
gewiesen werden.
Der einwand, den W. s. 28 vorbringt, für einen solchen
reichtum des gesanges und poetischer begabung in so früher zeit,
für eine solche zahl unbekannter dichter und didbterinnen sei
hier nimmer räum, macht mir nicht bange, dichter und dich-
terinnen im litterarischen sinn sind die Verfasser dieser Strophen
nicht, und die poetische begabung, welche die heutigen be-
wohner des bayerischen und österreichischen hochgebirges, welche
80 wenig cultivierte Völker wie die Serben oder die bauern Lit-
tauens haben, welche in den rispetti und ritornellen der un-
gebildeten landleute Italiens zu tage tritt, werden wir wol auch
den adlichen des 12jhs. zutrauen dürfen, ohne befürchten zu
indssen dass wir in romantische Überschätzung verfallen.^
' neue verwirrang hat in diese fragen Becker gebracht, er macht
zunächst aao. s. 58 die bemerkung, die reste der ältesten lyrik könnten
nicht als Meichthingeworfene(!) improvisationen ' gefasst werden, weil sie
'eine feste technische tradition' befolgten, ich wundere mich dass er nicht
als grund angibt 'weil sie in festem rhytbmus and bestimmter Strophe ab-
gelasst sind.' mich erinnert das an die Weisheit der anfkJärer des vorigea
Jahrhunderts, die auch keine unbewuste ausübuog der kunst dem dummen,
rohen volke zutrauten, sondern alles von erfiadung, entdeckung, einsetzung
einzelner scharfsinniger köpfe herleiteten, heute, hundert jähre nach Herders
Blättern von deutscher art und kunst und seinen Volksliedern, immer noch
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360 DAS VOLKSTÜMLICHE DEUTSCHE LIEBESLIED
Auch die Originalität der KOrenberglieder zieht W. in zweifeL
denn, schlierst er gut logisch, aber desto weniger überzeugend,
^es ist unwahrscheinlich dass ein einzelnes Individuum so selb-
ständig über seine Umgebung hinauswachse', dass 'ein so be-
deutender dichter bei seinen Zeitgenossen nicht gröfseres auf-
sehen erregte' (s. 29). wir, die wir eben mehrere Verfasser
annehmen, die aber ohne allen litterarischen ehrgeiz dichteten,
werden diesen schluss nicht mitmachen und werden uns auch
nicht mit Becker (aao. 61) wundern dass diese dichter 'dieselbe
bedeutende dichterische Individualität zeigen, gegen die alle nach-
folger stark abfallen/ denn wir erinnern uns an die zahlreichen
analogien , welche die litteraturgeschichte verschiedener Zeiten an
die band gibt, zb. dass auch im 17 jh. die kunstdichter, Opitz
und seine schule, 'stark abfallen' gegen die volkstümlich dichten-
den Vorgänger, vom eigentlichen volks- und gesellschansliede zu
geschweigen.
W. fühlt indes, wie unsicher seine allgemeinen erwflgungen
sind, wesentlicher als sie sei dass einem dieser lieder (Ich xdch
mir einen valken MF 8, 33) ein italienisches sonett so nahe stehe,
dass ein Zusammenhang zwischen beiden statt&nden müsse, es
soll auch hier das gewöhnliche Verhältnis zwischen deutscher und
romanischer lyrik walten (s. 29). den frauenstrophen der deut-
schen ritterlichen Sänger hätten würklich von frauen und mädchen
10 diesem tone reden zu hören ist überraschend, für die Kflrenberges wise
hat Becker eine neue deutung gefunden, er hSU nämlich alle t5ne, die
aaf die graodrorm von 4 laogzeilen lurflckgehen, ffir dreiteilig: im ersten
Kürenbergton (7, 1 ff. 3, 1 7) bezeichne die weise vor der dritten langieile
den anfaug des ab^esangs 'als etwas neues', auch der zweite ton des
Regensburgers (16, 15) und auch der zweite Kürenbergton (7, 19) sollen drei-
teilig sein, in diesem letzteren soll der aufgesang durch klingenden reim
vom stumpf reimenden abgesang geschieden sein (s. 63). das sch5ne Ver-
hältnis, das man so ffir den bau dieser Strophen erhalt, wonach jeder stolleo
einen langvers umfasst und der abgesang länger ist als der aufgesang,
kfimmert Becker nicht auch nicht dass, wollte man selbst gegen alle Wahr-
scheinlichkeit die reime als klingend und nicht vielmehr als zweisilbig
stumpf auffassen, doch von 13 Strophen immer nur 5 mitklingendem reimpar
beginnen, diese angebliche dreiteiligkeit soll die Kflrenbergstrophe von der
Nibelungenstrophe — ob diese ffir den gesang bestimmt war und musika-
lische begleitung hatte, bezweifelt Becker (aao. s. 64) — unterschieden haben
und diese musikalische eigentOmlichkeit bezeichne demnach der ausdrock
KQrenberges wtse. der dichter habe seinen namen absichtlich genannt , um
ihn der nachweit zu erhalten!
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DAS VOLKSTÜMLICHE DEUTSCHE LIEBESLIED 36t
gedichtete lieder als muster vorgelegen, und zwar Mieder ge*
werbsiDttfsiger säDgerianeD, denen ihre lebenestellung gestattete,
wovon andere natürliche scheu und weibliche sittsamkeit zurück*
hielt, hingebende liebe und sehnsüchtiges verlangen offen auszu*
sprechen' (s. 165). im südöstlichen Deutschland, da wo aus den
wfllschen landen die befahrenste strafse über den Brenner das
Inotal hinab in die verkehrsreiche Donaustrafse einmündete, in ,
der heimat des Kürenbergers, der nidit vor 1170 gedichtet habe,
sei man zunächst anderen mustern als im westen, italienischen,
gefolgt.
Leider hat W. uns jede auskunfl darüber vorenthalten, wo«
her er so genau über den inhalt der lieder solcher gewerbs-
mäfsiger italienischer Sängerinnen unterrichtet ist. dass es spil*
u>§p gab, nicht blofs in romanischen landen, auch in deutschen,
ist ja bekannt, aber über den poetischen character ihrer lieder
wissen wir nichts und können höchstens nach den angaben über
den sonstigen lebenswandel ihrer Verfasserinnen vermuten dass
sie wenig züchtig gewesen sein mögen, mir wenigstens ist es
nicht gelungen, irgendwo näheres darüber zu erfahren, ge-
schweige ein lied zu entdecken , das nachweislich von einer fah-
renden Sängerin herrührte, und auch herr professor Tobler
erklärte auf meine anfrage dass er in dem gebiete der romani-
schen litteraturen keine derartige von frauen gedichtete lieder
kenne, die ihrem stil und ihrem alter nach etwa die Vorbilder
der ältesten deutschen frauenstrophen gewesen sein könnten, sieht
man die italienisdie lyrik ein wenig aus der nähe an , so leuchtet
sofort ein, wie von daher unmöglich eine einwürkung auf die
deutsche poesie gekommen sein kann.
Die italienische Utteratur hebt mit nachahmung an: ihre
ältesten denkmale sind die lieder der sicilianischen dichtersohule,
die völlig unter dem einfluss der provenzalischen poesie steht
die italienische kunstdichtung begann im Süden des landes, wo
durch den hof Friedrichs ii und Manfreds ein Sammelplatz für
provenzalische und einheimische troubadours geschaffen war. in
das 12 jh* reicht kein italienisches lied zurück (s. Gaspary Die
sicilianiscbe dichterscbule des 13jhs., Berlin 1878, s. 3S). in
Oberitalien, wo seit dem ende des 12jh8. oft sttdfranzOsische
troubadours sich aufhielten (Gaspary s. 5), dichtete man in pro-
venzalischer spräche» aber auch die sicilianiscbe lyrik war durch-
Z. F. D. A. XXVir. N. F. XV. 25
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S62 DAS VOLKSTÜMLICHE DEUTSCHE LIEBESL1BD
a«8 «DselbsUindig: sie hat die poesie der troubadours zwar io
andrer spräche aber 8<Hist sciavisch nachgeahmt, der iohalt war
derselbe, nur firmlicher, kflnstlicher, leerer, die liebe iat wie
iD der proveizaliaGhen dichtung derottlige anbetende Terehmng
der dame, die dame steht hoch Ober dem liebhaber, er ist un-
würdig ihr zu 4ie«eii, die dame ist grausam und Iflsst ihn ver-
geblich sdMMchteB, aber er darf nicht aufboren, sie zu lieben
(Gaspary 17 f). wie weit die abhSngigkeit im einzelnen geht ist
schon von Diez Poesie der troubadours s. 276 — 280, dann von
Nannucci in seinem Manuale della letteraUira del primo secoto,
besonders aber neuerdings sehr eingehend von Gaspary aao.
s. 26 — 113 dargelegt, schwerlich wird jemand zwischen dieser
Mutieeren italienischen lyrik, die von vorn herein altersschwach
und starr ist, vnd unseren Kürenbergliedern voll Jugend und
leben verwandte zige entdecken, sind sie sich doch ungleich wie
abgestasAenes tekbwasser und die frische klare quelle des ge-
birges. wias von italienischer lyrik die conventioneile manier ab-
streift Hw4 volkstümlichen ton anschlagt ist viel jünger: zb. die
klage eines raddchens Ober den treulosen geliebten von Odo delle
Colonne (D'Aacoiia und Coraparetti Le antiebe rime volgari se-
condo la leeione del codice Vaticano 3793, vol. i, Bologna 1875,
BT xxvf), um den echeidenden kreuzfahrer von Rinaldo d'Aquino
(ebenda nr mn), «gl. Gaspary 114 ff. aber die motive der
neiste« dieser fraueniieder stehen den deutschen fern : eine ver-
heiratete frau rächt sidi an ihrem ungeliebten manne durch hin-
gäbe an den gelreUen , Ungeduld eines mXdchens einen mann zu
bekooKnen, widersdind gegen die Verheiratung mit einem lustigen
liebhaber usw. auch in Italien wird es schon im 12 jh. eine
würkliche volkslyrik gegeben haben, aber aus der ältesten zeit
hat sich davon nichts erhalten: die Rosa freaca mdentUgimM
(D'Ancona aao. nr liv s. 165 ff), welche einige forscher für einen
würklichea rest alter volkspoesie hielten, scheint nach den aus-
fahruogen Gasparys (aao. s. 123 ff) von einem volkssänger her-
zurühren , der bis zu einem gewissen grade die kunstpoesie nach-
ahmte, von der alten italienischen volkslyrik wissen wir jedes-
falls noch viel weniger als von der deutschen, und es sdieint
mir nicht zulässig, weil man an der Originalität der letzteren
zweifelt, weil man die Kttrenberglieder zwar ihrer Stuart nach
volketümlich nennen, nicht aber ihren heimischen Ursprung su-
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DAS VOLKSTÜMLICHE DEUTSCHE LIEBESLIED 36»
geben will (W. s. 30), fttr sie muster zu suchen in einer poesie^
von der wflrklich rein gar nichts bekannt, die ein blofses phan-
tasiegebilde ist.
Das italienische sonett vom entflohenen sperber(HF* s. 231 f)
gebort dem 13 jh. an. soll also das KOrenberglied vom falken
nicht original sein, so müste es einem alteren gemeinsamen ita-
limschen vorbilde nachgeahmt sein, es ist nötig, im einzelnen
festzustellen, was die beiden lieder gemeinsam haben und wo-
durch sie sich unterscheiden.
In beiden redet ein von ihrem geliebten verlassenes mftdchen
und stellt ihren vertust dar unter dem bilde eines lange gepflegten
falken oder sperbers, der ihr entflogen ist. das deutsche madchen
hat ihm sein gefieder mit gold umwunden, die Italieuerin ihm
schellen von gold gemacht, dass er feuriger sei bei der jagd,
beiden ist ihr liebling entflohen, indem er hoch aufstieg und
ihnen entschwand.
Das ist das gemeiusame. aber vieles ist verschieden in beiden
gedichten.
Das madchen des italienischen sonetts beklagt nur ihren un-
widerbringlichen vertust, sie sah wie ihr sperber sich in einem
gemüsegarteo niederliefs , also — dürfen wir das bild deuten —
bei einer ihr nicht ebenbürtigen nebenbuhlerin, eine andere doona
wird ihn nun in ihrer gewalt haben , alle aufgewandte pflege war
vergeblich, ganz anders im deutschen liede: das madchen er-
lählt dass der falke ihr entflogen, aber wohin er sich gewendet
hat weifs sie nicht, sie sagt nur er floug in anderiu lant. dar-
nach jedoch sah sie ihn in seinem stolze fliegen, er muss also
die anderiu laut verlassen haben und in ihr land zurückgekehrt
sein; sie erblickt an ihm die seidenen riemen, mit denen sie
einst ihn gefesselt, und den goldenen schmuck, die pflinder ihrer
liebe, und alle erinnerung an den herzlich geliebten, den sie
verloren und nun, wenn auch von fern, widergesehen, wird in
ihr mächtig, ihrer brüst entsteigt der seufzende wünsch: got
tende si %ua$nine die gerne geUebe wellen sin. sie hoflt also auf
me widerVereinigung: i gerade dieser zug fehlt in dem
italienischen liede.
^ Wilmaniis bat das dcalsche lied offeobtr oicbt so ventanden and
Schcrer auch nicht, wenn er Vorträge und aufsitze t. 119 übersttat: Mch
sah seitdem den falken oft im stolzen flag. doch ach.! an. seinen (Üfseii
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364 DAS VOLKSTÜMLICHE DEUTSCHE LIEBESLIED
Das italienische gedieht steht auf einer höheren stufe der
kunst als das deutsche , es ist reicher an detail , beredter in der
darstellung des gefUhls: dort leidenschaftliches jammern über den
Verlust, hier kein ausdrückliches wort der klage, dort genaue
beschreibung der Vorzüge des flüchtlings, seiner tüchtigkeit zur
jagd, seiner Zahmheit, hier auch das nur angedeutet; dort wird
der entkommene geschildert , wie er die bände zerrissen und
er seidene fesselD trug, ein fremdes gold ihm gl&nzte rot im gefieder/
▼on oft and fremdem golde steht nichts im text: die std^e riemen (wol
mit seide umwickelte riemen, nicht seidene b&nder zum schmuck) sind ebenso
wie das rote gold im gefieder gaben des redenden mädchens, nicht einer
neuen herrin. andernfalls muste das gold von v. 10 ein anderes sein als das
von ▼. 2, oder es müsten zwar die seidenen riemen zeichen der neuen her-
schaft einer zweiten, der goide»e gefiederschmuck hingegen noch der alte
sein, das wäre wol deutlicher ausgedrückt worden, man darf auch fragen
wie das midchen überhaupt im hohen fluge des falken dessen schmuck
so genau sollte unterscheiden können, dass es ihn als einen fremden, von
dem ihrigen verschiedenen bezeichnen durfte, sie sah einen falken , er trug
schmuck, das waren die wolbekannten zeichen ihrer liebe: es muste ihr
entflohener liebling sein, wie indes auch v. 7 — 10 zu verstehen sei, soviel
ist sicher : wenn das madchen , welches offenbar ihren aufenthalt nicht ver-
ändert hat, den entflohenen falken widersieht, so muss dieser aus dem
^anderen land' zurückgekehrt sein, gleich viel ob aus der freiheit oder aus
widerum abgeschüttelter gefangenschaft bei einer anderen herrin. nur so
passen die beiden schlnssverse zum ganzen: die gerne gelusbe wellen #fn
hei Pst ^die gern sich gegenseitig lieb sein möchten.* damit sind zunächst
alle die liebespare gemeint, die von einander getrennt sind gegen ihren
wünsch , um deren Vereinigung das madchen betet, aber sie meint sich selbst
doch auch mit, ond hinter dem gebet für fremdes glück steckt gewis ein
inbrünstiges für sich selbst: sie denkt auch an ihren treulosen geliebten,
dieser muss also auch gerne geliep sein wollen, dh. einer widerver-
einigung im inneren des herzens geneigt sein, das bild dafür ist der falke,
welcher in fremden lindern geweilt hat und nun zur heimat zurückkehrt,
sich zwar noch hoch und fem in der Infi hSlt, aber doch der hemn wider
nSher gekonunen ist deshalb wünscht das mädchen bange aber voll hoff*
nung, gott möge die beiden liebenden zusammenführen, die zwei schlnss-
verse enthalten das rein lyrische dement: die empfind nng, welche vorher
so rührend keusch in ein gleichnis sich gehüllt halte, tritt hier vor ohne
gewand. es ist kein 'aligemeiner gedanke', der die zweite Strophe schliefst
(Wilmanns. Ans. vn 265 anm.), keine *phrase, deren bedentnng und Ver-
hältnis zum vorhergehenden nicht scharf erfasst ist', keine 'ongeoanigkeit'
Becker aao. 196), sondern persönlichstes gefühl des mädchens, wie es der
klar gegebenen Situation entspricht, das lied bitte auch schlielsen können :
*o gäbe sich doch der heimgekehrte falke mir wider ganz zu eigen!' aber
wie viel kilter wäre das gewesen
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DAS VOLKSTGMUCHE DEUTSCHE LIEBESLIED 365
emporgestiegeD , viel hoher als sonst sein flug gieng, wild und
uabezäbmbar gleich dem aofbrausenden meer, hier einrach er
kuop sieh üf vil höhe und floug in anderiu lani.
Ein directer Zusammenhang zwischen den beiden Uedern ist
wie mir scheint ausgeschlossen: weder kann das deutsche un-
mittelbar vorläge ftlr das italienische gewesen sein noch ist, wie
wir sahen, das umgekehrte möglich, das beiden gemeinsame,
der vergleich des treulosen mannes mit einem entflohenen ge-
zäunten falken, kann aus der weit verbreiteten Vorstellung her-
Torgegangen sein , die wahrscheinlich älter ist als beide gedichte
und in romanischer wie deutscher poesie längst überliefert war,
wonach der falke oder ein anderer edler vogel als bild dient fttr
den geliebten.^
Ist also was W. über den Ursprung der ältesten frauenstrophen
vermutet nicht glaublich, so ist um so wichtiger und wertvoller sein
Zugeständnis: ^man wird sich der annähme nicht entziehen können
dass würklich von frauen oder mädchen gedichtete
lieder ihnen als muster vorgelegen haben' (s. 165). nach
1 vgl. anmerk. za MF S, 33. Scberer D. stad. 2, 4 (438). VoUinöller
KOrenberg 17 ff. mit dein italienischeo sonett und dem Küreoberglied ver-
glich Reinh. Köhler Im Jahrbach für roman. und engl, litteratar 1868, bd. 9,
117 eio bolognesisches Volkslied aus dem 13 jh., wo an die stelle des ent-
flohenen Sperbers eine nachtigall getreten ist wie ich aus Gaspary aao.
134 sehe, vergleicht Ghiaro Davanzati in einem sonettengesprSch sein zur
geliebten entflohenes herz mit einem entflohenen vöglein, in deutschen
Volksliedern wird der geliebte als ein wildes waldvöglein bezeichnet: es ist
nachts vor der liebsten fenster geflogen, hat sich in ihren schofs nieder-
gelassen und sie beschneidet ihm die flfigel, sodass es gefangen ist und
nicht davon kann (Uhland Volkslieder nr 29); in einem anderen liede (Uhiand
nr 83 B) klagt das midchen, ihr kleines waldvöglein sei aus ihrer band ent-
flogen und in den grflnen wald geflüchtet. Jedoch in der freiheit findet
es neid und hass; es kehrt zurück (wie im Kürenbergliede der falke), fliegt vor
der liebsten scblafkammerlein und klopft mit seinem goldenen schnabel leise
an , aber nun wird es vom mädchen mit spott zurückgewiesen , sie wolle
ihren kränz nicht verlieren, in dem finnischen volksliede, welches Paul aao.
unter dem titel 'gefunden' (s. 74) übersetzt hat, ersfihlt ein madchen, wie
sie lauschend gespäht habe nach einem schwan im blauen sunde, voll be-
gierde ihn einzufangen , wie sie über eis und schnee und morast am strande
nach ihm gegangen und ihn endlich gefunden und beide sich des wider«
Sehens gefreut hatten, mit dem schwane ist auch hier der geliebte gemeint,
und sie muss ihn bereits früher gekannt haben ; wodurch und auf welche
art sie von ihm getrennt war, wird jedoch nicht gesagt.
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366 DAS VOLKSTOHLICHE DEUTSCHE LIEBESLIED
auswärtigen mustern zu suchen liegt gar kein grund vor. eher
als nach Italien könnte man seinen blick nach dem sttden Frank-
reichs wenden , wo eine nicht unbeträchtliche zahl provenzalischer
damen — in Bartschs troubadourverzeichnis (Grundriss zur ge-
schichte der provenzalischen litteratur) zähle ich 15 — sich an
der dichtkunst beteiligten, auch die Kttrenberglieder kommen
aus adlichen kreisen, und man könnte noch eher denken dass
lieder nach art derjenigen, die wir von der gräfin Beatrix von
Dia haben, auf sie eingewürkt hätten als die unzüchtigen er-
Zeugnisse fahrender spielweiber, Qber deren Stil und kunst wir
gar nichts bestimmtes wissen, die gräfin Beatrix tritt in ihren
gedichten zärtlich verlangend auf, sie sucht den spröden geliebten,
den grafen Rambaut iii von Orange, der um 1173 starb, zu er*
weichen, sie beklagt seine härte und seinen stok (Diez Leben
und werke der troubadours 65 f. 2 aufl. 57 f), gerade wie die
frau in unseren Kttrenbergliedern. aber W. hat sich wol ge*
hütet — und wir werden es auch tun — , diese provenzalischen
lieder, deren character im übrigen grundverschieden ist von den
altösterreichischen weisen, für die muster anzusehen.
Nicht recht klar ist mir gewerden, welchen gegensatz W.
zwischen den frauenstrophen und dem eigentlichen minneliede
entdeckt, in so fern es sich um das Verhältnis der geschlechter
handelt, und wie seine hypothese dienen solle, diesen gegensatz
zu erklären (s. 164). er hatte im Anz. vu261f schon ziemlich
dasselbe vorgetragen, mir ist aber nicht deutlich geworden, ob
er immer von allen frauenstrophen und mannesliedern oder nur
von denen der ältesten österreichischen poesie oder bald von
jenen bald von diesen redet, fast scheint er mir das letztere zu
tun. denn für die älteste zeit nur ist es richtig dass in den
frauenstrophen fast ausschliefslich die liebende hingäbe der frau
zu werte kommt, während der mann kühl und spröde erscheint,
und zwar setzen dieses benehmen der frau auch die mannes-
strophen voraus (s. Becker aao. s. 59). in der zeit des höfischen
minnesangs kehrt sich das Verhältnis zwjar völlig um, aber wider
sowol in den frauenstrophen als in den mannesstrophen : liebende
hingäbe' sprechen die frauen jetzt durchaus nicht mehr als ihren
festen willen aus; sie erscheinen wol weich und schwankend,
ihrem natürlichen character gemäfs, aber meist neigt ihr entschluss
sich der versagung zu. die frauenstrophen der Wechsel zeigen die
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DAS VOLKSTÜMLICHE DEUTSCHE LIEBESLIED 36T
dame im ganzen nachgiebiger und auch wol verliebter , indes ist
es unmöglich eine allgemeine regel für die gesinnung der frau
aufzustellen, man kann nicht behaupten dass das convenlionelle
Verhältnis, wie es zwischen mann und frau der höfischen kreise
bestand, in den frauenliedern aufgehoben sei. es finden sich
natürlich Übergänge und Schwankungen von den alten gesell-
schaftlichen anschauungen zu den neuen höfischen, und vereinzelt
schlagen auch höfische dichter den alten ton an (zb. Rugge, der
106, 22 eine frau sagen lässt nu löne als ich gedienet habe), viel-
leicht ist das aber gerade absieht und irgend eine boshafte Ver-
spottung sollte damit erreicht werden.
Die frauenlieder haben, soviel ich sehe, einen dreifachen
Ursprung, einmal gab es würklich von frauen gedichtete lieder,
wie die unter Kürenbergs namen überlieferten beweisen, mag
man Ober diese selbst auch anders denken als ich: sie waren
bestimmt für den geliebten , sei es dass sie unmittelbar vor ihm
gesungen oder durch einen boten oder schriftlich ihm mitgeteilt
wurden; oft waren sie antwortlieder; indem ein lied des inannes
mit einem antwortliede der frau verbunden wurde, entstand der
Wechsel (vgl. Reiumar und Walther 79 &)• daneben werden männer
früh solche frauenlieder nachgebildet haben : entweder benutzten
sie dabei würkliche äufserungen ihrer damen , bisweilen vielleicht
wörtlich (Scherer Zs. 17, 573. 575), oder sie folgten blofs ihrer
Phantasie, beide möglichkeiten schliefsen sich übrigens nicht
gegenseitig aus und von der einen zur anderen leiten unendlich
viele abstufungen hinüber, endlich drittens würkten auch die
groben nionologe der höfischen epik ein : dass die Selbstgespräche
der Isalde bei Eilhart, ^ der Lavinia bei Veldeke Zusammenhang
haben mit Hausens und Reinmars frauenliedern ist von mir nacbge-
gewiesen (Reinmar und Waither s. 120). da waltet dann am meisten
fiction und das psychologische Interesse überwiegt jedes andere.
* an dem urteU Ober die art dieses sosammeDbangs ändert sieb wenig,
wenn man mit Kniescbek (Der cecbiiche Tristram und Eilhart tob Oberge
s. 95) aas dem monolog der Isalde ▼. 2436 ~ 2550 als interpolation eines
bearbeiters des 13 jbs. aasscheidet: denn bei weitete nicht alle analogien,
die ich aos den fraaeDüedern der beiden minnesftoger ood dem selbstge-
sprich der Isalde aao. angeführt habe, fallen in diesen interpolierten teü.
Berlin, februar 1883. K. BURDACH.
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368 KLEINE BEITRÄGE ZUR GESCHICHTE
KLEINE BEITRÄGE ZUR GESCHICHTE
DER DEUTSCHEN MYSTIK.
Gelegentlich der ausarbeitung der artikel Mechthild von Hacke-
born und Hechlhild von Magdeburg für die Allgemeine deutsche
biographie war es nOtig, die resultate der seit Pregers Unter-
suchungen erschienenen , von den benedictinern zu Solesmes be-
sorgten ausgäbe der Revelationes Gerlrudianae ac Mechtildianae
(Pictavii et Parisiis 1875 und 1877) nachzuprüfen, namentlich
in den chronologischen bestimmungen weicheu die französischen
mOnche wesentlich von Preger ab , und während meine zum teil
unabhängig von den benedictinern angestellte prüfung der Pre-
gerschen resultate sich den ergebnissen der neueren forschung
nähert, scheint P. diesen nicht zuzustimmen, vgl. wenigstens
ADB 9, 75. Herzogs Realencyklopädie für protestantische theologie
9 (1881), 451. 453. die folgenden bemerkungen sollen meine
angaben in der ADB begründen und veranlassen vielleicht Preger,
auch seinerseits nochmals die strittigen puncte in erwägung zu
ziehen, selbst jetzt, wo die vollständigeren texte der neuen aus-
gäbe uns vorliegen und das nachprüfen um vieles erleichtern,
bleiben noch im einzelnen zweifei und Schwierigkeiten genug.
I Mechthild von Magdeburg.
Als geburtsjahr der Mechthild von Magdeburg haben Böhmer
(Jahrbuch der deutschen Dantegesellschaft 3, 106) und Preger
(Dantes Matelda s. 20 f. Geschichte der deutschen mystik 1, 91 0
aus ihren Offenbarungen (ed. Gall Morel) iv 27 und 2 das
jähr 1212 ^ ermittelt, im jähre 1235 begann Mechthild ihr be-
ginenleben in Magdeburg, denn sie spricht im c. 1255 geschrie-
benen 2 capitel des 4 buches (Gall Morel s. 94) von 20 jähren,
die verflossen seien, seit sie zu geistlichem kben kam und %u
der weite urlop nam» betreffs des todesjahres , das Böhmer (aao.
s. 104 0 frühestens 1270 und spätestens gegen 1280, Preger um
> in dem betreffenden artikel Pregers in Herzogs Retiencykiopadie
für protestantische theologie 9 (1881), 453 ist, aber woi nur durch drocii-
fehler, 1214 als geburtsjahr angegeben«
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DER DEUTSCHEN MYSTIK 369
1277 aDselzen, haben die benedictiner zu Solesmes (Revelationes
Gertrudianae ac Mechtildianae 2,426') darauf hingewiesen, Mecht-
hilds tod könne erst nach dem 27 Januar 1281 erfolgt sein, da
im Legatus di?inae pietatis v 8 die grofse Gertrud bei Mechthilds
ende eine vision ttber sie^ hat, Gertrud aber erst seit jenem tage
^ ReTel. 2, 727 wird ihr tod c. 1290 angesetzt, doch liegt hier wol
ein versehen für 1280 vor, vgl. Revel. 2, 426. die nhd. übereetzong von
JMfiller (Regensbnrg, Manz, 1881 s. ix) nimmt unmotiviert 1293 als todes-
jahr ao.
* Legatus v 7 (Revel. 1, 542 ff) handelt De felici tranritu \eatae me»
moriae M. die grofse Gertrud bittet in diesem capitel den herren, er möchte
die selige Schwester M. wenigstens nach ihrem tode durch die gäbe der
wunder auszeichnen zu seiner vcrherlichung in testimonium divinarum re-
velationum stiarum et condignam repressionem incredulorum. tune Do"
minus tenens libntm duobus digitit dixit usw. mit dem letzteren vgl. Call
Morel 8. 52 (got) hielt dis buch (nämlich Mechthilds FlieÜBendes licht) in
siner vordem hant, [auch Mechthild von Hackeborn und die grofse Gertrud
hatten Shnliche gesiebte über die ihre eigenen Offenbarungen enthaltenden
werke: Liber sp. gratiae ii43. v 31 (Revel. 2, 192. 370). Legatus v 33 (Re-
veL 1, 609).] wenn es gleich darauf im Legatus heifst: sed et non ho$
taniummodo suffero perversoreSy qui ittü scriptis contradicunt (vgl. hierzu
die incredulif von denen eben vorher die rede war), so erinnere man sich
der feindschaften und Verfolgungen, die MvMagdeburg wegen ihrer schrift zu
erdulden hatte, wol aus diesen gründen haben die benedictiner von So-
lesmes (Revel. 1, 542. 2, 425), wie mir scheint mit recht, jene Leg. v 7
genannte soror M, mit Mechthild von Magdeburg identificiert. P. dagegen
hSlt Gesch. d. d. mystik 1, 85 f ans weiter unten noch zu berührenden
gründen Mechthild von Hackeborn für die hier in frage stehende Schwester.
der leUteren und nicht, wie P. will, Mechthilds von Wippra ende ist viel-
mehr kurz vorher Leg. v 4 (Revel. 1,523 ff) behandelt, vgl. Liber sp. gratiae
vn 1—11 (Revel. 2, 391 ff), s. unten s. 378 f. während der Legatus divinae
pietatis nur an einer oder zwei stellen (v 7, vielleicht auch i 3?) auf Mecht-
hild von Magdeburg bezug nimmt, erwähnt sie der Liber specialis gratiae
an verschiedenen stellen : ii 42. iv 8. v 3. 7 ; Liber sp. gratiae v 6 jedoch
glaobe ich trotz einiger berührungspuncte mit Legatus v 7 der allgemeinen
annähme entgegen nicht auf unsere Mechthild beziehen zu dürfen, während
sie an den anderen stellen stets soror MechUldU heifst, erscheint v 6, nach-
den y Z De anima soraris Mechtildis gehandelt war, soror quaedam^
die freilich auch , wie sich aus einer anrede (Revel. 2, 328) ergibt , den
oamen Mechthild führte, man hat nun v 6 deshalb auf Mechthild von Magde-
burg beziehen zu sollen gemeint, weil an letzterem orte erzählt wird, die
•eele einer gewissen Schwester Mechthild sei bei ihrem scheiden aus dem
leibe auf die arme der Jungfrau Maria geflogen (ReveL 2,327), ein
gleiches aber ii 42 von einer verstorbenen Schwester M., die man mit recht
für MvMagdeburg hält, berichtet werde (Revel. 2, 192). allein hier heilst
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370 KLEINE BEITRÄGE ZUR GESCHICHTE
von gotl mit gesiebten begnadigt wurde (Legatus ii l).i wenn nun
Mechlbiid nacb dem prologe zur lateiniscben Übersetzung ihrer
Offenbarungen (Revelationes 2, 436) ihre zwölf letzten lebens*
jabre in Helfta verbracbte, so kann sie nacb obigem frtlhestens
1268/9 in jenem cisterzienserinnenkloster aufnabme gefunden
haben, wo sie dann das siebente buch ihrer Offenbarungen
schrieb,^ nachdem sie nach Vollendung des sechsten geglaubt
es, MvHackeborn habe die seele der MvMagdeburg im chor der seraphim
wie ein vöglein geradenwegs auf das angesicht des herren zufliegen
gesehen ; zudem ist die Vorstellung der seele als vogel so gelaufig (vgL die
bei AKuhn Herabkunft des feuers s. 107 und Birlinger Alemannia 11, 83 an-
gegebene litteratur), auch in der Offenbarungen -litteratur, dass derartige
folgerungen aus ihr zu ziehen kaum berechtigt sein durfte, ich halte es
mithin für vorsichtiger, Liber sp. gratiae v 6 von den stellen, die MvMagde-
bürg berühren, auszunehmen, auch Liber sp. gratiae ii 42 (Revel. 2, 192)
erscheint neben MvHackeborn und MvMagdeburg eine dritte bereits verstorbene
M(echthild), die eine freundin der ersteren, mit MvMagdeburg quasi unus spU
ritus in Christo gewesen war. vgl. weiter unten a. 379 f.
^ ein gleicher schluss darf aber nicht aus dem umstände gezogen wer-
den, dass Mechthilds von Hackeborn Offenbarungen erst von deren fünfzig-
stem lebensjahre (1292) an aufgezeichnet wurden, gegen Preger Gesch. d.
d. mystik 1, 86. die worte im caput praevium des ersten buches des Über
sp. gratiae (Revel. 2, 6) : sed haec quae in tali aetate Dens eidem (der
Mechthild von Hackeborn) ostendit, usque ad annum eitu quinquagesimum
— subUcemus (vgl. ebenda ii 9, Revel. 2, 143) sind zu vervollstindigen
durch das, was ebenda ii 26 (Revel. 2, 169) gesagt wird: in quo spatio
(ende \292) piissimus Dominus mira secretorum stiorum Uli (Mechthild von
Hackeborn) revelabat, ac dulcedine suae praesentiae in tantum laetifi^
cabat, ut velut ebria ultra se continere non Valens, intemam tllam gra-
tiam quam ante tot annos celaverat, etiam hospitibus et alienU
effundereU vgl. auch Revel. 2, 426.
' nur das siebente buch enthält hindentuogen auf einen aufenthalt im
kloster, Gall Morel s. 224. 228. 231. 267, vgl. auch Revel. 2, 426. ans dem
sechsten vermag ich keinen derartigen hinweis beizubringen (gegen Preger
Gesch. d. d. mystik 1» 95. 96. 100 n. 1, während er Münchner sitznogsbe-
richte 1869, ii 157 das richtige bot) und ich beziehe deshalb auch eicht, wie
P. Matelda s. 39, Gesch. d. d. mystik 1, 99 f es tut, Fl. licht vi 21 (Gall
Morel s. 198) auf pabst Gregor x (1271—1276). P. sagt Matelda s. 20 and
Gesch. d. d. mystik 1, 91: *ins kloster tritt sie nacb vi 4 (Gall Morel s. 179)
30 jähre später' (als 1235); allein jene stelle gibt uns, selbst wenn die latei-
nische Übersetzung sie mit den worten cum senuisset soror M, (Revel. 2, 637)
einleitet, keinen anhaltspunct dafür, dass sie im kloster geschrieben, man
kann aus ihr nicht mehr schliefsen, als Böhmer aao. s. 106 getan hat. bei-
läufig erwähne ich dass Fl. licht vi 22 (Gall Morel s. 199), welches «nter
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DER DEDTSCHEQI MYSTIK 371
hatte , überhaupt mit der niederschrift ihrer gesichle aufhören
lu kdDDen (Preger Matelda s. 22. Gesch. d. d. mystik 1, 96).
TU 36 (s. 249), also schon wahrend ihres Helftaer aufentbaltes,
betet Hechthild zu golt, er möchte, wenn es sein wille wäre,
ihr zu verstehen geben dass sie nicht mehr schreibe, sie wisse
sich jetzt noch ebenso snod$ und unwürdig wie sie ?or '30 jähren
und mehr* gewesen , als sie zu schreiben anfangen muste. schon
diese notiz führt uns mindestens auf das jähr 1281, denn laut
der Torbemerkung des deutschen textes fleug Mechthild mit der
niederschrirt im jähre 1250 an. nehmen wir hinzu dass das
36 eapitel nicht das letzte des 7 buches ist, sondern noch
29 eapitel folgen , so dürfen wir Mechthiids tod aller Wahrschein-
lichkeit nach frühestens um 1282 ansetzen, ihren eintritt in
HelfU aber nicht vor 1270. nun heifst es freilich in der eben
erwähnten Vorbemerkung zum deutschen text, der alle sieben
bücher umfasst: anno domini mccl fere per annos xv Über iste
fuü teutanice cuidam hegine — impvratue^ die Offenbaruogen
sollen also darnach zwischen 1250 und 1265 geschrieben sein.
ich glaube aber dass hierunter nur die sechs ersten bücher zu
verstehen sind , die nach einem zusatze ^ in der lateinischen Über-
setzung Mechthiids vertrauter, der dominikaner Heinrich von
Halle, lector zu Rupin, aus den einzelnen aufzeichnungen der
Mechthild herstellte, in einen band vereinigte und später nach
sachlichen gesichtspuncten umstellte, während er anfaogs die
losen blätter in der reiheofolge, wie sie ihrem Inhalte nach er-
lebt waren, einfach an einander gereiht hatte, er mag es auch
gewesen sein, der als einleitung jene kurze lateinische notiz ^
über die Verfasserin der Offenbarungen und die zeit ihrer ent-
stehung vorausschickte, von dem Helftaer aufenthalt Mechthiids
und ihren letzten lebensjahren hat der Schreiber jener notiz —
vn 45 (GaU Morel 8.2580 sich widerhoit, in der lateinischen ubersetsang
Dicht steht, weshalb maa wol vermutea darf dass jenes eapitel im siebenten
buche seine nrsprangliche stelle einniaimt
> Lux dlvinitatis n 22 (Revel. 2, 516 f. vgl. GaU Morel s. 140, v 12) De
fraJtre Henrico hctore fui conqnlavit librum uium, frater Henricus,
dietu» de HaUis, lector Rupinensi* — hie Utteratus et bonus vir — dUcta
huiu$ MechJUldis omnia coüegit et in unum volumen redegit ac in sex
partes iUud distinxit, sicut legentibus nunc apparet
* GaU Morel s. 1 f ; die unmittelbar darauf rdgende deutsche Über-
setzung rfihrt woi von Heinrich von Nördlingen her.
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372 KLEINE BEITRÄGE ZUR GESCHICHTE
dass Mechtbild bereits gestorben war, braucht aus dem Wortlaut
nicht notwendig geschlossen zu werden — entweder keine kenntnis
gehabt oder jene worte, und das ist mir in diesem falle wahr*
scbeinlicher, sind geschrieben, ehe Mechthild nach Helfta über-
siedelte, es wird von ihr nur als begine gesprochen und ich
würde für meine Vermutung auch geltend machen dass an der
an gleicher stelle sich findenden Zusammenstellung von capiteln,
die ihrem inhalte nach zusammen geboren, kein «citat aus dem
siebenten buche sich findet, aber freilich auch nicht aus dem
sechsten, weshalb hier also zufall mitspielen wird, wenn es
endlich heifst plus quam xl annos domino devotissme sermvit,
so kann das mit bezug auf iv 2 (s. 91) gesagt sein: ich «niotr-
dige Sünderin wart gegrUesset von [dem keligm geiste in fiim«m
zwölften jare (1224) usw.
Mechtbild nahm das von Heinrich von Halle redigierte und
mit jenem vorwort versehene exemplar ihrer sechs bücher Offen-
barungen mit nach Helfta und fügte hier^ ein siebentes hinzu,
in welcher gestalt es dann im 14 jh. Heinrich von Nördlingen
ins oberdeutsche übertrug. Heinrich von Halle starb vor Mecht-
hild, wie ein weiterer zusatz zu Lux divinitatis ii 22 besagt 2,
woraus gleichzeitig erhellt dass Heinrich von Halle und jener
frater Henricus lector de ordine fratrutn Praedicatarum , der die
sechs bücher Offenbarungen nach Heinrichs von Halle sachlicher
^ die not di nu ist in Sachsenlanden und in Düringenlanden tu 28
(8. 243) bestand auch noch in den 70er jähren des 13 jhs., Tgl. Wegele
Friedrich der freidige s. 74 ff.
' Tgl. 8.37t note l. Revel. 2,517 ffuius (Heinrich Ton Halle) animam
soror Mechtildis, quae postmodum superuixit^ vidit in aspectu Domtni
in eoelo librum hunc in manu tenentem osw. P. (Matelda s. 23) deutet
ganz nnmotlTierter weise die worte soror M, quae postmodum superviJcU
auf Mechthild von Hackeborn, die den Heinrich Ton Halle tSberiebt habe.
allein abgesehen daTon , dass sonst nie im Lux dlTinitatis der MTHackebom
erwahnung geschieht, im Liber specialis gratiae keine Tision Ober Heinrieh
Ton Halle sich ^ndet — der frater de ordine praedieatonim , der nach
LIber sp. gratiae v 7 (ReveJ. 2, 330) donum Dei tarn fideU corde in sorore
Mechtildi dilextt, kann nicht mit Heinrich Ton Halle identificiert werden
(Preger Gesch. d. d. mystik 1, 94), da jener frater ausdrficklich als frater A.
beieichnet wird — von all diesem abgesehen, spricht der Zusammenhang
obiger stelle ganz entschieden dafür, dass nur Mechthild von Magdeburg
hier in frage kommen kann. Tgl. auch ReTel. 2,428.
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DER DEUTSCHEN MYSTIK 373
amordDUDg frei ins bteinische übersetzte ^ mit einem prologe
(ReTel. 2, 435) und gelegentlich auch mit Zusätzen (einige von
diesen wie zb. der eingang von Lux divinitatis i 13 (Revel.
2, 468) mögen immerhin auf die vorläge zurückgehen) versah,
ans denen eine genaue kenntnis der letzten lebenstage der Mecht-
hikl und ihres Verhältnisses zu Heinrich von Halle zu tage tritt,
unmdglich identisch sein können, wie das P. (Sitzungsberichte
der Münchner academie, historische classe, 1869 s. 158 f. Ma-
telda s. 20 ff. Gesch. d* d. mystik 1, 71) annimmt die richtigen
erwagungen finden sich bereits in der einleitung der neuen
lateinischen edition, Bevel. 2, 427. 428.
Schliefslich noch eine bemerkung und eine frage. P. sagt
Gesch. d. d. mystik 1, 92 von Mechthild: ^sie hat (in Magdeburg)
wol versuche gemacht, in ein kloster zu treten — aber man
scheint die unbekannte und mittellose verschmäht zu haben.' diese
Vermutung entnimmt P., so viel ich sehe, den worten do Ue$
mich got niergen eine (Call Morel s. 91), die er durch *als gott
sie nirgends eingelassen' übersetzt I — ebenda s. 109 sagt P.
von Heinrich von Haue, er werde anderwärts als ein schüler
Alberts des grofsen bezeichnet, wo?
II Die jüngere Gertrud.
P. hat Matelda s. 12ff und Gesch. d. d. mystik 1, 74 ff den
abschluss der bücher 3 — 5 des Legatus divinae pietatis (Gertruden-
buches) in das jähr 1310, den tod der jüngeren Gertrud (geb.
6 Januar 1256) ins jähr 1311, die Vollendung des ganzen Werkes
* dasa Heiorich von Halle selbst die ubenetzDog ins lateioische unter-
Dommen, wie P. vermatet, ist nirgends gesagt, weder in der einleitung zum
dentschen texte (conscriptus — a fratre quodam predieti (praedicatonim)
ordinis Call Morel s. 1, das buch tamente und schreib ein brüder des selben
Ordens ebenda 8.2) noch in jenem znsatz zn Lux divinitatis ii 22 (vgl. s. 371
note 1). dagegen begreifen sich die worte ineeptaturus igitur barbara
Ungna eonseriptum Ubrum ishtm im prologe des Lnx dlTinitatis (Revel.
2,437) am leichtesten, wenn ibr Schreiber, der predigerlector Heinrich , zu-
gleich aach der Übersetzer ist, vgl. Revel. 2, 429 und auch P. Matelda s. 2t.
dass die lateinische Übersetzung eine freie ist und nicht, wie P. Matelda
s. 37 und Gesch. d. d. mystik 1,99 sagt, einen minder (gegenüber der ober-
dentseben übersetsung Heinrichs von Nördllogen) abgeschwftchten text bietet
hat schon Denifle Hist-pol. blfttter 75, 695 bemerkt.
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374 KLEINE BEITRÄGE ZUR GESCHICHTE
in das jähr 1312 gesetzt seine ergebnisse stimmen also mit einer
noliz bei Bucelin Oberein, der gleichfalls als Gertruds todes-
jahr 1311 angibt, vgl. Böhmer aao. s. 130 anm. 67. P.s Unter-
suchung scheint mir jedoch einiger bericbtigungen zu bedOrfen,
die mir hier vorzutragen gestattet sein mOge. Gertrad hatte
ihre erste visiou am 27 Januar 1281, aber erst im neunten jähre
nach diesem gesiebte, am gründonnerstage 1289 begann sie die
ihr gewordenen Offenbarungen aufzuzeichnen, es beifst nun im
prolog des Gertrudenbuches (Revel. 1, IQ ^^ *^^ divems tempo-
fibus est conmiptus, üa %ü pars una (dh. das jetzige zweite bueb,
das allein von Gertrud selbst verfasst wurde) conscriberetur post
oetavum annum acceptae graiiae et pars altera (dh. buch 3 — 5)
circa vicesimum perficeretur, das natürliche und nächstliegende
ist doch, als terminus a quo für das zwanzigste jähr die hara
acceptae gratiae anzunehmen und nicht, wie P. Matelda s. 15.
Gesch. d. d. mystik 1, 77 will, die zeit, die nach dem achten
jähre (dh. nach 1289) folgt, anstatt die abfassung von buch 3 — 5
in das jähr 1301 (1281 +20) zu verlegen, folgerte P. das jähr 1310,
indem er die zwanzig jähre erst von 1289/90 an rechnet, jener
2eit, als eine befreundete klosterschwester der Gertrud fortsetzte^
was letztere eigenhändig begonnen hatte.
P. sah sich zu dieser auslegung obiger stelle genötigt durch
eine andere meines erachtens gleichfalls irrige erwägung (Matelda
s. 14). das fünfte buch des Legatus teilt eine reihe von Visionen
mit, Velcbe sich auf den tod von angehörigen des klosters be-
ziehen, und zwar bringt es zuerst die Visionen über den tod der
kiosterschwestern , dann jene über den tod von conversen des
klosters.' eine chronologische reihenfolge (Gesch. d. d. mystik
1,75.85) der capitel scheint beabsichtigt, aber doch nicht so
stricte durchgeführt wie P. das annimmt, jedesfalls berechtigt
nichts dazu , die domina 5. senior, deren lebensende im sechsten
(nach Pregers vorläge im neunten) capitel erzählt wird (Revel.
1, 540), ohne weiteres mit der dritten äbtissin Sophia von Quer-
furt zu identificieren , Gertruds von Hackeborn nacbftrfgerin , die
nach siebenjährigem amtieren resignierte , worauf das kloster fOnf
jähre interimistisch verwallet wurde — Sophie urkundet übrigens
noch 1301 als äbtissin (Moser Diplomatische und historische be-
lustigungen 2 nr 33, vgl. auch nr 35 anno 1302) — , bis 1303
die 78jährige Jutta von Halberstadt zur vierten äbtissin gewählt
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DER DEUTSCHEN MYSTIK 375
wurde, auf sie folgte 1310 Sophie von Friedberg, wann Sophia
vonQoerfurt geslorben ist, wissen wir nicht sicher; nach Spangen-
berg Quernfurtische chronica s. 321 f lebte sie noch mehrere jähre
nach ihrer resignation, doch wol kaum bis gegen 1310. P.s
schluss ist voreilig, weil einmal die bezeichnung domina an sich
noch durchaus nicht auf eine äbtissin hinweist und deshalb ^setzt
dann auch nicht das senior eine jüngere Sophia als äbtissin vor-
aus' (MateMa s. 14). mit domina braucht nur die adlige her-
kunft bezeichnet zu sein, wie denn zb. im Gertrudenbuch ver-
schiedenlich von einer bereits verstorbenen domina Meehtildis
die rede ist, obwol Helfta erst 1383 die erste äbtissin dieses
namens erhielt, sodann spricht eine bemerkung im Legatus v 6
geradezu gegen die annähme einer äbtissin (vgl. Revel. l,xiv) und
endlich würde doch wol in jenem capitel, wenn Sophia von Quer-
fort gemeint wäre , in irgend welcher weise ihrer Verdienste um
das kloster, die nicht unbedeutend waren, gedacht worden sein.
wir finden darauf aber mit keiner silbe bezug genommen und
ich naOchte daher eher mit den benedictinern von Solesmes (Revel.
1, XII. XIV. 540. 2, 720) glauben dass unter jener domina S. senior
die tochter Hermanns von Mansfeld gemeint ist. sie heifst senior
gegenüber ihrer jüngeren gleichnamigen verwandten, der tochter
Burkhards vm von Querfurt, der oben genannten Helftaer äbtissin.
Da nun über das jähr 1301 keine der im Gertrudenbuch vor-
kommenden zeitlichen anspielungen hinausreicht (Revel. 1, xivf),
so bindert nichts, Gertruds tod ungefähr um dieselbe zeit oder doch
nicht viel später anzusetzen, das ganze werk aber , dessen erstes
amfangreiches buch erst nach Gertruds tod entstand, kann demnach
frafaesiens um 1302 abgeschlossen sein, mit den resultaten meiner
untersiichvng stimmen im grofsen ganzen die franzosischen her*
ausgeber überein , vgl. auch Jahrbuch der deutschen Dantegesell-
schafl 4, 407. — beiläufig bemerke ich dass die von P. Gesch.
d. d. mystik 1, 116 der Mechthild von Wippra zugeschriebene
Memoria mifrtis von der jüngeren Gertrud herrührt, Legatus
▼ 4. 27 (Revel. 1, 523. 584 ff); vgl. auch Exercitia spiritualia vii:
Sappletio pro peccatis et praeparatio ad mortem (Revel. 1, 699 ff).
über das Psalterium magnum (P. aao. 1, 126) vgl. noch Legatus
V 19 (Revel. 1, 57 In.). Legatus in 54 (Revel. 1, 227) wird ein
gedieht der jüngeren Gertrud erwähnt, fuod ( Carmen) ex dictis
Saneiarum composui ad laudem tuam (dei) , in quo tota tua com--
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376 KLEINE BEITRÄGE ZUR GESCHICHTE
memaratur Passio venermda, Legatus iv 23 (ReveU 1, 373 0 ^in®
von Gertrud verfasste andachtsübung für den palmsonntag, sumeM
tnateriam de Bester et sermonem sie indpiens: Sgreddmim fUiae
Jerusalem, Über andere gebete, die sie verfasst hat, yg\. Legatus
V 30 (Revel. 1, 600 0-
m Hechthild von Hackeborn.
1. die erste äbtissin des kiosters Rodardesdorf-Helfta starb
im jähre 1251, tags darauf folgte ihr Gertrud von Hackeborn
(geb. 1232) im amte und bekleidete dieses 40 jähre und 11 tage
bis zu ihrem tode 1291. diese einer alten relation (Revel. 2, 7190
entnommenen daten bedürfen einer kleinen bericbtigung betreffs
des todesjahres der Gertrud von Hackeborn. im sechsten buche
des Liber specialis gratiae (Mechthildenbuch), sowie im Legatus
V 1 wird erzählt, Gertrud sei, nachdem sie 40 jähre und 11 tage
(1251 — 1291) das amt der äbtissin verwaltet, ein jähr und länger
krank gewesen und habe darnach, vom schlage getroffen und
der spräche beraubt, noch 22 wochen gelebt (Revel. 1, 497. 504.
507. 2, 376. 381 ).i am 12 november (1291 oder 1292) betete
man für die widergenesung der Gertrud (Revel. 1, 504). nun
föllt nach dem Mechthildenbuch u 25. 26. 27. 31 (ReveL 2, 168.
170. 172. 176 0 d^r ^^^ der äbtissin zwischen die advents- und
fastenzeit, als ihre schwester Mechthild von Hackeborn 40 tage
(Revel. 2, 175) krank war, dh. nach obigem zwischen die advents*
zeit 1292 und fastenzeit 1293, also etwa ende 1292.^
Andererseits ergibt sich hieraus für Mechthild von Hacke-
born, die beim to4e ihrer schwester (1292) in ihrem fünfzigsten
> Über spedaifg gratiae vi 1 Baec (Gertnid) pottquam eomobio noiiro
per atmos quadi*ag%nta opHme praefuit, erebris eoepii infirmitaHbtu fa^
tigari. cum autem per annum et amptius in infimUtaU laborassei ei
post haec loquelam amieisset usw. vi 4 — ut eam Dominus tibi magie apli-
taret, usum loquelae per viginti duas hebdomadas miro quodam modo Hbi
abstuUt usw. posl amisHonem autem loquelae fere per mensem asw. Le-
gatus divioae pietatis v 1 domna G, <— ytbbatitta per quadraginJta muiof
et undeeim dies officium Abbatiesae — rexit, — tandem — poH quadro'
geiimum annum et undeeim dies — mfirmitatem incurrit, guae dieiim^
apoplexia minor. — cum per viginti et duas hebdomadas loquelam
amisiuet usw. — post amissionem loquelae prope per mensem usw. —
post hoc plus quam quatuor menses supertnx(it),
' Böhmer aao. nimint s. 130 anm. 67 etwas in früh den 17 oov. 1293
als todestag an.
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DER DEUTSCHEN MYSTIK 377
lebensjahre^ stand, 1242 als das jähr ihrer gehurt, tther ihr
todesjahr aber geben uns aufschluss Legaius v 4 und Liber sp.
gratiae vu 1 ff. es heirst an letzterem orte (Revel. 2, 391), Mecht-
bild ?on Hackeborn sei, cum dies vitae suae usque ad annos quin-
quagitUa Septem in rdigionis proposito et amnium virtutum apice
hudabiliter peregisset, per (res fere annos continuis vexata do-
loribus, am feste der hl. Elisabeth (19 november) gestorben, dies
fuhrt uns also auf das jähr 1299 (1242 + 57), das sieh aber
auch unabhängig von obigem durch folgende erwflgung als das
richtige ergibt, der 19 november fiel im todesjahr der Mechthild
auf einen mittwoch o'der donnerstag, je nachdem man die eine
oder andere lesart bevorzugt (Revel. 1, 527. 2, 396). da nun
der letzte sonntag ihres lebens die paenultima dominica scilicet
Si iniquitates (Revel. 1, 525. 2, 391) war, so können nur die
jähre 1264. 1299 und 1310 in betracht kommen, und zwar muss
man, wie schon Böhmer aao. s. 138 mit berufung auf ERanke
Perikopensystem 1847, append. s. lxxu getan hat, jenen sonn-
tag nicht als paenultima post pentecosten sondern als paenul-
tima post octavam pentecostes fassen, das jähr 1264, in dem
der Elisabethtag ein mittwoch war, ist natürlich als zu frtlh aus-
geschlossen, von den jähren 1299 und 1310 aber, in denen
der 19 november ein donnerstag war, ist das erstere deshalb als
todesjahr der Mechthild anzusetzen, da dem Wortlaute nach die
oben genannten 57 jähre am ungezwungensten auf ihre lebens-
zeit bezogen werden. ^ während die benedictiner von Solesmes
Revel. 2,391. 727 ^ irrig das jähr 1298 als todesjahr annehmen,
< vgl. Liber sp. gratiae ii 26 (Revel. 2, 169) s. 8. 370 note 1. Liber
sp. gratiae i cap. praeviom (Revel. 2, 6) sed haee quae in iaii aetate
Deus eidem ostendit, usque ad annum eius quinquageiimum exemph
evangelico iubticentus, quod etiam Domini facta usque ad annum irice-
simum nen mani festat — TgL ii 9 (Revel. 2, 143).
* BuceÜDOS Meoolog. BenedicL 1655 ad 19 nov.: obdormivit in domino
post a, Christi 1300, dagegen Annal. Benedict. 2, 51 ad a. 1308: sub haee
fere tempora morie absumitur,
* die feria iv post dominicam Si iniquitates war im Jahre 1298 nicht
der 19' november sondern der 29 october oder 5 noTember, je nachdem man
den 22 sonntag post pentecosten oder post octavam pentecostes auffasst
das richtige jähr 1299 hatte Paqaelin, der auch die ausgäbe der benedic-
tiner besorgt hat, bereits im Jahrbuch der deatschen Dantegesellschaft
4, 407. 409 mitgeteilt, als gebnrtiijahr der Mechthild wird RereL 1, vin.
2» t ond 5 du jähr 1241, Revel. 2, 726 1242 genannt.
Z. F. D. A. XXVU. N. F. XV. 26
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378 KLEINE BEITRÄGE ZUR GESCHICHTE
hatten sich. Böhmer (aao. s. 138) und Preger (Hatelda s. 12.
Gesch. d. d. mystik 1, 87) für 1310 erklärt.
Auch im Mechthildenbuch wird kern ereignis erwähnt, das
aur das erste Jahrzehnt des 14jhs. bezug nimmt, denn ich sehe
nicht ein, weshalb man nicht mit den benedictinero bei Liber
sp. gratiae iv 14 Qmliter abbatissa eligatur (Revel. 2,270) an die
oben und auch Liber v 15 (Revel. 2, 342) genannte äbtissin So-
phia von Querfurt denken soll, als sie 1298 resignierte, gegen
Böhmer s. 132 und P. Matelda s. 11 f. Gesch. d. d. mystik 1, 83.
wenn Sophia trotz ihrer resignierung noch 1301 urkundete, so
tat sie das eben, weil eine nachfoigerin noch nicht gewählt war;
erst 1303 folgte, wie bemerkt, die 78jährige Jutta von Halber-
stadt, nachdem Helfta 5 jähre 'übel bestellt' gewesen war. P.
nimmt an den worten cum senuisset abbatissa anstofs: da nach
Spangenberg Sophia (1291) ^etwas jung' gegenüber ihren Ordens-
schwestern zum amt gekommen wäre , so sei sie ausgeschlossen
und es könne sich nur um Jutta (1303 — 1310) handeln, allein
bei senuisset braucht nur an Sophias körperliche gebrechlichkeit
gedacht zu sein; bei Spangenberg heifst es von letzterer aao.
s. 320 Aber es ward diese Äbtissin endlichen des Regiments müde
imd vberdrussig vnd solches sonderlich wegen jhrer Schwachheit,
denn sie stets grosse wehetagen des Heupts gehabt.
2. die zum teil wörtlich übereinstimmenden Legatus v 4 (Revel.
1, 523 ff) und Liber sp. gratiae vii 1 ff (Revel. 2,391 ff), dessen letztes,
siebentes buch uns aus einer Wolfenbüttler hs. jetzt erst vollständig
(vgl. Revel. 1 , xvii. 2, viii) durch die ausgäbe der benedictiner zu-
gänglich gemacht worden ist, tragen die Überschriften De feliei
obitu piae memoriae M. eantricis und De extremis felids sororis
MedUildis gloriosae virginis sanctimonialis in Helfede (de qua hunc
edidimus libellum specialis gratiae). es ist hierdurch sicher ge-
stellt dass, die nichtidentität Mechthilds von Wippra und Hecht-
bilds von Hackeborn vorausgesetzt (s. unten), Legatus v 4 nicht
von ersterer, wie P. will, sondern von letzterer handelt und
dass Mechthild von Hackeborn cantrix war. betreffs des letzteren
können wir also der erwähnung im Liber sp. gratiae (i cap. prae-
vium. iu7. vu 11. Revel. 2, 6. 205. 4050» Mechthild von Hacke-
^ Liber sp. gratiae vn 11 wird MechtiiUd gottes, des singen Aber alle
Sänger, philomele (pbilomena) genannt, quae totiet ei duleiier cantanda
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DER DEUTSCHEN MYSTIK 379
boro habe etae wollautende stimme gehabt, eine grOfsere be-
deutung beilegen, als P. das Gesch. d. d. mystik 1, 84 annehmen
zu dtlrfen glaubte, wie verhält es sich nun aber mit Mechthild
von Wippra, der sang- und lehrmeisterin in Heifta? ihre iden-
titat mit Mechthild von Hackeborn ist schon deshalb ausgeschlossen,
weil diese, wie wir gesehen, am 19november 1299 starb, Mecht-
hild von Wippra dagegen noch um 1303 lebte, denn das ist
doch aus Spangenbergs werten zu entnehmen : So (während Heifta
fünf jähre lang vbel gnttng bestalt war) hielt auch vorgedadUe Jung-
frau) MvW. auffs fleimgste sie fmmer mochte vber der DisctpUn,
bis Anno 1303 Jutta von Halberstadt äbtissin ward (Quernfurtische
chronica s. 321). da nach den Zeitangaben im Legatus v 4 der
tod der dort in rede stehenden Mechthild nur in die jähre 1299
und 1310 fallen konnte, so hätte P. wenigstens nach obigem,
wenn er in jener Mechthild die von Wippra erkannte, sich für
das jähr 1310 als todesjahr entscheiden müssen; allein er sagt
aao. 1, 115: 'als die nachfolgerin der äbtissin Gertrud Sophie
von Querfurt vom jähre 1298 an sich vom amte so gut wie ganz
zurückzog und aus unbekannten gründen eine neuwahl sich bis
zum jähre 1303 verzog, da war sie(MvW.) es vornehmlich, welche
im ersten jähre die zucht und Ordnung des klosters aufrecht er-
hielt, denn schon am 19 november 1299 starb sie.' gegen diese
auffassung sprechen meines erachtens die obigen worte bei
Spangenberg, gegen die Identität Mechthilds von Wippra und
Hechthilds von Hackeborn hat sich übrigens schon P. aao. 1, 84 ff
aus anderen gründen erkläi*t, die sich freilich grOstenteils jetzt,
wo die texte vollständiger vorliegen, von selbst erledigen. P.s
vierten grund halte ich für den beachtenswertesten, wegen punct 7
vgl. oben s. 370 note 1. das stark bevölkerte (Revel. 1, 498)
kloster Heifta mag manche Schwester namens M. besessen haben,
avfser Mechthild von Hackeborn, Mechthild von Magdeburg und
Mechthild von Wippra begegnen wir, wie schon angeführt, Liber
sp. gratiae n 42. v 6 noch anderen Schwestern dieses namens,
von denen die der ersteren stelle bereits verstorben ist , die der
zweiten uns in ihrem sterben geschildert wird. Legatus v 5
und 8 werden uns die letzten lebenstage eines schwesternpares
M. nnd E. und einer Schwester MB. erzählt, sodann wird man
muUo magit devota intentione quam sonoriiate vocis cor eins divinum
alhxerat in terris*
26*
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3S0 KLEINE BEITRÄGE ZUR GESCHICHTE
vielleicht mit P. die im Legatas i 3. 11. 14. ui 76 genannte beatae
memoriae domina M. cantrix von der Legatus i 16. iv 2 erwähnten
felieis memoriae (domina) M. trennen müssen, von denen eine
jedesfalls Mechlhild von Hackeborn meint, vgl. auch Liber sp.
gratiae vii 18 (Revel. 2, 413). Legatus in 76^ wird einer bereits
verstorbenen domina M. cantrix (MvHackeborn?) eine noch lebende
M. cantrix (MvWippra?) gegenttbergestellt. endlich ist auch der
umstand in betracht zu ziehen, dass das amt der sangmeisterin
von zwei Schwestern versehen wurde, wenigstens nach dem amter-
buch des Schwestern predigerordens , wo das betreffende capitel
die Überschrift von den »waigen sengerin trägt, vgl. auch JKOnig
Chronik der Anna von Munzingen s. 72. wir können also in
ahnlichen fragen, wie sie hier vorliegen, gar nicht vorsichtig
genug sein.
3. P. hat Matelda s. 12. 15 ff. Gesch. d. d. mystik 1, 79 ff. 87
nicht ohne Scharfsinn den nachweis zu führen gesucht dass das
Mechthildenbuch nach dem Gertrudenbuch abgeschlossen sei. jetzt,
wo die benedictinerausgabe vorliegt und wir die kritisch gesich-
teten und vollständigeren texte ^ besser zu übersehen vermögen,
scheint mir das umgekehrte wahrscheinlicher. Legatus v 4 stimmt,
abgesehen vom anfang und schluss , wo dieses capitel noch einige
Visionen Gertruds über Mechlhild von Hackeborn bietet, wörtlich
überein mit Liber sp. gratiae vii 3 — 13; wenn dabei einige stellen
der capitel 7. 10. 11. 13 übergangen sind, so verschlagt das nichts,
das Gertrudenbuch , dessen Interesse an Mechthild von Hackeborn
naturgemäfs nicht im Vordergrund stand, begnügte sich mit einem
auszug aus den umfangreichen mitteilungen des Mechthildenbuches
cap. VII, das so gut wie seinem ganzen Inhalte nach P. noch un-
bekannt war. da sich aus Legatus v 4 ergibt dass jene im Mecht-
hildenbuch cap. ni unbestimmt gelassene person, die wahrend
des endes der Mechthild und noch darnach so reich mit gesiebten
begabt war, keine andere als die jüngere Gertrud ist, so liegt
die Vermutung nahe, und schon die benedictiner haben sie ReveL
1, XV ff ausgesprochen, dass das 7 capitel des Mechthildenbuches
geradezu auf Gertrud zurückgeht, auf ihren mitteilungen und be«
richten beruht und dann bald darauf zum guten teil ins Gertruden-
buch herübergenommen wurde, noch um einige im Mechthilden-
< Revel. 1, 269, 20 lies illa statt ilh.
* von den alten drucken war mir keiner zur band.
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DER DEUTSCHEN MYSTIK 381
buch nicht erzählte gesichte der Gertrud bereichert (Revel. 1,
523 fl)* l)^> weitem nicht in gleichem umfange, nicht ohne
mancherlei Umstellungen , zusälze und kürzungen ist fQr Legatus
V 1 das 6 cap. des Mechthildenbuches benutzt worden , aber auch
hier so , dass meines erachtens' am wahrscheinlichsten das Mecht-
hildenbuch die ursprüngliche Fassung bietet, wie Legatus v 4
um einige Visionen der jüngeren Gertrud über Mechthild von
Hackeborn reicher ist, so Legatus v 1 um einige Offenbarungen
derselben Gertrud über die altere Gertrud von Hackeborn (Re-
veL 1, 499).
Der 6 und 7 teil des Mechthildenbuches sind ein anhang.
das werk umfasste ursprünglich nur die bücher 1 — 5, wie aus
dem prolog (Revel. 2, 2 f) hervorgeht, mit ausnähme dieses pro-
loges und des Schlusses von buch 5, die nach Mechthilds tod
hinzugefügt wurden, ward das Mecbthildenbuch noch bei leb«
Zeiten der Mechthild vollendet und von ihr, nachdem die beiden
scbreiberinnen es ihr vorgelesen hatten, bestätigt und corrigiert
(Liber sp. gratiae v31. Revel. 2,370). von den beiden scbrei-
berinnen bat die eine das werk partim ex are ipiius (der Mecht-
hild), partim ex ore sibi Qiechihil&y familiarissimae zusammen-
geschrieben (v 22. 24. Revel. 2, 353 ff. 356), welch letztere wol
mit jener persona (familiaris) zu identificieren sein dürfte, der
Mecblhild ihre geheimnisse anzuvertrauen gewohnt war und die
dann deren mitteilungen heimlich aufzeichnete (ii 42. 43. Revel.
2, 190. 191. 193). dass diese andere scbreiberin, eigentlich erste
aufzeichnerin , die jüngere Gertrud war, ist mir mit den bene-
dictipern sehr wahrscheinlich, für buch 7 liegen die dinge ähn-
lich; auch an seiner abfassung war die jüngere Gertrud in erster
linie beteiligt, die andere schreiberin mag aber gleichfalls bei
diesem anhang gelegentlich das amt des redactors ausgeübt haben,
die beziehung zu buch 1 — 5 ist beim 6 teil durch die worte
Gertrudis abbatissa — huius feUcis, de qua scripsimus, virginis
seeundum eamem soror (Revel. 2, 373), beim 7 durch (Mechtildis)
de qua hune edidimus libeUum (Revel. 2, 391) hergestellt. — der
schluss, den P. Matelda s. 12. Gesch. d. d. mystik 1,87 aus
Liber sp. gratiae v 24 (Revel. 2, 357) betreffs der Vollendung des
Mechthildenbuches zieht, ist nicht stichhaltig.
Tübingen-, im februar 1883. PHILIPP STRAUCH.
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382 BEMERKUNGEN ZU SEIFRID HELBLING
BEMERKUNGEN ZU SEIFRID HELBLING.
Der in der Zs. 4, 1 /f veröffentlichte text hat in folge der
ungünstigen Überlieferung so manche schadhafte stellen, die x. /.
auch den späteren bemühungen Haupts, Pfeiffers und Jänickes
widerstanden haben, ich lasse einige neue vorschlage und er-
klärungsversuche folgen.
1,426 ir geringet mit uns wol: lies gedinget.
1, 683 /f in einem siäfluoge diu hüsvrouwe unde ir kint
mit vil gr6zen sorgen sint; vgl. 15, bOO f ein gebüre sin sUf-
luoc wert vrumecllcber vaster. an der ersteren steUe hat die hs.
slaufbueg, an der zweiten slaufluecb. die sdiwäbische Schreibung
au für ä bietet die hs. sonst wol nicht, au vertritt ü oder ou.
auch der sinn spricht gegen släfluoc. gemeint ist ein schwer zu-
gängliches, leicht zu verteidigendes versteck, in weldies bei'^ feind-
lichem Überfall die bauem weib und kind bergen: ein verfahren,
das seit den zeiten des Tacitus (Germ. 16) bis spät bezeugt ist.
die im luoc versteckten werden schwerlich geschlafen haben, schreiben
wir, der Überlieferung entsprechend, sloufluoc, dann istdername
sachgemäfs: versteck, in welches man hitieinkriecht. die festi^eü
des ortes bestand in der engen Öffnung, wdche nur einen einzdnen
angreifer mliefs und auch von einem schwachem verteidigt werden
konnte, daher denn auch i^llS die angreifer mine machen durch
ein angezündetes feuer die versteckten zu bezwingen, vergleichen
lässt sich das sloufloch der tiere.
1, 1377 der güft sich niemen an ir man: Ues mü der
hs. des.
2, 904 für süfscr /. suocbser; vgl. 8, 980 gesuocbaer.
3, 328 l G^tz , das deminutivum von G^rtrüt.
4« 171 l dar an.
4, 209 der Lüesnitz näcb dem Gmttnde: l. gön.
4,233 das überlieferte scheint richtig: läz wir davon, ge-
dank sint frt; vgl. v. 315 und 633.
4, 431 daz Triwe Schilt Milt und tlv ze verte kseme nim-
merm^r: l. Scham; der fMer erklärt sich daraus, dass das äuge
auf das nächste wort überglitt.
4, 475 den weiz ich in den tri wen wol: vgl. meme an-
merkung zu Kudrun 1622.
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BEMERKUNGEN ZU SEIFRID HELBLING 3S3
4, 599. 600 davon rät ich, so ie nehn zäun, daz man da
ie stille rün, {. nseher und stiller.
8, 282 ein einschilt ritter: der ausdruck stammt aus dem
französischen; vgl Ren. h nouvel 206. 207 ne fai mention des
petis ne des Chevaliers d'un escu.
8, 439 /f daz (l daz ich) fürbaz iemen duzehein semel,
einen struzel nsem ich darumbe niht ze mir (l miet) und wil
daz mirz got verbir (L verbiet): di liute sint s6 wenslich
(l wentlich).
8, 531 vgl aufser Miülenhoff zu Denkm. xxvii 493 (Höfer) Wie
das volk spricht, 3 aufl. 1858, nr 672 'Hier sünd s6 v61 herren
t6 naschen' ssed de pogg: dar glitscht de adder aever ehr liw.
8, 666 vgl. Suchenwirt nr iv (herzog Albrechts zug 1377)
V. 8 ff: in truoc sin herz und ouch stn wil daz er ze ritter wer-
den wolt: in dühte wol, in zsem daz golt baz dan daz Silber,
daz was reht.
8, 1016 dem bistu minder (l. ninder) geltch.
8, 1225 so lest (l. läzt) diu msere an der stunt.
10, 85 vgl. Du Gange- Henschel: lector in ofBciis divinis a
praeside chori postulans benedictionem ait: jube, domne, be-
nedicerel
11, 92^ den der al der werlde (l. werlt ze) gr6z wart
ze besliezen.
12, 38 diu sorge Itt mir h6 (l. n6: vgl. die vorhergehen-
den reime blo, kro usf.).
14, 24 d6 (l. da) was niht ane borgens.
15, 372 {. daheim selp (mit sich selbst daheim) ist niur einer.
15,560 der [vride] was unverdorben des künegeshalp , der
(L des) herzogen, 'weder könig noch herzog hatten etwas gegen
den Waffenstillstand.'
SMiefslich bemerke ich auch hier dass ich die Zs. 13, 464 ff
gegebene Zeitbestimmung einiger dieser gedichte berichtigt habe in
einem aufsatze, der in den Grenzboten 1868, 1 (xxvn) s. 321—338
abgedruckt ist.
Strafsburg, 21 mai 1883. E. MARTIN.
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384 EINE HS. DES WÄLSCHEN GASTES
EINE HS. DES WÄLSCHEN GASTES
befindet sich als nr 675 der Hamiltonsammlung auf dem kgl.
kupferstichkabinet in Berlin, freilich von dem verf. des gedruckten
engl, auctionscalalogs grundlos für ein exemplar von Vintlers
Pluemen der tugent ausgegeben, sie ist im anfange des 15 jhs.
von verschiedenen bänden auf pergament geschrieben und ent-
hält 120 uubezeichnete zv^eispaltige bll. (deren drei letzte leer
sind) mit ungleicher Zeilenzahl, vor der erwerbung durch den
herzog von Hamilton wurde sie in Frankreich aufbewahrt , wie
der eintrag auf 1' Plus^* moralitez en hauU dem usw. beweist,
den hauptwert des ms. machen die zahlreichen (116) schonen
miniaturen aus; seine kritische bedeutung ist sehr gering, da
der text manche auslassungen, Zusätze und Umstellungen erfahren
hat. zb. reichen die Inhaltsangaben der bücher nur bis ins vierte
zu den Worten Hie tgprich Ich, daz Ich hob gezeigt mit Recht,
daz VHS vntugent zufüget (4^\ bei Rücken s. 409 oben); an
V. 788 Daz wider git Ir Ir bilde gut 12** schliefst sich gleich
881 (Durch bösen kouff ze markte gan) — 932 (ht vn der
toren reget gar) und erst .dann folgt 789 (Daz Sy tu recht vnd
u>ol) — 880 (Ze tun daz Sy nit tun sol). zur characteristik des
codex lasse ich einige kleine proben folgen.
anfang (bl. 5**): v. 773 ff (bl. 12"):
Der gern liset / gute mer Jungfrown bessrent klein Ir sinne
Ob derlseUf git werj Von der schonen kuniginne
So wer bewafit / sin leben wolj Die wiU vnd die zer kikhh was
Ein ieglich man / sieh flifsen soll Sie tet vnrecht die es erst las
Daz er bege guter tat/ Won böses bild vercheret sere
Was er gutes gesehen hatj Gut zucht vnd gut gebere
Wer gute mer höret oder UstI Wir mugen doch böse fner lesen
Ob der denn gut istl Daz wirjr dester bas mugü ent-
Wissent daz sin übel sin vnd wem
sin nidti Der sin nicht kan fweifs nit wol
Verkeret daz gut zu aüer zidtj Wo vär er sich behüten sol usw.
usw.
schluss (bl. 117»^»):
Wah der früm man sol tun baz Got geb daz wir one ende Üben
Den di lerest wisse daz DurA die heiligen dry namen
Hie wil ich dir ende geben Vatter fun heiliger geist Amen.
STEINHEYER.
Druck TOD J. B. Hlrichfeld In Lelptlg.
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ANZEIGER
FÜR
DEUTSCHES ALTERTHUM
UND
DEUTSCHE LTTTERATÜR
UNTER MITWIRKUNG
VON
KABI MÜUENHOFF und WILHELM SCHERER
HERAUSGEGEBEN
TOB
EUÄB STEINMETER
NEUNTER BAND
BERLIN
WEIDMANNSGHE BUCHHANDLUNG
1883
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I
I
!
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INHALT.
Seite
Andresen, Sprachgebrauch und Sprachrichtigkeit, Ton Gombert : . 106
Apets, Waltners töne, Ton Stosch 108
BtechtoM, Goethes Götz, von Bardach 295
Baragiola, Dali' antico alto tedeaco 109
Behaghel, Veldekea Eneide, von Lichtensteio 8
Blau, Landsknechte 303
Brinckmeier, Handbuch der historischen Chronologie, von Weifs . .411
Bnlthaupt, Dramaturgie der classiker ii Shakespeare, von Minor . . 303
Deutsches wb; iv' 2, 4. ti 8.9. im 2, von Gomnert 222
Duncker, Denkmal Winckelmanns , von Naumann 195
Erdmann, Olfrid, von Steinmeyer 1
Franck, Maerlants Alexander, tou Verdam 385
Funck, Beitrage xur Wieland -biographie 304
Gering, Islendzk »Tentyri, von Hetnzel 283
Gombert, Nomenciator amoris 224
▼Grote, Lexicon deutscher Stifter, von Weifs 214
Grünbaum, Jfldischdeutsche Chrestomathie, Ton Kdhler 402
Hamel, Klopstock- Studien, ron SeufTert 46
Hazelius, Bidrag til vSr odlings hafder, von Heinzel 304
HHtmair, Partikel be, von Erdmann 165
Holder, Gaesaris Bellum GaUieum, von Wdlfflin 219
Heiland, Goethes Faust, von Werner 205
Horstmann, Barbour n, von Schroeder 276
Horstmann, Bokenams legenden, von Sshroeder 390
Huemer, Mlat. anaiecten 225
De Jager, Woordenboek der freqneotatieveo , von Martin .... 110
Jonckbloet, Geschiedenis der nederlandsche letterkunde, von Martin 37
Kern, Deutsche Satzlehre, von Erdmann 305
Kern 9 Drei characteibäder aus Goethes Faust, von Werner .... 395
Kffpi£nikov, Schriften zar deutschen heldensage und legendenforschung,
Ton Heinzel 241
Kock, Studier öfver fomsvensk (judlära, von Heinzel 192
Kopetzky, Sonnenfels, von Minor 69
Korrespondenzblatt des Vereins fQr siebenbürgische landesknnde . . 225
Lindemann, Beiträge zur characteristik KABöttiffers, von Naumann . 393
Lindenschmit, Tracht und bewaffnung des römischen heeres, von Flasch 407
Linnig, Bilder zur gesch. der deutschen spräche, von Lichtenstein . 307
Lippert, Christentum, Volksglaube und voUubrauch, tou Meyer . . 298
Lippert, Religionen der europ. culturvölker, von Meyer 298
TLoeper, Goethes gedichte, von Minor 399
Lobmeyer, Die hss. des Willehalm Ulrichs vTurheim, von Martin . 225
Lyon, Minne- und meistersang 307
Möbius, Hattatal Snorra Sturlusonar ii, von Hoffory 43
Moli er, Beiträge zum leben und dichten DGvLohenstems, von Lichtenstein 290
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IV UfHALT
8eiU
Möller, SoDnenfeU, von Minor 69
TMnth, Bihd. raetrik, von Roediger 329
Napier, Über die werlce des ae. erzbischofs WoUsUn, von Vamhagen 225
Nerrlich, Briefe tod Charlotte Ton Kalb an Jean Paul, von Minor . 66
Pfaff, Tristrant und laalde, von Lichtenstein 159
Piper, Schriften Noticers nnd seiner schule, von Kelle 313
Preger, Geschichte der deutschen mystik ii, von Strauch .... 113
Prosch, KUogers philosophische romane, von Seuffert 226
Rbamm, Hexenglaube und hexenprocesse , von Meyer 208
vReden-Esbed(, Caroline Nenber, von Minor 307
Reifferscheid, Briefe von JGrimm an HWTydeman 227
Roethe, SHelbers Syllabierbüchlein 308
Rosa, L'elemento tedesco nel dialetto piemontese, von Baist ... 228
Sauer, Wiener neudrucke, von Seuffert . 310
Seiler, Rnodlieb, von Laistner « . . 70
Seuffert, Goethes Faust, von Werner 205
Sobel, Die accente In Otfrids Evangelienbuch, von £rdmana ... 239
Starker, Wortstellnng der nachsitze in den ahd. fiberseUungen, von
Erdmann 308
Stöckel, Otto von Botenlauben 230
Storm, Englische pbilologle, von Varnhagen 168
Strauch ; Pfalzgraefln Mechthild 309
Strickler, Geschichte der gemeinde Borgen, von Meyer 400
Toischer, Aristotilis heimhchkeit 231
Verdam, Theophilus, von Franck 38
VeselovskU, Der hl. Georg, von Heinsei 259
Vetter, Ein mystikerpar , von Strauch U3a.
vVloten, Maerlaots Merlijn, von Franck 363
V Waldberg, Der waldbruder von Lenz, von Minor 203
Walz, Gärel, von Werner 263
Weinhold, Deutsche frauen*, von Zingerle 233
Werner, Leasings Emilia Galotti, von Schmidt 61
Wilmanns, Leben und dichten Walthers, von Bardach 339
Wissmann, King Hörn, von Zupitza 181
Woeste, Wörterbuch der westOlischen mundart, von Franck ... 360
Wrubel, Sammlung bergmännischer sagen, von Meyer 211
Berichtigung zu Zs. 26, 374. 375, von Martin 231
Goethes SprQche in prosa. kleine nachtrage zu vLoepers commentar,
von Jonas 110
Personalien 416
Preisausschreiben 231
Verhandlungen des zweiten deutschen geograpfaentagea 112
Zur notis, von Steinmeyer 312. 416
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ANZEIGER
FÜR
DEUTSCHES ALTERTHUM UND DEUTSCHE LITTERATUR
IX, 1 JANÜAE 1883
Olfrids Eyangelieobuch heraasgegeben und erklirt tod Oskar Erdm ahn (6er-
manislische handbibliothek herausgegeben von Julius Zagher band v).
Halle a/S., Waisenhaus, 1882. vm und lxxvii und 493 ss. 8^ —
10 m.*
OtTrids Eyangelienbuch herausgegeben von Oskar Erdmank. textabdruck
mit qoellenangaben und Wörterbuch (Sammlung germanistischer hilfs-
mittel für den praktischen Studienzweck i). Halle a/S., Waisenhaus,
1882. Tni und 311 ss. S^. — 3 ro.
Kaum irgendwo macht sich die in unserer disciplin gras-
sierende überproduction dermafsen bemerklich wie liei Olfrid.
nachdem vor vier jähren Piper mit einer ausgäbe hervorgetreten
war, bat er dieselbe neuerdings in anderem Verlage für den halben
preis ohne weitere Veränderungen, als dass die bibliograpbie fort-
gesetzt und eine reihe von erratis gebessert ist, nochmals auf
den markt geworfen, und gleichzeitig einen textabdruck veran-
staltet, welchem ein 'kurzes Wörterbuch' bald nachfolgen wird,
jetzt bietet uns Erdmann zwei ausgaben, eine grofse und eine
kleine, und in der Altdeutschen textbibliothek steht eine be-
arbeitung von KOgel zu erwarten, zum überfluss soll gar, nach-
dem eben erst Keiles Glossar glücklich unter dach gebracht ist,
in nächster zeit die weit mit einem zweiten Otfridwb. beschenkt
werden I man wird sich und anderen doch nicht einreden wollen
dass Otfrid ein Schriftsteller sei, dem das interesse des nicht-
fachmännischen publicums sich je in erheblichem grade zuwenden
könne? wozu also diese Sintflut von ausgaben und diese Ver-
geudung von arbeitskraft?
Dennoch kann Erdmanns ausgaben, in Sonderheit seiner grofse-
ren, die berechtigung nicht bestritten werden. Otfrids Evangelien-
buch ist eine hochwichtige quelle unserer kenntnis der ahd. spräche
und noch mehr der metrik; an ihm lässt sich aber auch in vor-
züglicher weise die kunst der Interpretation üben, darum besitzt
das denkmal hervorragende bedeutung sowol für die forschung
wie für die Unterweisung, der gelehrte bedarf eines zuverläs-
sigen textes mit vollständigem apparat, dem lernenden kann ein
wolfeiler abdruck erwünscht erscheinen, obwoi unsere altdeut-
schen Chrestomathien, namentlich das Lesebuch von Braune, ge-
* Tgl. Litt, centralblatt 18S2 nr20. — DLZ 1882 nr 27 (JKelle).
A. F. D. A. IX. 1
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2 ERDMAKN OTFRID
rade aus Otfrid proben in bdlle und fülle enthalteD. für das
fachwissenscbaftliche bedürffiis würde an sich zwar Keiles aus-
gäbe auch heute noch ausreichen ; da aber deren basis von Piper
in frage gestellt war, so tat erneute prüfung der hss. und ihres
Verhältnisses not. dieser aufgäbe unterzog sich Erdmann in seiner
academischen schrift Ober die Wiener und Heidelberger hs. des
Otfrid, Berlin 1880, in welcher er Pipers hypothesen, hoffentlich
für immer, zurückwies, dass er dann seinen resultaten durch
eine edition allgemeinere anerkennung sichern wollte, war durch-
aus berechtigt, ja notwendig, damit wider eine zuverlässige grund-
lage des Otfridstudiums existiere.
Drängte dergestalt die wissenschaftliche bewegung der letzten
jähre auf eine neue ausgäbe des Evangelienbuches hin, so würden
wir dieselbe mit uneingeschränktem danke entgegen genommen
haben, wenn sie zugleich eine abschliefsende in dem sinne ge-
wesen wäre, dass sie alle vorhandenen überflüssig gemacht hätte,
leider erfährt dieser wünsch keine erfüllung: weder Keiles noch
Pipers buch wird man neben Erdmanns werke entbehren können,
weil dasselbe die lesarten des Frisingeusis nur vereinzelt mitteilt,
weil ihm ferner eine bibliographie fehlt und weil die Schilderung
von Olfrids leben ganz summarisch auf grund namentlich der for-
schungen Keiles abgetan wird, wahrscheinlich trägt der plan der
Germanistischen handbibliothek mit seinem zwitterhaften character
an dieser selbstbescheidung schuld, obwol doch hier ebenso gut
von ihm hätte abgegangen werden können, wie bei Sievers He-
iland, der gerade durch die emancipation von den grundsätzen
des Unternehmens das lob einer völlig befriedigenden und vor-
läufig abschliefsenden leistung sich erworben hat.
Hier also wäre einmal mehr besser gewesen, aber wir sollen
nicht ungenügsam sein: was Erdmann, gibt, ist gut. seine aus-
gäbe wird von jedem, der Otfrid gründlich verstehen lernen will,
studiert werden müssen, man merkt es dem buche Überall an
dass es nicht von gestern zu heute geschrieben, sondern aus
langer und liebevoller beschäftigung mit dem Schriftsteller er-
wachsen ist. eine eigenschaft desselben erkenne ich besonders
an: es zeugt, auch da wo es irre geht, stets von nachdenken,
das kann man durchaus nicht allen neueren producten des ger-
manistischen büchermarktes nachrühmen.
Die einleitung zerfällt in zwei hauptteile, der erste, um-
fänglichere handelt eingehend von den hss. und führt den inhalt
der oben erwähnten academischen schrift weiter aus \ der zweite
' damit sich jedermano von dem unterschiede der bände io V und P
sowie davon, dass die beiden Schreiber von P nicht mit denen von V
identfseh sfnd, Aberzeug^en könne, hat Erdmanii 4 photographische Urfeln
anfertigCD lassen, welche ä 1 m. verkäuflich sind (vgl, Zt.f.d. ph. 13, M>1).
sie enthalten die gleichen stellen (V 30'. t44\ P 30'. 188') wie die facsi-
roiledrucke nr 1. 3. 4. 5 der academischen abhaodlung.
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ERDMAIfN OTPRID 3
beschäftigt sich mit Otfrids person, seinem werke und dessen
wardignng. als recht beachtenswert hebe ich den versuch her*
▼or, die einzelnen phasen der entstehung des Evangelienbuches
zu skizzieren: Erdmann unterscheidet zwischen 1) frühesten ver-
suchen, 2) der allmftblich durchgeführten ausarbeitung des ge--
dichtes, 3) selbständigen zur ausfttUung und abrundung des
gauzen eingefügten abschnitten und 4) Zusätzen bei der schluss*
redaction ; diese Stadien nimmt er an auf grund einer reibe den
Sprachgebrauch, reim, versbau, das Verhältnis zur quelle usw. be-
treffender Observationen, welche in den anmerkungen niedergelegt
sind, bekanntlich hatte Lachmann das erste buch und die letzten
capitel des fünften als die ältesten teile angesehen , und ihm hatte
sich, wenn auch im einzelnen weiter gehend, Piper angeschlossen.
Erdmanns hypothese, namentlich die einleuchtende annähme von
ersten versuchen, verdient jedesfalls genaueste prüfung, welche
eine gründliche behandlang der Otfridschen technik zur Voraus-
setzung bat.
Es folgt der text mit den sämmtlichen Varianten von VDP,
ausgewählten von F, solchen nämlich, welche 'für die auffassung
und geschichte des Otfridtextes wertvoll' erschienen; darunter
stehen die quellenbelege und Verweisungen auf die entsprechen-
den abschnitte der Tatianschen evangelienharmonie und des He-
liand. den schluss bildet der commentar, welcher 164 Seiten
compressen satzes einnimmt dass er hinter statt unter dem
texte des Evangelienbuches sich befindet, hat die drucklegung
ebenso erleichtert, wie es jetzt die benutzung erschwert, der
wert des commentars, auf welchem in dieser ausgäbe das haupt-
gewicht ruht, besteht in Sonderheit darin, dass Erdmann es sich
bat angelegen sein lassen, seine meinung über jede ihm irgendwie
schwierig oder mehrdeutig erscheinende stelle auszusprechen ; nur
selten bleibt man über seine ansieht im ungewissen, alle weitere
Otfridinterpretation muss von ihm ausgehen, und ich bezweifle
nicht dass sie wesentlich durch ihn angeregt werden wird, denn
nunmehr ist ein fester grund gelegt: man weifs in jedem falle,
wie ein gründlicher kenner Otfrids diesen oder jenen vers er-
klärt, und es kann sich also eine fruchtbare discussion, bald zu-
stimmend, bald bestreitend, entspinnen, und im laufe der zeit
volles Verständnis erzielt werden, aber in einem puncto hatte
ich den commentar anders gewünscht: Erdmann setzt sich zu
wenig mit seinen Vorgängern, namentlich mit Piper, aus einander,
es ist weder bei ihm regel dass er Piper anführt, wo er mit
diesem übereinstimmt, noch wo er von ihm abweicht. Pipers
erklärungen sind sehr häufig schief, falsch, ja unmöglich, aber
in manchen ^llen hat er doch auch Erdmann gegenüber das
richtige getroffen, wie einige beispiele weiter unten zeigen können,
ich habe nicht Erdmanns und Pipers erläuterungen neben einander
gelesen, sondern die des letzteren nur stellenweise beigezogen,
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4 ERDMAIIM OTPRID
und ich glaube daher dass ErdmaDn öfter als ich bemerkte ohne
grund sich zu Piper in Opposition gesetzt hat. jedesraUs aber
hatte er seinen lesern die mühe ersparen können, überall Pipers
buch nachzuschlagen, und ein vollständiges repertorium der bis-
herigen Otfriderkltfrung bieten sollen. — manche der anmerkungen
bringen parallelstellen aus der geistlichen dichtung der nächst-
folgenden Jahrhunderte bei. sie wollen den beweis führen dass
Otfrids dichtung lange nachgewürkt habe, ich stehe dieser ten-
denz ebenso skeptisch gegenüber wie dem bestreben, das Evange-
lienbuch zu einem für die zeit seiner entstehung epoche machen-
den litteraturdenkmal zu stempeln, denn was beweist der gleich-
mafsige gebrauch von gitoago Otfr. i 3, 37 Iro dägo ward gmigo
fon alten wizagon und Melker Marienl. 6, 1 Ysayas der wissage
der habei din gewagt oder die Wendung Otfr. i 16, 23 Tha% kind
wuahs urUar männon, so Ulia untar thömon und Melker Marieol.
4, 6 ai ist under den anderen so liUum undem dornen: der ver-
gleich sicut lüiutn inter spinas, sie amica mea inter filias Cant 2, 2
war wol jedem geistlichen dichter geläufig, ebenso wenig er-
geben die congruenzen mit der Wiener Genesis, dem Pilatus, der
Siebenzahl; noch am ehesten möchten die parallelen aus dem
Friedberger Christ und antichrist frappieren.
An einer grofsen zahl von stellen kann, wie ich glaube, der
Erdmannschen auffassung eine andere mit gleichem oder gröfserem
rechte gegenüber gestellt werden, einige derselben mögen im fol-
genden besprochen werden.
I 1, 81 f Nist Hut, Ihaz es biginne, thax widar in ringe; in
eigun sie iz firmiinü, mit wdfanon gizeinit und iv 27, b( Ih wäz,
sie thaz ouh wöltun, mit siintigon nan zdltun, mit then wurti ouh
firmünit, so alt giscrip uns zHnit, an der ersteren steile nimmt
Erdmann firmeinen als ^gründlich mitteilen, ganz klar machen',
an der anderen als ^rechnen', indem er sich auf das marginale
et cum iniquis deputatus est beruft aber dies ist durch mit stM-
tigon nan zdltun widergegeben, und ein ahd. firmeinen kennen
wir nur in der bedeutung von ^profanare' und ^perjurare' (Pa-
rab. 30, 9), also abgeleitet von mein scelus; dabin hat denn auch
Graffi782 unsere stellen mit recht verwiesen, man wird somit
als grundbedeutung die von ^schänden' anzusetzen haben: i 1,82
*sie haben es ihnen geschändet' »a *sie haben es ihnen wider-
-wärtig gemacht.'
I 1, 87 Lds tcA tu in dlawdr in einen büachon (ik weiz
wdr): Kelle und Erdmann erklären wdr als 'Wahrheit'; aber selbst
für Otfrid scheint mir doch die häufung von in alawdr und war
etwas stark, ich habe wdr an dieser stelle niemals anders ge-
nommen als = hwdr, wo, und diese auffassung dünkt mich auch
jetzt noch die einfachste.
I 1, 94 ni si thie sie snigun hüme: keine der in der anm.
angeführten stellen beweist die bedeutung 'leiten einer schar* (vgl.
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KRDMANN OTFRID 5
km%oho) für xüAan, alle erklären sich ausreichend, wenn man
das verbum mit 'heranziehen, lehren' widergibt.
I 17, 5 Tho driilain krist gib&ran wird, ihes nUra ih sägen
im ni thdrf: die zweite halbzeile deutet nach Erdmann die aus-
lassuog der geographischen und chronologischen daten des bibel-
textes an (dh. m B^hkhem Juda in diebus Herodis). diese aus-
leguog ist gesucht, der Wortlaut besagt nichts weiter als : 'wovon
ich jetzt nichts mehr zu erzählen brauche (da ich nämlich darüber
früher berichtet habe).'
II 5, 9 Niazan sah er (der teufel) inan (Adam) thdz, thaz
imo ju giawU was: Erdmann schwankt, ob hier das paradies als
sitz der himmlischen Seligkeit, an der auch der teufel vor seinem
falle anteil hatte, oder als sitz aller schönsten guter der erde be-
zeichnet werden solle, man muss sich doch wol für die erste
alternative entscheiden , da vor dem falle des teufeis von der erde
und ihren gutern noch keine rede sein konnte , sie ihm also auch
nicht gisuds waren.
n 14, 9 f Ther evangelio thar quit, theiz möhti wesari sexta
zit; theisi dages heizesta joh drabeito meista, Erdmann will hei-
»esta nicht auf zU femininisch beziehen sondern als substanti-
viertes neutrum fassen, indem er sich auf iv 33, 9 f beruft: Thaz
was in dlawara fon sixtu unz in nöna, thaz scöüa in thoh in
war min thes dages liohto^a sin. aber auch dort ist aus ziti
V. 8 zit zu supplieren.
u 16, 21 ff /tf ist sdlida gimiinit, in thiu ir herza rünaz
eigit; ir sctdut mit sülichm öugon selbon dnuhtin seawon; Ir scülut
io thes gigdhen, mit siilichu iuih nähen, mit reinidon ginuagen zi
äriMine iuih fragen, die worte mit sülichen öugim übersetzte
Piper 'mit diesen euren äugen , so wie ihr sie habt' und verwies
auf den text der bergpredigt ipsi deum videbunt, ohne zu be-
denken dass in der Vulgata das pronomen ipse bei den meisten
seligpreisungen gebraucht wird, um das subject wider in erin-
neruDg zu bringen, auch Erdmann schliefst sich dieser er-
klärung Pipers an , wiewol nicht mit voller bestimmtheit. ich bin
überzeugt dass Midien ebenso auf das vorhergehende rHnaz sich
zurück bezieht, wie sülichu auf das folgende riinidon voraus deutet,
also snlichen dugan »a reinen &ngen.
u 21, 37 Ni firUze unsih thin wära in thes widarwerten fdra,
widergabe der sechsten bitte, ich verstehe nicht, weshalb Erd-
mann die Schlussworte erklären will 'bei der nachstellung des
teufeis'; vielmehr hat firUzan die bedeutung von 'tradere' wie
an der ganz analogen stelle ii 11, 61 Ni firliaz sih kriet in wära
in thero Uuto fara, welche von Erdmann richtig aufgefasst ist
III 1, 15 ff er mtt wk hiar gireine, fon eitere joh fon wvn-
ton: fon minen suaren simton. . In in irhuggu ih Uwes Uides filu
seres ; riuzit mir thaz Mrza, thaz dAat mir iro emirza. Erdmann
übersetzt 17 f : 'bei ihnen, dh. durch ihr (der leidenden 13. 15')
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6 EBDMANN OTFRU»
beispiel gedeoke ich (werde ich erinnert) an (mein eigenes) böses
leid; mein herz wird bekOmoiert: das bewurkt mir ihr schmerz/
da aber gleich in der nächsten zeile folgt tka% muaz ih ser bi-
wdnkan »- damit ich der hOUenstrafe entgehe, so liegt es am
nächsten, denselben sinn auch in Itides fihi seres zu suchen:
dann aber kann In in und iro smerza nicht mehr auf die leiden-
den, sondern muss auf fon eitere joh fon to^ciUon, fon minan
waren siünton bezogen werden, so hat die stelle bereits Piper
richtig gedeutet.
Zu gimirre in 7, 72 ist nicht unsih zu ergänzen, sondern
das thir der ersten halbzeile gilt entweder für die zweite oder
aus ihm ist tkA zu entnehmen, ähnlich Piper.
111 14, 37 f So sin tho thaz gihörta, thaz er iz dntota, joh
thiu selha ddt sin ni möhta tho firhölan sin, das erste sin könne
nur gen. sg. masc. sein, meint Erdmann , und nimmt daher die
unerhörte construction des verbs firhelan cum gen. der person
an. Piper fasst sin =■ ira. ich sehe in sin einfach das Possessiv-
pronomen, welches construiert worden ist, als lautete das sub-
ject nicht siu, sondern thaz toth (vgl. z. 9).
lu 18, 72 sie thahtun er thes filu föm und iv 17, 25 thes
thahtun sie er Ju filu föm dürften plusquamperfectisch zu ver-
stehen sein.
III 22, 11 f *Wio längo so firdrdgen wir, thaz thu unsih spinis
sus zi thir^ sus nimis einizen? wil du iamer thes irwizzen? die
von Erdmann zunächst aufgestellte erklärung von i not2«e»i »> or-
lolxan» discedere, 'willst du immer dem (dh. unserer wissbegier,
unseren fragen) ausweichen?' dUnkt mich unglaublich, denn der
abhängige genetiv thes hätte absolut keine beziehung, Erdmann
legt erst eine solche künstlich hinein, richtig ist die dann vor-
geschlagene ableitung von wizzi; aber ich sehe nicht ab, warum
hier tr- privative, m 1, 23 Theih hiar in libe irwizze dagegen in-
choative bedeutung haben soll, vielmehr nehme ich die letztere
auch an unserer stelle an: Virst du wol jemals in dieser be-
ziehung verständig werden?' für wil als Umschreibung des futurs
gibt Kelle belege.
IV 18, 3 f Zi wiu sie iz ifuh bihrdhiin joh wdz sie bi inan
ihdktin, wUt er m then riuon thaz inti biscowon. dazu Erd-
mann: ^concessiv: wie weit sie es auch bringen (treiben) wttrdeo.
ähnlich fasse ich auch 26, 23 Zni sie nan ans nu thuMen, thkt
frima in imo irUsgen — oha wir sin nu thdrhen, ja mag iz göi
irbitrmen, wozu sie ihn auch jetzt peinigen und das heil in ihm
vertilgen mögen — (doch ist es sicher, dass), wenn wir sein
jetzt entbehren, es fOrwahr gott erbarmen kannl' aber diese
erklärung würde erfordern dass. zi so wiu so überliefert wäre,
demgemäb muss iv 18, 3f interpretiert werden: ^er wollte auch
in seinem schmerz das ende kennen lernen, wohin sie es bringen
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BBDMAIIN OTPntD 7
worden uod was sie mit ihm beebsicbtigten.' ^ Erdmanns iDter--
puDCtion, die z. 3. 4 zusammeDfasst, verdieot vor derjenig^o Pipers
den Vorzug, und wenn ich entsprechend auch an der zweiten stelle
übersetze: ^warum mögen sie ihn jetzt so qudlen', so erklärt sich
zugleich, weshalb ich iv 26, 16 wizen nicht als indicativ mit ab-
geworfenem t, wie Erdmann, sondern als conjunctiv betrachte.
IV 26, 6 toänu, sie (mh thaz rüzin, ttaz sie imo lewee toizzin:
aus der mangelnden interpuoction vor und nach Itwes (allerdings
fehlt dieselbe auch sonst zuweilen) sowie aus der paraphrase 'was
sie (die priester und behörden) ihm doch als verbrechen vor-
werfen könnten' muss man wol schliefsen dass Erdmann leu>e8 als
genetiv abhängig von toaz denkt, aber lewes kommt nhd. nur
noch als inteijection vor, und man darf sich nicht etwa durch
die bei GrafiT citierte steile aus dem Boethius uuaz kuues ist tien
Mbermuoten gedaht verleiten lassen, an ein noch lebendig geftihltes
subst. M> zu glauben, denn an der Notkerschen steile (s. 90*
Batt.) dient lennes nur der widergabe des lat. o.
IV 31, 32 gindda thin in ioära ist hdrtö fitu mira. so wol
Piper als Erdmann fassen gindia als genetiv, wahrscheinlich weil
iD der Zeile vorher minero missodato steht, was wird dann aber
aas thin? das mQste also genetiv des Personalpronomens sein,
und das wfire mindestens höchst unwahrscheinlich.
An der steile iv37, 40fryoA tMnkan io gimdlon thm einen
ginadon, Sinera eregrehti joh sinera mahti, ther uns gab thaz gi--
müati thürf$h sino güati usw. ther *^tke er zu nehmen und zu
übersetzen: *gemäfs welcher er uns das heil gegeben hat' sehe
ich ebenso wenig veranlassung wie ii 5, 26 : ther bezieht sich auf
das in sinera liegende personalpronomen er.
V 6, 11 f Johannes in giwissi, thoh er jüngero si, hiz^ot in
therera däti there Mdeono litai. jüngero steht offenbar hier im
gegensatz zu Petrus ther dUo z. 13 und muss deshalb als compa-
rativ des adj., nicht als 'discipulus' aufgefasst werden, letzterer,
von Erdmann vorgetragener erklärung würde ferner noch der
umstand entgegenstehen dass doch auch Petrus ein jünger war
und also die besondere hervorhebung dieser eigenscbaft bei Jo-
hannes nicht begreiflieh erschiene, zumal die beiden nicht als
freunde Christi im gegensatz zu den Juden betrachtet werden
können, allerdings wird Otfrid nicht das heidentum für eine
jüngere geschichtliche erscheinung als das Judentum haben hin-
stellen wollen, wie Erdmann mit recht gegen Kelle und Piper
bemerkt, vielmehr hat er das historische verbshnis richtig be-
achtet, ich eridflre die stelle entweder so: Johannes, obwol er
der jüngere, dh. der früher am grabe angekommene war (vgl.
V 5, 5 f), bezeichnet doch die Juden, die später ab die beiden in
^ ebenso sagt KvHeimesfart, als er die gleiche situaüoa schildert, in
seiner Ursteode 105, 77 ff Ir wrge diu was manicvalt Und wolten doch
nn ende sehen Waat solle geschehen.
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8 KBDMAIVN OTPRID
die gescbichte eintraten, oder: die später als die heiden zum
wahren glauben gelangten.
Die note zu u 24, 15 steht fiilschlich auch bei n 21, 15 und
die zu IV 4,71 auch bei 69.
Erdmanns kleinere ausgäbe, welche als erstes bändchen einer
Serie von textreproductionen der in der Germ, handbibliothek bisher
erschienenen Ulteraturdenkmäler ans licht tritt, enthält, abgesehen
von geringen abweichungen in der interpunction, durchaus den auf
V basierten text der gröfseren. die druckfehler sind verbessert, lei-
der freilich nicht alle: beispielsweise blieb in 9, 12 thas, Hartm. 44
irdeill, 76 zdlaA stehen, der mangel des Schlusszeichens der rede
nach girihtesl iii 17, 20 ist sogar von Kelle ererbt, am fufse der
columnen finden sich die wenigen faclischen abweichungen von V
und die quellenstellen, diese jedoch ohne die hinweise auf den Ta-
tian und Heliand, mitgeteilt, neu dagegen ist das beigefügte kurze
Wörterbuch: schon dadurch und durch seinen billigeren preis
wird Erdmanns textabdruck demjenigen Pipers zweifelsohne bei
der studierenden Jugend den rang ablaufen, dies wOrterbuch
enthält den ganzen Otfridschen Sprachschatz, ausschiiefslich der
eigennamen, mit knappen und verständigen bedeutungsangaben;
die ana^ el^rjiLtiva sind durch ci(ate kenntlich gemacht (aber
bei funo s. 282^ fehlt die zahl), es beruht, wie billig, auf Keiles
Glossar, doch hat dieser umstand mehrere ungleichmäfsigkeiten
zur folge gehabt, während nämlich Kelle die verba stets in der
ersten p. sg. praes. aufführt, gibt Erdmann die formen des in-
finitivs, wobei er die starken verba und die schwachen der 1 conj.
durch die endungen -an und -en nach Otfrids weise unter-
scheidet (natürlich hätte dann s. 278* auch tkringan, s. 296^ lou-
fan, s. 302*^ sceidan angesetzt werden müssen): dazu stimmt nun
aber nicht dass die praeteritopraesentia wie an, kam, mag, tharf
unter diesen formen und nicht unter den infinitivischen erscheinen,
ferner: da Erdmann th ==^ hd. d unmittelbar hinter d »= hd. (
einreiht, so hätte er auch s. 275^ bora-thrdto vor bora-lang und
s. 277* driU'thegan, drüt-thiartun nach drüt-boto, statt nach drüt-
8un bringen sollen, s. 276* nimmt dal wie bei Kelle einen falschen
platz ein. s. 279^ vermisse ich iracar. andere kleinere versehen
und druckfehler verbessern sich leicht« Steuiiistcr.
Heinrichs von Veldeke Eneide. mit einleitons und anmerknosen hertoa-
gegeben von Otto Behaghel. HeÜbronn, Henninger, 1882. Gcxxzin
und 566 ss. 8®. — 19 m.*
Die neue ausgäbe der Eneide, von deren Vorbereitung ich
vor mehr als fünf jähren in der Zs. (21, 473) den facbgenossen
[* vgl. DLZ1882 arl6 (ESchröder). — Litt, centralbl. 1882 nr20.—
Zs. f. d. ph. 14,106flf (KKinzel).]
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ENEIDE SD. BSBAGHBL 9
die erste OffeDtticbe mitteiluog macbeD darfte, lässt unstreitig
ihre Vorgängerinnen weit hinter sich zurück. Behaghels arbeit
wird fortan die bauptgrundlage aller forschung bilden, welche sich
mit dem leben und würken Veldekes beschäftigt wenn ich trotz«
dem nicht rtkckhaltlos in das volltönende lob mit einzustimmen
vermag, welches dem buche kurz nach seinem erscheinen am
strande der Pleifse gesungen wurde, so wird man die gründe
dafür in den nachstehenden erOrterungen niedergelegt finden.
Die rein textkritische ttttigkeit des verf.s — das sei gleich von
vorn herein ausgesprochen — , die darlegung des handschriften-
verhaltnisses und der auf grund dieser mit umsieht und gewandt*
beit geführten Untersuchung aufgebaute text scheinen auch mir
hohes lob zu verdienen.
Die rückübersetzung der beiden von dem original gleich weit
abstehenden redactionen der Eneide (vom herausgeber als x und
y bezeichnet) in die heimatliche mundart des dichters muste nach
den vorbereitenden sprachlichen und kritischen Untersuchungen
Pfeiffers, Bartschs und besonders Braunes endlich gewagt werden,
diese Überzeugung, welcher sich selbst der um ihr durchdringen
so verdiente zuletzt genannte gelehrte noch vor wenigen jähren
verschloss, wird nunmehr kaum noch einen gegner finden.
Mit recht hat Schröder in seiner inhaltreichen recension von
Behaghels ausgäbe hervorgehoben, wie die deutsche Eneide erst
in dem einheitlichen gewande, welches ihr der jüngste heraus-
geber verliehen hat, ihren vollen reiz entfaltet, übrigens sind wir
auch heute noch keineswegs sicher dass das gedieht nicht auch
aufser den wenigen puncten , an denen sich diese annähme auf-
drängt, eine so einschneidende sprachliche Überarbeitung erfahren
habe, dass die ursprüngliche gestalt desselben nicht mehr in
voller reinheit zu erkennen ist (s. xli).
Für die kritik des textes sowie für die darstellung der spräche
war, nadidem Braune die grundlinien gezogen, gewisser mafsen
auch den bau unter dach gebracht hatte, das detail, Ornamentik
und arabesken durch feine einzelbeobachtungen herauszuarbeiten,
an letzteren fehlt es in der neuen ausgäbe keineswegs: die reim-
Untersuchung hat B. mit feiner band geführt, an den früher be-
nutzten hilfsmitteln zur erkenntnis von Veldekes spräche scharfe
kritik geübt, sich aber leider, wie Schröder aao. aufgedeckt hat,
nach glücklicher beseitigung der Servatiushs. und der predigten
aus dem Slavantenkloster nicht minder gebrechlichen, von ihm
neu herangezogenen urkundlichen stützen anvertraut.
Schröders andeutungen näher auszuführen wäre mir nicht
möglich gewesen, wenn derselbe mir nicht mit rühmUeher liebens-
würdigkeit durch widerholtes nachscUagen auf der kgl. bibliothek
zu Berlin über eine reihe fraglicher puncto auskunft erteilt hätte.
Von den quellen des Maestrichter dialects s. xxxvu S war
die Urkunde des Jahres 1349 unter 3 auszuschliefsen: sie liest
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10 EnUDB ED. BEHAGBfiL
behauden Publications 5, 423, 4; gduMidm 423, 13; opkaudm
426, 18; van auts 19 usw., wahreod di€»e aaflGsuDg der but-
gruppe ald im maestrichtischen erst im 16 Jahrhundert eu be-
obachteu ist. im testameut des Henri Denis vom jähre 1568
Publ. bd. 9 steht noch durchaus haldende s. 242, onderhaUinghe
242. 244 usw.; ebenso in dem privileg für die Schoenscbe ver-
deren aus dem 16 jb. Publ. 15, 317 ff, in den Habets aufsatze
aber die widertäufer in Maestricht eingestreuten aetenstQcken
(Publ. 15, 1 ff) findet sich dagegen schon oft köudm, soudm, zb.
s. 173. auch das viermalige bennen Behaghei s. xlvii, welches
den Maestrichter documenten fremd ist, hatte cur wamung dienen
sollen, die citate aus dieser Urkunde sind also überall in der
sprachlichen abhandlung zu streichen.
Audi die angaben aus dem Statutenbuch von 1380 sind in
folge vertrauensseliger benutzung einer nachlässigen oopie des
18jhs. an stelle des bereits 1876 in den Coutumes de la ville
de Maestricht par LCrahay, Bruxelles, s. 26—126 veroffenthchten
Originals zum grofsen teile unbrauchbar, vgl. Schröder aao. 569.
dass Behaghei sich weder um die Publ. 3, 256 angekOndigte aus-
gäbe des Originals, noch um die bereits damals (laut s. 257) ge-
druckten proben desselben kümmei*te, hat sich an seiner arbeit
gerächt, seine darstellung des Maestrichter diaiects bedarf einer
gründlichen revision ; die wichtigeren correcturen werden im fol-
genden mitgeteilt.
S. xLi hätte darauf hingewiesen werden sollen dass selbst
in Maestrichter Schriftstücken des 14 und 15 jhs. kurzes bez.
gedehntes a und organisch langes noch deutlich aus einander
gehalten werden, so steht im Stat. für ä 1) a, s. 41 — 62 etwa
80 mal zb. na s. 59. 2) ae, in dem von mir darauf hin be-
obachteten text circa 38 mal zb. dae$ s. 44. 3) o 19 mal zb.
loten 43, wopen 52. 4) oe 10 mal zb. oen 52, noe 59. für ä
dagegen Überwiegend 1) a, s. 41-*^62 zählte ich 72 ftiUe. 2) ae
12 mal zb. Uum 51, eirgaem 57. 58 (neben eirsam). 3) häufiger
noch als debnung ai, ungeföhr 32 mal zb. gedaigM 47, slmgk 46:
also weder für d jemals ai, noch für a jemals o oder oe, und
noch in dem ratsbeschluss von 1414 (Publ. 14, 14f) erscheint
altes d fast stets als oe, die bewegung in der richtung nach o
bat sieb also fortgesetzt, für gedehntes a dagegen steht ae: daegen
oder ai: daighden.
Das citat s. XLin unten bezieht sich auf Stat. 316, im 0(ri->
ginal) s. 102* s. xliv liest 0 61 das erwartete won^tVA. bei be-
sprechung der unumgelauteten form kaide war daran zu erinnern
dass dieselbe auch ober- und md., bei Neidhart und im Passional,
begegnet, gegen Maestrichter herkonft der hs. des SServatius
(s. xLvi) spricht auch der umstand , dass selbst noch in dem
testament des Henri Denis ausscbliefslicb deck begegnet; auch
vor r 4- muta überwiegt e, zb. kerck(en), teerdighen Publ. 9, 240.
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BiraiDE BD. BBHAGHBL 11
247.266, daneben MrcftAoe^ 241, aber auch schon im Stat. ÄrtV/re
O 106 allein 4 mal uö. — s. xlviu die beiden belege für vinden
«ind zu atreichen , beide mal liest 0 venden s. 72. 76. — da das
«inzige s. l far seep angezogene beispiel nicht maestrichtisch ist,
so verweise ich auf icheepilnde in einer Haestrichter rataverordnung
von 1439 (Publ. 8, 327).
Statt des s. Ln angefahrten staurve liest 0 43 s^rve; auch
«ei gleich hier bemerkt dass Stat. 319. 320 in 0 vluwei, gevlwoen
überliefert ist. überhaupt kann ich mich mit des verf.8 darstel-
lung des u und seines Umlauts nicht einverstanden erklären.
s. Lui 0 kennt nur die form künde, s. 43 2 mal, 56 2 mal, 98.
107; ebenso steht ausnahmslos (ge)stunde 69. 91 4 mal und Jhtnekt
O 100. 121 uO. es begegnet immer u vor r mit. ausnähme von
woirde 0 44. 46. 47. 48; worpe 54: die scheidang zwischen hd.
u und ü hatte also durch die Schreibung o, u widergegeben und
bei der Constitution des textes durchgeführt werden müssen ; die
vereinzelten reime des Serv. und der En. von k%arten : pinrten
£n. 361; dareivare 1165; vurstm : darsten 11617 uä.^ bestätigen
nur die regel fthnlich wie die reime zwischen -Afidenr-iindm
«. Lm. in allen späteren Urkunden der Maestr. mundart ist die
trennung von u, o consequent durchgeführt«
Das wichtige Roennere s. lv steht Publ. 5, 31; rouwe (ruhe)
fiodet sich in einer Urkunde des Jahres 13461 s. lvi die beispiele
für eeMn bis 298 sind zu streichen.
Ober die widergabe des germ. ö im Stat. hat bereits Schrü-
<ler das richtige bemerkt: in der regei wird es durch «e reflec^
tiert auch in der Urkunde von 1391 (Publ. 14, 107) huedm,
genuechde; in dem ratsbeschloss von 1414 (ebenda s. 14) guder,
guede; in den actenstOcken betr. die widertäufer (Publ. 15, 1 ff)
guede, bedrueffi usw. es entsteht nunmehr die frage: war dies
ue im texte von Veldekes dichtungen durchzuführen? eine ent-
«cheidung ist nicht leicht zu treffen, für ue lässt sich geltend
machen dass der germ, ö entsprechende laut vor r zweifellos
eine nach ü hinneigende ausspräche besafs, für oe jenes aller-
dings vereinzelte Roimiere, Braunes argumente für ob (s. 270)
^iod hinfällig, weil er sie aus den nicht- maestrichtischen pre-
digten und aus der ebenfalls von Veldekes heimatlicher mundart
abweichenden hs. der Servatiuslegende schöpfte, vielmehr muss
0e in der bedeutung von ü, wie die modernisierende abscfarift
des Stat lehrt, erst allmählich aus dem mnl., wo es frühe zur
berscbaft gelangte, in den Maestrichter grenzdialect eingedrungen
»ein. ganz für sich steht doen, wie nicht nur seine consunte
Schreibung mit oe, sondern auch seine reimverwendung (: Tor-
-edt^, Sin^) beweist. SMin usw. liefse sich nur rechtfertigen,
wenn das lat. oti mit dem romanischen (vgl. Haupt Moriz von
< vgl. noch Braune aao. 8. 268 f.
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12 ENEIDE SD, BEH46BKL
Craon, Festgaben s. 31) gleich behandelt worden wäre, durch
den ansatz Yon duen, mit entschiedenerem u-laut, würden die
bindungen mit namen auf um yocalisch genauer werden.
Unter germ. au hätte sich Behaghel Über ooek und berooft
keine scrupel zu machen brauchen , wenn er Stat. im 0 benutzt
hatte: hier herscht ou ganz ausschliefslich. der s. Lvm ange-
nommene Übergang von u (tu) : ou vor w wird durch Stat. nicht
bestätigt; dies bietet hruwer, nuwe, und bruwer lesen wir noch
1439 (Publ. 8, a27).
Auch des verf.s mühsame erörterungen über ein mögliches
ongekiere, sowie über das Verhältnis des lautes ü zu «0 s. lvih
waren überflüssig, denn 0 schreibt Stat. 277. 299. 330 vrunden,
vrundi, vrunde^; nieuwe Stat. 325 ist ebenfalls erst jüngere sprach-
form, 0 bietet nuwe. die beispiele aus Publ. 8, 212 ff gehören
erst dem 16 jh. an. in dem abschnitt über die quantitüt der
muten s. lxvii waren z%, ff als entsprechungen von germ. t, p an-
zusetzen, zu den klingenden reimen daselbst treten noch En. 5217.
Serv. 1,678; ausmaken'.spräken hat Schröder, meines erachtens
minder vorsichtig als Behaghel, die durchgehende dehnung der
reime geretm : geseten usw. gefolgert, die Schreibungen gesckrift
usw. aus Stat. gehören mit ausnähme von schade 282 dem ori-
ginale nicht an. 0 ergibt gerade das umgekehrte Verhältnis für
das s. Lxxi gesagte: der anlaut gh ist sehr häufig.
Auch die inconsequenz in der widergabe des hd. z s. Lxxn f
ist zu rügen. Stat. liest widerholt gantse 0 45. 47 uO. ; in der
Eneide schreibt B. neben gans 11036. 13189 kreis^ 337. 11647;
kerse 4 mal; sovel 1723 uO., sierlich, versagen usw., tinskadu 13378,
wofür er sich auf Publ. 9, 241 tynsz hätte berufen können, da-
neben aber auch tsiwel 13192 und um die musterkarte voll zu
machen cindal 7336 und zindäle 1284. 8813.
Die hochdeutsche Unterscheidung von anlautendem t; und /
durfte bei einer so radicalen Umschrift nicht aufrecht erhalten
werden, da die spräche von Maestricht, soweit wir sie aus den
Urkunden kennen, gleich dem mnl. nur v anwendet. — das
s. Lxxxvi angeführte part. des alten Zeitwortes wrdgjan lautet in
0, wo es 4 mal zu belegen ist, gewrueght. — die vom verf. auf-
gestellte erklärung der nach romanischem muster gebildeten plu-
rale geoers hat schon Schröder als gänzlich verfehlt zurückge-
wiesen; mit den unorganischen schw. pluraien, wofür die bei-
spiele s. Lxxvii*'*' nur in der copie sich finden, scheinen sie erst
im 16 jh. einzudringen: im testamente des Henri Denis met eyn
hruders, sisters 9,242; voersianders, vurvechters 245. — s. lxxxv
z. 9 beruht heym (für hcm) Stat. 272 auf einem versehen der
copie, in 0 43 steht of dat men hejfmwart draghen . . . nm^f
^ vrunden flbrigens noch in den widertauferacten sowie b dem mehr-
fach herbeigeiogenen testament, zb. 9,244.
^ war nicht vielmehr kreit anzusetzen? vgl. DWB 5, 2144.
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ENEIDE ED. BEHAGHBL 13
es ist also hom ganz weggelassen, zu z. 8 v. u. bemerke ich
dass in 0 ausnahmslos woirdt geschrieben steht.
S. Lxxxvi das wOrtchen het ist fQr Behagbels metrische er-
Merungen sehr yerhangnisroU geworden, die formen des neutr.
des pron. pers. der 3 person mit A-anlaut sind durchaus der
alteren Maestrichter mundart abzuerkennen: noch in dem testa-
ment des HDenis lesen wir nur et 9, 244 ; auch im neumaestrich-
tischen ist et das reguläre, het also wol erst spat aus benadi-
barter mundart eingewandert.
Es ist demnach unstatthaft het in Veldekes text einzusetzen,
und wie Schröder treffend bemerkte B.s betonung stärke het neder
ßt richtet sich selbst, zunächst bedürfen Behagbels bemerkungen
Aber den hiatus nach mehreren richtungen einer ergänzung. seine
beispiele s. cxix sind zum teil nicht glücklich gewählt: fruntüke
ane sien 1589 war nicht zu brauchen: B. selbst empfiehlt s. xcix
fflr ähnliche ßlile mit recht die ad?erbialform auf Uken; 1997
Idten solde end begeoen liefse sich recht wol verschmelzen, da-
gegen ist gewis hiatus anzuerkennen in mere erde 186, skepe
^n(e$) 197. 491. 502, öle ^d 1054, love end 1169 usf. hiatus
von hebung auf Senkung kommt bei Veideke so wenig vor als
sonst in der mhd. poesie (vgl. Scherer Zs. 24, 440). ^ das muss
auch Behagbels ansieht sein, denn nur unter dieser Voraussetzung
durfte er z. 2415 mtnre vrunde nehein s. c als beweis für die
form nehein, richtiger wol negein, gegen das von den Maestrichter
Urkunden allein dargebotene enghein anführen, deshalb schreibt
B. auch 7887 gegen alle bss. hddde gedägen; dort konnte man
auch an reslagen für erehgen denken. ^ natürlich ergibt sich dann
auch, da het der alteren spräche von Maestricht nicht zukommt,
mit notwendigkeit die betonung stärke et neder flöt 2901^ froüwe
wire et war 10544. dieselbe steht auch völlig im einklang mit
der hebungsflHhigkeit einsilbiger, logisch geringwertiger wOrter
bei Veideke, für welche B. s. cxvi die beispiele gesammelt hat.
zu den fallen, in denen der artikel hebung und Senkung trägt,
treten noch hinzu z. 118. 2453. 3082. 3617. 4624. 13087. 13305,
dagegen sind wol 492 (wo man ja auch ende lesen kann). 3928.
7048. 7864 (wo ebenso gut he, hen vorletzte hebung tragen
können) als zweifelhaft in abzug zu bringen, sicher für hebung
und Senkung stehen die pronominalformen he (er), hen zb. 2851.
4113. 4241, tr 3784, si 3282. 4820 uO. Otfrids vers, von dem
HOgels beobacbtungen ausgiengen (auf welche sich B. s. lxxxiv
beruft), kennt diese betonungen nicht, vgl. Hügel s. 6 f.
Behagbels versuch, die vorbin berührte betonungsfrage s. lxxxiv
anm. von der musikalischen seite her zu entscheiden, hat soeben
Kari Kinzel in der Zs. f. d. phil. 14, 107 f, von HBellermann mit
gewichtigen gegenbeispielen ausgerüstet, glücklich zurückgewiesen.
* in z. 3263 aläo voiie imtiUep moss das e elidiert werden.
' 3958 ist wol zu betonen dat kS die gäve ontvi&ne.
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14 KNEIDB ED. BBHAGHBL
Durch die gute prof. GJacobsthals, der meine eigene Über-
zeugung durch seine reiche gelehrsamkeit unterstQlzte, bin ich
in der läge, noch folgendes zu der frage nach dem betonnngs-
bez. gewicbtsverhaltnis zweier in der angegebenen weise in Senkung
stehender silben zu bemerken. Behaghels beispiele aus Mozaris
Don Juan sind schon darum unbrauchbar, weil der Originaltext
von Mozarts oper italienisch war, die rhythmisch -musikalische
behandln ng der betreffenden deutschen worte also nicht auf rech*
nuDg des coroponisten gesetzt werden durfte, je nach der aus-
gäbe ist die Obersetzong des Don Giovauni eine andere. Be-
haghels Bester der väter lautet zb. in dem klavierauszug des Don
Juan von Bote und Bock sowie in der Leuckartschen parliuir
Theuerster vaier. statt Kämpfe von leiden beifst es in der par-
titur (Mozartausgabe von Breilkopf und Härte!) Kamff der gefühlt^
in der Leuckartschen partitur (Du bejgehrst und du fürchtest,
statt Seelen sidi sehnen liest der Bote-Bocksche klavierauszug Liebe
dahin gibt, Breitkopf und Härtet: Herzen gesehmdkter, Leuckart:
Braut so selig wäre (mit einem für die überschüssige silbe sa
eingeschalteten ton), in dem recitativ aus der Euryanthe hat
Weber bei der compösition durchaus nicht auf die structur des
Verses geachtet: die Zeilen, denen Behaghel die worte nieder in
diese entnommenen hat, lauten: Dich drü'ckt ein häng geheimnis,,
leg es nieder In dien brüst, dann kann ich ruhig sein.
Immerhin bleiben einige beispiele Bebagbeis bestehen. ^ auch
hat es Jacobsthal so wenig wie mir gelingen wollen, aus recita-
tiven bei zweiteiligem rhythmus beispiele zu finden, in welchen
die zweite der in rede stehenden silben mehr gewicht hatte, als
die erste, beispiele bei dreiteiligem rhythmus dagegen, freilich
nicht recitativische , gibt es in menge, worauf dieser unterschied
beruht, müste eine tiefer eindringende Untersuchung noch klar
stellen, ein sehr interessantes beispiel für die unterschiedliche
behandtuDg der in Senkung stehenden silben teilt mir Jacobsthal
mit aus Johann Christoph Bachs rootelte: 4ch lasse dich nicht«
du segnest mich denn.' da beifst es (neue ausgäbe von Breit-
kopf und Härtel) s. 3 ff widerholt bei i tact:
idi lasse dich nicht.
{') I f f rl
und nachher im zweiteiligen rhythmus s. 7 bei i tact:
ich lasse dich nidU.
die untergesetzten zahlen bedeuten die einzelnen achtel des tacles,
* and gewis können sie leicht vermehrt werden, so betont Bach id
der Matthauspassion (ausgäbe der Bacbgesellschafl) s. 223 Und da untrden
ziveen morder usw.; s. 153 Und der hohepriester stand aiif ww.
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KNBIDB SB. BVHA6BBL
15
das erste desselben hal»e ich^ weil es vor unseren wortcofiaplex
fililt, eiDgeklammert.
Wie wenig die Bebaghelscbe betonnng der ersten siibe der
Senkung die allein berschende war, lässt sich aus folgenden bei-
spielen aus iUteren deutseben volkstUmlicben liedern erkeonen:
1. Aus dem lied 'es bet ein baur ein t<>chterlein'y Job. Ott
HuDdert und fOnfftceben guter newer liedlein usw., Nurmberg 1544 ;
die zweite zeile dieses liedes im i tact lautet:
das woU nit | knger em
meidlein
sein usw.
2. Aus dem liede (derselben Sammlung) 'ach Jungfrau ihr
seid wolgemul* die worte (Da)
fidelt er
r
ihr usw.
In Böhmes Altdeutschem liederbuch beginnt nr 330 (ent-
nommen aus Heinrich Fincks liederbuch vom jähr 1536 nr 45)
5o trinkm wir aUeDisenwein mit schalle; der fall ist besonders
interessant wegen der fehlenden Senkung nach wir. musikalisch
verteilen sich die fUnf silben trinken wir aUe folgender mafsen
ll I j , wir ist also deutlich über -ken im ton erhöht.
Nun noch einige exempel aus geistlichen liedern des 16 und
17 jbs. aus Leisentrits Geistlicben liedern und psalroen vom
jähre 1573 s. 247^ betrachten wir die erste zeile des liedes i
(0 Herr wir)
dank.
sagen dir | kb und
in dem Speirer gesangbuch von 1613 s. 49' lautet die zweite zeile
des liedes 'Jesus ist ein süfser nam' also:
(den) ruffen wir I arme sünder an;
f f ^ 1^ ^ usw.
freilich beifst es in einer älteren Version des textes (nach Böhme
nr 1529 im clm. 11225): denrueffwir usw.; ebenda s. 83' ist
die musikalische notierung der ersten zeile des liedes:
(Es) frewet sich billich jung und alt.
P P ^ usw.
in der Pfälzischen kirchenordnnng vom jähre 1570 (zweite aus-
gäbe) teil 2 (die lieder enthaltend) s. 35' steht in i tact :
(Bis sind die heiligen) { zehen ge\hot,
^ Q O \0
aber aacb hier lautete die altere version jsalbn g^t.
Für die ahd. zeit möchte ich nun noch die Lachmannsche
betonungsweise durch folgende grOnde stützen, welche bisher
weder von Roediger DLZ 1881 nr 26, noch früher von Scherer,
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16 SNBIDE ED. BKHAGHBL
der sieb Zs. 17, 568 auf das mhd. beschränkte, berQcksicbtigt
worden sind.
Einmal spricht für Lachmann, gegen Bartsch, Hügel usw.,
eine metrische beobacbtung, welche uns Scherer in seinen Strafs-
burger Vorlesungen über metrik vortrug, dass nämlich in der
ahd. reimpoesie die letzte Senkung des verses vor einsilbigem,
den vers schliefsendem wort in der regel nicht lang ist. diese
beobacbtung gilt nun für alle gereimten ahd. denkmäler mit aus-
nähme Otfrids. auch positionslänge braucht man nirgend anzu-
erkennen, denn HSD x 27 ist die form is gut bezeugt» vgl. die
anm. zu diesem vers, xi 23* ist das zusammentreffen verwandter
nasaler laute in anschlag zu bringen, dieser fall also ähnlich zu
beurteilen wie MSD xiii 29 uuellent tuon. ebenda z. 16 lese man
dho tach statt ahö tach, mit der notwendigen durchgangsform
von aUö zu ahe; z. 8 furiuuorhtöstu (statt tu) mir; z. 12 ist in
der zweiten aufläge der Denkmäler, um den hiatus zu vermeiden,
geschrieben worden buzza ist so tiuf, dadurch wird zugleich s6
aus der stelle der letzten Senkung in die der vorletzten hebung
gerückt und unsere metrische beobacbtung ohne zwang aufrecht
erhalten, im Ludwigslied MSD xi 21 betone man Uuisser dUa
thia nö't (nicht dlld thia nö't, mit diphthong in der letzten Senkung);
Lachmanns betonungsweise empfangt dann auch hier von anderer
Seite her eine schöne bestätigung.
Aber auch für die ahd. prosarede lässt sich die häufige , wenn
auch nicht ausschliefsliche betonung des einsilbigen selbständigen
Wortes innerhalb der umstrittenen silbengruppe wahrscheinlich
machen, noch ehe mir die interessante Hallenser doctordisser-
tation OFleischers Das accentuationssystem Notkers in seinem
Boethius zu bänden kam, in welcher zum ersten male die Not-
kerschen accente für die beslimmung der ahd. betonungsverhält-
nisse fruchtbar gemacht werden, hatte ich das erste buch des
Boethius für die behandelte frage zu rate gezogen, da Fleischer
in der fortsetzung seiner arbeit, welche im laufenden bände der
Zs. f. d. ph. erscheinen soll, allem anschein nach leider nicht
auf diesen punct eingehen wird, so teile ich mit, was sich mir
bei vorläufiger, nicht erschöpfender Untersuchung ergeben hat.
sehr häufig ist begreiflicher weise der fall, daiss beide zwischen
zwei hochtönen stehende silben schwach betont wurden; keine
von beiden erhielt dann einen accent, zb. itUsldfent tie virigen
19*; ünde des mdnen 20*; ist er dne uuörten des müotes tügede
21* usf. obwol in pausa die accentuation vorkommt: erduim
mih tödis . . ,, begegnet doch niemals in der fraglichen silben-
gruppe eine bezeichnung wie skiuzet tien litUm; von flexions-
silben tragen nur solche einen accent, deren langem oder diph-
thongischem vocal an und für sich in Notkers accentuationssystem
ein bestimmtes quantitäts- oder distinctionszeichen zukommt^;
^ aber deren anwendnng vgl. Fleischer aao. 8. 8 ff.
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BlIBIDS SD. BSHAGHU. 17
abo inde die tröuuün de$ meres 25^ oder tiu bisa • . .
uudntiu. dia näht »eßoret 22^ uö. eine tooerhOhuDg der
flexioosfiilbeB Ober die folgenden einsilbler wird hierdurch nicht
bewiesen, freilich erscheint andrerseits auch der artikel niemals
accentuiert ^ wol aber sonstige einsilUge Wörter wie er in üudnda
er uui$$a 20*, üudnda ir Aiinet 35*; mit in geMiere mit plüamon
20^ usw. wie vertrügt sich aber zb. mit der zuletit erwähnten
Notkerschen accentualion Sirorocks und Bartschs liebe mit hide?
muss denn, selbst zugegeben dass diese betonung dem modernen
obre als die . natürlichere erscheint, dieselbe auch zu aller zeit
gegolten haben? und dürfen wir was uns Volkslieder des 15 oder
16 jbs. lehren [vgl. jedoch die oben angeführten gegenbeispiele]
ohne weiteres auf die lyrisch-epische verskunst des 12 oder gar
des 9 jhs. zurück übertragen ? mit recht warnt Kinzel aao. s. 108
davor, aus der modernen auflassung auf die alte betonung zu
exemplificieren. •
Nach diesem metrischen excurs wende ich mich wider zu B.s
darstdlung von Veldekes spräche, ebenso wenig wie vom pron.
pers. kennt das original des Stat. vom artikel ein neutrum het:
io allen 14 (s. xc) angeführten fallen steht das aus dat, det ver-
kante r, also iiU fourfait, ende twUe usw.
S. xcvi das einmalige geeaget En. 11521 ist mir sehr un-
wahrscheinlich, ich ziehe deshalb mit Braune gedaget vor und
nehme ein misversUindnis des franzosischen textes an, wie ein
solches von B. in z. 5088 anerkannt wird, die beispide, welche
eine nebenform hade zu dem regulären hadde beweisen sollen,
ftind sehr unglücklich gewählt, die ersten 4 l^Ue lassen sich
ebenso gut mit Verschiffung auf der Senkung lesen; hadde
genomen usw., ebenso 1251. 1708; 1056 zeigt Überladung des
ersten fufses.^ bleiben also nur 955. 2698; und 2698 könnte
man vielleicht lesen er en hadde met sim Uve, 955 aber hadden
gnmnm mit syncope des e wie 6182 gnenden, 10074 ongmac;
ähnlich 955 ist vielleicht gnamen auch 7302 anzunehmen, wenn
man hier nicht vorzieht rlder hadde ir. ^ wol aber verlangt der
▼ers hadm 4733. 6693 ; hede 5811.' überall sonst kann man das
^ in den fallen uuto ßrro id% Sielende uudre 38^ oder diu truge^
Hlde die dgetieree nd. haben ta» nnd dee demonstrative bedentnng.
> ihnllch 8039.
' fiberhaopt ist wol noch öfter syncopierong des e vi statuieren, als
der beransgeber getan bat. nach analo^ie Ton gwUte 3382, gwaU 13290
Qä. lese ich 7000 gwan, denn mit iweisilbigem auflact dai herchlfrit zn
lesen, wie offenbar B. tnt, verbietet die regel, nach welcher in zweisilbigem
aaftact die eiste silbe hdher betont sein muss als die zweite, vgl. 367.
423. 570. 619. 684. 696. 785 usw. deshalb lese man 2818 s6 eal da cnal-
S^chle, in 2443 ir wort I mir ist das proo. logisch stark betont (wie 2773
I^A^' vilt man das nicht zugeben, so ist z. 2443 mit dreisilbigem anftact zu
lesen, dieser gilt auch 11759; wtle, wie alle hss. bieten, ist nicht anzu-
Usten: die wü wire fehlerhafter zweisilbiger aaftact.
A. F. D. A. IX. 2
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18 BAKIDK BD. BBHA6HBL
schüefsende e in der Senkung verechleifen , oder anders lesen:
mit inclination des pron. 13016 hadde$ nä, 13444 haddet usw»
Sorgfältig, wenn auch nicht ganz ToUstandig sind die be-
obachtnngen über Wortbildung und Wortschatz s. xcni ff. die
einsilbige form nein (oder kein?) wird auch in Veldekes liedem
durch das metrum Terlangt« dass als volle form nicht nehem son-
dern neg(h)ein durchzuführen war, hat Schröder sp. 570 richtig
bemerkt, die deminutivform kindelin 2192 ist gewis falsch: in
den liedem ist auch vogelkin zu schreiben, Tgl. Gramm. 3, 676 f.
vieles bleibt zweifelhaft, ist 5170 mile oder melo, 5265 kmp
oder Inresp die der mondart Veldekes zukommende form? ist 9426
(vgl. einl. s. xlv) zumal im hinblick auf E nicht twebogen vor-
zuziehen? der gebrauch von binnen und innen schwankt auch
im text; neben opper, oppem 3821. 4140. 8202. 8345 uO. schreibt
B. ofTer 2826! Widersprüche wie 9958 hde, 9910 hdsi; 9926
omtdticheide aber gestädeget 9993; in 1157. 1266 uO. gegen einl.
s. c; 3652. 11688 genant, sonst geneemei nä. sind nur flüchtig-
keiten des herausgebers, die freilich in unerlaubter raassenhaftig-
keit auftreten.
Schröders urteil über B.s syntactische Zusammenstellungen
ist gewis nicht zu streng , aber die darstellung der metrik bat er
viel zu günstig beurteilt. Schrullen wie die nicbtzulassung der
verschleifung zweisilbiger Senkungen s. cxtxt — warum sollte
auch Veldeke damit aus der kunstübung der hochdeutschen dichter,
welcher er sich sonst anschliefst, heraustreten? — haben eine
menge unnötiger verkürzter formen und verschrobener verae her-
vorgerufen, von toaser 5200 nä. (vgl. s. cxv) bin ich durchaus
nicht überzeugt, hier ist einfach zu lesen met einn börden was
her dat hdr usw. ich muss mir leider versagen, hier anf diese
dinge naher einzugehen, unnatürliche betonungen werden dem
dichter oft aufgebürdet warum liest B. zb. 3957 min lant ende
mtn rike? 3500 mit hiatus end alse er vele Uee? ebenso fehler*
haft steht ende 2708. 2730. 5105 (lies rossen end); aUe 1298.
1851 uö. dagegen macht die 2silbige form ende den vers glatter
6315. 10701 uö.; falsch ist der circumflex auf al 2971; jd 2177;
8Ö 10421 uö.
In den stilistischen beobachtungen s. cxxi-— cxlii findet sich
viel hübsches und lehrreiches, manches wichtige habe ich in-
dessen auch hier vermisst. warum ist der ausgedehnte, höchst
characteristische gebrauch, den Heinrich von der aUitteration
macht, gar nicht beobachtet? Preufss gelegentliche zusammen*
Stellungen in den Strafsburger Studien 1, 62ff sind ganz unvoll-
ständig, einmal 1711 ist sogar die Schreibung nach dem gesichcs-
* wie aber will B. zb. v. 0157 ohne dieselbe leseo?
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IHBIDX BD. BBBACaiL 19
puttct des gieicben aiüauies zu regdo : met berkn (aicht perlm)
ind wiä barden ist zu lesen nach B berin^ H berm.
Die stiUstiscIie figur, ttber welche B. & avr unten handelt,
ist nicht ganz so sdten wie er annimnit: Tgl. zb. noeb Linzer
Entechrist 128, 24 gestan mac denne niut, wedir gestan noehge*
gon; 184, 32 nv bite wir hwte, Mofß vii nrdermal; ferner Kehr.
(Hafsm.) 16306 var. Do wurden erslagin sine man Beidm er^
9k§m unde gwangen; geradezu massenhaft tritt sie auf in den
mnl. Theophüus, worauf mich mein freund JPranck aufmerksam
macht, zb. v. 60 (ed. Blommaert) ende dirnide gode oeimoedelike,
oetmoedeUke ende met trauten; 78 ende gkeme was hi in di kerke,
in die kerke ende diende gode. Tgl. noch 102. 174. 196. 198.
200. 230. 232 ua. nicht beachtet werden die fiflie von poly-
syndeton 9066 ff. 13375 ff; ungenügend und unter faisdiem ge«
sictatsputtct behandelt B. die auapher.
Unbeachtet bleibt fea*ner das geistreiche spielen mit be*
griffen und werten, wie es gelegentlieh bei VeMeke, auch darin
Gottfrieds Torgänger, herrortritt, zb. 2298, noch entschiedener
1145, wo der dichter geradezu eine art calembour zu wagen
scheint toir wären alwdre end wänden, dat et wäre^allet
wdr^, dat he sprae. Tgl. noch MF 65, 3.
Auch der gerade bei Veldeke zuerst in gröberem umfang
aaftretenden bildlichen Terstftrkung der negation, welche gewis
Dicht, wie man allgemein anzunehmen scheint, deutscb-Tolksttim«
lieh, sondern aus lateinischer bez. romasischer spräche und dich-
tUDg zu uns gekommen ist, wird mit keinem worte gedacht
Bebaghels vergleichung der Eneide mit dem franzOrischeo
original hat die materiellen Teriaderuogen des deutschen gedichteo
in Obersichdicher weise dargelegt, aber sie ist keineswegs er-
schöpfend, ans notizen, welche ich mir Tor jähren aus Bebaghels
ahschnft des Roman d'Eneas — der verf. hatte die gute, mir die-
selbe auf einige zeit zu leihen — gemacht habe, wflre aUerhand
aachzutrage». so ^vermisse ich s. glt che interessante beobacb-
lang, dase der deutsche dichter die z. 4153 ff herre toehte H
(LsTiniaa inutter) vergat: onsachte si nedersat, dai si denkoninge
nt'tf etmeich hinzugesetzt hat, in 0 siebt nur deUmte et coureude
m fu et vint al rot, les lui sasist. auch sonst werden heftige
Effecte, wie sie die französische poesie, gewis nach dem leben,
darzustellen liebt, gemildert, wo Veldeke schlicht Ton Eneas
meldet 3799 harde froude he skk des, da schrieb der franzo-
sische dichter ie jme et de liece pimre; ebenso Tergiefst beim
abschied Ton Asoanius in 0 Eneas tränen tot en plorant son fil
haisa, bei Veldeke heifst es ktbler: srlof he doe nam toe Aeedn-'
jum alneti son^ ab ke van reckte sMe doen.
S. cxLTni wird dagegen mit recht darauf hingewiesen, wsie
^ sollte der dichter nicht al war geschrieben haben?
2*
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20 ERBIDE £D. BEHAGHEL
der gefühlvolle widerstreit der empfindangeo, des frd und roM-
wieh Seins, 1881 erst von dem deutschen poeten herrührt; es
hätte nur hinzugefügt werden sollen dass auch den Zeilen 2638 f
ioe was Kb drürich ende frd usw. im französischen gedichte nichts
entspricht«
Vor allem wSire ein vergleich der stilistischen und künstleri-
schen eigentümlichkeiten des Originals und seiner nachbildung
sehr lehrreich gewesen, welche bilder, vergleiche usw. werden
von dem deutschen dichter herttbergenommen, welche verschmäht
er, wdche fügt er hinzu? es ist doch gewis interessant, zu
wissen dass der vergleich En. 6946 f, ^ welcher unserem meta-
phorischen ausdruck ^pfeilregen' zu gründe liegt, sich schon in
0 findet: volent saieiis come pluie sus d castd; dass die
einfachsten zweigliedrigen formein wie huteln ende grdten 6636 uS.
im Stile des französischen höfischen epos ihre entsprechung haben,
vgl. msc. fonds franp. 1416 fol. 44^ 1 grant dol fem tot grant
e menor oder ebenda fol. 105% 6 grant dol en fönt petü e grmU,
während die formelhafte Verbindung von bloede end koene 1111 uH.
in 0 fehlt die echt germanische scenerie (Jänicke zu BiteroK
3777), wie die gefallenen den krähen, raben und geiem zum
frafse werden 6456 B — auch Eilhart bedient sich derselben
6046 — rührt, wie zu erwarten war, erst von Veldeke her.
Einige Veränderungen und zusätze, für welche B. einen recht
zutreffenden grund nicht anzugeben weifs, lassen sich vielleicht
alle aus Einern gesichtspunct erklären, bestimmte Situationen
und motive mochten der eben erst erblühten epischen hofdicb-
tung als unentbehrliche requisite erscheinen. Eilhart kann, aber
muss nicht, dafür vorbild gewesen sein, wenn bei Veldeke die
liebesscene zwischen Eneas und Dido statt in der foeee unter
einem bäume statt findet (vgl. einl. s. clv), so erinnert das an die
scenerie des Stelldicheins im Tristrant 3352 ; dass die fosee von
d^n deutschen dichter als unpassender ort empfunden worden
sei, macht Gottfrieds foseiure d la gent amant unwahrscheinlich,
auch der bracke, welchen Veldeke ohne jede andeutung des Ori-
ginals der Dido zugesellt — z. 1768 den enliei et negeinen ftneckt
streiken noch geriaren — ^ könnte auf Isaldens treues hOodchen
zurückgehen, das wegschicken der zofen En. 1338 findet sich
ebenfalls, wenn auch in anderem zusammenhange, schon im
Tristrant 7884.
Der nachttrunk fehlt, wie ich Anz. vii 116 vermutete, würk-
lich in der französischen Eneide, nicht aber in der deutschen, wie
ich aao. irrtümlich angab, vgl. 1306 f. — s. cxLvn z. 6 ist ^aus-
weiten] ngen' hoffentlich nur druckfehler. s. clu f sind mir die
Worte *ein verfahren, das nur wenig Sicherheit bot' gänzlich
unverständlich.
^ 8on8t bitte man vielielcbt auf entlebnnng aas AI. (Weisnann) IISS
raten können.
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BlfBTDB ED. BEBA6HBL 21
Die Unsicherheit, ob nicht doch hie und da das original zur
aufheUung der gedanken Veidekes etwas beizutragen vermöchte,
wo die anmerkungen schweigen, hat etwas peinliches.
Wer wird uns nun mit einer ausgäbe. des Roman d'Eneas
beschenken? dass.B. yorläufig von dieser gewis nicht leichten
aufgäbe zurückgetreten ist, zeugt von löblicher Selbsterkennt-
nis: noch ist er bei weitem nicht mit der gehörigen kennt-
nis des afrz. ausgerüstet; das beweist schon das eine citat aus
dem Roman d'Eneas in der anm. zu 1686. in der zeile (Pran-
daU lor an, eors et kviers) Seurs (?) viatUres e Hemers (?) ver-
steht B. zwei Worte nicht, von denen das erste gewis mit dem
mittellatein. eanü ngusius, seugius, seucis (Du Gange 2, 95") und
vielleicht mit dem deutschen sAee identisch, während das zweite,
mlat. ligaminarms, dem sinne nach eines mit unserem kithurU
ist. einen weiteren beleg für die viersilbige franz. form, welche
in der regel zu Imier contrahiert wurde, gibt La Curne in seinem
Wb. 7, 172^ aus Partonop. 1791 dont veris ventr Uemiers Et
Mens gentib, et bon» UmUrs; genau dieselben hunderacen er-
scheinen ndien einander in dem Lanzelet Ufaichs von Zazikhofen
1547 hratkein, tAse und kithunt.
An den biographischen abschnitt, gegen welchen im Cen-
tralblatt mehrere begrflndete bedenken erhoben worden sind,
schliefst sich der wolgelungene, mit sicherer band geführte nach-
weis dass Eneide und Servatius von demselben verf. herrühren,
für ganz verfehlt halte ich jedoch Behaghels versuch, die an-
spielung des Moriz von Cräün auf eine Veldekesche dichtung von
Salomo und der minne für ein conglomerat dunkeler erinnerungen
an die Eneide und an Veidekes lied MF 66, 16 zu erklären,
neben das bekannte, von B. ignorierte zeugnis Wolframs im
Parzival 289, 17, welches schon Kinzel in seiner besprediung
der neuen ausgäbe der Eneide anftüirt, tritt noch bestätigend
Ottokar, der steirische reimchronist; er lässt frau Minne sagen
(cap. cLXXvni, z. 18385 nach meiner Zählung für die ausgäbe der
Honumenta) *swaz zem herzen toirt gdait witze und gueter tinne,
des frdda ick tool mite dm when Sahm^ und den starken Somp-
8&n und fraun D0&n die chünigin, deu v&n mmnichlicher ptn ir
M^en verUs, dö si £n6is verchös. sit sich die muesten mir er-
gAen, wie mohte danne widerstreben miner ckraff sprach den
minne ^ven Pihaim deu dvüniginne?' der in der poetischen litte-
ratur der mittelhochdeutschen classischen zeit so merkwürdig be-
lesene Chronist hat gewis dasselbe gedieht im sinne wie die ritter-
lichen Zeitgenossen Veidekes, auch hat sich ja irgend eine andere
bearbeitung des Stoffes von den gewiegtesten kennem der ge-
sammten mittelalterlichen dichtung nicht nachweisen lassen (B.
s. CLXxiu). solltCL sich Wolfram in demselben irrtum befunden haben
wie der Verfasser des Moriz von Cräün? wie unwahrscheinlicli!
aber selbst zugegeben dass die seltsame, wol wegen ihrer für uns
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22 BHUDB BD. BBBAfiHBL
SO reisTollen, individaellen bestige im ma. wenig bekannte dven«
tiure Ton dem nordfranzOeiscben ritterlichen sflnger nnd der stoK
zen grüfio von Beaumont dem dichter des Pansi?al als fehler-
queile gedient habe, fflr Ottokar dasselbe ansunebmen, wider-
spräche jedem gesunden methodischen denken.
Und warum diese Oberktthne athetese einer litterarbistorischen
tatsache, die uns nach dem yerlust der dichtnng kaum besser
bezeugt sein könnte als durch einen dichter, der die Eneide sorg-
fältig gelesen, in Stil wie metrik sich von dem vater der hö-
fischen poesie abhängig zeigt und recht eigentlich zu dem engsten
kreise seiner geistigen schüler gehört? in der stelle des Moriz
von Crdün entdeckt B. Ungereimtheiten, die er dem unbekannten
dichter leichten herzens, nicht aber Veldeke zutraut er begnügt
sich aber nicht damit, die erscheinung aus der verdunkellen erinne-
rung oder gedankenlosigkeit des anonymus zu erklären, dass Be-
haghels weitere hypothese unhaltbar ist, sahen wir schon ; werfen
wir nun noch einen blick auf die angeblich sinnlosen verse des
MvCräün. ich glaube, sie lassen sich durch die Umstellung einer
zeile in Ordnung bringen: das bett soll an gute dem gleich sein
daz von Vdddce meister Heinrich iMulUe harte ichäne dem künege
Sotorndfie, (nun stelle ich um) da er mn$' Yimu ane rief, da er
üf lac unde slief bis daz sie in erwacte ^ usw. denken wir uns
eine ähnliche ausgedehnte anspräche an die Minne, wie sie der
Tristrant und die Eneide zeigen, so war es durchaus passend,
wenn der dichter diesen wichtigsten bestandteil der episode, an
welche er erinnern wollte, gewisser mafsen als Savegov Ttgowegov
an die spitze seiner ausführung stellte, alles folgende hat, wenn
man meine Umstellung billigt, guten Zusammenhang, das vorauf-
genommene anrufen erfolgte natflrlich bei Veldeke erst nachdem
Salomo von der frau Minne geweckt und durch ihren pfeil ver-
wundet war. die gründe, welche B. dafür anführt dass diese
dichtung nach der Eneide gedichtet sei, scheinen mir nicht zwin-
gend; auch Hartmann griff mit seinem Iwein, nachdem er im
Armen Heinrich sich allem anscheine nach selbständiger bewegt
hatte, wider zu einem französischen vorbild. was aber die wider-
kehrenden Wendungen und motive der beiden minnesceoeo im
Roman d'Eneas und dem deutschen gedieht von Salomo und
der minne anbelangt, so halte ich es für wahrscheinlich, min-
destens möglich, dass beide dichter aus demselben schätz von an*
schauungen und bezeichnungen schöpften, welche das verfeinerte
leben der deutschen aristokratie bereits in wOrklichkeit und
dichtung von den westlichen eulturtrflgem empfongen hatte, wie
sehr aber gewisse minnigiiche Vorstellungen, die zum grofseo
teil in letzter Instanz auf die erfindungen römischer dichter <
* dieselben reimworte, vielleicht selbst eine ähnliche verschiebap^ der
einzelnen daten lesen wir En. 12747 ff.
* einen liebesmonoleg »it ansphoriseher aniufiiog Aman, tn den
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ENBIBfi ED. BBilA«H«I. 23
zurückgeben mOgen, gemeiogut der poetea uod wol noch fraher
der höflecben coDversation waren, lehrt zb. ein bück auf den
arükel awa in Raynouards Lexique, oder die beaprechung von
me bei LiUr^ wie beliebt die gegenüberstellung von honig
und rufs (vgl. Roman d'Eneaa, Bebaghek einl. s. cxcu) war, zeigt
daa Sprichwort, welches Littr6 aus Leroux de Lincys Proverbes
u 181 citiert: ce n'est mie comparatMn de suie dmiel. die zu-
sammenstelluog von galle und rufs kennt Folquet de Lunel; Mar-
cabruB ISsst die liebe von rufs bedeckt sein usw. dazu Zs. f.
roman. phil.. v 575. diese beobacbtungen dienen vielleicht auch
dazu, B. von meiner annähme einer Verwandtschaft der franzö-
sischen originale Eilharts und Veldekes (s. u.) zu überzeugen, wel-
cher inzwischen zu meiner freude Edward Schröder ^ und KKinzel
beigepflichtet haben.
Wenn Veldeke im epiloge von sich sagt 13434 dat €$ ge-
noegen wetenUeh, dat he dichten konde, so wird er in diesem zu-
sammenhange kaum auf den Servatius zurückblicken, vielmehr
auf weltli^be dicbtung, vielleicht auf jugendlieder oder auf das
gedieht von Salomo.
In dem vu abschnitt sucht Behaghel s. glxxiv ein bild von
der geistigen physiognomie des dichters zu entwerfen; dadurch
dass er die lieder so gut wie ganz von der betrachtung ausge-
schlossen hat (vgl. aao. unten), in denen Veldekes Persönlichkeit
sich doch am deutlichsten widerspiegelt, fehlt mancher characte-
ristische zug in dem porträt; den ernsten sinn des dichters wird
man vergeblich in den liedern suchen; im gegenteil: aus ihnen
mehrere weDdanffeD der betreffeDden mittelalterlichea darstellungeD wol aar
zafaUig, gewis nicht ohoe mittelglieder, ankliDgen, fiade ich im ii acte von
Plautns Trioummas, vgl. die worte des Lusiteles z. 257 ff (ed. Fleckeisen)
4ipage Amcr, non plaeet, U räl utor. Quamquam tllut dulitesi, es$« et
Hbercy amor amari dat tarnen quod aegreet 9atU ...... Mute moäis amor
ignarandttst, procul abdendust^ apstinendust -^P^* '^ amor:
iuas übt rei habeto, Amor, amicu9 mihi ne fuai unquam: sunt tarnen
quos [nimisj mUere maleqtie habeas, Quo» tibi obnoxios [fädle] fecisti
usw. damit vergleiche man Eith. 2452 ff. bes. 2461. 2467 ff. 2488 ff. En.
9866 f. 9898. 10296 ff. zu amor amari halte Gottfr. Tristan 11990 01
Die aus der Eneide bekannte, aof Ovids Metamorphosen 1,468 ff zu-
rückgehende vorstelinnsr von Amor mit seinen beiden geren, einem goldenen
ond einem bleiernen, kennt zb. auch Girauz de Calanson in leiser umbil-
dong (Vus ei tan beU De fin aur &om ve reiplandir; Uautre ^aeier,
Mae tan mal fier Com na» pot del »ien eolp guerir), and dieser trov-
badoar verlangt in der interessanten anweisung für spielleute bei Bartsch
Denkm. der provenzal. litteratur (Litt, verein nr 39) s. 100, 12 ff dass sie
jenes motiv mit auf ihrem repertoire haben sollen; vgl. noch De Venus la
deesse d'amor (ed. WPörster) str. 248—50 and das Fablel dou dieu d'amors,
FdraAer aao. s. 48.
^ zu EUh. 2462 bemerkt mir Sehr, noch brieflich: der Franzose hat
den richtigen gegensatz fiel : miel, Veldeke aber das grammatisch unschöne
falle :ȟze,- warum nicht galle :honeef eben weil ihm hier die reminiscenz
ans Eilbart dazwischen kam, bei welchem ȟao den oorrecten gegeosats zu
»ur biUet, vgl. Gottfr. Trist. (Mafam.) 299, II.
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24 KNEIDB ED. BBHAGHKL
blickt überall eine liebenswOrdige, abgekUlrte heiterkeit, die ge-
legentlich nur, ^enn die geliebte zürnt öder seine treue auf eine
zu harte probe stellt, gefasster resignation platz macht, unter
den belegen für Veldekes beobachtung höfisch -aristokratischer
lebensform vermisse ich die vorhin angezogene stelle £n. 4153 ff.
dass die anspielung der kOnigin 10648 von dem deutschen dichter
gemildert worden ist, hätte immerhin bemerkt zu werden ver-
dient. B. schlagt Veldekes gelehrte bildung wol zu hoch an;
dass letzterer sein original nur an einer einzigen stelle misver-
standen habe (vgl. oben s. 17), ist mir nicht recht glaublich,
noch weniger dass er die namen und einzelnen zflge, welche
bei ihm richtiger sind als in seiner französischen vorläge, sich
aus der Vergilschen Aeneis, aus Ovids Metamorphosen und der
Achilleis und Thebais des Statins mit gelehrsamkeit zusammen-
gesucht habe, viel einfacher ist es doch anzunehmen dass er
alle diese dinge -— wofern wir nicht an eine vollständigere, bis-
her noch unbekannte redaction des Roman d'Eneas denken wollen
— in derselben quelle fand, welcher er die kenntnis entnahm
dass Eneas der Schwiegersohn des Priamus war usw., vgl. s.
cLXXvii oben.
Zu den filUen, in welchen Veldeke auf antiquarischem gebiete
strauchelte, wird man wol auch die erwähnung des fabelhaften
baumeisters der Kamille, Geometras, rechnen müssen, der dann
auch bei Wolfram begegnet.
Gegen das unmethodische ausspüren von ähnlichkeiten und
entlehnungen, wo in der tat litterarische beziehungen nicht existie-
ren und existieren können, hat bereits Schröder sehr entschieden
protestiert.
Von den ergeboissen der umfangreichen Untersuchung, in
welcher Behaghel die litterarische bildung und würkung Veldekes
klar zu stellen sucht, wird gegenüber einer unbefangenen, kri-
tischen Prüfung noch nicht die hälfle bestehen bleiben, andrer-
seits werden dieselben sich aber an einigen puncten bereichern
lassen, umfassendere benutzung der Kehr., welche B. mit un-
recht bezweifelt, wird Schröder demnächst nachweisen, s. cLXxrx
wirft B. die frage auf: steht die Eneide in einer beziehung zu
Heinrich von Melk? man traut seinen äugen kaum, wie sollten
die bitteren satirischen dichtungen des Melker laienbruders, deren
würkung selbst in der heimat des geistlichen dichters eine sehr
beschränkte gewesen zu sein scheint, aus dem fernen Südosten
Deutschlands ihren weg bis zur niederländischen Sprachgrenze
oder auch nur bis an den thüringischen hof gefunden haben?
aber B. bejaht frischweg jene frage, und aufgrund weicherar-
gumente? erstens stimmen zwei Zeilen der Erinnerung und der
Eneide wörtlich überein, aber B. bemerkt selbst: eines der beiden
reimwörter zog mit notwendigkeit das andere nach sich, auch
bringt er eine parallele aus Hartmanns erstem Büchlein 259 bei,
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SfIBIDB KD. BEB16BCL 25
er hatte noch den Linzer Eotechrist 124, 33, Armen Heinrich
177, zuftllig TOD mir gefundene beispiele, anführen können, die
sich gewis noch stark vermehren lassen, zweitens aber soll die
merkwürdige boUenstrafe En. 3416, nach welcher die seelen un-
«uflidrlich in den abgrond stürzen, aus Heinrichs von Melk dich-
tungen (Er. 791; Prl. 714) entlehnt sein, ich kann nicht finden
das8 jener gedanke der spontanen erfindung eines poeten gleich
sieht, die stellen aus Seifrid Helbting und Vr6ne botschaft können
allerdings etwas anderes besagen als die stellen aus Er. und Prl.;
ebenso die verse aus der Marter der heiligen Margareta (Zs. 1, 153
z. 17) daz uUbe heiUge kini hat uns erlöset aUe van dem
ewigen valle; aber folgende stelle aus Lamprechts von Regens«
bürg SFranzisken leben ^ 234 ff . . . dirre werUe sehomheit. ddr
ehirA em wu ze helle treit, swer dem wege velgen wil, voUegä er
an da» %il, er vdt den iwigen val in da» grundelöse tal
hat zweifeiles die ^merkwürdige hOllenstrafe' im sinne ^ und gibt
auch den vorher erwähnten flillen ein anderes gesicht; allerdings
gebort jene anschauung, welche leicht durch combination der
schon in der ^antiken hOUe' geltenden ewigkeit der strafen und des
christlichen Sturzes der verdammten in den abgrund sieh heraus-
bilden konnte, nicht zu den theologischen gemeinpltttzen des
mittelaiters. wenigstens habe ich einen grofsen teil der patristi«
sehen litteratur mit hilfe der (freilich sehr ungleich gearbeiteten)
register bei Higne ohne jedes resultat durchsudit. um so wert«
voller war mir der fund folgendes Zeugnisses aus dem deutsehen
prosaischen Elucidarius, Von allerband GeschOpffen Gottes (ich
eitlere nach einer ausgäbe o. j., Frankfurt a. Mayn, auf der Bres-
lauer Universitätsbibliothek) s. B'' Die HeU ist oben eng / tm tmden
weit I niemand toeifs dm Gott aUein / dmi grundt fände nie kein
mann / die Bueker sagen wis / das mandie seel ewiglieh dreyn
feü I vh find doch nimer kein grundt.
B. hat jene weite gedankenwanderung, welche auch ihn etwas
stutzig gemacht zu haben scheint^ durch einen anderen 'causal-
zusammenhang'(!) zwischen den dialogen der Erinnerung 671
bis 880 und des Wilden mannes (B. schreibt fälschlich: Werner
vom Niederrhein) 40, 7 — 41, 7 zu stützen gesucht, die Selbstän-
digkeit der erfindung mochte ich beiden ^ scenen, welche in der
äufseren structur wie in der einzelausführung stark von einander
abweichen y zuerkennen, man denke nur an die ebenfalls ent-
fernt verwandte Unterredung zwischen Hamlet und dem geiste
* diesen nachweis verdanke ich meinem freunde ESchrÖder.
* RSprenger wArde wol, wie er in seinen kritiklosen bemerknngen
>D Konnds von Fuf^bronnen Kindheit Jesu (Genn. 27,370ff) för z. 1974
getan, sofort auf bekanntschaft mit der Eneide schliefsen.
* frelKch mit dem vorbehält, dsse die parabel vom armen Lasaros nnd
von rekben mann das ferne Vorbild für diese nnd Shnllche darstellnngen
abgegeben haben könnte.
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26 ENEIDK ED. BEHAGEEL
geines vaters. mit grofser Sorgfalt bat B. die beoutzang von
Lamprechta Alexander durch Veldeke dargetan, freilich sind auch
hier manche vergleichuDgen komisch, gleich swischen den beiden
ersten 'parallelstellen' s. clxxx stimmt nichts als der auadruck
redUe merken, den hundert andere dichter brauchen konnten,
ebenso wenig markant ist die identitat von AI. 973 und En.
2681. hundrU : gesundrü AI. 1563 ^ En. 975 ist formelhafter
reim, wie die vergleicbung mit Athis A* 103 dar su $edu hundirt
rüiere ü% getundirt ua. lehrt, aufs. cLxxxin stehen neben drei entr
schieden beweisenden stellen (den parallelen zu En. 2868. 7568.
8138) sieben ganz nichtssagende vergleichungenf doch mag man
sich hier das kritiklose durcheinanderwerfen von wahren, halfo*
wahren und nicht vorhandenen berührungen gefallen lassen, weil
das resultat über allem zweifei fest steht: Veldeke hat die Strafa-
burger redaction des Alexander noch stärker — wir würden heute
sagen plagiatorisch — ausgebeutet als Eilharts TrisCrant. letz-
teren nacbweis mäner einleitung zum Eilhart hat freilich Be-
haghel zu stürzen versucht und Wilmanns ist Behaghel noch
kürzlich in seiner besprechung von Schcrers Litteraturgescbicbte
ohne weitere begrflndong beigetreten. ^
Gegen Befaagheis ausfflhrungen s. cLxxxvni — cxcin ridit«t
«ich mein kldner aufsatz Zs. 26, 13 ff, vgl. dazu Schröder in
der DLZ 1882 nr 16 sp. 570 und fiinzel aao. der sepanUib-
zug dieser partie enthielt noch eine reihe fehlerhafter lesarten
nach BN; mit wie fliegender hast dies recognosdemngsföhn-
dien hinausgeschickt worden ist, zeigt auch die inconsequenz
der verszXhlung, bald noch EttmüUers selten und Zeilen, bald
mit den neuen durchgehenden bezifferungen t einmal z. 10424
ist der separatdruck correcter als die einleitung s. cxci : emiuif
ist dasdbst als ein wort zu lesen* wie anderhalf, der text der
ausgäbe liest widerum anders, indem er in beiden auf einander
folgenden zeilen beide werte trennt % z« 10409 (nicht 10449)
lies iol statt eel; B* hWe durch beisetzen der verszahlen oder
mindestens durch puncto andeuten sollen, wie er hier den text
der En. verktrzt hat: es folgen auf einander 10409. 10. 12. 14.
16. bei derartigen vergleichungen hat B. Öfter einzelne zeilen
ausgelassen, bez. umgestellt ohne dies anzugeben, so folgen in
^ ebenso 4er receoseai im CentralUatt» der fast aar an diea lein histo-
xischen fragen kritik feübt hat
' sehr häufig weichen auch sonst die cilate der einleitung von dem
texte der ausgäbe ab ; meist steht die richtigere lesart im texte, so s. cxxvi
z. 12869. CLXXiv : 243U cLxxxn : 7342, allerdings stimmt hier der minder
gute text von hBM genauer zu der verglichenen stelle des Alexander;
8. cxcvn:8038; dagegen steht der bessere text in der einleitung s. cxxvn
z. 7048 im Verhältnis zu der ausgäbe, ebenso aLxxxv:395. clxxx: 2717.
GLxxxi : 6346. die verbeasenmgen s. x schweigen über dies mistiche Ver-
hältnis, Gorrifl;ieren auch sonst nur einen selir geringen teil der sahUesea
druckfehler, durch welche namentlich die einleitung entstellt wird.
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XHBIDE BD. BEBAOISL 27
dem citat aus Herbort s. ccvin auf einander t. 15273. 74. 76.
79« 80; 8v ccxni in dem eitat aus dem Erec 8001. 2. 4—6. 15-*17,
die correspondierenden verse der En. sind 9208. 9. 26. 27.
24. 25.
Meinen grttnden gegen des verf.8 annähme der prioritift Yel-
AAe» vor EiUiart kiabe ich nach den weiteren ausführungen Be*
haghels s. cxcni-— cxcvn, welche der Sonderdruck noch nicht ent-
hielt, nur weniges hinzuzufügen, fttr unumstöfsiich halte idi
mit Schröder und Ktnzel die reihe: Eilbart, Strafsburger Alexander,
Veldeke. B.8 versuch, meine these durch exemplification auf
den Lanzdet, Veldekes Servatius, Moriz von CrAün zu falle zu
bringen, nimmt keine rttcksicht auf das zusammentreffen sti-
listischer und metrischer gründe bei meiner chronolo-
gischen bestimmung Eilharts; dass der Servatius sehr wol nach
dem Tristrant gedichtet sein könnte, gibt Beh. selbst zu, doch
hatte ich diese annähme von meinem standpunct aus nicht ein-
mal fttr notwendig, wie hatte die legende des Maestrichter local-
heiligea, und wenn in ihr eine noch so bedeutende formaltech-
nische neuerung zu tage trat, so rasch die allgemeine würkung
üben sollen, welche der Eneide auch B. s. clxxxvi zuschreibt,
freilich um sie s. cxcv wider einzuschränken, die einleitung des
Moriz von Crdün mit dem umfangreichen Tristrant zu paralleli*
sieren, wie B. aao. tot, halte ich fttr ganz unzulässig, ebenso die
analogie aus dem kttnstlerleben, den hinweis auf das stümper-
hafte bild eines adiülers im Verhältnis zu den vollendeten arbeiten
seines meisters für unzntreffaid. denn es handelt sich würklich
nicht um das bewustsein gröfserer oder geringerer Vollendung,
hnher oder niedriger entwickelter kunstfertigkeit, eondem um
eine ganz neue technik, die einftthrung des völlig correct ge-
baolen und gereimten verses, ^ welche schon von den Zeitgenossen
und nächrten nadifolgern, wie uns die Zeugnisse Gottfrieds und
Rudolfs von Ems beweisen, als eine einschneidende reform em-
pfanden wurde. B. hätte also aus der künstlergeschichte fälle an-
fahren mflssen, in welchen ein schttler irgend welche technische
neoening seines meislers nicht mitgemacht hat. das dürfte ihm
aber schwer werden, denn gerade formelle dinge, äufsertiche
manieren und technische eigentümlichköten nimmt der lernende
am nsehesten an. dass Olfrid sich an dasselbe, gelehrte publi»
cum richtete wie die lateinische hymnendichUing, wird B. gewis
nicht verstanden wissen wollen; nur unter dieser Voraussetzung
dvrfte er das Verhältnis jener dichterischen potenzen des 9 jahr-
buttderts als analogie zu Eilhart und Veldeke heranziehen.
Unter den ^anlebnungen Eilharls an die Eneide' s. cxcn,
die xumeist schon in meiner einleitung verzeichnet waren, be-
^ ei ist dock wol beides, nicht nar das entere, wie der receaseot des
GentnlUattes im ge^eosats za B. will, unter RndolfiB rehten riwun lu
vcrsteho.
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28 INUDE BD. BEHA6HKL
finden sich einige von B. hinzugesetzte sehr zweifelhafter natur,
so Eilh. 2414 »» En. 1546, wo doch nur die ganz gewöhnliche
phrase: gram werden bez. weten stimmt, folgendes finde ich
meinerseits noch nachzutragen : 1) Übereinstimmung in einzelnen
phrasen Eilh. 246 dax was Hn wiUe und ein eeie «« En. 9368.
denn man wird der iesart von EH den Torzog gehen Tor B.s
dat was sin wiüe end her sede, wegen En. 10958 want he sinen
willen end einen sede wale erkande und der verglichenen stelle des
Tristrant, welche ihrerseits gegen Bartschs schlimmbessemng bete
für sete (Germ. 23, 352) geschützt wird, ferner Eilh. 2490 und
mich so s&e ane gast, En. 10300 woUestu mich eus ane gdn; Eilh.
2912 ich entgelde miner [grözin] trAwe, En. 2042 ich mo^ minre
trouwen ontgelden (B. fölschlich engMen). auch die derbe wendung
wat düvels 11446 legt schon EUhart einmal einer seiner personen,
dem Keie, in den mund, denn Eilh. 5425 wird wegen der zu*
Stimmung von P (Pfafis ausgäbe 117,23) zu H zu lesen sein
waz tüfels solde (oder solle) ^ wir hie? 2) wörtliche anklänge
auch mit Übereinstimmung der reime Eilh. Xd6 wie der hSre
Tristrant zu disir werlde erst bequam, und ein ende wedxr nam
(vgl. noch 9449 und die anm. dazu) und En. 6253 wanen et
hegende end wie et quam end wie etaUet ende nam; Eilh. 117 ff
sie schroten unde weinten, wol sie hescheinten daz in die vrouwe
nähe ging, En. 9131 s&e ei weinden. wale si dat beskeinden,
dat hm die frouwe lief was und sehr Ähnlich 8133 ; endlich Eilh.
9327 dd Uz sie man unde Umt, beide sehaz unde gewani «» En.
12571 (Eneas wollte dem Turnus laesen) beide borge ende UaU
ende skat end gewant.
B. verfährt nur consequent, wenn er auch dem Grafen
Rudolf seinen platz unter der nachveldekeschen dichtung gibt.
Wilhelm Grimms nachweis, dass das gedieht, welchem die schönen
bruchstücke angehören, höchst wahrscheinlich zwischen 1158 und
1173 verfasst worden ist, von Sybels, Wackernagels ua. beistim-
mung machen ihm dabei keinerlei kopfaerbrechen; B. scheint
diese bemühungen, den Rudolf nach seinen historischen bezogen
chronologisch zu fixieren, gar nicht zu kennen oder für verfehlt
zu halten, einer Widerlegung wflren sie immer wert gewesen,
übrigens darf Graf Rudolf wegen des einen gedankens, dessen
auch nur entfernte Verwandtschaft mit En. mir keineswegs ein«
leuchtet, weder unter die Vorgänger noch unter die nachahmer
Veldekes gestellt werden.
Zu der frappanten berührung zwischen En. und Moriz von
Cräün s. czGvni möchte ich nur, ohne damit die beweiskraft dieser
stelle abschwächen zu wollen, die formelhafte bindung der reim-
worte anmerken, vgl. schon Rolandslied 213, 19 mm swester
^ ein Augsbareer druck o. j. (bei Zimmeimann), den Pfiff leider olcht
benutzt hat, liest mit näherem anschloss an das gedieht als die flbrigen
aasgaben ff^a$ teüfeU sol wir hie.
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ENBIDB SD. BBHAGHBL 29
AUe enseol an ihiim arme niemir er warme. — s. cxca. sollte
der dichter des Moris von Cr^ün nicht auch den Undernamen
in z. 1122 holz wm Vulcänus aus Ed. 5145 (CamiUe von
Yoleäne) entlehnt haben?
Zweifellos ist die benutzung Veldekes durch Albrecht von
Halberstadt, doch kann ich kaum den dritten teil der gegenttber-
stellungen als bOndig anerkennen, ferner ist die ganze erste seite
der belege für die aMiangigkeit meister Ottes (s. ccni) nach meiner
ansieht einfach zu streichen; Eraclius 2803 — 5 steht schon wegen
des Vergleiches der kftite mit i$ viel naher zu Eilh. 2497 ff als
zu der angeführten stelle der En.; am meisten fiberzeugendes
enthält 8. ccify darunter einige ganz schlagende falle, dasselbe
Verhältnis bei Herbort und Ulrich von Zazikhofen; in den aus
diesen beiden dichtem angezogenen stellen stört wider eine grofse
SDzahl von dnickfeblem. Lan«. 6207 ff. 7577 ff und die gegen-
über stehenden verse der En. würde man gerne missen ; mit über-
triebener scharfsichtigkeit sucht B. s. gcx aus zwei unbedeuten-
den lesarten die tatsache herauszuklauben, dass Dlrich die re-
daction BMw der Eneide vorgelegen habe; und dieser umstand
wird s. cLXi als chronologisches beweismoment verwertet! ich
weifs redit wol dass zb. Jünicke diesen gesichtspunct mit glück
für die kiitik des GottfHedschen Tristan geltend gemacht hat,
aber das beobachtungsmaterial muss doch etwas greifbarer sein
als dasjenige, aus welchem B. seine fadenscheinige hypothese ge-
sponnen hat. zu dem abschnitt über Hartmann ist zu bemerken
dass der gedanke des zweiten Büchleins z. 649 ff allerdings so
allgemeiner art ist, dass man ihn ebenso gut an Nib. str. 17
anknüpfen oder mit Tit i 68, 3 vergleichen konnte, die Zeilen
des Erek 6524f er ipraeh Hr exzmt Übel hütl' beide stiUe uni
Mer lüt können noch als reminiscenz an En. 13021 f doe gprac
die kimingin in>er l^: *wie frö du nu bi$t, ovd hüt usw. auf-
gefasst werden.
Zu s. Gcxii. den gedanken, dass die menschen die liebe fürch-
ten wegen der schmerzen, welche sie bringt, den Gottfried mit
mitleidigem IScheln als die durchschnittsempflndung seiner mit-
menschen der eigenen leidenschaftlichen liebesphilosophie gegen-
über stellt, konnte der dichter, wenn er ihn nicht aus eigener
lebenserfabrung schöpfte, ebenso gut wie in der Eneide bei dem
von ihm hochgepriesenen Hartmann an verschiedenen stellen von
dessen dichtungen gelesen haben, dem etwas philiströsen, ängst-
lich um die ruhe seines und anderer herzen besorgten sflnger
der m^ze ist jene ansieht recht aus der seele gesprochen, die
einscUllgigen stellen findet man jetzt bei Wihnanns Leben und
dichten Waltbers von der Vogelweide m 218.
Wirnts von Gravenberg abhüngigkeit von Veldeke war schon
genauer als bei B. untersucht in RBethges inhaltreicher schrift:
Wimt von Gravenberg, Berlin 1881, s. 42 f; die beiden letzten
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30 EMBWft SD. BEHA4HIBL.
parallelen ß. ccuivf siod wider getrost zu slreiGbeo. die stelle
aus Hai und BeaQor ist nach meiner ansiclrt nicht durch die
EneidCf vielmehr durch Titurel str. 64. 65 angeregt, s. ccunu
begegnet nach sehr fragwürdigen expectorationen über Ulrich von
Lichtenstein wider Wernher vom Niederrhein statt des Wilden
mannes; ich berichtige hier gleich nachtrftglich einen anderen
litterarhistorischen lapsus Behaghels s,€LXxxva: der dichter eines
Trojanerkrieges, von dem wir die lebenszeit nicht, kennen, ist
Berthold von Herholtzheim, nicht Biterolf ; letzterer war ein Zeit-
genosse Rudolfs von Ems, der ihn in seiner Alexandreis 15677
min friunt nennt, vgl. Zs. f. d. pfail. 10, 97,
Von grofsem interesse ist der nachweis, dass dem compi-
lator des Karl Meinet die Eneide für mehrere scenen in umfäng-
licher weise als muster gedient hat KM 61, 12 Ittsst sich durch
eine leichte conjectur heilen . . . t^or der midder ntuslu enspranch
(nichts als der strich über dem a in ensprach ist zu ergftnien)
Karll van der gedacht usw.; meine Vermutung wird bestätigt durch
Genesis (Diem.) 85, 9 dee troumes idi iniej^nmch.
Unter den Zeugnissen für die Verbreitung und litterarifiche
würkung der Eneide, von denen die lyriker leider principiell,
aber ohne überzeugenden grund ausgeschlossen worden sind, ver-
misst Schröder aao. sp. 571 Athis und Proptnlias; dline genauere
Untersuchung sind mir folgende anklinge aufgefallen, die freilich
bei der formelhaftigkeit der ausdrücke keine Sicherheit geben:
an En. 6709 f H wolden fUen in dat helt. doe was da menüh
ridder stoU erinnert Athis A* 85 ^üf etmr iot<tn tior etma holz
dar quam manic riitir ätolz. vgl. noch En. 5043 f; femer En.
13391 wat wandars he worchte. toiden man ken vorchte, vgl. damit
Athis C 39 WMT sfnto Ube$ vorehte, wend AthU iDimdir toorchte.
Dass Reinbot von Dorn Veldeke nur aus den lobpreisenden
erwähnungeH Wolframs gekannt habe, ist ^urar von Braune (aao.
255) behauptet worden, die blofse erwfthnung des Heinrich von
Feldeckyn 693 würde in der tat nichts beweisen; aber dieselbe
gewinnt doch an bedeutung durch die dicht darauf folgenden
Zeilen 7 13 IT Da uxfrdm sie beide mieeefar, AU froudenrich sie
waren e. Da geyn wart en nu so we. Aho komft aUe cxit tru-
Ten, So nodk sufsem eyn euren usw., in welchea noian gedanken
der minnemonologe unschwer wider erkennt, ferner beachte
man die wol auch durch die Eneide angeregte kurze anspräche
an die Minne 5438, man vergleiche Georg 675 Dü$ ir keyner
nie geplag Siaffen, drindcen, eseen mit En. 9842 si benemel hem
dat släpen end eten ende drinken; Georg 252 Ich hans davor sun-
der spot. Das yemant lebe, an got mit En. 11843 et endochte en
niet ein spot. he nam sinn Uevesten got; die gesunde siechen 547
erinnern an den leiden lieven En. 2295; vor allem aber erblicke
ich in Reinbots Zeilen 4113f Und weren es alUs gebur. Das hie
folkis ist erslagen. Ich enkunde ir nidit voüendagen eine pole*
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EREIBE BD. BEHASaUs 31
mische anspidUBg auf die lür deo exclusi? aristokratiscbeD stand-
pttDct Veldekes so characteristischeii worte £n. 6425 st worden
al fMtstieh er$la§m. soUe man AiltknedUe klagen, dies genügt
woi sum beweis von Reinbots bekanniscfaaft mit der Eneide.
DQter den Zeugnissen batte ferner Ottokar mit der oben citierien
stelle figurieren mttssen und das durcb seine merkwürdigen
Oxymora anageseiehneie sechste der von AvKeUer publicierten
Altdeutschen gedkbte (Tübingen 1877), Von der minne kraft;
insbesondere scheinen die zeilen 3, 7 fT Sie maeht den eichen ge-
sunt, eie han heän und wunden, sie wundet allenthalben und
heiü on ealben, 12 eie kan vechten und vereün geflossen zu sein
aas En. 9891 <l soenet aelve den toren und 9894 ... dat ei heilet
wale die wenden dne stJven end dne dranc.
Der verständigen Untersuchung über das Verhältnis der hss.
geht eine genaue bescbreibung derselben s. i — xi voraus; nirgends
wird hier bemerkt dass wol schon der arcbetypus, worauf Veideke
im epiloge 13446 hinzudeuten scheint, mit bildem geschmückt
war. s. II ist B. entgangen dass Wackemagel die inschriften
der Berliner hs. vollständig im Anz. des germ. museums 1855
sp. 273 ff. 312 ff veröffentlicht hat.
Leider kann idi Behaghels texte nicht eine ähnlich ein-
gehende besprechung widmen wie der einleitung. dass ich den-
selben für eine im ganzen tüchtige philologische ieistung halte»
habe ich schon oben ausgesprochen, im einzelnen hätte sich
der herausgeber mehrfach noch strenger an die ergebnisse sein^
scharfsinnigen bestimmung des fassveitttitnisses halten sollen, so
begreift man nicht, warum er z. 634 BHw in den text setzt;
die z. lautet nach GE (hH) si weh ^eh harde &en d. i. belohnen,
möglich dass diese bedeutung von Sren (vgl. zu Eilh. 4080) der
quelle von BHw nicht geläufig war. dagegen würde ich zb. 2064
die lesart dee der gruppe BMw dem modernisierenden dar omhe
der übrigen hss. vorgezogen haben, warum steht 2314 nicht
unflectiert V^nüe mit Gh? ebenso 2363 m? 2640 ist wol zu
lesen end getrostem s^nen moetp B. gibt freilich nur die var. tröste
h, vgl. jedoch Ettmflllers apparat zu 83, 14: GHBM haben dar*-
nach das pron. im(e). ist 2892 nicht mit G die form bumende
zu setzen? 2988 mit G der moet (daraus h den m.), wofür die
anderen hss. verdeutlichend sin haben?
3031 ist jedesfalh statt s&en mit G swdren zu schreiben,
wodurch der vers der parallele aus dem Servatius noch ähnlicher
wird, vgl. s. cLXvm. für 3099 bildet 4236, wo nur w verdeut-
lichend dido liest, keine ausreichende stütze. 3100 wird ein
coDsecntivsatz verlangt, vgl. die varr., man schreibe deshalb mit
Ettmüller i&, vgl. 696. 10173 deich. 3342 lese ic hmit GH dd;
3518 mit den meisten und besten hss. dat he die godxnne
Djdne.
3681 ist houftstat (nicht hoeftstatl) durch die lesart von EH
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32 EIOEIDB BD. BBHA6BBL
hauvet zu ersetzen, wie die aom. vorschlägt; dort hätte noch auf
DWB IV 2, 604 unter ii 1 d verwiesen werden sollen; 3870 stand
zweifellos im archetypus dat sant, daraus erklären sich die ab-
weichungen der hss.; auch Eilhart kennt daz sant vgl. meine
einl. s. Lxxxvi. vgl. noch dat sant En. 7509 nach B(EH> —
4303 scheinen für die lesart von BHw die z. 4402. 4475 zu
sprechen, andrerseits steht 3974 her Mt ein edd ma» gumwm
und 8588 man weit wäU, dat Turnus üwer d^^ehter geswAr mit
der (4303) von B. recipierten lesart der besseren hss. in ein-
klang. endgiltige entscheidung wage ich nicht zu treffen. 4541
ist wol obre beste mit HBMw(E) in den text zu setzen. 4564
könnten BM u>d in derselben bedeutung wie 2260 (vgl. die
anm.) erhalten haben. 4968 ist nu mit den besseren hss. zu
streichen, 4970 mit GBH geswiket zu schreiben, warum ver-
schmäht der herausgeber 5573 die lesart von Gh he es? 5586
habmi wol GBw spise, die angäbe der lesarten scheint ungenau. ^
5626 fahren auch EH auf die lesung von Gw dat her Mars, dies
also ist am besten beglaubigt und entspricht auch besser als die
in den text gesetzte lesart dem fast familiären frauwen Ven'äse
der folgenden zeile, vgl. her j^os (nach hEH) 2659. frou
IHdö 1231. frou Kamille 5225. 9062. 9474 uö. warum nimmt
B. 5800 nicht das durch die Übereinstimmung von 6b gut über-
lieferte, zuerst auf md. Sprachgebiet auftretende st. f. eine vane
auf? 5833 wäre besser, wie die anm. frageweise vermutet, aUen
zu schreiben gewesen, dem entsprechend aber 5832 her; die
änderungen von EH 5879 f erklären sich am besten, wenn man
annimmt dass die beiden verse ursprünglich lauteten (hem eii-
mocht) niwet Uever stn geskiet. die wdpen he sien liet (vgl. jedoch
Braune Zs. f. d. ph. 4, 260). 6341 ist besatten durch GhEH besser
bezeugt als die recipierte lesart. 6461 streiche alre mit h. 6607 ist
wol neutr. ein lif vorzuziehen, vgl. auch h em leben, und 8220, wo
PGBM das leben bieten. 6814 scheint mir immer noch wahrschein-
licher als das gewöhnliche erfären, welches gewis beibehalten
worden wäre, das simplex vunden. 7249 überliefert wol G nur
mit misverständlicher trennung das richtige; innöt, bisher nicht
anderweitig nachgewiesen, stellt sich in eine reihe mit einem
anderen ix7t<xS leyofievov, dem compos. ingedane bei Hermann
von Fritslar, Myst. 2, 441, vgl. ingf^tene, inguot usw.; das sel-
tene wort gaben hBMw dem sinne nach richtig mit gröze not
wider, G trennte es falsch, EH bieten nur das simplex. warum
^ in folgenden fHllen wäre es erwünscht Sicherheit tn haben, ob der
fehler in den yarianten auf seite EttmüUers oder B.8 liegt: 22S2 (nach
Ettm. mute BM). 2983. 3808. 3855. 4896 (wo £ttm. mtr sUU hör schreibt).
6192. 7526. 7708 (E.8 text aU ich es, var. G Jlse ich», B. aise ich),
10964 (fehlt wale M(6)?). 11219. 11698. 12730; 11996 druckt E. ohne
Jede var. woldet ir, B.s text verstehe ich nicht; 12912 haben Bw, wie
nach Ettm. zu vermuten, auch der?
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ENBIDK ED. BEOAGBEL 33
schlierst B. 7427 nicht aus der lesart von G auf constructioQ
TOD onder mit acc? 7656 kOoote maa im hinblick auf 8376
gesküde vermuten. 7677 ist vielleicht doch der lezt von BMw
der ursprüngliche und die übrigen bss. basieren auf einer me-
trischen besserung. 7867 hat wol die minder gute classe in
ageleite das echte bewahrt.
8652 vermag ich an stare nicht zu glauben , doch könnte
man an sart ss zart, das wie sierlich aus dem oberd. entlehnt
werden konnte, denken. 8678 verdient gereit EHBM den Vorzug
vor bereit. 8725 ist mit EGH ein dagedinge zu schreiben: das
schw. n. ist md. vgl. Mhd. wb. i 334^ 9009 ist die Überliefe-
rung nicht anzulasten, die anm. zu diesem verse wird widerlegt
durch Parzival 264, 1 ich wil iu sagen des einen zarn; ähnlich
faeifst es iwein 4577 em sprichet niemer m4re dehein iuwer ere.
9070 lese man mit GHBh gröte geseUeskap. 9203 hat G vor
die horch gewis das echte, zu z. 9294. 7984 ist zu bemerken
dasB die meisten hss. an der zuleut genannten stelle auf fene-
boume weisen; lene, kneboum, schon ahd. zu limboum entstellt
(vgl. DWB VI 751) ist wilder aborn. waren die tragholzer der
baren im ma. etwa so häuflg aus ahorn? für 9294, wo alle
hss. einfaches boume lesen, ist daran zu erinnern dass der sarg
in der älteren spräche, noch des 16 Jahrhunderts, allgemein todten^
bäum (friesisch dothot), aber auch einfach bäum (DWB i 1188)
genannt wurde, die schlusszeile 9510 ist doch wol in die grab-
schrift einzubeziehen. 9565 siebt man nicht ein, wamm der
herausgeber von der lesärt von GhEH werke abweicht. 9555
schreibt B. gegen alle hss. erlöse, aber erlescte wird ebenso in-
transitive bedeutung haben wie das 9369 (nicht einmal einstim-
mig) überlieferte fürden. sollte nicht auch G 2944 mit schreieten,
13218 mit fn gevreiscde das echte bewahrt haben ? nichts darüber
in der sprachlichen einleitung. 9940 die beseitigung von nicht
gegen die gesammte Überlieferung scheint mir willkürlich, es ist
bindung von versen von 3 : 4 hebungen klingend anzunehmen.
10260 lese ich mit Braune (Zs. 16, 431) quäle : denn queU
scheint vorzugsweise dem oberd. Sprachgebiete anzugehören, vgl.
auch qudle (ihMe) 10586. warum folgt B. 10269 nicht GHE?
10433 ist die gegen die hss. hergestellte syncopierte form avr
vor leideT ebenso geschmacklos als fehlerhafl und zwar in dop-
pelter oder gar dreifacher beziehung: 1) ist die einsilbigkeit
nicht möglich vor dem consonantischen anlaut, 2) ist die er-
hohung von es, auf welches B. erste hebung legen muss, un-
möglich, 3) verstöfst diese annähme gegen das oben angeführte,
von Veldeke genau beobachtete gesetz, nach welchem bei zwei-
silbigem auflact die erste silbe höher betont sein muss. man lese
also mit 3silbigem auftact ich roek es aver leider al te vele. 10438
war si zu inclinieren: volgdes aUet mede. oder denkt B. an
A. F. D. A. IX. 3
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34 BMKIOS ED. BEUAGOKL
synekphonese der vocale? 10654 ISlsst sich onM^e hEHBM viel-
leicht mit onmdeUs 3541 verteidigen, vgl dort die anin. äholich
bedeutet zb. einmal in Valentin Schumanns Nachtbücblein icAaiMt-
los schändlich, vgl. Goedeke Schwanke des 16 Jahrhunderts s. 98.
z. 10693 ist nach der Behaghelscben textgestaltung unlesbar; man
konnte gloven lesen, doch führen Gh auf das richtige gedorUun,
vgl. Zs. 26» 4 anm. 1. 10726 Ongemac ist wegen des parallelis-
mus mit der personificierten Minne zu schreiben. 10829 lese
ich in tlbereinstimmung mit allen bss. mef stnn gsellen dar töe
geriden. 10834 ff bat B. widerum ohne not die Überlieferung
verlassen, es ist zu lesen: ende hoef stA vek hö here hoge end
her moet aU noch vele menege doet. ganz dieselbe construaion
zb. in Harlmanns A. Heinrich 395 daz herze mir dö akö UuotU
als aüe werütören tuont, vgl. auch B. zu 3057.
10945 ist das von den besseren hss. überlieferte de (durch
he verdeutlicht), welches den parenthetischen satz einleitet, fest-
zuhalten. 10974 ist an dem sicher überlieferten die burc es nicht
zu rütteln, der 3silbige auftact steht hier characterisliscb für die
fröhliche Stimmung, aus welcher Eneas seine Wahrnehmung ver-
kündet, die erklirung des herausgebers ist ganz unmöglich.
11030 scheint es mir methodischer, das für das mhd. sonst
nicht zu belegende heiten aus BH aufzunehmen, vgl. Lexer
2, 506.
10202 lies ein goede märe vgl. 11839 ua.; 11384 wat
witet mir her £neas vgl. 2659 hEH. 11759 EH; 11406 mit
creticus für amphibrachys des bedwanc mich so gröte not, Be-
baghels willkürliche Schreibung gröt not gegen alle hss. er-
zeugt noch dazu einen unzulässigen doppelreim. 11441 lese
ich gesittet es, denn diese form des parL kooomt allein der
Maestr. mundart zu, vgl. Stat. 0 ^b als dat is geschiet, 80
gesciet s^n, sie wird für Veldeke nirgends durch dessen reim-
gebrauch widerlegt, vgl. meine conjectur zu z. 5879. 11692
ist zweisilbiger auftact nicht nOtig: Slat. 59 überliefert der mes-
daet; 11750 ist zweisilbiger auftact nach den ausführungen s. 17
unmöglich, dreisilbiger lässt sich vermeiden, wenn man, wie
vorher wahrscheinlich gemacht ist, mit EH liest die wUe dat her
MnSas.
Für 11885 und die note. zu dieser stelle ist eine bemer-
kung Konrads von Megenberg 19, 3 von bedeutung wizz da» die
glider an dem menschen aigenlich ahsel haizent und an den tiem
pueg. vgl« uocb erbüegen Mhd. wb. 1, 180^ 12963 lies vol-
lendoet. 131.09 tap^ltliken wie sonst, vgl. auch Stat. O 72.
13266 lese. i(>h: lieber mit E toant hem usw. 13414 verlangt
der vers.die verkürzte form Jersalem, die stelle ist nachzutragen
zu Vogts, anm,- zu Salman und Mor. 1, 1.
In einer ganzen reihe von OiUen ist es mir zum mindesten
zweifelhaft, ob wir bei Behaghel die richtige lesart im texte lesen.
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nXCOB BD. BEflAGBEL 3&
zb. 1686. 2791. 2713. 5099. 6044. ^ 8492. 8966. 9190. 98^9.
10302. 10452. 11194. 12045.
Übrigens hat der herausgeber durch sorgsane beobaclitiiii]^;
des apnchgebraudis sowie durch maoche vortreffliche coujectur
dea text der Eneide an vielen stellen geeinigt. 3 mal hat er
eine Iticke gelassen: 44. 4636. 7997, in den beiden letzten fäUea
wol ohne not; nur Behaghels anmerkung lu 4636 ff bringt Ver-
wirrung in die stelle, die lesart von GBMw ist einfach in den
text zu setzen: ein grund dafür dass das wild flieht braucht
nidit angegeben zu werden, denn von vorn herein ist der zahme
hirsch den vier wilden gegenüber gestellt, und dieser gegensatz
wird auch noch 4639 aufrecht erhalten; das adv. vmsUke m
verlModung mit vlö findet B. unsinnig, weil ihm dasselbe in
der bedeutung Sn ersdireckter, ängstlicher weise' (vgl. Lexer
3, 499) nicht bekannt ist; dieselbe Verbindung begegnet im
Rother (Rückert) 4271 n vlutoen vrHslicke ian.
7997 wird wol nach h gelautet haben toas over hm gehangen.
nicht hangen — hähan sondern die widerfaolong von aver, weich«
Veldekes stil gemflfs ist (vgl. s. cxxv), hätte dann den anstofs
zu änderungen gegeben, in anderen föllen hat der herausgeber
die Unsicherheit seines textes durch cursiven druck oder in
klammern gesetztes fragezeichen angedeutet; 778. 8129 f. 13461
weifs auch ich nichts einiger mafsen sicheres vorzuschlagen.
5221 aber ist nach meiner Überzeugung auf folgende weise zu
emendieren: die her (4&r E) volgen moeaim, wie bis auf h alle
bss. bieten, halte ich für ein akes misverständnis der technischen
turnierausdrttcke ter volge eni im moetm;^ gewis stand moetm
im reim auf voete wie z. 940. es werden vier turnierstiche
erwähnt, dieselben, wenn man von dem xe ttiviers absieht, welche
Wolfram an der bekannten stelle des Parzival 812, Off aufzählt
freilich weicht die reibenfolge bei Yeldeke ab; Niedoers bemer-
kuDgen Das deutsche turnier s. 34 wären demgemäß in meh-
reren puncten zu modificieren. mit diesen turnierwendungen
aber vergleicht sich das 'zäumen' und die dventiure, welcher
Eilhart erwähnt, vgl. Anz. vui 19.
Wie z. 7249 hätte B. meines erachtens auch 3111 als zu
kurzen vers kennzeichnen müssen, die Verlängerung des vocales
wird nach s. xl allein hier metrisch verlangt, richtiger scheint es
mir, die lesart der auch sonst gelegentlich allein das echte über*
liefernden hs. h zu beachten. 3110 fehlt hadde er in b. konnte
dieser fehler nicht schon im archetypus unserer hss. gestanden
* darf Bian lesea et was unädhi «t* erinnerung, vel. das franz. ra-
menh'Ofnef oder hat etwa dach hier die s^ecielkre bedeutoog von fest*
tag wie 6194 tÜ?
^ nach 5221 setze ich stärkere interpanction, te ro$se end te foete
gehört Bom folgenden.
3»
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36 EKUDB BD. BEHA6HEL
htbeut^ ich. nehme ab ursprQoglicbe lesart an dar omhß he sintii
lif hadde vele nä verloren; dann, fiel hadde aus.uod wurde an
fakcber stelle wider eingefOgt.
Endlich mag noch eine bemerkung über zu kurze verse hier
nachträglich platz finden: zwei Yon der Überlieferung gebotene
3557. 5405 hat B. glücklich gebessert, anders liegt der fall
3539 : sal werden boet wird gestützt durch 4003, wo die besseren
hss. ebenfalls bo^ für geboet schreiben; dazu stellt sich 5059
G mit einen liwen sloech. sollte in diesen beiden Zeilen das schlie-
fsende n mit dem folgenden conson. position bilden, sodass diese
Zeilen mit jenen yersen der Wiener Exodus zu parallelisieren
wären, über welche Scherer QP 1, 73 gehandelt hat?
Die anmerkungen sind meist textkri lischer natur. ^ hie und
da hätte man sie wol etwas ausgiebiger gewünscht, zu 1085
wäre auch noch 561 zu nennen gewesen; zu 1835 bemerke ich
dass noch Michael Lindener im Rastbüchlein Bv sich einer ähn-
lichen Wendung bedient: und ob er mit der fratoen under dem
mäntelin gespilt hette. zu 4015 tritt noch Eilh. 8677. zu 6762
hätte auf meine anm. zu Eilh. 9284, 10536 auf die anm. zu
Eilh. 1895, zu 7467 auf die einleitung ebenda s. glv verwiesen
werden sollen.
Trotz den zahlreichen aussteUungen , welche ich im vor-
stehenden habe machen müssen, bin ich weit davon entfernt,
Behaghels ausgäbe der Eneide als eine verfehlte arbeit zu be-
zeichnen, es ist so viel aus diesem buche zu lernen, dass man
den hohen preis, welchen der Verleger trotz der kaum mittel-
mäfsigen ausstattung dafür angesetzt hat, ernstlich bedauern muss.
[Folgende nachträgliche bemerkungen zu einleitung und text
der Eneide entnehme ich einem briefe meines freundes JFranck,
den ich um seine ansieht über mehrere puncto, so namentlich
auch über sprachliche unterschiede zwischen den liedern und
dem Servaz einerseits, der Eneide andrerseits gebeten hatte. F.
meint, V. habe sein ritterliches epos von haus aus mit rücksicht
auf das deutsche publicum gedichtet, nach welcher seite es sich
ja auch in der tat verbreitet hat. daraus erkläre sich dass Wörter
wie blide, welche in den liedern und der legende häufig ge-
braucht werden, in En. ganz fehlen, besonderes gewicht legt F.
dabei auf das fehlen der reime von t (aus d) : t (= hd. z).
was B. s. Lxxm f darüber sagt war auch mir nicht überzeugend,
der unterschied zwischen En. und Servaz nebst den liedern kann
nicht zufällig sein, weil Veldeke dem allen Niederländern so auf-
fallenden unterschied zwischen nd. t und hd. z rechnung trug,
begegnen in der En. nur reime von t : t ^^ hd. af : z oder
» vgl. 3127. 8966.
* \n der bemerkoog zu 2240 ist eine biographische notiz versteckt.
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ENEroS ED. BB0A6HEL 37
^ : z uä., aber nicht — hd. t : sf oder t : %. ^einmar schreibt
mir F. ^scheint ihm allerdings doch eiD solcher entschlüpft zu
sein, nämlich 3563, wo mir wahrscheinlich wird dass der ur«
sprOngliche reim riet : üüt lautete, vielleicht lassen sich noch
mehr anhaltspuncte für diese ansieht gewinnen, sollte sie sich
aber nicht bestätigen, wflre ich fast geneigt, eine unseren t^ten
Torausgegangene schon verhochdeutschende Umarbeitung des ori«'
ginals anzunehmen.' zu s. lxi bemerkt F. dass gier und viere
allgemein nl. sind, ebenso alles, ursprünglich gen., s. Lxxin;
s. xcii gien, eien nimmt F. nicht als Verallgemeinerung des un-
gebrochnen vocals, sondern erklärt ie aus e -f- vocal, also gehan,
gean, gien,
S. xcvi in der stelle aus Lanc. ist versaget misverstanden,
es steht gleich hd. verzaget, doch fehlt es sonst nicht an be-
legen fOr sagen, dicere im nl.; s. cvui unten das beispiei aus
Alex. I 27 hat B. ebenfalls nicht verstanden : mine roec ist »■
mir ne ruocket, gehört also gar nicht in diese reihe.
Mehrere der nun noch folgenden besserungsvorschläge zum
texte gehen darauf aus, die zahl der unreinen reime durch an-
nähme anderer laute und formen nicht unbeträchtlich zu redu-
eieren. 357 proponiert F. helt:teU (nur teilen habe gewahr);
516 breide; 1348 im reim verwoeek, praet. von dem mnl. ge-
wöhnlichen verweghen i^ lästig sein; 1437 skeen regelm. nl.
plur.; 2164 doe; 2255 iusle mnl. «> liste; 2416 entwein, nl.
regelm. mtween; 3404 streiche goet end; 3477 quellet : teilet; 3757
die Veränderung von doe in doen ist nicht gerechtfertigt; 5070
der sine; 5101 ist zu lesen an den boektn sagen (sägen praet.
von Sien)? sollte 5104 enden <« nnden mit umlaut möglich sein,
wie das auf benachbartem Sprachgebiet belegte sende «« Sünde?
6366 lies goeden, denn lof nl. in der regel masc; 6928 punct
hinter giengen, zu 7984 bemerkt F. dass lemaen im nl. gebräuch-
lich für deicbsel sei, dann ist natfirlidi mit Braune das frz. wert
in den text zu setzen und meine bemerkung oben s. 38 hinMIig;
8416 uö. dreggen kaum limbargisch, sondern droge, 8492 gibt
¥. e$t (ts:^ es et, es dat, wenn) den vorzug vor echt; 8651 wol
wari verwert (von verteerden, verderben) :hert, bez. hart.]
Weimar, augusl 1882. Franz Lichtenstein.
W JA JoNGKBLOET , Geschiedenis der nederlandsche letlerkunde in de zeven-
tiende eeuw i. n (Geschiedenis der nl. Ik. ni. ir). 3 gebeel omge-
werkte nitgave. Groningen, Wolters, 1S81. 1882. 384. 506 ss. 8^
Ref. hat die zweite aufläge von Jonckbloets Gescbiedenie der
ol. Ik. im Anzeiger i 222 besprochen, die jetzt im erscheinen
begriffene dritte aufläge ist auf 6 bände berechnet, von welchen
bisher die zwei mittdsten vorliegen, sie behandeln das sieben-
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38 JOIVCEBLOKT GB8CnB0KBI18
zehnte Jahrhundert, und man wird gerade diese zeit, das goldene
Jahrhundert Hollands auch in liUerariscber beziehung, besonders
gern von neuem geschildert sehen, auf diesem gebiete ist in
der letzten zei4 eine anzabl tdchtiger monographien erschienen:
von Kollewijn, Kronenberg, Penon, ROssing (dessen allerdings
ftoch nicht veröffentlichte preisschrift Ober SCoster Jonckbloet
vorlag), te Winkel ua. vor allem aber ist Jonckbloets eigenes,
neues durchforschen der lilteratur seinem werke zu gute ge-
kommen, er gibt zb. eine anzabl wertvoller mitteilungen aus
einer Sammlung der briefe von Huyghens, welche er spSter voll*
standig zu veröffentlichen verspricht, und die gesammtauffassung
ist sein eigenes, und ein nicht geringes verdienst, schon frQher
war er der sonstigen, meist panegyrischen darsteUungsweise seiner
landsleute entgegen getreten und hatte höhere gesichtspuncte gel-
tend gemacht , wie sie die rQcksicht auf die weltlitteratur auhu«
stellen gebietet, er hatte innerhalb der holUlnüischen Ktteratur
eine entwickelung, und zwar eine sich nicht blofs in aufsteigea-
der ricbtung bewegende nachgewiesen, jetzt ist das bUd der hol-
ländischen litteratur in ihrer blutezeit dadurch um so anschau-
licher und gewis auch um so getreuer geworden, dass auch die
geister geringeren Schlages berücksichtigt worden sind, neben
Hoofl, Huyghens, Vondel kommen auch ihre gegner, Rodenburg ua.
zum wort, geradezu dramatisch erscheini der Wettstreit zwischen
der classischen richtung, welche gelehrte und vornehme empfahlen
und welcher die grOfseren latente folgten, ond der romantischen,
die dem herzen des niederländischen Volkes nfther kam. Jonck-
bloet wirft gern einen Seitenblick auf die ausUndiache litleratur,
von der sich die heimische beeinflusst zeigt, das Verhältnis zb.,
in welchem Rodenburgs Trouwen Batavier und Vondels Leenwen-
dalers zum Pastor fido Guarinis und zu Tassos Aminta stehen,
ist 2, 252 ff lehrreich erörtert, auch die einwürkung der dm-
natischen theorie, wie Heinsius ua. sie nach Aristoteles auf-
stellten, wird berücksichtigt, bei der abhtogigkeit, in welcher
die deutsehe litteratur des 17 jhs. an vielen puncten zu der hol-
bndischen steht, wird Jonckbloets neubearbeitung seines Werkes
auch in Deutschland gewis volle Würdigung finden, die aussUt»
tung dieser dritten ausgäbe ist handlich und zierlich.
Strafsburg, 28 juli 1882. E. Martin.
Theopbilu^ middelaederl. gedieht der 14 eeuw, op oieuw uitgegeven door
dr JVerdam, hoogleeraar te Amsterdam. Amsterdam, de erven Tan
HyMoDster tu zoob, 1882. 172 ss. 8^*^
Diese vortrefflich ausgestattete ausgäbe hat Verdam als fest-
schrift zu der am 8 Januar 1882 stattgehabten feier des 250 jah-
t* vgl. Litt centralbl. 1882 sp. 512 f (EKAlbing).]
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THEOPBlLtlS ED. TBRDAM 39
rigen b€stehens der 'inrichting voor booger onderwijs' zu Amster-
dam, dh. des Athenäums, aus dem vor einigen jähren die dortige
untversitflt hervorgegangen ist, erseheinen lassen und damit seinen
zweck erreicht, dass der Theophilus, welcher zuerst von dem
unfühigen Blommaert (1836, 2 ausgäbe 1858) herausgegeben wor-
den war, nunmehr in einer wardigeren gestalt vorliegt, in der
ansfahrlichen einieitong wird im anschluss an Kolbings Beiträge
zur vgl. gesch. der romantischen poesie und prosa des mittel-
alters, teilweise gegen ihn polemisierend, über die quellen des
nl. bearbeiters gehandelt: V. kommt zu dem resultate dass dieser
wahrscheinlich verschiedene Versionen kannte und aus ihnen selb-
sftandig einen neuen lext zusammensetzte, dagegen hat unterdessen
Kolbing im Litt, centralbl. aao. einspräche erhoben, ich enthalte
mich naher auf die frage einzugehen , in der Voraussetzung dass
sie von der anderen seite weiter verfolgt werden wird, jedesfalls
ist durch Verdams sorgfUtige vergleichende analyse des mnl. textes
jede folgende Untersuchung bedeutend erleichtert, es folgt dann
ein weiterer abschnitt der einleitung (s. 23—60), den ich deshalb
mit besonderer freude begrOfse, weil er den herausgeber auf dem
besten wege zeigt, über unsere überlief ernng hinaus zu einem
echteren texte zu gelangen. 1) wifd auf grund zusammenhängen-
der betrachtung der ungenauen reime dargetan dass dieselben —
aufser in wenigen bestimmten fitllen — nicht vom dichter her-
rOhren, und 2) wird eine anzabi zum teil sehr umfänglicher Inter-
polationen von im ganzen beinahe 250 versen constatiert.
Ad 1) habe ich folgendes anzumerken, zu v. 189. 351.
1331. 1439. 1523 wird s. 30 fr Ober einige reime mit e und o
vor r -f- consonant gesprochen: V. schreibt gherde (cupivit) :erde
(terra), aber eerden (honoraverunt) : toter eerden, dann wider be-
keme (von bdciren):gheme; ferner woert : ghehoert (warum nicht
fDOort: ghiiioort?), aber horde (von Mren) : worde. in wflrklich-
keit haben wir überall langen vocal, auch bei ursprünglicher
kflrze, die dann durch ihre Stellung in offener silbe oder durch
svarabhakti gedehnt ist. es wird doch wol niemand glauben dass
h&rde zu htirde geworden sei (vgl. zb. Anz. vn 24) ? warum aber
dann die schwankende Orthographie des herausgebers ? unrichtig
oder wenigstens ungenau ist es, wenn s. 30 und 34 behauptet
wird dass jeder mnl. dichter sich gestatte, o:oe (diphthong) zu
reimen, wer sich die mühe nimmt, innerhalb der gesammtheit
die einzelnen dichter und texte zu unterscheiden, wird leicht sehen
dass die behauptung ganz anders zu fassen ist. wir finden aller-
dings allgemein die bindung in ganz bestimmten fällen, dh. ab-
hangig von der Stellung der vocale 1) im wortauslaut, 2) vor j,
3) vor m. dazu kommt 4) die Stellung vor n, aber nur dann,
wenn der a-laot auch ö werden kann (zb. gheiüOM:te doene).
diese bindungen, besonders 1 — 3, erlauben sich so ziemlich alle
dichter, auch die, welche sonst den relativ höchsten grad der
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40 THEOPHILDS ED. VEBDAU
reioheit anslrebeD, und wir müBsen darum zugeben dass sie oichl
für unrein galten, gaaz anders verbSilt es sieb aber mit der
bindung der beiden laute in anderen Stellungen« also etwa goet
: groot, scone : te doene, roepen : lopen. aus dem vorkommen der
4 anderen categorien gebt ihre berechtigung absolut noch nicht
hervor; im gegenteil werden diese von fast allen dichtem, die
jene zulassen, streng gemieden, und es folgt daraus dass sie un-
rein sind, wenn sie sich ausnahmsweise zeigen, sind sie an sich
verdächtig, und können echt (dh. richtig überliefert) nur bei
solchen dichtem sein, welche ungenau reimen, denn so ziem-
lich auf dem ganzen nl. Sprachgebiete sind noch heute beide
laute unterschieden, müssen es also zu jeder zeit gewesen sein.
zusammenfall ist nur in sächsischen dialecten denkbar, mit dem
laute 0 für beide, und allenfalls in solchen, die an die deutsch-
limburgischen angrenzen, mit einem lil-laut. ohne jede ein-
schränkung lässt meines Wissens die reime nur Vellhem zu; aber
da zeigen sie sich denn auch nicht vereinzelt, sondern in menge,
im Herlijn habe ich zb. von ca. 11000 — ca. 18000 angemerkt
V. 11006. 11067. 11105. 11667. 11895. 12101.12607. 12623.
12679. 12837. 13635. 13752. 13969. 14077. 14095. 14221.
14691. 16921. 17671. 18121, also in 7000 versen mindestens
20 mal. es wäre zu untersuchen, ob Velthem so viel andere unreine
reime zulässt, dass man auch die häufigen bindungen von o : oe
als solche hinnehmen muss. im entgegengesetzten falle könnte
man dem Schlüsse nicht ausweichen, dass in seiner spräche beide
laute sich sehr nahe gestanden haben, jedes einzelne Vorkommnis
dieser art ist darum im Verhältnis zum ganzen texte, resp. zum
gesammtgebrauoh des dichters zu erwägen und andrerseits wi-
derum der gebrauch des einzelnen teztes oder dichters mit dem
gesammten mnl. usus zu vergleichen, wenn wir mit einiger Sicher-
heit über echtheit oder unechtheit der Überlieferung entscheiden
wollen, was Haerlant betrifft, so habe ich die frage in der ein-
leitung zum Alexander genauer erörtert und hoffe die resultate
bald vorlegen zu können, ich konnte mich darum hier kurz
fassen und auf die andeutung des wesentlichen beschränken.
Der überzeugende nach weis, dass der text interpoliert ist,
hat den Verfasser zu zahlreichen athetesen veranlasst, er ver-
hehlt sich dabei nicht dass im einzelnen über ihre berechtigung
gestritten werden kann, dass vielleicht zu viel, oder zu wenig
für unecht erklärt ist, dass die näte vielleicht nicht überall richtig
erkannt sind. Verdams methode ist ganz richtig, aber meines
erachtens ist er zu weit gegangen, wir sind ja nirgends ganz
sicher, was die vorläge enthielt, und die eigenart des dichters
hätte meiner ansiebt nach für Untersuchungen dieser art noch
schärfer umgrenzt werden müssen, allerdings gestehe ich dass
es fraglieh ist, ob ein solcher versuch ausführbar wäre, es würde
zu weit führen, wenn ich mich auf die einzelnen fälle einlassen
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THB0PHILD8 KD. VBRDAM 41
wollte, nur bei eiaetn , wo ich die nichtberechtigung der alhc-
tese leicht nachweiseo kann, möchte ich dies nicht yersäomen.
151 f sind falsch aufgefasst, in dien dal hi van hem gedaghede be*
deutet '(die liebe, welche gott ihm bewies) in dem, was er (gott)
sich ron ihm (Theophilus) gefallen liefs'. es bliebe als grund
zur athetese nur die notwendigkeit gods in gods minne zuerst ob-
jectiv, dann subjecüv aufzufassen, ein grund, der ohne zweifei
nicht genOgt« auch v. 1057 ist s. 49 unrichtig verstanden; der satz
gebort nicht zu waren verloren, sondern zu woude «0» gheboren.
Die ergebnisse seiner kritik bringt V. mit recht im text zum
ausdruck. wenn man fortschritte in der textkritik nicht aus-
schliefsen will, ist es ohne zweifei weniger schädlich, etwas zu
viel, als aus Verzagtheit gar nichts zu tun, und sehr richtig sagt
V. selbst (s. 60) 'man wird nicht behaupten können dass meine
erwägungen tiberall unrichtig seien, wol, wenn dem so ist, so
erkennt man die Wahrscheinlichkeit von interpolationen auch bei
mnl. texten an, und gerade um dieser tlberzeugung eingang zu
verschaffen bin ich so ausführlich gewesen; ich darf mir dann
schmeicheln, meine sache gewonnen zu haben.'
Mit allen einzelheiten des teztes bin ich nicht einverstanden,,
wie aus folgender nachlese hervorgehen mOge. 14 ist zum ein^
Schub von daer keine nOtigung. — 39 ist mi zu tilgen. ^-511.
minen. — 279 einfacher ist dor dat het d. b. mlh. — 348 der
puDct interpungiert zu stark. — 505 ff. kann der Obersetzer das
albi des lat textes nicht als 'elhen' verstanden haben? dann war
der reim in diesem verse vielleicht bekwiUen und swerte ist nur
durch irgend ein misverstflndnis in den text gekommen, der
folgende vers scheint die reste zweier zu enthalten 1. herde vele
. . . oder herde vele ghedeet . . . und 2. . . . (ghedeet) waren, —
533 die änderung ist ungerechtfertigt, warum soll hier kein
conjunctiv stehen können? — ebenso ist 553 die Schreibung
begheret unbegründet. — 643 var. 1. wiUeeome. — 697 ende ist
wahrscheinlich zu tilgen. — 728 ist, denke ich, haddiu zu lesen
und dann das ausrufungszeichen erst hinter diesen vers zu setzen»
— 734 ist besser mit Blommaert zum vorhergehenden zu ziehen. —
762 wird wol viani subject, mithin mi zu lesen sein. — 817 schlage
ich vor (k)ebben d. w. met quaden ghedodUen; der sinn von eien
im vorhergehenden verse wird durch v. 81 9 f aufgeklart. — 844 qua-
den, adjectivischer dativ, ist unbefugt verändert. — 847 f herte und.
gmerte sind nicht unrichtig. — 848 vielleicht nope* — 917. hinter
diesen vers setze ich einen punct, hinter 920 einen doppel-
punct, van deeen bezieht sich dann — und das ist das natürliche —
eben auf die vorhergenannten tonghe, berte, Uekame. trecken
kann in dem falle allerdings nicht aufzufassen sein, wie V. vor-
schlagt, was übrigens im zusammenbange auch gar nicht wahr-
scheinlich ist, sondern trecken van muss bedeuten ^ausgehen von',
wie trecken in bedeutet ^beziehen auf. — 981, ebenso 983. 1041»
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42 THBOPHILDS ED. VERDAU
1521 schreibt V. veertieh; aber dies ist eine holi. form, mnl.
Viertich, — 1056 ist die änderung nicht iM^twendig. — 1065 ist
die umstelliing ungerechtfertigt, 1074 die Änderung überflflssig,
1083 der zusatz Yon ende tinnOtig. ^ ilOO muss te gestrichen
werden, wie es an anderen stellen gestrichen worden ist. —
1 1 95 Maddakne ist gewis eine berechtigte assimilation ; Tgl. frz.
Maddaine. — 1250 1. soeke st. ende eotken. — 1310 ff. hier, wo
in den text ein blatt einzoschieben ist, welches in der hs. an
einer ganz anderen stelle steht — diese Versetzung hatte ver-
schiedene, sonst von V. glücklich geheilte Verderbnisse im ge-
folge — , scheint mir die herstellung nicht ganz geglückt, es
ist wol mehr vom handschriftlichen texte beizubehalten , wie aus
dem lat. , welches V. s. 29 anzieht, hervorgeht, besonders der
vers ende sal al die wereh doemen oder wenigstens sein inhalt
»^judicare vivos et mortnos. — 1390 die vertauschung von he-
raden und entladen ist nicht nötig, wenn man die andere Ver-
besserung annimmt; beraden bedeutet ja auch ^helfen'. — 1405
warum d einschieben? — 1436 ist entweder neder hinter ende
einzufügen, oder das letztere zu streicbeu. — 1517 besser wäre
es ohne zweifei oec ganz wegzuhssen als hi dafttr zu setzen. —
1589 f I. ende vonden I werden quite van (v. 1588 goeden).
Auf den text folgen anmerkungen, in denen altes ungewöhn-
liche und schwierige besprochen und meist glücklich erklärt wird,
zu 112 goketen onder den hoet ist Fiandr. ii 18 beizufügen. —
zu 249. dass das part. geplegen gegenüber von gelogen das ur-
sprüngliche sei, scheint mir doch nicht ausgemacht; ich glaube
d^s gegenteil. — 389 een stuc auch im Theoph. selbst v. 367. —
929 liegt kein doppelter comparativ — sonst eine sehr häufige
erscheinung — vor, sondern mee gehört zu ne a« nicht mehr
länger. — 1142 begegnet V. der irrtum dass er meint, helfen
regiere im hd. nicht mehr den dativ. — 1178 kann in der spräche
des denkmals unmöglich =^ verepuwen sein, die stelle ist ver-
derbt, verepeen war ohne zweifei, wie gewöhnlich, praet. von
verspanen. Oberhaupt lässt sich manchmal beim herausgeber noch
ein mangel an strenger grammatischer methode bemerken, der
hauptsächlich in der Unsicherheit, zwischen zufälligen und wesent-
Ifcben ähnKchkeiten zu scheiden, hervortritt.
Zwei betlagen, eine längere prosabearbeHung der legende
aus einer hs. der königl. bibtiothek im Haag und eine kOrzere
aus einem Delfter druck des jafares 1477/8, sowie ein dankens-
wertes register zu den anmerkungen beschliefsen diese ausgäbe,
welcher wir bezeugen müssen dass sie sich durch s^rgsamkeic und
erfolgreiches streben nach fortschntt von einigen anderen in
letzter zeit erschienenen editionen nl. texte sehr vorteilhaft unter-
scheidet.
Botin, den 7 juni 1882. Jobannks Franck.
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MmVS HATTATAL If 43
Hältatal Snorra Starlosooar herausgegeben von ThMöbius ii (gedieht und
commentar). Balle a/S., Waiseohaus, 1S81. 138 ss. 8^ — 2,80in.
In meiDer recension der ersten abteitung dieses werkes (vgl.
Adz. vn 196 fiF) habe ich ua. hervorgehoben dass Mobios im gegen-
satz zu den früheren herausgebern das gedieht Snorris als ein
selbetflndiges, vom commentar unabhängiges ganze behandelt,
wahrend er sich vorbehielt, das Verhältnis zwischen gedieht und
commentar im zweiten teile zu erörtern, so enthalt denn das
zweite, jetzt erschienene heft zunächst eine ausgäbe des gediehts
in Verbindung mit dem commentar, und hernach eine ausfOhr-
liehe kritische Würdigung des letzteren, hieran schliefst sich
eine ebenfalls sehr umfangreiche besprechung des handschriflen-
Verhältnisses und eine kurze Untersuchung Ober den Verfasser
des commentars. den schloss des ganzen bildet eine höchst
dankenswerte übersieht über die uns erhaltenen reste skaldischer
dichtung, nach den strophenforroen des Hättatals systematisch
geordnet MObios kommt hier zu dem ergebnis, dass einige der
im Hältatal enthaltenen haettir zwar von Snorri frei erfunden sein
mögen, dass aber weitaus die meisten der nur aus dem Hättatal
belegbaren Strophenformen sich blofs deshalb nicht anderswo nach-
weisen lassen, weil sie zuflaUig im laufe der zeit verloren ge-^
gangen sind.
Es ist nicht meine absieht im einzelnen nachzuweisen, wie
anfeerordentlich viel für das Verständnis des commentars durch
HöbiBS kritik gewonnen ist; ein jeder, der sich mit demselben
eingebend beschfiftigt hat und seine Schwierigkeiten zu wnrdiffen
weüis, wird auch sdion bei flüchtiger durchsieht des Werkes be-
merken dass sehr viele dunkelheilen durch Möbius teils erst
recht als solche erkannt, teils endgiltig aufgeklart worden sind.
— aber das Verhältnis des commentars zum gedichte und über
dea autDT des ersteren möchte ich mir aber ein par kurze
bemerkungen gestatten, dass der commentar in der uns vor-
liegenden gestalt nicht, wie bisher allgemein angenommen wurde,
von Snorri herrühren kann, hat Möbius durch aufdeekung der
zahlreichen misverständnisse, fehler und inconsequenzen desselben
zor evidenz nachgewiesen, ebenfalls pflichte ich M. bei, wenn
er aus dem umstände, dass einige abschnitte an wert und ge-
hak sich vor den übrigen in hohem grade auszeichnen, folgert
dass mindestens zwei verschiedene arbeiten in unserem commen-
tar« vereinigt sind, wenn er aber *unter allen umständen' *eine
bcteiligung, eine mitarbeit Snorris' annehmen zu müssen glaubt,
und wenn er schliefslich (a. 84) seine ansieht dahin formuliert
*dass Snorri einen anderen damit betraute, sein gedieht in der
uns vorliegenden form zu commentieren, indem er selber wah-
rend dieser arbeit oder nach abscfalnss derselben dasjenige hin-
sufOgte, was wir oben ala eigentttmliche ^ulat des Snorri an-
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44 uObius hattatal ii
erkennen zu müssen glaubten' — so habe ich dieser aulTassung
durchaus zu widersprechen.
Was zunächst die frage betrifft, ob Snorri überhaupt an der
abfassung des commentars beteiligt gewesen, so bemerkt Höbius
dass zwei argumente, ein positives und ein negatives, für die
mitarbeit Snorris sprechen, als positives argument bezeichnet er
die einleitung zum commentar der reßvorf (str. 17), ^die indem
sie den leser wegen der Schwierigkeit des hättr gewisser mafsen
zur nachsieht für dessen hier versuchte exempiificierung auffor-
dert, so deutlich für identilät von dichter und commenfator zu
sprechen scheint, dass wir dabei — wäre es auch nur um der
nicht ohne humor beigefügten Schlussworte (9 ^o-^^): ok nmn her
ßat $ynaz, at fle$t frumsmid stendr til h&ta — den Snorri selbst
zu hören glauben.' die betreffende stelle lautet im zusammen-
bange (vgl. ,Möbius s. 9): pessi er hinn Hundt hdttr er ver koUwn
reßvqrf. I peima hcBtti dcal velja saman pau ordtok er nlikust se
at greina, ok hafi pö einnar tidar faü hcedi ord, ef vel skal vera.
En til pessa hdttar er vant at finna ^U ord gagnstadlig, ok eru her
fyrir pvi sum ord dregin til hceginda; en synt er i fiessi visu Pai, at
ordin munu finnaz, ef vandUga er leitat, ok mun Mr pat synaz^ at
'flest frumsmid stendr til böta' ich gestehe dass ich hierin auch
nicht die geringste anspielung auf Snorri als Verfasser zu er-
blicken vermag, ja ich begreife nicht einmal, wie der commentar
hätte anders lauten können, wenn er überhaupt befriedigen sollte,
die bemerkung: en til pessa hdttar er vant usw. ist doch eigent-
lich ganz selbstverständlich, und ebenso wenig bedarf es bei dem
Schlussworte eines Snorri: so viel humor hatte auch wol ein
anderer mensch, kein gröfseres gewicht vermag ich M.8 oega-
tivem argumente, dass Snorris name im ganzen commentar Dicht
erwähnt wird, beizulegen, denn die tatsache dass Snorri der Ver-
fasser unseres gedichts war, konnte im 13-^14 jh. keinem Is-
länder, der sich mit der skaldenpoesie beschäftigte^ verborgen
sein, es wäre deshalb ganz unnötig gewesen, in dem commen-
tar, der nach seiner anläge überhaupt keine passende veranlassung
dazu darbot, eines so allbekannten factums ausdrücklich zu er-
wähnen, es ist also meiner ansieht nach nicht erwiesen dass
Snorri der Verfasser der in frage stehenden abschnitte sei, wenn
auch die möglichkeit dass sie von ihm mittdbar oder un*
mittelbar herstammen, nicht ohne weiteres geläugnet werden darf.
Dagegen halte ich es für absolut unmöglich dass Snorri,
wie Möbius meint, erst einen anderen mit der arbeit betrant,
zum schluss aber selbst die eben besprochenen abschnitte hin*
zugefügt und überhaupt die letzte band an das ganze gelegt habe,
eine solclie annähme scheint mir schon ausgeschlossen durch die
überaus groben fehler und misverständnisse, die, wie Mobios
nachgewiesen hat, mehrfach im commentar vorkommen, so lautet
— um nur 6in beispiel anzuführen — die erste seile der achten
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MÖBIUS HATTATAL II 45
Strophe id der ursprünglichen von Snorri selbst herrührenden
fassang:
Klofinn spyrk hjdlm fyr kilmis,
wahrend der commentar voraussetzt dass sie folgender mafsen
aasgesehen habe:
Klofinn ipyr ek hjdlm fyrir hilmis,
obgleich diese letztere fassung weiter nichts ist als eine abscheu'*
liehe entstellung, die mit der metrik in unlösbarstem Widerspruche
steht.
Dass es im 13 jh. leute gab, die im stände waren, derglei-
chen fehler zu begehen, will ich nicht bestreiten, es ist aber
höchst unwahrscheinlich dass Snorri eine solche person zum
commentator seines gedichts gewählt, und vollends undenkbar
dass er derartige versehen nicht selbst getilgt haben sollte, wenn
er die letzte band an die arbeit gelegt hätte.
Was die äufsere gestaltung des Werkes betrifft, so erwähne
ich nur dass Möbius natürlich dieselbe sprachform wie im ersten
hefte durchzuführen versucht hat. ebenso natürlich ist es aber
dass sich gegen das zweite heft in dieser hinsieht dasselbe ein-
wenden lässt wie gegen das erste, und ich hätte somit keine ver-
anlassung, auf meine hierauf bezüglichen bemerkungen (Anz. vii
197 — 200) bei dieser gelegenheit zurückzukommen, wenn nicht
EHogk (Zs. f. d. phil. xm 234 0 einen der wichtigsten puncto
derselben zu widerlegen versucht hätte, so muss ich aber noch
ein par werte darüber verlieren.
Ich hatte in meiner recension gerügt:
1) dass Möbius ohne bestimmte regel bald (e)r bald (e)s
schreibt: hannr, hverrr, pa^r neben hinris, pars, ßanns, und
ich hatte ferner darauf aufmerksam gemacht
2) dass formen wie hantir, hverrr, paCr überhaupt nicht
beglaubigt sind, und endlich ausführlich nachgewiesen
3) dass wichtige gründe dafür sprechen dass Snorri in seinen
gedicbten — von vereinzelten concessionen an die übliche aus-
spräche in leichteren dichtarten natürlich abgesehen — durchweg
die form e$ gebraucht habe.
Gegen die beiden ersten puncto hat Hogk nichts einzuwen-
den gehabt; zu dem dritten bemerkt er dass in der 58 str. des
Hättatal die form es 'nicht unbedingt gefordert werden muss',
und hält es 'daher noch nicht für bewiesen dass Snorri in den
dröltkvaettstrophen überhaupt, geschweige denn ausschliefslich es
gebraucht habe', ich habe darauf nur zu erwidern dass es sehr
gleichgiltig ist, ob das metrum in str. 58 er oder es erfordert,
wenn sonst — wie ich aao. gezeigt habe — sowol sprachge-
scbichtliche als litterarhistorische gründe für die letztere form
sprechen. Mogk hat aber nicht nur die von mir angeführten
argumente nicht entkräftet, sondern er hat es nicht einmal ver-
sucht, das tatsächliche vorkommen der von mir beanstandeten
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46 MÖBIUS HATTATAL U
formen: hannr, hverrr usw. naehzaweiseii. — seine abrigea
hierher gehOreDden ausfahruDgeo, zb. die bemerkung, daas 'eine
reihe von formalen Umgestaltungen der isL spräche, welche fast
alle aus Norwegen herüberkamen', zu anf. des 13 jhs. 'ganz all^
gemein' wurden; seine verwunderte frage, was uns zu der an-
nähme berechtige dass Snorri in einer feierfickttren versart sich
älterer, in einer freieren sich jüngerer formen bedient habe nsw^
sind teils auffallend unrichtig, teils zeugen sie nur dafür dass M.
den schwerpunct der sache nicht erfasst, und erheischen deshalb
keine eingehendere Widerlegung.
Kopenhagen im mai 1882. Jdlids Hoffort.
Klopstock- Studien, von dr Richard Hamsl. Rostock, Carl Meyer, 1880.
zweites heft vii und vni und 143 ss. 8^ drittes heft xxiv and 204 ss.
8^ — Sm.*
In den beiden vorliegenden heften wird Hamels schrift Zur
textgeschichte des Klopstockschen Messias (vgl. Anz. vi 113) fort-
gesetzt, die aphorismen dieses vorlaufers, welche zum teil wört-
lich in den neuen heften widerkehren: ill=iill3f. i 49 if
= III 131 ff. I 58 ff = II 136 «f. 1 60 ff = n 84 f, hatten einen Vor-
geschmack von dem inhalt der nachher erschienenen Studien
gegeben und ein verständliches hört hört! zugerufen, nun im
III hefte ist noch ein iv ergänzendes versprochen , Welches meist
nur dazu dienen soll, die in den bisherigen stücken gezeichneten
grundlinien auszufüllen und alles während des druckes des in heftes
zugänglich gewordene material zu veröffentlichen (in 69), auch
zb. den beweis zu liefern dass der pastor Hess 'fast ein mit-
arbeiter am Messias' war (iii 106). obwol der verf. selbst sagt,
wesentlich neues finde sich wol nur noch wenig vor (m s. xxr),
so glaubte ref. doch auf diesen abschluss der arbeit mit der be-
sprechung der früheren teile warten zu sollen, zumal sein er-
scheinen unmittelbar nach dem m hefte angesagt war. denn dann
sollte die Vollständigkeit der Studien successive erreicht, dann
die einzelnen aphorismen zu einem abgerundeten ganzen ausge-
bildet sein, und ein register dem unvermeidlich (t?) aphoristischen
einiger mafsen abzuhelfen suchen, doch scheinen der Veröffent-
lichung dieser ergänznng Schwierigkeiten entgegenzustehen, so-
dass die anzeige des unvollendeten Werkes zur pOicht wird.
Diesem verf. gegenüber nicht zur angenehmen pflicht. denn
Ober die werke Hamels zu berichten, ist eine gefährliche aufgäbe.
-er hat als vorwort zum ii heft auszOge aus zwei seiner ersten
Messiasarbeit günstigen besprechungen gegeben, eine anpreisung,
[* vgl. DLZ 1881 sp. 570 (EScfamidt). ^ Zs. f. d. philol. xn SSO. —
Revue crit. 1881, xi 472. — Im neuen reich 1880, ii 915.]
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die, weDD sie durchaua oicht fehlen d|irfte, der wissenschaftliche
forscher den Verleger auf dem umschlage besorgen lassen sollte,
und ist im gegensatie dazu mit weniger günstigen oder verur-
teilenden recensionen lu beginn des in beftes streng ins gerichl
gegangen, indem er sich seiner baut wehrt, zeigt er dass diese
so empfindlich ist, dass sie nichts verträgt als den baisam unbe«''
dingten lobes. gewis wird einem solchen verf., welcher von sitt-
licher entrttstung ttber recensentenunwesen überfliefst (vgl. zb.
m 108. 130), der ref. unrecht tun. wenn er seinen mafsstab allein
nach dem guten willen des verf.s einrichten dürfte« so würde
er in der tat die aufrichtige begeisterung und den ehrlichen fleifs
H.S ausschliefsÜcb rühmen, doch damit wäre zwar die Stellung
des verf.s zu seinem werke, aber nicht der wert des buches be-
zeicbnei. H. bezieht sich auf Lessings worte: 'es gehört dazu,
um in irgend einer sache vortrefflich zu werden, dass man sich
diese sache selbst nicht geringfügig denkt, man muss sie viel-
mehr unablässig als eine der ersten in der weit betrachten, oder
es ist kein en^siasmus möglich, ohne den doch überall nichts
besonders auszurichten steht.' nur hätte H. auch zu gunsten
seiner recensenten lesen sollen, was darnach von Lessing gesagt
wird; 'nur wehe dem leser, der sich von diesem jden Verfassern
so nützlichen Selbstbetrug immer mit fortreifsen lässtl' ref. will
sich diesen weheruf nicht zuziehen, aber er hofft trotzdem, H.
wenigstens davon zu überzeugen, dass er seine Studien genau
gelesen hat, ohne freilich auch dann besser als andere recen-
senten gegen H.s Vorwurf der Unehrlichkeit in der beurteilung
geschützt zu sein; denn mehr als einmal ist ihm ebenso wie
anderen H.s ausfübrung nicht verständlich.
Die beiden hefte sind erfüllt von dem aus der i Studie schon
bekannten KJopstockfanatismus des verf.s. dieser gibt sämmt-
licben erOrterungen im ganzen und im einzelnen ihren cbaracter.
man mag den etwas künstlichen ausdruck in der einleitung (ii
s. iv), Kl. sei ein poet der spräche, ein sprachdichter im gegen-
salze zum sprachcorrector, wie einem Ramler, gelten lassen, aber
es ist bedenklich zu sagen, Kl.s Verbesserungen seien kein cor-
rigieren , sondern eine art organisches werden ; denn die spräche
werde nicht gemacht, sondern bilde sich. H. selbst schränkt
diese auOassung ein (ii s. vu), indem er aus Cramers Tellow an-
führt. Kl. habe viel gearbeitet in der spräche, spräche sei Studium
bei ihm gewesen, er habe gedacht und gelernt, um so zu schreiben.
steht freilich dazwischen zu lesen (ii s. v) : 'Kl. ward wesentlich
durch sich selbst; auch später konnte er keine muster anerkennen;
deao er war der zeit und Wesenheit nach wider der erste refor-
mator der deutschen poetischen und dadurch (I?) auch der pro-
saischen spräche und muste alles nach ihm geschehende als folgen
seiDer bestrebungen ansehen', so wird damit die geschichtliche
entwicklung der litteratur vor und neben Kl. einfach geläugnet.
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48 UAMBL KLOPSTOCK-STODIBir
viel richtiger erklärt H. (lu 62), das urteil derer sei zu modi-
flcieren, die von gar keiner wdrkung der grofseu zeitgenössi-
schen schriftsteiler auf Kl. immer wider sprechen; viel richtiger
weist er an anderen stellen — und es ist dies ein warkliches
verdienst, H. hätte darin noch mehr tun können und sollen —
auf den einfluss hin, den theoretische forderungen der Schweizer,
Lessings, Cramers und anderer vor und während der abfassung
des Messias auf Kl. geObt haben; dass Kl. ihre positiven und
negativen vorschlage von vorn herein und bei den Umarbeitungen
befolgte, es ist eine bekannte sache dass Kl. vornehm die kn-
tiker verachtete; aber es war nicht zu seinem schaden dass er
da und dort doch auf ihre stimmen hörte (vgl. ii 141). es ist
ja richtig dass er producliv schuf, was jene theoretisch verlangten,
dass er also mehr leistete als sie; aber das pradicat *neu' (ii 1)
kann darum Kl. doch in solchen puncten nicht beanspruchen,
damit steigt Kl. selbst von dem hohen piedestal der erhobenheit
herab, auf welches dieser Cramer redivivus — es sind keines-
wegs die schlechtesten partien der schrift, in denen H. von Cramers
äufserungen angeregt ist — ihn stellen möchte.
Trotzdem wird niemand Kl. das verdienst absprechen, ein
hervorragender sprachkUnstler, ein sprachbildner gewesen zu sein,
die lexicalischen Zusammenstellungen, die ChrWarfl inzwischen
in Herrigs Archiv lxiv 271. lxv 251 Ober Kl.s Wortschatz ge-
macht hat, sind in dieser beziehung sehr belehrend, ohne allen
zweifei ist das Studium der Veränderungen, die Kl. an seinen
werken vornahm, und deren ausnützung, so weit sie den Messias
betreffen, H.s Schriften bezwecken, nicht minder gewinnbringend,
und es hat der begeisterte ausruf eines berichterstatters der Frank-
furter gel. anzeigen (Deutsche litteraturdenkm. 7, 51) seine gel-
tung: ^welcher text zu Vorlesungen unsrer dichtkunst und
spräche, wenn durch Varianten Kl. mit sich selbst verglichen . .
würde ! ' gewis ist der Messias in seinen verschiedenen gestalten
ein unschätzbares document für die geschichte der spräche (n 115).
von diesem standpunct aus müssen H.s forschungen mit der grOsten
freude begrUfst werden , ebenso sein versprechen , eine kritische
ausgäbe des Messias — sie sollte schon 1881 erscheinen (iii 85) —
zu liefern, er hätte teilnähme für dieselbe erwarten können,
auch wenn er nicht diese Studien vorangeschickt halte, ja er
hätte sich die Veröffentlichung derselben und den lesern die Wür-
digung bequemer gemacht, wenn die ausgäbe zuerst vorgelegt
worden wäre, da er das material dazu gesammelt hat, lässt er
sich verleiten, aus der fülle mitzuteilen, was seinen erOrterungen
nicht frommt und den ieser stört, durchaus sind mehr lesarten
angezeigt, als zum beweise für die jedesmalige beobachtung nötig
sind; das verwirrt.
Die erste abhandlung des ii heftes bezweckt, Kl.s eigenartigen
Stil und seine fortbildang darzulegen, wenn H. sagt (ii 16), Kl.s
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BAMEL KLOPSTOCK- STUDIEN 49
technik lasse sich nicht yerraten, so läugnet er seine ganze arbeit,
ao der hand der änderungen lernen wir die stilmittel und damit
den Stil selbst, freilich muss man dann fest zugreifen und scharf
bezeichnen und darf es nicht dem leser überlassen, die ^andere
eigentümlichkeit des KLscben Stiles' herauszufinden, waszb. ii3i
gewis manchem leser so wenig gelingt wie dem ref. es ist leicht,
allgemein zu behaupten, das und jenes sei poetischer, ohne den
grund dafür zu bezeichnen, es ist dies nicht nur formell unzu-
lässig, sondern auch sachlich anstofsig. H. geht von dem axiom
aus, alle Veränderungen Kl.s seien Verbesserungen, das wird
niemand aufser dem verf. behaupten, wie findet sich da H. mit
den stellen ab, an welchen ein wort verändert und später wider
die frühere lesart hergestellt ist? es schlüpften vielmehr neben
Verbesserungen allerlei künsteleien mit ein, so zb. der n69ff
besprochene gebrauch des comparativs. ganz vereinzelt findet
sich ein Zugeständnis bei H., dass auch die letzte fassung einer
stelle weniger verständlich bleibe als des dichtere prosaische er-
läuterung derselben (ii 26).
Klingt auch dieses überschwängliche urteil überall durch , so
vermag man doch auch aus den massenhaften einzelheiten, welche
H. beobachtet, sich seine eigene meinung über die eigenart der
SJ.scheD spräche zu bilden, es wäre unbillig, zu verlangen dass
H. häufiger als er es tut auf den Sprachgebrauch anderer schrift-
steiler aufmerksam machen sollte, obwol gerade durch die ver-
gieichuDg Kl.s eigentümlichkeit und wert erst ganz klar werden
könnte, nur diese Untersuchungen könnten beweisen, was H.
beweislos behauptet, dass KL neu sei, dass er der tonangebende
sei, dass die Vorgänger unedel, kraft- und saftlos waren und er
sich deshalb in die schroffste Opposition zu ihnen setzen muste
(n 121). H. meint es allerdings nicht so sehr ernst mit solchen
redewendungen ; er bemerkt zb. n 134 selbst. Kl. sei durch
AvHallers sinnvolle kürze und gedrängtheit zu ähnlichen sprach-
übuogen yeranlasst und von Luthers, Opitzs und Brockes spräche
beeinflusst worden, aber das kann man fordern, dass, wenn
solche parallelen angestellt werden, dieselben richtig sind, leider
ist das nicht immer der fall zb. ist es doch durchaus nicht
vergleichbar, wenn Kl, Mirjam statt Maria schreibt und Schiller
Priam, Tantal, Amathunt statt der antiken formen ; jener entfernt
das fibliche wort, dieser bringt durch modernisierung den eigen-
namen seinen lesern näher, ferner wenn H. es u 73 für mög-
lich hält dass Kl. begonnen als praeteritum (nicht als particip
mit elUpse des hilfszeitwortes) gebraucht, weil Goethe auch 66-
gönnte schrieb! auch sehr unnütze parallelen laufen mit unter zb.
II 52: Kl. schrieb: ein reisender seraph; Opitz: o held . . wie
lange wtü du reisen . . durch eis und eisen, woran sich die weitere
anmerkung anhängt, dass auch Dach dOrch Yhss, dörch Ihsen
schreibt, was auf Virgils per nives perque horrida casUra zurück-
A. F. D. A. IX. 4
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50 HAMBL KLOPSTOCK^ STUDIEN
gehe und dies Tielleicbt auf Theokrit! oder ii 53: Kl. schreibt:
in drei $öhne verbreitet; Luther: üe eekwesier eoUe wachsen in
Pitt tOHsend mal tausend. ^
Die grofse masse der Tarianten, vor allen die des 1 gesanges
des Messias sucht H. sachlich zu ordnen, es ist unendlich schwer,
hier systematisch zu verfahren , darin stimmt jeder dem verf. bei,
und man könnte eine Qbersichtitche gliederung wol nur so er-
reichen, dass man formenlehre und syntax in lehrbochartiger folge
durchgeht und die paragraphen herausgreift, zu denen sich be-
merkungen ergeben, auch dann freilich würde die Schwierigkeit
nicht gehoben, dass manche erscheinungen unter verschiedene
rubriken fallen und kaum festzustellen ist, von welchem banne
am meisten gebunden Kl. die änderung vornahm, es rivalisieren
grammatik, metrik, poetischer Stil und sinn, diese mehrheit von
einflössen lässt H. entschieden zu wenig gelten , kommt aber doch
mehrmals in die läge, dieselbe erscheinung als belegstelle fdr ver-
schiedene beobachtongen zu verwerten, aber abgesehen von dieser
schwer vermeidlichen Schwankung, jedesfalls hätte H. seine unter*
suchungen besser ordnen müssen; klarheit ist weder in den sta-
tistischen noch den urteilenden oder darstellenden teilen des buches
seine sache. bei oberfiflchlichem einblick scheint freilich alles
genau schematisiert zu sein, indem H. an Zählungen mit Ziffern
und buchstaben in allen möglichen schrifttypen es nicht hal fehlen
lassen, aber man braucht nur in einem abschnitte schärfer zu-
zusehen, um die Unordnung dieser scheinordnung zu erkennen,
zb. seine Studien über Veränderungen spräche und sinn betref-
fend eröffnet H. mit der betrachtung: A. Einzelne formen.
a) Veränderungen der eigennamen. b) Declination der eigen-
namen. c) Adjectiva: a — e declination der adjectiva. f: [1.] wegsei
des Wortes zb. flUcktig : eilend, undenklich : undenkbar. [2.] formelle
änderung der ableitungssiibe zb. ig : igt : icht. d): [1.] Z. t. archaisti-
sches schluss-e, das Kl. später abstöfst wie auch [2.] das dativ-e.
[3.] undecliniert bleibt die rechte usf. e) Vocalverschluckung. 0^
[1.] Consonantenausfall («» nasalierung) zb. meinent : meinet. [2.]
Umstellung zb. ein : len. g) Eigentümliche um- und ablautungen
zb. stund, rufte, es leuchtet sofort ein dass hier zumeist fragmente
einer KLschen formenlehre gegeben sind, doch passen nicht
alle abteilungen dazu, a) gehört zur rubrik B., in deren Unter-
abteilung 0 8><^l^ n &5 das beispiel JuddaiJuda findet, das dem
II 3 angeführten Magdalena : Magdale entspricht, ebenso schliefet
sich f [1.] an B. e) ii 54 an. aber es sind auch zur formen-
lehre gehörige dinge falsch gruppiert; wie gehört der abfall des
dativ-e und die undeclinierbarkeit von die rechte zu der einen
gruppe d)? wie das beispiel rufte unter g)? es müste zusamnen-
> auch sonst findet sich überflüssiges; zb. die noten zu ii s. vi. 75 und
das citat n 64.
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HAMEL KLOPSTOCK-STODIKK 51
gefaffit sein: i) [1.] f) [1.] c) f [2.] und 0 [2-]; die dedinaiioB
d) [2.J b) c) a — e; die conjagation g). und so mflste man
durch die ganze abbandlung eine neue Ordnung einführen, für
einen teil des abscbnittea B. Vereinfachung, Verstärkung, ver-
deutlichung, Veredlung ... der consiruction und des ausdruckes
wtirde die lehre von den tropen und figuren zum wegvveiser
haben dienen können, die nur ganz vereinzelt beachtung fand usw.
hatte sich H. doch wenigstens der geläufigen terminologie be-
dienen mögen ! wie viel versttfndlicber wäre es, wenn zb. die um-
fiogliche und doch nichts sagende Überschrift der nr 29 n 86:
Einzelne ausdrücke, die KL besonders dadurch auszeichnet, dass
er sie teils vermeidet, teils sie unter einander fortwährend wechselt,
lautete: synonyma, unter welchen titel fast alle beispiele dieser
gmppe fallen.
H.s zahlreiche rubriken sind zum weitaus grOsten teile nur
unter dem gesichtspuncte geschaffen : was hat Kl. geändert? nun
ist aber doch nur diejenige änderung beachtenswert, welche ein
merkmal des KLschen Stiles oder gar des Stilwechsels oder -fort-
schrittes gibt, was soll man aber aus der mitteilung lernen, dass
Kl. obgleich in olnool, doch in aber und umgekehrt, als in da,
fiiemob in nie, widerum in wider, ehmah in eontt oder einet udglm.
ändert? H. sagt, KI. habe 'also überall das trefflichere gewählt' I
warum ist es 'poetischer' (n 35), wenn bis ans in bis %um ver-
ändert wird? solche behauptungen sind kühn und leer, derlei
Veränderungen sind zweifellos aus metrischen oder euphonischen
gründen oder auch willkürlich .entstanden; ich betone das 'fast*
sehr stark, das H. seiner aufstellung (m s. vii) beifügt, an ab-
sichtslosigkeit sei bei Kl. selbst in den geringfügigsten kleinig-
keiten nie zu denken, welches geringste interesse kann der ab-
schnitt f) II 41 haben : ein 'eigentümlicher Wechsel von werten'
wird beobachtet in versen wie: die das sätueln der gegenwart
gottes sonst sanft beseeUe: selige friedsame taler, vordem von der
Jugend. ... Kl. setzte später in v. 1 vordem, in v. 2 sonst,
offenbar nm das lästige zusammenstofsen von sonst sanft zo ver-
meiden, ähnlich das 3 beispiel des gleichen abschnittes: %u euch
vollendet versammdn Bis sie tsusammen dereinst . . . versammeln
— zusammen sollte vermieden werden; darum die änderung: »u
euch sich oUe versammeln, Bis sie dereinst vollendet, überdies
hatte H. schon ii 35 dasselbe beispiel gebracht, um damit zu be-
weisen dass das prosaische zusammen dem poetischeren voUendet
habe weichen müssen, noch bedenklicher steht es um das 2 bei-
spiel: Dein unermesslicher kreis . . . Formte sich noch in seine
gewtaU . . . Ihre gestade . . . hffrten sie, doch kein unsterbücher
nicht; später fiel noch aus und statt doch wurde nodi gesetzt:
das ist eine Veränderung des sinnes, aber kein 'eigentümlicher
Wechsel von werten'! und wo bat H. diesen ganzen abschnitt
'eigentfloilicher Wechsel von werten' eingereiht? in die abteilung
4*
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52 HAUEL KLOPSTOGK- STUDIEN
von den invereionen I deren ^esen er ohnehin schon viel weiter
als üblich ist fasst. ist eines der hier reproducierten beispiele
eine Inversion?
Im subsumieren ist H. überhaupt nicht fehlerfrei, man fragt
sich in sehr vielen rubriken: wie kommt das beispiel hieher?
zb. im Messias stand: Johanne$ aUeme Folgf ihm bis »u den
gräbem der seher, in heiligen groUen, . . . spflter fehlen die
drei letzten werte ohne ersatz ; das soll nach H. n 29 ^grOfsere be-
stimmtheit' sein, oder n 35 ist es nach H. eine poetischere Wen-
dung, wenn aus einem aussagesatz ein befehlssatz wird, zb. Hier
kannst du erscheinen ab ... in: Dort leudOe ab ... . als ähn-
liches 2 beispiel dieser Veränderung bringt H. herbei : Itso stand
er auf einmai sei verändert in : Sidi! auf einmal stand er. wo
ist da die entfernteste ähnlichkeit?! in dem abschnitte: Partikeln
werden hinzugefügt oder vermieden findet sich als 2 beleg für
das streichen des wOrtchens als ii 50 die steile: Da der sdiöpfer . . .
als erlöser . . . gekommen; später: Da der schöpf er . . . versökner
wurde; der verf. kann doch selbst nicht glauben dass der be-
seitigung des als zu ehren das verbum verändert ward, das sind
eben beobachtungen , die gedankenlos wegen einer rein äufser*
liehen ähnlichkeit ohne eine spur sachlicher gleichheit zusammen-
geordnet worden sind.
II 51fir behandelt H. die Umwandlungen von verben der be-
wegung und darunter auch den Wechsel von erteilen, geben, her-
stimmen, widmen, weihen; wie so sind dies verba der bewegung?
auch in den richtigen beispielen ist sehr verschiedenes auf eine
stufe gestellt; es ist doch etwas ganz anderes, wenn gehen mit
wandeln vertauscht wird, als wenn aus begegnen begleiten wird,
u 54 Umwandlung von adjectiven und adverbien; darunter par-
ticipia: vermorsdu, zertrümmert, modernd, bebend usf. ebenso
wenig gehören zum Wechsel von adjectiven zb. trcmrig : bang die
unter dieser abteilung e) angeführten beispiele: leutselige zdhre:
Zähre der htUd; sein freundlicher blick: des ewigen blick ; unser
gAirge: der erde gebirge; meine natur: die weite natur; voU an-
dockt: entflammter; m gro/sen gebeten: ernst in gebeten usw. auf
diese erscheinung war schon u 7 unter f) hingewiesen ; Ifhnliche
und gleiche vertauschungen werden ii 68 nr 19 und u 67 nr 18
behandelt, all das gehörte an einander gereiht ebenso ist an ge-
trennten orten u 11 g) und ii 85 nr 28 von archaismeo die rede,
das beispiel Messias i 577 zu ii 37 c) gehört zu u 42 nr 6 udgl.
Unordnungen mehr, man sieht, das buch ist planlos geschrieben,
oder doch der entwurf vor der drucklegung nicht durchgearbeit^
dadurch wird die Übersichtlichkeit und bentttzbarkeit des vor-
getragenen aufserordentlich erschwert, dazu kommt dass H. oft
nicht den schluss aus seinen Zusammenstellungen zieht, wenn
Kl. zb. zu dem die stimme geschah ändert in: dem die stimme
geschah; bücher öffnen sich unter dem hauche in: dem hauAe;
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HAMEL KL0P8T0CK- STUDIEN 53
Stieg vom dllerheüig$tm nieder in: stieg das iülerheiligste nieder
usf., 80 steht dieser gebrauch dem n 75 nr 23 behandelten der
Verwendung intransitiyer yerba als transitiver nahe. H. sagt
schlichtweg, das geänderte sei poetischer, immer wider: es ist
poetischer! warum ist es auch poetischer (u 35), wenn Kl. statt:
dm ewigen sünder zu vernichten später schreibt: dass den ewigen
Sünder du vernichtest? wenn Kl. eine apposition zum prddicate
eines hauptsatzes macht oder ein attributives particip in einen
relativsatz auflöst? beispiele zur gleichen sache findet man ii 42
or6 und 43 nr7 (die partien sollten nicht getrennt behandelt sein!),
und ist das characteristisch? es kommt ja dasselbe auch umge-
kehrt vorl vgl. das letzte beispiel zu 7} n44. das ist ein weiterer
wunder punct der abhandlung. in sehr vielen fallen fügt H. den
beobachtungen gewisser Veränderungen die werte bei: ^und um-
gekehrt' und belegt auch diese Wandlungen mit beispielen. was
ist dann merkwürdiges, bezeichnendes an der ganzen beobach-
tung? für die erkenntnis von Kl.s stil lässt sich doch gar nichts
gewinnen, ohne dass nachgewiesen wird, welche von beiden er*
scbeinungen häufiger ist. und diese zahlenstatistik, die freilich
nicht alle nugae betreffen dürfte, vermisst man überall, so steht
zb. n 34 nr 3 parenthesenliebe; ja, sind die parenthesen häufig?
wie häufig? aus H.s beispiel lernt man nur dass Kl. parenthesen
nicht vermeidet, zuweilen gibt H. eine derartige bemerkung; zb.
wenn er ii 36 erklärt, das pronomen sei in den 10 ersten ge-
sängen gerne ausgelassen und komme in den 10 letzten häufiger
vor. wir glauben seiner eindringenden kenntnis des Messias dass
dem so ist, wenn er es auch nicht nachweist, nur so könnten
die beobachtungen fruchtbar werden für die Würdigung des ge-
dichtes, ich wage das zu behaupten, obwol H. in s. ix dociert, der
gewinn, welcher aus der angäbe der Zahlverhältnisse der Varianten
sich ergebe, sei eine lappalie.
H. hätte gut die hälfte seiner Zusammenstellungen, deren
ergebnis ganz indifferent ist, unterdrücken können und hätte da-
für di^ characteristischen Veränderungen weiter ausarbeiten sollen,
was jetzt geboten ist, ist eine bunte, planlose, vielfach zweck-
lose Veröffentlichung von vorarbeiten, welche jeder bentttzer sichten,
neu anordnen und ergänzen muss, um sie verwerten zu können.
es ist dies um so mehr zu beklagen, als man diese mühevolle
und schwierige forderung an H.s Sachkenntnis stellen darf; kein
scbriftsleller über den Messias hat bisher eine ähnliche Vertraut-
heit mit dem material bewiesen wie H. er wird sich nicht da-
mit verteidigen wollen : er schreibe aphorismen; für derlei Unter-
suchungen taugt aphoristische behandlnng nicht, übrigens hat
H. diesen Vorwurf vorausgesehen und darauf geantwortet, indem
er 111 s. vii sagt: nur der solcher arbeiten mehr oder weniger
unkundige werde hier rigoros sein wollen, und man könne nicht
fordern dass man einer chimärischen Vollkommenheit wegen jähre
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54 HAMBL KL0PST0CK-6TUDIBII
lang an solchen arbeiten haften solle, ich glaube dass H. viel,
yiel Tollkommener hätte sein kOnnen und doch noch lange nicht
bei der absoluten volikoniinenheit angelangt wäre.
Küner kann ich die 2 abhandlung des ii heftes Zur erkenntnis
Klopstockischen wesens und wurkens s. 93 f betrachten, weil sie
überwiegend in einer rhetorischen verherlichung K1.8 beeteht. ein
ref. muss hier aufs widerlegen yerzichten ; seine einzige aufgäbe
kann nur sein, durch belege die H.sche auffassung zu kenn-
zeichnen, wir lesen s. 100 — 110 nichts als lobende recensionen
und briefstellen usw. ttber den Messias, deren einzelne H. selbst
^fast ttbergeschnappt' nennt kurzweg schliefst H. daran die be-
hauptung: die gegnerischen stimmen sind hier nicht zu berück-
sichtigen, all diese citate dienen nur dem beweise der beute
unbestrittenen tatsache, dass der Messias bei seinem ersten er-
scheinen den wünschen seines Zeitalters entsprach, s. 113 — 134
folgt alles mögliche, was alle möglichen für oder gegen Kl. ge-
sagt haben, doch kein ersatz für die in der Überschrift der ab-
handlung versprochene characteristik , wenn es auch an sich
interessant ist, ttufserungen über die aufnähme des bexameters
zb. neben einander zu lesen.
Nach H.S darstellung ist Kl. zugleich der vater des Welt-
bürgertums und der bort des nationalbewustseins: ii 111 soll
Schillers idee des weltbürgertumes schon in der wähl des Messias-
stoffes gegeben sein, weil Kl. darin über das irdische Vaterland
hinaus sich zum vaterlande des menschengescblechtes gezogen
gefühlt habe, und ii 121 heifst es: was ist der ganze kosmopo-
Utismus Lessings und der anderen grofsen gegen Kl.s national-
bewustsein ? ii 122 wird Kl. gar das verdienst zugewiesen«, seine
Vaterlandsbegeisterung habe nicht wenig dazu beigetragen dass
man Friedrich dem grofsen ein so warmes herz entgegenbrachte!!
Klopstock ist eben für H. der Urheber von allem guten, das
zwischen 1748 und 1803 geschah. H. gibt sich alle ersinnliche
mühe. Kl., der alles aus sich selbst und nichts von anderen nahm,^
^mit dem die deutsche dichtung aus der zeiten schofs in voller
rüstung sprang', zum lehrer aller grofsen Zeitgenossen zu machen,
gewis war er das vielfach, aber doch nicht in dem von EL be-
zeichneten umfange, zb. liest man ii 15: *wenn KL nicht ge-
wesen wäre, wer weifs, ob Lessing in so kühner weise den mut
gehabt hätte, an die dichterischen erzeugnisse der gefeiertesten
nation heranzutreten und bei sich zu sagen: wir wollen sehen,
wer ihr seid.' oder n 99: ^Leasing hat ohne zweifei an KLs prosa
die eigene geschult.' nur schade dass Lessing schon früher
seinen eigenen mut und seinen eigenen stil bewiesen hat, ehe
ers von Kl. lernen konnte, überhaupt Lessings rühm abbruch
^ aber doch wird zb. lu 60 f sehr hübsch bemerkt dass worie aas
Lessinga doplik in die 1780er neubearbeitong des 16 gesanges der Hes-
tiade kamen.
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HAMEL KLOPSTOCK-BTUMSfK 55
ZU tun 9 sucht der verf. auf alle wege vgl. ii 23. er muss es
büDseii so gut wie der 'hölzern nüchterne' Mendelssohn, der
^urteiislose, unvernünftige' Danzel, der es wagte, 'die hohe fürsten-
gestalt des vaterländischsten [I] unserer dichter sogar mit dem aus-
druck der mensch zu betiteln'^ und alle anderen, dass sie etwas
au H.S heiligem auszusetzen haben, wird doch auch Goethes he-
kannte sAtwort auf Kl.s brief eine 'ungezogene abfertigung' ge-
scholten.
Hand in band mit dieser negativen idololatrie geht die po-
sitire. Kl.s rühm wird in den wunderlichsten phrasen ausposaunt,
man schlage auf zb. ii 15: 'indem RL mit heiliger band aus dem
borne der spräche schöpfte und der mitweit zum trunke bot, hat
er auf diesem nicht verstandesmäfsigeu, nicht begrifflich con-
struierten wege mehr geleistet für den geschmack überhaupt als
sonst jemand neben und vor ihm.' oder n 16 spinnt Kl. 'den
raphaelischen teppich seines grofsen gedichtes'I da KL gleich
von anfang an in den allgemeinsten ideen gelebt habe, über die
hinaus es eine entwicklung nicht gebe , habe er sich notwendiger
weise beruhigen müssen, aber schon aus dem psychologischen
gründe müsse Kl. eine innere entwicklung gehabt haben, weil
ein mann, dessen geist.so reichhaltig ist, wofern er für einen
menschen gehalten werden soll, nicht alles zugleich in sich ge-
zeitigt haben kOnne. und in so ferne kOnne man bei Kl. von
ent Wicklungsphasen reden, als die melodien, die in seiner seele
lebten, während seines lebens sich bald vereinigten bald abstiefsen,
bald die eine die andere überklingt oder allein tOnt. liest man
zwischen solchen deductionen dass Kl.s persOnlidikeit so recht
vorhanden wäre in unserer litteratur, dass sich der Scharfsinn an
ihr erprobe (u 114), so wird man H.s Spitzfindigkeiten darnach
zu beurteilen wissen, oder ist es keine Spitzfindigkeit, wenn H.
sagt, Schiller habe zwar recht, KI. ziehe allem das körperliche
ab ; aber erhalte auch Kl.s geist keinen leib, so doch eine hülle
(ii 62), die H. n $5 äther nennt, 'gleichsam das letzte feine arom
des concreten.' warum sich H. bei dieser ganzen abhandlung
der von ihm selbst citierten worte Sulzers: 'qui dit trop ne dit
rien' nicht erinnert hat?
Dieser Überschwang belästigt den leser auch im iii hefte der
Studien, im vorwort hat H. seine im i hefte gegebene beobach-
tung über die allitteration im Messias berichtigt man vgL hiezu
und zum ganzen i hefte, was inzwischen Pawel in der Zs. f.
deutsche philol. xui 57 ff, in seinen Neuen beitragen zu Kl.s Mes-
sias und in der kritischen ausgäbe der Wingolfoden erörtert hat.
Den ersten hauptteil des ui heftes bildet die Geschichte der
entstebung und der ausgaben des Messias, richtiger sagt H. im
Vorwort dass er nur die materiaUen dazu biete, denn was er
vorträgt, ist eine chronik, eine aufserordentlich sorgfältige Zu-
sammenstellung von nachrichten über die entstehungszeit der
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56 HAMEL KLOPSTOCK-STDDIEIV
teile des epos. nachtrage muss man aus der Torrede und aus
dem anbange 2 s. 67 ff der chronik beiscbreiben und die meisten
citate s. 203 sucben ; aucb bierin zeigt sieb der eilfertige cba*
racter der ganzen Studien, niemand wird gegen den yerf. daraus
einen Vorwurf erbeben, dass er überhaupt durch nachtrage zu
yervollstfindigen bestrebt ist; aber wenn sie an so verschiedenen
stellen kommen, machen sie den eindruck, als ob das ms. unter
der band weg vor dem abscblusse der arbeit in [die druckerei
gewandert wäre, daher wird es wol auch kommen dass dem
II hefte zwei abschnitte mit eigener paginierung vorangesetzt sind,
sodass das citieren zur Unmöglichkeit wird, die chronik der ent-
stehung des Messias ist durchaus lehrreich; die resultate sind
s. 55 f kurz zusammengefasst, wobei s. 56 unter 5 a) 1748
in 1745 zu verbessern ist. sie würden schon dem leser der be-
legstellen deutlicher in die äugen fallen, wenn statt der wört-
lichen, oft durch hier ungehöriges unterbrochenen citate regesten-
artig das für diesen zweck wichtige ausgehoben wjire. dann hätten
auch briefauszüge wie die nr 43 s. 35 und nr 56 s. 42 von selbst
ihre inhaltslosigkeit bewiesen; es ergibt sich aus beiden nichts
für die entstehung des gedichtes, sondern nur dass die Zeitge-
nossen auf die fortsetzung drängten, zu eingang schliefst der
verf. zu kühn aus Kl.s brief von 1799, wonach der entwurf des
Messias vor ^beinah 60 jähren' angefangen ist, dass die dichtung
also vom 15 jährigen begonnen sei. abgesehen von der möglichen
gedächtnisschwache des alten briefschreibers muss doch die runde
zahl 60, deren wörtliche ausiegung zudem durch den beisatz ^bei-
nahe' eingeschränkt wird, vor einer so bündigen Interpretation
warnen.
Statt die Vollständigkeit der angezogenen stellen zu prüfen,
will ich lieber aus einigen ungedruckten briefen ein par notizen
dieser chronik beifügen, nach nr 72 s. 48 ist einzureihen : 1 1 bis
15 gesang soll ostern 1769 erscheinen: Gleim an JLBenzler 24
VII 68 : Von Klopstock hab ich in langer zeit keine nackridU . . .
Ostern, sagt man, bekämen wir fünf neue gesänge. diese nachricht
stammt wol aus Halle , wo die Hemmerdescbe ausgäbe zu ostern
1769 erschien, während die Kopenbagner mit der Jahreszahl 1768
ausgegeben wurde, gesang 11 ff ist zu ende 1768 in arbeit:
CL WDohm an Benzler 1 xi 68 : Ihre Unterredung mit Gkimen,
insonderheit die naehridu von der fortsetzung des Messias hat mich
sehr vergnügt! 11 — 15 gesang werden bestimmt ostern 1769
erscheinen: Gleim an Benzler 9 xi 68: Künftige ostern bekommen
wir fünf neue gesänge des Messias gewiss, fragmeot aus dem
18 gesang cursiert november 1768. Abbadona soll nicht be-
gnadigt werden, gesang 11 — 16 sind zu erwarten: Benzler an
Gleim 20 xi 68: Mit vielem vergnügen las tdk das fragmeni aus
dem \Sten gesänge des Messias, für den armen Abbadona war
mir sd^r bange, seitdem mich jemand, der es von hm Kiopstoeks
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HAMBL KLOPSTOCK-STDBIBN 57
hruder wissen woUte, versicherte, dass er nicht würde begnadigt
toerden. wie sehr ich mich auf die fünf neuen gesdnge . . . freue,
k(fnnen Sie sich . . leidu vorstellen, nach nr 81^ s. ixiv ist einzu-
reihen: gesang 16 ond 17 circulleren anfang mflrz 1773: Dohm
an Benzler 13 ni 73: Vielleicht trifft Sie dieses briefehen gerade
in einer stunde an, wo Sie ... die beyden ersten neuen gesdnge
vom Messias lesen, denn Gffetm schreibt mir mit einem heutigen
britfe, dass er sie mit nächster post an Sie abschicken wollte.
Der 2 abschnitt des ni heiles erCrtert die Geschichte der
ausgaben des Messias und ihr Verhältnis zu einander, leider fehlt
ihr durchaus die nötige bibliographische beschreibung der drucke;
titel und einrichtung sind ganz verschieden und unmethodisch,
z. t. Oberhaupt nicht angezeigt, obwol hier gleichmärsige genauig-
keit allein flbersichtlich gemacht hatte, auch sonst laufen un-
deuthchkeiten mit unter, wenn zb. s. 82 zu lesen steht: der
2 band, gesang 6 — 10 enthaltend, auf 159 ss. . . . berichtigungen
auf der letzten seite, so wird niemand dieselben auf s. 160 suchen,
das ist eine kleinigkeit, aber bibliographische angaben ohne ge-
nauigkeit sind wertlos, so ist auch nirgends gesagt dass dem
Halleschen neudrucke des 2 bandes der Kopenhagener ausgäbe
eine erklarung der kupfer beigegeben ist auf 3 ss., welche der
vorläge fehlt, unklar ist die mitteilung s. 72, bei Hemmerde sei
der 1 band des Messias erschienen; ^aufserdem auch in 8^ und
in 4<^ ohne bilder.' in welchem formale war die erste ausgäbe?
welche mit, welche ohne iliustrationen? spater erfährt man aus
dem citate aus den Greifswalder nachrichten dass aufser der 4<^
eine ausgäbe in gr. 8^ mit kupfern und eine in ordentlichem 8^
erschienen ist diese drei ausgaben bezeichnet H. mit B\ B*, B*;
in welcher Ordnung die Ziffern für die verschiedenen drucke ge-
wählt sind, mag der leser erraten, ganz unverständlich ist mir
der salz s. 84 : 'merkwürdig ist dass die ausgaben Cb selbst nicht
mit einander übereinstimmen, indem in den einen einige druck-
fehler von C*, in den andern andere verbessert sind.' H. hat
8. 83 nur von ^inem drucke Cb gesprochen , woher kommen nun
die einen — die andern ? Cb ist nach s. 83 ein abdruck von C* ;
wie kann er dann druckfehler von C* verbessern? ebenso wenig
verstehe ich, warum H. anstofs daran zu nehmen scheint dass
Hemmerde den 1760^ druck des 1 teiles Messias Cb als 2 und
nicht als 1 aufläge bezeichnet; Hemmerde bot ja nun einen cor-
rigierten text seiner 1 aufläge B von 1753. femer vermisse ich
eine aufklarung s. 82, welche vier ausgaben Kl. im mai 1753 in-
correct nennt ; es waren bis dahin sechs erschienen : A, Aa, B\
B% B», Ba.
Diese buchstabenbezeichnung hat H. 'zur Orientierung' ein-
geführt, glücklicher weise will er dieselbe aber nicht für seine
kritische ausgäbe beibehalten, sie ist so systemlos gewählt, dass
sie mehr verwirrt als verdeutlicht, so vertreten die bezeich-
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58 HAMEL KLOPSTOCC-STUBifiN
Dangen BS B^ B', E\ E\ E' je drei verschiedene ausgaben
gleiches inbaltes. man würde also dassdbe Verhältnis zwischen
C^ und C*, zwischen D^ und D' voraussetzen; hier aber bedeutet
die exponierte Ziffer nicht die ausgäbe sondern den band, aber
auch wenn der leser sich diese differeoz gemerkt hat, wird er
neuen verirrungen ausgesetzt, ein neudruck von C dürfte nicht
Ca, der von C^ nicht Cb heifsen, sondern Ca, C*a, da auch alle
Übrigen neudrucke durch den zusatz a kenntlich gemacht werden,
ferner von Ca gibt es zwei neudrucke, einen in 8® und einen
in 4^; H. schreibt Ca*8, CaM. hat a einen exponenten, so ist
die beifOgung von 8 und 4 überflüssig, und eine buchstabenschrift
soll ja mOgUchst kurz sein, es müste also heiisen: CaS Ca',
wobei freilich der oben getadelte misstand widerkdirt, dass der
erste exponent den band, der zweite den druck bezeichnet.
Dieser mangel an klarheit wird dadurch gesteigert dass nicht
alles an seinem orte besprochen ist. zb. durfte doch die an-
kündigung vom 20 juni 1753, wonach 1754 eine octavausgabe
in Kopenhagen erscheinen sollte, nicht erst s. 82 f mitgeteilt wer-
den, nachdem s.chon zuvor die Kopenhagener quartausgabe von
1755 registriert ist die bemerkung über die ausgaben 1799/1800
s. 84 gebort auf s. 90.
Die behauptung s. 84, dass der 1756er Hemmerdesche druck
des 2 teiles des Messias auch nach dem erscheinen der 2 auf-
läge des 1 teiles vom jähr 1760 nicht vergriffen worden sei, ist
unrichtig, denn es erschienen zwei ausgaben jenes 2 teiles, die
allerdings beide die Jahreszahl 1756 tragen, aber doch dem drucke
nach als verschiedene ausgaben sich zeigen, man erkennt dies
gleich am titelblatte, der eine druck hat nach der Ortsangabe . . .
im MagdAurgiBChen ein komma, der andere einen punct; und
da auch die ausgaben des 1 teiles von 1760, des 3 von 1769,
des 4 von 1773 an dieser stelle einen punct haben, so ist schon
dadurch wahrscheinlich dass der 1756^ druck mit punct der
spätere ist. dies wird durch weitere beobachtungen bestätigt, die
norm von 1756^ ist ii Band, die von 1756' u. Band^ wie auch in
1760 ein punct zwischen der ziffer i und dem werte Band steht«
die titelvignette ist in den ausgaben des 1 baodes 1751. 1760,
des 2 1756'. 1756% des 3 1769 und des 4 1773 dem maleri-
schen vorwürfe nach die gleiche; aber die graphische ausführung
ist etwas verschieden, ganz gleich ist 1751 und 1756* mit der
inschrift J. C. G. Pritzsch sc. am nächsten stehen die wider
unter sich gleichen 1760 und 1773. von diesen vier weicheo
ab — besonders darin, dass aus den abschliefsenden arabesken
an den seilen je ein bäum herauswächst, der auf den vorbezeich-
neten Vignetten fehlt — die unter sich sehr ähnlichen aber nicht
völlig gleichen auf 1756* und 1769. die vier zuletzt angeführten
Vignetten tragen die beischrift: J, D, Philippm gtb. Sytangin sc.
(1769 nur J. Z>. Philipp geb. Sy$ang sc.) ebenso liegen den
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BAMEL KLOPSTOCR-STUDIEfC 59
kupfern zu gesang 6 — 10 in beidea ITSG^r drucken dieselben
Zeichnungen zu gründe, aber die knpferplatten zu 1756' sind neu
hergestellt 1756' steht beim kupfer zu gesang 6 und 9 : CVm*
8iu8 dehn, ei sc. (resp. feeit); 1756' J. D. Phä^in geb. Sysan^
^'n 8c. dieselbe Philippin (deren radierungen nebenbei bemerkt
die schlechteren sind) hat auch die kupfer zu 1760 gestochen,
aus diesen beobachtungen ergibt sich einmal dass der druck 1756'
naher an 1769 liegen wird, als an 1760, weil die litelvigaetten
hier ungleich, dort ähnlich sind, und dann, mit rOcksicht auf
die einheit des Stechers, dass 1756' nicht ein imitierender nach-
druck eines anderen Verlegers, der mit Hemmerdes firma mis-
brauch getrieben hätte, sondern, auch eine echte ausgäbe des
Halleschen Verlegers ist. dies wird durch die übrigen gleichheiten
der druckeinrichtung bestätigt denn die kopfleisten, schluss-
stücke und initiaWerzierungen sind in beiden drucken gleich
aufser der kopfleiste zum 10 gesange, dem Schlussstücke zum
8 und 10 und zur erklärung der kupfer, und der initiale zum
9 gesange. der salz des textes ist seilen- und zeUengkich in
beiden drucken, die Inhaltsangaben sind compresser gedruckt
1756^ entsprechend 1751 gesang 4, mit gröfserem durchschuss
in 1756' entsprechend 1760, 1769, 1773. der text weist nur
geringe Veränderungen der interpunction und Orthographie auf,
worin 1756^ dem Kopenhagener drucke entspricht, also correcter
ist eben weil der text, nicht verändert ist, hat Hemmerde die
alte Jahreszahl beibehalten, vielleicht auch, weil er vom verf. nicht
zur nochmaligen drucklegung autorisiert war.
Aus dieser Vermehrung der zahl der echten drucke ergibt
sich keine bereicherung des materials zur kritischen ausgäbe. H.
hat dasselbe unzweifelhaft richtig gesichtet aufser in dem einen
puncte, in welchem er gegen Muncker den octavdruck von 1800
für mafsgebend neben der quartausgabe von 1799 bezeichnet s.90,
während er doch s. 84 f selbst sagt, um sicher zu gehen werde
man sich nicht an 1800 sondern an 1799 halten müssen, in
der tat ist KLs anteil an 1800 nicht dadurch erwiesen dass die
1799 angemerkten druckfehler im texte des folgenden Jahres ver-
bessert sind.
Im ganzen also sind die ergebnisse dieser abhandlung sehr
wertvoll und richtig; aber der vertrag derselben leidet an den
gleichen mangeln wie das ii heft. neben der durchgängigen Ver-
worrenheit geht eine unglückliche neigung zu störenden excursen
einher; so ist s. 57 unnütz an dieser stelle; s. 62 unten bis 66
gehört zu der abhandlung, die s. 113 beginnt; die polemik gegen
Boxbergers Messiasausgabe beginnt s. 70, wird s. 73 — 80 und
95 — 110 fortgesetzt; man würde sie in diesem buche lieber ganz
entbehren, wenn nicht dazwischen einzelne treffende beobachtungen
eingestreut wären, zb. s. 99 ein hinweis darauf, wie Kl. ähnliche
charactere von einander al>ziiheben bestrebt war. wozu ferner
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60 HAMfiL KL0P8T0GK - STUDIER
10 diese geschichte der entstebung und der ausgaben recensiooen
eingescboben werden (s. 88 fl. 91 f), vermag ieb ebenso wenig
einzusehen als den grund, aus welchem s. 93 angeführt wird,
was Hagedorn und Spalding vom antiquadrucke dachten.
Die SS. 113 — 140 betreffen die Veränderungen, die am Mes-
sias aus religiösen und religiös -ästhetischen rflcksichten vorge-
nommen wurden, was religiös - ästhetisch ist, lernte ich auch
aus der durchfohrung des capitels nicht, es knüpft an Lessings
bekannte behauptung an, dass Kl. aus Orthodoxie Schönheiten des
Messias beseitigt habe, dass Lessing damit nicht ganz so un-
recht hatte, wie H. eigentlich beweisen möchte, gibt H. s. 134
und 140 wider seinen willen selbst zu an einem beispieie, welches
1755 orthodoxer lautet als die betreffende stelle 1748. mit recht
aber lehnt sich H. gegen die absolute richtigkeit und besonders
gegen die ausdehnung des Lessingschen urteiles auf alle Um-
arbeitungen und fortsetzungen des gedichtes auf, indem er den
nachweis führt dass die fassungen von der 1780«^ ausgäbe an
wider toleranter sind.
Hat H. s. 116 — 130 den character des Judas, die Streitig-
keiten der Zeitgenossen über denselben und die Veränderungen
in der ausführung beleuchtet, so gibt er ähnlich vortrefflich s. 141 ff
eine geschichte des Abbadona; beide Untersuchungen würde man
noch höher schätzen, wenn nicht die lästige breite der schärfe
der beweisführung eintrag täte, es ist nicht leicht, aus allen in
extenso angeführten stellen über den Abbadona die kennzeich-
nenden so auszuwählen, dass die Vollständigkeit nicht darunter
leidet, aber der leser folgt den ausführungen H.s dadurch schwerer,
dass er ihn aus den über 900 mit allem, auch dem nicht sach-
lichen Variantenapparate citierten versen die characteristik des
Abbadona sich heraussuchen heifst. ebenso wäre ein excerpt des
wichtigen aus den zahlreichen öffentlichen und privaten äufserungen
über diesen sentimentalen teufel viel lehrreicher geweisen als die
ausführliche mitteilung derselben, sachlich habe ich nur das eine
bedenken, dass H. die historische entwicklung des Abbadona-
characters nach der reihenfolge der gesänge bespricht, während
er doch zuvor nachgewiesen hat und auch s. 196 sich erinnert
dass zb. der 19 gesang schon mitte 1750 gedichtet ist; er war
also vor dem 4 und 5 gesange zu betrachten , zumal da H. auch
sprachliche gründe dafür anführt dass gerade die Abbadona be-
treffenden verse des 19 gesanges und zwar wesentlich in der
1773 veröffentlichten form, also wol auch in der gleichen anf-
fassung frühzeitig verfasst sind.
Alles in allem: niemand wird H.s Klopstock- Studien ent-
behren können, der sich mit dem Messiasdichter beschäftigt, jeder-
mann wird dem verf. belehrung verdanken, aber auch jedermann
wird da die Unordnung dort die breite tadeln, und sich nicht da-
durch irre machen lassen dass der verf. schon die mähe, die
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HAJfBL KLOPSTOGE-gTUDlBN 61
er zu di^ik gewis mtlheToUeD vorarbeiten aufgewendet hat, ihm
widerholt ins gedäehtnis ruft keiner wird mit dem verf. sich
gezwangen sehen, ^aus unseres deutschen Kl.s geist heraus seine
eigenen Zeitgenossen wegen ihres französischen und überhaupt
Ulipatriotischen schwindeis zu verdammen.' jeder wird wünschen
dass H. sich zu einer mafoigung im Klopatockcult bekehrt, die
es ihm möglich macht wie Schubart seinem leser zuzurufen:
Bruder, verxeik mir meinen eifer, du weifits dass ick sehwärme,
wenn ich von Klopstodcen spreche.
WOrzburg. B. Sedffert.
Lessings Emilia Galotti. nebst einem anhange: die dreiactige bearbeitung.
Ton Richard Maria IWerner. Berlin, WHerts (Besaereche bochhand-
Inng), 1882. 76 ss. 8<>. — 1,60 m.*
Ober die entstehung und absieht dieser schrift wird der leser
durch den vorausgeschiditen offenen, wahrlich sehr offenen brief
an SchOnbacb aufs genaueste unterrichtet: Werner hat bei den
interpretaüonen im seminar seinen schülern klar gemacht dass
trotz der ausgebreiteten Utteratur über das gröste drama Lessings
noch immer einige, vieUeidU die wichtigsten puncte einer befrie-
digenden erklärung entbehren, darauf säne einheüliche recht fer-^
tigwig des Ruckes vorgetragen, diese einer Verbreitung in weiteren
kreisen wert erachtet und, durch ein beschwerliches leiden am
schreiben verhindert, sie seinen beiden 'enketkindem' Fritzchen
und Linda in ländlicher ufng^mng dictiert, mit werten Engels
aus einem ungedruckten brief an Nicolai beginnend.
Emilia Galotti ist 1772 erschienen und erst 1882 werden
die widuigsten puncte befriedigend erklärt, man mochte fast einen
Satz aus der Hamburgischen dramaturgie variieren, den Übergang
von der Rodogune nSimlich zum Ing^nu. wo haben die menschen
so lange ihre äugen, ihre emp findung gdtabt? war es von 1644
bis 1 768 allein dem HamburgiKhen dramaturgisten aufbehalten . . . ?
haben alle kritiker von Eschenburg bis Guhrauer usw. eine dichte
binde vor den äugen getragen oder gab es schon vor dem Grazer
dramaturgisten irgendwo einen ehrlichen Huronen, der Lessings
gedanken einbohrend nachdenken konnte? ich muss dem verf.,
an dessen sette ich mehr a^s ein ge&lde deutscher Utteratur freund«
schaftlich aviJUpiXoXoywv, lernend und angeregt besucht habe und
weiterhin zu durchwandern hoffe, mit all der ofieaheit, welche
aus s^ner verheifsung spricht, erklären dass mir der hauptteit
seines bttchleins gar nicht aufhellend und fruchtbringend erscheint.
und je anspruchsvoller und formloser das auftreten, desto kühler
[« Tgl. DLZ 1882 nr 33 (LHirzel).]
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62 WERNER LESONGB EUUÄk GALOTTI
und kritisch gemessener der empfang, sehen wir von saloppea
Wendungen wie iie ist kein back fisch mit instittUsmamerm, dbsr
etwas van diesem toesen steckt doch in ihr oder der argerticheD
erlaoterung Emilia hat den grafen, mit einem nolkstümlichen aus-
druck zu sprechen, gern und Ton* allerhand geistreicheinden sStz-
chen ab, so kann zunächst W.s auffassung vom Verhältnis Emiliens
zum prinzen gutgeheifsen werden, obgleich wir manches anders
fassen würden, gewis ist Goethes vielberufene fragstellung falsch,
gewis liebt Emilia den prinzen nicht, ist jedoch fasciniert von
seiner alles bestrickenden Persönlichkeit, die W. zweimal recht
schief volle oder imponierende männliehkeit nennt, und fürchtet
für ihr den ersten eindrücken leicht erliegendes temperament.
aber sie ist, wie Claudia sagt, zugleich die entschlossenste ihres
geschkchts und entflieht sterbend der Verführung , der wahren ge-
walt, diese auffassung aber ist nicht ganz neu, sondern zb. schon
in Herders Briefen zur beförderung der humanität 1794 nieder-
gelegt, wo Herder viel reifer als in den bräutigamstagen über
Lessings tragödie urteilt, ich will nicht die zerstreuten geHtlligen
einzelheiten aus Werners aufsatz herauslesen und beloben, sondern
mich an die hauptsälze halten, das erste capitel gilt Odoardo,
den W. einmal zu sehr als beiden des Stückes, dessen thema das
Schicksal Emiliens ist, zweitens s. 10 zu jung nimmt, warum
tötet Odoardo nicht den prinzen? die frage ist noch älter als
das rtgÜTOv tpsvdog, das Goethe unglücklich aufstellte, kluge
und schale köpfe haben darüber gesonnen und geschrieben ; ein
bedeutendes moment hat auch W. völlig übersehen und das hängt
mit der schwächsten partie der schrill zusammen, der beurteilung
der Orsina. einen fürstenmord hätte Lessing im drama schon
gewagt, wie W, mit recht gegen einige kritiker hervorhebt, ob-
gleich die politischen zustände und Stimmungen wttrklich ein
dumpfes grollendes fügen und ein verbluten dem raschen auf-
bäumen un^ losschlagen vorzogen — aber Odoardo kann den
prinzen der gräfin halber nicht töten, dazu tritt hemmend, was
Lessing sehr geflissentlich im 5 act vorführt, die ungemeine un«
Sicherheit, die den sonst so entschlossenen rauhen degea in der
stets gemiedenen hofluft, auf dem glatten parquet zu Dosalo, gegen-
über dem blendenden schmeichelnden Ettore befäogt, ein kämpfen
zwischen Übereilung und künstlicher fassung, und die wehr-
losigkeit, in welche ihn immer diabolischer Marinelli und dei
prinz drängend einengen, endhch die von furchtbarer angst dem
jungfräulichen mund entrungenen geständnisse, bitten, lockungen
EmiUens: die vorher wol gedachte, aber kaum fest beschlossene
Virginiustat geschieht, der dolch der Orsina durchbohrt Emi-
liens busen; die geberin hatte ihn dem prinzen besUmmt. die
gräfin beherscht den vierten act. Claudia ruft im dritten Mari-
nelli zu, er sei der mörder, sie blickt tiefer den hat der prinz
umgebracht. 4, 7 wird, nachdem Lessing den marcheae abge-
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werher lbsnngs emiua «alotti 63
scboben bat, Odoardo mit viel rafRoement eingeweiht, was nur
W. mit seiner so wichtig vorgetragenen entdeckung Orsina ist
die stimme der U)dt will? wir hören durchaus nicht die stimme
der weit (der hofleute, der bewohner der Stadt, toui k monde),
soDdem die stimme der Orsina. was sie sagt, kann nur sie sagen;
was sie combiniert, nur sie combinieren; wie sie auf Odoardo
eiDwUrkt, nur sie auf ihn einwOrken. den dolch der guten Si-
bylle im schubsack beschliefst Odoardo den vierten act Sie toerden
von mir Mren, dh. der prinz soll diesem stahl bald erliegen, aber
schon 5,2 wird er sich klar Was hat die gekränkte fugend
mit der raehe des lästere zu schaffen? jene allein
hah ich zu retten, fortan blitzt der gedanke den prinzen oder
beide, Marinelli und Ettore, zu erdolchen nur noch flflchtig in ihm
auf. 5, 4 schon wieder, 5, 6 Mrt seine band in den schubsack,
der prinz sagt ^schmeichelnd' fassen Sie sich, lidfer ßaletti und
nicht blofs durch den * schmeichelnden' ton wird Odoardo ent*
waffnet. er bedarf würklich der fassung. er kann den prinzen
nicht toten, ohne zugleich der retter seiner jungfräulichen tochter
und der rächer der gefallenen favoritin zu sein, seine räche
wäre nicht rein, noch einheitlich, aber nochmals: wie kann ein
kritiker, dem plattheit sonst gar nicht anhaftet, die Orsina, diese
grofsartig individualisierte figur, halbtoll und doch Sibylle, stolz
und weich, höhnisch und mitleidig, sinnlich und sinnend, leiden-
schaftlich und wehmütig, eifer- und rachsüchtige mflnade und
grübelnde philosophin, diese gräfin, der jedes wort nnd jede regung
dem üppigen boden tiefer seelenschmerzen entsprosst, zum Schemen
machen: die stimme der weü? zur ruhigen mafsvollen beobach-
terin, welche die aufgäbe des antiken ehors erfüllt?
Was den prinzen anlangt, so argumentiert W.: er sei durch
Emiliens tod gestraft genug, denn in ihrer nflhe habe er ge-
glaubt rein zu werden ; zum ersten male fühlte er sich gut, hoffte
mit der Vergangenheit abschliefsen, Verwirrung und sinnenrausch
hinter sich lassen und in der klarbeit mädchenhafter reinheit ge-
sunden ZU' können; bis zum letzten augenblick sei sie seine hoff*-
nung, mit ihr habe er sich selbst verloren und verzweifle über seine
eigene Vernichtung, so wenig ich aus den s. 36 stark accen*
tuierten mindestens so frivolen wie menschenfreundlichen werten
trenn wir allen helfen könnten, dann wären wir zu beneiden eine
grofse gute lesen kann, so wenig und noch weniger wird den
lesem nnd Zuschauern des Stückes trotz einem widerum so leicht-
hin gesprochenen ich hin so besser die Sehnsucht des prinzen
nach heiligung durch keusche liebe aufgegangen sein, nach der
strebt man nicht durch überftlle in kirehen und kleine stiüe ver-
brechen, durch ein fügen in Marinellis faits accomplis und ein
eingehen in Marinellis intriguen von geleitung ins haus der Gri-
maldi. er betrachtet die leiche wol mit entsetzen und Verzweif-
lung, aber sein schlusswort lasst schon die nur zu elastische natnr
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64 WERNEB LBSSING8 EIULU GitOTTI
dieses sittlich hohlen, glänzenden, sinnlichen, geistreichen, kunst-
sinnigen, gebildeten fürsten durchschimmern.
Die anmerkungen s. 72 if hatten sammt und sonders ent-
fallen sollen, der verweis auf den bitteren witz in den berühmten
briefen an Eschenburg ist nicht neu, Mie entreilsung des dolches'
eine lappalie, ^die haarnadel und Hamlet' eine verwegene heraus-
forderung an den spott, die disposition des dialoges 5, 7 jedem
ohne weiteres klar, ^Odoardos Stellung' schief und unklar. 8.11
heifst es der dienst nötigt ihn, ferne von seiner famiUe zu leben —
hier am wahrscheinlichsten ist, dass sieh Odoardo vom dienst »u-
rückgezogen und in ländlicher abgeschiedenheit doch wol ah Privat-
mann Mkt. aber der beweis fehlt, denn die bemerkung damit
dürfte stimmen, dass Lessing die Adosigkeit, in welcher damals
die Offiziere leben musten . . . berufung auf Lenz . . . nicht mit
zur Voraussetzung seines stUckes genommen hat beruht auf einem
wunderlichen irrtum.
Weitaus das interessanteste und anregendste ist der anhang,
die versuchte reconstruction der dreiactigen Emilia. schon Zs.
25, 241 — W. citiert s. 57 falsch bd. 24 — hatte W. diese auf-
gäbe scharfsinnig in angriff genommen und in der scene 1, 6
zwischen Harinelli und dem prinzen nur leicht verkittete fugen
bemerken wollen, welche eine spätere Interpolation der Orsina
beweisen, hier wird das ganze stück darauf hin durchmustert,
vieles klingt recht verführerisch, in einigem, wie für 1, 6, stimme
ich W. gern zu — aber der operationsboden, auf dem wir uns
befinden, ist so schlüpfrig, dass man bei jedem schritt zu straucheln
oder ins grundlose zu versinken fürchtet, zunächst sagt Nicolai
gar nicht bestimmt, die Orsina habe der dreiactigen bearbeitung
gefehlt, sondern ziemlich vag die rolle der Orsina war nicht vor-
handen, wenigstens nicht auf die jetzige weise, schon die parallele
Meilefont, Sara, Marwood : Ettore, Emilia, Orsina legt nahe dass
die gräfin irgendwie, schwächer, vielleicht mehr hinter der scene
als auf derselben agierend vorhanden war. sie kann jedoch kaum
blofs erwähnt worden sein, ohne aufzutreten (Werner s. 62), denn
Nicolai spricht von der rolle, vor allem: ist es möglich hier
einiger mafsen zuverlässig zu reconstruieren, wo wir ein drama
vor uns haben, das gar nicht unmittelbar aus der dreiactigen
Emilia hervorgieng? 1754 Virginia, 1757 eine bikrgerliche Vir-
ginia, 1768 die fünfactige bearbeitung nur fürs spiel, nicht für
den druck, im februar 1772 unsere fassung fertig. Lessing ver-
sichert, an Karl Gotthelf 10 ii 72, er habe weder die alte noch
die Hamburger bearbeitung brauchen können, benutzt hat er sie
natürlich, partienweise gewis wörtlich, aber er schuf doch das
stück um, und wenn er 25 i 72 an Voss schreibt, je weiter er
ans ende rücke, um so unzufriedener sei er, so handelt es sich
doch nicht um ein blofses redigieren und interpolieren, mag es
in einzelnen scenen, wie 1, 6, gestattet sein ritzen aufzuspüren,
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VKBTiER LKSSIIHCS EMILU 6AL0TTI 65
SO will uns das uaterDehroen, von der ersten bis zur fetzten scene
altes und neues getrost zu scheiden , mehr ein spiel des Scharf-
sinns als ein erobern überzeugender resultate dünken, unsern
chorizoAten überall da, wo wir zweifeln, strict zu widerlegen ist
gleichfalls unmöglich. 1,6 ist übrigens in seiner jetzigen ge-
stalt parallel der Contiscene aufgebaut: in dieser ist das erste
Portrait das Orsinas, das zweite das Emiliens, das erstere wird
verächtlich abgetan , das zweite mit einem stürm des entzückens
betrachtet; in jener bringt Marinelli erst eine dem prinzen gleich-
giltige nachricht von der gräfin, dann eine den prinzen mafslos
aufregende neuigkeit von Emilia. dass die dreiactige fassung un-
gefähr so ausgesehen habe, wie W. die auftritte und scenen-
fragmente an einander reiht, wird man wol zugeben; aber nur
ungefähr so. einiges liegt auf der band, die Contiscene kann
nicht 1758 verfasst sein, denn die Laokoonstudien sind die grund*
läge dieses kunstgesprächs. weiter hat W. nicht gesehen dass
gleich der eingang des Stückes wegen einer Übereinstimmung mit
Antonio Coellos Essex, die schon Schmid 1773 hervorhob Ober
einige Schönheiten der Emilia Galotti s. 37, frühestens nach Ham--
bürg fällt, wahrscheinlicher nach Wolfenbüttel, vgl. Hamb. dra*
maturgie st. 65 : Elisabeth will nicht an ihre liebe denken , aber
das erste fapier, was sie in die hände nimmt, ist die bittschrift
eines trafen Felix, emes grafenl 'muss es denn eben' sagt sie,
*t)on einem grafen sein, was mir zuerst vorkömmt!* dieser zug ist
vortrefflich, auf einmal ist sie wieder mit ihrer ganzen seeU bei
demjenigen grafen, an den sie Jetzt nicht denken wollte, diesen
vortrefflichen zug macht sich Lessing zu nutze, der prinz hebt
an klagen, nichts als klagen 1 bittschriften, nichts als bittschriften!
und die bittschrift einer Emilia Brunescbi zaubert ihm mit einem
schlag das bild der Emilia Galotti wider vor äugen, ein monolog
des prinzen wird der scene 1, 6 — nach W. ursprünglich 1, 1
— doch wol vorausgegangen sein, unmöglich aber kann in 1, 6
(als 1, 1) der satz da war ja noch die bittschrift einer Bruneschi
in die luft gesprochen werden ; das ja deutet auf etwas bekanntes
zurück , der satz wäre ungereimt ohne eine uns vertraute Voraus-
setzung und er ist unmöglich, da das ganze Bruneschimotiv erst
aus dem spanischen Essex gewonnen wurde. W. nimmt aber
diese worte schon für seine erste scene der dreiactigen fassung
in anspruch. man sieht an diesem beispiel dass behutsamkeit
not tut und ein einfaches herausheben und zusammenrücken nicht
zum ziel führt, s. 65 sagt W. ganz richtig, 2, 3 (Pirro, Angelo)
und 2, 10 (Appiani, Marinelli) seien auf verschiedene voran»*
Setzungen gegründet, will er aber deshalb 2, 3 der dreiactigen
Emilia rauben , so ruft er die Verteidiger auf den wall. 2, 3 und
2, 10 beide scenen beruhen auf intriguen Marinellia. MarineHi
hat in dieser von der einheit der zeit zusammengepreMlen fabel
eile, er muss von vorn herein mit verschiedenen möglichkeiten
A. F. D. A. IX. 5
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66 WERNER LESSINGS EMTLIA GALCVrTI
rechnen, glückt es nicht den grafen Appiani nach Massa zu ent-
fernen, so wird man ihn mit extrapost ins jenseits befördern,
das zweite Mit ihm auch zuerst ein, er rät dem prinzen nach
Dosalo zu fahren, dh. er rechnet auf den Überfall, lässt ihn aber
nur halb in die karten gucken , tut ihm blofs den Vorschlag wegen
der gesandtschaft offen kund, begibt sich zu Appiani, vorher aber
muss Angelo dem bereit gehaltenen höchster eile bedürftigen
anderen anschlag zu liebe bei Pirro erkundigungen einziehen,
vgl. 1, 6 . . . wollten Sie mir freie hand lassen, prinz? wollen
Sie alles genehmigen, was ich ttie? der prinz. alles, Marinelli,
alles was diesen streich abwenden kann. Harinelli. so lassen Sie
uns Jceine zeit verlieren. — aber bleiben Sie nicht in der Stadt,
fahren Sie sogleich nach Ihrem lustsMosse nach Dosalo. der weg
nach Sabionetta geht da vorbei, wenn es mir nicht gelingt dm
grafen augenblicklich zu entfernen, so denk ich . . . den Überfall
vollziehen zu lassen denkt er, l^hrt aber, ohne starken eigenen
glauben woi, zum prinzen fort doch, doch; ich glaube, er geht in
diese fälle gewifs. Sie woUen ja, prinz, wegen Ihrer vermdMung
einen gesandten nach Massa schi(Aen? . . . auch den versuch,
von einer anderen seite in die Angeloscene 2, 3 bresche zu legen,
den W. nicht unternommen hat, kann man abweisen, wenn das
gespräch über den aus gemeiner habgier ermordeten Deutschen,
Pirros vorigen herren, und den erbeuteten kostbaren ring auf
Winckelmann zielen und Angelo nach Winckelmanns diener und
mörder Angeli benannt sein sollte, so wSre immerhin eine um-
taufe und eine nachträgliche beziehung möglich, s. 66 wird mit
unrecht ein Widerspruch in den scenarischen angaben für den
zweiten act behauptet; der räum heifst bald saal bald vorzimmer,
und man weifs dass in Norddeutschland, in manchen gegenden
mindestens , saal und Vorzimmer synonyma sind, zur anläge des
vierten actes macht W., der schliefslich auch den entwurf des
Nathan zum vergleich herbeizieht, einige treffende bemerkungen,
sodass sein auf triebsand gebautes haus ein par hübsche kam-
mern zahlt. Erich ScHMmT.
Briefe von Charlotte von Kalb an Jean Paul und dessen gattin. heraus-
gegeben von dr Paul Nerrlich. mit zwei facsimiles. Berlin, Weid-
mannsche buchhandinng, 1882. x und 189 ss. 8®. — 4 m.'*'
Nur ein teil der hier veröffenüichten briefe ist novitilt: von
den bis ins jähr 1799 gebenden war der grOfsere teil, freilich
verstümmelt und durch lesefehler entstellt, schon in den Denk-
würdigkeiten aus dem leben von Jean Paul Friedrich Richter,
zur feier seines hundertjährigen geburtstages herausgegeben von
Ernst Forster. zweiter band: Btetter der liebe (München 1863)
[* vgl. DLZ 1882 nr 37 (LvÜrlichs).]
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NBRRLICH CHARLOTTE TON RALB ülfD JRAN PAUL 67
s, 1 ff publiciert worden, der neue herausgeber, der übrigens
dem alteren für die roitteilung der hss. verpflichtet ist, bat zu-
nächst fQr einen besseren text gesorgt: man liest bei ihm nicht
mehr es donnerte noch ab ich erwachte, aber toft konnte die
färben unterscheiden sondern es dämmerte . . . usw. nur selten
ist man yersucht ohne vergleichung der hss. dem alteren her-
ansgeber recht zu lassen; so wenn es s. 2 (Förster s. 4) heifst
sie finden hier noch mehrere freunde, wo Förster die im vorigen
Jahrhunderte gleich beliebte form md^re bietet; oder wenn Förster
8. 19 (Nerrlich s. 12) druckt heute wird man die Operation an
der * vornehmen, wo die bei Nerrlich fehlenden worte an der *
doch kaum von Förster zugesetzt sein dürften, um die anord-
nung und datierung der briefe und billete hat sich Nerrlich ein
verdienst erworben; auch um die den briefen in anmerkungen
beigegebenen sacherklSfrungen (doch ist s. 16 anm. 2 unter der
idylle, welche Charlotte auswendig lernen will, kaum Hermann
und Dorothea zu verstehen; nicht einmal die Elegie, sondern wie
auch die worte der jüngling ist ein dichter und kein liebhaber,
das mädchen verliebt und keine geliebte deutlich zeigen Alexis und
Dora). leider hat uns der herausgeber von der älteren publi-
cation in abhangigkeit gehalten, indem er nicht nur die ant-
Worten Jean Pauls, sondern auch eine ganze reihe von briefen
Charlottens weggelassen hat, welche er offenbar handschriftlich
m'cht mehr vorfand und aus den Denkwürdigkeiten nicht vrider
abdrucken wollte, die bei Förster s. 1 6 f f Weimar, im junius 1 796),
8.26 (Weimar, den Iß Juli 1796), s. 31 f (Weimar, den IQoctober
1796), 8. 36 ff (Weimar, den 22 november 1796), s. 45 f (Weimar,
den 21 ßini 1797), s. 53 ff (Weimar, den 10 december 1797) ab-
gedruckten briefe, welche zu den interessantesten über Charlot-
tens Verhältnis zu Jean Paul gehören , dienen zur ergänzung der
Nerrlichschen Sammlung; und auch das bei Förster s. 93 ge-
druckte fragment aus dem jähre 1810 habe ich in der letzteren
vergebens gesucht.
In der zweiten hälfte von 1802 — 1821, für welche jähre
Förster nur dürftige auszüge aus den briefen Jean Pauls an Char-
lotte bietet, müssen die vorliegenden briefe auch inhaltlich als
oenigkeit gelten, sie orientieren uns über einen abschnitt aus
Charlottens leben, über welchen wir sonst nur dürre und sehr
zerstreute nachrichten besafsen. allerdings ist das bild der dem
leben und der gesellschaft nach und nach absterbenden, zur Si-
bylle einschrumpfenden frau kein sehr erfreuliches. Jean Paul
hat sie sich mit dem letzten reste ihrer einst so mächtigen lebens-
und liebeskraft an das herz und in die arme geworfen; nach-
dem sie ihn verloren hatte, hat kein anderer verlust sie mehr
bis ins herz getroffen, sie wird zunächst, wie Schiller schreibt,
materieller: sie weifs wo es das beste rindfleisch, brot und hier
gibt, sie verliert sich dann, nachdem gleichzeitig auch ihre ver-
5*
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68 NBEBLICB GHABLOTTB VON KALB UND JRAN PAUL
Bil^eQftTerbältnisse eine entscheidende wendung zum scblimineren
geBOiBBien haben, in mystische gedankenlosigkeit und schreibt
graphisch unleserliche und dem sinne nach unverständliche briefe.
sie nennt sich in der bewundernswerten Selbsterkenntnis, welche
zu Zeiten auch dem irren eigen ist, eine psychologische, mora-
lische sensitive — aber nicht in rücksicht der empfindung, sondern
des ahndens und Wissens I ein zerstörtes denken und fühlen ist
der gewinn ihres reicbbewegten inneren lebens, dem nun selbst
der trost der tränen versagt ist und dem doch immer das ge-
fahl inne wohnt als wenn sie viel geweint hätte, es ist noch
ein weiter schritt bis zu der erhabenen fassung, mit der sie
ruhig, ohne ein zucken der erblindeten äugen von sich sagen
konnte : schon äh kind hatte ich ausgemeint, es kommt noch ein
hinauf im leben Charlottens. die sorge für ihre kinder entreilst
sie der dumpfen lethargie ihres geistes. mit der aUergemeinsten
industrie fristet die adelige nach dem Verluste ihrer renie sich und
ihren kindern das leben, wir erfahren aus diesen briefen zum ersten
male deutlich, worüber wir sonst nur eine unklare andeutung Pal-
leskes hatten : dass Charlotte sich auch als dramatische dichterin
versucht hat. ihre Ökonomischen Verhältnisse zwingen sie, iS17
ein kleines dialogisiertes werkchen (das thema des wuchers viel-
leicht nach eigenen erfahruugen behandelnd) unter dem titel ^Jo-
hannes, der träum, erweckt durch eine dämonische sage in den
Zeiten der apostel' auf eigene kosten drucken zu lassen, und selbst
auf den buhnen von Weimar und Berlin hofft sie mit diesem Stoffe
eingang zu finden, wie sie sich einst (damals freilich incognito)
mit ihrer Cornelia an Schiller gewandt hatte, so drängt sie nun in
Jean Paul, wenn er seine leserin in den blättern wider erkenne,
ihr zum absatze der exemplare zu verhelfen: aber Jean Paul will
so wenig wie Schiller von der phantastischen Schriftstellerin etwas
wissen (vgl. Nerrlich s. 176 ff. 181. 182 ff), das scheint sie auch
Jean Paul entfremdet zu haben; denn unmittelbar darauf werden
ihre briefe seltener, durch gröfsere pausen von einander getrennt,
und brechen 1821 ganz ab. von dieser zeit an bis wo die nahezu
achtzigjährige greisin ihre memoiren schreibt, sind wir wider auf
spärliche und dürftige quellen reduciert. ein wesentliches moment
in ihrem leben ist damit aber kaum verloren: armut und sorge
für ihre kinder haben ihrem geiste neue Spannkraft gegeben;
in der blindheit erwacht ihr inneres gesiebt, die phantasie, zur
alten stärke; mit der abgeschlossenheit von der äufseren weit, dem
verzieht auf glück des daseins wächst die neigung zum mysti-
cismus und zum christlichen gotte der entsaguog. Resignation
— so hatte Schiller in der kraftgenialen zeit eines der leiden-
schaftlichsten und revolutionärsten gedichte überschrieben, welches
ihm die liebe zu Charlotten eingegeben hatte — resignation wird
der iahalt ihres greisenalters, und in dieser Stimmung, als eine
dem menschenleben völlig entfremdete Sibylle, macht sie die orakel-
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HERRLICH CHARLOTTE VON KAiiB UND JEAN PAUL 69
haften aufzeiehnungen , welche im Anzeiger vi 181 ff besprocben
worden sind. ^
Diese nach dem inhalte der Nerriichschen publication ge-
gebenen andentungen mögen auch zugleich zur ergSnzung meines
artikels über Chariotte von Kalb in der Allgemeinen deutschen
biographie gelten, dessen nachrichten Ober den hier besprochenen
Zeitraum nur die dürftigkeit der damals zuganglichen qudien wider-
spiegeln.
^ da« T«n Chariotte dietlerte mairaacript der Memoireii nad der Cor-
nelia war im 139 venEeiobais vod buchera und handschriften des Stargard^
sehen antiquariats ia fierlin (1882) aiit 75 mark aogesetzt. es wurde von
einem familienmitgliede (freiherrn von Marschalk in Bamberg, Sophienstrafse 3)
angekaoft.
Mailand 28. 6. 82. J. Minor.
Josef und Franz von Sonnenfeis. das leben und wirken eines edlen brüder-
Bires, nach den besten qnellen dargestellt von Franz Kopetzky. Wien,
oritz Perles, 1882. vin und 416 ss. gr. 8^ — 6, 60 m.
Josef von Sonnenfels, biographische Studien aus dem Zeitalter der auf-
kUrong in Österreich, von WaisALD MCller. mit Sonnen fels bildnis.
Wien, Wilhelm Braumüller, 1882. vi und 145 ss. gr. 8^.
Diese beiden monographien unterscheiden sieh sieht im
thema (denn auch in der ersten bilden die abschnille Qber Franz
voo Sonnenfels nur eine, wenig interessante, zugäbe), sondern
io der behandlung, und ergänzen einander von dieser seite.
Kopetzky bietet unzweifelhaft mehr material, aber er terarbeitet
68 weniger: er teflt die documente meist wortlich mit und Ifissl
kein amtliches referat, keine eingäbe usw., welche ihm von Son-
nenfeb erreichbar war, ungedruckt; seine detailangabea erstrecken
sidi bis auf die uniform des deutscbmeisterregiments, bei wel-
cbem Sonnenfels 5 jähre gestanden hat. er hat in lobenswerter
weise die facbgelehrten aus anderen g^eten zu rate gezogen,
welche ihm in bezug auf Sonnenfelss politische titigkeit auf die
rechte spur verbalfen. was die juridischen und politischen schrif-
teii Sonnenfelss anlangt, so verhalt sich der verf. fast durchaus
referierettd und gibt der kritik gewisser mal^n nur die flnger-
zeige an. sein reichhaltiges buch lasst nur eine tibersichtliohere
groppierung des Stoffes und die gehörige Unterscheidung des
wichtigen von dem minder wichtigen vermissen und verliert sich
leider in der zwdten hälfte in endlose breite: statt der aufzih-
luDg aller einzelnen acten, in denen sich Sonnenfelss name findet,
hatte man eine zusammenfassende darstellang und Würdigung der
practisdieB tätigkeit dtß Osterreichisdien reformators gewtnscht
Wilibald MttUer umgekehrt teilt seine arbeit in wenige Hbersicht-
liehe abschnitte; von denen nur der eine ^Sonnenfeis und Leielng'
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70 SGHiUPTBN ÜfiBR SOWiSNFELS
mehr dem oahe liegenden dränge, die beiden in ihrer äufseren
tätigkeit, weniger in ihrem wesen ähnlichen männer mit einander
zu confronüeren, als innerer berechtigung seine entstehung dankt,
sein von vorn herein auf einen geringeren räum und beschei-
denere anspräche berechnetes buch liest sich bei geringerem
stofflichen gehalt besser als das Kopetzkys und lässt dennoch
nur selten etwas wesentliches vermissen, den abdruck der selbst-
biographischen Skizzen hätten sich beide Verfasser ersparen kön-
nen, in wie weit etwa das eine der beiden werke das andere voraus-
setzt, ist aus ihrem inhalte nicht zu ersehen, weil sich keiner der
Verfasser auf den anderen beruft: gleichwol ist die monographie
von Kopetzky einige monate früher erschienen als die von Wiü-
bald Hüller, und die in der ersteren gedruckten actenstücke und
documente scheinen von dem letzteren einige male benützt wor-
den zu sein, warum das nicht lieber gleich dankbar anerkennen ?
VOslau 4. 8. 82. J. Himor.
Ruodlieb, der älteste roman des mittelalters, nebst epigrammen. mit eio-
leitung, aamerkuQgen and glossar berausgeg^eben von Friedrich Seiler.
Halle, Waisenhaus, 1882. xi und 329 ss. 8^ — 4,60 m.
Eine neue ausgäbe des Ruodlieb war längst ein bedürfnis.
die vorliegende, eine fleifsige arbeit, bietet aufser einem durch
ergänzung mancher lücken lesbarer gemachten texte eine um-
fängliche einleitung, einen commentar und ein glossar« auf diese
weise alles zum Verständnis nötige beisammen zu haben ist sehr
erwünscht; leider wird jedoch der wert des buches durch tahl«
reiche misgriffe und irrtümer gemindert, auch durch ein un-
recht gegen den autor der ersten und die käufer der zweiten
ausgäbe: seit länger als vier Jahrzehnten wird nach Schmdler
citiert, seine Zählung der fragmente und verse sollte deshalb bei-
gesetzt sein; das aufgeben der alten war um so vorschneller,
als auch die neue, wie wir sehen werden, durchaus noch nicht
die endgiltige sein kann, dass unsere besprechung sich an die
Seilerschen zahlen hält, bedarf wol keiner rechtfertigung; vor
allgemeinen gebrauch derselben aber ist zu warnen, weil sie jetzt
schon antiquiert sind, den pflichten des commentators ist der
berausgeber in so fern getreulich nachgekommen, als er an keiner
der zaUreichen schwierigen stellen schweigend vorübergeht; so
anerkennenswert das ist, so bedenkliche folgen hat es tatsächlich
gehabt, denn falsche erklärungen, wie sich deren nicht wenige
finden, sind in einem solchen buche schlimmer als keine, die
einleitung enthält neben höchst willkommenem teils unrichtiges,
teils überflüssiges (zb. s. 22 — 44 eine mindestens viel zu weit-
läufige Inhaltsübersicht über das gedieht), auch das glossar bringt
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RUOJ)LI£B ED. SJULKR 71
falsche angaben und dürfte TollsUindiger sein ; so fehlt perpeti
»B sinere v 499; tyro s» mihs, ritter v 401; xni 52. manche
fehler wären wol vermieden worden, wenn der herausgeber nicht
baue mit unvollkommenen hiifsmitteln arbeiten müssen (s. vuf);
immerhin wird auch so wie es ist sein buch, bis ein besseres
an seine stelle tritt, unentbehrlich sein für jeden, der sich mit
R. beschäftigt.
Wir wenden uns zunächst gegen die s. 15 ff versuchte re-
construction der handschrift. unsern ausgang nehmen
wir von einem schreibgebrauch. majuskel ist angewandt am
versanfang und hinter punct; innerhalb des verses findet sich
plimus II 31, adam, eua viii 36; xv 73ff, bizarUo v 323, lukka
xui 114 (bei l sind übrigens minuskel und majuskel schwer au
unt^scheiden). in den ohne zweifei später geschriebenen epi-
grammen begegnet dietmaro (iii; hinter punct Pithasoras, Boe^
tius xi). grofse anfangsbuchstaben zeigen sämmtliche fischnamen
xm 39 ff, und ebenso der name des helden ganz consequent —
bis zu dem augenblick wo, mit Schmeller zu reden, die dichtung
einen schwung in die nebelhohen der germanischen heldensage
nimmt feder und tinte bleiben die nämlichen über das ganze
blatt hin, aber gleich die erste zeile der heroischen partie (xvii 85)
hat ruodlieb, das sich 87 ; xvui 30 widerholt (R. dagegen xvu
91. 100. 107; xviu 3); ebenso hartunch xviu 8, heriburg 11,
aber Inwmnch 8, jedoch mit einem /, das von der sonstigen ge^
stak desselben abweicht und deshalb mit anderer tinte durch
ein neues ersetzt ward, derselbe kurze Schlussabschnitt ändert
auch die prosodie des namens Jl.: die zweite silbe wird als kürze
bebandelt und diese eigenscbaft mit verliebe, zur bildung von
daetylen, benützt (xvii 91 ; xvm 3. 14), während vorher von eiper
solchen neigung keine spur zu sehen war und an der einzigen
stelle, die den namen ohne position bietet, lieb eine länge vor-
stell! (x 78). auch die metrik zeigt neue gepflogenheiten: ein
caesurloser vers wie xviu 5 findet sich sonst im ganzen gedichte
nicht hephthemimeres wird man schwerlich annehmen wollen,
und wenn, so würde der reim fehlen, da doch sogar in dem
einzigen verse, der sich hiezu in analogie stellen liefse, dem ver-
stümmelten VI 98, wenigstens o : um reimt; übrigens ist ganz
unverkennbar der reim auf den dritten fufs gelegt (ü:e$), es
kommt aber sonst nicht ein fall vor, dass der reim mit dem fufs-
ende zusammenfiele, vielmehr trifft er durchaus auf die arsis oder
wenigstens (in einem einzigen beispiele) auf die vor der caesur
liegende kürze (s. 152; die dort noch angeführte stelle xi 2 ge-
hört unter formel 3 s. 151, freilich mit unschöner caesur, wie
sie aber auch sonst sich findet, zb. i 47). endlich der Sprach-
gebrauch: gerundiv zur Umschreibung des fut pass. (sollen =bs
werden) findet sich nur xvui 12 und 14 (die erste stelle ist s. 124
falsch beurteilt, wie aus v. 9 zu ersehen); sama xvu 101. 114
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72 nVODLiBB ED. SEILER
Steht allem gegen die zafalreiehen hasia und oscuh (selbst das
geschnäbel vn 97 und andrerseits der feierliche brautkuss xv 87
ist durch basia bezeichnet); alumni 112 fMHt auf im Tergleidi
mit 1x28; xi3; schade dass zu incdUnnes xvm 25 die einzige
paraltelstelle m 47 (sonst sanus, sospes, integer) zerstört ist, um
wenigstens die Schreibung vergleichen zu können, leider sind
die 76 verse nicht ausgibiger; allein so geringfügig die anzeichen
scheinen, ihr angenscheinlidier Zusammenhang mit der neuen
phase des gedichtes ISsst diese neuerungen, besonders die ortho^
graphischen, prosodischen und metrischen, kaum anders erklären
als durch die einwOrkung einer vorläge.
Das führt aber weiter, das kurze letzte fragment enthält,
den des R. eingerechnet, vier personennamen. vorher ist keine
der nebenfiguren benannt; selbst der held geht lange zeit unter
allerhand appellativen, aus denen allmählich miles zur aussehliefs-
liehen geltung kommt, und erst nach saner rückkehr in die
heimat heifst er, widerum ebenso ausschliefslich, Ba^lid, Jlnot-
Ife6. über diesen Sachverhalt hat man sich bisher teuschen lassen
durch die stelle v 223 ; aNein hier ist das wort R. von moderner
band, wahrscheinlich Docens, zwar recht artig im schriftcharacter
des Originals, aber schief und mit der nämlichen roten tinte in
den verstümmelten text gesetzt, die auch sonst in der ursprüng-
lich ohne das mindeste rubrum geschriebenen handschrift zur
foliierung und zum unterstreichen merkwürdiger ausdrucke ver-
wendet wird, zum ersten mal wird dem beiden ein name bei-
gelegt in der wunderhübschen stelle x 66ir, wo der knabenach
dem heimkehrenden herrn ausspäht und die tiber ihm im gezweig
sitzende doble seinen sehnsüchtig widerhohen seufzer RnodlM
here, eurre venique auswendig behält und der mutter hinterbringt.
4ie anmutige scene gewinnt doppelten reiz, wenn wir bedenken,
vne sinnreich ihre erflndung ist; denn wir verdanken sie augen-
scheinlich nur dem umstand dass sich im verlauf seiner arbeit
der diditer entschloss, seinem werke ein fertig vorliegendes frem-
des gedieht anzuschweifsen, und darauf bedacht war, den fiber^
gang durch möglichst unverftngliche einfohrung des namens vor-
zubereiten.
Man sieht: 1) es gab eine heldensage von R. in lateimcher
aufzeichnung, diese aber gieng sicherlich in der weise des Wal-
tbarius auf deutsche quellen zurück. 2) unabhängig ve« ihr
entstand ein gleichfalls lateinischer roman (auf groiid einer no-
veile, worüber später). 8) als der dichter des romans seinen
helden aus der fremde zurückbrachte, mochte ihm die enapfin-
dung kommeo, nach der starken ausweitung, die er seinem Stoffe
gegM>en, tue dem schluss eine kräftigere ausladung not als jener
ihm darbot; ganz im geiste der zeit half er sich durch estleh-
nung, seine wähl fiel auf jene Ruodüebsage und er gab seinem
beiden fortan den namen des ihrigen. 4) die bezeicfanung Africa
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ROODLIBB ED. SMLBR 78
für R.8 zuflncbt w^ihrend seiner reckenzeit, welebe im geleite
dieser neuerung gleichfalls erst eingeschmuggelt wird xi 42. 47,
stammt wol wie R. selbst aus der namlicben heldensage. 5) dass
die brote beide gleich nach der heimkebr angeschnitten werden,
während der geber empfohlen hatte, das eine für den hochzeits-
tag aufzusparen, rtthrt datoii her, dass die königliche braut nach«-
trftglieb eingeführt ward ; für die yerftnderten verfaültnisse paaste
nun der zug nicht mehr. 6) das gedieht bricht nicht deshalb
ab, weil der dichter sidi dem heroischeD stoff weniger gewachsen
fohlte (a. 80), sondern weil er es müde war oder für zwecklos
hielt, noch weiter in seia concept abzuschreiben, denn dass wir
es in der tat mit einem blofsen kUtterheft zu tun haben, wird
durch das s. 12f beigebrachte nicht widerlegt: all diese ver-
meintlichea beweise für eiAe reinschrift vermögen nur zu zeigen
dass der dichter nicht ioiaer seine blätter zur band hatte oder
nahm, wenn er die arbeit fortsetzte, sondern die erste aufzeich-
Bung ab und zu etwa in die schreibtafel machte, voa mecha«-
niscbem abschreiben konnte ohfiehin nicht die rede sein, zu«-
Aächst nämlich war der abergang herzusteUen, und der scbluss
von x?u enthält eine reihe von versen, die unmöglich im alten
Ruodliebus können gestanden haben, aber auch xviu zeigt durch
seine rasuren dass wir eine bearbeitung vor uns haben, aei es
dass die vorläge gekürzt oder erweitert, sei es dass ihr Tershau
gebessert werden sollte, eine reinschrift war aicheriich in aus-
sieht genommen, und ihr durfte es überlassen werden, die weitere
fortsetsung aus dem Ruodiiebus herüberzunefamea. der verbsser
des romans jedoch scheint aelbst kcsne angefertigt zu haben,
sonst dürften wir wol erwarten dass er die gelegenheil benutzt
hätte, den namen R* von anfang an einzusetzen; aber die SFlo*
rianer fragmente zeigen gleich den Münchnern den unterschied
zwischen mtfea- und A.- abschnitten.
Nicht blofs zur Scheidung der zwei beslandteile und zur
einsichl in die entstehungsweise des ersten erweist sich der name
B. dienlich, sondern auch zur auordnung der fragmente. die
nuouDern x — ^xiii (bei Schm. ql — xm) sind falsch geordnet, in
den beiden ersten heifst der held M. ; in den beiden letzten wird
er miles genannt, diese gehören also vor jene zu den übrigen
mtlea-abschnitten. damit föllt die unbequeme annähme hinweg,
die erzählung kehre aus R.s hause wider in das der coftmater
zurück, wo sie kurz zuvor gespielt hatte: was bei der gevatterin
vorgeht, gehört auch zeitlich zusammen, und hiezu stimmt die
hs. aufs beste, dass das doppelblatt 26. 29 über 27. 28 lag,
darüber kann kein zweifei sein : der inbalt von 27 setzt den von
26, der von 29 den von 28 voraus, aber nicht 26 und 27,
sondern 26 und 29 waren die ersten blätter; < schon Dooen hat
* dass swischen 29* and 26* der äufsere bag lief, könnten vielleicht
auch die feinen lingsrisse beweisen, welche von der öbermlfsigen dehaang
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74 RUODLIEB ED. SBILBR
das richtige z. t. getroffen : seine rote folüerung stellt 29 vor 26
(jenes als 19, dieses als 20 bezeichnend), und nur bei 27. 28
bat er sich geteuscht die ursprüngliche anordnung war also
28. 29126. 27. zwischen 29 und 26 ist eine lUcke; zu deren
ausfüUung haben wir aber nicht mehr als ein einziges doppel-
blatt nötig: der beweis hiefür lässt sich mit hilfe des SPlorianer
bruchstückes führen.
Um jedoch dabei nicht mit ohngefäbren schfttzungszahlen zu
operieren, müssen wir zuvor noch die Münchner fragm. genauer
ansehen, die reconstruction der lagen A — F ist durch das bei
Seiler s. 17 gesagte erledigt wir haben auf dieser strecke drei
vollständige lagen A, D, E mit 142, 283, 338 versen, und drei
unvollständige B, C, F, für die erst mit hilfe und nach mafsgabe
der Überreste (135, 252, 381) der ursprüngliche betrag erschlos-
sen werden muss: 405, 378, 635. fehler sind bei einer sol-
chen mutmafslichen aufstellung unveimeidlich; dass sie sich in
engen grttnzen halten, wird uns später die SPlorianer hs. zeigen.
Lage G dagegen ist s. 20 vermutlich zu grofs angesetzt.
Seiler (s. 18) rechnet hinter blatt 24 (schluss von viii) eine lücke
von 3 bll. aus, d. i. etwa 311 verse für den schluss des aben-
teuers mit dem roten, die begegnung mit dem vetter und die
ankunft bei der gevatterin. legen wir diese berechnung zu gründe,
so hätten wir bis zum anfang von xui etwa gleich viel anzu-
setzen; weil aber xm 1 — 27 den schluss von bl. 28 bildet, so
werden wir eben dieses als das letzte von den dreien betrachten
dürfen, sodass die lücke durch das kurze fragment xii um einen
sehr kleinen teil ergänzt und um jene 27 verse verengert ist.
dann braucht, da am schluss der läge F ein blatt fehlt, zwischen
diesem und bi. 28 nur ein einziges als verloren angesehen zu
werden, die folge ist dass wir eines der von Seiler angesetzten
doppelblätter streichen müssen, sodass am ende von G ebenfalls
nur ein blatt abgeht, das reicht aber, wie sich zeigen wird,
völlig aus. sonach ist, da zwischen 29 und 26 schwerlich mehr
als ein doppelblatt fehlt, läge G in folgender weise zu recon-
struieren : x, 28, 29, v||y', 26, 27, x\
Von bl. 28. 27 ist nur ein schmaler streifen, das untere ende
des Pergaments erhalten , bl. 29. 26 unten um ein annähernd
gleich grofses stück beschnitten, die läge hat gleich der fol-
beim nrnknelfen herrühren, allein sie mögen ebenso gnt, Ja noch wahr-
scheinlicher aus neuer zeit stammen ; in den alten lagen war der buf^ nicht
so ausgesprochen, wie er dem einzelnen blatte sich geben lisst, iind die
Jahrhunderte lang auf buchdeckel geklebten blätter lassen sich nach be-
lieben so oder so umbrechen, ohne dass sie der einen faliung mehr wider-
strebten als der andern.
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RUODLISB ED. SSaSR 75
gendeo die eigentümlichkeit dass der räum hinter der columnen«
Schrift durch querschrift ausgefüllt ist, welche je zwei nexameter
auf der zeile enthält, mit ihrer hilfe ist die ursprflngliche vers-
zahl der columne zu erschliefsen; zuvor aber muss die Ittnge
der querschrift selbst erst berechnet werden, die nachfolgenden
durchschnittsangaben gründen sich auf sorgfUtige messungen,
die ich für jede einzelne querzeile vorgenommen habe, was uns
Ton doppelversen erhalten ist, nimmt durchschnittlich eine länge
von 108,2 (bl. 26''), 103,3 (29'), 110,6 (29^) millim. ein; auf
26* ist leider die querschrift bis auf eine leichte spur wegge-
schnitten, die länge der je zweiten, unversehrten hexameter ist
78,4; 70,2; 74,9; der abstand zwischen den beiden bälften
der doppelverse beträgt durchschnittlich 2, 5; der abstand zwischen
deai ende der querschrift und dem anfang der columne 18, 9;
25, 9; 17, 1. mit hilfe der drei ersten angaben lässt sich die
länge des weggeschnittenen Stückes querschrift ausmitteln. dies
ergebnis, verknüpft mit der vierten angäbe und einem alsbald zu
besprechenden factor, lehrt uns die hohe der columne kennen;
durch 27* 28 und die Überreste der läge H wissen wir nämlich
dass mit geringfügigen Schwankungen die querschrift 9 mill.
unterhalb des letzten columnenverses beginnt, die berechnung
ergibt als ursprüngliche länge der querschrift 159,3; 142,9;
152,3; davon sind weggeschnitten 51,1; 39,6; 41, 7; miüiin
gieog auf 26^ die quersdirift um etwa 10 mill. weiter herab als
auf 29; der untere rand von 29 scheint demnach so durchlöchert
oder sonst schadhaft gewesen zu sein, dass die querschrift erst
auf der hohe des columnenendes beginnen konnte, für die ur-
sprüngliche länge der columne ergeben sich daraus die zahlen
169, 2. 168,8. 169,4, im durchschnitt 169, 1 (was wir alsbald
für 26* einsetzen).
Wie viel verse auf der columne standen, ist durch eine ein-
fache Proportion zu finden, erhalten sind 32 (fol. 26*). 33. 32.
35 verse auf einem räum von 130. 128. 128. 130 mill., das gibt
41. 43. 42. 46, im durchschnitt 43 verse auf die columne, 172
auf das doppelblatt 26. 29. diese berechnung ist auf das arg
Ter0lttmmelte doppelblatt 27.28 zu übertragen mit der kleinen
abänderung, dass für die eng geschriebene seite 28* 45 verse,
für die weit geschriebenen 27*. 27'' 42 und 41 verse angesetzt
werden, zusammen 171. die verlorenen doppelblätter mutmafs-
lich je 172. die ganze läge also 687 verse in columnenschrift,
von denen jedoch auf 29* 2 verse radiert sind, folglich 685.
Dazu die querschrift. bl. 26*, das ganz ähnliche Verhältnisse
zeigt vrie 29*, kann nicht mehr als 9 querzeilen gehabt haben,
däA lehrt der augenschein. auf 29* ist ein einzelner vers nach-
getragen, der bei der durchschnittsberechnung nicht mitzählt.
auf 28* ist keine zeile weggeschnitten, wie es scheinen konnte;
die letzte zeile deckt sich mit dem columnenrand der rückseite,
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76 RUODLIBB ED. BOLWk
und dMS hier mehr querzeilen stehen, rfftrt von der sparsamen
ausntIbEung des raumes her. fUr 27% das viel gedrängtere buch-
staben in der columne hat als die kehrseite, dürfen virir 1 zeile
querscbrift mehr als diese hat ansetzen, sonach stehen auf bl.
26—29 in querschrift 18.24; 18.20; 20.18; 16.20 verse »»
154 (mit jenem nachgetragenen 155). ebenso viel für die ver-
lorenen bUitter, macht 19 querverse auf die seite und 2 Aber-
sehassige (die gleichmafsig auf die vordere und hintere halfte zu
verteilen sind) oder 309 fir die ganze läge, zusammen mit jenen
685 Golnmaenversen gibt das 994 verse (y und so' bekommeB
je 125 statt 124, wegen jener 2 1lbers(^Ü8sigen).
Von den 994 versen der läge G sind uns im original «r-
haltim die verse 162—185 (hi 1—24); 222—279 (xni 1—58);
289—342 (xm 59—112); 354—378 (xni 113—132); 623—654
(? 1—32); 682—716 (x 33—66); 725—748 (x 67—90); 782
bis 790 (XI 1*-%); 843—869 (xi 31—56). aufserdem liefert uns
das bruchstüok von SFIorian vor und hinter dem letztgenannten
abschnitt, den es widerholt, noch die verse G 822 — 642 und
S7 0—894 (xi 10 — 30; 57—81), sowie den abschnitt a, dessen
dtelle innerhalb G nunmehr zu bestimmen ist. die hs. vob SFIo-
rian war augenscheinlich sehr glmchmafsig geschrieben, da die
zwei erhaltenen, durch eine starke Ittcke getrennten bUitter jedes
35, ursprünglich (vgl. s. 14) 37 zeilen auf der seite haben (Czer-
nys katalog sagt nicht, ob die bll. liniiert sind), die abschnitte
X. XI fallen diese lücke zum grösten teil, umgekehrt muss SFl. I,
wie der Inhalt bestätigt, in die grofse Münchner lücke G 374 — 622
fallen; das setzt aber voraus dass zwischen SFL 1 und 2 zwei
doppelblätter, 296 verse standen, der abschnitt n enthalt bie*
nach die verse G 452 — 523; ursprünglich begann das blatt SFl. 1
mit G 450.
Eine nicht unwichtige probe «if die richtigkeit unserer vers-
Zählung liefert die einteilung in §§, welche die SFl. blätter zeigen,
wir ttberblieken 6 bll. oder 444 verse mit 37 §§: bei der kaum
sonderlich gewagten Voraussetzung, dass die zahl der §§ über
grdfsere strecken hin gleichmäfsig verteilt sei, erfordern die ver-
lornen §§ 1 — 34 einen räum von 408 versen, § 1 trifft scMuich
auf G 44, also auf eine stelle, wo wir das v 585 angekündigte
beUreteo des vaterländischen bodens erwarten dürfen. — weiniger
sicher ist eine zweite probe, weU sie nicht blofs gleichmtffsige
Schrift, sondern auch gleich dicke lagen voraussetzt und ihre be-
rechnung auf 3075 verse (vom anfang bis G 894) ausgreifea lässt.
wir nehmen an, die abschrift habe die einrichtung des Originals
nachgeahmt, welches die schrift auf der innera seite des ersten
blattes beginnen lässt (ein teil der epigramme steht dort), und
fügen deshalb für die leere erste seite noch 37 Minde verse hinzu.
tralen wir diese summe 3112 mit 148, der Zeilenzahl eines SFl.
doppelblattes, so finden wir 21 doppelblätter, und blofs 4 verae
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ftUODLIEB SD. 8ULU 77
MeibeD ohne Unterkunft: gewis ein ergebnis, wie es gttnstiger
kaum sein könnte, die bandschrift war in ternen geteilt und
das erhaltene brucbstück das ttufsere doppelbbU der sieben-
ten läge.
Ober läge H ist wenig sicheres zu sagen, sie vereinigt die
übelstände von G und B: wie jene hat sie querschrift; wie bei
dieser soll aus einem einzigen doppelblatte das ganze erschiossea
werden, dazu kommt noch die besonderbeit, dass das pergament
nicht aus einem stück ist, sondern aus zweien zusammengeklebt,
Ton denen das eine (bl. 25) schmäler war als das andere, sodass
hier keine querschrift platz hat. der rest der läge braucht an
dieser eigentümlichkeit keinen anteil gehabt zu haben, ist also
nach dem einzigen bl. 30 zu beurteilen, der ganze habitus zeigt
das format von läge G; die blätter sind oben beschnitten, es
fehlen schwerlich mehr als 4, 3, 3, 2 zeilen , sodass die seiten
ursprünglich 37, 38, 35, 38 verse enthielten, dazu kommen noch
fur das hintere blatt 16 und 13 verse querschrift, also 51 und
51 SS 102 yerse. da auf der letzten seite der räum für die
querschrift nicht ganz ausgenützt ist (sie enthält den schluss der
hochzeit), sodass noch 3 verse bequem platz hätten, müssen wir
der berechnung die zahl 105 zu gründe legen, nun fragt sich
aber« wie viel doppelblätter die läge hatte; das ist wider nur auf
einem umwege zu finden, aller Wahrscheinlichkeit nach ist die
jetzige Zählung der bll. falsch; das geht aus dem inhalt von bl..
25 hervor, wir haben hier eine lange rede von R.s mutter vor
uns (vgl. XIV 65. 69); das alter wird darin geschildert, zuerst
beim weibe, von 34 an beim manne, leider ist gerade dieser
teil arg mitgenommen, aber so viel lässt sich erkennen: dem
eins! kein berg zu steil, kein ross zu wild, kein ström zu breit
war« der geht zuletzt am stabe hinterdrein (hinter seinem jumen-
tum?), von husten geschüttelt, nähert er sich einem fröhlichen
reigen, so weicht die Jugend empfindlich aus und verwünscht ihn;
lässt er gar durch den gesang sich hinreifsen und will noch ein
tänzlein wagen, so sieht er schele äugen auf sich gerichtet, da
mOcbt er denn am liebsten sterben und seufzt nach dem tode,
muss sich aber in schmerzlicher entkräftung gedulden, licet id
mbi vivere mors stY, [Donec, quando] jubet dem, g'us spiritus exit.
[Haec wm lex dojmat omne quod e^ — volet, ambüUt /nä net — :
[Principium qmdj habet, non quodam fine carehit. [Nee cessat
ma]ter Ruoilieb minitare frequenter, [Quod sie languisjset et id
effugitare nequisset (über plusqu. statt imperf. s. s. 121 0* kein
anderes gespräch mehr gab es zwischen beiden, die mutter er-
wog nur diese eine angelegenbeit und appellierte an die magna
so]^ia des sohnes. — ist diese reconstruction richtig, so sehen
wir die mutter in eifrigem zureden begrifTen, wobei durchschim-
mert dass das worauf sie zielt noch in der blute des lebens unter-
nommen werden müsse (sonst hätte das minitare mit dem aller
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78 RUODLIBB ED. SEn.ER
keinen sinn), firagm. xvi aber (anfang der läge I) zeigt ganz die
nämliche Situation, die mutter stellt dem söhne vor, er müsse
heiraten, es ist kaum anders denkbar, als dass wir hier ledig-
lich die fortsetzung jenes gespräches haben, folglich ist unser
bl. 25 das letzte der läge H und demgemafs bl. 30 das erste
(vgl. oben s. 73 anm.). hieroit gewinnen wir einen völlig ver-
ständlichen Zusammenhang: des vetters hochzeit, als das erste
was R. nach seiner heimkehr ausrichtet, bringt den episodischen
roman zum abschluss und bietet zugleich den anlass für die
mutter, ihre eignen wQnsehe in betreff des sohnes zu entwickeln
und zu betreiben, was vor der hochzeitsscene fehlt, hat ganz
wol auf dem abgängigen scblussblatt von läge G (hinter fragm. xi]
platz gehabt; viel kann es nicht gewesen sein, da doch wol die
künstlerische absieht mitbestimmend war, den eintritt ins väter-
liche haus durch eine köchgezU zu verherlichen, die nicht eine
blofse widerbolung der früher geschilderten gastereien wäre,
zwischen bl. 30 und 25 kann nicht mehr als ein einziges doppel-
blatt fehlen, bl. 30 ist nämlich schluss eines abschnitts, wie
sich schon äufserlich daran zeigt, dass der letzte vers (xv 99),
obgleich zur querschrift, also zu einer reihe von doppelversen
gehörig, einsam auf seiner zeile steht (im jähr 1494 hat jemand
unter das schlusswort curae noten gesetzt mit dem text euras
und daneben: unum est quod spero, das heifst wol, auf cancor-
dent bezüglich: ich wills hoffen), von da bis zu jener Unter-
redung kann aber schwerlich viel zu berichten gewesen sein. —
für dies doppelblatt setzen wir nach dem oben besprochenen
2 X 105 = 210 verse an; dazu bl. 30 mit 102, bl. 25 mit 75
Versen, gibt 387 für die ganze läge H. — Ober läge / sei auf s. 19
verwiesen ; die lücke zwischen xvi und xvn mag 66 verse betragen.
Nun können wir uns an die frage wagen nach der ein-
teilung in bücher, welche aus den §§ der SFIorianer fragmente
zu schliefsen ist. wir haben gesehen dass mit G 44, beim ein-
tritt ins Vaterland, eine neue Zählung beginnt, setzen wir beim
empfang der heimberufenden briefe (v 220) und nach der Öff-
nung der laibe im eiternhaus (kurz hinter xi 81, etwa G 903)
und endlich bei der einmündung in die heldensage (xvn 85) gleich-
falls buchanfange, so ergibt sich folgende einteilung:
I. Ä. exul 1 1— V 219 — 1144 verse
n. Ä. revocatus v 220— C 43 = 1080 „
in. Ä. redux G 44—903 = 860 „
IV. JR. herus G 904— xvii 84 — 721 „
V. R. heros xvn 85 ff.
Diese einteilung hat nichts unwahrscheinliches (es sind ohn-
gef^hr die mafse der Aeneis) und empfiehlt sich besser, als wenn
wir je 2 bücher in eines zusammenziehen und den roman blofs
in Jt. exul und redux scheiden.
Mach den oben begründeten Umstellungen wäre denn die
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RÜODLIEB BD. SEILVH 79
reibenfolge der fragmente zwischen viit und xvi diese: xn. xm.
IX. X. XI. XV. xiy. wir sind zu diesem ergebnis gelangt durch
Terfolgung jener spuren« welche uns zunächst auf die entstehungs-
gescbichte der handschrift und des gedichtes geführt haben,
dieser wichtigen frage ist nun noch weiter nachzugehen, indem
wir den R. auf sein Verhältnis zu den quellen prflfen;
es lassen sich hierüber aufschlösse gewinnen mit hilfe des wert-
vollen materials in cap. in, das grOstenteils durch RKohler bei-
gesteuert ist (s. 52). dass dasselbe, auch wo es moderne auf-
zeichnung aus mündlicher Überlieferung ist, um der treue des
Volksgedächtnisses willen mit alten niederschriften in eine reihe
gestellt werden dürfe, hat der herausgeber s. 72 richtig bemerkt;
aber sein versuch, den entwicklungsgang des novellistischen Stoffes
zu zeichnen und die Stellung unseres gedichts innerhalb dieser
reibe zu bestimmen, scheint mir schon aus dem gründe ver-
fehlt, weil daraus nicht zu ersehen ist, wie der dichter zu seiner
Verschmelzung verschiedener novdlen kam. der umstand, dass
wir eine rahmenerzählung vor uns haben, fordert zur vergleichung
der ältesten mnster dieser gattung auf; und eine nachholung
dieser Versäumnis bildet den anfang der folgenden skizze.
Die rahmenerzählung von KaUlah und Dimnah berichtet,
ein brahmanischer philosoph Bidpai sei wegen seiner freimütig-
keit zum'tode verurteilt, dann aber begnadigt und wider vor
seinen kOnig geholt worden, um diesem gewisse fragen zu lösen
(Benfey Pantsch. 1, 55). ganz ähnliches (auch dass zum be-
scbiuss des philosophen werke in die bibliothek eingereiht wer-
den) spielt zwischen Hadrian und dem philosophen Secundus in
der rahmenerzählung zu den unter dem namen des Secundus
laufenden sententiae, nur dass an stelle der freimütigkeit beharr-
liches schweigen gesetzt ist; und eine Wiener hs. der griechi-
schen Übertragung von Kai. und Dim. nennt statt Bidpais geradezu
unsem Secundus (Lambeccii Comment. de bibl. caes. Vindob.*
6, 272). zur erklärung des Schweigens (das sich der philosoph
als bufse auferlegt hat) wird eine erzählung vorausgeschickt,
welche aus den dementen der Hippolytussage aufgebaut scheint:
nach Tollendung seiner Studien kehrt See. ins Vaterhaus zurück,
die mutter begehrt seine liebe, wird aber zurückgewiesen und
erhängt sich (ein zug, der Zs. 22, 392 verwischt ist), die ah-
weichungen von der Hippolytussage, zum teil mit der Oedipus-
sage stimmend, sind diese: statt der Stiefmutter steht die rechte,
aber yerwitwete mutter, die dann aus schäm und reue den tod
wählt, als sich der söhn zu erkennen gibt; ihre aufforderung
ist hervorgelockt durch eine absichtliche Veranstaltung des Soh-
nes, der als fremdling verkleidet im hause herberge sucht, er
will nämlich — und hier taucht wider ein indischer beiug ^
< ob sich derselbe mit hüfe tod Revilloat (Zs. 22, 399) weiter Ter-
folgen läset, weifs ich nicht, da mir dies werk hier nicht zo geböte steht;
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8^ BOODUBB EB. 6B1LBB
hervor -^ ergründen, ob würklich der (zu dem abschnitt der
sententiae über die weiber sehr wol stimmende) spruch wahr sei,
orc Ttaaa yvvii noQvt], ^ dh Xa^ovoa aiog>^y; dies ist aber
eine äufserung Buddhas: ^jedes weib wird sündigen, wenn ihm
gelegenheit gegeben wird es im geheimen zu tun, sollte der lieb-
haber selbst ohne arme und beine sein', getan mit beziehung auf
eine geschichte, deren abendländischem seitenstUck wir weiter
unten begegnen werden (Benfey aao. 442). die Secundusfabel
scheint älter als die rahmenerzäblung der Sieben meister, denn
der auch hier begegnende zug des Schweigens (sowie die zurQck*
führung des schweigenden vom richtplatz) ist in jener gut mo-
tiviert, in dieser äufserlich angeheftet (einfluss des See. auf eine
andere noveUensammlung, die Gesta Rom., ist Zs. 14, 550 nach-
gewiesen), übrigens rührt der gang der handlung näher an die
Hippolytusfabel, diese nach Pausanias auch den barbaren vor allen
bekannte sage (vgl. Rohde Griech. roman s. 31 anm. 4). aller-
dings hat die indische fassung der rahmenfabel zu jenem bud*
dbistischen fürstenspiegel unverkennbar gemeinsame züge mit dem
rahmen der Sieben m. (Benfey aao. 3811); da sie aber dort ent-
lehnt sind (ebend. 40 f), so müssen sie hier sich selbständig ent-
wickelt haben, wir ünden in Indien keine spur des bucbes von
den Sieben m. (ebend. 39), und es mag die frage gestattet sein,
ob nicht der rahmen derselben in einer gegend seinen Ursprung
habe, wo sich hellenistisches und indisches berührte, etwa in
Aegypten; dass an der spitze des Siebenmeisterkreises ein ara^
biscbes werk steht, würde gut dazu stimmen, auch die griechi-
schen philosophennamen in der hebräischen fassung (Keller Sept
sages s. xx) wären zu erwägen, die siebenzabi würde sich durch
Verschmelzung mit der geschichte Apokas (Orient und occident
3, 177. 391), also durch buddhistischen einfluss erklären.
Prüfung der frauentreue durch einen unerkannt heimkeh-
renden ist ein vielbehandeltes thema (Liebrecht Zur Volkskunde
s. 212), das in der Secundusfabel durch die verschränkung des
Phädramotivs mit dem der lokaste die alte herbigkeit treuer be-
wahrt hat als in den Volksliedern, dass der ursprüngliche aus-
gang kein heiter versöhnender war, verrät übrigens auch eine
chinesische version (ebend. 213): der heimkehrende gatte gibt
sich für einen freund des abwesenden mannes aus, wird aber
so zudringlich, dass die frau ihm eine handvoll kot ins gewicht
wirft; als er sich zu erkennen gibt, erhängt sie sich, wird aber
abgeschnitten, worauf die Versöhnung erfolgt, das erhängea zeigt
deutlich dass eine fassung vorangieng, wo die frau schuldig be-
funden ward, das nachwürken des tragischen grundzuges ist
auch anderes einschlagige, zb. VSchmidts MSrchensaal konnte ich nicht er-
langen, da fiberdiet die verfügbare zeit zu ende gieng, als dieser teil der
anzeige vorgenommen wurde, war an eine durchmustern ng der weitschieb-
tigen litteratur ohnehin nicht zu denken, vgl. übrigens unten 8. 105 f.
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»OODLIBB ED. SBItBH 81
Boch in einer andern chinesischen Variante zn spQren : der heim-
kehrende hat unterwegs einen jüngling erschlagen (umkehrung
des Oedipusmotivs?); zu hause findet er die frau streng gegen
seine prüfenden antrage, fasst aber verdacht heim anbück von
einem par mttnnerschuhe; sie gehören jedoch dem söhne und
es stellt sich heraus dass dieser eben der jUngiing ist, den er
erschlagen hat (ebend.). ursprünglich mag der vater den söhn
im bause aus blinder eifersucht getütet haben.
Dass der heimkehrende Student Secundus eine lehre er-
proben will, dass der prinz der Sieben m. im auftrage seines
lebrers schweigt, gab anlass zu einer neuen auffassung. die tra-
gische heimkehrfabel, schon in den Sieben m. zu einer rahmen-
erzablung mit glücklichem ausgang geworden, ward nun in wei-
terer abschwächung zum rahmen für geschichten, die sich um
befolgung oder nichtbefolgung von lehren drehen, da zugleich
statt des von Studien heimkehrenden Jünglings die volkstümlichere
figor des der fremde müden mannea gewählt war, den zu hause
eine frau erwartet, ward der weise, von dem er fortreiste, aus
einem lehrmeister in einen dienstherrn umgewandelt; und die
lehren, die er ihm mitgab, mnsten unterwegs, also durch reise-
erlebnisse illustriert werden, folglich reiseregeln enthalten, dag
dienstTerhältnis brachte die lohnfrage herein; die lehren wurden
statt des klingenden lohnes zur wähl gestdlt, der übrigens in
ein brot versteckt dennoch ausbezahlt wird, (bei Campbell, Pop.
tales of the west highl. i nr xui und xvn lässt eine mutter ihren
fortziehenden tüchtern die wähl zwischen einem grofsen stück
kuchen mit ihrem fluch und einem kleinen mit ihrem segen;
es ist aber nur in einem der roarchen vom segen der mutter
noch weiter die rede und die verworrenen erzahlungen erweisen
sich so deutlich als flickwerk, dass der kuchen eher hier ent-
lebnang ist als in unserer märchenreihe.)
Die dreizahl der lehren ist echt volksmäfsig; sie begegnet
auch in den lehren der nachtigall. die Warnungen beziehen sich
auf reisebegleiter, rauher und wirte. die erste lehre mag ge-
lautet haben: lass dich mit keinem fremden ein; das illustrierende
abenteuer zeigte wol ursprünglich einen flussübergang, bei welchem
der unvorsichtig voranreitende durch den tückisdien begleiter ins
waseer gestofsen wird (vgl. s. 48. 62). die zweite lehre, vor räubern
warnend, riet immer auf der heerstrafse zu bleiben; das abenteuer
zeigt räuberischen Überfall auf einem nebenweg. die dritte empfahl
vorsieht in der wähl der h^berge; für das abenteuer sind motive
der Secundus- und Siebenm.-fabel benützt, die Situation der her-
berge mit der gefälligen wirtin stammt aus Secundus, der zug von
der jungen frau des alten eifersüchtigen ist der jnvmwida der
Sieben m. (Orient und occident 3, 403) entlehnt.
Die älteste ausführung muss die gewesen sein: der reisende
befolg:! die lehren und sieht andere die nichtbefolgung mit dem
A. F. D. A. IX. 6
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62 nUODLIEB KD. SlILKII
tode bUfseD. diese stufe ist uns nur noch in einer fassang er-
reichbar, die durch historisierung stark not gelitten hat, Gesta
Rom. (ed. Oesterley) 103. weil zum beiden der kaiser Domitian ge-
macht ist, sind die roanigfachen gefahren einer reise umgewandelt
in nachstellungen verschworener, das erste abenteuer ist un-
geschickt ersetzt durch ein anderes (Keller Sept sages s. clxziv),
das nicht nach dem scheroa der tlbrigen gebaut ist (sonst mOste
es lauten : jemand rat dem kaiser sich von einem fremden rasieren
zu lassen und wird, als er selbst sich dem barbier anvertraut, er-
mordet, weil dieser ihn für den kaiser hält); das zweite abenteuer
blieb unversehrt; beim letzten ist das typische stark verwischt,
da das ungleiche alter der wirtsleute in die geschichte des ver-
folgten kaisers nicht passt, die fassung der lehre ist also sinnlos
geworden, aber die ungehorsamen bollsen jedes mal mit dem tode.
auch der rahmen muste geändert werden, da fflr den kaiser das
dienstverhflltnis nicht zu brauchen war.
n. der ungehorsame ist in allen drei abenteuern derselbe,
darf also in den zwei ersten nicht umkommen und geht erst im
dritten zu gründe — Ruodlieb. der ungehorsame begleiter ist
zugleich ein bOsewieht, dem der scbliefsliche Untergang zu gönnen,
wird deshalb (Rochholz Deutscher gl. und br. 2, 222 ff) als rufus
bezeichnet, und die erste lehre lautet geradezu: traue keinem
roten, das erste abenteuer ist nur durch local und Situation
kenntlich, im Übrigen stark abgeschwächt und lässt sogar die
beiden hauptOguren ihre rollen tauschen: statt dass dem roten
gefahr drohen mtlste, ist er der gefährdende und stiehlt R.s
mantel. dieser mantel hat wahrscheinlich im dritten abenteuer
noch mitzuspielen gehabt; denn aus vn 65 ff scheint hervorzu-
gehen dass der verdacht des mordes auf R. gewälzt werden sollte,
roöglicher weise war speciell ftlr unser gedieht characteristisch
der zug, dass der held sich eine leichte Übertretung der lehren
zu schulden kommen liefs : so lehnt er zwar die zudringliche an-
nftherung des roten ab, duldet dann aber doch die begleitaog
des diebischen menschen; indem er ihn aus dem (verlorenen)
zweiten abenteuer rettet und dabei vermutlich den hauptweg ver-
Iflsst, lädt er sich den schlimmen gesellen abermals auf den hals,
dadurch kommt erst Spannung und fortgang in die geschichte,
die nun nicht mehr blofs einfache parallelisierung von gehorsam
und ungehorsam ist. dass das dritte abenteuer die ursprOngliehe
form treu bewahrt habe , ist s. 72 richtig erkannt, der sdilnss
des rahmens, entdeckung des lohnes in den broten, ist erbalteo.
m. auch aus dem letzten abenteuer entkommt der ungehor-
same, liem deshalb die poetische gerechtigkeit wider den hariii'
losen character zurOckgibt: die tumben (denn es sind mehrere
statt des einen) dürfen den mord nicht begehen, sondern nur
(wie mutmafsfich auf der vorigen stufe der hauptheld) in verdacht
geraten, die dadurch nötig gewordene neue figur des wtlrklieheo
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Rl}OI>LIEB ED« 8EILBil 83
mOrders aber verrät ihre herkunft aus n (womit natOrlich nicht
das gedieht, sondern dessen quelle gemeint ist) durch die roten
haare : das yerhttltnis zur wirtin braucht bei diesem nebenhelden
nicht so kurz angesponnen zu sein, wie im R., er ist ihr buhle;
dass er als kleriker vorgestellt wird, soll wol eine motivierung
durch die erzwungene ehelosigkeit (vgl. Rettberg 2, 658) ent-
halten, begreiflidier weise kommt dabei der zug von der alters-
Ungleichheit der wirtsleute, ähnlich wie in den Gesta Rom», um
seine ursprüngliche bedeutung; die lehren jedoch fahren ihn noch
fori, und ebenso die Warnung vor dem roten, der doch nun
eine blofs episodische figur des letzten abenteuers geworden ist;
deshalb steht sie auch zu der dritten lehre herangerückt und die
alte zweite nimmt den ersten platz ein. damit verliert das erste
abenteuer, das schon im R. geschwächt war, vollends den anhält
und Wli ganz weg: also zwei abenteuer zu drei lehren (nr f,
8. 54). wie in Gesta Rom. ist der rahmen geändert.
IV. nicht blob das erste abenteuer wird aufgegeben, sondern
auch die zugehörige lehre, welche auf stufe m noch an falscher
stelle und mit episodischer beziehung bewahrt war; der mOrder
ist in folge dessen kein roter mehr, um die dreizahl zu füllen,
wird hinter das ursprünglich dritte, nun an zweite stelle vor-
gerückte abenteuer ein neues gefügt mit der lehre neoer kJce
whai beUmgs to another (d, e, s. 53 f). die lehre scheint aus der
ältesten fassung der ersten zu stammen: befasse dich nicht mit
fremden menschen, hier: mit fremdem gut. das abenteuer jedoch
ist dürftig erfunden und föUt gegen das vorhergehende stark ab.
V. zum behuf eines kräftigeren abschlusses wird die heim-
kehrscene der rahmenfabel zu den abenteuern geschlagen und
mit einer lehre versehen, welche die durch das vorrücken der
zweiten und dritten frei gewordene letzte stelle einnimmt (und an
eine aus der rahmenerzählung der Sieben veziere erinnert, Keller
Sept sages s. viii). von gegenprobe am ungehorsamen ist dabei
nicht mehr die rede, weil dies grundmotiv in Vergessenheit ge-
riet, wie denn auch die ganze scene nicht mehr unterwegs spielt,
der heimkehrscene gibt man die gestalt zurück, welche wir aus
den oben erwähnten chinesischen parallelen zu europäischen Volks-
liedern kennen; selbst der kleine zug, dass die frau dem gatten,
den sie nicht kennt, eine handvoll unrat ins gesiebt wirft, könnte
sich spiegeln in dem was ein cornisches märchen berichtet: die
frau, ärgerlich dass der mann nur einen kuchen heimbringt, wirft
diesen nach ihm (Köhler zu Gonzenbach 2, 254 anm.; das märchen
hat übrigens die hauptsache vergessen, ebend. 253 anm.). so ent-
stehen die Versionen a — c: der heimkehrende hält den söhn für
den liebhaber der frau, wird aber durch befolgung der lehre (strafe
nicht im zorn) davon abgehalten beide zu töten.
VI. Vermischung der vorigen mit früheren stufen, aus der
ältesten form nimmt man den flussübergang als erstes abenteuer,
6*
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84 RDdDLIBB feD. SEILER
aber die warnung wird nicht auf menschen, sondern auf die
Strömung des iSusses bezogen, die folgende lehre entspricht der
ersten und letzten von st. ni, indem die dritte (von der faerberge)
mit der ersten (von rflnbern auf abgelegenen pfaden) yerschmolcen
wird; es entsteht so eine warnung vor abgelegenen herbergen
mit dringend einladenden wirten, die junge frau kommt in Weg-
fall, die dritte (vertraue keinem gezeichneten) steht der zweiten
von m gleich, aber die entsprechende fignr ist nicht mehr von
gott, sondern durch den nachrichter gezeichnet und gibt zu keinem
selbständigen abenteuer anlass, wird übrigens geschickt mit dem
letzten, dem ursprOnglichen rahmen verflochten, ein mensch näm-
lich, welcher die einsame frau vergeblich zu verführen trachtete,
war mit abschneidung des hartes bestraft worden und verleumdet
sie nun aus rachsucht bei dem heimkehrenden gatten, der aber
eingedenk der lehre vom zorn sich wie auf st. v beträgt, der
verschmähte liebhaber ist im gründe nichts als ein abklatsch des
vermeintlichen, und so kommt es dass er an diesen, den söhn,
eine eigenschaft abgeben konnte, die ihm selbst, als bOsewicht,
noch von st. ni her anhaftete: nicht er, sondern der söhn ist
jetzt kleriker (s. 62 ; Tommaso Costo). bemerkenswert ist dass
auf die beschriebene weise das alte erste abenteuer mit neuer
lehre seine stelle behauptet, die alte erste lehre aber (als 3) gleich-
falls erhalten ist. zweitens: das ursprünglich wichtigste aben-
teuer ist aufgelöst, herberge und wirt zu einem früheren abenteuer
geschlagen, der buhle mit dem letzten in bezug gesetzt, die wirtin
ganz beseitigt, drittens: durch die compilation ist die schranke
der dreizahl gesprengt, die weitere entwicklung stöfst deshalb
sofort die instaurierte erste lehre wider ab. ja, eine fassung (s. 61,
Lütolf 85 f) beseitigt alle abenteuer aufser dem letzten, das in
der form von st. vi geschildert wird und auf dessen einzelne
momente drei lehren (die letzte: nicht im zorn strafen) ge-
münzt sind.
VII. beibehalten wird aus der vorigen stufe der geistliche
character des sohnes und die auflösung des herbergsabenteuers.
die an die stelle tretende neubildung benützt jedoch das vorhan-
dene roaterial: herberge, wirt, wirtin, eifersocht, wie im R.; nur
ist das ganze anders gewendet, indem das motiv des Schweigens aas
dem Siebenm.-rahmen eingeführt wird : der held schweigt zu den
vorwürfen, die der grundlos eifersüchtige wirt der wirtin macht,
und die zugehörige lehre heifst, wol in nachahmung der ahen
ersten (vgl. st iv): befasse dich nicht mit fremden angelegenheiten
— seltsam genug, da es ja doch um seine eigenen zugleich sich
handelt (vgl. übrigens Zs. 12, 199 nr 9). so sind zwei eifersucht-
scenen da, nicht ungeschickt auf einander gestimmt: der treue
der frau im letzten abenteuer erweist sich der gatte wert, indem
er ihr im vorhergehenden die seine bewahrt (i, k, s. 56 0- künst-
lerisch richtige empfindung verrät k , indem^ es die beiden cor*
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respondierendeii sceD€«i auf anfang und ende verteilt, sodass an
zweite stelle die lehre wider zu stehen kommt, welche diesen
platz seit st. ui aufgegeben hatte, sie allein ist noch erhalten
aus dem ^testen bestand, deshalb hat auch sie allein die gegen-
probe an den ungehorsamen.
vm. das schwanken in der reihenfolge bei den zwei ersten
abenteuern dauert fort, obschon der anlass weggefallen ist: das
abenteuer in der herberge lüsst nämlich nun die frage nach des
beiden eigener treue ganz aus dem spiel« und dass das nicht-
scfaweigen gefahr droht, ist aus der Situation gar nicht mehr zu
begreifen, die Torstellung der untreuen wirtin gab anlass, jene
weitgewanderte gescbichte hier einzuflechten, auf welche der bei
gdegenheit des Secundus erwähnte spruch Buddhas sich be-
zieht — ein abermaliger beweis, wie die neubildung immer wider
aus demselben Stoffgebiet schöpft, es ist die erzablung, welche
in der Zimmerischen chron. (1, 339 0; dazu Germ. 14,391) mit
einem grafen von Leiningen in Verbindung gebracht wird und
daselbst mit einer aufklarung falschen argwohns, widerbelebung
des unschuldig gemordeten und Versöhnung der gatten schliefst
(vgl. Pantsch. 1, 452 — 454), während hier die untreue der frau
feststeht (1 — u, s. 57 S). auf die Weiterbildung brauchen wir nicht
einzugehen; schliefslicb bleibt vom ganzen nur noch das letzte
abenteuer Obrig (Gonzenbach 2, 254).
Einen merkwürdigen ableger von st. m (und ii) bilden die
Jakobsbrüder. der frühere hauptheld wird zur nebenfigur und
hatblofs noch die rolle des treuen retters zu spielen; an einem
einzigen puncto bricht die erinnerung durch dass er eine War-
nung in bezug auf die altersungleichheit der wirtsleute empfangen
hat (s. 55, Le dit des ttois pommes). der die ratschlage erhalt,
ist der tnmhe jungeUnc, der aber hier gehorsam ist und nur zu
gründe geht, weil einer der ratschlage ihn gerade in das ver-
hängnisvolle Wirtshaus weist (Germ. 10, 449*). die gerechti^keit
des märchens greift deshalb nach dem Hippolytusmotiv der wider-
erweckung; an die stelle des Asklepios tritt ein heiliger , und
zwar, da es sich um einen wanderer handelt, einer dem eine
solche Wanderung gelten mochte: SJago von Compostella. der
andere rat bezieht sich (anklingend an die älteste erste lehre) auf
die wähl des reisegefährten ; nur ist der warnung vor ungetreuen
noch die empfeblung des getruwen mans (Goedeke Gengenbach
s. 632) beigefügt und dadurch die einfuhrung jenes retters vor*
bereitet, als dieser sieht dass die wirtin jung, der wirt alt ist,
verlässt er die herberge, worin der andere dann vom buhlen der
habgierigen frau ermordet wird, der freund nimmt die leiche
mit nach Compostella, wo der heilige sie wider belebt, dann geht
die gescbichte in die Ameliuslegende über; aus ihr stammen
namentlich die beiden goldenen becher, von denen jeder der
scheidenden freunde einen erhält. — eine andere fassung (Uhland
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86 ROODLIBB ED. SEILER
Volksl. s. 803 0) lässt die lehren ganz weg, erzahlt aber das
abenteuer in der herberge mehr im sinn der ursprOnglichen
Warnung, indem die junge wirtin (hier als tochter aufgefasst)
ihre äugen auf den jüngling wirft, der weitere verlauf scheint
durch eine reminiscenz an die goldenen becher veranlasst, welche
zur herbeiziehung des not^erco-motivs aus den Sieben m. (Orient
und occident 3, 419) führte, zum beschluss kommt der jQng-
ling, ftir den des diebstabls beschuldigten vater sich opfernd, an
den galgen, aber der beilige erhalt ihn am leben, das weitere
gehört nicht hierher, nicht zu abersehen ist dass augenschein-
lich früherhin an SJagos stelle ein anderer totenerwecker und
reisepatron stand, SNikolaus. von ihm erzahlt Caesarius von
Heisterbach (8, 73, vgl. 58) dass er den am galgen hangenden
unschuldigen nicht sterben lasst; seine legende von der wider-
belebung zweier jUnglinge, die auf der reise zu ihm begriffen
von einem räuberischen wirt ermordet und zerstückelt waren
(Wolf Beitr. 2, 114), hat sichtlich den anlass gegeben dass das
motiv der allzu jungen wirtin verwischt ward (und es fragt sich,
ob nicht in diesem punct st. m eine rückwürkung durch die
Jakobsbrüder erfahren habe); entscheidend endlich ist die ilreund-
schaftsprobe mit den drei apfeln (Germ. 10, 448 0« die erst dann
einen schonen sinn bekommt, wenn wir in dem orakel den wink
des reisepatrons sehen dürfen (vgl. Goedeke Geng. s. 239, 320):
drei apfel aber sind attribut des hl. Nikolaus (Heiligenlex. 4, 549;
Sepp Altbair. sag. s. 299 ff; Wolf aao. 113). dass die Jakobs-
brüder im Orient bekannt waren, lasst sich vielleicht auch aus
einer eigentümlichen fassung scbliefsen, welche die Athenais-
geschichte (Oesterley Baitäl pachisi p. 177) in 1001 nacht zeigt
(nacht 94—97; Wien 1826, bd. 4, 43 ff); der apfel, den Eudokia
dem Paulinus schenkt, scheint hier reminiscenzen an die drei
Nikolausapfel und weiterhin an die Zerstückelung, sowie an den
edlen Wettstreit unter dem galgen geweckt und die anbringung
dieser züge veranlasst zu haben.
In der vorhin erwähnten zweiten fassung der Jakobsbr. (vgl.
auch Sepp aao. 652 ff) verhalt sich der wirt ungläubig bei der
nachriebt von der wunderbaren lebenserhaltung. das *eher wird
das und das geschehen* (vgl. Hrotsvith ed. Barack s. 62 und den
dürren stab der Tannhausersage) ist der localitat entsprechend
auf hühner, rebhühner bezogen, die gerade am spiefse stecken
und auf die frevelhafte rede hin sofort lebendig davon fliegen,
von hier aus konnte eine ideenverbindung hinüber leiten zu den
vögeln der weitverbreiteten Ibykusgruppe (rebhühner sind es in
der geschiebte vom Juden und schenken Liedersaal 2, 601 f ; AM
bll. 1, 118; Boner nr61), zumal die ganze Situation einer scene
der ProphUiassage (Zs. 12, 186) nachgebildet scheint, worin der
unwillkürliche selbstverrat der würklichen mörder ahnlich wie
im Ibykus, nur ohne die vögel vorkommt, nun wird begreiflich,
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MOHUKB Ell. satuM 87
wie ein zweiter aUeger unsereor AoreUe entötehea konnte, wonn
das hauptabenteuer eine entlehnung aus *die sonne bringt es an
den tag' ist (s. 48). die rahmenerzablung erinnert an den ein-
gang der sehen erwi&hnten Campbellschen märcben (Orient und
occident 2, 294. 300). die beiden ersten lehren setzen die sediste
stofe unserer sage yoratts, denn sie sind, nur in umgekehrter
folge, die nftmlichen wie dort; die hier zur ersten gewordene
zweite lehre ist noch mehr entstellt als bei Costo, enthält aber
einen zusatz, der auch in einer deutschen yersion der Domitian-
sage (oben, st i) begegnet: da» du nimmer herber g vakest gar Me
^fot (Zs. 1, 412). alles deutet darauf hin dass die von Seiler
als A Torangestellte gruppe, weit entfernt etwas ursprünglidies
zu sein, das auf die Ruodliebsage einfluss hatte, viehnehr ans ihr
erst abgeleitet ist; dass sie jedoch schon Yorhanden war, als dis
Ruodliebgedicht entstand, werden wir nachher sehen.
Die Hakonsage sodann, die Seiler unter B aufführt (s. 50 f),
ist gleichfalls erst aus unserer sage hervorgebildet und setzt die
kenntnis von zwei stufen dersdben voraus; die warnung vor dem
roten, an erster stelle, weist auf die stufe, worauf R. selbst steht,
die heimkdurscene auf st. v. die zweite lehre aber ^verlass.die
messe nicht' ersetzt die alte zweite (st. i und u) ^verlass die strafse
nicht', das motiv der eifersucht (Hertz Deutsche sage im Elsass
s. 285 tt) scheint damals noch nicht in die Fridolinlegende eia-
gefübrt gewresen zu sein, dagegen die Säumnis bei der messe
(ebend. 284 f). die Hakonsage ist demnach das erste beispid
dass das Fridolinmärchen in eine rabmenerzählung mit väterlichen
lehren gefügt erscheint; denn das eifersuchtsmotiv tritt, wenig*
stens im abendland (vgl. ebend. 282), erst in den rahmenerzäh-
lungen auf (286). dass in der Hakonsage der Verleumder ein
roter ist, erklärt sich leicht durch ihre herkunft aus R.; aus
Fridolin staamit sie nicht, denn hier finden sich nirgends die
roten haare erwähnt, mit einziger ausnähme der fassung Germ«
3, 437, welche jedoch durch einen deutlichen anklang an die
Ruodliebsage von den vorhergehenden sich unterscheidet (statt,
wie dort, am Sterbebette des vaters, erhält hier der jüngling die
lehren bdm auszug auf die Wanderschaft), auch hinsichtlich der
rabmenerzählung steht die Hakonsage dem R. viel näher als die
späteren predigtmärlein.
Als einen vierten ableger endlich gibt sich durch den rahmen
und durch die warnung vor dem roten zu erkennen eine erzäh*
lung aus den Nugae cur. des Wakher Mapes (Liebrecht Zur volksk.
s. S%). leider sind fast nur die lehren erhalten, fünf an der zahl;
ohne zweifei haben wir es mit einer erweiterung aus Ursprung*
lieh dreien zn tun, welche vermutlicb in den letzten drei be-
wahrt sind: non exaUabis wnmm; non dueee fiUam aduUerae; non
€rede$ rufo ignobiU. mir fehlen die hilfsmittel zur weiteren ver*
folgupg dieses zweiges. aus Germ. 5, 55 scheint hervorzugehen
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6S »OMMLIfiB KD. SDLn
4a88 ein bezug auf die bavpdehre des zweiten abiegere vor-
handen war.
Diese erOrterungen waren nicht alle ntttig gewesen, wenn
es sich blors um die chronologische Stellung des R. innerhalb
jener entwicklungsreihe handelte; aber sie sind in ihrer geeammt-
heit unumgänglich, sobald wir nach dem Terbllltnis unteres dich-
ters zu seinen quellen fragen, wie die höfischen epiker des ma.s
ihre erzablung ab und zu durch eine discussion der verschiedenen
ttberlieferungen unterbrechen, so hat auch er der seinigen dn
Zeugnis seiner variantenkenntnis einverleibt; in seinem lehren-
katalog stehen aufser den zum hauptstamm gehörigen auch noch
die abweichungen aus den nebenscbOsslingen. und zwar in dieser
reihenfolge« ableger iv hat zwei lehren beigesteuert, allerdings
in angepasster form (wenn nicht vielmehr umgekehrt die Nugae
cur. entstellung zeigen); non exaUäbü 8$rvum und non duces
ßimn aduUarae (bei Sacchetti: heirate keine ausländerin) scheinen
den lehren 6 und V (v 484 — 487) zu entsprechen: erhöhe
keine magd und cognotäbäem canquire tibi muliermn, aus abl. u
stammt 7^ (v 488 ff): vertraue deinem weihe nicht alles an« aus
abl. m endlich die (von st v entlehnte) schlussldire und die
«npfehlung, der messe nicht vorbeizugdien : lehre 8 und 10.
auch lehre 9 dürfte auf die Fridolingmppe zurückweisen, wie
nachher noch zu besprechen, und zwar auf jene schon erwähnte
f<Min, die den Verleumder als roten kennt; da sie zwischen den
beiden aus der Hakonsage steht, so liegt der schluss nahe, unser
dichter habe eine version gekannt, die gerade in diesem ponct
von der Hakonfassung abwich.
Also aus dem katalog geht hervor dass damals schon saount-
liehe oben als ableger bezeichneten Weiterbildungen existierten
(indirect wenigstens gilt das auch vom ersten, wofern wir recht
haben dass er die grundlage für den zweiten war), zweitens:
die entwicklungsgeschichte unserer novelle muss zur zeit der ab-
fassung des R. bis zu st vi vorgeschritten gewesen sein , weil
aU. n diese voraussetzt, drittens: was in den einzelnen eriflh-
lungen beisammen stand, steht auch hier beisammen, nur fiüit
auf dass lehre 8 nicht hinter lehre 10 steht; weil aber denkbar ist
dass sie nicht aus abL m, sondern unmittelbar aus st v genommen
sei, welche vermöge der einschneidenden abänderung des Schlusses
auch als sprossform erscheinen mochte, so dürfen wir hierauf
keinen nachdruck legen, scheint sonach lehre 6 — 10 nichts
weiter als eine Variantensammlung zu sein, so muss doch unter-
sucht werden, ob nicht nach dem muster von 1 — 3 ein programm
der ferneren handlung darin aufgestellt werden sollte.
Für einen punct wenigstens lässt sich, wie ich meine, ein
einfluss der Variantensammlung auf die anläge des ganzen mit
ziemlicher Wahrscheinlichkeit nachweisen, indem der dichter die
verschiedenen lehren überblickte, gab ihm das non dnces ßUm
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HOOBtlBB ED. 8BILBR 89
oMierae, das wir in lehre 7* widerfinden, den anstofs die mbmen-
enSbliiiig dahin abzuändern, da» der held unverheiratet war und
erst nach der rückkehr ein weih nahm, da sich hieran zwei
weitere lehren in bezug auf die gattin schliefsen (7** und 8), so
lässt sich vermuten, es sei eine förmliche ehestandsgeschichte
beriMtchtigt gewesen ; das non ut tibi üetu v. 500 könnte auf
st. VI deuten (einflüsterungen über einen kleriker). lehre 9 wird
durch die nachbarschaft von 8 und 10 der Fridolingruppe zu«-
gewiesen, ob sie in der quelle, woraus der dichter schöpfte,
die nämliche form hatte, lässt sich nicht sagen; sicherlich aber
besog sie sich auf das verhalten zur herschaft, denn selbst nach
einffthntng des eifersucbtsmotivs in die Fridolinsage lautet sie
noch: richte deine miene nach derjenigen der herschaft, dass,
wie bei Fridolin, gefthrdung des lebens hereingespielt habe, liefse
sieh aus v. 510 folgern, wir hätten uns etwa zu denken: der
held begibt sich bei seinen früheren herren wider in dienst, die
mitgebrachten schätze wecken deren habgier, es wird 'der gang
nach dem eisenhammer' veranstaltet, das messehören rettet den
ahnungslosen, worauf er den rat von v. 505 befolgt, aber auch
des dienstes satt ist. aus 412 ff; 540 ff (vgl. xi 71 f) sdieint
hervorzugehen dass die laufbahn mit einer rückkehr zu dem
gütigen könig abschliefsen sollte; auch die grafschaft v404 ist
wol vorausdeutend erwähnt. — all das ward umgestürzt durch
einfflhmng der Heriburg. dass das anschneiden des gröberen
laibes in gegenwart der braut nun nicht mehr passtet ist s. 73
schon gesagt worden, der eintritt in ein dienstverhältnis bei den
ehemaligen herren wird aufgegeben (xi 76 f), so deutlich er nach
V 230 ff; 537 vorgesehen war. vor allem muste die von der
mutter geplante heirat wegfallen, aber scenen und motive aus
dem verworfenen plane konnten berübergenommen werden, so
namentlich die Werbung um das von der mutter empfohlene fräu-
lein; weil jedoch aus der heirat nichts werden durfte, ist das
abenteuer nun in einer weise gewendet, dass es wie eine ironie
auf lehre 7' aussieht, der kleriker, der darin vorkommt, mag
eine zustutzung sein aus demjenigen, den whr vorhin für lehre 8
vermutet haben; natürlich ist jetzt der verdacht kein falscher
mehr, die hochzeitsscene (xv) war vielleicht ursprünglich auf
den beiden selber berechnet, nicht auf den vetter; und ebenso
die reizenden spiel» und tanzscenen mit der heriUs (wonach
denn das saitenspiel des mihi ix 27 ff erst unter einwürkung des
neuen planes erfunden wäre), die ursprüngliche rolle des vettere
hatte alsdann in nichts weiter bestanden, als durch exemplifi»
cierung von lehre 6 die folie abzugeben für das weisere verhalten
des hdden, der lehre V befolgt; in ähnlicher art sind ja die
beiden ehepare vi 24 ff; 120 ff parallelisiert. indem nun dem
vetter übertragen ward, was ursprünglich dem mäes zugedacht
war, galt es jene scenen einiger mafsen zum haupthelden in be«-
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90 BDOBUKB BD. SBILBR
zag ZU bringen; dies geschah, indem er den vermitUer machte
(x?), auch wol durch das vorbin angeführte aufspielen zum tanze,
andererseits war es, da die heirat des mtfas nicht zu stände kam,
nicht mehr nOtig, das contrastmotiv (lehre 6) besonders herror-
zuheben ; wir erkennen zwar aus xy 29. 35 dass es nicht völlig
abgestreift ist, aber man wird bezweifeln müssen dass es eine
breitere ausführung gefunden habe (für die ja nach unserer re-
Gonstruction der handschrift auch gar kein platz wflre). ja, man
könnte auf die Vermutung kommen, die sechste lehre de ancäla
non exdkanda sei der hauptsache nach mit der figur der jungen
ehebrecherin combiniert worden, sodass die umgestaltende würkung
des veränderten plans bis fragm. vi zurückreichte, da nimlich ihr
Seitenstück, der junge gatte, ein servna exaüaius ist, so dOrfen
wir sie vielleicht als andUa exaUata vorstellen, und in der auf-
fälligen bezeichnung aneiUa vm 28 steckt dann nicht maget, dieme,
was für eine verheiratete nicht recht passt, sondern eigmdiu; dem
eofUemnat und respandendo mperbe (v 478) entspräche eontemnü
(vi 122) und subsannando (vn 124). leider entgeht uns das ent*
scheidende, die fortsetzung von vi; das leichtfertige weib ist aller»
dings würklicbe «xor, nicht biofs vdut uxor, aber das würde
kein hindernis für diese auCfassung bilden, da das wesentliche im
exaUare, nicht in dessen form liegt.
Dass die dreizahl der lehren überschritten wurde, daran war
die existenz der Varianten schuldig; dass die Varianten blols als
Schaustücke aufgenommen worden seien, ist nicht wahrscheinlich;
dass das programm der handlung, das sie vermutlich geben sollten,
nur mit auswahl eingehalten ward, liegt an der Änderung des
planes, nun sind aber noch lehre 4 und 5, 11 und 12 zu be-
rücksichtigen; das erste par ist zwischen den alten grundatock
und die Variantensammlung eingeschaltet, das andere bildet den
schluss. das sieht fast nach einer absieht aus, und vielleicht
geschah es eben dieser parigen anordnung zu lieb dass die zwei
lehren v 484 — 497 in eine zusammengezogen wurden, um das
dutzend abzurunden, das durch die aufnähme jener pare voll-
gemacht werden sollte, wenn es in der tat lückenbüfser sind,
so mag auch ihre auswahl ganz zufällig sein; vielleicht leiteten
jedoch anklänge, lehre 11 könnte aus Matth. 12, 1 ff erwachsen
sein: Darid, der um seiner hungernden geführten willen sich an
den schaubroten vergreift, muste nach dem Zusammenhang als
Übertreter des fastengebote, als sabbatschänder erscheinen gleich
den Jüngern, die per sota gehend ähren rauften; dies per eata
und das in sota der zwölften ist vielleicht das einzige band zwi-
schen beiden lehren, das sich zugleich von dem per sola der
zweiten herüber schlänge, die zwölfte findet sich (vgl. s. 46 anm.)
In einem märchen wider, das aus Rattenberg, nicht aUzu weit von
Tegernsee, stammt, sodass der dichter sie vielleicht von den um-
wohnern des klosters hatte (vgl. übrigens Pirmenich 2,658 0* dies
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BU(N»LIBB BD. 8BILBE 91
marchen eDthält eine dreizahl von klagreden und steht dadurch
in einiger Verwandtschaft zu der Aslauggnippe (KHM 3', 170 ff),
welche ihrerseits, wenn ich mich recht erinnere, in der bei Seiler
s. 47 dtierten abhandlung Köhlers mit unserem abl. n in bezug
gesetzt wird. — noch weniger ist mit dem vorderen par antu«-
bngen. die fünfte lehre ist einer von vier aussprachen, welche
Antonius Melissa dem Solon zuschreibt (Migne Patroh gr. cxxxvi
s. 851), findet sich aber auch als leoniner und im Freidank
(97, 6f); dass statt amicm contr&nUü steht, könnte allenfalls auf
den Vetter weisen, die vierte spricht von praestare wie die neunte;
Ober ihre herkunft vermag ich nichts zu sagen. — recht grofs
dürfte die Wahrscheinlichkeit nicht sein dass dies doppelpar von
lehren gleichfalls erprobt werden sollte; war ihnen ülnigens ein
ptatzchen in der erzahlung zugedacht, so wurde doch diese ab«-
sichl von dem augenblick an aufgegeben, wo der dichter sich
entschloss nach dem R. heros hinüber zu steuern ; dass aber dieser
entscbluss schon wtthrend der arbeit am dritten abenteaer reif
gewesen sei, darQber ist vorhin eine Vermutung gefiufsert worden,
den anstofs dazu gab vielleicht die nachtrügUche erkenntnis, dass
ein straufs von Varianten allzu locker sei um eine composition
vorzustellen.
Geschöpft hat unser dichter ohne zweifei aus mündlicher
Überlieferung und er muss den joculaiores gern und oft zugehört
haben, ihn für einen unter die fahrenden geratenen kleriker zu
hahen, das verbietet der ganze ton seines Werkes, um so rascher
bewegt und durch einander quirlend haben wir uns die Strömung
fahrender leute zu denken, die ihm die blumen zu jenem straufs
vor die füfse spülte, da das rote haar für die zweite stufe cha-
racteristisch ist, seine bedentung auf der dritten schon verblasst,
Idiendig dagegen in denjenigen ablegern bleibt, welche auf ger*
manischem boden entstanden sind, der Hakonsage und dem ihr
am nächsten stehenden Fridolinmärlein , so wird die einfügung
dieses zuges in Deutschland erfolgt sein, und von da aus gelangte
dann die sage auf keltischen boden. dieser Wanderung nach
Westen muss eine herkunft von osten entsprechen, und hiezu
stimmen bedeutsam die troisfornmes der JakobsbrOder; wie diese
spur auf den heiligen von Myra deutet, so wird auch die ursprüng-
liche gestalt unserer novelle von morgen her zu uns gewandert
sein, aus denselben ostlanden, wo die Secundusfabel spielt, sie
nahm den nflmlichen weg wie die tiersage (Zs. 18, 1 ff); auch
die analogie von Cobbo und Lantfridus liegt nahe genug; unser
gedieht selbst verrät kenntnis byzantinischer dinge (anm. zu v323),
und das gmns foMle deetrum (v 370) ward vermutlich durch
Ottos n griechische gemahlin nach Deutschland verpflanzt (BrBu-
eher Gesch. d. tecbn. künste 1, 18). sogar ein griechisches wort
findet sich, das kaum anders als durch lebendigen verkehr dem
dichter kann zugekommen sein, piramis xv 63; es wird von
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02 AüOBLiEB BD. asatt
demselbeD noch die rede sein in dem abichnitt Ober teit-
bebandlung und eommentar, zu welchem wir nun Ober-
gdien.
Mehrmals deutet die handacbrift an, das geschriebene solle
umgestellt werden, der strich zwischen n 26 und 27 ist am
ende aufgebogen, dient also wol (mit dem zwischen 5 und 6) ab
klammer; vor dem ersten steht N(ota?), vor dem zweiten B(mu?).
der verbsser wünschte vermutlicb dass die Pliniusstelle, welche
den schluss der seite einnimmt (die auf der nächsten ist blofs
fingiert), hinter 5 eingeschaltet werde, bemerkenswert ist die
unrichtige widergabe dieser stelle; ihre wahre meinung (vgl.
8. 187) spiegelt sich nur in der wOrkung, welche nach v. 10 die
fische verspürt haben sollen, der dichter hat ein barbarisches
verfahren beim fischfang (über das sachliche später) auf grund
der in dem namen euphrosyniHm ausgedrückten anschauung ideali*
siert, und es scheint fast, das unrichtige citat sei eine kleine Ust,
um seine quelle zu verdecken. — fragm. xv hat der Verfasser
am rande durch bogen und zum teil durch Zusammenstellung
von versanfilngen (ad quod, est quoi, dicmt) den wink gegeben,
die reihenfolge solle sein 20. 23-^25. 22. 21. 26.
Die ergflnzung m37 solio ist etwas gewagt; soarnm (stein-
bau) oder sepium (vutemmgt Diefenb.) im sinne von bürg tut
auch den dienst. — ni 39 ab soll gleich ahtq^M sein ; es ist wol
zu lesen : parva, qao narret, non iA re sie pamtäUt, vgl. ab hoc
rt xvu 47 ; pavüare in schrecken , aufregung sein. — vi mii-
grtghm (aus Schm. herübergenommes) ist meines Wissens gar
kein wort, auch findet die Zusammenkunft keineswegs an jener
stelle, sondern auf der brücke statt; ich vermute daher: jam rt-
güme rata. — über ergSnzungen zu v 338 ff s. unten bei den
realien. — v 376 nobilibus statt et gemmis; A; ist deutlich er-
halten. — V 425 non statt id: ich begehre nicht was der (ge-
meine) brauch der ehre gleich setzt, indem er gut für ehre nimmt
(nam summt j^eltt mslior eapientia gemmü Genn. 18, 338). —
V 427 pauperies müeros cogk pluree usw. — v 435 ctts noch
ziemlich lesbar; also etwa pä tot divitüs (tot deiküsch wie vi 83). —
V 602 qaivis etemipeditm (Graff 1, 490; Diefenbach Nov. gL). —
V 613 ff Bata in equo quivts valet Ats eoE^rs lacunis; Nee tremsir$
via prope »epes tarn lutuUnta Quieque pedans postet, ni pons wriis-
simus esset. Quem tat temptando eepernque manu retinendo Vix dt-
vitaret m cenum fis eecidiseet. Trames at est artus e campo per
$ata iritus, Qui dat iter; eaUem usw. — vi 32 WMeyer hat einige
der bände ausfündig gemacht, von deren deckein unsere frag-
mente abgelöst sind ; hierher trifft der vorderdeckel von dm. 18557,
der einen sehr deutlichen abklatsch unseres verses zeigt: vas be-
stätigt sich, aber vor capide steht u^us, wol zu vas gehörig;
davor vielleicht agna und hinter nonne colon? — ti 85 piror
tura$; der eehifferei-brei im gl. s. v. (aus Diefenbachs piratura
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MODLISB BBk SBItBE 93
sddff-rtjfiny) ist eia starkes staek; die acllriftzage pbk::tura$
oder p'm : : turas führen auf piemmturas (vgl. h* :» kic Watten*
hoch Paläog.^ s. 69), das wäre würxgebäck, absuleiten von pie-
MMihM» Zs. 69 274. — VI 86 o/t« aUü; es ist von xopfarüg
geQochteneni backwerk die rede : *und kränze^ für andere (tisob-
genossen) wider andere (derart), zb. zOpfe'; Du Gange hat metita
twe toUyrida, mmda yjmli] («=^ «Mitltda, »umpf), folglich mmuia
das gerade, der copf, im gegensatze zum kränz , earanMa. —
▼n 40 üKf quatit et franffit, denn es muss doch auf das 91115 t. 39
antwort kommen. — nii 31 ist mit hilfe des abklatsches auf
chn. 18557 zu lesen: cur...ra faeere, dicht über der zeile läuft
der schnitt des bucbbindermessers ; also wol cur jMosram facere?
-~ a 9 iubiere im reim auf sponls (vgl. duxere ▼. 15); die stelle
ist nur in der SFIorianer abschrift erhalten, dem original dürfen
wir "UiU nicht zutrauen. — x 1 ist wol Schmellers ergftnzung
ipsam richtig; über den possessiven gebrauch von ipse später. —
X 55 ist zu erkennen [eeUmi, 65 [nitus. — xi 1 bat Schm. ganz
richtig nach der hs. püu»; auch sein qaia scheint den Vorzug
zu verdienen. — xi 45 kann die ergflnzung nicht richtig sein,
weil der buchstabe nach dederat sich deutlich als m zu erkennen
gibt. — xni 74 etwa postmodo, weil die lücke nach po zu grofs
ist fOr blofses stta. — xiv 11 plemtm ceu poUinis 0$ $it, gemeint
ist das breimaulige reden; vgl. MSD^ 44 (xxvu 1, 8) tune nuJU
niekt foUen muiU haben müues unds doh blasen; der reim pro^
fert:os sit ist wie dum fertimul dal m 34, vüitzquid fert x 12. •—
XIV 16 verlangt der reim uAerotae oder t^ibtrataei bei Diefenbach
tuheratus geschwollen , tuberare inflare. — xiv 19 pHaiim (von
pilue zopf, Diefenbach) statt des greulichen päonm; der sinn ist:
die goldenen haare, die sonst bis Ober die lenden züchtig heraln
hiengen, den rücken bedeckend, in zdpfen, stehen nun hinaus;
die adverbien auf im sind unserem dichter ganz gelflufig, der
übernächste vers bringt gleich wider eines, amuiltflii, was trotz
der unrichtigen qoantitilt nichts anderes bedeutet als arelingun;
dass vekare durchaus nicht das verhüllen von etwas widerwärtigem
zu meinen brauche, ist aus xv 94 zu sehen. — xiv 21 tra€imm,
als sei ihr der köpf hinter sich durch einen zäun gezogen ; vgL
Mhd. wb. 3, 949, 37. — xiv 22 umbrat (vgL superumhrat vn 103):
die schultern überragen das gebückte haupt — xiv 28 eupina
(vgl. V 12 reeupinum): die schuhe sind vom aufgebogen. — xiv 59
wol richtiger cur mihi $era venis nach Properz n 13, 50« — von
XIV 62 — 66 war schon in dem abschnitt über die hs. die rede. — >
XV 4 hat die hs. ai ^0A. — xvii 33 ff muss anders ergänzt werden;
obUtum agentem iUlt aus der construction, und wenn das
fräulein nach rascher Überlegung sich vergewissert dass der böte
in der tat uneingeweiht sei (v. 37 fl), so kann sie ihn nicht für
coMicnii halten, ich vennule: Nee venu dMtat quin i$ $it qui
sim^Mbat, Canepexit modo quem nmie ineipimUer i^mUem. *lle^
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94 RCOM.IEB ED. SBILKR
fU€ pudieam um pUbes anmes hahwn\ Tractat; vis anmi usw.;
zu traet<a vgl. vn 23; i 79; v 296.
Die auslegUBg greift vielfach fehl, weil der herausgeber,
wiewol er von den verschiedenen german- und anderen -iamen
Verzeichnisse aufstellt, sich doch kein zutreffendes bild vom Sprach-
gebrauch unseres gedichtes gemacht hat. so enthalt zb. die stelle
XV 63 ein mittelgriechiaches wort nvgafiig hut, pikus Graeeth'
rum aeuminatus, apex. es leuchtet ein dass durch den hut die
ähnlichkeit der Situation mit der im Schwabischen v^IObnis ge-
schilderten weit schlagender wird als man bisher annahm, beide
Schilderungen ergänzen sich; das Verlöbnis beschreibt die Über-
gabe der Symbole an den bräutigam, unser gedieht lehrt, was
dieser damit vornimmt zuerst, so sehen wir aus dem Verlöbnis,
nimet der vogä . . . die fröutoen und ain smert unde ain guUUn
vingerlki unde ain huot auf da» ewert, daz vingerUn «n
di heizen, unde antwtrtet si dem man; dann, so haben wir uns
nach R. zu denken, zückt der bräutigam das schwert, führt damit
über den hut hin und reicht der braut den griff, damit sie den
daran steckenden ring an sich nehme, die werte, die er dabei
spricht, enthalten die antwort auf die rede des vogtes. der hut
bezeichnet nach uralter rechtsanschauung die braut als kaufobject;
seine berührung mittels des blofsen Schwertes will das nämliche
besagen, was v. 68 in werte gefasst ist und auch in einem friesi-
schen gebrauche (RA 168) sich ausspricht: untreue der frau dürfe
der gatte mit dem tode bestrafen, für einen blofs schmückenden
beisatz, ohne symbolischen bezug, wird man das abwischen, und
gar am hüte, nicht halten wollen ; zur ausmalung nahm sich der
dichter gerade in diesem capitel nicht die zeit. — wie hier eine
heimische anschauung hinter dem misverstandlichen griechischen
Worte versteckt lag, so gewinnen wir anderwärts für das latein
unseres gedichtes erst das rechte Verständnis, wenn wir das ent-
sprechende deutsche wort uns vergegenwärtigen, i 75 ff ist die
ganze darstellung bestimmt durdi das wort r^ikß in den drei be-
deutungen, die das Mbd. wb. aufstellt: a) der gezwungen in die
fremde ziehende, b) der mit kleinem gefolge fahrende, c) der
tüchtige krieger, Azerwelte degen. die bedeutung a) steht v. 88,
b) V. 80, c) V. 82 im hintergrunde, und gerade diese letzte stelle
ist (wie die anm. des herausgebers wider willen bestätigt) nur
mit hilfe des deutschen wertes verständlich: er muss von üzer-
weiter tugeni, dh. ein recke sein, diese stiUe Überlegung führt
dann zu der lauten frage pro faida grandi usw. ganz in ein-
klang damit steht 135 sat heatum, ut euo mihi cemitur in t»-
mitatu: das (geringe) gefolge beweist dass der mann ein eedee
matt, dh. begabt, tüchtig ist. — n 63 euecedeiUe (semine), ^fgan-
gantemo; nach perpes Semikolon, nach repente punct; es ist der
same der loerro (ebend.), der Zwietracht (den diese, wenn sie per-
sonlich gedacht wird, selber sät, Myth.' 227). ^ iv 5 eiT til scheiot
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BUODLIEB BD. 8BILBB 95
das bei Berthold von Regensburg und im Sehwabensp. oft be-
gegnende ist da» zu sein, hinter y. 4 punct oder kolon, hinter
V. 6 komma; der sinn ist: falls mit rossen usw. hiersa mir eftoer
äwaz bdiiiinich sein will, sag er es an. auch der grofakonig
legt den seinen lieferungen auf (231 ff), vgl. auch quid prodesse
T. 122, auxiliari und aubvenire xv 19. 41. — iv 145 hat vema
gmdde den bestimmteren sinn von friedlicher beilegung (Mhd.
wb. 2, 1, 340): dass du als beleidigter durch dein erhannen
gegen den beleidiger (misereri c. dat. s. 113 und vm) um vema
bittest, erscheinst du uns darin nicht mit recht als ein gott, der
den Sündern ungebeten vergibt? — mit iv 402 mihi quod tnctaria
tonstet weifs der herausgeber gleichfalls nichts anzufangen, er
übersetzt im gloss. cmstöre mit ^su teil werden' und verweist auf
eedera; das er registriert, obschon Virgil Aen. 12, 183 die redensart
vorkommt (wie er auch v 216 die nachahmung ovidischen sprach«
gebnracbs, Remed. amor. 797; Fast. 4, 487, übersieht); coMUtre
ofacKt* ist mhd. einmn ge^än, auf jemands seite treten, zu ihm
halten, die Victoria ist persönlich gedacht, deshalb heifst es auch
V. 209 ^dank sei ihr' (nicht *gott sei dank', wie die anm. meint). --
dbnUch mag es sich v 464 verhalten: versare ist wol das virgi«
lische aus Aen. 7, 336, entzweien, in Zwietracht setzen, gawerran,
wie es Ahd. gll. 2, 659 übersetzt wird (vgl. vorhin wmra), in
der far» aber könnte die Alekto jener Virgilstelle nachklingen,
gefasst als personificierte schicksdstücke, mit der geleitvorsteUung
der gewalttat (fors, fortuna viohnta, gewaU Diefenbach Nov«
gl. 180); inter eo$ (statt se) versat *^ venoirret sie %'einander^
Mhd. wb. 3, 745, 43. zu vgl. fro Wandilmmt Myth.« 3, 89. —
V 315 verrat sich der Deutsche, indem suh in suppingere, als
decke es sich völlig mit tmder, die bedeutung ^dazwischen' erhält;
im glossar ungenau ^darunter'. — die parabolae v591 sind nicht
einfiich worte, wie das glossar will, sondern spd (Graff 6, 333),
mit dem mhd. sinn lügenhafter reden. --^ v 615 pans, von dem
übrigens aufser trümmern des ersten und letzten buchstabens
kaum etwas sichtbar ist, zeigt die bedeutung steig, pfad, wie
mhd. Miec. --*- vn 12 summt ttiberis, von feinstem maser,- wie
Diefenbach hütte lehren können; über mittelakerliche trinkge-
schirre aus maserholz s. DWB unter moier, wo ausdrücklich
auch nussbaum genannt wird (das nuemnui unserer stelle wol
gebildet nach aeemus; ahom ist der eigentliche maserbaum). —
nv 16 catf troAi, nicht *wie kreisel',' sondern «» scMbdoht, wie
ein kinn, ein scbwertknauf, gestAeibt (Schm.' 2, 358), wie kugeln
und erbsen genannt werden; trochus Mpa Zs. 15, 363; Ahd. glh
1, 259. — xvn 13 mlnerum wunna ist eine construction wie sie
hünflg bei Otfrid begegnet (Erdm. 2 § 188) zb. thmts Uedm
wutma, fride$ umtimn, besagt sonach ufünnebemdiu vogüUn.
Ein höchst merkwürdiger zug in unseres dichters eigenan
ist, sehr zum nachCeil des commentars, völlig übersehen : er flicht
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96 RVOSUEB HD« BHILRR
gdegentlich Wortspiele ein« v 196 ist vqb beimlicheD Ohren-
bläsern die rede, qui dandestino semper fla$U rtgn od wäre»; aber
statt ckMiäiUtinOf das keinen reim gibt, ist gesagt vebai jfandes
(vgl. ekndes Germ. 9, 22), wie das vorhin besprochene cm trechi
statt skibdoht steht. — v 338 soll die widerfaolung des wertes
mmtm vermieden werden und für eine mark goldes steht der
wunderliche ausdruck marca vdut epatka; wir brauchen statt
epaticui blofs das lateinische aurugmeus einzusetzen, und der sinn
ist klar, zwar könnte es einfach heifsen: dne gelbe mark, wie
eine wkUe merk Richthofen Altfr. wb. 924^; denn Diefenbadi
hat epodtoM ghedvarwe und aurugo heifst güim Ahd. gU. 1, 819
(vgl. 625); Zs. 3, 125, wird auch durch color m auro glossiert
5,567; 15,333; aber der zusatz veka (^^^ quasi, vgl. vehu jiH
eando nr 203) bringt geflissentlich die eigentliche bedeutung Heber-
krank' in erinnerung. und zwei verse spttter ist aus gleichem
anlass die nflmliche iciericia als tnürbus regius durch regina wider-
gegeben; reginae fända, mit einer ans hebräische erinnernden
Verwendung des genitivs, «» fibula aurugmea, aurea (vgl. tolaketlt
man, vir sapiens, Erdm. 2 § 189, dazu 199). — xiv 28 ist der
vergleich ausgetretener schuhe mit einem sech (nicht karst, s. 197)
durch ein Wortspiel zwischen soecus psiMs (oder solea, KiV 633)
und soecus ligo, dentaik veranlasst: locker am soecus stehen sie
vorn aufgebogen wie ein soecus; cum vertritt entweder den abl.
instr. (s. 114) oder ist es causale conjunction (s. 127). — auch
bei dem fraber besprochenen anuatim v. 21 beruht die proso-
dische behandlung der Stammsilbe wol nicht auf nachlflssigkeit,
sondern auf einem spiel zwischen änus und &ius (vgl. Zs. 3, 125):
wem der ausdruck zu derb war, der mochte darauf verwiesen
werden dass er ^altweibermflfsig' bedeute. — aus dieser neigung
heraus wird nun auch die kecke Wortbildung lorifiregi begr^ich
IV 226. — endlich mag sich hier anschliefsen ix 48. Hucbald
beginnt seine Musica enchir. mit dem vergleich : wie sich in der
spräche der laut zur silbe und zum worte verhtit, so in der
musik der ton zum diastema und sifstema (dh. zu tonreihen von
kleinerem und gröfserem umfang, die er auch oommata und cola
nennt), in unserer stelle nun ist R. von den damen des hauses
zum Vortrag einer tanzweise aufgefordert, und mit zierlicher an-
spielnng lässt ihn der dichter die antwort (respousa wie iv 119)
per sistema sive diastema, dh. statt aller worte gleich in tOnen,
4n Perioden und phrasen' geben. — eine anspielung enthsb
auch V 425, wenn die oben vorgeschlagene ergSnzung der stelle
richtig ist
Eigentflffliich ist die Verwendung gewisser pronomina in
possessivem sinne, wie gesagt wird meus iste, jener mein (xlO;
XV 23), so einfiich ista paMa, mein land v 534, statt vester iUe
einfach üU (üla pueUa eure tochter xv 4), ebenso statt suus ixte
das blofse demonstrativ: müUis ^ v 529 neben noster mäes 394^
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RUODLIKB BD. 6BILBR 97
et eUenii seinen diensUkiaiiD 393, iUe sodaUs sein geselle 569, ea
nata ihre (der mutter und paiin, vgl. x 11) tochter t9 U, pro
älo fcmmkri fttr ihren dienst 14, stemipeditm earum seiner huf-
eisen v 602, domino iUo seinem herrn i 43, sanetis iüü den zu-
gehörigen heiligen ▼ 513, und so möchte auch vi 123 huncee prods
zu ergänzen sein: prom iUis mit (s. 114) ihren buhlen, auch
ipse steht so: patria tjpsa v 396, $oUum ipsum vii 117, ecdmam
ipsam viu 12, libero» und mordritas ipsos 20, eapui iptmn 94,
magkam ^tam seine hexe xv 31, capiilo ipso 64, corpus ipsum
meinen leib vai 48. der hinweis auf den bestimmten artikel
(8. 135) erschöpft die sache doch wol nicht
An ein par stellen ist im apparat bemerkt, das wortchen ve
sei durch einen Zwischenraum vom vorhergehenden wort getrennt
die erscheinung ist aber weit häufiger, und ein künftiger heraus-
geber wird sie vielleicht in den text einsetzen müssen, die nach-
folgende Zusammenstellung von ein par gelegentlich aufgerafften
belegen scheint nämlich zu beweisen dass dies ve als abkttrzung
aus atVe oder vü angesehen ward (vielleicht auch als proklitika,
denn zb. ii 20 steht deutlich vesagenis): retihus aut hamis hos ee-
pistis ve sagenis u 20; metiram ve rebellem v 108; vero corde ve
saneto 579; cum sale ve cum cocleari vi 51 ; porcos ve eapMas 56 ;
bmga ve tpissa vii 105; extraxü ensem ve piramide tersit xv 63;
virtuie ve nohäiiaie xvi 67. auch in ireve v 588, wo ve doch
enklitisch ist, steht es von tire ab, ist aber durdi einen strich
damit verbunden ; quid uevohm xii 21 ist leider verstümmelt
Aus subeunt i 57 schliefst die anm., die sepes seien hoher
gelegen als die ameelli; es steht aber wie ni 28 einfach im sinn
ron hingehen zu, $ub heifst nicht de (vgl. sussptdens iv 175), und
80 mögen denn die sepes zäune bleiben. — i 73 e/Ms gehört zu
regte, in dem vorhin dargelegten possessiven sinn, oder weist es
auf regnum zurück. — i 99 more (asyndetisch zu curtu) ent-
* spricht dem folgenden ^act7is nee rebMü: süe eines rosses, Parz.
161, 9. — I 122 de relms, über das was zunächst zu tun sei. —
zu II 12 spricht die anm. von Zuschauern; es sind aber keine da,
wie aus 16. 26 hervorgehen dürfte. — ni 66: warum das gloss.
für caneeUi eine andere bedeutung als fenster ansetzt, ist nicht
recht klar; übrigens konnte per caneeUos eine formel für palam
sein (vgl. Du Cange unter ca»iMUarius). — iv 38 nostri veslrique
«B notiram vestratnque (s. 118), es ist deutlich von zwei dauturae
die rede (gemeUas), doch wol in der alten technischen bedeutung
von castell, fort; in wie fem bürgen ein land besdUiefsan, darüber
8. RA 278. zwischen beiden dehnt sich das Schlachtfeld (v. 37).
die des grofakOnigs ist vielleicht unter finipolis m 28 zu ver-
stehen ; von der anderen heifst es, noch über sie hinaus sei den
gesandten das geleit gegeben worden iv 74, bis sie die grenze
ihres hämischen reiches erblickt hätten 172 (vgl. v 576), und sie
scheide fines regni^ nämlich von denen des nachbarreiches (so
A. F. D. A. IX. 7
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98 RDODLIBB ED. SBfLER
auch wahrBcheinlich ▼ 22 pantem nos dirimemem sc. a te). das
gloss. gibt unzutreffend an : landesgrenze. — iy 63 lu ist keines-
wegs der böte, sondern gebt (wie te, tua, tibi der ganzen rede)
auf dessen herrn; das bestätigt v. 182 de te. — iv 122 eonsiUum
trümenium mit ausgelassenem ad (s. 125), wol besser zu prodesse
(vgl. 7 ; ZV 19. 41). — iv 130 aummt paironi ist natürlich gen.
sing., und die wunderliche bemerkung s. 83 f^llt dahin ; mmmus
ist so wenig standiges beiwort des miles, dass es nur einmal im
munde eines niedriger stehenden vorkommt (vm 129: edler ritter);
denn v 142 gehört mmmü gar nicht zu müitibus, sondern zu
seu peUidis ve crusennis, und summus quisque xi 26 bezeichnet
entweder den rangunterschied unter den sitzplatzen (vgl. 1 1) oder
wahrscheinlicher alle gaste als adelige (vgl. vii 16). dies nämlich
ist der begriff von summt nach iv 135, welche stelle nicht eine
einteilnng des adels (wie s. 83 behauptet ist), sondern des ganzen
Volkes (pUbs omnis 134) enthalt; unter medü sind die volUreien,
unter tmt die (zur beschickung der landesversammlung gleich-
falls berechtigten) liti zu verstehen, vgl. Zoepfl Altert, d. d. r.
und r. 2, 178 ff. — iv 247 tatrapae; s. 83 ist verkannt dass es
ein synon. von duces ist; wie die eamites unserer stelle v 141.
187 praerides heifsen, so 139. 184 unsere dmcm satrapae. sie
gehören wol unter die swnmatts, die comites dagegen nicht (iv 235).
durch die art der ihnen zugedachten geschenke werden sie vor-
zugsweise als kriegsleute gekennzeichnet. Ahd. glL 1, 244. 412
satrapa haubitfnan erläutert sich wol durch prineipes, satrapae,
capitanei, KMaurer Ältester adel s. 200. — v 10 qua nicht auf
menta zu beziehen, wegen der folgenden verse, ako adv., 'wo'
(vgl. 577; xni 6). — v86 bipedes ger^HuU kann heifsen: spielten
die zweifflfser (tnennisko ist ein lebmde ding, zuibeine Hatt. 3,237);
anders s. 105. — v 331 maxeria ist sdMmüre, einzaonung, ein-
gezäunte abteilung »» una pars lancis v. 321; sie ist mit münzen
angefüllt worden und deshalb fartam ganz in der Ordnung, fartae *
wäre falsch. — v 499 qum pemoetare perp^iare dass du nicht
über nacht ruhen lassest (pemoetare <« pemoctem repausare 480 f,
nicht, wie im glossar angegeben, über nacht aufschieben). —
V 516 partieipari teilhaft gemacht werden, anteil bekommen; der
dativ nach dem bei intransitivem eommimicare im kirchenlateio
üblichen; vgl. Hehr. 2, 14. — v 543 paranimphus nicht neben-
Jüngling (s. 83), sondern kammerer (Diefenbach). — v 565 pro-
Umgant sumere caenam, sie bleiben bei tisch sitzen; nicht: sie
schieben die mahlzeit auf. — vn 38 pradinquere kannte heifsen
vorbeilassen , fortweisen (fnrae wie in praefluere, praegredi usw. ;
vgl. auch mhd. üOrder), ist aber wahrscheinlicher hie vor Idn
(lass mich nicht vor der tür stehen und warten), und in so fern
trifft das aufhalten des gloss. ohngefilhr das rechte. — vin 2 der
ganze vers gehört in die klammer: nur dass er häufig eredo
seufzt; ttm für nisi quoä sieh s. 131. — vm 102 pasito nicht
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RÜOBLIBB BD. SEILKft 99
bdegt mit; man kommt mit folgender constniction aus: sie schläft,
indem nichts als ein spreusack ins bett gespreitet und statt des
kissens ein stUck holz hingelegt ist. — ix 20 ff : die sciola, die
den jungen Staren zur lehrmeisterin gesetzt wird, ist natttrlich
kein menscbenkind, sondern ein schon abgerichtetes starenweib-
eben, und Staza saror (falls überhaupt richtig überliefert; es
findet sich nur in SFl.) kann weder Anastasia sein (vgl. anm.
zu der stelle), noch zu Stazo gehören (Stark Kosenamen 1868
s. 81), sondern heifst einfach Schwester- stSrin; entweder hypo-
koristisch aus staru, oder verlesen, sei es für eben dieses, sei
es für stuma, Stoma (vgl. Schm.' 2, 783) mit übergesetztem
n-stricb. wie sollte der dichter, der bisher nicht einmal seinen
beiden benannt hat, dazu kommen eine sofort wider verschwindende
figur mit namen einzuführen? neben dem paitrnogter wird man
auch in canite, eanite etwas geistliches vermuten dürfen, etwa einen
psafanenanfang, dem metmm zu lieb abgeändert aus eantate. —
x3ff: die bemerkungen s. 36 sind unzutreffend; aus v. 17 Issst
sich schliefsen dass erst im verlauf des besuches sich enthüllte,
wer R. sei. damit stimmt xii (das hinter viii gehört), wir sehen
hier allem anschein nach R. im gesprftcb mit seinem setUifer,
den er im geleite eines anderen cKms (4) oder mUifer (11) nach
hause schickt, worauf ambo seutiferi davon reiten (13. 15). das
geleite ward wol wegen des saumtieres nötig (v 561). weg schickt
er den Schildknappen im hinblick auf die landsleute, doch ist
der grund nicht klar zu erkennen (5. 6; sollte gar an den roten
zu denken sein, der gerettet und gebessert wäre?); <t sit, tua
gnaia nucum (wenn es denn nicht anders ist — An gndde, herre)
scheinen worte des knappen, wo der andere cZtens her kommt,
ist schwer zu sehen (so wenig als von dem hund xm 66 ff); viel*
leicht befinden wir uns im hause des neffen. ebenso, wer der
offietaUs X 88 sei; man mochte freilich auf den ufkUifer raten,
doch vgl. X 39 ff, auch wird offtmUs sonst nicht so gebraucht
eine ernstlidiere Schwierigkeit aber entsteht durch x 16. 20 f
vgl. 15: wenn die mutter so nahe wohnt, so muss sie durch den
totUifer schon längst künde haben; allerdings scheint aus xii 3 her-
vorzugehen dass er reinen mund halten sollte, über diem (Uenst^
mann, diener vgl. Mone Anz. 7, 590 ; so auch v 393, nicht lehn«-
mann (s. 83). — xm 66: von hunden der ort doM st die dieb
smecken und da% st st mit übrigem (nimio) ha% au% andern kmien
uhaidtn spricht Konrad von Hegenberg 125. — über das gerundiv
in xvm 12. 14 war schon eingangs die rede. — dass fiM^i >» tU
coBsec. sonst im mtttellatein nicht begegne (s. 129), ist ein
Irrtum^ den fast jede Seite der Gesta Rom. widerlegt.
Schon im bisherigen bot sich hie und da anlass auf realien
einzugehen, hier folgt noch einiges der art. vi 84 semati afü:
ap. graveolens, sellerie, merkwürdig durch starken, sich audi an
getrodineten samen und pflanzen noch Jahre lang erhaltenden
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100 BUODLIEB ED. SKILBB
gerucb. das »di (der same) macht wolriechenden mund und gibt
die verlorene färbe wider, Mnd. wb. 3, 75' ; Konrad von Hegen-
berg 382. nach Plinius wird auf landbrot, das mit ei bestrichen
ist, magsame gestreut, die untere schiebt mit Sellerie und kUmmel
gewürzt, Lenz Botanik der alten 105. zu picmenturas lardo su-
perunetas 85 vgl. das geschmalzen hröt des Tegernseer kochbucbs
Germ.. 9, 199. 203. 205 (Schm.» 1, 348; 2, 551. 552) und 6«-
gozzen bröt Zs. 6, 269; Lexer 1, 145; Schm.' 1, 950 (Nib. ed.
Zarncke 224, 1 ; Parz. 420, 29).
Dem abschnitt Über Schmucksachen v 331 S ist schwer bei-
zukommen, weil die verse z. t. stark verstümmelt sind. 334 ceu
ierpentes capitatae; gewöhnlich zeigen diese nicht geschlossenen,
sondern in einem schmalen spalt aufklaffenden armringe zwei
knäufe wie nagelköpfe; hier ist ihnen die form von schlangen-
häuptern gegeben. — 337 f recurvae und spertdalae (der buch-
stabe nach sper scheint übrigens eher t als u), vermutlich jene
form, bei welcher die knäufe durch federnde, dem reif panJlel
zurückgebogene drahte mit scheibenförmig aufgerollten enden er-
setzt sind; da jedoch das nächste anrecht dem reim auf -am ge-
bort, so mag sperukUam gestanden haben (eine gelbe runde mark
schwer?): dann girando recurvae = mehrfach gewunden? —
341 in limo fu$a; über das verfahren vgl. Theophilus presbyter,
Schedula divers, art. ed. Ilg (Quellenschr. für kunstgesch. vn,
Wien 1874) s. 251 ff (lib. 3 cap. 60). — 345 stat mit 'hängt' zu
übersetzen (s. 111) geht kaum an. — 346 visuwtur wol <== vi-
dmtur, vgl. cemitur i 136; ix 53; xiii 80; die vögelchen werden
eingeschmolzene flitter sein. — 349 ist von der ganzen spange,
nicht blofs vom adler die rede (vgl. 351 alias), deshalb zuvor
puncl; pectm texit vgl. xv 94; UvLichtenstein spien als Venus an
den busen des über den hämisch gezogenen röckchens em spanne
breitez heftelin (Frauend. 257). — vor merito 350 glaube ich g : ii
zu erkennen; vielleicht nee tegit immerito, — 355 möchte noch
zum vorhergehenden zu schlagen sein: non g^randi boga (boia,
hoga Diefenbach), gracili usw. vgl. 386; fürspan am halse be*
festigt, 6. Weinhold Deutsche fr. 456; die worte scheinen zu-
gleich den wink zu enthalten dass die filMa grandis an einer
boga grandis hieng. auch das nächste slück ist ein fürspan
(praetendendo 356) und zwar zum täglichen gebrauch, nicht zum
blofsen schmuck (vgl. 339, wo utilitati auf den schütz durch die
armiUae gehen dürfte, Weifs Kostümk. 3, 617; Diefenb. armiUa
schuUerwapen), sondern wol zum zuheften des houbetloehes; das
auffällige Schriftbild nistet drückt vielleicht trennung in zwei
Wörter aus, mir wahrscheinlicher ist ein aus nesta nestel geleitetes
nestare, und aperta acc. pl. der nachfolgende ergänzungsversuch
geht von der annähme des gegensatzes aus: nicht anhängsei
(scldiefse?) der halskette, sondern rocknestel (Weinhold aao.):
Insuper his modicam, quam praetefidendö diatim Non bogam
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ROODLIBB BD. SBILER 101
jm cmfigat, nestet aperta, YiUi (? eames vin 93 ?) ne poMtni cemi,
majuscula si sint. — 361 m curv. wegen des parallelen inque, —
Zß2 lapides generosi als synon. von gemmae^ wie sie 371 heifsen,
kann perlen bedeuten (so auch die anm.); KvHegenberg 248 sind
die perlen unter den herten stainen genannt; cuncCicolores gehl
dann auf jedes einzelne stück, schillernd, die zwei nächsten
▼erse enthalten wol die sage von der Vermählung der perlrouschel
mit dem himeüauwe (RvMegenberg 249), den dann unsere stelle
bestimmter als maientau bezeichnen würde (misverständnis aus
mettenzeit, vgl. ebend. 255, ist kaum anzunehmen): Orti de co--
ckis in mcno mense marinis Rorum commixtis anro, de more re-
dnsis (recludere erschliefsen , aber auch verschliefsen , so hier;
awrum schwerlich =»= imher, pluvia, anspielung auf Danae, sondern
einfach =» splendar: mit dem schimmernden taue; de more für
gewöhnlich). — vers 365 — 369, welche eine seltsame erklärung
gefunden haben, erläutern sich aus Theoph. presb. 3, uii f
($.235 0). ich setze zunächst den ergänzten text her: Sunt in
planicie graciles sperulae variatae; C&neeritur vitro vitrum, discer--
ntYlir Quro, Camponens nodos vel folia vd voluceüos. Ignibue
hirguta primo fluni, tuberosa Cum sputo vel aqua poliuntur cote
scabrosa. Id genus electrum usw. Marc. Cap. (Halt. 3, 276):
ekctrum, daz heizet in ualaseun smaldum; gemeint ist aber an
unserer stelle weder jenes, das entsteht so gold unde silber ze-
samine gerennet wirt, noch das in erdo funden wird, sondern
email (Diez Wb.' 1, 384 Oi dessen herstellung in Tegernsee fürs
ende des 11 jhs. bezeugt ist (Riezler Gesch. Baierns 1, 835).
Theoph. presb. schildert eine Verzierung, wobei edelsteine und
electrum (sog. zellenschmelz, email cloisonne) abwechseln; jene
wie dieses sind in domunc^e eingelassen (dass sie kreisförmig
seien, folgt für unsere stelle aus 365 sperulae; variatae wegen
des bunten glasflusses). innerhalb der domunculae werden zur
berstellung der Zeichnung entsprechend gebogene goldstreifchen
festgelotet: ineides corrigiolas omnino subtilissimi auri, in quibus
subtili fordpe complicabis et formabis opus quodcumque volueris
in electris facere, sive circulos, sive nodos, sive flosculos, sive aves,
sive bestias, sive imagines usw. darnach werden die verschiedenen
glasarten geprobt, gepulvert, gewaschen und (noch feucht) zuge-
deckt; hoc modo singulos colores dispones. mit hilfe eines feder-
kiels hauries unum ex coloribus vitri, gualem volueris, qui erit
humidus (llg übersetzt ^erdig* I), et cum longo cupro gracili et in
summitate subtili rades a rostro pennae subtiliter et implebis quem--
cumqiue flosculum volueris et quantum volueris .... sicque fa-
des ex singuh's coloribus. ist die füllung fertig, so wird das stück
eine halbe stunde lang geglüht; nach erfolgter abkühlung sucht
man die Unebenheiten durch aufschmelzen zu beseitigen : aperiens
toUes electrum et hvabis rursumque impMns et fundes sicut prius,
sicque fades donec liquefaetum aequaliter per omnia plenmm dt.
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102 BUODUEB BD. SBILBB
schlieTslich frieaüs ebormm «tiper lapiäem safrufeiim ae^tialem dt-
UgetUer cum aqua, donec aurum a^uaUter appareat per ommu
demde super duram cotem et aeguahm frieabU dni^imme donec
darüateim aceipiat; sicque super eaudem cotem saliva hwmidam fri-
eabis partem liueris, quae ex antiquis vasculis fraetae invenmuur,
danee sdiva spissa et ruhea fkU; quam linies super tabukm pbm-
beam aequalemf super quam leniter fricahis ehctrum usw.
n 1 ff; xin 18 buglossa. noch das Tegeroseer flschbttchlein
(saec. 15/16) kennt dieses graublättrige gewflchs, anehusa offiem,,
dessen name buglossa in Italien bis heute dauert (Lenz Bot. der
alten 534), als lockspeise für fische. Zs. 14, 175: Item nim
tmd mach welgerlein (kügdn 173. 174. 178. 179) daraus; item
nim grab oehenzungen mit sampt der untrczen usw. ebend. andere
pflanzen zu demselben zwecke: doretv-, thor-mies (Schm.* 1, 1672;
irielleicht dort, engl, damel bromus, Mium Hofer 1, 169; Schm.'
1, 544; mies wie in bodenmies spergula arvensis Schm.' i, 1672)
170. 179; haselwurz ebend.; baldrian 173. 178. 179; beifufs 178;
rote kornblume 178; nessebourz (Diefenb. gelisia, gtdsopsis nesse-,
nsssd", ntese-tours; da gal. nicht giftig ist, so ist wahrscheinlich
nieswurz, helloborus oder verairum, gemeint) 178; huesplaer
(kausenplater Germ. 9, 206; haws^, hiMoum taxus Diefenb.) 173.
man soll diese kttgelchen an die angel stecken, in die reuse tun.
eine Altere, barbarische art ist für die lelztgenannten, die eiben-
blfltter, bezeugt bei Berge und Riecke Giftpflanzenbuch* 6: man
wirft die ganzen blätter (sicherlich in menge) ins wasser und be-
täubt dadurch die fische (beispiele aus fremden weitteilen ebend.
197. 199; Brehm' 8, 318). solches einstreuen wird nur bei einem
ganz unschuldigen mittel noch empfohlen Zs. 14, 173. unser
dichter hat das rohe verfahren idealisiert; s. oben s. 92.
xm 44 alae flössen; mhd. ward vettaek in gleichem sinne
gebraucht: Zs. 14, 176 anm. 1 flossfäkten, fdkten; ygl. ala pisdum,
frz. aäeron DWB s. v. feder l^
xin 39 ff die f i s c h n a m e n. die hirpi (KvMegenberg 254, 4)
sind hecht und buchen, der huech im Tegernsee Germ. 9, 201 ;
Zs. 14, 170. 177; roihueA 177 und anm. 2: österreichisch all-
gemein rotvisth, also unser rufus, das geht auf das blasse rot
sehr alter stücke (Brehm* 8, 232). ein sehr gefräfsiger raubfisch
(ebend.). das glossar rät mit Holland auf den rufolk, Iota vul-
garis (vielleicht nach Zs. 14, 176); damit stimmt die erklärung
von rubeta nicht, denn rutte ist derselbe fisch, der name rufolk
klingt allerdings an rufus an (doch ist das wort nicht bairisch;
8. nachher die anm.), auch würde die raubsucht passen (Er. 183),
und rutten gibt es im Tegernsee, der ohne zweifei das moddl
für unsere stelle abgegeben hat, Germ. 9, 201; Zs. 14, 166. 167.
171. 173. wegen der auseinandersetzung mit rubeia mag sich
gleich hier eine erOrterung des namens anschliefsen. die deut-
schen und lateinischen bezeichnungen der Iota vulg. (ausgenoounen
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EQOBUEB £D. SBILEA 103
jMOfpe und das später noch zu besprechende alputte) scheinen
auf den forellennamen tructa, truca, trocta, troca, tnUta, meto,
nipta (Diefenb.)» rupba (deutsch; Hoffmann GU. s. 4, 31, vgl. 23)
zurückzugehen; das material bei Diefenb. s. v. aUopida, aUota;
Brehm 8, 182; Nemnich 2, 3; Schm.' 2, 78. 130. 189. 113 (rauch
unter rkumk). dies rauch (auch bei Diefenb.), sowie rügte, ru--
getm (auch bei Frisch s. v. ruppe), rueget stellt sich zu ructa;
trüsehe, truchse, drusch usw. zu trueta, truca; ruppe, alruppe,
ra/ubal usw. zu rupta, ruppa; deminutivformen des letzteren sind
rufoUce usw., woneben rugoU wider den gaumen- statt des lippen-
lautes zeigt die ursprüngliche form ist wol diejenige mit vor-
gesetztem al, also eigentlich alforelle, nach der gestalt. das laL
QÜapida, aUota, alioca, alloqua mochte demnach angleichung aus
alrapida, alrocta sein, und das jetzt übliche Iota sich dazu ver-
halten, wie ruppe zu alruppe. der so erschlossene forellenname
ropida, rupta scheint in unserer rubeta vorzuliegen: rubeta fun-
dieola, truta digena, rufa vd alba, fundicola weist auf den
Saibling (Brehm 231 ff; Tschudi^ 139 0» ^^^ edelsten der ganzen
Sippe, der in dem Verzeichnis der Tegernseefische doch nicht
fehlen darf, er findet sich als selmling Zs. 14, 176, als röten
(plur.) Germ. 9, 194. 197; als röttl, rCthd Schm.' 2, 185; vgl.
rötd, rottet Zs. 14, 176. 177; Germ. 9,201 (zwischen renken
und salmen). unter den übrigen namen (Brehm; Nemnich s. v.
salmo b, q, v) fällt auf schwarz -reutel, -reuter, -räucherl, und
namentlich das letztere erinnert an jenes rauch, diese formen
erschweren die deutung aus der roten färbe des bauches (Hofer
3, 128; Brehm); gleich wol könnte dieselbe unserem dichter bei
der wähl des namens vorgeschwebt haben, dunkel ist Schm.*
2, 185 rote rubeta vd tinu$ (schleihe, goldschleihe? vgl. Hoffm.
Gll. s. 4, 29. 25. 32; Diefenb. tingus, tincus, tinca; Brehm 270);
sein rupita ruppa 2, 130 stimmt zu jenem rupba trutta Hoffm.
GU. 8.4, 31. dass wir bei rubeta nicht an die alruppe denken dürfen
(die dann freilich im Verzeichnis fehlt) erhellt aus der nachbar-
Schaft der tntta digena (d. i. zweier dahte, leie); alba wird wol
die Seeforelle, der silberlachs sein, Brehm 220, rufa die rot-
getttpfelte forelle (purpureisgue salar ttdkU%i$ tergora guttis Auson.;
doch vgl. den alten Gessner bei Brehm 225: mit innerlicher ge-
stalt haben die foreUen wenig vngleichs; (Mein dass etliche weifser
fleisch, andere röthers, viel bessers vnd Ufblichers haben), das
Tegernseer ms.^ erwähnt die forelle sehr oft; da es den lachs
* dasselbe dürfte die verhlltnisse des Tegerosees im ganzen treu wider-
geben, obschon es eine compilation ist; das compUatorisclie erhellt sb. ans
einer vergleichun^ von Zs. 14, 173. 174 f. 177 ff; vom Rhein stammt augen-
scheinlich abschniU n: schnotüüch sa hasel ; vorehel ^=s ferche , fifrehe;
rufolk BS rutte; hrätmen ss prächsen, praxen; groppe = koppe; bertick
SB anpeiuf vuyling es ateke, wie die anderen teüe haben; dasn eine an-
zahl allein stehender wie bUckle, kreste usw.
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104 RUOBLIEB ED. SEILER
vom salme uDterscheidet (Germ. 9, 201; vgl. sahn Zs. 14, 166.
176, lachs 166), so wird es den silberlachs, unsere alba, meinen,
während der R. unter Idhs den salm versteht, ihn ausgenommen
führen v. 41.42 lauter karpfenfische auf: brahsina Zs. 14, 165.
167. 170. 176; Germ. 9, 194. 201; — charpho Zs. 176; Germ.
194. 201; — tinco (schleihe) Zs. 170. 175. 176; Germ. 201; —
barbatulus (barbe) Zs. 174. 175. 176. 178; — crvo Frommana
Mundarten 7, 115: nerfling (Brehm290; oder frauenfisch, orfus
Germanorum? ehend. 293; Nemnich 1, 1365 f); — dlnt idus
melanotus, cyprinus jeses, aland Schm.' 1« 72; Brehm 289;
Nemnich 1, 1363 f oder squalius cephalus, cyprinus dohula, alat,
alet, altl Brehm 293; Nemnich 1, 1361; zu beiden stimmt die
hervorhebung der gräten (vom letzteren sagt Ausonius: Squa-
meu8 herbosas capito inter lucet harenas Viscere praetmero fartim
cangestus aristis); da der zuvor genannte orvo als blofse abart den
alant leicht mitvertreten kann , da zweitens im fischbüchlein nnr
alet, äU vorkommt (Zs. 166. 170. 171. 173. 177. 178; Genn.
194. 201), so ist wol der capüo des Ausonius gemeint, und die
Ruodliebische form dlnt zeigt dass beide arten ursprünglich den-
selben namen, ahd. alant, alont, alunt führten (abbildungen
Brehm 290; Nemnich kennt den namen akt für cypr. dob. nicht
und vermengt mit diesem fisch den häsling, hasel oder schnott-
fisch Brehm 294; Zs. 176; Frommann Mundarten 7, 115; Germ.
193. 201); — naso Zs. 166. 173. 176 (auch für ihn sind die
gräten characteristisch, Brehm 299). es folgen nun drei durch
ihre gestalt auffallende fische: capito Brehm 56, groppe Zs. 176,
koppe 171. 177; Germ. 199. 201. 202; Frommann Mundarten
7, 115; — anguiUa Zs. 174; — wfalra (fehlt im Teg. ms.), dann,
wie es scheint, des dichters lieblingsgericht: asco (von seiner gute
vnd köstlichkeit wegen rheingraf genannt, Brehm 247) im Teg.
ms. sehr häufig; — rinaneh (neben dem ringräven), albula Diefenb.,
die renke, auffallender weise nur Germ. 197 (vgl. Mundarten 7,
116 f)- 261; Zs. 177 erwähnt; dafür aber in einem Tegernseer
inventar von 1023 (clm. 18181, letzte seite, abgedr. Zs. für Baiern
1817 s. 127, wo der druckfehler Utnm ripnezi zu berichtigen;
es steht unum tripnezi, d. i. ein triebnetz, ohne lat. bezeichnung):
retia lacunaria rinanchera (nicht rinanchora, wie der abdruck und
darnach Schm.' 2, 113 angeben). — den schluss bildet der keinem
der übrigen verwandte agapuz. Grimm (Lat. gedd. 328) seist
das wort mit unrecht dem ags. celepüta gleich, denn dieses, engl.
eelpout, bezeichnet die oben besprochene alputte, quappe usw.,
während agapüz zweifellos den barsch meint; aber den nameo
kann es uns erklären helfen, wie wir oben in alraupe usw. eine
alforelle vermuteten, so ist celepüta eine allamprete; die lamprete
heifst potU von dem wulstigen saugmaul (pout die lippen aufwerfeo,
pouting Ups dicke lippen; man vgl. Schm.' 1, 289 das letzte bei-
spiel unter bausen). dürften wir ein westgerm. thema püto, ptUa
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RDODLIEB ED. SHLER 105
lefze, maulf eig. wulst ansetzen, so ^fkreagapAz das stechmaul,
nach den bOrstenzäbnen , welche das maul besetzen (Brehm 34),
also das nämliche was sein anderer name zander (Weigand* 2, 523)
und der seines yetters agmaul (Brehm 37; Schm.' 1, 48. 73. 83)
besagt; das einfache a; Schm.^ 1,47 könnte auch auf die Stachel*
flössen gehen, agmaul ist wol nichts als neuprägung von agofüZy
das dann ursprünglich und so vielleicht auch in unserem gedieht
fOr beide arten galt; ampeiu Zs. 166, awpeys Germ. 201, anmaul
Schm.' 1, 83 könnte auf eine nebenfonn agan- deuten.
Zum schluss ein par werte Ober eocodräUs vni 56. nach
V 585 liegt die mordherberge schon in der nflhe der patria. die
geographische Unbestimmtheit, welche gleichmäfsig im ganzen ge-
dieht herscht, könnte es wahrscheinlich machen dass auch die pa-
tria fem von Deutschland zu denken sei, und so dürften denn
audi die krokodile nicht auffallen, da jedoch die localfarben nir-
gends an aufserdeutsches erinnern (über die geschenkten tiere
vgl. s. 77), wäre auch für die cocodriUi deutscher sinn zu er-
wägen; ahd. glossen übersetzen das wort mit nidms, spätere mit
UtUvmrm, beides sind die gefVäfsigen dämonen des wassers. den
einzigen anlauf zu einem exotischen colorit finde ich im gebrauch
griechischer Wörter wie poUs, piramis, cidaris, eniheea, parantm-
phu8, podimnus usw., und in so .fern, von sprachlicher seite, wäre
den cocodriUi jene bedeutung für eine sehr bescheidene künst-
lerische technik zurückzugeben, die wir in sachlicher hinsieht
bezweifelt haben.
Was die neue ausgäbe sonst noch enthält, das habe ich aus
mangel an zeit nicht vollständig durchprüfen können, enthalte
mich daher einer äufserung darüber, das hauptsächlich wichtige
ist im vorstehenden besprochen, möge das buch dem merk-
würdigen alten gedichte neue freunde zuführen.
Nachtrag, über Secundus noch einiges, was erst unvoll-
ständig gesammelt war, als ich das ms. abschliefsen muste. die
Sentenzen bewegen sich ganz in der ausdrucksweise der apo-
phthegmen, welche unter dem namen des Aristoteles von Diogenes
Laert. (5, 18—21) und Stobäus (Senn. 18. 96 ed. CGesner 1543)
überliefert sind, und von denen eine (iXftig iy^yogotog hv-
nviov, vgl. Menag. ad Diog. Laert. 5, 18) wörtlich in die DPA
(Zs. 14, 540) übergegangen ist, also in eine dem Secundus aufs
nächste verwandte Sammlung, deren Schlussfrage auffallend an die
schriftliche Unterredung zwischen Hadrian und Secundus erinnert
(ebend. 544. 549; zu quid est opttmum? und quid est amar? der
parallelen AHE, Orelli Opusc. 1, 236. 238 ist zu vgl. Plut. Ilegl
vov w(oveiv 2 und Diog. Laert. 6, 51). ähnliche aussprüehe im
Stil der kenningar werden dem Bion, Diogenes ua. zugeschrieben
(Stob. Serm. 2. 6. 8. 16. 18. 36. 91. 93. 101. 113; Orelli 2, 46).
ferner dem Zeno und zwar, wenn auch nicht in den antworten,
so doch in den fragen übereinstimmend mit Sentenzen des Se-
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106 BDODLIEB ED. SBILKB
cundus (Diog. iMti. 7, 23; eine aoeodote von* seiner schweig*
samkeit, ebend. 24, vgl. 23. 21. 16; Stob. Senn. 31, bertthrtsich
einiger mafsen mit der vita See), auch die Unterredung, welche
nach Pseudo-Callisthenes 3, 5 Alexander der gr. mit den brach»
manen hat (und worin anecdoten von Thaies, Anaoharsis und
Diogenes anklingen, Diog. LaerL 1,36. 104; 6,24) dreht sich
um ähnliche spitzfündigkeiteo, und die frage ti ia%i ßaatleia;
mit der antwort nXeoveiiag dvvafitg aiacog usw. könnte ganz
wol im Secundus stehen, ja die Wendung x^aot; qfO^lov findet
sich geradezu bei diesem unter ^lovtog. dass dies slück der
ftltesten fassung des Alexander angehört (Zacher Pseudo-Call.
s. 102; Rohde Griech. roman s. 184), beweist die einstimmung
des Jul. Valerius. nun scheint bedeutsam dass gegen Dandamis,
das Oberhaupt der brachmdnen (3, 6. 12), vor seinem philosophi-
schen gespräch mit dem könig die drohung des kopfabhauens aus-
gesprochen wird wie gegen Secundus. wenn es von dem an der
quelle lagernden Dandamis heifst, dg ftaarov onUgaiov rjfieXye
firjTQog, in jener verfänglichen Situation des Secundus aber un-
figürlich auf ovg i^laoe fiaavovg bezug genommen ist, so mag
es vielleicht nicht so abenteuerlich sein als es auf den ersten blick
scheint, von der scene bei Pseudo-Call. einen anstofs zur erfindung
der vita See. kommen zu lassen, auch die Sieben meister ent-
halten zOge aus Pseudo-Call., die siebenzahl der lehrer (Zach. aao.
s. 89 ff)» di^ geburt des prinzen nach langer kinderiosigkeit, die
weifsagungen über sein geschick, die Sternkunde des Mectanebus.
vielleicht liegt in diesen notizen eine besUtigung der Vermutung,
die Sieben meister seien auf hellenistischem boden entstanden.
Zur buglosta vgl. noch PluUrch De fluv. 4, 2; 25, 3; Zs. f.
d. ph. 12, 166. — zu der erklflrung von (Untfpe, cittoifida usw.
ist zu halten Zs. f. d. phil. 6, 454 ff. — zu ^pA» in (tgofioi ten
Doomkaat Ostfr. wb. 2, 778. 779. — Ober den Zusammenhang
des langen lebens der zwerge mit gerechtigkeit und naturgemäfiser
lebensweise (zvm 18 ff), s. Rohde Griech. roman s. 203; Amm.
Marc. 27, 4 ad finem. — aus der veränderten Stellung, die wir
dem fragm. xni gegeben haben, folgt dass die ergjinznng v. 127
etwa lauten muss: «timpstV herili {nem posT.
München, august 1882. Ldbwig Laistnee.
Littbrat DEMO TizEN.
KGAnüebsen, Sprachgebrauch und sprachrichtigkeit im deutschen,
zweite, vermehrte aufläge. Heilbronn, gebrüder Henninger, 1881.
vin und 304 ss. 8^. 5 m. — Andresen hatte das schon durch
firühere arbeiten wolvordiente lob eines sorgMtigen und ein-
sichtsvollen beobacbters der heutigen deutschen spräche im
j. 1880 durch Veröffentlichung seines buches über Sprachge-
brauch und sprachrichtigkeit im deutschen aufs neue gerecht-
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UTTERATOBNOTIZBN 107
fertigt, und dafis das zeitgemabe, inhaltsreiche auch für weite
kreise bestimmte werk bald nach Jahresfrist eine neue aufläge
erlebt hat, darf als erfreulicher beweis dafür angesehen werden
dass es in viele bände gekommen ist. dem entsprechend hat
Andresen wol recht daran getan, die anläge des bucbes un-
verändert zu lassen und nur im einzelnen berichtigungen und
ergfinzungen zu geben, dies letztere bat in erheblichem mafse
stattgefunden, sodass die zweite aufläge gegen die erste trotz
etwas engerem druck von 276 auf 304 selten gewachsen ist
es könnten bedenken dagegen erhoben werden dass Andresen
nicht blofs grammatische und stilistische bücher oder aufsitze
mehr oder weniger wissenschaftlichen characters und die werke
anerkannter Schriftsteller benutzt, sondern auch in gerade sehr
hervortretender weise auf den ausdruck der Zeitungen und
Unterhaltungsschriften unserer tage hingewiesen hat aber da
nun einmal eine einzige vielgelesene zeitung auf die ausdrucks-
weise weiter kreise eiuen viel stärkeren einfluss zu üben ver-
mag als hundert eifrige Sprachlehrer in dem engen bereich
ihrer schule, so erscheint Audresens verfahren als ganz ge-
rechtfertigt, recht dringend muss man dabei wünschen dass
auch die herren zeitungs- und romanschreiber in möglichst
grofser zahl sich mit Andresens buche bekannt und vertraut
machen, wenn dasselbe im übrigen manchen beleg dafür liefert
dass auch unsere gefeierten klassiker sich gelegentlich fast un-
begreifliche Wendungen oder geradezu Sprachschnitzer haben
zu schulden kommen lassen, so müssen wir in milder beur-
teiluog des sprachlichen ausdrucks mit Voltaire sagen ^ces in-
advertances ^chappenl aux meilleurs auteurs; il n'y a que des
p^dants qui en triomphenl' ; wenn wir dbet andrerseits in den
lediglich oder vorzugsweise für die Unterhaltung bestimmten
Schriften eines Wieland und auch der geringeren wie Hermes
und JGMüUer nicht selten anmerkungen mit entschuldigungen
und fragen wegen eines wort- oder Sprachgebrauchs fiuden,
so müssen wir freilich erkennen dass auch die letzteren beiden
als Vielschreiber getadelten männer ihren lesern viel mehr rück-
sicht schuldig zu sein glaubten als mancher heutige vielbe-
lobte schriftsteiler, der wol im stillen denkt, die kunst des
erzählens ebenso gut zu besitzen wie einst Goethe, oder auch,
wie heute einmal die Verhältnisse sind, in eilfertiger erwerbs-
sucht keine zeit findet, durch sorgfältiges feilen des ausdrucks
dem leser und sich selbst die schuldige achtung zu erweisen.
An die einzelnen beobachtungen und behauptungen An-
dresens weitere bestätigende oder berichtigende erörterungen
zu knüpfen ist, zumal da es sich um eine zweite aufläge han-
delt, nicht der zweck dieser Zeilen, nur darum möchte ich
den hm vf. bitten, sich nicht mehr über die ^bisher unbe-
kannten und geschmacklosen Wörter' fixigkeü und recemionm-
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108 LITTBBATimifOTIZBIt
drängier zu entrHsten, die in Zarnckes Centralblatt von einem
beurteiler der ersten aufläge des buches gebraucht worden
sind, hat A. denn gar nicht gemerkt dass das wort fixigkeit
aao. eine erinnening aus FrReuter enthält, oder hätte er wOrk-
lich nicht in der Stromttd gelesen dass Bräsig, als er bei
pastor Behrens im provat' rechnen lernte, seinem damaligen
mitschuler Karl Hawermann zwar nicht in der richtigkeit, aber
doch Mn der fixigkeit über' war? recensionendrängler ist aller-
dings ein neu gebildetes und nicht schönes wort, doch sicher-
lich nicht neuer und befremdlicher als die art, wie Andresen
in der vorrede zur zweiten aufläge seiner Volksetymologie sich
darüber beschwert dass mancher die erste aufläge des buches
als *gabe' genommen und doch hernach die verheifsene OflTent-
liche beurteilung desselben unterlassen habe, der vf. wird mir
bierin um so eher recht geben, als er sich in diesen letzten
Jahren durch den erfolg der Volksetymologie wie der Sprach*
richtigkeit überzeugen konnte dass es kaum etwas überflüssige-
res für ihn gibt als ungeduldige 'recensionendrängelei'.
Würbenthal unter dem Altvater 24. 8. 82. A. Gombert.
PApetz, Chronologische begrenzung der von Walther von der
Vogelweide in seinen Sprüchen verwandten töne. Jenaer disser-
tation. Altenburg, OBondes buchdruckerei, 1881. 44 ss. 8^ —
der Verfasser kennt die einschlägige Htteratur und urteilt gewis
richtig , wenn er in der Übereinstimmung der strophenform ein
wichtiges moment für die datierung der einzelnen sprüche findet,
ohne doch wie Simrock und Nagele deshalb vorauszusetzen,
Walther habe nie mehrere töne neben einander verwendet, die
beantwortung dieser frage wird vielmehr als das resultat der
Untersuchung an das ende verwiesen, da ein zeitlicher oder
inhaltlicher Zusammenhang zwischen den gleichgebauten ge-
setzen angenommen wird, sowie der leichteren Orientierung
halber ist es durchaus zu billigen und für ähnliche arbeiten zu
wünschen dass die verschiedenen spruchtOne durch besondere
namen dem leser individueller und greiflicher gemacht werden,
obwol gerade die hierfür von Simrock überkommenen nicht
immer dehnbar genug sind, um auf alle ihnen zugehörigen Stro-
phen zu passen und auch der kritik in fallen zweifelhafter aus-
legung nicht vorzugreifen, man mttste sich über änderungen
aber erst vereinbaren, leider lassen sich nicht für alle töne
so unverfängliche und traditionell berechtigte bezeichnungen
gewinnen, wie sie uns in der Colmarer hs. für den ersten
Friedrichston (Lachm. 26, 3 fl) und den Wiener hoflon (Lacbnn.
20, 16 ff) als gespaltene weise und hof- oder wendelweise über-
liefert sind, (die dort s. g. goldene weise ist für Walther nicht
zu belegen, vgl. Bartsch s. 156.)
Nach ausscheidung der zweifelhaften und unechten Strophen
folgt 3. 7 eine kurze lebensskizze Wallhers und s. 8 — 10 eine
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LITTEBATDBNOTIZBN 1 09
tabelbrische übersieht der 'wichtigsten in frage kommenden
Zeitereignisse/ letztere zu unvollständig, um von nutzen zu
sein, unrichtig darin und schon von Haupt (zu 11, 6) cor-
rigiert ist die angäbe, dass landgraf Hermann im jähr 1215 ge-
storben sei. in seinem aufsatz Einiges über das todesjahr des
landgrafen Hermann i von Thüringen (Zs. des Vereins für thflr.
geschichte vn 351) teilt Polack eine Urkunde vom 9 dee. 1217 mit,
ia welcher der fürst noch als lebender erwähnt wird, an deren
richtigkeit aber KMenzel (Geschichte Thüringens von Knoehen-
hauer, herausgegeben von KMenzel, 1871, s.288 und 289 anm. 3)
zweifelnd sich nadi den sonstigen Zeugnissen für den 25 (?) april
1217 als den Sterbetag ffermanns entscheidet — die wähl Ottos
von Braunschweig, die in der tabelle mit einem fragezeichen in
den april 1198 gesetzt ist, wird s. 11 ohne fragezeichen auf den
9juni datiert was soll da gelten? vgl. Haupt zu 9,13.
Die besprechung der einzelnen Strophen, die mit s. 11 be-
ginnt, bietet wenig neues, aber einen brauchbaren überblick
über die vorhandenen auffassungen, in deren beurteilung nach
dem oben genannten grundsatz wir mit dem Verfasser einver-
standen sind, einiges, das uns auffiel, stammt wol, wie es in
einem falle auch angegeben ist, aus den Vorlesungen Zarnckes.
wenigstens findet sich die mitteilung (s. 14), dass nach einer
berechnung des prof. Bruhns am 27 november 1201 eine Sonnen-
finsternis statt fand, die Walth. 21, 31 kOnne gemeint sein, die
beziehung (s. 17) von 17, 11 auf die der eroberung Constan-
tinopels im jähre 1204 vorausgehenden ereignisse, die sehr an-
nehmbare datierung (s. 18) von 18, 15 auf das jähr 1205, als
Ludwig von Baiem und Dietrich von Heifsen, beide auf Seiten
Philipps, sich auf den reichstagen am 14apnl und 24 mai trafen,
fast gleichzeitig mit der vorliegenden schrifL von Zamcke in den
Beitr. vu 592ff verdJSentlicht die Zusammenstellung am Schlüsse
zeigt recht deutlich dass Walther in der tat mehrere töne gleich-
zeitig gebraucht hat, wenn man auch über die Chronologie
des einen oder anderen Spruches noch lange wird in Zwie-
spalt sein. — die arbeit ist von Pauls neuen theorien noch
nicht beeinflusst Stoscb.
ABaragiola, Dair antico alto tedesco. Muspilli owero i'incendio
universale, versione con introduzione ed appendice. Stras-
burgo, tipografia RSchultz & comp., 1882 (Trübner in comm.).
47 8S. S^. — die einrichtung dieser vortrefflich ausgestatteten
ausgäbe des Muspilli stimmt im wesentlichen mit der 0es Hilde*
brandsliedes von demselben verf. überein. auf orientierende
bemerkungen, welche sich mit der form des denkmals und den
bisherigen seiner erklärung und Würdigung gewidmeten arbeiten
(hinsichtlich deren Wertschätzung man freilich mehrfach anderer
meinung sein wird als B.) beschäftigen, folgen eine metrische und
eine würtUche italienische Übersetzung, endlich notizen über die
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110 LITTBB ATDimOTIZBN
altgenn. Vorstellungen vom wdiuntergange und über ihren ein-
flu88 auf den autor des MuspilU. den scbluss bildet der ahd.
text des gedichtes und des Wessobrunner gebets nach Braune.
AdeJagee, Woordenboek der frequentatieven in het nederlandsch i. ii.
Gouda (GBvanGoor zonen) 1875. 1878. 1010. 1294 spp. (met
aanhangsel : Schynbare frequentatieven 164 spp.) 25 fl. — das
niederländische zeichnet sich unter den germanischen sprachen
durch eine fülle von verkleinerungsv^orten aus, die ihm oft
etwas gemütliches geben, zuweilen uns aber auch etwas kind-
lich erscheinen, diese neigung tritt bei der verbalbildung in
zahlreichen ableitungen hervor, welche meist neben den ur-
sprünglicheren Stämmen bestehen. ' De Jager teilt diese verba
in folgende ciassen: 1) auf den, 2) auf erm, 3) auf mm,
4) auf dum, gtm, fUn, 5) auf t^^ es liegt auf der band
dass hier z. t. sd>leitungen von nominälstämmen vorliegen, durch-
weg bei den verbis auf igm: hedm und kedigen ^beleidigen';
aber auch bei denen auf dum: wakm und wadUm, letzteres
von wa€lu. De Jager gibt also mehr als er verspricht: die
doppelformen, von denen immer die eine auf Weiterbildung
durch sufBxe von verwandten stammen beruht, manchem ver-
gleich und mancher etymologie wird man nicht zustimmen;
aber doch den wert einer so reichen und so sorgfältig durch
belege gestützten Sammlung nicht verkennen. De Jager ver-
gleicht auch die verwandten fälle im hoch- und niederdeutschen
und schlägt vor dass man in ähnlicher weise etwa den in
Schmellers Bayr. wb. gesammelten sprachstoff durchmustern
mOge. auch auf Gerland Intensiva und iterativa, Leipzig 1869,
weist er mit recht bin; die kleine sohrift bietet erwünschte
Sammlungen mit buchst anregenden gesichtspuncten. möge
bei weiterem arbeiten auf diesem gebiete der wortbildungslehre
De Jagers wb. recht viel benutzt werden. E. Maktui.
GOETHES SPRÜCHE IN PROSA.
Kleine nachtrage zu vLoepers commbntar.
Nr 1 AUe$ gmkeU^ ist scAon gedacht worden; man wmss nur
venudien, es noch einmd zu dmkm. vgl. Goethe an Eckermann
16 dec. 1828: Meine farbmlehre ist auch nicht durchaus neu, Plato,
leonardo da Vinci und viele andere treffUd^e habm im einzelnen vor
mir daeselbige gefunden und gesagt; aber dass ich es auch fand, dass
ich es Ufider sagte und dass ich dafür strebte, in einer konfusm wdt
dem u>ahrm wider eingang zu verschaffm, das ist mein verdienst.
Nr 20 Ein grefser fehler, dass man sich mehr dünkt, als man
ist, und sich weniger schätzt, als man wert ist. vgl. Montesquieu
Pens^es diverses (vari^t^s): II y a autant de vices ftct vimneni
de ce qu'on ne s'estimepas assez, que de ce que Van s'estiwu trop.
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GOETHES SPRÜCHE IN PROSA 111
Nr 105 Was man nicht versteht, besitzt man nicht, vgl. Bet-
tinas Tagebuch s. 9 : Was wir nicht verstehen, ist nichi für uns da.
Nr 129 Ein lustiger geführte ist wie ein roüwagen auf der
mnderschaft. vgl. Pauli Schimpf und ernst (Reklamsche aus-
gäbe nr 133): Bin beredter begleiter ist auf der reise wie ein
wegen, vgl. femer Petrarca De utriusque fortunae remediis üb. ii
dial. 57 : lüud inter mimos Publilü natissimum : Cames facundus
in via pro vehicido est. vgl. Publilü sententiae ed. Wolfilin nr 104.
Nr 166 Der eine bruder brach topfe, der andere krüge. verderb-
tiehe Wirtschaft, vgl. Pauli Schimpf und ernst (Reclam nr 103): Hast
du anderwärts topfe zerbrochen, so hat sie daheim krüge zerbrotshen.
Nr 175 Der thörichtste von allen irrtümem ist wenn junge
g^e köpfe glauben, ihre Originalität zu verlieren, indem sie das
wahre anerkennen, was von andern schon anerkannt worden, vgl.
Goethe-Zeiter nr 624: Es gibt sehr vorzügliche junge leuie, aber
die hansnarren wollen olfe von vom anfangen, und unabhängig,
teWständsg, original, eigenmächtig, uneingreifend, gerade vor sich
hin, und wie man die thorheiten alle nennen mödue, würken und
dem unerreichbaren genug tun.
Nr 225 der ausdruck duabus sedere sellis bei Seneca Controv.
vn 3 (18), 9. Hacrobius Saturn, n 3.
Nr 233 Einem klugen widerfährt keine geringe thorheit. vgl.
Petrarca De utriusque fortunae remediis i dial. 7 Raro autem magni
errores nisi ex magnis ingeniis prodiere. vgl. ferner Oxenstirn Pen-
s^es sur divers sujets de morale (Francfort 1746) ii p. 250 Les
erreurs les plus monstrueuses ont toujours eti la produOion des
phs grands genies.
Nr 240 Eigentlich weifs man nur, wenn man wenig weifs,
mit dem wissen wächst der Zweifel, vgl. Goethe Wahrheit und
dichtuBg vm (Hempel 21 s. 103): Denn die Wahrheit jenes alten
Worts: Zuwachs an kenntnis ist Zuwachs an unruhe usw. in einem
Stammbuch FNikolais oder seines sohnes (im besitz der familie
Partbey in Berlin) fand ich den spruch : Zuwachs an kenntnis ist
Zuwachs an schmerz, den JChrDoderlein Altdorf den 1 juni 1781
eingetragen hatte.
Nr 255 Eine chronik schreibt nur derjenige, dem die gegen*
wart wichtig ist. vgl. Goethes Unterhaltungen mit dem kanzler
PvMaller den 28 mttrz 1819 (Goethe) spraA Ober den unterschied
zwischen chronik und memairen und betonte den mangel des ge-
füJds vom werte der gegenwart, die jedes nur los zu werden trachte,
um darüber hinauszukommen, das sei die Ursache, dass man jetzt
so wenig aufzeichne.
Nr 389 Gegen grofu Vorzüge eines andern gibt es kein ret-
tungmnittd als die Hebe. vgl. Zelter an Goethe 9. 5. 1816 nr 245:
Eine unparteiisehe kritik ist nur möglich, wenn man UAt, und
wenn man Uebt, ist man parteiisch.
Nr 391 Es gibt, sagt man, für den kammerdiener keinen
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112 GOETHES SPRÜCHE IN PROSA
heUen usw. vgl. Abbt Vom Verdienste 3 bauptetück 2 artikel am
ende: & ist fast zum sprichtoorte geworden: der grofse numn
verschwindet vor den äugen seines kammerdieners usw.
Nr 405 Begegnet uns jemand, der uns dank schuldig ist, gleich
fäüt es uns ein. wie oft können wir jemand begegnen , dem wir
dank schuldig sind, ohne daran zu denken, vgl. Seneca De beuef.
II lOf 4: Eaec beneficii inter duos lex est: alter statim ohUvisd
debet dati, alter accepti nunquam.
Nr 476 Man wn'd nie betrogen, man b^rilgt sich selbst, vgl.
Oxenstirn Pens^es tome ii p. 269 : Nous sommes plus souvent la
dupe de notre propre coeur, que des arti/kes et de la fourberie
des autres.
Nr 483 Wen jemand lobt, dem steUt er sich gleich, vgl. Goethe
an CbrGHermann den 6 febr. 1770 (DjG i s. 76): Über grofse
leute soUte niemand reden, als wer so grofs ist wie sie, um sie
übersehen zu können, vgl. ferner Goethe an PhErReich den
20 febr. 1770 (DjG i s. 78): Denn so gar loben soll man einen
grofsen mann nicht, wenn man nicht so grofs ist wie er.
Nr 810 vgl. nr 919. beide sprüche gehören zu denen, die
Goethe den 5 od. 1828 an Zelter schickte.
Nr 826 Wir gestehen lieber unsere mariischen irrtümer, fehler
und gebrechen als unsere wissensdiaftUchen. vgl. Schiller Don
Carlos m 10 Marquis: Zwischen ihrer Ungnade und geringschdtzung
ist mir Die wähl gelassen. — muss ich mich entsAeidm, So wiU
ich ein Verbrecher lieber als Ein thor von Ihren äugen gehm.
Ich reihe noch einen spruch aus einem briefe Goethes ao:
Lange leben heifst viele überleben Goethe -Zelter nr 530 19. 3.
1827. vgl. Oxenstirn Pens6es ii p. 262 Cest vivre trop long-
temps que de survivre d ses amis.
Berlin. F. Jonas.
Der zweite deutsche geographentag zu Halle hat in seiner
Sitzung vom 14 april 1882 auf anlass eines Vortrags des heim
dr RLehmann Ober systematische förderung wissenschafUicher
landeskunde von Deutschland beschlossen , eine commission , be-
stehend aus den herren Ratzel, Zdppritz und Lehmann, nieder-
zusetzen, welche zunächst das vorhandene material zu einer
solchen landeskunde herbeischaffen und sichten soll, dieser tos-
schuss wendet sich nun in einem uns vorliegenden aufruf auch
an die germanisten mit der bitte um Unterstützung, er wünscht
Verzeichnisse sammtlicher auf dem gebiete der namenforachung,
des Studiums von siedlongsweise und bäuserbau, von trachtenf
Sitten, mundarten usw. seit anfang des jbs. erschienener wissen-
schaftlicher arbeiten zu erhalten, jeder bttchertitei, bibliographisch
genau verzeichnet, wird auf einem besonderen blflttchen erbeten.
Zusendungen sind zu richten an herrn prof. Ratzel, München,
Academiestraise nr 5.
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ANZEIGER
FÖR
DEUTSCHES ALTERTHUM UND DEUTSCHE LIHERATUR
IX, 2 APRIL 1883
Geschichte der deotschen mystik im mittelalter. nach den qaellen unter-
sucht und dargestellt von dr Wuhelh Prbger, gymnasialprofesaor in
München, ii teil: ältere und neuere mystik in der ersten hälfte des
XIV jhs. Heinrich Suso. Leipzig, Dörffling Sc Franke, 1881. vi und
468 SS. gr. 8®. — 9m.*
Ich kano nicht läugnen dass ich verwundert war, als ich
vom erscheinen dieses zweiten bandes des Pregerschen werkes
erfuhr, dass Denifles ausführliche besprechung des ersten teils
in den HisU-poI. blättern bd. 75 Preger von einer fortsetzung
abschrecken würde, hatte ich freilich nicht geglaubt» wol aber
erwartete ich diese noch nicht jetzt, da gerade in neuester zeit
funde auf dem gebiete der deutschen mystik gemacht sind, deren
roitteiiung erst die grundlage für eine geschichtliche darstellung
dieses litteraturzweiges schaffen wird, von meister Eckhart waren
bis vor kurzem nur deutsche Schriften bekannt, an sicheren
kriterien dafür, was seinen namen mit recht, was mit unrecht
trage, fehlte es. auf schritt und tritt verliefe uns bei dem so-
genannten eckstein der deutschen mystik nicht das gefuhl der
Unsicherheit, erst Denifles fund (Allgemeine zeitung 1880 beilage
nr 255. Denifle Seuse 1, vu f. 640. DLZ 1882 sp. 202) mehrerer
umfangreicher lateinischer Schriften meister Eckharts wird uns
klarheit bringen über das wesen und die lehre dieses bedeuten-
den mannes. die terminologie, der sich Eckhart in seinen deut-
schen Schriften bedient, kann erst durch diese lateinischen Schriften
sicher gestellt werden, sicher gestellt auch dann erst, was und
wie Eckhart alles meinte, kurz: eine systematische darstellung
von Eckharts lehre wird erst durch die Veröffentlichung dieses
fundes möglich, aber nicht nur das macht die entdeckung so
bedeutsam, dass uns in jenen lateinischen Schriften ein mittel
gegeben ist, das deutsche material auf echtheit und unechtheit
SU prüfen, es knüpft sich, worauf schon Denifle hinwies, die
weitere frage daran, ob alle als echt erkannten deutschen Schriften
auch von Eckhart ursprünglich deutsch geschrieben wurden, oder
ob einige ihre deutsdie fassung erst von anderen erhielten, auf
deren rechnung dann gewisse Unklarheiten in form und inhalt
kilmen. Tauler, Seuse und andere mystiker werden von diesem
* vgl. DLZ 1882 nr6 (HDeniae). — Revue critique 1882 nr8 (KSchmidt). —
Theol. litteraturblatt 1882 nrl5.
A. F. D. A. IX. *
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114 PRE6BR DEUTSCHE MYSTIK n
runde gleichfalls b^üfart; auch über ihr verhältDis zum meister
wird sich das bild klflreu.
Dass wir uns mithin heute noch hinsichtlich der kenntnis
der deutschen mystik in den anfangen befinden, ist tatsache, so
viel sichere resultate auch die forschung seit dem erscheinen des
ersten bandes von Pregers werk (1874) zu verzeichnen hat. die
glänzenden arbeiten Denifles haben ihren ausgang genommen von
eingehendsten handschriftlichen Studien, von Studien also, die uns
erst das material für weitere forschung zugänglich machen sollen,
und nicht zum wenigsten wurden gerade dadurch so überra-
schende erfolge von Denifle erzielt, weil er rastlos auf hand-
schriften aus und von vorne herein bemüht war, seine Unter-
suchungen nur auf breitester basis aufzubauen, wie erst allmählich
sich die aussieht öffnete, vermögen wir zuerkennen, wenn wir
uns zb. die aufeinanderfolge der Denifleschen arbeiten über die
Gottesfreundfrage vergegenwärtigen, welch ein weitet* sprung von
jenem aufsatz, der zeigte dass der Gottesfreund vom oberland nicht
identisch sein könne mit Nicolaus von Basel (Bist -pol. blätter
bd. 75), bis zu den letzterschienenen abhandlungen in der Zs.,
nach denen dem Gottesfreunde überhaupt jede existenzberechtignng
abgesprochen werden moss! und wie lehrreidie, nach anderen
selten hin licht bringende mittelglieder liegen dazwischen, arbeiten,
die einem Tauler einen ganz anderen platz in der geschichle der
deutschen mystik angewiesen haben I und dennoch : Ober Eckhart
erhofien wir noch so viel wie alles, von Theodorich von Freiburg
wird Denifle sechs von ihm aufgefundene tractate, *von denen vier
für fernere forschungen grundlegend sind', demnächst edieren
(Hist.-pol. blätter 75, 780 0» ^on Tauler besiuen wir bis jeUt
keinen kritischen text, über Seuses leben stehen uns neue mate-
rialien in aussieht: wer möchte da behaupten, wir wären nicht
mehr in den anflSlngenl
Trotz alledem hat Preger sein verfrüht begonnenes unter-
nehmen fortgesetzt, er muste sich doch sa^en, wie undankbar es
i^ weiter zu arbeiten, wenn man besorgen muss, durch vielleicht
schon in kürzester frist an die Öffentlichkeit tretende fände seine
ergebnisse gefährdet zu sehen, aber Preger hat sich darüber gar
nicht ausgelassen, und das wenigstens hatte ich erwartet, der
zweite band enthält kein vor-, kein nachwort, er steht ziemlich
unvermittelt neben dem ersten und ignoriert, welchen gang die
forschung inzwischen genommen, ein par worte wären am platze
gewesen, um kurz anzudeuten, welche Stellung der Verfasser zu
den seinen Untersuchungen über die hl. Hildegard, wie anderen
und mir scheint, mit erfolg entgegen tretenden von Schmelzeis
(Hist.-pol. bll. 76, 604—628. 659—689, vgl. Benrath in Herzogs
Realencyklopädie 6 (1880), 1 12 0 und Antonius van der Linde (im
Katalog der kgl. landesbibliothek in Wiesbaden) einnimmt und
wie er sich zu den gleichfalls und wider überzeugend gegen ihn
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PRBMR DBDTBGHB MYSTIK U 115
gerichteten auslassungen Reuters (Gesch. der aufktorung im ma.
2, 356 ff, Tgl. auch WMoUer io Herzogs Realencyklopädie 6 (1880),
785 ff) Ober Joachim von Floris verhalt, doch hierauf einzugehen,
mag Preger ftlr den zweiten band, der sich mit anderem befasst,
nnzweckmäfeig erschienen sein und dagegen lässt sich am ende
auch nichts einwenden, aber warum wird der seit 1874 er*
schienenen litteratur Ober Eckhart keine erwahnung zu teil?
Jundts ansichten ttber die heimatfrage Eckharts hatte Preger frei-
lieh unberückaicbtigt lassen können, aber in demselben werke
(Histoire du panth^isme populaire) sind auch bisher ungedruckte
predigten und tractate meister Eckharts veröffentlicht; und wes*
halb kein wörtchen über die mit recht angezweifeke echtheit des
tractales Von der Schwester Katrei, der doch bei der darstellung
im ersten bände verwertet worden war? vgl. QF 36, 132 n.
Seuse 1, VIII. Anz. vi 213. der stricte beweis ist noch nicht ge-
führt. Preger, dessen zweiter band doch an Eckhart anknüpft,
hatte ihn aber fahren oder die Unrichtigkeit der Denifleschen be-
faauptong erharten müssen. Denifles anzeige des ersten bandes
berührt Preger da, wo es sich um Eckharts lehre handelt; ich
kann jedoch nicht finden dass Preger gegen DeniQe, ^dessen stil
sich durch grOfsere klarheit und durchsichtigkeit von dem Pregers
vorteilhaft unterscheidet, mit glück polemisiert, hinsichtlich der
lehre Eckharts schliefse ich mich nach wie vor Denifles ansichten
an (vgl. Seuse l,vni) und nur in bezug auf den fölscblich so-
genannten widerruf Eckharts ^ stehe ich zu Preger. was Denifle
Hist.-pol. blatter 75, 906 f hierüber gegen Preger vorbringt, ist
meines erachtens irrig; es möchte das — der verehrte freund
wird mir die Vermutung nicht verübeln *- der einzige punct in
Denifles forschungen sein, wo sein urteil von seinem religiösen
sUDdpuncte beeinflusst worden ist.
Und das führt mich nun zu einer bemerkung, die für Pregers
arbeitsverfohren auf dem gebiete der deutschen mystik überhaupt
' es ist vielleicht nicht uninteressant, bei dieser gelegenheit zwei urteile
in erinnemng zu bringen, die FBöhmer und JGrimm fiber diesen sog. wider-
rnf Eckharts gef&llt haben. Böhmer {Reg. hnperii 1314—1347 s. 222) fügt
dem reg. nr 90 (verdammangsurk. Johanns xxii vom 27 mirz 1329 gegen
26 Sätze des Eckhart) folgende bemericung bei: 'sehr merkwürdig ! ein deut-
licher beweis mit welchen gefahren die speculationen selbst edier und tief-
ainniger gemGter nmgeben sind, und wie sehr es einer kirche bedarf sie zu
zflgdn. es sollte nicht äbersdien werde« was ffir grofse yerdienste sich
der pabstliche stuhl gerade in dieser hinsieht von je her um Christentum
und menschheit erwor^n hat' aber Böhmers religiösen standponct vgl. ADB
3» 77. JGrimm schreibt am 10 dec. 1857 an FPfeiffer (Germ. 11, 239):
«wissen Sie wo er (Eckhart) mir am meisten zusagt? wenn Sies nicht übel-
Dcbmen, will ichs bekennen, da wo er aus der enge der religion in ketzereien
ai>ergeht. der zu Rom aufgefundene widerruf tut mir leid, es ist leicht ein-
zusehen wie die macht der kirche den mann dazu drfingte und es beweist
weder fflr noch gegen ihn. ich stelle mir vor, wenn er von seiner kanzel
herabstieg, mag ihn oft das geföhl befallen haben, dass weder die gemeinde
noch die geistlichkeit seinem denkvermögen eq folgen im stände war.'
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116 PRBGER DEOTSCHB MYSTIK U
cbaracteristiscb ist. die noch so junge forschuog Ober deutsche
mystik hat ganz unnötig den religiösen standpunct in die discus-
sion hineingezogen und ich fürchte dass daraus nur schaden
erwachsen wird, ja er ist schon erwachsen, denn Preger verbalt
sich bereits gegen alles, was Denifle vorbringt und wenn dieser
es noch so ausführlich begründet, einfach ablehnend, wo Preger
seinen gegner nicht zu widerlegen weifs^, da ignoriert er ein-
fach seine forschung. es ist doch absolut nicht denkbar dass
Preger trotz Denifles entgegnungen zb. noch immer glauben sollte.
Tauler sei ein anbäuger Ludwigs des Baiern gewesen, oder unter
dem in Margaretha Ebners Offenbarungen begegnenden frinnt
gotes (unsers kerrm) und (der) min sei das eine mal (139, 2)
Heinrich von Nördlingen, das andere mal (148, 13) Tauler zu ver-
stehen, und es ist hoffentlich nur ein lapsus calami, wenn Preger
8. 361 (gegen schluss seines buches) noch reden kann von dem
Gottesfreunde vom Oberland, 'den wir aus Taulers leben kennen.'
die mit einziger ausnähme von Jundt wol von allen anerkannten
resultate der Denifleschen schrift Taulers bekehrung wird Preger
doch nicht ablehnen wollen, wer ferner widerholt von den gottes-
freunden redet, hatte doch auch die Verpflichtung, über den be*
griff dieses namens zu sprechen und zu sagen dass dem werte
kein anderer sinn unterzulegen ist als den ihm auch die bibel
(Job. 15, 15. Jac. 2,23) gibt^ dass sodann an einen geheimbund
nicht zu denken ist (vgl. Seuse 1, 85 f. 637 f).
Mit der art des citierens kann ich mich nicht immer ein-
verstanden erklären, wer nicht genau in der litteratur orientiert
ist, wird manches als resultat Pregerscher forschung ansehen,
was doch schon andere vor ihm gefunden, andererseits hatte
Preger zb. bei JBach Meister Eckhart noch hinweise auf zu
verwertendes material finden können, eine möglichst grofse voll*
ständigkeit in der benutzung des materials wäre um so angezeigter
gewesen, da, wie bemerkt, für eine geschichte der entwickelang
der deutschen mystik die stunde noch nicht gekommen ist. über
die unterschiede älterer und neuerer mystik (s. 3 ff), die Preger
statuiert, sind wir noch nicht im reinen, was Preger bietet sind
ziemlich lose an einander gereihte beitrage zur deutschen mystik.
nur von diesem gesichtspuncte aus ist manchen partien lob zu
zollen, wie ich es denn gern anerkenne dass des Verfassers wider-
holt bewiesener Scharfsinn — ist doch gerade auch mir derselbe
> wo er es zu können glaubt, da schlagt er bisweilen einen too an
(zb. s. 317 f. 325 n.), der auch in der heftigsten polemik nicht angeschlagen
werden sollte, schon deshalb nicht, weil er nur geeignet ist, die widerlegendeo
argumente abzusch wichen.
' die ältesten belebe für gotes fHunt: Dkm. 30, 9t. vgL 30 la. fto-
landsl. 223, 25 [Mechlhtld von Magdeburg 198]. Elis. 666. 2838. 5600. Bert-
hold vR. 2, 220, 26. vgl. amid dei Preger Der tractat des David von Aog»-
burg über die Waldesier 1878 8. 31, 11.
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PRB6IR DEUTSCHE MYSTIK U 117
scboD ZU gute gekommeD (MEs. ?)1 — in haudscbrifUicher und
litterarhistorischer kritik sieb aucb in diesem bände nicht selten
zeigt, aber Preger leidet an dem febler dass er meist zu viel be-
weisen will und aufserdem sich mit den nötigen yorarbeiten zu
leicht abfindet, eine gewisse hast yerrät auch der anhange dessen
texte mancher nachbesserung bedürfen.
1 Lehre der älteren schule. 1. Quellen, betreffs der SGeorger
predigtenhs. (s. 9 fl)i ^u der sich weitere gesellen, ist Preger anderer
ansieht als Rieger in Wackernagels Altd. pred. s. 386 f ; er weist
nach dass das original dieser grofsen für ein frauenkloster be«
stimmten anonymen Sammlung im jähre 1300 entstand, Tgl. auch
Wackernagel aao. s. 268.
S. 12 ff werden die Schriften des Heilsbronner münehes be-
sprochen. Ton den Sechs namen des fronleichnams glaubt Preger,
der mOnch habe diesen tractat zuerst lateinisch entworfen (clm.
8961 «->A. 9004 asB) und dann ins deutsche übertragen (cgm.
100 — €) ; cgm. 683 «= D sei fragment einer jüngeren lateinischen
Übersetzung des deutschen tractates. AWagner, dem nur die an-
finge von ABD vorlagen, meinte gleichfalls, der mOnch habe erst
seinen tractat lateinisch verfasst und dann übersetzt; die deutschen
hss. entstammten dieser Übersetzung, die lateinischen ABD giengen
auf die ursprüngliche lateinische fassnng des tractates zurück, das
richtige hat, soweit ich nach den ausgehobenen stellen urteilen
kann, Denifle im Anz. ii 301 — 306 bemerkt, dessen eingehende
recension der Wagnerschen schrift nicht von Preger erwähnt wird.
die drei lateinischen Münchner hss. sind nach Denifle selbständige
Übersetzungen aus dem deutschen und zwar ^novizen* oder de-
riker-arbeiten'; auch die auszüge bei Preger begreifen sich sehr
wol unter dieser annähme, dass der mOnch den Fronleichnam
ursprünglich lateinisch geschrieben haben könne, ist nicht un-
möglich, aber seinen eigenen werten nach unwahrscheinlich, von
den Sieben graden (s. 17f0i <ler anderen schrift des mOnches von
Heilsbronn, mutmafste Pfeiffer, sie seien eine bearbeitung der
Sieben staffeln, AWagner nahm für beide eine gemeinsame quelle
an. Denifle aao. s. 309 ff hält den prosaischen tractat für die
qaelle des gedichtes, das zwar nicht eine bearbeitung der Sieben
staffeln sei, *wol aber dem ganzen plane nach sie zur grund-
läge habe.' Preger weist jetzt nach dass im dm. 9967 das
lateinische original des tractates Von den sieben staffeln sich
finde; als Verfasser wird fr«t€T Damd ardmis minorem genannt,
den er mit David von Augsburg identiflciert, da des letzteren
schrift De septem processibus religiosi sich inhaltlich mit jenem
tractate verwandt zeigt; die deutsche fassung der Sieben staffeln
soll nach Preger gleichfalls von David von Augsburg herrühren.
daMr spräche vielleicht auch der cgm. 176, in welchem die
deatedie fassung der Sieben staffeln unmittelbar auf die Sieben
Yorregeln der tugend folgt, die zweifellos David vA. zum ver-
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118 PRBGER DEOTdGHB JCTSTIK U
fasser haben, der von Bernhard Malier in seiner Ordenschronik
unter Davids werken aufgeführte tractaius de oratiane qui meipit :
voicate et vid^e, der auch unter dem tilel De affectu oratiomB
begegnet (Preger 1, 273. Pfeiffer Myst. 1, xxxi), ist, um dies bei-
läufig zu bemerken, nicht fliit jenem im clm. 9667 üb^liefertea
lat. tractate zu identificieren. was das Verhältnis der SiebeD
grade zu den Sieben staffeln betrifft, so stellt sich Preger näher
zu Pfeffer und Denifle als zu Wagner, für den Fronleichnam
hat der mönch das grofse predigtbuch des Heilsbronner abtes Kon*
rad(Soccus?) von Bruuelsheim (abt von 1303—1306 und 1317 bis
1321) benutzt, vgl. über ihn und seine predigtweise noch Cruel
Geschichte der d. predigt im ma. s. 346 — 355 und Anz. vii 185.
als abfassungsgrenzen ergeben sich für den Frl. die jähre 1306
und 1324. in der benutzung der Konradschen predigten einen
grund für die ursprünglich lateinische aufzeichnung des Frl. zu
erkennen, finde ich unnötig, dass sodann der mOnch von Heils-
bronn aufser den Konradschen predigten, an die sich aoiklänge
auch in den Sieben graden finden, die alemannische Tochter Sioo
gekannt habe, ist mir noch zweifelhaft; jedesfalls sind die voq
Preger s. 25 zusammengetragenen anklänge nicht beweiskräftig,
in einzelnen fällen hält es überhaupt schwer anklänge wahrzu-
nehmen und wo sie sich finden, sind es meist formelhafte wen*
düngen, die sich auch sonst aus der einschlägigen litteratur be-
legen lassen.
2. Deutsche bearbeitung lateinischer texte, im ersten bände
s. 269 ff hatte Preger nachzuweisen versucht dass von den 8 deut-
schen stücken, die Pfeiffer im ersten bände seiner Mystiker unter
Davids von Augsburg namen veröffentlichte (vgl. auch Zs. 9, 1 fif.
Zs. f. d. phil. 14, 72 f), nur die drei ersten wttrklich von David
herrührten, nr 4 trage bereits völlig den Stempel der Eckhart-
schen schule, dagegen verrieten or 5 und 6, für die ^in Verfasser
anzunehmen wäre, Susoschen stil. nr 7 hielt schon Pfeiffer io
der einleitung s. xxxix für nicht David zugehörig, bei den stücken
unter nr 8 war Pfeiffer betreffs einiger zweifelhaft, Preger sab
in ihnen eine ziemlich unbeholfene Übersetzung aus dem lateini-
schen, das gleichfalls kaum von David herrühre, jetzt hat Preger
seine ansieht dahin geändert, dass er wegen mancher übereiD-
stimmungen für die ursprünglich lateinische fassung der num-
mern 5—7 einen Verfasser aifnimml, in dem er einen bedeutenden
Vertreter der älteren mystik sieht, die deutsche bearbeitung falle
wahrecheinlich in die erste hälfle des 14 jhs. und zeige eine eol-
wickeitere, beweglichere spräche als sie David von Augsburg eigeo«
bei näherer profung hat mich Preger nicht überzeugen können,
die nummern 4—8 berühren sich im ausdruck — schon Pfeiffer
wies auf einiges hin — mehrfach mit 1 — ^3, den gut begbuibigten
deutschen werken Davids, was kaum zufällig ist. nur von nr 8
wird auch meines erachtens vielleicht einiges David abgesproehea
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PIIB6SR MUTSGHB »STIK II 119'
werden rnttssen. für den ^Stempel der Eckhartschen schule', der
]>r4 auf^geprflgt sein soll, gebe ich einstweilen nkht viel, anderer^
seits leuchtet mir der Susosche stii bei nr5 und 6 nicht in gleicher
weise wie Pregern ein. ohne hier die frage der autorschaft er-
schöpfen zu wollen, sei doch folgenden bemerkungen raunt ge-
geben, gott heifst aUer wünne brvtme Zs. 9, 52. iv (die nuromer
bei Pfeiffer) 363, 13. — rehie tugent htaerU niwan die kr4&tAre,
die nach gote gebildei emt: der enge! und der menseh i 310, 8 f.
vgl. under aUen dinen geechepfeden hdsiü zwo, die dir die liebi--
steH sint — : daz ist der engd unde der mensch, die hds^
gebildet ndek dir selben vi 367, 25 ff. — der irdische leib wird
dereinst zum irenkhide gewandelt werden Zs. 9, 25. vm 7, 381, 18l
— exeniflar i 324, 29. m 344, 39. 345, 8. 347, 25. Ze. 9« 49. v
363, 14. 16. VI 366, 20. vhi 10, 384, 7. —geveUic ii 333, 20. Zs.
9, 17. 20. 22. IV 351, 18. vm 386, 19. vgl. ungeveüic n 327, 30.
Zs. 9, 15. 28. — Christus lieifst ein lercer der himeUsohen hove-
zuht Zs. 9, 40. vgl. als dik — gd^rei hast in der höhen sehuole von
himelischen hovezühten v 363, 21. — honicfluz ii 331, 3. v 361, 36.
hemcvlüzzic v» 370, 31. — lielU in der lateme bildlich i 324, 36.
VI 364, 14. 16. 21. vgl. iii 342, 21. — götkehe magenkraft Zs. 9,
23. IV 348, 20. vii 375, 11 vgl. iii 342, 1. Zs. 9, 26. — diu liebe
ist ufnbdwungen : der si kaufen teeUe, der koufe si mit liebe, dne
die ist si nnveile Zs. 9, 24. vgl. mimie wil vri dn ; ist st betwunge^i
so ist ei niht minne wan si se^ mae nHU betwwigen werden
n 368, 23 f. — minneüm vni 6, 380, 3. vgl. Sieben staffeln 392,
34. 397, 17. — daz oberste guot 1 310, 8. ii 333, 33 f. Zs. 9, 53.
IT 357, 15. 39. VI 365, 14. 366, 32. vgl. 366, 8. brunne des
oberieten guotes v 363, 6. brunne des übermcBzigen guotes vi
365, 32. — rincverte, rinevertic in 344, 29. Zs. 9, 24. 37. viii 7,
382, 15. — gott als Schulmeister ii 326, 14 f. 24. iv 359, 26.
V 363, 12. 23. vgl. übrigens auch Anz. vm 7. — sUwekeit i 320,
35. IV 355, 30. 356, 1. sUwic Zs. 9, 46. iv 348, 10. vgl. Sieben
staffialn 387, 22. — epärUchen i 314, 1. 14 f. unspärUchen (sonst
nicht belegt) v 368, 4. vii 371, 28. 375, 2. vin 10, 384, 12. ~
urdrutz i 311, 7. 13. 38. 313, 11. 320, 35. 324, 7. iv 350, 8.
361, 11. V 362, 31 eie sehent dith dne ti. vii 370, 2 f sie wiezent
dick dn 11. vm 7, 382, 5. urdHUzic i 319, 7. urdriUze v362, 14.
VII 373, 9. vm 7, 382, 7. — Christus ein fürkempfiß Zs. 9, 53. iv
359, 23. — vuozsper m 342, 38. 345, 6. 346, 25. vi 866, 21 f.
367, 15. — dd von vindet daz herze niht dd ez an ruowe, niwan
an got akine, diu sele ist ndch gote geformet unde gebildet, dd
von mac si üf deheinem andern dinge rtiewen wan if ir eigen-
Ücher forme, dd st ^f gebreschet ist als ein insigel iif slitam stempfei
I 323, 31 ff. vgl. als ein wahszeid^en gestemphet ist in ein ineigel,
aleö ist d^ sele ndch dir g^ldet; dd von hdt sinindert ruowe
wan in dir aleine, wan si iif dich, herre, gevü^et ist vi 368, 28 ff. ^
vm 12, 385, 32 f stimmt wörtlich mit Zs. 9, 16 note 6. — die
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120 PREGftR DBUTSGHfi MYSTIK 11
grofse weit gottes im gegeDsatz zur kleiaeo des meoscheii Zs.
9, 29. VIII 11, 385, 8. 12. — dA heiest geddht von menschm künne
die hmelische stat volkbringen unde die dUdcen der aj^rünnigen
engele mit menschen erfüllen Zs. 9, 10. vgl. der (mensche) soUe
des engeis stat besitzen unde die lucken ervüllen an der himelischen
Jimsalem, da die ^sten wären üz gevallen viii 7, 381, 1 ff. —
erwähnt seien endlich noch: gott ist daz iu>ige exemplar aller
dinge unde der erweüist bildete aUer tugende v 363, 13. 16. vi
366, 19 f. — V 362, 27 f vgl. mit vii 374, 15 f. — himäische Wirt-
schaft, himelischez gesinde iv 350, 26 f. viii 10, 383, 34. 36. vgl.
auch v 363, 5. 34. vi 366, 25. — horwiger sac^ horsae viii 7,
381, 4. VIII 11, 385, 17. — rosre bildlich v 361, 35. viii 1, 376,
24. — sie minnent dich (dienent dir) äne mUe v 362, 30. vu 370,
26. — V 362, 21 f vgl, mit vi 366, 13 f. — viii 10, 384, 29 = viii
12, 386y 9 f. — zur richtigen Würdigung Davids von Augsburg
ist nicht aufser acht zu lassen dass er der erste mystiker ia
deutscher spräche, 'ein bahnbrecher auf neuem schwierigem wege'
war (Wackernagel Altd. pred. s. 352). wenn sein deutsch hier
und da lateinische construction verrat, so schliefse ich daraus
nicht von vorne herein auf lateinische vorlagen, vielmehr blieb
die gewohnheit lateinisch zu denken bei David nicht ohne ein-
fluss auf seine deutsche ausdrucksweise, sind meine erwägungen
richtig, so wäre dies zweite capitel — und auch sonst noch
manches (Denifle DLZ 1882 sp. 201) — in den ersten band
unter David von Augsburg zu verweisen.
S. 32 ff werden der prediger der SGeorger hs. (3), Albrecht
der lesemeister (4) und der Heilsbronner mOnch (5) charaaeri*
siert. ersterer war vielleicht ein dominikaner; er würkte am
Oberrhein und gehört zur schule der älteren mystik, wenn auch
Susos und Taolers spräche ihn beeinflusftt zu haben scheinen,
vgl. über ihn noch Wackernagel Altd. pred. s. 384 und 395.
Cruel aao. 355 — 362. beiläufig erinnere ich daran dass z. 30 — 44
der diesem anonymus zugehörigen predigt xux bei Wackernagel
sich widerflndet in der predigt lxiv 61 — 77 ebenda, vgl. auch
s. 278. die werke des mOnches von Heilsbronn sind wesentlich
beeinflusst durch Bernhard, den stiller seines ordens, dessen
lehre ihm in erster linie durch die predigten seines abtes Konrad
von Bruneisheim vermittelt wurde, 'in dem was der mOnch aus
seiner individualität hinzubringt, nicht in den theologischen ge-
danken, die nicht sein eigen sind, liegt überhaupt der wert' seiner
Schriften, insbesondere der Sieben grade. *es stellt sich in ihm
einer der religiösen charactere jener zeit in voller Unmittelbarkeit
dar' (s. 44). gegen Wagners Vermutung, die Sieben grade seien
mit dem im Frl. in aussieht gestellten puchlein von der mmtie
identisch, weist Preger (s. 42 f) mit guten gründen nach dass die
Sieben grade Trüber als der Frl. geschrieben sein müssen, schon
Denifle in seiner recension (Anz. u 309) hatte die von Wagoer
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PREGBE DBDTSCHB MT8TJK II 121
behauptete Identität bestritten, hielt aber die Sieben grade für die
gereiftere, mithin spätere scbrift.
6. Aikgorie (8.48 — 53). nicht nur in predigten und traclaten
sehen wir die mystische lehre sich verbreiten, wir begegnen ihr
auch in der kürzeren erzählung, im brief, in lied und spruch
und zwar besonders häufig im gewande der allegorie. muste doch
die gteichnissprache für das aufserordentliche, übersinnliche und
schwer auszusprechende die geeignetste ausdrucksform scheinen.
Preger hat aus der grofsen zahl mystisch -allegorischer darstel-
lungen dieser zeit älterer mystik jene einer näheren betrachtung
unterzogen, die das leben der seele unter dem bilde des baumes
schilderr, einer anschauung, wie sie schon in den Psalmen und
im Hohen liede sich findet, der Baum der minnenden seele oder
der Minnebaum, von Preger in zwei Münchner hss. (cgro. 100. 132)
benulzt, ist schon von Adrian Mitteilungen s. 456 aus einer Giefeener
hs. unter dem titel vnmnepautn der tntnnmdm sei abgedruckt. Pre-
ger vergleicht damit Konrads von Weifsenburg baurogarten mit den
sieben bäumen und den palmbaum mit den sieben ästen beim
prediger der SGeorger hs. (VVackernagel nrLvi. vgl. Anz. vii 186),
der Konrads von Weifsenburg allegorie kannte und einheitlicher
gestaltete, nach Croel aao. 359 findet sich die palmbaumallegorie
vollständig wider in der deutschen predigtsammlung des cod.
theoL 4^ 94 der landesbibl. zu Cassel vom jähre 1470 auf con-
ceptio Hariae, wo als quelle Jacobus de Voragine genannt wird,
vgl. auch Zs. 15, 438.
7. Gedichte (s. 53 — 66). keine allegorie aber wurde in
gleicher weise iieblingsgegenstand der behandlung und zwar meist
poetischer wie die von der seele als braut gottes, vgl. Weinhold
Lamprecht von Regensburg s. 300 ff. schon in der Jitteratur des
11 und 12jhs. begegnen wir dieser anschauung gelegentlich in
deutschen gedichten, bedeutsamer aber doch erst in denen von
der tochter Sion. an die beiden bearbeitungen dieser allegorie
durch Lamprecht von Regensburg und einen anonymus schliefsen
sich zunächst und nicht viel später einige gedichte aus Münchner
hss. an, denen sich weitere aus Nürnberger hss. anreihen, es
war diese litteralur recht eigentlich für die geistlichen frauen be-
stiinmt. in ihren Visionen spiegelten sich die aus solcher lectüre
gewonnenen eindrücke wider, ja sie selbst wurden dadurch zu
litterarischer tätigkeit angeregt oder es steigerte sich doch wenig-
stens oft ihre einbildungskraft zu dichterischem ausdruck ihrer
empfindungen. ich pflichte Pregern bei, wenn er für die namenlos
Überlieferten gedichte meist weibliche Verfasserschaft annimmt.
voD den aus Münchner hss. mitgeteilten gedichten war eines bis*
her unbekannt, die fassung des gedichtes vil werdiu sele, halt
dich wert im cgm. 94 wurde bereits vollständig von Schmeller
SUlrichs leben vin ff abgedruckt, die texte sind zum teil ver-
derbt überliefert und auch sonst schwer, an Pregers emen-
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122 PRBOBR DEUTSCHE MYSTIK II
datioDen ^ und seiner Übertragung einzelner Strophen ins nhd.
hätte ich manches auszusetzen, ich verspare es mir fdr eine ein*
gehendere bebandlung, die mir diese Münchner gedieht« und
ganz besonders das Geistliche minne (Altd. blätter 2, 350(1) be*
titehe gedieht im cgm. 132 (13 jh.), der auch deutsche stocke
des David von Augsburg enthält (darnach ist Preger s. 61 zu be-
richtigen), zu verdienen scheinen, von den Nürnberger gedichten
bespricht Preger genauer Gott und die seele und den Hinne-
spiegel (Bartsch Erlösung s. 214 fr. 242 ff).
In die Übergangsperiode (u Übergänge s. 67 — 84) von der
älteren zur neueren dh. durch Eckhart und Dietrich von Frei-
burg bestimmten mystischen schule setzt Preger Nicolaus von
Strarsburg und einige namenlose stücke: Von der menscbwerdung
Christi, Von dem worle gottes in der seele, Auslegung des Vater-
unsers.^ tfotz mangelhafter Überlieferung der predigten des Ni-
colaus von Strafsburg sind wir doch im stände uns ein bild von
der predigtweise dieses mannes zu entwerfen; besonders die volks-
tümliche ader in ihm macht ihn zu einer anziehenden Persön-
lichkeit, auf Riegers treffliche characteristik (in Wackernagels
Altd. pred. s. 393 — 398. 412. 421) hätte Preger aufmerksam
machen sollen, sie enthält in allem wesentlichen das was Preger
jetzt breiter ausführt, auch Cruel hat in seinem schönen buche
s. 441 Nicolaus von Strafsburg ausführlich besprochen, über
Nicolaus Stellung im zweiten process gegen Eckhart, dessen aus-
gang dieser nicht mehr erlebte, bringt Preger einiges neue bei.
hinsichtlich seiner lehre, die thomistisch, gelegentlich auch eck-
hardisch ist, ohne dass Nicolaus deshalb selbständiger auffassong,
abweichender ansieht entsagte, kann entschiedener erst dann ab-
geurteilt werden, wenn uns des Nicolaus lateinische schrifl De
adventu Christi zugänglich gemacht ist. dass sie nicht verloren
ist, dass sich Nicolaus in ihr nur als ein copist der dem Johannes
Paris. 11 gehörigen im Jahre 1300 verfassten schrift gleiches namens
erweist, dass endlich Karl Schmidts und Pregers kurze nnitteilungen
uach einer nun vernichteten Strafsburger hs. falsch sind — hat
neuerdings Denifle DLZ 1882 sp. 202 bemerkt, weitere nnit-
teilungen sich vorbehaltend.
m Lehre der neueren schule, zuerst behandelt Preger in
diesem dritten abschnitt wider die quellen (s. 85— 111). dankens-
wert — ich kann nicht auf alles eingehen — ist hier die Unter-
suchung über die Oxforder handschrift, aus der schon Sievers
Zs. 15, 373ff gröfsere, von Preger bei seiner darstelluog Ek^kharts
im ersten bände leider übersehene mitteilungen gemacht hatte.
die im thüringischen dialecte des 14 jhs. geschriebene Sammlung
' barmerare s. 59 isl kein mbd. wort, lies wunderare,
^ andere mystische ausleguogen des vateruasers verzeichoet aus Münchner
hss. Bach Meister Eckhart 8.50.64.193.233. Adrian Milteilangen aas hss.
8.450if. ALangmann 8.x. Zs. f. d. phil. 14, 89 ff.
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PHBGKB DEUTSCHE HTSTIK II 123
voa predigten Eckharts und seiner sdiule weist nach Erfurt und
ist wahrscheinlich das original, auch ich halte es fQr mög-
lich dass die in ihr genannten prediger zum teil unmittelhare
schaler Eckharts gewesen sind. — die auf anregung des Hermann
?on Fritslar verfasste Blume der schauung, die bisher für verloren
galt, hat Preger in einer Nürnberger hs. aufgefunden, wie er
schon bd. 1 s. 321 anmerkte; sie liegt jetzt im anhang s. 426 ff
wenn auch in verderbtem texte gedruckt vor. — s. 91 wird die
wichtige Konigsberger hs. 896 besprochen. JHaupt hatte im
ersten hefte seiner Beitrüge zur litteratur der deutschen mystiker
in ihr jene Sammlung vermutet, aus der Hermann von Fritslar
das Heiligenleben zusammenschreiben liefs. von der hs. 2845
der k. k. hofbibliotbek zu Wien, die stücke der ganzen Samm-
lung enthält, gab er ein genaues inhattsverzeichnis der predigt-
anfange und versprach in einem zweiten hefte nähere mitteilungen
über die Wiener hs. 3057, in der ein vollständiges kirchenjahr
für den winter und sommer vorliegt, dieses zweite heft, bekannt-
heb 1879 (Wiener Sitzungsberichte der phil.-hist. classe 94, 235
and separat) erschienen, ist Preger unbekannt geblieben, es be-
handelt nicht nur die Wiener hs. 3057, sondern auch die Königs-
berger hs. und den cgm. 636, aufserdem einige hssfragmente.
es ist eine günstige fügung, dass in diesem falle Pregers scharf-
sinnige erwägungen durch das übersehen der Hauptschen schrift
und die dadurch beschränktere^ kenntnis des hslichen materiales
nicht gefährdet worden sind, soweit ich hier ohne genauere ein-
sieht in die umfangreichen manuscripte zu urteilen vermag, ich
will der übersichtlichkeil wegen erst nachher Haupts zweite Studie
berttcksichtigen. Preger ermittelt aus der Königsberger hs. für
sechs predigten, die Job. c. 17 zum thema haben, 6inen Verfasser
und erweist diesen zugleich als hersteUer der ganzen Sammlung,
eine dieser sechs predigten findet sich auch in der Oxforder hs.,
deren automamen zuverlässig sind, und wird dort dem Gisilher
von Slatheim (Schlotheim, eine tagereise nw. von Erfurt) 2,
lesemeister der dominikaner zu Köln und Erfurt, zugeschrieben.
die von der Oxforder unabhängige Einsiedler hs. 278 enthält
^ auf den bereits im ersten hefte erwähnten Wiener cod. 3057 ist
Preger nicht weiter eingegangen, auf den cgm. 222, der gleichfalls einen
teil der grofsen Sammlung enthllt, hat Preger zuerst aufmerksam gemacht.
' das vorkommen des namens Giselher vermag ich in Erfurt nach dem
freilich in nur sehr, beschrankter weise mir sugfinglichen material über diese
Stadt zweimal nachzuweisen. 1288 Giselerus yicedomini (Kirch hoff Erfurt
im 13 jh. s. 152); 1289 Giselher ffestene (Erfurter mitteilungen 4,64.79).
das geschlecht de Slatheim begegnet des öfteren in Erfurter Urkunden, vgl.
Ktrchhoff aao. 152. 162. Erfurter denkmaler 1,213, vgl. auch Zs. des Vereins
f. hessische gesch. 9, 170. alle weiteren nachforschungen Ober Giselher von
Slatheim, die durch gütige vermittelung Fedor Bechs von verschiedenen
competenten herren in Erfurt und Halle für mich angestellt worden, blieben
erfolglos, desgl. Ober Uhrtung von Erfurt(?), s. weiter unten. Härtung kommt
in Erfurter Urkunden als vor- und familienname häufig vor.
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124 PRE6BR DEUTSCHE MTSTIR II
gleichfalls unter dem nameD Giseler die betreffende predigt (Zs.
8, 211). bis auf eine bat Giselher von Slatheim jene predigten
in der pfingstzeit und vor seinen conventbrüdern gehalten, sie
sind besonders auch dadurch interessant, weil in ihnen viele
andere prediger, wie zb. oieister Eckhart und der junge Eckhart
citiert werden, die früher vor derselben Zuhörerschaft gepredigt
hatten und zwar aller Wahrscheinlichkeit nach auf dem provinzial-
capitel zu Erfurt im September 1325. Giselher könnte also die
betreffenden fünf predigten im folgenden jähre, in der pfingst-
zeit 1326 gehalten haben, *als die erinnerung an die prediger,
welche bei jenem capitel auftraten und denen als thema für ihre
predigten oder als ausgangspunct für ihre disputationen Job. c. 17
gegeben wurde, noch in frischem gedächtnisse war.' auf jeden
fall sind die fünf predigten vor 1337 gehalten, da der junge
Eckhart, der in diesem jähre starb, als ein noch lebender be-
zeichnet ist. als terminus a quo ergibt sich für die Sammlung
das jähr 1323, da sich in ihr eine predigt (Haupt Beitr. 2, 49 SO
findet, die den ausbruch des Streites des franciscanerordens mit
Johann xxii über die frage von der armut Christi voraussetzt, im
jähre 1323 erklarte der pabst die ansieht der minoriten, die für
die aufserste und strengste armut Christi und seiner jünger ein-
getreten waren, als ketzerisch und nun giengen diese zu kaiser
Ludwig über (vgl. Müller Kampf Ludwigs d. Baiern mit der
römischen curie 1, 83 ff und jetzt Preger Ober die anfange des
kirchenpolitiscben kampfes unter Ludwig dem Baier, 1882, s.23ff)-
Preger hätte gut getan, einem nah liegenden einwände bei
seiner beweisführung, dass Giselher der hersteiler der Sammlung
sei, vorweg mit ein par worten zu begegnen, der Sammler sagt
in der einieitung zu einer der oben genannten sechs predigten,
er werde jetzt ein wort aus dem evangelium zu besonderer aus-
legung nehmen, worauf dann jene predigt folgt, die in der Ox-
forder und der von dieser unabhängigen Einsiedler hs. 278^ dem
Giselher von Slatheim zugeeignet ist. daraus dürfte man nun
noch nicht ohne weiteres auf Identität Giselhers und des Sammlers
scbliefsen. es wäre ja ebenso gut und gerade unter obwaltenden
umständen, wo es sich um eine Sammlung von predigten ver-
schiedener Verfasser handelt, möglich dass der compilator einige
einleitende worte zu einer fremden dh. Giselhers predigt machen
wollte, hat doch der sammler auch eine predigt Hane des kar-
meliten und Eckharts ohne nennung des autors aufgenommen I
allein aus folgenden gründen gebe ich Preger recht, wenn er
Giselher mit dem Sammler identificiert. die fünf predigten aus
' gegenüber der Einsiedler hs, erscheiot der text in der Köaigsberger
hs. gekürst; nach Preger s. 93 scheiot der Oxforder text mit dem Königs-
berger ubereinzustimmeo. dass der Schreiber der Königsbeiger hs. soigllUig
seines amtes waltete, kann man nicht gerade behaupten; flöchtigkeitea und
misverständnisse lassen sich ihm vielfach nachweisen.
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PREOBB D KUTSCHE MYSTIK II 125
der pfingstzeit ^ — die predigt In vigilia palinarum kano ich hier
übergehen — haben zweifellos einen und denselben Verfasser,
sie stehen unter einander in nSIchster beziehung (vgl. 1, 51. 2,
69 f. 3, 68 f. 4, 22 f. 5, t 0 und haben bei ihrer einfügung in das
Sammelwerk wenig von ihrer ursprOnglichen gestalt eingebüfst (vgl.
1, 46 ff. 2, 32 ff. 3, 142 ff. auch 4, 51 ff. 5, 27 ff), der Verfasser
wendet sich an seine suhOrer in einer weise, die in seinem
Sammelwerke kaum noch am platze, jedesfalls zwecklos war. wir
erfahren, und das hat Preger eingehender dargelegt und zu er-
klüren gesucht, dass vor demselben auditoriuro und zwar vor
GODventsbrUdern bereits froher verschiedene andere prediger über
dasselbe thema (Job. c. 17) geredet hatten, denen sich nun unser
Verfasser anreiht, um auch seinerseits eine auslegung des betref-
fenden capitels zu geben, dass er, der doch den auslegungen
der anderen prediger eine eigene hinzufügen wollte, in die erste
der fünf pfingstpredigten die predigt eines anderen sollte ein-
geschoben haben, ist schon an sich nicht gut denkbar, und auch
Stil und redeweise sprechen dagegen, der schluss, dass Giselher,
der verschiedentlich beglaubigte Verfasser eines teiles der ersten
predigt identisch ist mit dem Verfasser der übrigen in frage stehen-
deo (und auch noch anderer) predigten, endlich auch identisch
ist mit dem sammler des ganzen, scheint mir mithin ein durch-
aus berechtigter.
Preger hat sich bemüht, aus der masse der predigten Gisel-
hers eigentum auszusondern, ist aber dabei hier und da wol zu
weit gegangen, dass Giselher als Verfasser der Neun fragen von
der geburt des ewigen wortes in der seele, eines tractates, der
Rllschlich, wie Haupt Beiträge 1, 23^ erkannte, von Pfeiffer unter
* ich teile die fOnf predigten aus der pfingstzeit anhangsweise nach
einer von den herren bibliolhekar dr RReicke und stud. phil. Joh. Reicke
in Königsberg für mich in sorgfältiger weise gefertigten abschrift mit, da
sich am sie die ganze autorfrage dreht.
' die handschrift, der Pfeiffer jenen tractat entnahm, ist der cod.
theol. 8® nr 18 der kgl. öffentl. bibiiothek zn Stuttgart einem wünsche
des sei. JHaupt folgend will ich hier einiges Aber den sonstigen inhalt der
hs. anmerkungs weise verzeichnen, die hs. nmfasst 236 bll. und ist im
15 jh. von zwei hSnden geschrieben, deren erste bis bl. 61*, deren zweite
bis zum Schlüsse reicht, auf bl. 174' wird das jähr 1448 genannt, t. bl. 1—96*
dialog zwischen jünger und meister, anknüpfend an geschichten der heil.
Schrift (Genesis und Exodus), die mystisch gedeutet werden, von den
gottesfrennden ist öfter die rede, zb. bl. 13'. 23*. 42*. citiert werden SBer-
nardus und Richardus. — bl. 35* wenn nun des menschen betrfibnist etwas
verspät, so wirt denn der mensch in der eilenden wustin ge füret %ü
%it>ilf brwmen (Bxod. 15« 27), da» sind die »whlff fir&hi des haiHgen gaists,
die sanetus Paubss beschribet, von den ich (der meister) dir gehb ain
sunärfg büeh ze schribend, git mir got ze lebend, wenn du dis» buch
aiiee erlebest^ denn so vindet der mensch die edeln pahnboum, die be»
Hutent u>aren sig der Untugenden usw. 2. bl. 96*— M* Hern Richardus
besehribt vi staffeln in dem sich vbend alle schowende menschen in ir
öeirachtung, auf denen die gottesfreunde in hailiger betrachiung empor-
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126 PRSGER DBUTSCHB MYSTIK II
Cckharts werke aufgenommen wurde (Myst. 2, 478 ff), angesehen
werden darf» ist mir nach Pregers bemerkuugen wahrscheinlich;
die spätere characteristik dieses predigers (s. 160 0 scheint mir
aber teilweise auf einem roateriale zu beruhen, das noch nicht
genügend als von Giselher direcl herrührend erwiesen ist. weitere
mitteilungen aus den handschriften sind nötig, um hier ein sicheres
urteil zu ermöglichen, es wird sich dann auch noch weiteres
über die predigten anderer Verfasser ergeben, die der sammler
in sein werk mit aufnahm, bis jetzt hat Preger als solche Eck-
hart und Hane den karmeliteo ermittelt, über das der saaim-
lung einverleibte Buch der marter (vgl. auch Heiligenleben 117,
12 f. 118, 11 f) hätte Preger ein wort sagen sollen, vgl. Haupt
Beiträge 1,30 ff. — seiner neigung voreilig zu identificieren , bat
Preger auch dieses mal nicht widerstehen können, wenn gleich
er sich im ganzen vorsichtig und mit reserve ausdrückt. Preger
steigen (98"). 3. bl. 99'— 174' Hie vahH an ain iraetat von dem erwirb
dtgen und hohen sacrament des fronUchname tmsers herren Jheni Christi
wie gar miUklieh er sich uns hatt geben, derselbe tractat befindet sieb
bslich aogebanden einer deutschen Übersetzung der Nachfolge Christi suf
derTfibinger universitStsbibl. (Gb 26S 4% vgl. meine anm. zu ME 127, 11 f.
4. bl. 174' f^on vi haimlichen fruchten des hailigen sacramentes, 5. bl. 179'
Regina oeli, 6. b). 180'— 204' Hie hebet sich an das Men der altvetter.
7. bl. 204' ^in gut lere ^ Eckhart ed. Pfeiffer s. 624 nr 67. 8. bl. 205* bis
212' f^on der gebürt des ewigen Wortes in der m/«« Eckhart 8.478 nrvm
(479, 8 wan guote begerunge, 480, 17 lies von gotes gäben und von
grozer Hebung unde von innegem gebete, 482, 32 waz inte got getan
hat und noch tuon wil, dar auo sol er sich guoilichen halten, da* xiist:
waz got getan hat und noch tuon sol, dar zuo sol er sich glteh halten, 482, 34
geliche hatten oder wem got gndde geben wil oder nit, dar zuo sol er sieh
glich halten), 9. bl. 212' ain hailige sprich it: es ist erbermckUchen, daz wir
iemer von dem Übe schaiden, e wir die werck get^on die got geneme sint.
10. bl.2t3'— 215' «= nr2 des xi tractates von Eckhart bei Pfeiffer s. 502 ff
mit auslassungen: 502,31—503, 15. 504,6-40. 509,39—510, 18. 11. bl.215'
von der sei zücken, ähnlich Eckhart ed. Pfeiffer 507, 16 ff. 12. bl. 215' bis
219' «s nr 3 des xi tractates von Eckhart bei Pfeiffer mit auslassungen:
510,33—511,4. 32—513,38. 514,12—25. 515,27—36. die ciUerten stellen
in 10 und 12 sind in der Stuttgarter hs. meist n&her bestimmt durch an-
gäbe des autors. im allgemeinen weichen die texte nicht erheblich von dem
bei Pfeiffer ab. 13. bl. 219' — 224* «= nr 1 des xi tractates von Eckhart
495,29—499, 13, auch hier lOcken; an stelle der fünf brode (495,290) sind
in der Stuttgarter hs. ffinf steine gesetzt, mit denen David den Golias traf.
498, 18 steht statt swestem und bruodem: ich mane iuch alle gottes-
friund. 14. bl.224'— 227' — Eckhart 507, 14— 509, 26, schliefst unmittelbar
ohne Überschrift an das vorhergehende an. vgl. oben 10. 15. bl. 227* bis
228* konnte ich nicht bei Pfeiffer auffinden, übrigens im selben geiste g^e-
schrieben. bl. 227' von der ainikait gottes und der sei. 16. bl. 228* bis
229' aus Eckharts tractat xv, bei Pfeiffer 536, 16—537, 28. — daroof bl. 229'.
230* nochmals Eckhart 513, 15—23, bl. 230' » Eckbart 514, 6—8. — aaf
bl. 230*— 236' werden Dionysius, Augustin, Origines ua. citiert. unter Ter-
schiedenen ausspruchen begegnet bi. 235' auch meister Eekhart. bl. 235* Ihs
sint X schaden von iegUehen sünden, maister Thomas sekribet von % seh^
den. — ich verdanke die einsieht in die Stuttgarter hs. gütiger veimittelang
des hrn oberstudienrates dr Heyd.
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PBBGER DEUTSCHE MYSTIK II 127
sucht die in der KODigsberger sammlang begegnenden prediger-
namen nüher zu bestimmen, meister Heinrieb, der zweimal er*
scheint, vielleicht auch bruder Heinrich könnte, so meint Preger,
Heinrich von Lübeck sein, der 1325 in Erfurt zum provinzial
Sachsens gewählt wurde, neben meister Eckhart wird ein meister
Dietrich genannt. wUrde nicht unmittelbar davor meister Vribarc
b^egnen, so hatte Preger sicheriicli und nicht ohne scheinbare
grOnde den meister Dietrich mit Theodorich von Freiburg identi-
ficiert, der unter diesem namen ja widerbolt besonders mit Eck-
hart zusammen vorkommt (Zs. f. d. bist, theologie 1869 s. 35,
Germ. 15, 98). weil nun auch andere namen auf Sachsen führen,
vermutet Preger unter dem meister Dietrich Theodorich von
Sachsen, unter meiitir vriborc wol mit recht Theodorich von
Freiburg, den Preger, beiläufig bemerkt, noch immer trotz De-
nifles einwendungen im Anz. v 263 mit Theodoricus a Santo
Martino für eine und dieselbe person halten mochte, ^man nannte
Theodorich von Freiburg nur mit dem zweiten namen, um eine
Verwechselung mit dem gleich nach ihm genannten meister Dietrich
zu YerhQten.' möglicher weise sind Heinrich von Lübeck und
Theodorich von Sachsen würklich gemeint, der Unsicherheit aber
müssen wir uns stets bewust bleiben.^ es konnte ja noch manche
andere Heinriche und Dietriche geben und gerade der letztgenannte
name niahnt in diesem falle lehrreich aufs neue zur vorsieht, mit
eben demselben rechte könnte man auch bei dem gleichfalls in
jenen predigten citierten bruder Jordan an den augustiner Jordan
Ton Quedlinburg denken, der 1331 lector zu Erfurt war (Cruel
Geschichte der d. predigt im ma. 421 ff. ADB 14, 504) und dessen
Ordensgenosse und zugleich lehrer und meister Heinrich von Frie-
mar in derselben predigt genannt wird, über letzteren (vgl. Cruel
8. 414 ff. Anz. yn 186. ADB 11, 633 fr. Mitteilungen des Vereins
fttr die gescbichte und altertumskunde von Erfurt 5 (1871), 125)
sind die acten noch nicht geschlossen, im augi^stinerkloster zu
Erfurt lebten gleichzeitig zwei mönche dieses namens, oheim und
neffe; da er in der betreffenden predigt meister Heinrich von
Friemar heifst, so wird der neffe, theologiae magister (f 1354)
gemeint sein, wahrend der ihn überlebende oheim nur lector war.
in der predigt am pfingstabend wird der von Brich citiert; ein
glied dieses geschlechtes kann ich aus Erfurt nachweisen: in
einem urteil in sachen mag. Heinrichs, plebanus der Michaelis-
kirche in Erfurt, gegen Giselher Westene von Swerborn vom
' aach einige der Vermutungen fiber die in der Berliner h§. cod. germ.
191 begegnenden predigernamen (s. 110) — Johann Faterer ist übergangen.
Tgl. Denifle DLZ 1882 sp. 202 — hätte ich lieber unterdrückt gesehen, wie
▼iel ist nun schon an ciem armen hem Heinrick, der in den briefen Heinrichs
von Nördlingen genannt wird, von Preger herumgedeutet worden, vgl. s. t lOn.
und meine anm. zu HvN xl 101. desgleichen unsicher und daher zwecklos
tat Pregers Vermutung über bruder Arnold den roten (s. 128).
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128 PRBGBR DEirrSGBE MTdTIK II
16 nov. 1289 begegnen als zeugen: dominui Heinricus plehanm
8. Geargii; dominus Harthungtis frater sum, dominu$ GeHekardus
de Bridi sacerdotes Erfordenses, Mitteilungen — von
Erfurt 4 (1869), 80.
Ich gebe nun zu JHaupts Studie über, auch er hat schon
auf Erfurt als entstehungsort der Sammlung und auf die zeit
zwischen 1322 — 1340 (etwa ende 1330) hingewiesen, ist aber
sonst zu anderen resultaten gekommen, im cgm. 636, der 1421
zu Crossen in Niederschlesien geschrieben wurde und die grOfsere
masse des sommerteils enthält, nennt ein auf dem vorderen deckel
aufgeklebter pergamentstreifen Härtung von Erfurt (de e'uordio
liest Haupt nach einer mitteilung KHofmanns, dagegen bietet der
Münchner hsscalalog dje Cuordio(?) und Preger schreibt mir:
^Schmeller las Geordio; ein späterer bibliothekar bemerkt, es
heifse deutlich Giordio. das letztere bestätigte eine mit ehem.
reagentien vorgenommene Untersuchung') als Verfasser der deut-
sehen postille und Haupt meint, wir mttsten ihn so lange für
den Verfasser dieser reden und predigten halten, 'bis wir durch
die bestimmte erklärung eines Zeitgenossen eines besseren belehrt'
Würden, gegenüber der Untersuchung Pregers, dem die Kdaigs-
berger hs. selbst vorlag, während JHaupt nur auszüge, wenn
auch umfangreiche zu geböte standen — gerade jene predigten»
die für Preger ausgangspunct der Untersuchung waren, scheioen
ihm ihrem ganzen inhalte nach unbekannt gewesen zu sein — ,
kann jener name nichts verschlagen, so weit ich das vorliegende
material zu übersehen vermag, kann jener Härtung höchstens nur
in so fern in betracbt kommen, als vielleicht auch von ihm pre-
digten in die Sammlung aufgenommen wurden, der sammler des
ganzen war er nicht, zudem bilden, worauf Preger mich auf*
merksam macht, im cgm. 636 die predigten aus der Künigsberger
hs. nur den kleineren teil des werkes. unter pred. 1 — 33 sind
nur vier aus der Künigsberger hs., unter sämmtlichen ca. 93 pred.
genau 33. wie man im 15 jh. dazu kam, jenen Härtung als Ver-
fasser zu nennen, bleibt eine offene frage, wenn Haupt (Beitr.
2, 8 ff) den sammler für einen minoriten hält, so lässt sich da-
gegen folgendes bemerken, dass der sammler eine predigt auf-
nahm, die in der oben angeführten Streitfrage für die franciscaner
eintritt, ist an sich noch nicht ein beweis, dass er selbst diesem
orden angehört haben muss, er sammelte ja doch im letzten
gründe nur. in unserem falle aber liegt die sache noch anders,
die Worte am Schlüsse jener predigt (Haupt Beitr. 2, 54. vgl. 11)
lassen vermuten dass ein nicbtfranciscaner hier redet, der Ver-
fasser entschuldigt sich dass er in diesem puncte anderer ansieht
als der pabst wäre, auf dessen seile die dominikaner standen.
nach Preger ist nun der Verfasser dieser predigt derselbe, von dem
auch die pfingstpredigten herrühren, nämlich der dominikaner-
lector Giselher von Slatheim, und ich kann dagegen nichts ein-
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PaKGBR l>EUTäCB« MYSTIK D 129
wenden ; doch soll nicht verschwiegen werden dass in der Oxforder
hs. von eben demselben dominikaner Giselher auch eine predigt
'wider die barfurser' sich findet, zu gleichem zwecke macht Haupt
geltend dass es im Heiligenleben Hermanns von Frilslar beim
heiligen Franciscus von dessen orden heifse: dirre orden ist g^
Ulf tu in di hdhestm State dar inne ein orden gesten mag (213, 5fj,
der minoritenorden also als der höchste bezeichnet werde, aber
mit ganz demselben rechte lierse sich zu gunaten eines Sammlers
aus dem predigerorden auf die zweimaUge erwahnung des Domi-
nicua (unter den heiligen der monate mai und augusl) hinweisen»
wo der predigerorden der vamunftigeste orden der in der bristen-
heit ist (130, 7 f. 172, 26 f) genannt wird, vgl. auch Schmidt
Tauler s. 47 a. und Pfeiffer Myst. l,xvf. aus beiden stellen wird
man besser nichts schliefsen« da es sich bei einem Sammelwerke
immer um verschiedene autoren handeln kann, dass aber der
Sammler ein dominikaner war, erhellt deutlich aus den von Preger
s. 94 fangemerkten predigernamen, die zumeist diesem orden an-
geboren, nach allem werden wir also Pregers Untersuchung über
die KOnigsberger hs. einstweilen zustimmen dürfen; ich halle sie
für den wertvollsten abschnitt dieses zweiten handes.
im 16 jh. war Erfurt einer der ausgangspuncte der refor-
mation und ein hauptsitz des humanismus (Scherer Gesch. d. d. litt.
273 f), im 14 jh. finden wir in derselben Stadt eine wichtige
Stätte mystischer lehre, hier, wo Eckhart in früherer zeit ge-
würkt hatte und schule machte, kam die Oxforder, hier Giselhers
von Slatheim umfangreiche predigtsammlung zu stände, hier auch
die bandschrift des Heiligenlebens, letzteres ist 1343 — 1349 ver-
fasst^und für Hermann von Fritslar gleichfalls von Giselher von
Slatheim und zwar in ähnlicher weise wie die ältere predigt*
Sammlung zusammengestellt worden, in so fern der Sammler auch
hier eigene predigten mit einer reihe fremder predigten vereinigt
hat^ erst jetzt war durch die sermones de sanctis, die in der
älteren Sammlung noch fehlten (gegen Haupts Vermutung), die
samiailung eine möglichst vollständige geworden, aus dem älteren
werke wurden, wie schon Haupt bemerkte, sämmtlicbe pre-
digten, bei denen die evangelien mit beiligentagen zusammen-
fallen, in das neue herflbergenommen , aufserdem fügte der
Sammler manches von Hermanns von Fritslar eigenen erlebniasen
hinzu, und auch sonst mag letzterer hier und da eine bemerkung
eingeschaltet oder nachgetragen haben. Preger hat es sich an-
gelegen sein lassen, auch aus diesem zweiten werke Giselhers
directes eigentum zu ermitteln, ohne dass damit die frage bereits
abgeschlossen wäre, für die thüringische heimat des Heiligen-
* Ihs hick ist Sil sammene gelesen üz%e vile anderen bueheren und
u^*e vile predigäten und iUze vile lerSren (4, 15 ff)> — da» tint antweder
sterpfaffen oder eint lesemeistere (63, 22 Q-
A. F. D. A. IX. 9
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130 ^ftE«ER DEOTSCIB MYSTIK U
lebens kommt aufser der stelle über Erfurt und Ichtersbaosen
(Pfeiffer s. 218,33, vgl. aucb Haupt Beitrage 2, 7f) noch in be-
traebt dass unter den beiligen kein einziger deutscher begegnet,
ausgenommen die bl. Elisabeth, die landes vr^uwe zu DÜringen
(Pfeiffer s. 242 ff), 'die hl. Walburgis s. 1 23 ff läuft nor so nebenher
mit den beiden aposteln Philippus und Jacobus' (Haupt 2, 8n.). —
nach Anz. vii 187 soll der im Heiligenleben 129, 40 citierte Her-
mann von Schilditz widerholt auch von Joh. Herolt neben Heinrich
von Priemar erwähnt werden, in den Sermones discipuli fand
ich, falls ich nichts übersehen, nur letzteren genannt (ausgäbe
von 1612, Moguntiae, s. 180'. 182\ 239^ 274*'). — beiläufig
notiere ich dass der passus 123,4 — 124,2 des Heiligenlebens
sich nd. in einer Halberstädter hs. widerfindet, Jahrb. des Vereins
fUr nd. Sprachforschung 3 (1877), 65 f.
S. 111 ff geht Preger zur bespreehung der ^schule Eckharts*
aber, nach einigen allgemeinen bemerknngen werden die einzelnen
Vertreter der oberdeutschen (s. 116 — 143) und niederdeutsch-thü-
ringischen (s. 143 — 177) schule durchgenommen, in Oberdeutsch-
land treten uns neben vielen namen, von denen uns nur einzelne
Sprüche erhalten sind, als die bedeutendsten entgegen Johann von
Sterngassen (über ihn vgl. auch Wackernagel Alld. pred. 434 0«
Heinrieh von Egwint, bruder Kraft (vgl. Bach Meister Eckhart
s. 181, 10), bruder Arnold der rote, Joh. von Weifsenburg, Hein-
rich von Löwen und der von Kronenberg. ^ auch mehrere ge-
dichte, aus Eckharts schule hervorgegangen, kommen hier in be-
tracht (s. 137 ff. vgl. Hoffmann Gesch. d. d. kirchenl.' s. 86 ff),
nach Niederdeutschland und Thüringen führen Eckhart der junge,
Helwic von Germar, Giselher von Slatheim, Albrecht von Treffurt,^
Hane der karmeliter, Thomas von Apolda, Hermann von der Lo-
veia. Erbe, Eckbart Rübe, Florentius von Utrecht, Johann Franko
(vgl. Bach aao. s. 178, 2), zwei ungenannte franciscanerlese-
meister (Pregers anseinandersetzungen Ober sie haben mich nicht
völlig überzeugen können), der tractat Von der würkenden und
möglichen Vernunft und wahrscheinlich auch der Von der minne,
letzterer zum ersten male im anhange (s. 419 ff) herausgegeben,
die zum teil aus Pfeiffers abdruck im 8 bände der Zs. bekannten,
teils von Preger im anbang aus verschiedenen hss., insbesondere
aus der Oxforder mitgeteilten stücke sind im ganzen gut von
Preger characterisiert, soweit das bei dem verhältnismäfsig ge-
ringen materiale für jeden einzelnen mystiker überhaupt möglich
^ in der Überlinger hs. 1894/267 der predigerordenschronik steht Här-
tung Ton Kronenberg. Preger nennt ihn (nach der Inhaltlich gleichen hs.
1548 — 80 ist auch wol s. 135 a. 2. s. 252 usw. statt 1546 zu lesen —
der Leipziger unlTersitätsbibliothek?) Hartmann.
^. ober das geschlecht von Trefurt vgl. Zs. des Vereins f. hess. gesch.
und 1andesk.9 (1862), 145 ff. Gtandau Gesch. der familie von Trefurt eine
sage über einen Hermann von Tr. bei Grimm Deutsche sagen 2,335.
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PBEGBR BBOT&CHE MYgm II )31
war. Pregers aoszüge, deren aoflwabl kh systematischer ^ vor
allem aber kritiscber ediert gewünscht hätte, können auf die dauer
nicht genflgen; sie müssen wesentlich vermehrt werden, um ein*
seitigen and irrigen Folgerungen vorzubeugen, es sei gestattet,
hier einzuschalten, was ich mir zu einzelheiten der betreffenden
Paragraphen angemerkt habe.
Zu s. 116: das zweite derZs. 8, 253 unter dem namen des
Johann von Sterngassen edierten stücke hatte Preger Zs. f. d.
bist, theologie 1866, 476 ff dem Johann von Sterngassen ab- und
Eckhart zugesprochen, allein aus ähnUchen gedanken ist noch
Dicht auf ideotitfit zu schliefsen, wenigstens nicht mit der Sicher-
heit wie Preger das meist tut. gerade in diesem falle lassen sich
die Übereinstimmungen sehr gut aus dem Verhältnis des meisters
zum Schüler erklären, zudem wird Pregers behauptung in frage
gestellt durch die codd. asc. 6 und 36 der kgl. handbibliothek
zu Stuttgart, erster er, vorwiegend predigten und tractate Eck-
baris (Pfeiffers hs. 18) und des Nicolaus von Strafsburg (Pfeiffers
hs. B) enthaltend (vgl. auch Mona Anz. 1838 s. 515), gibt unter
SCerngassens namen auf hl. 25" — 26'' Pfeiffers zweites stück wider
mit Übergebung des zweiten und vierten abschnittes auf s. 255,
welch letzterer, von Pfeiffer Myst. 2, 643 nr 43 dem Eekhart
zugewiesen, den ausgangspunct bot für Pregers Untersuchung in
der Zs. f. d. bist, theologie 1866. unmittelbar daran schliefst
sich bl. 26** — 29** die bei Wackernagel Altd. pred. s. 163 nrLXU
gedruckte predigt des von Sterngassen, dessen autorschaft hier-
ftlr nicht angezweifelt wird, umgekehrt ist die Überlieferung im
cod. asc. 36. hier steht voran mit Sterngassens namen auf
W. 104**— 109* Wackernagels nr lxii. darauf folgt bl. 109**
Pfeiffers nr 2 bis s. 255 absatz 2 inclusive (auch hier fehlt also
der vierte abschnitt) , der sich direet Pfeiffers nr 3 (Zs. 8, 255)
anreiht, ich meine dass durch diese Umgebung auch für nr 2,
weDO wir von jenem vierten abschnitte absehen, Sterngassens
eigen tum einstweilen nicht bestritten zu werden braucht. — be*.
treffs des bslichen materiales der predigten des von Sterngassen
sei noch verwiesen auf die Varianten bei Wackernagel Altd. pred.
8. 544 ff. — s. 121. nicht auf dem predigerhofe sondern im
kloster zu SAntonius zu Coln (My8t. 1, 63, 21) predigte Gerhart
von Sterngassen. Preger dachte an bruder Heinrich von LOwen
(Germ. 3, 242*). ein tractat von Gerhart vSt. soll nach CScbmidt
Tauler s. 24 a. 4 in einer Coblenzer hs. stehen , die Preger
8. 131a. bei anderer gelegenbeit citiert. — s. 123. in der Basler
Tatilerausgabe findet sich fol. 205** die erste predigt Heinrichs
von Egwint (Zs. 8, 223) vollständiger überliefert, Wackernagel
AM. pred. s. 434a. — s. 134. die Zwölf meister zu Paris finden
sieb auch bei Birlinger Alemannia 3, 99 und im Stuttg. cod. asc. 36
51^ 100**— 104^ — s. 134 a. 3. über Johann von Freiburg vgl.
jetzt auch ADB 14, 455. — s. 135 a. 2. Über den geistlichen.
9*
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132 PBEGSB DEUT8GHB MT8TK II
dichter, deo dominikaner Eberhart von Sax vgl. Germ. 9, 463. —
s. 135 a. 3. auf die ccgm. 172. 181 machte schon Bach Meisler
Eckhart s. 184, 23 aufmerksam. Preger hätte in Bachs schrift,
die er kaum citiert, noch manchen hin weis auf mystische hss.,
insbesondere der Münchner Staatsbibliothek, gefunden ; leider be-
gegnen in ihr bei den Signatur- und blattangaben manigfache
Irrtümer und druckfehler. — s. 135 f und berichtiguogen auf
s. VI. die Fünf lesemeister stehen auch in den Stuttg. codd. asc.
6 und 36, und zwar entspricht cod. 6 hl. 1^ — 2^ dem text bei
Wackernagel Altd. pred. s. 598 f, cod. 36 hl. 98^—99' den eben-
dort angegebenen Varianten aus der Strafsb. hs. über den mysti-
schen grundgedanken vom leiden, vgl. meine anm. zu H(argaretha)
E(bner) 2, 20 f. im cod. 36 bl. 99^" schliefst unmittelbar an die
Worte des fünften lesemeisters folgendes an: und do von Mllen
wir If'dm gern eren, wann liden verdilgei vil sundm an dem
menschen, b'den bereidet den memchen zue sunderlicher heiUge-
keit. liden makt den menschen im selber bdcant und andern Indem,
in liden won^ got bi den luden, liden manigfeUiget den Ion in
himmelrich, liden bewert die dogent an dem menschen als davs
goU in dem füre, in li{99^)den dringet got in die sele und dreit
die bürden an dem groszesten deile, liden widerbringet etwaz ver-
lorner zit. liden setzet den menschen in ein unsch&ldig Men,
liden manigfeltigt die tugent an dem menschen, liden dordi(foUet
ausge8trichen)u&e/ den lip, daz er müsz dem geist gehorsam sin.
liden mäht den menschen einen toirdigen diener godes. mit liden
gilt man nnserm herren sins lidens. hierauf zwei Zeilen leer.
liden ist ein gäbe die got einen aüer liebsten (runden mit deilet,
in liden kfset sich got aUer gemst finden, liden machet den men--
sehen wirdig aUes dez gudes daz (100*) got dut sinen linsten
fmnden in himmd und in erden, liden setzet den menschen in
glichnifse unsere herren. liden ist der aller (schierste am rande
von gleicher band gebessert in) sicherste weg zu der ewigen seit-
keit. liden ist als edel daz got nit anders dar umb wil geben dan
sich selber, sint liden so grofsen notze im selber bringet, war umb
mögen wir dann so wenig geliden? daz ist druwer dinge schalt,
daz ein ist, daz wir selten minne zue gode han und han grofse
minne zue uns selber, daz ander ist, daz wir selten betrahten die
grofsen borden die er dorch uns getragen hat. daz dritte ist, daz
wir selten bedrahten den grofsen lone und die sdikeit, die uns umb
liden wird, min in lüterkeit und (100**) wir ff dine sorge in got
und wifs wise mit werten und mit wercken, die menschen die da
demudig sint mit gotlicher gnaden, die hant sehe dinge an in. daz
erst : sie sint ledig dirre dinge, daz ander : sie schaSiwent in den
Spiegel der gotheit. daz dritte : wie arm sie sint, sie begerent noch
armer zue werden, daz vierde : sie scheneken sich in die gude do
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PRBGBR DEUTSGBB BIT8TIK II 133
got 6t tsT. da% fünfte : sie geiU gerne umb mit armm luden, daz
sAste : sie lobent got mit beden, mit fassten, mit wachen vor ander
Inde. so kan nieman wifsen wie diese lüde sin, amen, — s. 137
a. 1. über die poetische form des tractates Von dem überschalle
(Myst. 2, 516) vgl. auch Franz Kern Joh. Schefflers Cherub, wan-
dersmann (1866) s. 131 ff. — s. 138 a. vgl. Germ. 15, 97. Jundt
Histoire du panth^isme 281 f. — s. 138. über die dem Tauler
mit unrecht zugeschriebenen cantilenen vgl. die litteraturangaben
bei Koberstein 1% 348, 15. — s. 142. das lied ich wil von der
minne singen findet sich gedruckt bei Jundt Histoire 283 f. —
8. 162. zu Giselhers ansieht über den wert der Visionen vgl.
Anz. vm 7 und die auseinandersetzungen des Eckhart Ruhe (Preger
2, 171. 466. 467).
Den vierten abschnitt über Einzelne lehren der neueren
schule (s. 178 — 246) übergehe ich aus bereits angegebenen
gründen.
Der fünfte abschnitt (s. 247 ff) ist dem Mystischen leben in
der ersten halfte des 14jhs. gewidmet, als quellen kommen in
betracht die auf^eichnungen der Christina und Margaretha Ebner,
die briefe Heinrichs von Nordlingen und die Schriften des Joh.
Heyer von Zürich, erstere darf nach Pregers auseinandersetzungen
s. 248 f jetzt sicher als Verfasserin des büchleins Von der gnaden
überlast angesehen werden, vgl. Hist.-pol. blatter 70, 898, sodann
Denifle im Anz. v 261. wegen der hslichen Überlieferung von
Christinas Offenbarungen s. noch meine ME s. xvi a. 2. für
Joh. Heyer hat Preger, wie bereits Denifle DLZ 1882 sp. 202
bemerkte, leider Künigs Studien im 12 und 13 bände des Frei-
burger diOcesan-archives übersehen, desgleichen die ebenda im
13 bände edierte Chronik der Anna von Munzingen, auf die ich
Anz. vn 96 hinwies, für Unterlinden wäre vielleicht noch einzu-
sehen der Wolfenbüttler cod. extr. 164. 1. in 4^ (papierbs. des
15 jhs.), der nach Mone Quellensammlung der badischen landes-
gescb. 3, 442 die stiftungsgeschichte mit allen Visionen der
dortigen klosterfrauen enthalten soll, über die Visionen der
dominikanerinnen zu Wiler bei Esslingen besitzt Denifle eine hs.
(Anz. V 260); der cgm. 750 bandelt bl. 59 — 76 gleichfalls von
dortigen heiligen Schwestern, die briefe und lehren des bruder
Gerbart, des einsiedlers von Rappoltsweiler, an Luitgart von Wit-
tichen in einer Berliner hs. (Jundt Amis de dieu s. 36 n.) sind,
wenn ich mich recht erinhere, wenig umfangreich und inhaltlich
unbedeutend, neuerdings hat Birlinger Alemannia 9, 275 ff. 10,
81 ff. 128 ff [vgl. Germ. 25, 490, 887. 27, 486, 1089] das leben
der 8. klausnerin Elisabeth von Reute ediert, das aber erst für
die spätere zeit — sie wurde 1386 geboren — in betracht
kommt, desgleichen fällt die Villinger chronik (ed. Glatz, Stuttg.
1881) spater; zu letzterer vgl. noch Greith Die deutsche mystik
8. 277 ff.
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134 PREGER DBÜT8CHB MYSTIK II
Auf einige allgemeine bemerkungen über das vUionSre leben
in den frauenklOstern lässt Preger dann einzelne lebensbilder be-
gnadeter frauen folgen, aus Töss (über das visionäre leben der
dortigen Schwestern Tgl. jetzt FVetter Ein mystikerpar des 14 jhs.,
Basel 1882, s. \2B) werden uns JUUi Scbultbeifs (Ober sie vgl.
auch Greitb Die d. mystik s. 428) und Elsbeth Stagel (vgl. De-
oifle Seuse 1, xvii und FVetter aao. s. 10 f. 52), aus SKatbarinen-
thal Anna von Ramswag, aus Öttenbach Elisabeth von Beggen-
hofen, Ida von Hutwyl (zu dem von ihr erzählten vgl. meine
anm. zu HE 90, 1 ff)i Elisabeth Eyke (der sdUig maister Eckharttts
der hat sun^der andockt und götUehe haimliAait suo Elisabeth von
Eige, Oberlinger bs. 1894/267), aus Unterlinden Katbarina von
Gebweiler (vgl. anm. zu HvN xl 71) vorgeführt, aus Adelbausen
bei Freiburg hätte Preger noch Elsbeth von Neustadt nennen
sollen , bei der sich alle anklänge an die deutsche mystik finden
(vgl. Denifle in den Hist. -pol. blättern 75, 771); ihre lebensge-
schichte lag schon vor Königs publication der chronik der Anna
von Hunzingen (s. s. 49 ff im Separatabdruck) gedruckt vor.
Zu diesen klöstern Alemanniens, specieller der nördlichen
Schweiz gesellt sich das fränkische Engelthal, wo Christina Ebner
(1277—1356) und Adelheid Langmann (f 1375) wttrkten, und
das schwäbische Medingen mit Margaretha Ebner (c. 1291 — 1351).
betreffs der letzteren und ihres beicbtigers Heinrich von NOrd-
lingen sowie der Verbindung der gottesfreunde und ihres Ver-
hältnisses zu den fragen der zeit darf ich jetzt auf meine schrift
über HE und HvN verweisen, ich freue mich, constatieren zu
können dass ich mit Preger in vielen puncten übereinstimme,
und nur das beklage ich dass, wie schon bemerkt, trotz DeniOes
überzeugender Widerlegung im Anz. v 265 f Preger auch jetzt n^db
(8. 115. 281. 291) seine falschen ansichten über Taulers be-
ziehungen zu Margaretha Ebner und kaiser Ludwig wider vor-
trägt (vgl. meine anm. zu HE 148, 13 ff). — aus der s. 276 )>e-
merkten ähnlicbkeit von Adelheid Langmann 26, 14 ff. 27, 15 ff
mit Mechthild von Magdeburg i c. 44 mochte ich lieber nichts
schliefsen. im Fronleichnam des mOnches von Heilsbronn (Merz-
dorf s. 15) begegnet der ausdruck wörtlich wider; es wird also
ein citat sein, vermutlich einem commentar zum Hohen liede
entnommen, vgl. auch Hyst. 2, 464, 27.
Da den Offenbarungen der Christina Ebner schwerlich nach
Lochners schrift — die Preger übrigens nur s. 248 vorübergehend
nennt — und Pregers chai^acteristik (s. 269 ff) noch einmal eine
eingehende behandinng zu teil werden dürfte, so sei es eriaiÄt,
aus meinen auszügen noch folgendes zur ergänzung mitzuteilen.
Christinas beichtiger in den jähren 1317 — 1324, den dominikaner
Konrad von Füfsen, nennt auch das bttchlein Von der gnaden
überlast (GU) 38, 1. — aufser dem priorinnenamt , das Christina
im jähre 1345 inne hatte (E[bnersche bs. 90]28\ S[tuttgarter
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PRBGBR DEOTSGHK MYSTIK II 135
bs.] 45*), bekleidete sie zeitweise auch das amt eioer werk-
meisterin (E 89, 77^. S 102*) und einer portneria (wann m war
gemessen an der porten E 89, 36\ vgl. auch E 89, 91^ und da sie
sdUgm tag eppi$in(?) oder portnerin war, E 89, 73^. S 99*" sie
sprkht auch, dass sie von dem jähr her da sie gehorsam Aät und
hey etlichen anUen gewesen ist und sie doch nie keine tag so gern
hau als die 14 tag, da war sie gern portnerin, dass sie fragen
konni von des capeUans sUchthum usw.). durch göttliche ein-
gäbe wollte sie einst des werkamtes entsetzt werden, weil ez ir
also geoffent was, sedann daz siu betrübt was worden von der
priorin, da% siu ir verweisz daz si ir an dem ampt nicht het zue
gdegt, wann si het nach der swester nucz an dem ampt geworcht
ak verre sie macht S 105^. aus ihrem 31 jähre (1308) wird er-
zähli, sie habe sich mit krieg dem siechamte widersetzt, und ward
sei» erledigt E 89, 73^. — gegen Weinhold Lamprecht von Regens-
burg 8. 305 glaube ich mit Preger (s. 26 n.) dass mit der von
Christina erwähnten Tochter Sion das kürzere alemannische ge-
dieht gemeint ist. auf die worte do stet wol an vom spigil folgt
in den Offenbarungen (Ell*. S 42*): daz fugt sich an unser
frmoen tag fuaivitas octava (1344), daz der mensch under der
messe von im selber kam, daz m unser frau erschein sitzent in
em uumezzen (11^) schön gesidd. daz was gezirt mit Umierm
golde und mit edebn gesteint si het kein mantei an und het eust
schonez gwant an, ein vierekoths gUldeins plech bedeckt vom aU
vre pmst. in daz was gesmeUzt di aUerwünneclichst gezirde, di
iMW über alle menschlich sinne, ^md stunt dor innen geschriben
mü giUdein krönten puchstaben: Caritas det do wart dem men-
schen %u versten geben, daz si an der hohsten siafdn der minn
were. und was wol in der gestak umb vier und dreissig jar. und
stuni zu irrer rdUen hant ir sun, unser herre Jesus Christus und
was so wünnecliche schöne, daz was über aüe menschlich sinne, und
MMW wol umb ahzehen jar oder zweifUzig und het ein Uhten viol-
{I2*)vürben rok an und het ein gezirde vom an imas sein mueter
denn daz ez ferre schöner was und dor innen stunt geschriben mit
krönten zirlichen puechstaben: ein herscher himelreichs und ertrichs.
do der mensche also in den freuden stunt, do körnen drei prister
ganzen, di truegen ir igUcher ein diken perillos, ein sinweln in
der breit als ein mezzigpecher ist. do stuent in eim geschriben
di gebe gots und in dem andern sein heilikeit und in dem dritten
ein künftigez gutez leben, donoch ging gemeinclichen aller con-
vesU hin für und trueg ieder menüh ein periUos. do stunt at^
geschriben waz got aller pest an im geviel, und doch las ich ir
kemm zehen, an einer stunt ir lange pein und in einer (12^) ir
kmger gots dinst und in einer menge der tugent und in einer ge-
horsam und an einer andaht und an einer reinikeit und gsdiäii--
keü und gelaub und treu, und an einer sneUe andcdu, und an einer
milie, daz si vre guetet teilt mit lebendingen und mit toten, nu
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136 PRBGER DEUTSCHE MYSTIK II
gedaht dt swester hinder sich, daz dax di stimme bedeutet hit mh
dem spigil — folgende namen im bUchlein GU begegneo aoch
in den Offenbarungen : Elisabeth di alt van Regen^rch S 77'
vgl. GU 42, 13. im jabre 1324 stirbt Anna von Witmastarf (E 89:
Witnastorf) S 77^ vgl. Anna von Weiterstorf GU 26, 35. (des
Schreibers der Offenbarungen) swester Gerdrut Krumsüm E 89, 53*.
S 91^ vgl. swester Gerdrut E 89, 73^ S 99^ mit GU 42,20. von
Schwester Demut von Nürnberg berichten die Offenbarungen (E 89,
82^ 83*. S 106') ganz dasselbe wie GU 23, 3 ff. von den 23, tl
erwähnten Schwestern wird hier Schwester Gutte (vgl. GU 24, 5.
33. 25, 33) mit namen genannt, der caplan Friedrich (GU 15,
22. 40, 24 ff) erscheint in den Offenbarungen S 113^ gelegentlidi
einer Verdeutschung des Ave praeclara maris Stella : ir ward oek
geben von der warheit von dem wart tortuosum, daz ir der caplan
Fridericus bedeut knödocht, daz der bös geist den hüten einirikt
etwen bösiu ding für gutiu oder gutiu, daz bösiu darnach giengei^,
darumb sei er geheissen der knödocht. E 89, 92*. S 116* spricht
caplan Friedrich messe zu Offenhausen (unweit AltdorO« — er-
wähnt seien schliefslich noch einige stellen, die inhaltlich interes-
sant sind, damadi kam sie (Christina) an ir pet und hört den
jungen kaplan einen brief lesen (lesen enpNS): ir must zinsgüUig
werden gen Eistet, seczt ir euch daran wider, da sint zwenzig
richter über geseczt. der ein richtet der muz gelten alz daz gut
daz verzert ist uf daz heilig kreutz. der ander ridUer der mttss
nemen den silbrin engel, der do gemacht ist zu dem heiltum, und
muos dem abbrechen die vetichen. dar nach nimt der drit
richter und zerlet den engel alliu siniu lit. dennoch waren (kr
richter sibenzehen, der ieglicher ein stmder ampt het ze tund. und
ze jungst hört si: ditz ding ist nit izunt erdacht, e» ist geordent
in der zit, die zit rechent sie uz bei babn Bonifadus ziten S 125*.
E 89, 60^. — Christina sieht einst einen wonniglichen garten.
darin erblickt sie drei klosterschwestem. umb den garten gieng
ein Umgang, der was unmassen hoch und gieng weder tur nod
venster darein, sie kund nicht ertrachten, welcherlei der Umgang
wer. nu was si uf einer hoch, von der sach sie in den garten und
gedacht ir: es ist leicht daz irdisch paradise, da von daz ex so
umnnedich und so schön dar inn was. da ward ir in der war-
heit ze verstend geben, ez wer ein bedeutnufs des himelrichs, nun
ward ir ze verstend geben in dem geist, ez macht nieman dar ein
kamen denn nü mit grossen angsten und nöten oder von den gnaden
gotes. daz verstund sie uf die minn, wem er die minn gab, daz
der lichtidich ze himd körn, nun sach sie ir sweeter ein, diu
hiesz Elspet von Sachsenkel (vgl. Sachsencham GU 28, 30), dar ein
gen. wie aber diu dar ein kom, des weisz siu nicht, dar nach
sach stti ein, diu hies Wilburg (WaUmrga E). diu elam uf an
einer laiter an dem umgang und het nahen das halbe teil ehtmen.
darnach sach siu da die dritten, diu hies Uildgart. diu ward dar
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PRB6BR DEUTSCHE MYSTIK U 137
ein gewarffm in einem wintrad mit üil grossen angsten und noten,
wann sie ward vil Mn und her geworfen dar inn, e da» sie in
den garten kern, ^oen daz ir da% haupt nider kert ward in dem
wintrad. nun sack sie da» mii grossem jamer und gedacht: waz?
»ol idi mit so grossen angsten und nöten dar ein kamen, so wurd
ich UdU verzagen, und do sie aha in den sorgen was, do kom
sie in ein ougenplick och in den garten on all arbeit von den
gnaden gots. dis» swester lebten dennoch all und hernach starb
ie eins nach der andern und diu erst h^ man dafür von vil dings,
daz dm on underlasz zum himel wer komen. die andern het ge-
dagen das bariisz vor etwi lang des seiben siediiagen huncz an
iren tod. aber diu drit lag Hwo vil wodun vor vrem tod mit vil
grossen smerzen des leibes und och mit vil grosser pinkeit des ge-
mMtes von manigerlei b^rubnu/s und starb also dar mti. aW
tr setbs leben stat noch m der parmherzikeit gotes [daz dir gart
lag einhaü des siechhausz und daz siedkhaufs in der midi lag fehlt E].
tr ward in der warheit ze verstend geben, daz nieman «u den
ewigen fröuden kofnen mag, er miuss vor den tod liden S 108*.
E 89, 85^. — Christina fühlte sich mit gott tereint , sobald sie
bei ihrem Schreiber und beichtiger gewesen war. es beifst: wenn
sie eiwen eins dinges nicht gedacht und so der mensch zu.ir kom,
der düru ding von erst schritt, daz sie dann sin gedaeht und dar
nadk aber wider vergass, daz sie sin nimmer me gedacht. üarQber
wundert sich aach der Schreiber ganz besonders, S 1 13*. — die
sei lagen in der hitz (des fegfeuers) und waren geprest über an-
ander recht als die häring S 118^. — es war ein abt in einem
weifsen klarer, der wurd abtrünnig und gieng hin und mit einer
frauen aus demselben erden, (E 89, 89^) und noch ander frauen aus
demsMen dosier giengen auch mit ihm und kamen gen Neigarten.
das war ein kirchlein, da unser Ud>en frauen brüder waren ge-
sessen (am rande mit bleistift: CarmeUter), und liefsen sich da
nieder und der herr spraeh mess und begiengen sich des nutzens
und audi das sie mit aus dem doster hätten mitgdnracht, und gaben
ams, sie wären von einem doster, das verdorben war. da zu reden
etlkhe leuth wol, etliche übel, und war grofse ärgerung in dem
land von ihnen, in der nacht, da er schier Herben soUt, da ward
ein stimme geh&rt zu Engelthal in dem dormitorio überlaut: die
sprach: mein esel der wiü Herben, die frauen wüstens nicht, was
es bedeut, aber sie besunnen atcfc hernach, da sie erfahren, dass es
um dieselbe zeit war, da er Herben soüt, dass der selbig damit ge-
sneint war. er starb und ward begraben zu Engdthal. es gesdiod^
kürzlich darnach, da Christina war in dem 16 jähr (1293), da
kam er XU ihr ganz scheinbarUA und brennete, dass redu flammen
aus ihm sddugm als aus einem gepichten fass, dass man kaum
nein gestalt sehen möcht von den flamm des feuere, da beschwur
sie Am bei der crafft gottes und bei dem jüngstm gericht, dass er
ihr sag, wer er war. da nannte er seinm namm und saget, wer
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138 PBEGER DEUTSCHE MYSTIK II
er war, da fragt sie ihn, wie er sick gehabe, da sprach er: ick
leide aÜe die pein, die ein abtrünruger müneh leidem soU und vim
den warten, da ich mein leumund nidu hinter mich häii grosse»,
da wollt ich nnhilliche ding darum thun. die wort wurden er-
läutert nach seinem tode, dann man darnach forsche und es offen-
bar wurd. da fragt sie: seid ihr aber be{90*)halten wum ewigen
leben? da sprach er: jal ich komm von zweien diengen, da euer
capeUan über mich kam, da gewann ich grofse reu und thäie ihm
ein ganze vollkommene beicht. das weitere bei Lochner s. 14.
Das zweite buch (s. 309 — 415) dieses baodes — ich fasse
mich von nun an bei der besprechang kürzer — ist ausscUiefs-
lieh Heinrich Seuse gewidmet, es behandelt seine Schriften, sein
leben, seine lehre, bezüglich der Schriften Seuses widerbolt Preger
im wesentlichen die resultate seiner früheren Untersuchungen, die
bekanntlich von Denifle im 19 und 21 bände der Zs. und io der
einleitung zu Seuses deutschen Schriften i angefochten worden sind,
des letzteren ^nwände haben aber Preger nur in seinen eigenen
ansiehten zu bestärken vermocht und auch Denifles Letztes woit
hat ihn nicht von der Unsicherheit und gewagtheit seiner argu-
mente überzeugen können, es ist nicht meine absieht, hier in
die schwierigen fragen, die sich betreffs der hss. an Seuses
exemplar, insbesondere an die Vita und die Briefbttcher knüpfen,
einzutreten; das würde den räum einer besprechung weit über-
schreiten, schwierig sind diese fragen auf jeden fall und ich
kann nur so viel sagen, dass nach widerhoUer sorgfältiger er-
wägung mir Denifles auseinandersetzungen mehr glaubhaftigkeit für
sich zu haben scheinen als diejenigen Pregers. zu völliger ktarheit
freilich habe ich bis jetzt nicht durchdringen können, dazu be-
darf es personlicher einsieht in das gesamnte, ziemlich verzweigte
hsliche material, dazu bedarf es, zu der Überzeugung komme ich
immer mehr, trotz Denifles trefflicher erneuung einer verOff(Mit-
lichung des textes in der Ursprache, mochte doch die Bibliothek
älterer Schriftwerke der deutschen Schweiz und ihres grenzgebietes
in ihrer absieht, diese lohnende aufgäbe zu lOsen, nicht wankend
werden, wie es leider den anschein hat (vgl. FVetter Ein mystiker-
par des 14 jhs. s. 50)1 vielleicht entschlösse sich Denifle noch
am ehesten, den urtext mit vollständiger Variantenangabe und ge-
nauer beschreibung der hss. kritisch zu edieren.
Die hss. der Vita — nur das sei hier mit ein par werten
berührt — zerfallen in zwei classen; die eine wird einsig ver-
treten durch den cgm. 362, die andere durch mehrere hss., unter
denen die Strafsburger voransteht. Denifle hält die durch die
Stnifsburger hs. repräsentierte classe für die von Seuse vorge*
nommene letzte redaction, Preger den cgm. 362. indem ieb
Denifles bemerkungen in der Zs. 19 und 21 im grofsen ganieo
beipflichte, erlaube ich mir gegen Preger, der hier wie Öfter zu
viel beweisen will, folgende jedoch nicht erschöpfende erwägungen.
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PRBGER DE0T8CHK MYSTIK U 139
der Schreiber des cgm. 362 hat die Vita — Dar diese hat er al>-
geschriebea — einem exemplar Seuses entDonunen, desseo (neues
dh. gekttrztes) briefbuch die erztthlung von der yerehrung «des
nameDs Jesu und den morgengrufs enthielt, letstere zusätse hatte
Seuse nur zu ^etlichen neuen briefbtichlein' gemacht, das von
ihm für sein Sammelwerk, das exemplar, bestimmte briefbuch ent*
hielt diese zusStze nicht, mithin kann cgm. 362 nicht auf Seuses
letzte redaction zurückgehen, die von Preger aus cap. 6 und 48
(Diepenbrock 49) ausgehobenen lesarten (s. 31 1), die sich nur im
cgm. 362 finden, sind mithin zustttze des Schreibers der vorläge
jenes codex, weil der Schreiber nicht das briefbttchlein des
exeraplares, sondern jenes mit den Zusätzen aufnahm (Denifle
Sense 1, 623 f), fügte er in cap. 48 (Seuse 1, 223) die worte
101« Hfl dem nmm brießüdUein, da» hier xuhifUerst auch $uht,
eigentUck ist geechrieben hinzu (vgl. auch Zs. 21, 137), und aus
denselben gründe setzte er cap. 6 an stelle der ^etlichen neuen
briefbüchlein' das 'nachgehende (dh. weiter unten folgende) brief-
bücblein' ein. — die bemerkungen über die abweicbungen des
cgm. 362 in cap. 24 (s. 313) sind gleichfalls nicht beweiskräftig,
mit derartigen mOglichkeiten schiefsen wir ttbers ziel hinaus und
▼erwirren nur einander, wie Sense gewisser rOcksichten wegen
den namen der gottesfreundin Anna bei einer zweiten redaction
weglassen, ein par visionsgesebichten tilgen konnte, weil ähn-
liches sonst schon in der Vita vorkam, ebenso gut konnte er
eicb aus irgend welchem gründe später veranlasst fahlen, den
naoien jener gottesfreundin einzufügen und bei dieser gelegenheit
eine andere gleichfalls jene Anna berührende geschichte nach-
zutragen, die dann durch das darin erwähnte gleichnis von den
rosen abermals eine visionäre erzählung nach sich zog. — auch
aus den Varianten zu cap. 40 (s. 314 fi) ergibt sich für Preger
nichts sicheres, falls Pr. nur nicht in den text hinein inter-
pretiert, wird er es gelten lassen müssen, wenn ich von Denifles
standpunct aus, den, weil er aus einer umfassenderen kenntnis
der hss. gewonnen ist, auch ich verfechte, annehme dass Seuse
später an stelle der lesart von cgm. 362 die poetischere weil in
ein bild und in ein gesiebt gekleidete fassung der anderen hss.
treten liefs. diese annähme wird noch durch folgende erwägung
glaubbafler. cap. 39 und 40 sind ursprünglich ein brief Seuses
ao Elsbeth Stagel. Seuse 1, 167 heifst es, Seuse habe seiner
geistlichen tochter lange zeit nichts entboten, da schrieb sie ihm
einen brief. — und er sdirieb ihr dbo usw. und erst s. 191 heifst
es als eingang des 41 cap.: während dem die geistliche tochter
das vordere kügliche kiden las usw. seinem beichtkinde hatte
Seuse in trockenen Worten geschrieben dass auch der ordens-
general und der provinzial ihn unschuldig befunden hätten ^ ; als
* der brief braucht gar nicht eiomtl duKh Elsbeth Stagel oder später
durch Sease von der ersten in die dritte person abgeändert su sein, der
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140 PREGER DEUTSCHE MY8TIS II
er später sein exemplar für die OffeDtlichkeit redigierte« stellte er
die meiDem geschmack nach weit anziehendere lesart (Preger
spricht freilich s. 316 von 'ein par ganz unbedeutenden stellen')
her, die nun in der Strafsburger und den anderen hss. uns vor^
liegt und die inhaltlieh nicht mehr noch weniger enthält als was
wir im cgm. 362 lesen , dass nämlich Seuses ruf widerberge-
stellt wurde, die Schuldlosigkeit Seuses ist ja überhaupt not-
wendige Voraussetzung der ganzen geschichte; wie würde er sie
sonst erzählt haben I Zeitgenossen wie Heinrich von Nordliogen
mochten an die Verleumdung glauben, der nachweit aber, an die
Seuse doch gewis auch dachte, als er um 1362 sein exemplar
redigierte, brauchte er nur biidlich anzudeuten ^dass sich dies un-
geheuere Wetter des leidens gar gnädigiich niederUefs und zer-
gieng\ dass die Wahrheit den sieg behielt ähnlich schon De-
nifle Zs. 21, 130 f. — der erste abschnitt von cap. 29, der im
cgm. 362 fehlt, ist für keine von beiden ansiebten beweisend,
weiches werk unter dem ^neuen bücblein' zu verstehen ist, ob das
Büchlein der Wahrheit (Preger s. 317 glaubt dies 'ohne allen zweifeF)
oder das Büchlein der ewigen Weisheit (Denifle Seuse 1, 117),
lasse ich hier absichtlich unentschieden, desgleichen übergehe ich
die wichtige theologische controverse betreffs cap. 54 (Diepenbrock
55), auf die Denifle demnächst noch näher einzugehen gedenkt.
Ich habe den cgm. 362 hier durch bekannte und oft er-
probte gute in mufse benutzen können, er ist von 6iner band
am ende des 14 oder anfang des 15 jhs. geschrieben; gelegentlich
sind ausgelassene worte .mit roter tinte nachgetragen, bl. 1 be-
ginnt assit frincifio sFa maiia mto. oben am rande desselben
Mattes steht Ite der wnder sves, unten das bieh von dem dmer
de(r ewtg)m whzhayt Atnen, bl. 73* unten ich han dm syssen
lieb von hertzen. die folgenden Varianten teile ich nur mit, um
anderen, wenigstens so lange kein urtext gedruckt vorliegt, die
mühe nochmaliger vergleichung zu ersparen, alles wesentlidie
hat schon Denifle in seiner ausgäbe unter dem texte — dies gilt
namentlich für die letzten durch ihre lehre wichtigen capitel der
Vita — und in den Zusätzen und berichtigungen s. 635 ff ange-
merkt und ich kann es deshalb bei folgenden nachtragen be-
wenden lassen, letztere zeigen dass dem Schreiber doch auch
manche flüchtigkeiten und misverständnisse mit untergelaufen sind.
13, 8 die gar muhselig und] der ain vil erber seliger. 13, 11
enger. 13, 19 that] tut, 14, 7 haimeiieher. 14,11 in
ihrer Person von ihm fehlt 14, 22 vngemugd. 15, 18 Hinder-
nisz] mittel. 17, 18 vnred. 17, 22 derselben] ir. 19, 5
daz er nit u>. 20, 2 geistliche f. 20, 5. 12. 17 minnecUd^
s. 167 beginnende brief Seuses geht schon sehr bald von der ersten peraon
in die dritte über, vgl Seuse 1, 167, 23. 24 ich. 168, 10 demdiener. 168, H
der diener usw.
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PRBGER DBOTSCHK MTSTiR II 141
21, 5 der min dilai kosen. 21, 7 Seknmckt] diend. 21, 22
Kraft] tugmit. 21, 23 5te madit — 25 Schaaren steht nach 26
Mensdien. 21, 24 f und gewährt ihm f. 22, 13 werth] wah.
22, 14 hung' mal 23, 10 ihnen] im. 23, 13 der edle Weih-
rauch] der höh linbom. 23, 21 Waffen t. 24, 20 freundlich]
laeheklich. 25, 14 [sagen oder] singen oder süeziu saitenspil er-
klingen oder von zitlichem lieh hört sagen ald singen. 25, 25
Ueplichen. 26, 4 u>art s. hertz, 26, 10 durch dich und f.
27, 5 r stach den griffet da mit in. 27, 9 u>iel 27, 16 einige]
ewigii. 29, 2 mit dem — 3 reizet f. 30, 11 an dem nach-
gefideti br. 31, 8 herab] vber al. 31, 13 vert — vmbvaht.
31, 14 muh schlisset. 33, 8 ainikait. 33, 9 [von] der [eungen].
35, 13 h'zen ausgestricheo , darunter kerzen. 36, 4 f gab
ihm Gott] gewan. 36, 14 ßcrer. 36, 16 Klarheit] gfmlich.
37, 4 sich stiU in eine [stille]. 37, 25 vor naiswie in. 38, 9
milcklich. 38, 12 gemassen usw. 39, 2 volliglich f. 41, 28
und meinet f. 42, 2 Erbarmens] guti. 42, 26 f inrlichen.
43, 28 «nd es war seine Meinung f. 44, 19 aW gutwillig'.
46, 19 alle f. 47, 5 schmdlichen f. 47, 9 des ersten f. 47, 21
in dem selben anvehtende z. 48, 28 zainli. 48, 30 Der Jung-
ling f. 50, 13 allen f. 53, 22 liezewon er reht an im must
hin gan. 53, 23 t ah ob — hingehn f. 54, 2 [herzen] l.
54, 5 mät. 56,3 herzlichen f. 56, 12 AfiiMer] «wos/er. 57, 22
Urlaub f. 57,23 vwlidetOraif brach. 58, 12 I«i5 f. 58, 26
von dem Gehen f. 58, 27 Leser] idss' -» aderlasser. 59, 16
Ruhe] underlibi. 59, 20 marchschlossen. 61, 6 h'zen. 62, 18
der Äerr f. 65, 2 grausam] flaisehlich. 65, 21 ofa vas^ ^ro-
phend w. 67, 18 (fem bein. 67, 22 srm^/ä. 67, 23 schwach] od.
67, 24 Strengheü — 25 iVo/A f. 70, 4 a/i die Hdwde f.
71, 17 at« f^adU f. 71, 20 gda$. 72, 29 orme f. 73, 30
der] min. 74, 4 geistlicher t. 74, 25 liez. 74, 27 in dein
Gesichte] wdrlich. 74, 28 der Wahrheit f. 75, 5 loe^ dteaer
himmlischen Gabe steht, falls ich aufmerksam verglichen habe,
doch im cgm. 362 (gegen Denifle Seuse 1, 637). 75, 13 Worte f.
75, 15 und bat f. 76, 1 den. 76, 14 minnzeichen. 76, 17
aus ihm f. 77, 20 vernünftig. 78, 6 engen notstal. 78, 16
tmfner — sey es] im got ist. 80, 5 v'mutü. 80, 7 überhaupt]
ehellich. 81, 3 zierliche] klug. 82, 29 bloszlichen] kerlichen
(7 Tgl. zu 87, 24). nach 87, 11 nenes capitel: wie er sich ainig
Meli. 87, 24 bdrlichü. 92, 2 heilsame Hülfe] behutfenhait.
92, 10 ff am — gotesfriint [die — Tochter] do der w. 95, 5 ÄtJf-
xin h. 95, 20 da« gr. mord. 99, 12 6er^. 100, 2 aje. 100, 3
solches — 5 rt«n f. 100, 5 von f. 100, 13 tusent. 100, 17
t^'henge. 100, 18 eiicÄ] in. 100, 19 euch] im. 100, 26 f
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142 PRE6BH DBOTSCBB NTSTIfi U
mit zwain jungen toden der die, 101, 19 armen' f. 102, 12
gusswass'. 104, 2 dis mort. 104, 7 f [die] arm mu$ bin,
104, 16 nach retht uw*n (lies uw*ü) sunden w. 105, 1 lasier-
bernden s. 105, 24 an — 25 vergeben f. 107, 6 mit 9iA f.
107, 17 f Händlern] gut gewinnem. 108, 17 auch] vch,
lies euch. 109, 22 nach gefangnisz: dis zoh sich wol vff den
tag vnd, 110, 17 gdcammen f. 110, 22 tala, 111, 18 tl6er
dz wang vn. 115, 28 vorwärts f. 116, 14 f und sein gamsur
Leib f. 117, 26 f sine vndanks. 118, 8 von grossem fr.
120, 11 Gelobt — 13 sprach steht nach 14 wohl 121, 14 noch
verbunden f. 121, 15 herhaü. 122, 21 von — 23 dir f.
123,23 lernen] liden. 124, 13 durch. Gott f. 125,27 du
get^we. 126, 1 ff gutherzigen menschen, du — pflegte, dtt — und
si — hatte, die luffen — und griffen — daz si markden, 126, 6
sunken si, 126, 7 hob] ir atni/. 128, 1 in deine Hände f.
128, 12 klare f. 128, 26 mit Treue f. 129, 24 wir arbeit
seligü lidedü m, 130, 15 in minem getiht, 131, 10 armer
lidend' d. 132, 13 schdnen f. 132, 23 { O weh — Herr Herr f.
132, 25 liden noch schuld, 133, 15 hin f. 134, 15 freuten
in got. 135, 7 sprang er auf und f. 136, 9 weg vh dingen,
137, 4 ewigen f. 137,6 Güte, vgl. Denifle 1, 639] gunlichi, vgl,
zu 36, 16. 141, 1 ander t, dez. 142, 19 vbige wise. 143, 16
V, hohen s. 145, 8 venix, 145, 9 m dem Neste L 145, 10
väterlicher] natvlich', 145, 12 durstige, 148, 20 allmächtigen]
tugenthaften. 150, 26 und Apostel t. 158, 6 der atn wundrer.
158 n. 3. 4 nicht in cgm. 362. 159, 15 ain siecher dürftig, wie in
der Breslauer hs. (Denifle 1, 639). 161, 25 f und mein Mund f.
167, 3 rubobli, 167, 4 raym. 168, 13 geistlichen f. 168, 14
ihre] ain' geistliche. 172, 18 wozu — Märtyrern f. 174, 6 ab-
listig, 1 78, 25 andern vfid won mir der lieb ist so must och du min
liebz kindlin sin vgl. 179, 10 f. 180, 7 bederbklich. 180, 22 f
beschalken. 183,20 mar*«*. \S*S,2T [Klag]worten. 184, 8 f
sondern erkannte f. 184, 14 der Herr L 185, 14 damals f.
181, 2f verdorben. 188, 7 wird euch] dawil ich veh. 188, 19
ttam er. der ewige f. 189, 6 da «r starb f. 189, 9 wis tf.
und in der bis d. m. 190, 23 [Nieder]schlag. 191, 4 klda-
liehe f. 196, 26 wirret (Denifle 1, 640). 198,3 hatte der Ms
wirdif waz. 201, 4 und Winsen] fiinf wie, 202, 11 «wd
tiehmet auch hervor f. 203, 2 erzaige vn z. E. g. 209, 8
Aet%j jo/ltcA. 209, 20 schmachtetid] serwend 210, 5 stiUen]
kar. 210, 20 frommen] gotliche, 2 12, 10 f und lAn bai, dasz —
lehrte f. 212,21 [Gottes] fremde, 213,8 künftiges f. 214, 27
arm« f. 220, 17 der Diener] er. 223, 14 grosze f. 223, 26
solchen [str, Uebungen und mit], 225, 7 Menschen f. 226, 19
und AeuMiAruny f. 231, 9 gotloser, 231, 12f >a — seyen f.
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PUBOBB DKimCHE 1IT8TIK II 143
231 D. 1 I» itrm^. 233 d. 2 hmiM. 239 d. 8 v'rwim.
261 D. 7 Diehi wa sondoti (far. 271, 2 f a« rande M^mosf.
GegeBObm* den datieninfsverMichen, die Preger 8. 323 ff k«^
treflb des Horoiogium aeternae sapientiae und der Büchlein der
ewigen Weisheit ui^d Wahrheit anstellt, verhalte ich mich einst-
weilen skeptisch. DeniOe fand neuerdings in Rom wichtiges
material fttr Seuses lebensverhältnisse, wodurch manche der Pre-
gerischen hypothesen sich als unhaltbar erweisen soll, ich
machte, einem wünsche Denifles entsprechend, auf diesen fund in
der DLZ 1881 sp. 84 knrz aufmerksam, aber schon aus beiläufigen
bemerkungen Denifles (Seuse 1, xm.xxv) konnte Preger entnehmen
dass wir Ober Seuses leben noch nicht im klaren sind, seien
wir also vorsichtig und hüten wir uns vor voreiligen Schlüssen,
sie mögen noch so scharfsinnig sein, dass mit dem Orologium
sapientiae ze laiin bei HvN xxxv 83 wol Seuses werk gemeint
isr, scheint auch mir jetzt nach Pregers darlegung s. 323 f sicherer;
tlbrigens hatte Denifle Seuse l,xxiv die mOglichkeit keineswegs
bestritten und nur in durchaus berechtigter weise vorsieht an«
empfohlen. Pregers deutung des Wortlautes da$ bueh das man
neni (s. 324) und der litterae exhortatoriae des ordensgenerals
Hogo von Vaucemain (s. 325, vgl. noch DLZ 1882 sp. 202) ist
auf jeden fall an den hären herbeigezogen, auf diese weise l^sst
sich alles erklären, vgl. auch s. 330. über das MinnebOchlein
(s. 344), das den anszttgen nach ganz Seuseschen geist athmet
und das deshalb von Preger auch für Seuse in ansprueh ge»
Donimen wird, kann bestimmter erst geurteilt werden, wenn das
werk vonslündig ediert ist, vgl. auch Denifle Seuse 1, xii.
Auf die anziehend geschriebene biographie Seuses, an der
ich nur auszusetzen habe dass die bis jetzt sehr unsicheren chro*
noiogischen bestimmungen mit viel zu grofser Sicherheit vorge-
tragen werden S sowie auf Seuses lehre nilher eingehen mochte
^ dass Preger Urobers aofssts in Freibarger diöeesan-arcbiv 3, 1S9 bis
220 überseheo, ist schon DLZ 1882 sp. 202 aogemerlit worden, vor kuraem
erschien von FVetter Ein mystikerpar des 14 Jahrhunderts, schwesler
Elftbelh Stagel in T5s8 nnd vater Amandas (Suso) in Konstanz, Basel, Schweig-
hansertsche Verlagsbuchhandlung (Hugo Richter), 1882 (S3 SS. 8^ 1,20 m.),
ein vortrage der bereits t87S gehalten, nachtraglieh erweitert worden ist
Qod cor Verwendung in einer ausgäbe von Seuses und Elsbeth Stagels
Schriften bestimmt war (doch s. oben s. 138). einleitend handelt Vetter
aber die geschichte des klosters Töss (s. 9 ff) und Ober das leben der
dortigen Schwestern (s. 12 ff), wertvoll sind die anmerkungen, die neben
benvtiaiig urkundlichen nnd handachrifUichen materialea insbeeondere auch
auf die compositionsgeschichte der Vita sowie der BriefbOcher und die lu-
Terlasaigkeit beziehungsweise unzuverlässigkeit der in ihnen gemachten Zeit-
angaben rficksicht nehmen, vgl. s. 23. 24. 36 f und die betreffenden anm.,
soMin noch anm. 62. freilich geht Vetter bisweilen so weit und folgert
seysdeso irrig <anm. 70)» worauf bemhen die angaben, dass Sense 1363 in
Magdeburg als irrlehrer verklagt wurde (s. 20), aus Ulm weichen muste
(s. 28)? auf s. 21 unten steht falsches, der zweite band von Pregers Deutscher
mystUc ist von Vetter noch nicht benutzt worden.
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144 PBE6CR DEOT8CHE MT8TK II
ich im augeoblick nicht, über die lebeosverhAltoiwe steht uns,
wie bemerkt, demnächst neues material in aussieht betreffs der
lehre, für die Preger nicht nur Denifles trefflicher text soadern
auch dessen vorzüglicher fortlaufender commentar zu geböte stand,
kann bei mir, dem nichtlheologen , die Urteilsfähigkeit ja doch
nur eine bedingte sein.
Anhang. Predigten aus der Königsberger hs. 896.
1.
f. 86'— 87' (in der fibersicht bei Haupt (Beitr. zur litt. d. deutschen
mystiker ii) lxxix).
IN der czU hub Jkesus nf sine angin in den hymiL Das
meint, do das herexe isi do ist gerne das ouge, tren nv das ou^
vnsirs herren Jhesu Christi u>as alle wege in hymilisehin gedanken,
Dorume kub her di ougen in den hymel vnd ouch das her vns lerie,
6 wen wir betin snüen, das wir ougen vnd hercze czn hymele 9uUen
kenn. Textus, vnd sprach: vatir di stunde ist koaien, Cläre dinen
son. Di meistir vregin, wedir Christi darheit her bete dem geitte
odir dem licham. Ir sulUt wissin, her bat nicht darheü dem ewigen
werte, wen her ist eyn mit dem vatir vnd hat alle di clarheit di
^0 der vatir hat weselich vnd personlich, her bat ouch nicht clarheit
sime geiste, wen her sdtouwete di gotheit an blos an vndirlas.
sundir her bat clarheit dem liiAam vnd das in czweirkie wis.
Czum ersten mit der martir di her lidin solde, Dorume sprach
her: Di stunde ist komen. wen Christus hat sundirUche ere von
1^ siner martir vnd von syme tode in dem hymUe vnd ouch aUe di
engele vnd alle di kegligen habin ere von ym vtid gebenedien em,
das her das durch vns lidin wolde. Eyn andtr glose spricht, her
bat clarheit syme licham der noch totlich und lidlich was, das di
clarheit di her hatte in dem geiste wurde gegebin sime licham.
20 Eyn meistir spricht, das di sebin gabin dy (87*) eyme idichin
i^schin, gegebin werdin in dem ewigen lebin, di hatte Christus in
finer mutir libe heymilith in der sele vnd offinbarte si in syme
licham wem her wolde. Di dritte glose spricht, her bat vns allen
der clarheit des ewigen lebins. Textus, das dich dyn son wedir
25 dar mache. Man vregit, wy mac der vatir den son dar gemackin,
ti'en alle gotlidie darheit wechsit in dem vatir als in dem scn?
Das sal man vimemen in dem herczin der apostolin vnd der glou-
begen, wen do Christus di martir hatte gekdin vnd uf irstunt vom
dem tode vnd der heylige geist gesant wart den gloubegin, do wart
30 der vatir virderit vnd der son in dem herczin der gloubegin, wen
7 lies Christus d. herbete oder [Christi] cL her bete. t%herj hat.
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PHE6BR DBDTSGHB MT8TIK H 145
ti gmcsdieh irkantm, das üarüttu des vatirs sm were von hymik,
vnd si vimamen aUe di wart dt Chrütus sprach van dem vaür.
aba wart der vaHr vorelerit in dem sane. Textus. alsa du ym
gewaU hast ge§eUn aUis vleisMs, das allis das du ym ge^Ain
hast eyne gahe des ewigen kbins. Das wt, in Christo was oUess
gnade vnd alle heylikeit vnd togunt, di aUe menschm y inp fingen
adir ymmir inp f an saldin. Eyn andir sin ist: di gewalt des arteils
hat der vatir gegebin dem sane, Nv bat vns Christus, das her
aüen den di ym hy dmen getruUch muste g^in das ewige fed'n
an dem iungsten tage vnd das von der craft des vatirs, wen was40
Christus hat, das hat her von dem vatir. dorume gab her ym di
ere vnd wisete vns, das wir aUe valkamenheit saldin betin von dem
vaiir durch synen eynbam son. das hy czu gd^arit etet uf den
ptUm abuaU, Da nodi (87^) wil ich das emangelium nemen van
der mittewaehe vnd van dem vritage vnd van dem pfingst abunde. 45
sa wil ich etwas spreehm vz disem ewangeUo, wen ir habit wal
gAart meistir henrich vnd meistir vryborc vnd van brudir
Cunrat von liehtinbere vnd van meistir dytriche vnd
meistir schart und den von muncze vtid brudir J oh an vnd
brudir Petir vnd meistir heydinrich uf dis ewangetium, washO
bedutit. Nv neme tcft eyn wart vz dem ewangdia, das sente
Johannes besckribit, do van iA var gesprachin hob. vttse herre
^ieht in dem ewangelia: das ist das ewige lebin, das man dich
bekenne eynen waren gat vnd Jhesum Christum den du hast ge^
sant. Dy meistir krigen vndirenandir , wedir ewige sdikeit m«55
lege an den werkin der vimunft adir an den werkin des willen
adir in beydin gUeh adir in eyme me den in dem andim adir in
es/wh' atUine. Ja ist wal wissenlieh, das etUd^ meistir sprednn,
das ewige seUkeit me lege an den werk^ des willen wen an den
werkin der vimunft. Neyn. Also istis nidu. wille gibt sieh fs60
vnd vimunft nymt yn vnd inpfet vnd behelt. Eyn heydnisck
nuistir spricht: vimunft ist eyn yn vimemende craft. krigen
kumt von czweyn sachin. etUchen van vreuil, vnd di insint nicht
c%u lasin. den andim kumt is van crankim synne, das spricht
Dy eynen lichtin sen habin vnd eyne vry vimunft vnd lasin «tc&65
bindin mit crankin bandin. di sint czu losin. Dy krichischin
ssseistir vnd vnse meistir, {%T) die grasten ich allir meist valge,
di spreehin, das di natura vnd der kern vnd das wesin der
eungen seHkeit lege an den werkin der vimunft aUeine. Das
wert des willen ist eyn eygin czuval vnd eyn eygin cztAalt, Is^O
inist sin natura nicht, als eyn meistir spricht: das ist dem
snensehin eygen, das [das] her lechltch ist vor allen tyren. das
inist sin natura nicht, Is ist sin eygen czuval in der seltkeit. Nv
Jcumt der meistir, dem ich glaube abir aUe meistir, des per-
36 allen m. 50 wat >» wa% ez. 52 ff Tgl. Zs. 8, 2 1 1. 58 lies eyme.
60 gibt] Tgl. 85 und giusset Zs. 8, 212. 213. 63 etUehe: 70 ist yn.
A. F. D. A. IX. 10
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14t BRVOBl DBDT8CHB MYSTIK II
754011« ist eyn in der gotheit, des sde seUkeit iuge . . . ., des
hekeninis eynt ist mit der gotkeit, di altis das hekante das van dar
gotheit e%u bekennen ist, vnd der spricht eynoeldsdich, das man
dick bekenne eignen waren got vnd den du gesant luut, Jheeum
Christum, das ist das ewige kbin. Eyn meistir sprida, das di
^eymmge grosir sy der libe in dem ewigen lebin den di eymmge
der vimunft, wen vimunft, spricht her, di inpfet m suh eyn gUchnü
des das si bekennit vnd ir gnugt, Si begerit auch nicht me eyne
e%u sin wen in dem gUchnü. Ähir Übe, spricht her, di wä eyne
sin mit erin lidin ane glichnie. Ich tpreche abir dae des nicht hiist,
86 wen libe werfit sich vz vnd vimunft nymt yn vnd wtrt lutirlich
eyn mit dem ei bekennet. Das andir das dirre meiatir spricht,
das libe me eynigit in dem ewigen lebin wenne vimunft — : wenne
Übe Wirt geeynigit noch sinheit. sa ist di eynunge grasir das da
iat noA gotis wise wenne di da ist nach naturUchir wise. Das
Zuspricht dirre meistir. das niist czu male nicht vor. vnse besten
meiittr den ich volge (%1^) di eprechin, das di libe werde geeynigit
als si in ym ist, abir vimunft wirt geeynigit als her [e]yn ir ist
vnd als is in ym ist. Das dritte: di libe eynigit me wenne vir-
nunft, spricht der meistir. das nymt her van sancta Dyanysia,
95 der spricht, das di libe sy eyn eyninde craft vnd eyn samende eraft
allis gutis di da eynigit den der lip hat mit dem das her l^ hat,
vnd meint, das si alcsu male eyne werdin. hyr vmme wil dirre
meistir sprechin, das di eynunge grasir ey der libe wen di eynunge
der vimunft. wen das b^eninis var get vnd di libe nach, ....
I00<y . . . . edlir vnd eynige me den bekentnis. Ich bekenne das wal,
das libe nucsir ür in disem Min, wen si virdinet das lan. ahir
vimunft m dem ewigen lebin nymt das Um. Hy sin di [di] benr
ddin czuhrachm mit lichtem synne. das wir gat alsa bekennen
vnd ewieUch mit ym selik sin, des helfe vns der vatir vnd der
t05 San vnd der heylige geist, ameu.
75 in ge, Tgl. Z§. 8. 212 nikt bedarf noch ir niegedarpte. 86 » dem
dM. 88 nach sinheit Mt vieUeicbt etwas «otgeMleo, Ygi. Zs. 8, 21S «.3 ▼. o.
K«8 di da f 90 var ^^ wdr. nnwn. 93 Das di dr. übe. 96 den Mll.
99 f noch sy etUir, vgl Zs. 8, 214 da von st diu minne ndch^ des st diu
minne edelre usw. 101 disem] sinem.
2.
r.91*-*92' (In der dbersidit bei Haupt tiuiii).
Dy mittewoche var pfingsten. ick neme di epistil von dem
svntage. sente petir: allir libsten, stet wyse. Glasa. der ist wyse
der da demutik ist. Eyn andir glase, der ist wise der van allen
creaturen vnbeuleckit blibit. also spricht der wise man: selik ist
hder man der in syner wisheit wanet, das ist wer in lutirkeit eins
herczin wanet. Di dritte glose. der ist wyse der also nedir ist,
4 sprich.
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PBBfiBH DBOTSGBB MTSTK U 147
das ei» nißmant man* ba$ gedruekm mae, vnd dar ate hoch isi, da»
m nymon/ m$ uf ^eMm mat. oIbo ^^ndu der wyse man: leer
mac di h^mele dirhekin? tmd wer mac di erde nedir hos gedrwken?
Dy virde gloee. der iei tegse der do aUe din^ aehi^ an tmtio
Mfin als st eint, der UibH van besin dingen vry vnd toirt mii
gniin dingen gevangin. TeesNe. vnd waehit (91^) in dem gebeie.
Die larte auch Ckrishu eine inngerm, do der emim leczten von
en eehe^n weUe, her eprach: watkii vnd betit, das ir idU vaäit
in bdiemnge. beiin wirkit ynnekeü des gemuii$f Mr toathin wirkit 15
ge$liehe keginnertikeit vnd goüieke heymelichkeit. Sanctue Gregorms
eprich$: dir waehit der oMe tvt dae mit den werkin daie her glo^it
mii dem gktitm, adir der waehit der den nebü der trMeit adir
der vulheü hat ezu male vz eime herezm getrebin. Czu dem dritten
wude: der ein gemnte vnd ein abtreten crefte etetUMn ardint tu 20
etfn schauwunde feKh %. Dy andir vrage ist, ab egn icUch Mftou-
wemde werc vardine weeeliche Ion. Di dritte vrage ist, welehs di
were ein di da in der warheit vardine weedieh tan, Dy virde
vrage ist, ab eehauwunde lebin eygenir lege in den weAin der
mynne adir in den werkin der vimunft. Dy vuwnfte vrage iet,V^
ai e^auwinde Min lege in bilden adir evndir bilde. Dy sechste
vrage ist, ab echauwinde lebin lege in der habe des gei^is adir in
den werkin des gektis. Dy sdnnde vrage iet, wy dicke adir f»y
9Ü der echauunnde mensche sehauwin enUe das her schouwinde
tehm behaute.. Dy adiie vrage i^, welehe di ezil eint adir di ge-ea
warte, dorume man sAamein std. Dy nvnde vrage isi, ab das
ewdm der schauwinde me vaUe uf mase adir uf vnmaee. Ir habit
mal gehört was brudir herman von dem tvmmen hy von ge-
eaü hat vnd der van kyrberk vnd brudir andrie. Tesßtus.
(91^) abir vor atlin dingin so haldit eyne stete nsynne. die br#85
tma Christus: das ist myn gebot das ir euch lip habit mdtV enandir.
Textue. wen di mynne bededdt di grase der svndin. Olaea. Is
geiet ny mensdie so grase sende, nymt her sine Übe von den erea-
tnrem vnd wir fit ei uf gat, her vorgibt ym aOe sine svside, ab ab
ei ny gesehen were. alsa sal euch eyn icUeh mensehin tvn. f0iM4ö^
man wedir en getan hai vnd das yme leit ist vnd irbutit ym were
der mynne, her sal is ym virgeibin, als ab is ny gesehen were. Der
dritte sin ist, das da keyn werc so deyne ist, das man van lutir
mynne tvt antwedir keyn gete adir keyn eyme ebineristin, Is in-
wundile gaiie orteil vnd dise uf dm hymil vnd diee exu die heUeib '
tmd macMt gat csm vrunde vnd bedeckit alle des mensehin svnde,
ab der mensche stetUchin dar ynne blibit, Textus. herbergit euch
vndir enandir in ewrem lande, eyn icUchir abo verre ais her di
gnetd habe, das ist das eyn mensche dm andim nicht Uchticlichin
tm eyme herezm sal verfin, ab her gdnreehlich ist. Das iet eynehO
gr&sar togunt, das ich eynm cxomygm mmschin gmlichm lide in
21 hy] #y. 22 wercj Wirt. 27 lege fehlt, 61 ^ose.
10»
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148 PRBCER DBOTBCHE MTSTK II
mynem herczm, toen das ich eyn enhnde mmsdten herberge hi
mynem huse. wen der mensche wart ny volkomen, der eynen vn-
voücomen nicht gdidin mac, Textus, TeiU si vndirenandir, also
bbgot teilte manehueldige gnad, an sieh seUnr mac nymant geteyUn
wen got aUeine. abir di togunt der gnadin, di wir wm gote tr-
kregin hainn, di suUe wir ieylin vndir enandsr. Also (91^) wer
getan ist, der sal den andim ferth was her van gote inpfangin
hat. Textus. ab ymani dyne der dyne van der eraft gotis, ab
eoymant spreche der spreche das wort gotis. Das meint, das wir m
alle vnsin werkin sutten got czu vordirst nemen vnd vnse w&rt
suUen me sin von gote wen von den creaturen, vnd svndirUch von
den warten vnsirs herren vnd van syme tode suUen wir vü spreckin
vnd gedenkin. also spricht paulus: hntdire, wer Christum durch
65 dt martir des todes gecronet mit achberkeit vnd mit erin, wen her
den tat hat gdedin durA vns, Is fugit ym durch den vnd in dem
alle dinc sin. Glosa. do meint er di grase domdberkeü dy wir
sullen habin czu Christa, Das andir, das do keyne bessir wyse
was, dar ynne wir irlosit moduin werdin. Nv klare ich midi in
10 das ewangelium das ich vor gelasin habe. Textus. Das ist abir
das ewige lebin das man dich bekenne alleine, vatyr, eynen waren
got vnd Jhesum Christum den du gesant hast, hyr uf vMt eyne
vrage, ab di sdäteit des geistis me vaOe uf di persone adir uf
das wesin. Di andir vrage ist, ab di sdäteit von eynir persone
ihicht ssligir sy wen van den andim. Ir sult wissin, das seUkeit
vnd glichlieUieit lyt an personen vnd an wesin, wen di personen
Sita eyn mit dem wesin vnd das wesin ist eyn mit den personen.
Czum andim male, di süe ist nicht seUgir von eynir pereonen
wen von der andim, wen aUis das in eynir personen ist das iet
80m allen dryn vnd das in allen dryn ist das ist in eynir. an di
eygineehaft vatirheü V9^ sanheit vnd geistikeit (92*) di inseHgem
nicht noch vndirsdkeidin. Dy dritte vrage ist, ab der geist me sin
süikeit cxy vx dem wesin gotis adir vz der naturen gotis. Hy
antwortit man: gotlichi[r] naiwa vnd gotUch wesin di sin eyn in
85attir wyse, abir di personen habin di glidiin vndirstAeyde , vnd
u>en gotUAe naltura vnd gotlich wesin das selbe ist in der naturen
das di natura ist in dem wesin vnd ist vatir noch son noA geiei
noch der eyginschaft vnd ist doA vatir vnd son vnd heyligir geisi
noch der eynheä, vnd wen man gotlich wesin nicht iHunnen mae
90an di natura, als wenic als man eyne persone irkennen fnac an
di andim. Textus. lA hob dar gemadu uf dirre erdin. Glosa.
dy wysin heydin hildin, das eyn got were, vnd den hisin si den
erist Sache, dy iudin hildin auch, das eyn got were der alle disse
gemadnt hat. Darume wüsten si van dem vatir nicht noA von
^der dryualdikeit. abir Christus sproA: lA byn vz gegangin von
dem vatire, vnd sproA ouA, wen der troster kumt, der heyl^
67 er fehlt 78 eynir] ir. 87 mir onTerat&ndlich, verderbtT
96 euch.
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PBE6ER DKUTBCHE MTBTIK II 149
feist, her tpraeh: nymant hekeimei den son den der vatir vnd
nymani bekennit den vtUtr den der sen vnd dem in der son wil
offinbarin. mit disen wartin hat ütristus virclarit in menseMiehin
her€%in pnd in dem virstendnis der lute. Textus. das were hob ioo
itk volbracht, das du ym hast gegebin das ich tvn $olde. diis hat
satene synne. Der erste, das alle di werc di Christus y getet vnd
aUe di wert ü her y gespradi, das waren alUs wart vnd werc des
valir vnd der heyUgin dryualdikeit, als her selbir sprach: Der vatir
m mir IMnde tvt di werk, an eynir andim etat, der andir syn, t05
das Christus alle sine werk (92^) his eyn werk, das was das werk
des todis. Das eyn ende was aller stner werk in dem werk. Eyn
andxr glase, her wirkete si alle sinem vatir cssu lobe vnd csm ertn.
Dy dritte ghse. her worchte alle sine werk vz eynir glichen
mtynne vnd gnadin. Dy vir de glase, her worchte alle sine werk ti/110
das allir hocste. Dy vumfte glase, her worchte aUe sine werk
durch vnsir sdikeit. Darume waren si alle eyn werk, wen sie alle
gut waren vnd ny nicht bosis. Textus. Cläre du mich nv, vatir,
by dir selbir mit der darheit di tcft halte by dir, B di werk wart.
Glosa. di heylige drywAdikeit haltte dis ewidich bdcanl, das cter 115
eynbam son lidin solde vnd soUe varckrit werdin mit dem tade
vnd saldo treten von dem tade vnd der licham saldo gefurit werdin
atu der reduin hont des vatirs vnd saldo gesaczt werdin in alle
di gewaU des vatirs, aOeine dis Christus wol virmochte, wen her
gUA meehtik ist dem vatir. Doch bat her is den vatir, uf das wir 120
bdcennen soldin, das her eyn were mit dem vatir noch gotlid^ir
natura vnd das di menscheit Christi alle gewalt hatte van dem vatir
und von dem sone vnd von dem heyligen geiste. hy lose ich is.
beeil gat vor mich.
107 alle, 109 gliche.
f. 92'~93' (in der Übersicht bei Haupt uxxiv).
Der vritac noch pfingstin. paulus. Brudire, eyn iclichir
bUbe in der ladunge dar ynne her geladin sy. Glosa. Is ist mann
chvrleie ladunge. der Udit dicke den menschin. Der mensche
ledil sich dicke sdbir in di vntogunt. In disin ladungen sal der
mensche nicht blibin. Abir in der ladunge, da das ynnere licht b
des geistis yn ledit vnd da di togunt yn Mit vnd da got den (92'')
menschin in ledit, in disin ladungen sal der mensche ynne blibin
also lange bis got eyn bessirs gibt. Textus. bistu geladin eyn
knecht, inachtis nicü. das sin knechte di da dynen vmme Ion.
der ist noch vnvolkomen. Textus. machtu abir vry werdin, so 10
maehtu is tvn. das ist, das eyn mensche treti in di vruntschaft
1 noch] lies vor. 3 ] viud.i, der t-panct yielleicht abbre-
▼iatur TOD r, d ans g oder umgekehrt, dann folgt t- strich ohne pnnct;
Haupt vriiiml ledik^ Aber nnterpunctiertcm k steht t. 4 ladunge.
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150 PRBGEa DSOTBCISIiTSTIK II
gotü, das her nicht dynte vmme Ion stmür von huir mynne, df
Christus sprach exu den apostolin: Ich heise euch nymme myne
knedUe, tVA heise euch myne vrunt. Textus. der ahir in goie eyn
liSknecht geladm ist, sin vryheit ist gotis. das ist, das eyn mesmh
des sinen nicht suehit in aUe einen werkin in e%it noch in ewikeit.
das fMC nymani yehin denne got aUeine. Teaotus. glicher wiae
der do vry gdadin ist, der ist eyn kneeht. das meint m^n sukhe
wise, wen hy stet vor geschrebin von kneehtUehkeit vnd otceh von
20vruntschaft, wen sunheit tretit der obir in vryheit des vaiir, nidtt
das dirre mensche aUeine vry sy, eundxr her vryet ouA ander
lute, abo Christus sprach: /sf das euch der son vryet, so eiet er
werlich vry. Dyse vryheit lit an eyme huim hercMin. diso sorgen
habin etUdie lute, das si sorge habin, si vorlisin das ewige lebin
2b vnd v&dinen dt helk mit vnlutirkeit. Di andim habin huirkeit
vmme di gute der lutirkeit das si ist an sieh seU^ir vni das di
conscienda wol c%u vrede dynne ist. Di erste lutirkeit horü kneekt-
Uckkeit an. Dy andir lutirkeit horit vruntsehaft (92^) an. Di
dritten habin lutirkeit vmme got alleine, wen got das affir buirete
dOgut ist, 80 weüin si sich hy mete glichin, das si bair tmd. reyiie
eint. Diso lutirkeit horit sunlidieü an, wen dem vatir ist sUdU
gUeh wen sin son. disi[n] vryen gemiute habin virleie ganc. Is
spricht sanetus bertduardus: Cxum ersten gen si cfsu erym gemeUe
sich ezu bekennen vnd sich c%u orteiUn. Cvum andtm mak eo
dbgen ei in ir gemute got cxu fulen vnd asu smedtin. Cmsm dritten
male so gen si von dem gemute got czu betraehtm vnd gatis ems he-
gerin. Czur dem virdm male so gen si obir das gemute got cm
/ip habm vnd got cxu besdwuwen. Man vregit, welehs di wege
sint, di eyn mensch wanderin sal der eyn schouwinde mensAe wer-
40din sal. der sint vire. Der erste ist «yti reckt lutir vrede von
herczin, den nymant gebrechin möge, in dem wonit got. Der
andir wec ist, das eyn mensche alle togunde vor gevbit hob uf das
allir hoeste, wen got wonit in eynir hoe. Der dritte wec ist das
ynnege gebete, wen got wonit in eynir tyfe dy nymant volginmden
45 mac. Der vir de wec ist ynnege betrachtunge, wen got wonit in
eynir wyte di nymant vmmegrifin mac. Textus. Ir sult niAt
knechte werdin der lute, wen ir siet gdcoufit mit grosim Urne.
Glosa. Christus ist gesturbin vor vns vnd hat sin blut vorgosein
vor vns, das her vns loste vor allir knechtscaft vnd vns seczts in
bOalle sunlicheit. Dorume suUe wir nicht knedUe werdin der lute,
das wir icht svnde tvn vnd das wir gotis icht virgessin, also boxe
knechte (93*) tvn vnd tarechte knechte, di do tvn das gdbot irs
herren vnd brechin di gebot gotis. von disen knkhten spricht
Paulus: do ir knechte worit der svndin, do worit ir vry der ge-
bbrechtikeit. Christus spricht auch hy von: Der knecht blibit niAt
in dem huse ewicUch des vatir svndir der son. SvnUcheä Ut hyr
27 dyn0. 35 fitren. 63 sprich.
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PBSOU ]>BimGBB JITBTK H 151
ynne, das eyn metisAe nymmer sonde geivn welle, dy myntte aUo
tngeme «h di groUt; weme her dyne, das her doch got me vor
OHffin habe wen di luCe vud das her sm beste djfnne neme vnd
geiis ere. Texius. brudire, eyn idichir m dem als her geladineo
sy ah blibe her in gote. Ghsa. das mehu, das eyn iclieh wee,
den gei dem mensckin gebit e%u wanderm, in dem mae her stük
werdin. Sanetus Gregorius: got der vorsehet alUn menschin ir
bestis. dem richium gut ist dem gebit her richtum. dem ermutt
gta ist dem gebit her ermnUe. dem gesnntheit gut ist den machiteib
her geeunt vnd dem siduage gut ist den matht her sich, HeUUt
siiA der mensche recht in dmn wegin di got gebt^ als wirt der
menoAe eyn kint des ewigen lebins. Nv ge tcA wedir in das ewem^
gelium, das do eyn gebete ist Christi. Textus. Idh habe geoffin-
bearü dinen namen den do mir gegebin hast von der werlde, wenio
si worin dyn vnd du hattist si mir gegebin. Eyne glose spricht.
Her meinte di apostoUn. dy waren ewieUch irwek von der hey-
Ugen dryuaUikeit vnd wurdin Christo gegAin als getruwe gesellin
einer menschlichin natura. Byn andir glose. her meint alle di
ewicUA irwelit sin von der heyUgen dryualdikeit. Textus. si waren 75
dyn vnd du (93*^) hast si mir gegebin vnd dine rede habin si be^
haldin. Glosa. vil lute horten vnsin herren fredigen, abir si be-
hildin einer werte nicht aUe am Ubin als die t^stoUn. Outh alle
di wort, dy Christus y gesprach, dy waren alle vor bekant in dem
slosse der heyligen drytuMikeit. Textus. Nv habin st bekant, das SO
alle di dine, di do mir gegebin hast, sint von dir. wen di iungerin
quamen dicke do c%u das si nichtis nicht ineswyueltin, Christus were
werUA gotis son, abir vndir stundin so wordin si sere strandil-'
ende vnd ezwyudinde, vnd dis was von menschUchir erankheit vnd
auch das is Christus vorhine obir si durA ir beste vnd ouA dorume,9&
wen si noA niAt den heyligen geist hattin inp fangin uf das hoeste.
DoTume strafte si Christus vtnme im vnglo^in vnd vmme di
hertikeit irs herctsin vnd vmme ir vnbAentnis vnd vmme slaftracheit.
tmd disistvnseyn gros trost das si hynde noA so volkomen wurdin
vnd doA desin gAreAin an en hatten vom ersten. Textus. wenw
di wert di du mir gegebin hast die han iA en gegebin. tmd si
habin si inp fangin vnd si habin bdcant werliA, das iA von dir
byn vz gesant vnd das du miA hast gesant. Glosa. des abundis
do vnsir herre woUe sAeidin von einen Hmgerin, do worin sine
wort also fuerik vnd also hycwik, das di den apostolin aUe vorchtiny^
v% tribin, vnd waren also licht vnd also warhaftik, das si aUe
trinstimisse vnd allen xwyuel vz trebin. Dorume sproA sente Petir:
eoUe iA mit dir sterbin, iA virloukin din nymtner. also spnadbm
dy andim alle. Dorume haltin di wort vnsis herren eyn kegin^
wortige warheit, alleine di apostolin des seibin abundis (93*) vonioo
10 '^ den di. do, Tgl. 81. 102. 129. 76 mit. 81 sint von dir von
mir ergänzt. 93 nach vnd igt vielleicht geglouHt ansgefaUen.
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152 PBSGER DBOTSCHE MYSTIE U
der warheU vikn, Textus. Ick bete t)or st vfUl nidu vor dy
werlt. M bete svniirn vor sy, dt do mir hau gegebm van der
toerlde. das ist eyn irsehrecUch dine^ aUe di do in der werlde
kbin, wen si vz gelasin werdin von dem gebele vnsirs herren. vnd
105 tst eyn trostlich dinc alien den, di dy werk cmu rucke habin ge-
worfln vnd vndir di fuze getretit habin. Nv mochte ir s/rethin^
welchs sint di vetirUdken lute di do vz geA^ssin tini von dem ge-
bete vnsirs herren? das sint di do ere swhin vnd libis gemach vnd
di sich werin in der werlde mit krige vnd mit hasse vnd mit czwy-
ilOtracht vnd mit hochtuirt vnd mit gyrde vnd mit wertUAin wirt--
schaftin vnd mit lotet füre vnd swerin, ligen vnd trigin vnd boze
wort sprechin vnd rvm vnd aftirkose vnd spritigin vnd ringen
vnd tanczin vnd schnstim, dis ist Mis der werlde louf vnd ir
spil. Dy dis virsinchit habin, also das en do vor gruet, di sint
Uhteylhaftik des gebetis vnsirs herren. vnd wer dirre dinge abe get
vnd leide dorume hat vnd tretit von der werlde, den inpfet ouch
Christus in sin gebete. Textus. wen si sint din vnd aliis das
dine ist myn, vnd ich byn vorderit yn en. vnd ich iezunt byn
[ich] nicht in der werlde vnd diso sint in der werlde, Glosa. der
\20 vatir hatte dem sone gegebin nature vnd wesin vnd hat im ouch
gegebin alle di dy disis ewidich gebruchin sMen. abir Christus
was nidu in der werlde, wen her iezunt sdik was noch den o6tr-
sten creften vnd was eyn herre der werlde vnd ouch des hymils.
abir di iungerin waren in der werlde, wen si waren in dem glou-
125 6m vnd di werlt was nod^ nicht (93**) tot czu mak in en, also
Christus sprach: Dy werk hassit mich, si mac abir euch nidit ge-
hassin, wen ich gebe eyn geczuk das ir wege boze sint. Textus.
Ynd ich kome czu dir. heyligir vatir , behalt si in dyme nasnen
di do mir gegebin hast. Glosa. her quam czu dem vatir noch
120 der menschheit. noch der gotlichin personen gesehit her sich ny
von dem vatir. das her sprach : heyligir vatir, das meint, das wir
virsten suUen, das alle heylikeit kumt von ym durch den son ais
von eyme ersten. By mynem namen beihalt si ewidich in dyme
riche vnd in dem als du Christus heysist, da» di cristen blibin hy
135 m dirre werlde. Textus. das si eyn sin ouch als wir eyn sin
gewest. Glosa. Dis sal man also virsten von der menscheit Christi
vnd nicht noch der gotheit, wen als di dry personen eyn sin mit
der gotheit in eime wesin vnd in eynir natura vnd di natura vnd
das wesin eyn ist in den personen. m dis slos der dryualdikeä quam
UOny creatura noch wesin. sundir wir suUen eyn werdin noch Ube vnd
bekennen vnd suUen der eynegunge noch gebruchin ewidich noch vneir
mase, also Christus gebruchit. dis bat her vns. Ir habt gehört c»u
Capetil brudir heynrich vnd den iungen Echart vnd den
von dry forden. Nv nemt dise lere cssu jenir vnd betit got
145 vor mich. amen.
105 aUe.
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PRB6KR DKUT8CHE MYSTIK U 153
f. 93'— 95* (in der obenieht bei Haopt lxxxv).
Der pfingüt obunt, is ist mome gar eyne grose hochczü der
aUmi crisim hum suüm bereit loerdin. Wen das ewangelium satt:
wer mich lip hat, der hüdit myne rede, das ist, wer got in dem
herczin treit vnd sine libe uf en gewurfin hat, der spricht auch
gerne von ym, ako üiristus spricht: wes das hercze (94*) vol ist,b
da[s] spridu gerne der munt von, wen her horit ouch gerne von
gote sa%fn, als Christus spricht: wer vz gote ist, der horit gerne
gotis wort, dorume hab ich sorge, das dise lute di aUe tage redin
von der werlde vnd gerne horin von der werlde redin, dise habin
den tuvü in en, als Christus spricht: wen ir vz gote nicht insiet, io
dorume horit ir gotis wort nidu gerne. Textus. vnd myn vatir
sal en lip habin vnd wir sulleti en kennen vnd suUen eyne wonunge
machin mit ym. Der vatir kumt nyrgen do kumt ouch hen der
son vnd der heyUge geist, aUeine man spricht, das der vatir nicht
gesant werde vnd der son werde gesant von dem vatir vnd der 15
heylige geist werde gesant von dem vatir vnd von dem sone. wo
e^fne persone ist, do ist ouch di andir, wenne si aüe dry sint eyn
eywualdik got. vnd ist ouch vm gar trostlich, das der vatir mit
aile siner herreschaft in vns wonen wil, ab wir en lip habin vnd
sine wort irvuUin mit den werkin. in dem wil her en selbir d/ao
etat bereiten, als her selbir spricht: Das ist myn vreude, das ich
muse wonen mit den kindim der lute. Nv ge ich wedir in das
ewasigelium des hoen gebotis vtisirs herren Jhesu Christi. Textus.
di du mir gegebin hast, di hab ich dir behaldin, vnd nymant ist
vz en virtorbin wen der son der virlust, uf das di schrift werde2&
irv%Mit. Glosa. dis was Judas, her wart dorume nicht vorlom,
das en Christus eyn son der virlost his; her wart ouch dorume
nicht virlom, das en dy schrift eyn son der virlust his, svndir her
wart hyr vmme virlom], das her eyn dip was vnd eyn gyrer was
vnd eyn vorretir was. Dorume his en Christus vnd di schrift eyndO
son der virlust, aUeine das das wor sy, das (94^) got aUe men-
schtn hab bekant ewiclich, welche behaldin adir virlom suUen wer-
din. abir dis bekentnis virtumet ouch nymant, is inseligit ouA
nymant. vnd dorume seligit got den mensdiin nicht in den svndin.
her virterbit ouch nymant, der do ist ans svnde. Is sprechin vor- 35
cxwyueUe lute: byn ich irwelit von gote, so werde ich behaldin;
btfn ich nicht irwelt von gote, so werde ich virlom. ich tv was
ich tv. si sprechin war noch gotheit vnd ligen noch herreschaft.
wen Paulus spricht: Lon der svndir ist der ewige tot vnd di gnad
gotis ist das ewige lebin. wiUu gewis sin, das du der erweite 40
2 lies aüe er. iute. 23 lies gebetis, vgl. 3, 69. 5, 2. 75. 33 bekenOns.
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154 PRE6KA DBDT8CU 1IT8TIE U
siest, als verre ah du ymmer magist — , abir toiUu wissin, das
du nicht inoelt siest, bekennistu dich wissinlich in totsvndin vnd
xoiltu nicht abe hgin, so bistu eyn kint der hdle. Dorumme spricht
di Schrift: Siet ir nicht irwelit, so schickit das das ir yrwdit
A&werdit, wer do vnlogunt tvt, der vellit von irwelunge gotis. Man
vregit, was irwelunge gotis sy. man vregit ouch, was vnderscheidis
habe irwelunge vnd ladunge vnd rufunge. Man vregit ouA, ab di
icht hetten, di got irwelte, dorume her sy irwelte. Man vregit ouch,
ab di icht hettin, di got nicht irwelit, dorume her sy nicht irwelit,
boMan vregit ouch, ab di irweltin mogin virlom werdin vnd dinidu
dirwdtin mogin behaUUn werdin. Magister Johannes vnd der
von erich vnd der von sprewenberc habin hy von wol ge-
sprochin, das (94^) uf diese irwelunge nymattt buwen sal sundir
uf heylikeit vnd uf togunt vnd uf vnsin gloubin. bdMlde wir dis,
5&50 sy wir irweUt, Textus. dis spreche ich in der werlde, das st
tmbin myne vreude volkomen in en sdbir, GIoscl aUis das sich
Christus vreuwit in dem ewigen kbin, des suUe wir vns <üle vreuwen.
her vreuwit sich der gotheit vnd vreuwit sich, das her di werk
irlost hat. vnd dis sulle wir vns alle vreuwin mit ym, wen is ist
60yn ym obirvlossic vnd vnmesik vnd sal durch en in vns vlisem.
TextM. Ich hab en gegebin dine rede vnd di werlt hat si gduusii,
wenne si nicht sint von der werlde. Glosa. Do di iungerin sidi
vnglich machtin der werlde, do haste st di werlt. vnd also ist »
noch, wen eyn mensch di wort gotis czu herczin begynnet nemen
^hvnd begynnet di werlt czu virsmehin. wen her sihit, das & dinc
eyn gespotte ist vnd eyn getusche, so vir fit en di werlt vz. man
heisit en eyn munch adir eyne nvnne, wen glieheit wirkit Me ahir
vnglicheit wirkit haz. also spricht sanctus Paulus: was glichis hat
das licht mit dem vinstimisse vnd Christus mit dem tuvil? vnd
lOdirre has sal sten bis an den mngsten tac, das di werUlidkin
hassin di geistlichin vnd di geystliehin hassin di werltliehin. Texius.
nicht bete ich, das du si nemest von der werlde, svndir das du si
bthutist vor obile alleine, etliche hite gerne czu hymil werin; dasma
noch ist vns das ertrich nuczir, wen do vordine wir. in Aemtl
1b möge wir nicht virdinen. (94"*) dor vmme ist vns nuczvr, das
vns got behüte vor svndin in desim Mnn, wen das her vns exu
hemele neme. das gebete gab craft den iungerm, das si mcAr pe-
totit mochtin werdin, wen si virdinten dtlis das si in dem hymel
suldin habin. Man vregit, ab dis bessir sy, das got den mensdkiH
W behüte vor svndin adir das bessir sy, das her den mensdum fosvt
von svndin, wen her si getan hat. Textus. geheylige[t] sy in der
warheit, wen dine rede ist warheit. Glosa. Is ist czweyr lite.
warheit das ist got vnd ist eyn wort des vatir. Is ist eyn assdir
warheit das ist das ewangelium vnd di heylige schrift, di von dem
41 nach mögest fehlt der nachsatz. 49 ist her [syj. 50 nickt
fehlt. 59 vns fehlt 80 dem. 82 CMweyr leie sc. warhsiL
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PRBOBR DUrrSCBE IRSTIK II 155
hmfUgm geisie gesproehin ür. alleme dy nach dem huchsiMn ge-^^
$dkaffiH tmi vnd auch virgencUd^, da» ist si noch d»m gründe vnr-
gwkaffm tmd vnvargmdieh, wen si mmt vm vngesehaffine dmc
vnd vnvirgenekdte dine. D^rum» ist das ewangdium noch dmn
gründe egn vngesehaffene vnd eine nnvirgencUehe ttarkeü^ also
ChriauB sfriehi: hymd vnd erde sal virgen vnd wyne wert vergenm
nyamter. diornme wurdin di (^etolin geheyligü vnd werdin euch
geheyhgit in dm wertin vnsin herren, wen ei iint eyn vnwandär-
bere warheit, Textns, ak du miA gesani haet in dg werU, ab
hob ich si euch gesant in die werU. GUsa. In der setbin craft
der ynne Christus predigete vnd der ynne her ezejfchin tet, dar»
ynne predigeten oticft di iungerin vnd taten oueh czeychin vnd eeh
als Christus sprach: wer in midi ghubit, der sal di werc tvn di
ich tv vnd (95*) sal me tvn. Textus. vmme si heglic maAe ich
ndch sMir, uf das si endi hegUc werdin in der warheit. Glosa.
Christus mochte nicht hegligir werdin von sinsheit, wen her wasico
di heifiikeit seBnr, her meinte di martir, di her leit durch di
iungerin vnd durch vns alle[n]. wen sdic spricht also vil als das
da besprengit i^ mit blute, wen were her nicht gdieyligit gewest,
se kundin di apostoUn noch wir nymmer hegUc werdin in der
warheit. Das meint mit den werkin der warheit. Is sint etlidiew
bUe, di schynen gut vnd sin boze. se schgnen etliche boze vnd sin
gut. so sdiynen etliche wedir gut noch boze. abir di apostoUn
waren vil bessir wen st gesehenen mochtin. das iu heuUkeit in
der warheit, das der mensche bessir sy wen ymant [vnd] von ym
gedenkin mochte. Textus. Nicht vor dise bete ich alleine, svndir tio
euch vor di, dy von erin wortin stdlen gloubin in midi. Glosa.
dis gebete kumt atte den czu ttueze vnd czu tröste, di den gloubin
inp fangin habin m der cristinheit. wenit ir, das sente petirs wert
sukbe craft hettin von en selbir, das her an eynir predigate be-
karte vumfttusent mensche? Neyn, is was von disim gebete vnsirsilb
herren Jhesu Christi. Dorume sprach Christus czu petro: du sak
nv werdin eyn viseher der lute. Textus. das si alle eyn sin ak
du vaHr in mir vnd ich in dir ; das si euch in vns eyn sin. Das
ist der hoeste sprach vnd der vimunftegiste, den Christus y ge-
sprach mit menschlichim munde, vnd oudi ist [is] vil vngdoubigerito
lute hyrvz wurdin. wen in Christo ist vumfkie eynunge noch der
gotheit, di vns nidU möglich inist. Dy eyne di ist wesdidi. Dy
andxr natürlich. Dy dritte personlich. Dy virde ist gotlich. Dy
vumfte ist st^Udi. (95^) Das her dinc geschaffin hat vnd hat
gotlich wesin czu mole vnd gotUche natura vnd ist got vnd ist dt 125
mittibte persans in der gotheit, wer dis glidi weide habin von
Christo, der were vngUnibic vnd dirre eynunge bat vnse herre nicht.
Is sint andir vumf eynunge in Christo, dar ynne her aUen men-
88 ist fehlt. 89 eynir gsiehaff^n» vnd einer vn virgeneHehen.
128 U€0 alUT
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156 PRE6EB DBUTSGOE MTSTK II
sehin Mrgangin hat, dy eytiäc tourdin adir ymmr vi$ geef/nit
\309idkn werdin, Di erste eynunge ist, das fyp vnd sde freitfeii in
Christo uf eynir gotlichin personen, di miir eymmge ist das
menschliche natura vnd gütliche natura smt vorqffU mU enandtr.
dis gesehadi oudi ny menschin me den m Christo, andirs
volgit sin natura der gotUchin personen vnd andirs volgit myn
iZb natura myner personen, alleine is eyne natura sy; doA ist si
in Christo hoer vnd ediir denne in eynir andim personen. By
dritte eynunge hatte Christus mit lip vnd mit sele noch der gotheit,
als das man sprechin mac: der mensche ist got vnd got ist der
mensche, wen her hatte nicht an syme licham wedir bha noA
IAO fkysch noch hör no(A allis^ das da horte c%u d/er volkomenheit siNs
lidhamis, is were alUs der gotheit voreynit. Dy virde einunge hatte
Christus noch den obirsten creftin, do her got schouwit vnd lip hat
got vor allen creaturen vnd ohir allen engelen vnd oMr allen
menschin. Dy vumfte eynunge hatte Christus mit den werkin, also
\4bdas alle di werk, di Christus y gewarehte, di waren aUe were der
dryuaidikeit, vnd got der vatir wordUe si durch en. der vatir in
mir lebinde tvt dy werk. Dirre eynunge bat vns Chrietus vnsir
herre. (95'') wiltu bas lesin von den wortin so euchen is an der
mittewodnn noch pfingsten.
5.
f. 96'-~97* (in der übersieht bei Htapt Lxxxv^n).
Dy mittewodie in der pfingistwoche. Nv neme ich wedir das
hoe ewangelium des gebotis vnsirs herren Jhesu Christi. Textus.
uf das, das di werlt gloube das du mich gesamt hast, vnd ich gab
di clarheit en, di dv mir gegebin h€ist. Glosa. Christus hatte en
5 iczunt das ewige lebin gegebin in eynir vorgesacztin sichirheit, ab
her selbir sprach: Ir habt mich nicht irwelt, svndir ich Aa6 euch
irwelt. Eyn andir glose spricht: her hatte en gegebin di claren wort
vnd di heymelichin wort des vatir, als her selbir sprach: Ich hab
euch aUis das geoffinbarit, das ich gAorit habe von dem vatir.
10 Textus. uf das si sin eyn als wir eyn sin, ich yn en vnd du in
mir. Die sal man also vimemen, das wir suUen werdin mit gote
in der gnadin vnd sullen sone werdin von gnadin. aber Christus
ist gotis son von natura. Dy meistir vragin, ab wir totrcitchm
sullen in gote wonen adir weselichen. si antwortin: Is quam ny
Xbcreatura in got weselich, wen queme nv der geist weselich in got,
so wurde her czu nichte. vnd das ist valsch. was man abir
virsten wil, als sente Johannes spricht: Got ist dy mynne, wer
do wonit in der mynne, der wonit in gote vnd got in ym, vnd
das Christus spricht: vatir, das si eyne sin als wir eyne sin, (9&)
2 lies i^ebetis, Tg). 3, 69. 4, 23. 5, 75.
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PRBGER MOTSGBS MTSTIK n 157
4i$ mI man abo vimemm: Got wami in vn9 mü Ube vnd müTO
hdemmen tmd auch mit u>€9in, wen her niiheUit vmir wenn ane
minil tmd wir wonm auch in goie mii Ube tmd mtr bdsennen
tmd m gnadrn, tmd hpr ynne mogin wir waehmn vnd c%u nemen
van tage exu tage vnd aka epridu die selbe ewangeUum: TeoOue.
uf das si eint volbraeht in ym. abir C^'stus eynunge mochtets
wedir e%u nadk abe genemen. abir vnse eynunge di tont alleine
vaUnraeht in dem ewigen lebin [lUkine]. Brudir Jordan vnd
amstir herman vndmeistir keynrich wol gesproekin hon, abir
üMttftr heynrieh von vrymar hat alUr best % von gesproehin,
wen her epraeh: das ewige wort hatte dry eyginsGhaft, di is ny-so
mande gegMn mochte noch gemeyne: das besten den uf ym seUnr
vnd das is einen vrsprune irkennet svnd^ mittil tmd das isft]
svndir csu val, vnd die ist eyginner dem ewigen warte aUeine vor
[aUeine vor] allen creaturen. wir mögen wol mit gote vweynt
werdm. dorume haie sich aUis menechliiA vnd wisse was herdb
haJde vnd was her spreche. Textus. Das di werlt bekenne, das
du mich gesamt hast vnd das dv si Up gehabit hast, als dv vns Up
gduLbit hast, das ist eyn gros trost, das vns got also l^ hat als
einen eynenbom(?) san vnd mit der seUnn Ube vnd mit der ewegin
Ube, also verre wir tr inpfeneUch ein m dem weem vneir guieAO
Textus. Vatir, di da mir gegebin haet, ich wil, wo iA byn, das
si mit mir sin vnd das si sehin myne (96') darheit, di dv mir
gegebin hast, wen du meyiUist mich vor di sehepfunge der werlde.
wen die sint di trostUchin wart, di Christus y gespraA, wen si
vns eyn siehirheit gegebin ewigis leMns. hette her gesproehin, das4&
wir in dem ernten kor soldin gevam han adir in dem andim, is
were gnuk gewest. nv hat her geeprodUn, das wir by ym suüen
ekaten, vnd euüen sehin di gotliche darheit. wen di sele Christi
hai darheit von der gotheit vnd der behom Chrieti hat darheit von
der sele, vnd dorume euUen Chrietum sehin alle vnsir brudir inhO
alte dem gute des vatir vnd als eyn konik der vns gegebin mac
ewige seUkeit. is were eyn gross ere, da eynir eynen M>in vruni
hette by eyme groein konige. abir da der konic sdbir ein bntdir
were, das were noch mer. Nv iet Ckrietu» vnse brudir vnd der
vatir van hymäriehe ist vnse vatiri als her Oiristus vatir istiS
van natura vnd vnsir von gnadin, darunue wil her Christo nidit
virsagin noch vns, des wir en betin das reMiA ist, ab her sefbir
sprieht: wes ir betit den vaür in myme namen, dies sal her euch
gewerin. Dorume spredie wir tegeUeh: vaür vnsir. got gebe, das
wir alle reekie sane sini. Textus. Gereehiir vaür, di werlt hateo
dieh nicht irkant. Do offinbarü her di bUntheit der werlde, di
varvinstirt ist. Textus. M habe abir dich bdcant vnd [das] si
habin dich bekant vnd habin bdcant, das dv mich hast gesant.
26 abir] adir. 31 bßttin, das ewi^c wort bat seinen schwerpanct
in sieb, stützt sich anf nichts anderes denn auf sich selbst 35 meiucA-
Meh sobstantiTicrtes a4j. 57 ^ rechtUch.
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158 PBEGBft I^XOTSCtt MfSTIKII
Glosa. Do offenbaiii her da$ bekemnts siner sde vnd da$ bekwtni$
65efer apaitolin, das m hattin m den Udae des gUwhin, t^nd das si
dis bdnentnisse nomen vz dem vrede gotis, vtmrs herren. (97*)
Texius. vnd ich hab en kutU gemacht dinen namen vnd tail b^
kant tnaAm dich. Glosa. Dis siprach Christus von dem bekentms^
das di apostoUn soldin habin ^ do si den heyligin geist inp fingen.
loEyn andir glose spricht: Ich spreche von dem bekentnis der apostolen,
das si icxunt hatten aUeine, die iungerin, den vatir v$^ den son
vnd den heyligin geist cUrlieh, doch virstundin si m^ bas u>en alle
di mensehin, di das ertritA hatten, an dy mutir gotis oiMite* Temtns^
uf das di myne^ mit dir du miA gemeymt hast, in en sy vnd ich
75 m en. Dis u>as dyn hoch g^fot. v>enne di mynne des vaOr isi
en geschaffen, vnd vmme das vnl der vatir vnd der san vnd der
heilige geist in vns uxmen vnd wir in ym mit gloubin vnd mü
haffenunge vnd mit bekentnis vnd mit Übe. wen Christus bai vns
grosir dinge in disem ewangelio, ah ir geharit hat. her bat vns
80aMr einer libe, her bat vns di stat do her siczit vnd bat vns abir
einer darheit vnd bat vns abir, das wir behutit wurdm vor obOe,
vnd bat euch vor di lute, di von vns gderit sohUn werdm. vnd
her bat ioch aJUs des, dies wir bedarf ene sini czu ewigvr seUkeit.
Christus bat vns einer eynunge vnd dirre dinge, dg hg beechrAin
85«tnr do bewisete her, das her eyn lutir mensche was. abir do
her sprach: vatir, ich wil, wo ich byn, das si do mit mir sin, Do
bewisete her eine gewaldige gotheit vnd das her werliA got was.
dorume suüit ir dis ewangelium lernen, vnd merkit das grase gut,
das vns got getan hat, vnd das cAuntessin vnd den wynstock vnd
%di passio. dy solde eyn iclich (97^) mensche kunnen von warte
czu Worte. Nv kere ich mich uf das ewangelium hüte. Johannes:
nymant kumt czu mir, is insy das en der vatir czuwit. Ghetto
nymant kan körnen czu cristin gloubin vnd czu Christo wen vom
gotlichir craft, wen di studce des gloubin sint ohir di natura tmd
9b alle di naturlich sin kan ir nichi begrifin. Nv sprechin etlieho:
ezuwit mich denne der vatir nicht, so ist is myn schult nicht, das
iA nicht kome. das ist valsdi. der vaür czuwit alle hde czu
dem gloubin vt^ czu dem sone, abir si inoolgen nicht vnd totttm
den gloubin nidit irvuUin mit den werkin. Dorume werdin si
100 virtumet. Textus. Ich wil en irwedcin an dem iungeten tm§e.
Der kezte tae mac nymme, wen der mensche vz der gnadin vMi.
adir mac nymme den iungsten tac di in Giristum gloubin ak si
sich stozin adir snaben adir ioch vaUen, vlyn si wedir czu ym, her
inpfel si vnd nymt si wedir czu ym. die wirkit der vatir wUt
xob gotlichir craft, das si m disen tagen mögen von Christo tffutdrfl
werdin. Textus. h ist gesehrMn, das si alle gotis gderit stMess
64 beide mal bekentins, ygl. 4, 33. 5, 123. 75 lies Hn hoch
gebet, Tgl. 3, 69. 4, 23. 5, 2. 86 da ti. 95 lies ktamenr
102 verderbt, etwa abir mac nymme der iungite tae (den dir die), A*
in Christum gloubenT
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PUBflEB DEimCBE MTSTIK II 159
werdin, vnd wer gderit tont ven dem vaiir, der kumt czu mir.
die meint, das eyu mensche Chrieii lebin lerii vnd Christi lere vnd
euch die ynnewenige ineproche gotis vnd €y» idiehe vermanunge,
dy goi in vne unrkit. wer disen volgit vnd ym Itbit, der hmitixo
eau Christo, Textus. nieht das [her] den vatir ymant gesehin
hab denme der von gote ist, der hat en gesehin. Glosa. dis ist
Christus, wen man mee dinc (9V) irkennen in dryerUie wise.
C%nm ersten hy siner wirkwuge. also irkennit man den moler by
einen bilden vnd den sehr^er by einer sehrift. Czum andhm maleub
irkennit man dtne, als is ist an ym selbir. also irkanten di hey-
ligin got vnd dy engele in dem ewigen Ubin. Czum dritten male
mac man dinc irkennen noch einer mose vnd noch einer vnmose,
als is ist in alle siner mogenheit adir macht vnd in alle siner
traft, dse bekennit der son alleine den vatir mit dem vnmeeigen\20
bdcentnis. so bekennit der vatir den sen wedir mit dem sdbin
hdtentnis. so bdcennit der heylige geist den vatir vnd den son
mit dem seUnn bdcentnis. so bekennit der vatir vnd der son den
heyligin geist mit dem seibin bekentnis. also bekante en ny crea-
tura, das wir en kennen mitten, des helfe vns goL amen. i25
123 bekentins.
TubiDgeD, 18 September 1882. Philipp Strauch.
TritUant und Ualde prosaroman des funfiEehnten Jahrhunderts heraosgegebea
von Friedrich Pfaff. Bibliothek des litterarischen Vereins in Stutt-
gart cui. Tubingen 1881. 237 88. 8°.
Im wesentlichen auf meiner scbrift Zur kritik des proBa-
ronans Tristrant und balde fufeend bat dr Pfaflf unter der aegide
des geh. hofrats Bartsch eine kritische ausgäbe der Trietrantproea
SB liefern versucht, dass er redlichen fleifs angewendet bat, ist
nicht za verkennen, leider bat sich Pf. ausschliefslich auf meine
bibliographischen angaben verlaesen (vgl. s. 204) und sich nicht
om einen weiteren Augsburger druck o. j. bekamroert, auf welchen
mich taerst eine bemerkung von Willielm Hertz, Tristan und
Isolde^ Stuttgart 1877, s. 540 aufmerksam machte. derseUia be-
tedet sich auf der hof* und staatsbibiiotbek zu Hüocfaea und
tragt die Signatur P. o. germ. 96". durch die liberalitQt • der
Manchner bibiiotheksverwaltung bin ich in den stand gesetzt, ge*.
Dauere angaben über diese interessante Version zu liefern« ich
bezeichne dieselbe zum unterschied von A, der von Pf. seiner
ausgäbe zu gründe gelegten Augsburger ausgäbe von 1498, nach
ihrem aufbewahrungsorte mit M. M enthält 86, ursprünglich
88 bll. ohne paginierung, mit Signatur und custoden; es fehlt
das titetblatt und bl. 79 (V iij).
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160 PFAFF TUSTRAI9T UHD I8ALDE
32 holzscbnitte tod verscbiedeoer grüCse und verachiedenem
formal stehen im text ein älterer und jüngerer stileharacler
Iflsst sich an ihnen unterscheiden.^ die biider sind sehr ungleich
auf den text verteilt: von bogen L (hl. 41) ab stehen nur noch 6;
die wenigsten passen genau zu der dargestellten Situation, es
wurden wol meist alte, zu anderen erzflhlungen angefertigte stocke
noch einmal verwertet; passend erscheint zb. die darsteilung von
Tristrants auszug A iiij% des kampfes zwischen Morolt und Tri*
strant C*, der speisung der durch hungersnot heimgesuchten Iren
C iiij* ; dagegen erblicken wir sehr ungehörig auf der darsteUang
des Wannenbades E^ nicht nur Tristrant sondern auch Isalde
und Brangflne(?) voUig nackend, die beiden ersten in etwas
zweifelhafter Situation; ferner bekennen sich Tristrant und Isalde
auf dem bilde Gij* ihre liebe nicht auf dem schiffe, wie im texte
zu lesen steht, sondern im freien unter einem bäume usw.
mehrere holzscbnitte werden ohne rücksicht auf den text wider-
holt: Cif-=D*»; Aii = Eiiij«; Dif — Fif; G ij* — J ij*. am
schluss des bandes s. 88* lesen wir die notiz: Hie endet siek
Herr Triitrant. Gedrudct vnd volendet in der Kayserlidten StaU
Äugspurg, durch Hans Zimmerman. dem Münchner exemplar war
laut inhaltsangabe auf dem rücken des pergamenteinbandes vor-
gebunden: Einz. 8. k. Maj, Sons Prinz in Hispn zu Brüssel in
Brabät 1549 Leipzig.
M bat von allen bekannt gewordenen drucken aufser A und
W allein selbständigen kritischen wert, es geht auf dieselbe vor-
läge zurück wie A, mit dem es an vielen stellen einen minder
guten text bietet als W; in einer ganzen reihe von fallen aber
hat eSy wie die Übereinstimmung mit Eilbart lehrt, allein das
echte erhalten, in vielen puncten geht W, das im allgemeinen
stärker modernisiert, auf einen M nahe stehenden text zurück.
Pf.s text ist an folgenden stellen aus M zu berichtigen ; zunächst
führe ich die fälle auf, in denen M eine correctere lesart oder
eine ältere wortform überliefert, ohne dass für dieselben die Ober-
einstimmung mit Eilhart beweisend hinzutritt. 3, 21 beywesen
(ist beweysen nur druckfehler? >); 3, 25 lübnas; 5, 20 beÜiA;
7, 5 Verliesen, so meist für verlieren; 9, 7 grosser beit; 12, 14
gexogUeken vgl varr.; 17 het; 13, 13 ainem mann feeJäens statt
vgl. varr.; 15, 8 yedtweder; 16, 19 erbeiten] erwarten; 18,23
soU ergeen; 19, 9 leben edel ist; 21, 12 dar an dem] daran en
dem; 23, 17 freyen] füren; 21 entweren] entworben; 28, 8 ruwe;
32, 8 kann man zweifeln ob ander gerayd dem original zukam;
32, 23 lies 2^1« stund; 39, 9 vereinet; 40, 16 leicht] vitteicht vgl.
' director Rulaod beobachtete an den jüngeren eine entschiedene ver»
wandtschaft mit der technik Hans Springinklees, der nach Bartsch Le peintie
gravear 7, 322 ffesen 1540 starb.
* das omgekehrte verseben ist dem setser von A 7S, 9 passiert.
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pp^p TRianiAirr D!f]> »AbBi 16t
75, 21 varr.; 41,7 zureda] reduUch; 12 alle meni^lieh] yeifer-
mtm; 42, 2 bas mit jm besiatt vnd; 44, 12 mamer ßder idiiff-
man; 46, 3 wü/Ü M vgl. 2383, wert« wol nur druckfehler; 46> 2t
lern köffiuh] Win ho flieh W ; 47, 4 g^ee] yehe vnd behende; 50, 4
mftfar; 51, 7 efen fe^; 19 gesenßet; 53, 13 tm^eAattkit; 54, 6
Da; 55, 10 verleufe; 59, 9 meynen fey&; 60, 18 den legb laewn;
62,1 dein fifs vnd beger; 71, 8 (enemef mir den leib; 79,8
yeül/«] villeicht etwas; 80,4 noch? nodk, vielleicht nur modenier
druckfehler? vgl. 3806; 82, 13 noch dann] dennocht vgl. 86, 24 und
varr.; 83, 20 gefieng; 85, 10 bett; 16 do ist kein bet für; 25 von
deinem b^t; 86, 22 nit xweifel; 87, 20 Ate aussen beliben; 21 seiner
sünd; 89, 6 etwa; 90, 2 ^e/efren; 92, 2 lies füncklein; l&den letl^;
93, 12 /etcAfer (erej^ leichtem gebet ; 95, 10 (ien fet'fr; 97, 14^6-
sehweig auch; 98, 18 irer leyb; 100, 11 gieng er zu; 13 Aer ^e-
sagt; 101, 5 gewifs; 102, 4 erftemiÄrltcA, erbermllich alter druck-
fehler? >; 102,9 verdriessen] verschulden; 104,2 darauff ainest
der kitnig gewartet het; 14 ^esetn; 105, 13 jn baidm war mit W
und M iD den text zu setzen wegen 100, 12, wo H ir bayder
statt des durch Eilhart gesicherten dat. yne setzt; 106, 19
Warumb] Der künig sprach; 22 icht; 107,2 euwer selbe; 108,5
^dlerHebeten frauwen; 14 meinen willen; 111, 10 diser; 111, 22^
112, 4 tnn^J i^on; 115, 10 Sitten; 18 oeA/J auffmercken; 116, 6 t;or
»ye; 13«fonfetfr; 117, 18 er^ei/f; 2b sitte; HS, n treib; 120,1
Aotf/i; Snon/jset/; 121, 1 gemaint; 125,21 ^Mot/« haben; 126,^15
(rtü^eii gewis nicht druckfehler, wie Pfaff vermutet, M bietet'
dringen; 19 entbutten; 128, 16 den leib; 130, 9 en wol Got, das;
22 heüwen mit; 134, 1 ma^eT; 137, 24 ze stund, ob; 139, 8 dass
toren Ansturm ist, bestätigt tom in H; 141, 18 Ate difshalb.
des bafs; 142, 8 rechte; 144, 6 smier; 145, 22 Entrawe; 146, 17
^r»f)f; 147, 23 meyle; 156, 13 rreit; 158, 21 des wirt; 161, 23
do] so; 165, 9 leicht; 169, 27 reden t;n ersprache, ersteres soll
wol das zweite, ältere wort erklären; 176, 3 ward jm vngemaeh
vnd zom; 6 Am] darvon; 15 reyt aUer allein; 178, 1 ireuwen;
180, 26 sy empfiengen grosse gab vnnd myet ähnlich wie 169, 27;
183, 6 Baskfnd oderknab; 186, 19 Ichentwaifs für mwaifs, die
negalionspartikel hat sich in M öfter erhalten als in den ttbrigen
drucken; 186, 24 Da; 192, 19 reyt; 193, 17 säiwtrt; 194, 13 reto
vmnd laid; 198, 2 sdtrey.
Wichtiger aber ist M dadurch, dass es vielfach genauer zu
Eilharl stimmt als A und W, und damit zugleich einen gewährs-
maoo fflr die gute Überlieferung des textes in den bearbeitungen
X, D, B, R abgibt ich lasse diese ßiUe vollständig nach meiner
^ nidlte davon in Eilharts gedieht; vgl. noch 85, 17. 102, 22* 196, 13
bei] öite aö» wie vertragt sich damit Bartscbs behaaptung, dasa 6«to Im
15 jh. nicht mehr üblich war (Germ. 23, 3&0)T
* indes auch 116, 16 erbsrmtUehJ erbermkUeke,
A. F. D. A. II. 11
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162 PFAFF thisthant und isaldb
collatioD folgen: 7, 19 ^m Pfenning gewinnen 442; 14, 12 sig
hie 806; 15, 14 und sprang fehlt 876; 15, 18 fiel auf ba^e
knyee 901; 18, 21 günnet 1123; 26,21 gelenget 1590; 35,3
möge! freund 1955f ; 18 das sy 1974; 36, 13 s&n oder frid 1995;
18 all deine 2004; 37, 2 jm tourd der hinig sein tochter geben,
worUtelluDg genau wie 2024; 38, 6 an ain bände 2097; 39, 15
het vnsem, die directe rede stellt sich näher zu 2148; 25 ain
grofs vnfüg bestätigt zugleich 2156 die lesart von D gegen meinen
text; 40, 19 ob du den Serp. nit hast erscU, 2200; 42, 13 ir] sy
2245; sein] es 2277; 47, 12 ye ichlz vgl. 2471 H; 14 wir dein
huld 2476; 17 setifft 2480; 53, 24 enkan leider; nit fehlt 2751;
54, 18 stellt sich H zu A eywer dienst wygen mich wol vergeen
u. f. usw., diese lesart macht meine conjeclur Zur kritik s. 20,
welche Pfaff ignoriert, noch wahrscheinlicher; 20 Ir hapt ainen
(üppigen) vgl. 2768; 57, 9 gethet 2839; 60, 23 ich nun arme
2988; 62,3 den leib 3032; 9 bot 3044; 12 ir auch 3048; 66, 1
durch mich gewundetd20i; 71, 9 well 3417; 10 lugentlich siech
steht IX 18 näher als AW; 72, 9 wefst die fraw künigin 3502;
74, 9 durch sein A ix 179. 3598; 74, 14 ist mein minste sorg ist
knapper und steht 3608 näher als A; 78, 15 dir gefalle 3761,
ez fehlt auch in H; 81, 5 ym fehlt mit recht, vgl. 3837; 84, 16
leut] von leuten 3982; 85, 11 also lieb nicht 4008; 88, 4 auch
so klein, das wir der gar leicht hüten 4118; 93, 24 f er nun n.
n. y. kam vermainte sich an den zu rechen; als er auch
thet vgl. 4315 f ; 95, 9 auch] dartzü 4363, das original hatte wol
noch holden, H gibt dies veraltete wort wider mit gut günner;
14 seer fechten 4368; 17 fecht] billt bestätigt meine conjectur
4373; 95, 25 reit er hin heim 4400; 96, 4 mifs 4409; 16 do
fehlt; tod wesen 4435; 99, 26 ainer aines 4595; 101,26 sein
^n fehlt, P bestätigt in dieser form die lesart von II 4720. 21;
103, 19 durch verdienen vn behulden blickt man auf 4854; 107, 10
mufit 4932; 113, 1 zuge sy d. g. m. l für 5186; 115, 4 drowen
5282; 116, 12 hat M den kräftigen vergleich bewahrt: als ein
Schwein] gar seer, bei Pfaff s. 213 z. 14 ff zu streichen; 117, 14
müstu 5402 ; 15 uns war und recht gesagt 5403 ; 20 in diseni
5420; 23 sol wir 5425; 122, 11 ein tretl fehlt, 5606 H; 123, 20
Lassen wir jn frommen u. seh. m. vns haben 5665, Pfaff hüite
hier W in den text setzen müssen; 124, 1 liefs Herr Tristranten
tii5669; 124,4 kunen 5675; 125, 2 getörst 5713; 12 von] vor
5735; 126, 2 gefangen 5757; 19 künig, er liefs graffen Ryolin
ledig 5799; 132, 19 getarst näher zu 6156 als AW, besonders
zu B; \39, 4 das es die 6439; 142, 9 den lang gestreichet 6604;
143, 21 für die frawen 6656; 144, 19 gebeurin 6681 ; 26 /. werefit
vn mir genoß 6697; 146, 24 getzogenlich 6795; 148, 4 er den jagen
AuZ/f 6859; 12 getorst du 6874; 23 das magst 6900; 152, 6 gethün
mochte 7058; 155, 9 Pyloisen 7205; 156, 9 iV iV 7243; 159, 19 ge-
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PFAFF TRISTRANT DND ISAtDB 163
bQümlUl; 164,2 daspferdl&Sl; 175,8 «anr 8268; 12 sper]
ifiefs 8276; 179, 10 ich euch 8463; 180, 24 %}ii %u Land 8552;
183, 13 mir dmmen h. 8679; 185, 2 ajfen/tcA 8744 D; 185, U
lAoren 8763; 187, 1 thor 8835; 188, 3 (ome* 8901 tdrechie;
189, 13 so, wefst ich 8985; 193, 22 kib emem 9197.
Die selbständige bedeutuog von M tritt am glftniendsten zu
tage in der bewahrung von echten setzen und gedankenreihea,
welche in allen übrigen drucken vollständig entfallen sind; so
89, 19, wo H liest wen ich waifs woi, ah bald der k. usw. in
Übereinstimmung mit 4182; Praff klagt s. 213 über das fehlen
der schönen erinnerung an die heldensage, M hat sie bewahrt:
129, 17 ist zwischen den beiden Sätzen einzuschalten: man $agt
tnm Herr Dieirich vn vom HiUbrande, die mochie aber solUch etreit
nie geihun ah Herr Trietrant vnd Herr Caynis, der enden gethon
haben; 163, 25 folgt nach dem absatz in M noch vn der Künig
dem hirsch nach regt vgl. 7673; 189, 5 folgt auf frawen noch
to€fiti er eg vor aller web innigkUchen lieb het vgl. 8972. 73^;
201, 4 nach willigklich steht in M Leut Land, was sich verglichen
mit 9494 als echt erweist.
Ob andere salze, welche nur H überliefert, der ursprüng-
lichen redaction von P angehören, lässt sich wol nicht entscheiden;
die bedeutendsten sind: 53,9 nach kumenidas auch nit müg-
Ueh were jnen den wege der grossen Uebe zu besMieseen; 96, 24
auf reiten folgt der werten das sein Herr den leyb möcht bdkaUef^;
164, 13 zwischen erlengert und darumb lesen wir noch vnd mit
vil senender not langest vergangn mit sehwinnendien hertzen er-
myioem.
Einmal 73, 5 mit wesen statt bleiben geht M direct auf A
IX 121 zurück.
In folgenden ßülen ist durch combination der lesart von M
mit den bereits bekannten Versionen der echte text von P zu ge-
winnen: 31, 10, wo M überliefert etwo inn d, n. hiebey vgl. 1814;
33, 18 tm thu es hart geren, wo AW mit ungern, M mit hart ge-
nauer zu 1912 stimmen; 67, 24 die geliebten zwaig ungesprodken
musien scheiden 3279, dazu halte mau noch Rol. 63, 13 (vgl.
114, 27) Du stA die gelieben vone ein ander geschieden, so war
M heranzuziehen zur geslaltung des leites von P 70, 28; 138,24
für kam uö.
Sehr oft ist PfafT seinem kritischen grundsatz s. 209 untreu
geworden, durch M ireten diese vers«*hen seiner text^esUiltung
vielfach in ein noch schärferes licht: 31, 7 lies dem schlag nach,
moderner Vi huffscUag vgl. 1781; 37, 19 war innigkUchen aus W
aufzunehmen vgl. 2062; 39, 22 stehen MW mit dardurA wir
auch das gantz land 2156 näher als A; 53, 21 die Wortfolge
^ dast gerade die beiden nun Doch durch die prosa als echt bezeugten
▼crse ebenfalli ia D fehlea beruht gewis nur auf zofall.
11*
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164 PFAFF TRISTRANT UND ISALDB
$ol ligm in MW entspricht genauer 2746 9al ligen gän als A;
Pf'aff hatte nach seinem princip H heisetzen müssen, dessen lesart
die Priorität ?or D gesichert wird. 66, 6 war W =« M in den
text zu setzen wegen 3206; 84, 16 wird acc. aU setn land MW
als richtig erwiesen durch in die larU 3981 ; 100, 7 Kest M yn
sM$ dar braeht stl dem hiUlin, ähnlich auch W vgl. varr. und
4613; 113, 8 vgl. 5203; 125,21 ist mit MW heim vnd sekiU zu
setzen, vgl. 5751. 52; 148, 19 lies fast übd 6890; 173, 3 die-
selbe Wortstellung wie in MW gezimbt nit ewer kran 8160, also
war vielmehr A unter den text zu setzen; 174, 6 geht verzeuhe
W (verzeuch M) auf varzige 8209 zurück, wie das aus A reci-
pierte vertzeihe; 174, 21 ist statt verwarrt vielmehr gewartet
zu setzen vgl. 8248; 184, 2 du magst sy usw. mit MW ver-
dient den Vorzug wegen 8696 ; ebenso die Wortstellung von MW
186, 23 wegen 8829; 188, 21 muste mit MW geschrieben werden
tmd es füurden sein zwen 8944 ; 194, 3 muste Pfaff die zmen
Helden in den text setzen, noch enger an 9202 schliefst M mit
zwen man an.
Für verfehlt halte ich Pfaffs text ferner 163, 11 (7624). 171, 5
(8059). 183, 16 (8681), eine sehr wichtige stelle, s. Zs. 26, 7,
Ober die Pfaff schweigt. 187, 10 (8867). 187, 13 (8875). 197, 16
(9371). 199, 2 (9424). 200, 24 (9481), wo ich zwar Pfaff gegen
meine frühere auffassung beitrete, wo aber in X Üben aus D, in
P trauten aus MW aufzunehmen ist.
In conjecturen zu dem ursprünglichen Eilharttexte hat sich
Pfaff grofse enthaltsamkeit auferlegt, doch steuert er einiges gaax
brauchbare bei, zb. die emendation von 6439. 7457. dankbar
muss man ihm auch dafür sein dass er überall, wo nach seiner
ansieht eine Übereinstimmung von P und E wertvoll für die
restitution des gedichtes sein konnte, die verszahl meiner aus-
gäbe und die gegen meinen text zu bevorzugende hs. beigesetxt
hat. wie oft der zufell bei diesem zusammen- und auseinander-
laufen der texte sein spiel treibt und welche merkwürdige
kreuzungen der lesarten die texte der prosaischen und versifi--
eierten fassungen des Tristraot aufweisen, habe ich schon Zs. 26, 6
anm. 1 gezeigt, es bedarf der feinsten beobachtung, die Üldeo
ztt entwirren, wie seltsam fährt zb. die tatoache, dass auch
H BB W 93, 3 haifst für last in Übereinstimmung mit D g«wflbrt»
zwischen Pfaffs anmerkung zu der stelle der prosaf 117, 13 stellt
sieh M mit ist zu 5400, wie ich mit D schrieb, gegen A W «s B :
das anticipierende ist scheint mir poetischer, ich komme auf
diese schwierigen fragen^ wol bald in anderem zusammenbanf
zurück, soviel Aber Pfaffs text.
Das Schlusswort widerbolt die ergebnisse meiaer kleineo
^ wie soll msD zb. die übereinstimmang von 6 9008 niU P 190, 7 be>
sonders in der gestalt vonM sy vjurden %ü kriege gegenüber DH erklären T
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PFAFF TBISTJUNT 0110 lAALDB 165
scbrift nicht obue dankenswerte nachtrage und kleine berieb-
tigungen. s. 210 wird verschwiegen dass P von mir auch noch
1144. 3594 (ix 175). 3974. 5812 zur bestatigung meines textes
ausdrücklich angerufen worden ist. s. 214 begeht Pfaff denselben
irrtum wie ich: hutiglari ist kein höfisches, sondern schon ahd.
khnwort.
Zu den ausfahrungen s. 223 f kommt jetzt die reiche bei-
gpielsammlung für die abschleifung des part prds. von FBech,
prctgramm des Zeitzer Stiftgymnasiums 1881 — 1882. wie der verf.,
der in den sprachlichen erOrterungen s. 217 ff gute grammatische
kenntnisse zeigt» in der anm. zu 73« 2 die einfache tatsache, dass
dem oberdeutschem R nur ein masc. list gelftufig war» bat ver-
kennen können, ist mir unbegreiflich.
Nachdem wir in M eine neue wertvolle Überlieferungsquelle
der alten Tristandichtung kennen gelernt haben» ist der vertust
des ältesten datierten Augsburger druckes doppelt zu bedauern,
vielleicht fordert ihn doch noch einmal ein glücklicher zufall zu
tage, der schaden, welcher der vorliegenden ausgäbe aus der
nichtbeachtung einer zugänglichen editipn erwachsen ist, wird
hoffentlich künftigen kritischen bearbeitern der deutschen Volks-
bücher und anderer durch lebendige Überlieferung fortgepflanzter
druckwerke des 15 und 16 jbs. zur eindringlichen wamung dienen.
Weimar, im august 1882. Franz LicarsprsTBrn.
Die Partikel b« in der miltel- und nenhochdeotsehen verbateomposition. als
disscrtation verfaast von dr AHmniAm. Wieo, Carl Konegen, 1882.
vm und 278 ss. 8^ — 3 m.
Eingehende Untersuchung der deutschen partikelcomposilion
ist anziehend, wie kaum etwas anderes, da man überall bedeutende
wttrkungen durch unscheinbare mittel erzielt sieht, die tiefe ein-
blicke in das geheimnisvolle leben der spräche und besonders in
die eigentümlichkeit der unsrigen verheifsen; aber sie ist auch
verführerisch, da die gefahr nahe liegt, in einzelnen beobachtungen
vorschnell allgemeine gesetze finden zu wollen oder an unwich-
tigen und kleinlichen dingen kleben zu bleiben, das erste hat
hr Hittmair voll erkannt, und gleich die vorangestellte lehrreiche
übersieht über die philologische behandlung der deutschen partikel-
composition seit dem 16 jh. bis zu JGrimm (s. 1-— 11) erweckt
das interesse, ja die Spannung des lesers für den gegenständ der
Untersuchung; nicht immer ist es ihm bei mühevoller beobachtung
.ttod gruppierung der tatsachen gelungen, den angedeuteten ge-
fahren ganz zu entgehen.
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166 HtTTMAIR PARTIKEL BE
Das abd. hat H. von seiner Untersuchung ausgeschlossen,
i^as zu bedauern ist; schon das bei Graff m 6 — 9 zusammen-
gestellte material hätte ihm einen festeren sprachgeschichtlichen
ausgangspunct geboten als das mhd. freilich ist schon das mhd.
und nhd. material weitschichtig genüg, gegen 3000 verba mit
he-, oft an mehr als je einer stelle berOcksichtigt, zählt das
register auf, und H. ist weit entfernt die unbegrenzte mOglichkeit
noch weiterer neubildungen, zu denen namentlich Norddeutschland
neigt, zu verkennen, er sucht in dieses wirrsal licht und ord*
nung zu bringen, indem er strenger, als es von Grimm Gramm,
n 799 ff geschehen war, classificiert und gruppiert, das haupt-
princip der einteilung bildet die syntactische construction der
&e-composita : transitive und reflexive s. 16—214 und intransitive
S.215 — 232; auch von den abgesondert behandelten unpersönlichen
verben s. 233 — 236 hätten die mit acc. verbundenen der ersten
classe untergeordnet werden sollen, durch diese einteilung tritt
ein von Grimm schon angedeutetes resultat mit überraschender
klarheit hervor, nämlich die allmählich mit steigender consequenz
durchgedrungene herschaft des transitiven typus (s. 217 fl)- die
noch im 16 und 17 jh. nicht seltenen intransitiven be-composita
sind mit ganz geringen ausnahmen (aufser hleihen nur begegnen, be-
harren, benAm, bestehen; daneben die unpersönlichen bekommen, be-
lieben, behagen) veraltet oder in transitive und reflexive Verwendung
übergegangen; alle jetzt möglichen neubildungen sind transitiv.
Die masse der transitiven 6e-composita teilt H. wider in zwei
classen, je nachdem das grundwort intransitiv ist oder ebenfalls
schon mit acc. verbunden werden kann, die absonderung dieser
zweiten classe von der ersten ist nach meiner meinung in der
bedeutung der composition nicht begründet, denn auch wenn
das grundwort transitiv gebraucht werden kann, muss doch auf
den absoluten gebrauch desselben zurückgegangen werden; ist
be-gehn^^im gehn erreichen oder umfassen, so ist be- greifen
===: im greifen erreichen oder umfassen usw. wichtig aber ist die
absonderung dieser 5e-composita mit transitiv gebrauchtem grund-
wort in so fern, als sie gelegenheit zu interessanten nachweisen
darüber bietet, wie grundwort und compositum sich neben einander
bewegen, teils indem das eine das andere zu verdrängen sucht,
teils indem ihre bedeutung differenziert wird (s. 162 ff).
Die nach Grimm ii 802 f unmittelbar aus nomin ibus ge-
bildeten (e-composita wie be-rauschen, be-^eichem stellt H. sämmt-
lieh zu seiner zweiten classe ("fte-composita mit transitivem grund-
Worte), indem er annimmt dass auch da, wo ein transitives ein-
faches grundwort nicht nachgewiesen ist, doch der dieser gruppe
eigentümliche typus der composition zu gründe liege, diese von
Grimm abweichende auffassung ist zwar sehr ansprechend, hätte
aber eingehender erörtert und begründet werden sollen, als s. 83
geschehen ist.
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UITTMAIB PAftTlKBL BB . 167
In der weiteren einteilung der erwähnten bauptclassen kommt
U. öfters m einer zersplitleriifig, welche der sache wenig dient
und die ttbersicht erschwert, ich kann es zb. nicht fttr einen
glücklichen einrall halten dass er die 6e-composita mit noch er-
kennbarer localer bedeutung bei der aufzählung s. 21 ff sondert
nach den präpositionen (tm-, auf-, über-, um-, in-), mit welchen
be- vertauscht werden könnte, die Unterscheidung lässt sich
nicht durchfahren, denn b^giefim zb. kann bedeuten sowol auf-,
als auch an-, vm-gieften; und sie ist nickt treffend, denn begiefsen
sagt doch wider nicht ganz dassdbe wie diese bestimmteren be-
zeichnungen. für die reflexiven verba sind s. 226 ff nicht
weniger als 25 typen aufgestellt — eine unnütze haarspalterei.
ich hätte an diesen und anderen stellen lieber mehr noch, als
es schon geschehen ist, zusammenhängende erörterung der sprach-
lichen erscheinungen gewünscht, und dann zusammenhängende
aufzählung der belege.
Für unnütz halle ich die aussonderung der 'personlichen
gruppe' s. 148 ff, da es für den character der composition gleich*
giltig bleibt, ob das object eine person ist oder nicht; auch diese
absonderung ist aufiserdem nicht streng durchführbar, den aus«
druck decapitieren s. 160 ff hätte ich lieber durch: erhaUen oder
neubäden des einfachen verbums ersetzt, die merkwürdigen, nach
1750 häufig angewandten deteriorierenden composita mit anno-
mination an ein vorher gebrauchtes wort beschränken sich nicht
auf die erste person, wie aus einem von H. selbst angeführten
beispiel hervorgeht: er fUgül antwort: mich so zu be flegeln l
(8. 193 f).
Docii müssen diese kleinen ausstellungen zurücktreten vor
der anerkennung der fleifsigen und verständnisvollen arbeit, die
auch aufser den hier erwähnten hauptteilcn des buches in excursen
und eingestreuten einzeluntersuchungen vieles treffliche zu tage
geTordert hat. auch die stilistischen und ästhetischen motive, die
bewust oder unbewust bei erhaltung und neubeiebung des ein*
fachen gruadwortes oder bei bildung der composition mitwürken,
bat H. nicht vergessen, es ist jedoch merkwürdig, wie auch
bierin der geschmack wechselt. U. bezeichnet s. 161 den ge-
brauch des einfachen verbums (decken statt bedecken, feuchten
statt befeuchten) als kennzeichen des gehebenen Stils, der junge
Goethe liebt die einfachen verba; ebenso seine freunde, nament«
lieh Klinger; sie erschienen ihnen edler, weil einfacher und ur-
wüchsiger. Jean Paul dagegen liebt gerade aus ästhetischen rück«
fdcbten die verba mit der vorsilbe, und er begründet das geist-
reich spielend (Vorschule der ästhetik, letzte seite): dm anfang
macht schöner stets die kurze silbe ... der mensch platzt ungern
heraus — er will überall ein wenig mor genrot vor jeder sonne!
Königsberg. 0. Eromaiu«.
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.168 8T0IIII BIIGLIBCHB FBILOLOGIB
Biliflische philologie. anleHong cum wiasenBcliafÜichen studivm 4tt eng<-
Uacheo spräche tod Joban Storm., wd,\ -profesBOr der somaniaelieii
UDO eogUschen philologie an der UDiversiUt GhrisUaDia. vom ver-
faaaer für das deutsche poblilcom bearbeitet i. die lebeode spräche.
Heilbronn, gebr. fleoniager, 1881. tvi und 468 ss. gr. 8*. — 9in.*
Der verf. will io dem werke, dessen erster teil hier vorliegt,
^«ia€ anleitiiDg sum wisseascbaftiichen Studium der englisobea
•praohe, zanXchst fQr angeheDde philologen beslioMiit' (s. 1) gebeiK
«r. kai dabei diejeDigeo studierendeD der eDgiisohen philologie
im äuge — oud sie bilden ja in der tat das weitaus graste con-
tingent — , fttr welche das Studium als Vorbereitung zu emem
^Bchulamt dient, und die einst die lebende spräche 2u lehren
haben werden, die rtlckaicht auf diese spfttere pnictische tfiiig*
lEoit bestimnit St.s aufiassung des siels des englischen Sprach-
studiums, er sagt darüber gleich zu anfang seines buches (s. 1),
wo er von der 'modernen philologie' im allgemeinen spricht:
'was im Studium der modernen philologie zunächst beabsichtigt
wird, ist vor allem kenntnis der sprachen selber, hierzu gehört
zuvörderst das Verständnis der sprachen in sdurift und rede, dann
das beherschen des mttndlicben und schriftlichen ausdrucks.' die
lebende spräche also ist fttr St. das eigentliche object des stu*
diums und beherschung derselben in rede und schnft der in
erster linie zu erstrebende zweck, daneben aber 'bedarf es eines
wissenschaftlichen und historischen Studiums' (s. 8). Mer philo*
löge soll sich wissenschaftliche einsieht in die spräche und in
deren geschichte erwerben, nicht nur weil dieses Studium mehr
wissenschaftlich ist und somit die geistesfühigkeiten besser ent-
wickelt, sondern auch und besonders weil es im hiVheren sinne
practischer ist, indem es das Verständnis und die aneignung des
Stoffes erleichtert und eine höhere anschauung der phanomene
nnd ihrer Ursachen mit sich bringt' (s. 9). aber 'wir wünschen
den lehrern nicht eine unpractische, au keinem ziele fütnrende
Wissenschaft aufzudringen, sondern sie zu einem solchen Stadium
der Sprachwissenschaft anzuregen, welches das Verständnis und die
aneignung der phfloomene der gegenwärtigen spräche erleichtem
katan' (s. 9 f). die wissenschaftliche und historische Schulung
der studierenden Iflsst St. somit wesentlich nur als ein hilfsmittel
zur erkenntnis der lebenden spräche gelten.
Ich beschränke mich darauf, diese ansichlen des verf.s Über
ziel und einrichtung des englischen wie Oberhaupt des neusprach-
liehen Universitätsunterrichts, die übrigens keineswegs neue sind,
hier anzuführen, da auf ihnen die ganze anläge seines buches ba-
siert von einer discussion derselben und einer mitteilung oder
{* vgl. Jahreabericht m 173 f. — Za. f. die österr. gyma, 1882 a. SOS ff
(JSchipper). — Utteratorbl. für germ. und rem. phil. 1882 nr 7 (ESievers).]
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flüOÜI BMGLUCHft PHILOLOOIS 169
gar begrandmig meioer weseDtlich abweicbenden aDsehauuBgea,
4ie* sich ib der bauptsaobe durcbaaa mit denen Körtings in dessen
Schrift Gedanken und bemerkungen Ober das Studium der neueren
sprachen auf den deutschen hochschulen (Heilbronn 1682) decken,
sehe ich ab. in so fern jedoch ^ das mOcble ich, um mis?er-
stflndnisse zu yermeiden, besonders bemerken, aber auch nur in
-90 fem, vermag ich St.s standpnncte eine sympathische seite ab-
zugeiwinnen, als dieser gelehrte einer eingehenderen berOok-
skhtiguBg des neuengliscben (und neufranstaiscben) auf der Uni-
versität nachdrücklich das wort redet denn dass das Studium
des neuenglischen «nd neufranxösiechen an den meisten hoch-
schulen noch mehr oder weniger danieder liegt, obwol sich in
dieser beziehung wlüirend der letzten jähre manches gebessert
bat, ist eine nicht zu bestreitende tatsache.
ABlser für 'angehende philologen' bat St. sein buch auch
ftkr * weitere kreise' (s. 1) besfimmt. unter diesen versteht er
Lehrer und andere, «lenen es um ein tieferes versiandnis der
spräche zu tun ist' (s. vh).
Bei einem in mancher hiusicht so eigenartigen encyclopSdi-
schen werke, wie das vorliegende ist, wünscht man zunSchst Über
seinen umfang sowie nameatlicb über die Verteilung und anord-
nung des gesammten Stoffes informiert zu werden, hier Uisst
uns aber der verf. recht .sehr im stiebe, ja man kann sich bei
näherer prOfung des eindruckes kaimi erwehren dass er bei
bearbeitung dieses ersten teiles sich selbst über plan und umfang
des ganzen Werkes noch ziemlich unklar war. aus einer ganz
gelegettthchen notiz auf s. 414 ersieht man dass der zweite teil
das historische bebandeln soll, von einem besonderen, der
grammatik bestimmten bände ist s. 417 die rede, ob dieser
aber je erscheinen wird oder nicht, darüber ist der verf. mit sich
noch nicht im reinen, das eine mal heifst es, er habe denselben
'ursprünglich beabsichtigt', das andere mal, 'es habe damit
noch lange zeit' und 'vielleicht werde er dann später die
grammatik ausführlicher behandeln', weshalb es ihm 'am zweck-
mSfsigsten scheint, die wichtigsten erscheinungen hier (dh. in
den ersten teile) knrz zu besprechen', nämlich auf 5 seiten, die,
wenn der in rede stehende band einmal erscheint, überflüssig und
störend sind, wenn aber dies nicht der fall sein sollte, in einem
werke, wo das capitel über englische lezioographie 35 und das
über englische ausspräche 40 seiten einnimmt, doch mehr als
dürftig und unzureichend erscheinen.-— zu denselben bemerkungen
gibt ites capitel 'litteraturgeschtchte' (s. 414 ff) anlass. 'nach dem
ureprüDglidien plane sollte die litteraturgeschichte in dem zweiten
(historischen) teile bebandelt werden.' dafaio gehört sie auch
zweifellos und sonst nirgends hin. ^es scheint aber practischer
(warum?), die wichtigsten erscheinungen auf diesem gebiete schon
hier kurz zu besprechen', und nun folgt eine reihe kurzer notizen
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170 STORM BNGLIS0I1£ PHILOLOGIE
wesentlicb bibliographischer natur über Uttefarhi8t4>riache werke,
im ganzeo 3 selten, soll damit die iitteraUirgeschichte abge-
schlossen sein oder gedenkt St. im zweiten teile ausführlich auf
sie zurückzukommen? darüber erfährt man nichts, der verf. ist
anscheinend hier mit sich ebenso wenig im klaren gewesen, wie
bei der grammatik. — in dem capilel über lexicographie führt
St. s. 149—152 'historisch-etymologische Wörterbücher' auf. dass
die etymologie in den historischen (zweiten) teil gehört« erwllhnt
St. selbst in der note. warum also diesen abschnitt, dessen aus-
führlichere behandlung sich im zweiten teile doch nicht umgeben
Itfsst, hierher setzen ? der grund, dass durch die fortlassung hier
'eine allzu empfindliche lücke' entstehen würde, will mir nidit
einleuchten. — das gleiche gilt von der aufzlIhluBg spracbge-
scliichtlicher werke in dem capitel 'grammatik' s. 423.
Diese Unklarheit und dieser mangel eines woldurchdachten,
festen planes zeigt sich aber nicht bJofs in der Verteilung und an-
ordnung des Stoffes im grofsen und ganzen, sondern tritt auch in
der Zusammenstellung der einzelnen abschnitte nur allzu bttufig
hervor, wie man denn auch innerhalb der letzteren selbst bis-
weilen vergeblich nach einem princip der anordnung sucht, in
dem 4 capitel handelt der verf. zuerst über Synonymik, dann über
Phraseologie, zu anfang dieses zweiten abscbttittes gibt er eine
3 Seiten lange besprechung der Ollendorffschen methode nebst
vorschlsigen zu ihrer reform und führt dann die englischen gram-
matiken von Plate, Degenhardl, Gesenius, Schmidt und Hoppe
auf. alles das hätte wol einen passenderen platz finden können,
als hier unter phraseologie. neben der Synonymik und phra-
seologie enthält capitel 4 noch einen dritten abschnitt 'bilfsbücber
über englische Verhältnisse', als da sind: 'books of reference,
encyclopädien , real Wörterbücher', sowie werke über 'englisdie
institutionen und rechtsverhältnisse'. da werden ua. angefahrt:
Maunders Treasury of knowledge, Dickenss Diclionary of London,
Bädekers London, Beetons British gazetteer, £nquire within upon
everytliing, Coxs The institution of the english government, The
cabinet lawyer uam. alle diese werke sind gewis sehr nützlich,
und mau kann viel aus ihnen lernen: aber was haben dieselben
mit Synonymik und phraseologie zu tun? — das 5 capitel iat
überschrieben 'lectüre und litteraturstudium.' der verf. sdiickt
die bemerkung voraus, dass die lectüre mit der leichteren modernen
prosalitteratur beginnen müsse, und weist dann kurz auf mancherlei
romane, erzählungen sowie dramen hin; aus diesen könne man
vor allem die gewöhnliche rede- und Umgangssprache lernen, an-
knüpfend hieran gibt alsdann St. — unter 'lectüre und litteratar-
Studium' I — eine abhandlung von 18 seiten über die Umgangs-
sprache, der sich auf weiteren 35 seiten eine besprechung von
werken anschliefst, in denen man näheres über dieselbe fladea
kann. — St. hatte am eiogange dieses 5 capitels aucli erwähnt
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8T0BH BNGUSCRS PHILOLOG» 171
daes die leetQre von Dickens für die keoiitnis der ^Vulgarismen
der niederen classen* sehr instmctiv sei. davon nimmt er ver-
anlassung, hier — abermals unter 'lectQre und litteraturstudiumM
— einen 40 Seiten langen abschnitt über die Vulgärsprache ein-
zuschieben. — unvermittelt reiht sich ein abschnitt an ^ameri-
kanische litteratur', dann * amerikanisroen ' — darin auch eine
kurze bemerkung über 'grammatische eigenheiten' • amerikanischer
Schriftsteller — und 'amerikanische ausspräche' auf im ganzen
40 selten — alles das unter 'lectüre und litteraturstudium\ nach-
dem so 140 Seiten hindurch dinge, die gar nicht in dieses capiiel
gehören, behandelt worden sind, folgt endlich auf nur 74 Seiten
das was man erwartet. — s. 362 — 387 desselben capitels ver-
breitet sich St. über Shakespeare-ausgaben. es werden da nach
einander die folgenden besprochen oder nur erwähnt: Dyce, Seieet
plays ed. Clark and Wrigbt, Delius, Furness, Grant White, Cam-
bridge edition, Globe edition, Lionel Booths facsimiledrucke, Hal-
liwell-Phiilipps, Staunton, Walkers Critical examination of the
text of Sh., Romeo und Julie ed. Mommsen, Hamlet ed. Elze
und ed. Stratmann, Macbeth ed. Wagner, die ausgewählten dramen
der Weidmannscheu Sammlung, Plays ed. Rolfe, Works ed. Wagner
[und PrOscholdt]. das sind in der tat die wichtigsten neueren
ausgaben, aber nach welchem gesichtspuncte sind sie hier ge-
ordnet? nach ihrer bedeutung? nein! zuerst gesammt- und dann
einzelausgaben ? neini chronologisch? nein! nach der nationalität
der herausgeber? nein! ich vermag ein princip nicht herauszu-
finden. — und die alten quart- und folioausgaben erwähnt St
gar nicht?, wird man erstaunt fragen, doch! aber wo? mitten
in diesem abschnitte (s. 372 ff), anknüpfend an Lionel Booths
facsimileabdruck der ersten folioausgabe. wer wird sie da wol
suchen? auch in diesem excurse selbsl springt der mangel klarer
und logischer anordnung sofort in die äugen, nachdem der titel
des facsimileabdrucks angeführt und eine bemerkung über die
Wichtigkeit desselben gemacht ist, beginnt St : Wiele der dramen
erschienen erst besonders in quarto, so Hamlet 1603 (die un-
rechtmäfsige quarto) und 1604 (erste rechtmäfsige oder authen-
tische quarto).' die beispielsweise erwähnung der quartos von
Hamlet veranlasst nun St zur beibringong eines auf sie bezüg-
lichen citates aus Genies buche Ober Shakespeare, sodann ge-
denkt er der beiden quartos von Romeo und Julie und teilt mit
dass auch von den quartos abdrücke und facsimilia existieren,
zu welchem behufe eine längere notiz aus der Academy repro-
duciert wird, es folgt wider eine zeile von St: *der text ist
auch in den rechtmäfsigen quartos oft sehr fehlerhaft.' darauf ein
mehr als eine halbe seite einnehmendes citat aus Elzes Shake-
speare hierüber, daran schliefst sieh der titel der ersten folio-
ausgabe, eine stelle aus der vorrede derselben , eine andere aus
dem widerabdrucke, beide über das Verhältnis der folio. zu den
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172 BTOBH SNGUSCU HULOLOeiB
quartoSf und dem gegenOber abermalB ein langes citat aus Else,
nachdem dann kurz darauf bingewieaeo ist daaa auch die unrecht-
.mäfaigeB quarlos geiegeniltch kritiacben wert haben, gibt die be-
merkung« dass die Orthographie zur seit Shakespeares von der
der gegenwart ^nicht ganz unbedeutend' abweicht, St. anlssa, drei
Seiten mit proben aus der folioauagabe za füllen (welcher räum,
wie ich meine, auf andere weise viel vorteilhafter hatte verwendet
werden können — ebenso wie die fUnf seilen, auf denen der
verf. spftter bei besprechung von THommsens ausgäbe von Romeo
und Julie stellen aus den quartos und der folio dieses Stückes
abdruckt), sind diese des inneren Zusammenhangs entbehrenden,
fast ganz aus citaten zusammengewürfelten und unvoUsUfndigen
notizen wol dazu angetan, jemandem eine Obersicht über das
wisseoswertesie von den alten ausgaben su geben? und doch
Uefse sich eine solche unzweifelhaft bei klarer, gedrängter be-
handluttg auf der hlllte des von St. in anspruch genommenen
raumes bieten.
£in fernerer fehler des buches, der mit dem mangei eines
festen planes wenigstens teilweise zusammenhängt, besteht in den
zahlreichen abscfaweifungen und excursen, die der verf. sowol im
texte selbst als in den anmerkungen sich erlaubt, er bat sein
buch zu einer wahren ablagerungsstfttte für alle mOgticben lese*
fruchte und kleinen Studien gemacht, dass dieselben z. t. recht
gelehrt und interessant sind, rechtfertigt allein ihre aufnähme
nicht, ein par beispiele dafür, in dem schon erwähnten ab-
schnitte über Shakespeare-ausgaben zählt St. an zweiter stelle die
einzelausgaben von Clark und Wright auf. unter diesen befindet
sich auch die des Macbeth, darum werden auf nicht weniger
als 6 Seiten ^einige ergänzende bemerkungen zum 1 act' dieses
Stückes hier eingeschoben. — s. 168 bespricht der verf. unter
'systematische Wörtersammlungen' Rogets Thesaurus of english
words aud phrases. er macht dabei — und eine solche kurze
gelegentliche bemerkung lässt man sich, obwol es sich hier ledig-
lidi um rein practiscbe bilfsmittel handelt, zur not schon gefallen
— darauf aufmerksam dass viele der von Roget verzeichneteo
neuengliscben redensarten schon alt sind, dass ua. eine derselbea
schon bei Cbaucer vorkommt, diese 'gelegenheit' benutzt er dann
aber, um auf 2 Seiten ^einige andere redensarten zu erwähnen,
die sich bei Cbaucer widerflnden'. und damit noch nicht genug:
er füllt noch weitere anderthalb seilen mit anderen 'alten sprich-
wörtlichen redensarten' an. was hat das alles mit Ragets Samm-
lung von Wörtern und phrasen zu tun, die lediglich ein practisches
bilfsmittel ist, 'um den wortvorrat zu überschauen und die richtigen
ausdrücke in mündlicher oder schrifUicber darstellung zu finden'?
•<— in dem abschnitte 'achtzehntes Jahrhundert' des capitels 'lec-
türe und iitteraturstudium' werden (s. 349) einige dassiker dieser
zeit empfohlen und zum Schlüsse (s. 359) mehrere ausgaben der-
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stoB« tnoLiscm philolocii 173
selbeD aufgesSblt. diese nolizen nehmen zusammen wenig über
2 seilen ein. dazwisehen eingeschoben ist aber , anknöpfend an
die bemerkung, dass *die spräche des yorigen Jahrhunderts in
Tielen stocken verallet Hi\ ein excnrs von 7 Seiten, in welchem
der Verf., *um den unterschied zwischen den englisch des 16 und
des 19 jbs. anschaulich zu machen, einige ausdrOcke in Gold«
Smiths Vicar of Wakefleld hervorhebt, die jetzt veraltet oder
wenig gebräuchlich sind*, und als dieser excurs sein ende er-
reicht hat, ergreift St. die gelegenheit, *in dieser Verbindung noch
einige andere veraltete ausdrClcke zu erwähnen, die sich bei neueren
Schriftstellern finden', abermals anderthalb selten, diese beiden
excurse — von zusammen 8V9 seilen zu einem texte von wenig
Ober 2 seilen — geboren doch der Sprachgeschichte an und nicht
hierher. — ahnlich verhalt es sich mit der abhandlung Ober
^einige der abweicbungen oder eigenheiten der bibelsprache'
(s. 404 — 411), mit den *par beispielen davon, was man ans
romauen lernen kann' (s. 203 — 206) uam.
So finden sich auch die anmerkungen häufig zu excursionen
benutzt, obwol das wort oder der gegenständ, in deren gefolge
sie auftreten, an der betrefifenden stelle nicht die geringste ver*
anlassuDg dazu bot. s. 141 wird gelegentlich der erwflhnung von
Websters wOrterbuche ua. gesagt dass bei den abbHdungen des
europäischen und des amerikanischen elentieres (engl, elk) die
Unterschriften vertauscht seien, hieran knOpft St eine 14 Zeilen
lange anmerkung über die etymologie des wortes dk.^ — s. 169
wind bei besprechung'von Rogets Thesaurus kurz darauf hinge*
wiesen dass in demselben ^auch gebräuchliche ausdrücke fremder
sprachen mit erwähnt sind' und dabei die franz. phrase coAü
fv'tl caiUe durch ca^e qu$ coüie richtig gestellt, wenn St. dazu
kurz annotiert dass dieser ausdrnck fast knmer unrichtig cittert
werde, und auch noch eine grammatische erktanmg beiftigt, so
ist nichts dagegen einzuwenden, aber die erwahnung dieses fal»
sehen ansdrucks gibt St. gelegenheit, sich darüber auszusprechen
dass *man selbst bei den ersten englischen romanschriftstellern
häufig unrichtige citate aus fremden neueren sprachen (doch nicht
bei Bulwer) findet', und dies durch beispiele zu belegen, unter
^ die Übrigens, abgesehen von der coDJectur alehim für aehlim bei
Plinios, welche, so Ttet ich sehe, tod St. herrührt, nichts eothilt, das nicht
bereits anderweitig gesagt worden wSre. die ae. form •kh ist schon lingst
als fehlerhaft oder nnwahracheinlich erkannt worden und in nenereo arbeiten
anfser bei Müller Elym. wb. wol kaum noch lu finden, nicht nur MItsoer
Gramm. 1' 151, den St. selbst anführt, sondern auch Koch Gramm, i* 137,
Schade AHdentsches wb.* 131, Skeat Etym. diet na. haben das richtige
eolA. die form 0/eA, die MOller Bosworth entnommen hat, hat letzterer
nur Lye nachgeschrieben, der keinen beleg beibringt — übrigens hätte St.,
wenn er einmal daran war Müller so corrigieren, auch die ahd. form, die
er wie dieser als •iah anseilt, richtig stellen können, sie lautet Tielmehr
Mo, mit a dureh srarabhakti 0laho, mit parasitischen h hslahOy mhd.
Me, elßh.
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174 STORM EMGLlSGBfi PJilLOtOGU
diesen auch eines aus TroUope, wo der indicativ anstatt des con*
junctivs gebraucht ist. hieran anknüpfend gibt St. ein ge-
schichtchen zum besten von 'einem gewissen Norweger, der sich
lange in Rom aufgehalten hatte und einst von einem landsmanne
gefragt wurde, wie er es mit dem conjunctiv im italienischen
hielte. ' conjunctiv?' sagte er; ^ich brauche nie conjunctiv/ aber
hiermit ist die anmerkung noch längst nicht zu ende. St. meint
dass hier der richtige platz sei anzuführen *dass das englisch der
Franzosen nicht besser sei als das französisch der Engländer',
und demonstriert dies durch zwei stellen, die eine aus Octave
Feuillet, welcher den satz vaus n'etes pas cantente falsch durch
yau are not saiisfied widergibt. St. erklärt dann, warum aatisfied
hier falsch sei : 'satisfied, absolut gebraucht, würde zunächst *satt'
bedeuten'; diese erklärung hält er weiter für nötig durch ein
citat aus dem Punch zu belegen, und damit immer noch nicht
genug, fügt er hinzu dass man gewöhnlicher sage: / hat>e (am)
dane oder / have had enaugh. man sieht, ein vollständiger band-
wurm. — s. 203 wird ua. George Eliot zur lectüre empfohlen,
die beiläufige bemerkung, dass ihr wahrer name mrs. Lewes sei,
benutzt St. dazu, in einer note einige werke ihres gatten GHLewes
— nicht etwa um sie zur lectüre zu empfehlen — zu nennen
sowie der behauptung erwähnung zu tun, 'dass Lewes an der
autorschaft seiner frau anteii gehabt habe, wenigstens an den
eingestreuten wissenschaftlichen reflexionen und anspielungen.' —
wenn St. s. 353 von ausdrücken wie the moit lowe9t stuff, die
Goldsmith im Vicar of Wakefield zwei modedamen in den mund
legt, vermutet, es sei 'dies vielleicht als unwillkürlicher Vulgaris-
mus gemeint', und nun zur begründung dieser ansieht in der
note eine andere stelle aus demselben buche beibringt, an der
eine dieser damen sich sehr vulgär ausdrückt, so ist das natür-
lich gut. wenn er aber dann, an das nicht im texte, sondern
nur an dem in der note citierten orte vorkommende wort muck
(mist, dreck) anknüpfend, das in den wOrterbüchern nicht etwa
fehlt, eine stelle aus Dickens anführt, wo das wort ebenfalls
vorkommt, ferner eine bemerkung über die etymologie desselben
macht, obwol die wOrterbttcher dieselbe bieten % weiter s. 438
in einem nachtrage zu der note ein anderes englisches wort mux
anzieht, von dem er glaubt — worin ich ihm aber nicht bei-
stimme — dass es mit jenem muck verwandt sei, und schliefslich
auch noch von diesem worte die ae.> und got. form sowie lit-
' dass St. die Island, form mv/ti bei MQller Etym. wb. durch eine allere
mykr, wie schon bei Siralmann' 406, ersetzt und einige norweg. dialeci-
formen anführt, rechlferligt diese abschweifung nicht.
' die Schreibung meoiue ist, auch wenn sie sich finden sollte, nicht die
richtige ; entweder meohi, das archaistisch wfire und, so viel ich sehe, nicht
belegt ist, oder mwof (miox). dbrigena kennt auch das me. das wort; rgL
Stratroann* 400.
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VrORM BIlOLfSCBE MIILOLOGIE 175
teratur angibt, so heirst das doch vom hundertsten ins tausendste
kommen, auf andere anmerknngen gehe ich nicht mehr ein.
Ein weiterer fehler des werkes ist die ungleichmfifsige be-
handlang einzelner partien. derselbe tritt auf besonders grelle
weise in dem capitel ^iectüre und litteraturstudium* hervor, das,
wie schon bemerkt, nach abzug mehrerer nicht in dasselbe ge-
hörender abschnitte 74 Seiten umfasst. darin sind der gesammten
Htteratur von der gegenwart bis hinauf zu Shakespeare exci.
21 Seiten gewidmet, dagegen diesem allein 40 Seiten, man wird
es ja selbstversUndlich finden dass St. bei Shakespeare ^etwas
ausführlicher als bei anderen Schriftstellern' (s. 362) ist. aber die
letzteren sind, wenn man von den zwei oben erwähnten, in diesem
zusammenhange ganz unmotivierten excursen bei Goldsmith ab-
sieht, durchweg mit nur wenigen Zeilen bedacht worden, wie denn
aberhaupt dieser ganze erste abschnitt recht dürftig ist: und nun
für Shakespeare volle 40 Seiten ! das ist doch ein schreiendes mis-
verhflltnis. — ebenso steht der räum, der der allgemeinen pho-
netik (7t Seiten), der vulgärsprache (40 selten), den amerikanismen
und der amerikanischen ausspräche (40 selten) eingeräumt ist, in
keinem verhahnisse zum umfange anderer abschnitte oder dem
des ganzen bandes.
Der verf. eines encyclopfldiscben werkes, der viele hunderte
von bücliern anzuführen und zu beurteilen hat, muss sich, wenn
seine arbeit in dieser beziehung berechtigten anforderungen ent-
sprechen soll, einer möglichst günstigen litterarischen läge er-
freuen, dies ist nun bei St. leider nicht eben der fall gewesen,
in folge dessen hat er einerseits manches buch nicht erwähnt,
das man nur ungern vermisst, andererseits war er gezwungen,
solche zu nennen, die er nicht gesehen hat, und sich rQcksicht-
lich ihres wertes auf die — nicht immer sehr competenten —
urteile anderer zu verlassen.
Ganz fehlt in Sts buche die metrik. völlig übergangen darf
dieselbe gewis nicht werden, und der vorliegende band wfire doch
wol der passende platz für ihre erOrterung gewesen.
Gehen wir nach dieser besprechung des werkes im grofsen
und ganzen auf die einzelnen abschnitte ein, unbekümmert darum,
ob sie an rechter stelle stehen oder nicht udgl., so bietet sich uns
ein in vieler beziehung erfreulicheres bild dar. der verf. zeigt sich
als ein hervorragender phonetiker und trefflicher kenner des ne.
schon das vor wort entbtilt manchen neuen und beachtnng ver-
dienenden gedankeo. St. weist da ua. darauf hin dass man bei
grammatischer bebandlung des ne., namentlich in Deutschland,
nicht hinlänglich berücksichtigt habe dass die englische spräche seit
dem anfange der ne. periode, dh. seit Shakespeare wesentliche Ver-
änderungen erlitten ; dass man vielmehr *von Shakespeare an alles
zum ne. gerechnet' habe, was doch nur in historischer beziehung
richtig sei. er hebt ferner hervor dass die grammatiker die um-
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176' STORM ENCLISCHB PfllLOLOGIS
gangssprach« (natürlich der gebildeten) recht stiefmatterlich be«
handelteov Ton der ansieht ausgehend, sie sei nur ^als eine «us»
»rtung der Schriftsprache zu betrachten', letztere dagegen 'die
rechte und eigentliche spräche', weiter lenkt er den blick tttf
die hauptmüngel der practischen lehrbücher und schulgrann
maliken uam.
Das 1 capilel beschäftigt sich mit der allgemeinen phonetik.
der verf. Iflsst die Schriften der bedeutendsten phonetiker von
Merkel bis SieTers und Trautmann, von Bell bis Sweet revne
passieren, indem er diese liste mit einer fülle interessanter und
lehrreicher berichUgungen , ergiinzungen und erürterungen be-
gleitet, welche selbst den phonetikern von fach vieles neus bringen,
auf diese hat St. hei ausarbeitong des capitels ganz besondere
rücksicht genommen, in der absieht, 'dazu beizutragen dass die
phonetiker verschiedener nationalitflten sich doch einmal wenige
stens über die hauptfragen vet*stAndigen mochten' (vorwort s. nu).
denjenigen freilich, für die St. sein buch in erster linie bestimmt
hat, den angehenden philoIogen, würde eine keine Vorkenntnisse
voraussetzende, systematische bebandlung der phonetik in ge-
drängter form, etwa in der weise, wie es Trautmann Anglia r
588 CT und Vietor Zs. für neufranz. spr. und liU. u 43 ff versucht
haben, sicherlich willkommener sein.
Von der allgemeinen phonetik gelangt St. im 2 capitei zur
englischen ausspräche, er führt die hauptsächlichsten einschlägigen
werke an, characterisiert dieselben und gibt viele interessante
beraerkungen» bei den aussprachewQrterbttchern möchte ich auf
ein von St nicht erwähntes hinweisen, das ich, obwol es ein
amerikanisches ist, gelegentlich gerne befrage, weil es in allen
Hillen, wo die orthoepisten schwanken, die ausspräche ein«a
jeden derselben besonders verzeichnet, ich meine Soule and
Wheeler Manual of english pronuncialion aad spelling, Boalon,
New -York 1875. ich ziehe wegen seines handlichen formales
dies buch der Synopsis of words differently pronounced by dif-
ferent ortho6pists in Websters wörterbiiche vor.
Das 3 capitei behandelt die lexicographie. auüser den drei
englisch -deutschen und deutsch - englischen Wörterbüchern von
Thieme-Preufser, Flügel und Lucas würde auch das von Grieb
(8 stereotypauflage, Stuttgart 1880) mindestens eine erwähnung
verdienen. — zu dem supplementlexicon von Hoppe gibt St auf
6 Seiten mancherlei z. t recht wertvolle nachtrage, die von einer
ausgedehnten lectüre Zeugnis ablegen, aber dieselben hängen
genau genommen recht sehr in der luft. denn Interesse haben
diese lesefrüchte doch eigentlich nur für den, der so glücklich
ist, ein exemplar von Hoppes werke zn besitzen, dies ist aber,
wie St. selbst bemerkt, seit mehr als 5 jähren vergriffen und auch
antiquarisch kaum aufzutreiben, von den an^henden philoIogen
befinden sich also schwerlich viele im besitze desselben; noä
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STOBM BN6LI8CHB PHILOLOGIE 177
wenn einmal die schon längst angekündigte neue aufläge, die
eine Tollslflndige neubearbeitung werden soll, erscheint, dürfte
aller Wahrscheinlichkeit nach der bei weitem grOste teil der ge*
gebenen nachtrflge — wenn nicht alle — hier überflüssig werden.
es wohnt deshalb diesen 6 selten nur ein bedingter und vorüber-
gehender wert inne. das aber sollte in einem werke, welches auf
dauernde bedeutung ansprach macht, nach mOglichkeit vermieden
werden, es hätte sich für St. leicht mehr als tine andere ge-
legenheit gefunden, diese ergänzungen zu veröffentlichen. — von
dem wOrterbuche von Wehster (s. 140) finde ich eine neue aus-
gäbe von 1881 verzeichnet, die umfangreicher ist, als die von
1864 (vgl. Jahresbericht über die erscheinungen auf dem gebiete
der germ. pbilologie m 184). das Wörterbuch von Worcester
liegt mir in einer ausgäbe vor, die ebenfalls die Jahreszahl 1881
trägt und sich von der älteren durch ein umfangreicheres Sup-
plement unterscheidet, durch welches der umfang des Werkes
auf 1969 Seiten gestiegen ist. bei den etymologischen Wörter-
büchern wäre jetzt noch Skeats sehr handliches Concise etymo-
logical dictionary (Oxford 1882) nachzutragen, die grofse aus-
gäbe, die St. s. 150 erwähnt, ist inzwischen auch vollendet. —
anlasslich der besprechung des bei Chatte und Windus erschie-
nenen Slang dictionary gibt St. einen hübschen — freilich in
das capitel 'wOrterbücher' nicht gehörenden — excurs über das
eindringen des slang in die höheren classen während der neueren
zeit, die s. 154 in einer langen note versuchte etymologie des
Slangwortes cove ist einiger mafsen phantastisch; ich komme ge-
legentlich an einem anderen orte auf das wort zurück.
in dem 4 capitel ^Synonymik, phraseologie, practiache hilfs-
miitel' zeigt St. durch mancherlei berichtigungen , ergänzungen
und excurse zu einzelnen den beiden ersten abschnitten ange-
hörenden werken widerum seine gründliche kenntnis des ne.
Daa 5 capitel 4ectüre und litteraturstudium' gibt nach kurzer
erwähnung mehrerer zur lectüre besonders zu empfehlender mo-
derner Prosaiker und dem hieran anknüpfenden excurse Vas man
aus romaoen lernen kann' zunächst eine 18 seilen umfassende ab-
handlung über die Umgangssprache, welcher auf weiteren 35 Seiten
eine besprechung der vier einschlägigen werke von Alford, Hoon
und Clarke folgt, diese abhandlung bringt zwar nicht eben viel
neues, unbekanntes; gleichwol ist sie dadurch, dass sie im wesent-
lichen bekannte erscheinungen zusammenfasst und meist durch
reichliche beispiele belegt, immerhin interessant und dankenswert,
sehen wir uns die einzelnen puncto, weiche sie erörtert, in ihrem
Verhältnisse zu einander an, so tritt auch hier der mangel einer
logischen anordnung entgegen. St. weist sehr richtig darauf bin
d«B8 'die bewegung vom synthetischen Stadium zum analytischen'
in der Umgangssprache weiter vorgeschritten ist, als in der Schrift-
sprache, 'die einschränkung der formen zeigt sich deutlich an
Ä. F. D. A. IX. 12
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178 sroRM ftivcLi6Gflfi )pbilol(m;ik
den fOrwörterD' (vertauschung von noin. und ticc. und gebrauch
▼on oftM tX9XXmy); es wird dann gesprochen über den ^starken
rOckgang' des conjunctivs; Aber den ^gebrauch der eomparations-
Bildungen «r und ts^ , der ^in scheinbarem widersprach mit der
analytischen tendenc der Umgangssprache steht'; Ober pluraHa
tantum, die, *wenn sie die bedeutong des sing, haben, in der
Umgangssprache gern als singularia geimuchC w«rden*; Ober *aus-
gleichung zwisehei» den prateritumformen des ind. und part/;
über ^ine andere ausgleichung der yerbalformen' in *kung ftlr
hanjtd (gehenkt/; über den gebrauch von to 9i0nd in der be-
deutung 'stellen' bei Dickens und $o iit muf$ sdf ebenda und
sonst; Über das ^verschwinden alter unterscheiduDgeii ^ wie die
zwischen toäke wachen, awakt erwachen, uaktn, ai»aken wecken';
über 'eine gewisse lockerkeit der Verbindung des übergeordneten
und des untergeordneten, parataxis statt hypotaxis'; über wider-
holung eines relativs durch ein demonstrativ; endlich über 'einige
yereinselte züge Aeft Umgangssprache' (I am dm% für / have
done, vertauscbung des subjects, interrogativ mit eoer, Imo re-
lativ, nei 09 — M, ar — either, pleonasmen). ich bemfllie
mich vergebens in dieser anordnung ein princip zu erkennen,
auf einzelheiten einzugehen, wozu öfters Veranlassung wäre, unter-
lasse ich«
Sehr vorteilhaft unterscheidet sich von dieser abhandiuog die
folgende über die vulgärsprache (s. 259 — ^298), welche ohne zweifei
der gediegenste abschnitt des ganzen buehes ist. es wird darin
nicht wie sonst meist eine menge von — an und fHr sich viel-
fach recht interessanten — beobachtungen und kleinen Studien
mehr oder minder planlos zusammengetragen, sondern es liegt
hier eine systematische wissenschafilicbe Untersuchung vor. nur
sehe ich nicht ein, warum der verf. die lautlebre ans ende setzt;
denn wenn er als grund hierfür anführt, ea sei *nieht iminer
leicht zu entscheiden', ob man es mit historischen Überresten
oder neueren eptwickelungen' zu tun habe, so scheint mir das
dach keine genügende recbtfertigung, um so weniger als sich,
wie St. selbst s. 275 note bemerkt, auch in dem vorhergehenden
teile (formenlehre und syntax) in dieser beziehnng 'keine scharfe
grenze' ziehen lässt. ferner würde ich die syntax von der for-
menlehre scharfer gesdiieden haben, in der darstellung des
vecalismus findet sich manches bedeutsame, das auch allgemeineres
interesse bat. was den oonsonantismus betrifft, so sind fast alle
besprochenen erscheinungen aus der historischen englischen laut-
lebre oder den me. oder ne. dialecten bekannt, beaehtenswert
ist der Übergang der Verbindung H in kl (mankle für manih);
man wird dabei sogleich an denselben prooess im vulgfirlat.
erinnert: vealns (altital. vedo) für veilus aus veluhts, tnefccs für
vitJus aus vitidus, capidum für cttpitlnm aus capttulnm. ebenso
ist interessant der Obergang von th in / in dem auch anderwSrts
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STOBM JEM6LI8CBB PUIOLOO» 179
als beleg fttr diese eracheinung schon od berangezogcDen nuffin
für noiking und anderen wOrtern.^
I St. verweist dabei auf das rasa. (Fed»r fQr Tkaodor usw.), dag
meist herhalten muss, auf Shakespeares fill-karse för thill- horte and auf
ADgl. i339, wo belege aus ne. dialecten gegeben werden: die erscbeinong
bat aber, was nebenbei bemerkt sein mag, viel weitere verbreitong. ist
dieser fibiergaof auch in keiner ^rache, sa viel bekannt, aar regel geworden,
so tritt er doch sporadisch in sehr vielen auf. ich verweise besonders auf
Grimm GDS 350; Boltzmann Gramm. 114. 117. 161; Heinzel Gesch. der
niederfrfink. geschSflssprache 40. 135 ; MMüller Chips firom a german Workshop
I 90; derselbe Vorlesungen ftber die Wissenschaft der spräche ii serie^ 191;
Beitfige C. vgl. spracbforschnng n435; Asooli Vorlesungen Aber die vgl.
lautlehre 139; Gorssen BeitrSce sur ital. spraebkunde 154; derselbe Sprache
derEtrusker n48; Bruppacher versuch einer lautlehre der oskischen spräche 65 ;
GMeyer Griech. gramm. 190; Pellegrini II dialetto greco-calabro diBova 113;
Horoai Archlvio glottolog. ital. iv 17 und 101. — belege aus dem me. sind:
hwftf fflr haoef (Fragmente der rede der seele an den leichnam ed. Banffe
G 26; vgl. note und dazu Angl. nr 237); maic^r«/* (Haziiit Romains i 171
z. 3 und 7) för maugreth, wie die Cambridger bs. beide male hat == afrz.
maugret, malgret (tat. malum graium); swyfe för nuythe (Zupitza zu
Guy 346) ; öfter furtt für purst (zb. Stratmann unter diesem Worte), /krrft
hei flalliwdl Dict. aus dem Cursor mundi. die erkllrang des Überganges
s. besonders bei Brücke Grundzuge' 53, Sweet Handbook of phonetica 41,
Sievers Phonetik 101. — auch auf romanischem gebiete finde ich^ — im
gegensatz zu der mir wenig einleuchtenden aufTassung Gröbers, Zs. für roni.
phil. II 459 — diesen Übergang wider , nämlich iu frz. toif neben und aus
afrz. smi, seit (Ist sit-im), (rief ans afrz. hied und ßef neben und ans afn.
fiet (lat. fßod'vm, doch fraglich), dazu kommen aus dem afn. (vgl. Za. für
rom. phil. aao., Romaaia v327 und vni 135, Apfeistedt Lotbr. psalter xLv):
aleufizfTBXik.aldd), blef nthen bled, biet (lat. blad-umh faudestuef nthen
ftntdestuet, faldestoed (mit unorganischem t, d ta ahd. faUistöi), moeiif
(lat mod^m)y nif neben nid (lat. nid-tan), pethief ndMo peekiet, peehied
(lat p«ecat-um)} dazu eigennamen mit -beu/mt •bodo, wie Marbeuf (ahd.
Marcbodo) usw. uatörlich erfolgte in allen diesen Wörtern, denen sich wol
noch manches andere hinzufugen lassen würde, der überaang von auslauten-
dem t oder d in f nicht direcl, sondern vermittelt durch den dentalen
Spiranten th oder dh. denn dass Oberhaupt die dentalen verschlusslante in-
lastend und auslautend im afn. nicht direct verstummt, sondern zunächst
in M, dk übergegangen sind, geht mir, abgesehen von phonetischen gründen,
hauptsächlich daraus her?or dass im älteren ago. in diesen fällen nicht nur
oft th (vgl. zb. Mall Coroput s. 88 und den Lond. Branden, wo besonders
fille wie vMmr [laUvidereJ und seiheir [Mindere] heivorsnheben aind),
sondern bisweilen sogar die rune ^ geschrieben wird, so finden sich unter
agn. glossen einer hs. von Alfric aus dem anfange des 12 jbs. (Cambridge,
Triaity College), von denen mir früher einmal Zupitza zu einem anderen
zwecke freundlichst einige mitgeteilt hat, die beiden folgenden: lat com
(dh. graue haare) wird glossiert durch öanu^, dh. lat canut-i (c'^^ch;
vgl. Za. für rom. phil. in 161); und lat iabes dnrdi hleee/ture, letzterea
Wort ist mir freilich unklar, aber dass die endnng -dnre lat. "tum ent-
spricht, unterliegt wol keinem zweifei. dazu kommt th (p, t) in me. Wörtern
frz. uraprungs, wie in plmieit {ijtn. and Exod. 3709), plenteihe (Halliweil
Dict) — afn. plaUet (lat. pimitat-em), feift, fri^. feUh (auch faith wie
im ne.) » afn. feid, feit (lat fid-em), daintoth (belege bei Matsner Ae.
wb.) n afn. deintet (lat dignitat-em), das oben erwähnte maugreth ■» afrz.
maugret uam. — dieaer Übergang von d oder t durch th in f scheint mir.
auch die agn. präpoaition o/*>« mit,r weiche die von Atkinson herausgegebene
Vie de SAuban öfUr bietet, am einfachsten zu erklären. GParis Romania .
12*
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180 STOHM £N6LI8CHE PHILOLOGIE
Der auf kurze notizeu (2 seiteu) aber ameribnische lit-
teratur folgende abschnitt 'amerikanismen' ist im wesentlichen
eine Zusammenstellung der ^wichtigsten und interessantesten er-
läuterungen', die de Vere in seinem grofsen werke über diesen
gegenständ gibt, hieran schliefsen sich bemerkungen über ameri^
kanische ausspräche, die übrigen Unterabteilungen dieses capitels
behandehi: anthologien, geschichte, draraa, poesie, ausgaben mit
commentar — diese drei letzteren hatten mit rQeksicht auf die
folgenden unter *die gegenwart' zusammengefasst werden sollen — ,
achtzehntes Jahrhundert, das siebzehnte Jahrhundert und den schluss
des sechszehnten, in dieser der oben erwSthnte lange artikel Ober
Shakespeare, da der verf. sich hier so ausführlich ergeht, so
würde es sich wol empfohlen haben, auch die verschiedenen
Shakespeare -bibliographien, deren es ja eine ganze reihe gibt,
kurz anzuführen, sonst möchte ich nur noch bemerken dass
die ausgäbe von Dyce (s. 362) die vierte aufläge (London, Bickers
1880 — 1881, in 10 bänden) erfahren hat, dass von den Select
plays ed. Clark and Wright (s. 363) ferner veröffentlicht sind:
Midsummer nigbts dream, Jul. Caesar, Richard Ihe third und Henry
the fifth, und dass von den Griggsschen ausgaben der quartos
(s. 372) bis jetzt 9 stücke vorliegen.
In dem 6 capitel 'litteraturgeschichte' würde ich Scherra
beide darstellungen der englischen litteratur, einmal im 2 bände
der Allgem. geschichte der litt. (6 aufl. 1880/1) und dann aus-
führlicher als Geschichte der engl. litt. (3 auS. 1883), nicht an-
erwähnt gelassen haben, was man auch über den standpunct des
verf.s denken mag. von Taines grofsem werke hatte auch die
deutsche Übersetzung durch Ratscher und Gerth (1877 — 1880)
erwähnung verdient.
Das 7 capitel ^grammaük\ in welchem St auch, wie schon
gesagt, ein par bibliographische notizen über Sprachgeschichte
gibt und das er femer für die richtigste stelle hält, um die zeit-'
Schriften für englische philologie unterzubringen, gibt zu weiteren
bemerkungen keinen anlass.
Es folgen noch 16 Seiten (etwas viel) nachtrfige, uad endlich
beschliefsen zwei umfangreiche register den band.
VI 145 fahrt dag wort auf ovuie (lat apud hoc) suräek, vnter annahaie
einer aceeDtsuracluiehaDg oach germ. princip (Ö9tsee), ia folge welcher ab*
faU der swelten ailbe und demnichst flbeijgang von v in f stattgefuodeo
hatte (ebenso Rom. atud. iv57U: eine, wie mir scheiat, oieht geaficeiid
begründete hypothese. jedesfalls glaube ich dass der flbergaag od:*op:of
nach dem oben gesagten mehr für sich hat, zumal wenn man bedenkt dass
die existeos der engl, priposition of den Übergang von *oP su ofin Eng-
land noch besonders begnnaUgen mnste oder konnte. — dass man th, ^, (t
in Frankreich selbst nicht geschrieben findet, erklärt sich leicht danns daaa
das dem germ. ranenalphabet entnommene p vnd auch die seichen ik and
i sur daretellung des dentalen Spiranten hier unbekannt waren, man half
sich entweder durch d oder i, oder lieTs den wenig prononderten laut nn*>
bezeichnet von dem ih im Leodegar (dabei anch otk) sehe ich ab.
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STORM ENGLISCHE I^filLOLOGIE 181
Storni besitzt, wie sein buch dartut, sehr gründliche kennt*-
nisse auf dem gebiete der neuengl* schrift- und unigangssprache,
sowie dem der allgemeinen und specieilen phonetik. er hat ein*
gehende Studien über Vulgärsprache uud slang gemacht und ist
sehr belesen in der neuengl. litteratur. seine kritischen urteile
ttber die besprochenen werke sind fast durchweg gesund und ver-
ständig, so bietet sein buch demjenigen, dei: in der saebe steht,
dem engl, pbilologen im engeren sinne, sowie auch, durch den
abschnitt über phonetik uud einzelnes andere, dem phonetiker
und Sprachforscher im allgemeinen vielfach neuQS und anregendes,
aber es fehlt völlig ein durchdachter, fester plan, eine logische
anordnung im ganzen und in den einzelnen teilen, es werden
dinge zusammengeworfen, die nichts mit einander zu tun haben^
und ganze abschnitte stehen an stellen, an die sie nicht gehören,
ferner vermisst man in der arbeit jede auch nur annähernde
gieichmäfsigkeit bei der behandlung der einzelnen abschnitte; und
verführt durch seine offenbar reichen und wertvollen coUectaneea
Iftsst sich der verf. nur allzu häufig zu abschweifungen und exr
cursen verleiten, die mit der sache in dem aller losesten oder
kaum irgend welchem zusammenhange stehen.
Wenn aber für irgend ein werk eine klare, streng systema-
tische anordnung, eine immer nur das ganze im äuge haltende
harmonische behandlung, eine weise be^chränkung unabweislich
gefordert werden muss, so für ein sich in engen grenzen hal-
tendes encyklopädisches buch, wie das vorliegende, um so mehr
wenn dasselbe eine anleitung für angebende jünger der Wissen-
schaft sein will, da aber alle diese eigenschaften dem buche Storms
durchaus abgehen, so kann es, wie manches interessante es dem
fachmanne auch bietet, den anföngern auf dem gebiete der eng-
lischen Philologie in keiner weise empfohlen werden.
Erlangen, august 1882. Hermanz^i Varnhagbn.
Das lied von King Hörn, mit einleitong^, anmerkongen uod glossar heraus-
gegeben von dr Theodor WissHANH. Straf8boTg,Träbner, 1881. QFxlv.
vni and 155 88. 8^ •— 3,50 m.
Seiner ersttingschrift King Hörn, Untersuchungen zur me.
spräche und litteraturgeschichte (1876) und seinen Studien zu
King Hörn (Anglia iv342ff) hat Wissmann nun eine kritische
ausgäbe des gedichtes folgen lassen und so seine verdienstliche
beschäftigung mit demselbem zu einem vorläufigen abscbluss ge-
bracht.
Die einleitung könnte man etwas reichhaltiger wünschen,
es hatte, meine ich, nicht geschadet, wenn Wissmann die ergeb-
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182 KIKC HÖRN n. WISBJIAIVN
nigse seiner früher TerOffentliehteD Untersuchungen über das ge-
dieht hier kurz mitgeteilt hatte, dieselbe handelt namlieh nur
von dem Verhältnis der handschriften zu einander und den aus
diesem sich ergebenden gnindsatzen für die herstellung des teztes»
sowie von dem vers- und strophenbau des liedes.
Alle drei hss. lagen bereits früher in mehrfachen abdrücken
oder collationen vor. nur von der einen benützte Wissmann eine
neue vergleicbung. ich bin in der läge hier die resultate einer
collation aller drei hss. zu geben: freilich sind dieselben nur von
geringem belange.
Die vergleicbung von C, der Cambridger bs., verdanke ich
meinem lieben schüler KBreuI. ich gebe sie mit Lumbys vera-
Zahlung. 119 fas9ie? 143 Suddmme 148 eri$t$$ 149 ike
205 hflig 212 fram 220 And hom mid 280 rAcere
249 kynges 284 Athulf 588 hom mit einem hükchen am
n, wahrend Lumby hörne gibt 816 lond 916 wem$ ans
wume, indem h durch zwei darunter gesetzte puncto getilgt und
e darüber geschrieben wurde 1267 kni^U 1338 fdoifts mit
blauer tinte nachgetragen, ebenso 1339 Aem ap^lf p€, 1481 to
und 1484 an 1357 lond.
Die Oxforder hs. hat Horstmann mit seinem abdruck der-
selben in lierrigs Archiv verglichen und mir freundlichst ge-
stattet hier mitzuteilen, was er zu berichtigen gefunden : die Ziffern
sind die Horstmanns. 256 Wit kinne 371 ajut'arei 453 qwai
486 pere zu ßare oder pore corrigiert 545 am rande Ore
B8t harn adobhe 707 am rande hie aecueatur Hom 709 H&m
[Hom ist ein druckfehler) 728 qu>ad 783 Out (Oni ein druck*
fehler) 845 pys 939 pou (pou druckfehler) 982 aadke (sl.
eethe)? 993 A sone 1074 hrod^ (st. hode) 1196 irm*
1299 To (Ho druckfehler) 1325 hiryeke 1350 kfsU (fUe
druckfehler) 1405 hyryAe 1507 herkenede 1533 He ylokede
1566 ith (st. ich).
Die Londoner hs. (H) habe ich selbst mit Ritsons ausgäbe
verglichen, ich führe hier selbstverständlich nur diejenigen be-
richtigungen an, die sich nicht schon bei W. if finden:^ auch
erwähne ich nicht u st. v und umgekehrt, kleine und grofse
bucbstaben udgl. Überschrift Her hygynnep pe geste of kyng
Hom^fon späterer band 1 hlypeip immer aufser 154 Och zähle
mit Ritson) wytherlyng, 1203 lothe und in den eigennamen Athelbme
(docb 1521. 1529/; und Athnlf (doch 290. 532. 746. 755 und
immer von 939 an mit p) 3 on singe auf rasur 81 r radiert
hinter hue 90. 154. 1314. 1332 taste 93 fyf 94 pis (nicht
piee, wie Ritson ni 439 verbessert) 143 n<m 153 My /ane
1 8t. 335 (hinter 349) I. 355, st. 1168 1. 1169, st 1406 1. 1407. W.
hat offenhir nicht alle stellen, an denen Suchier Ritsons text nach der hs.
corrigiert hat, aao. angefahrt; denn yar manche von den folgenden le«-
arten findet aich auch schon in W.b vananten. ferner corrigiert W. manches,
was schon Ritson in 221 f and 439 berichtigt hatte.
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KING HOB?( BD. WIMNAIlfl 183
166 est (St. cria) 181 pe aus py 198 p in sl^ auf
raßur 202 spille 214 brouc' (Dicht ^oia oder (nntf, wie
RitaoD HI 221 ak hslicbe leeart anfahrt) 217 /oucb 255 k^^es
259 A««J A aus etwas aoderem 277 saifde auf rasur 289.
467 tok mit dem bekaDoteo haken am k, ebenso 1147 drpnk,
1156 dr^k 305. 6 auf rasur ausgenommen wilk 316 ttber
dem ee in eert ein eigentOmliebes /v. ähnliches zeichen: ähnlich
Ober ee in beer und 6e«re 1108, 1113 und 1131: an der
letzten stelle ist es einem doppellen accent, den es wol vor»
stellen soll, noch am ähnlichsten 340 dbieii 353 Penne
360 hy in hyre aus ^P 385 knenoei 392 y in rymt^d aus
etwas anderem 425 felde (st. sdde: der strich, der f von «
unterscheidet, ist freilich sehr kurz, da das e ganz dicht am ersten
buchslaben steht) 430 to syken getilgt vor bigon 447 fynge —
448 9u>owe auf rasur 465 leue? 472 f in yfare anf rasur
477 ant 522 k in ürny^Ale auf rasur? 540 i€kuUe 579 f^ie
[581 Aire, nicht Ayr6J 605 4ara»yn, dahinter rasur eines
buchstaben 625 pl^yng 684 ywis 665 ursprünglich teone,
aber durch einen punct unter o in tene verwandelt 696 ant
712 4 vor ro durch einen untergesetzten pvnct getilgt 749 &nt
765 (t 772 s in ys auf rasur 806 no Urne scheint Ursprung*
lieh geschrieben zu sein, möglicher weise soll aber ein stridi an
dem 0 dieses in e verwandeln 821 ifef — 22 of auf rasur
[821 <mre (nicht orel) pre] 846 muehe 872 hnd 887 l in
flean aus etwas anderem 893 <; in godmod aus etwas anderem |;
tDO auf rasur 926 six auf rasur | i^era 927 ^«r 949 zwei
buchstaben radiert nach Hom [969 lese ich, wie Ritsoo, eann:
der erste buclistabe sieht allerdings einem heutigen c sehr ähn-
lich, aber der Schreiber macht e regelmäfsig so, während er
seinen c einen wagerechten strich oben zufügt; man vgl. spec
in dem nächsten verse] 985 $ea(e 1001 he^ auf rasur
1108 6 in benche auf rasur 1119 shetih, nicht shenk, wie Ritson
m 221 angibt 1142 y tcke radiert vor kü 1146 nur« nuUy
auf rasur 1153 hyre 1184/ getilgt vor me 1196 ^eue
1208 drei buchstaben radiert vor hire 1242 ant 1278 knyt-
hod 1301. 2 croude: laude 1303 Wy/ ntne 1345 an(
1350 myn oune 1357 zwei buchstaben radiert vor be 1363
Mu(Äe 1370 ^ef 1390 De durch zwei darunter gesetzte puncto
getilgt II sfonye 1425. 1442 nyla 1443 ^(m 1448 ferde (nicht
seiVie oder sende Ritson iii 440) 1462 hom his (ursprünglich
homs, aber das s ist durch einen darunter gesetzten' punct ge-
tilgt; vgl. Ritson III 440. dies gibt W. s. ii richtig an, doch be-
hauptet er irrtümlich dass his dahinter fehle: in den Varianten
[zu 1466] ignoriert er aber den tilgenden punct) 1476 no (W.
gibt no mit einem strich unter dem o an) 1482 tot hat die
bs. würklich trotz Ritson iii 440 1495 me (st. ne) 1516 miU-
denesH 1546 lede AmeN,
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184 KING HÖRN ED. WIS8MANN
Seine ansieht über das Verhältnis der hss. formnliert W.
s. Tn so: 4) keine der drei hss. ist die quelle der anderen;
2) es bilden nicht etwa zwei zasaoimen 6ine gruppe oder band-*
schriftenclasse. zwar gehören 0 und H näher zusammen, als
jede einzeln zu C^ aber eine abgeleitete quelle für beide ist nicht
vorhanden gewesen ; 3) jede der hss. ist als selbständig anzusehen
und vermag selbst gegen eine Übereinstimmung der beiden anderen
ursprangliches zu bewahren.' der erste dieser drei puncte scheint
mir unbestreitbar, dagegen kann ich mich von der richtigkeit des
zweiten nicht überzeugen, ich könnte dieselbe nur zugeben,
wenn sich beweisen liefse dass an allen stellen, an denen C eine
andere, als die H und 0 gemeinschaftliche, lesart bietet, entweder
C etwas ursprüngliches enthält oder die Übereinstimmung von H
und 0 zufällig sein kann, diesen beweis zu führen ist' aber un-
möglich. W. hat selbst s. ni f eine anzahl von versen angeführt,
in denen 'C gegen eine Übereinstimmung von 0 mit H . . . das
ursprüngliche bewahrt' hat. man könnte vielleicht über den wert
der lesarten an der einen oder anderen stelle anders urteilen
oder könnte auch die Übereinstimmung zwischen 0 und H manch-
mal für zufällig halten, aber immerhin bleiben genug ßllle übrig,
in denen sicher C das richtige hat und die gleiche lesart in H
und 0 nicht auf zui^U beruhen kann, namenüich mache ich auf
die H und 0 gemeinschaftlicheD verse aufmerksam, die nach W.
unecht sind, aus zu fall können wol an derselben stelle verse in
zwei mit einander nicht zusammenhängenden hss. zugesetzt sein,
ja diese verse können sich auch zufällig inhaltlich berühren und
daher gelegentlich auch im ausdruck ähnliches enthalten, aber,
wenn in zwei hss. widerholt verse vorkommen, die man für un-
echt halten muss, die aber abgesehen von unbedeutenden kleinig-
keiten in beiden wörtlich übereinstimmen, so ist das ohne die
annähme einer gemeinschaftlichen abgeleiteten quelle nicht zu
erklären.
Man vergleiche nach v. 72 (ich citiere nach 0 und führe
von H rein sprachliche Varianten nicht an):
Godild hauede so michel $ore
Miete no tDoman habbe more
(P<a kahbe myhte hue na mare H).
nach 746:
Pe hing gynnep wiht me (v>. me g. H) striue
Awty he woh me driue.
nadi 1272:
He 9waren aUe and seyde
Pat here mm hym bywreyde (wreiede H).
nach meiner meinung muss W. diese zusatzverse für echt halten
oder darf eine gemeinschaftliche abgeleitete quelle für 0 und H
nicht bestreiten, was er s. v vorbringt, ist nicht im stände die
Übereinstimmung zu erklären : 'nur durch die annähme, dass das
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KII96 HORn ED. Wf&SMANN 185
lied Ton King Hörn in mündlicher Oberlieferung von einem sdnger
dem anderen übertragen wurde, können wir es erklären dass die
verschiedenen fassungen in der manigfaltigsten weise einander
berührten und durchkreuzten.' jselbst, wenn wir mit W. glauben
wollten dass zwischen den erhaltenen hss. und dem dichter keine
schriftliche Zwischenstufe liegt, so wire doch für solche MIe, wie
die angeführten, die annähme einer gemeinschaftlichen münd- ^
liehen abgeleiteten quelle nicht zu umgehen.
W. sieht sich zu seiner nach meiner meinung unhaltbaren an-
sieht deshalb gedrängt, weil er sonst, wie er glaubt, zu dem aller-
dings absurden schluss gezwungen würde, dass jede der drei hss.
gewisser mafsen durch jede der beiden anderen durchgegangen
sei (s. y). ich behaupte aber, die Übereinstimmung zwischen C
und 0 gegenüber H und die zwischen C und H gegenüber 0 ist
anders zu beurteilen, als die zwischen 0 und H gegenüber C.
indem ich das nun im folgenden zu beweisen suchen werde, be-
merke ich dass ich mich auf das beschränke, was W. selbst zu-
sammengestellt hat, da ja anzunehmen ist dass er alles, was seine
meinung erweisen könnte, geltend gemacht bat.
Ich beginne mit den fällen, wo nach W. H trotz der Über-
einstimmung von C und 0 das richtige erhalten hat. s. iv weist
er auf drei stellen hin, während er zwei weitere für zweifelhaft
erklärt: es brauchen uns also nur die ersteren zu beschäftigen,
zunächst y. 848, wo *0C ein die Senkung überfüllendes alle gleich-
mäfsig eingeschoben' haben, bat das irgend etwas zu sagen?
sollte dieses alle ein Sänger vom anderen gelernt haben? wer
eine anzahl von hss. miteinander verglichen hat, der weifs dass
gewisse einschiebsei stehend sind ; zu diesen gehört auch al oder
aU$, ich habe W.s Varianten zu den ersten 650 versen darauf
hin durchgesehen und habe (ohne dass ich für Vollständigkeit
bürgen will) gefunden dass innerhalb dieses nicht einmal die
hälfte betragenden teiles des gedichtes a/ oder alle zugefügt ist
in C viermal (22. 90. 505. 644), in 0 achtmal (59. 62. 146. 172.
292. 624. 648), in H zweimal (456. 509). ist es da ein wunder,
wenn C und 0 an einer stelle beide das beliebte einschicbsel
zeigen? ich glaube übrigens dass sich dasselbe flickwort noch in
einem anderen verse des gedichtes zuföllig in zwei hss. findet,
y. 536 möchte ich lesen:
And makede kern to fcnt^(e.
so liest 0, kuv;te a» ae. enihtum. CH zeigen aUe hinter hmn, C
aufserdem knv;tes statt des altertümlicheren to knu;u.
Der zweite von W. angeführte fall ist der, dass v. 1482 ^in
OC der erste fufs überladen' ist. das ist dadurch geschehen dass
ein of vor Rymenhild gesetzt ist. das prädicat des satzes ist misse,
welches sow^l mit dem blofsen accusativ als auch mit of gebraucht
wird (Koch n 119; vgl. of bei diesem verbum v. 124 und 1382
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186 KIKG tfORN £D. WISSMANM
unseres gedichtes). die Übereinstimmung zwischen C und 0 kann
also zußlllig sein.
Es bleibt semit nur noch die drille stelle^ über welche sich
W. 80 ausspricht: 'zeile 437 bat H, wie ich jeUt überzeugt bin,
während ich beim drucke des teKtes noch schwankte, das echte
bewahrt, CO stimmen hier nicht ganz Oberein, deuten aber auf
eine gemeinsame quelle ^ ihrer abweichenden lesarten.' v. 437 f
lauten (nach W.):
Ne feolle hü pe of cunde
To spuse beo me bunde C,
Ich am nawt of kende
Pe-to spotte todde 0,
Of künde me ne selde
pe to spuse weide H.
W, halte im text geschrieben:
ne feoüe hit me of kende
pe to spuse todde,
erklarte aber dann s. 88 in der anmerkung zu dieser stelle dass
H das richtige bewahrt habe, und verbesserte daher s. 154 v. 437
nach H zu:
of kende me ne selde.
nehmen wir vorläuflg an dass W. das zweite mal das richtige
getrofTen habe, er behauptet nun: ^CO stimmen nicht ganz
überein, deuten aber auf eine gemeinsame quelle ihrer ab-
weichenden lesarten.' das Übereinstimmende ist of cunde (kende)
im reime, konnte dies nicht, wenn der vers ursprünglich so
lautete, wie ihn jetzt W. gibt, von zwei leuten selbständig dahin
gesetzt werden? sie konnten leicht darauf kommen, das min-
destens ungewöhnliche selde zu entfernen: wenn sie sich nun
innerhalb des verses nach einem werte umsahen, das notdürftig
mit wdde im reim gebunden werden konnte, so konnten sie nur
auf of kende verfallen, somit beweist diese stelle auch wider
nichts, wenn wir uns auch ganz W.s letzter auffassung derselben
anschliefsen. ich habe aber gegen diese mancherlei einzuwenden.
selde leitet er von seien ^zukommen' ab = ae. (ge)s&lan. Strat-
mann hat das wort nicht, indessen hätte es kein bedenken hier
ein (möglicher weise nur vorläufiges) me. ana^ Xeyofievov an-
zunehmen, wenn sonst nichts dagegen spräche, gescelan heifst
aber evenire, nicht convenire, ich vermutete daher dass sdde in
H zu ändern sei in felde: als ich dann die hs. sah, überzeugte
ich mich dass sie in der tat felde gebe, wenn aach der erste
buchstabe leicht als s verlesen werden könne, felde stimmt dann
zu feolle in C. ae. feallan und fidlan werden im me. verwechselt,
' W. braucht wol hier den ausdruck \n einem anderen sinne, als an
der oben citierten stelle von 8. vii.
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KU«G HÖRN BD. WISSMANlf 187
wie ja auch W. selbst im glossar unter faUen fd in H 1522 =
'Mite' nimmt, freilieb Stratmann Engl. st. 5, 408 erklirt fü dort
nur für einen Schreibfehler, mag nun dem sein, wie ihm w^riie,
so ghinbe ich Anz. iv 256 gezeigt zu haben dass (die als prUteri-
tum zu faUen vorkommt; vgl jetzt auch HfltznerWb. % 70*. es
scheint mir nun die annähme nahe zu liegen dass ftldt an das
ende des verses gesetzt wurde statt eines alteren fdk oder ftoUe
im innem des verses von jemandem, der einen genauen reim her-
stellen wollte, nach alledem dflrfle W.s ursprüngliche aufTassung
der stelle richtig sein, jedesblls beweist sie nicht das, was W.
beweisen will.
Ich wende mich nun zur hetrachtung der von W. gellend
gemachten Übereinstimmung zwischen C und H an stellen, wo 0
das richtige haben soll, zunächst führt W. s. iv an: *in z. 959
bietet ... die für den reim nötige dativform nur 0, CH haben
den acc., leUtere fälschlieh in der form des dativs.' ich glaube
mit W, dass after Hom pt kniete im anscbluss an 0 zu schreiben
sei, finde es aber ganz begreiflich dass zwei leute unabhängig von
einander nach sende sonie statt after mit dem daüv das nahe-
liegende to 9eche mit dem acc. gesetzt haben.
Ferner beruft sich W. auf v. 1351, wo 0 den auch nach
meiner ansieht richtigen Singular (he slow mid hys) erhalten hat,
während CH den plural zeigen, aber auch hier kann die Über-
einstimmung zuföllig sein, die beziehung dieser stelle auf den
kämpf Horns mit dem rieseo in Irland (874 ff) ist etwas dunkel,
namentlich da der riese dort nicht ausdrücklich als könig be-
zeichnet wird, so konnten leicht zwei ieote unabhängig von
einander king auf Murray beziehen und so veranlasst werden,
den Singular in den plural zu verwandeln.
Sodann kommt die Stellung der vv. 1433 — 1440 in betracht,
die in CH erst nach 1400 folgen. W. meint: ^CH unterbrechen
die erzShlung durch Horns träum, kehren dann zu Fickenild
zurück und müssen nach z. 1440, H. durch ein den auftact über^
füllendes Börnes in 1461, C gar durch zwei zusatzzeilen, wider
an Hörn anknüpfen.' hier kann die Übereinstimmung zwischen
C und H allerdings nicht zofMIig sein: aber ist es denn ganz
sicber-Mlass die reihenfolge in diesen beiden hss. unrichtig ist?
Fikenild hält um die band der Rimnild an, und ihr vater wagt
nicht nein zu sagen : Rimnild aber vergieist deshalb blutige tränen,
in der nacht darauf hat Hörn den träum, wacht auf und fährt
sofort ab. Fikenild aber wird noch vor tagesanbmch mit Rim-
nild getränt und bringt sie auf sein festes scbloss: aber da kommt
auch schon Hörn an demselben an. mir scheint dies alles aufs
beste zusammenzuhängen. 1461 scheint mir H&mes ächnp UM
in Mtitre metrisch ganz unanstofeig; vgl. die von W. s. xvu zu-
sammengestellten beispiele von schwebender betonung im auf-
tact (ni 1). die zwei verse in C sind wol unecht.
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188 Kli"«« HOHN BD. WISSMANlf
W* fuhrt aufser diesen stellen noch drei andere an, denen
er wol selbst nicht viel beweiskraft beilegt; zunächst ?. 506. der
kOnig sagt von Hörn vorher: ^er soll meinen ritterschlag be-
kommen und mein teuerer liebling sein.' W. lässt dann den
kOnig mit 0 weiter sprechen:
and hi$ feren twehte
ike schal duN>e mtaehie.
ich behaupte aber dass müelue gar nicht in den Zusammenhang
passt. die beiden anderen hss. bieten he A. ihc und hmuelue
st. miselue, und so ist zu schreiben, in 0 ist geändert unter
einfluss des ihc schal im folgenden verse, wo es ganz richtig ist:
auch von den knappen, die der kOnig durch Hörn zu rittern
schlagen lasst« kann er sagen: ^alle werde ich sie zu rittern
machen.' da also an dieser stelle nicht 0, sondern CH das richtige
haben, Mit sie fttr W. ganz weg.
Aber auch v. 1128 beweist nichts. H gibt hier statt des
Ton 0 überlieferten gewis richtigen ^rittern einzuschenken' zu
früh *das hier einzuschenken', C 'wein einzuschenken', wahrend
doch V. 1130 hoße toin and ah folgt, da eine solche Änderung
nahe liegt und die beiden hss. aufserdem von einander abweichen,
so darf man daraus nicht auf einen Zusammenhang derselben
schliefsen.
Das gleiche gilt von v. 1247, wo C und H Iure (hinter ver-
schiedenen Präpositionen) haben st. ture. es ist zu beachten dass
C ture im folgenden verse verwendet.
Nach alledem trage ich kein bedenken, meine ansieht über
das Verhältnis der drei hss. dahin zu formulieren, dass 0 und
H aus einer gemeinscbafilichen abgeleiteten quelle stammen und
also zusammen C gegenüber nur 6ine stimme haben.
Trotzdem ich aber das Verhältnis etwas anders auffasse als
W., so kann ich doch seinen kritischen grundsützen zustimmen:
auch so ergibt sich dass C zu gründe zu legen und diesem selbst
dann zu folgen ist, wenn OH eine anscheinend gleich gute les-
art bieten.
Aus dem metrischen teil der einleitung will ich hier nur
einen punct berühren, ich kann nicht finden dass W. der nach-
weis gelungen ist, dass der King Hörn strophisch sei. er nimmt
bald vier-, bald sechszeiUge Strophen an: bei einigen sechazeiligen
Strophen glaubt er zu sehen, warum diese statt der vierzeiligen
gewählt worden: bei anderen bekennt er keinen grund fttr die
wähl zu wissen, widerholt greift der sinn aus der einen Strophe
in die andere über, ich glaube, mit demselben rechte kannte
man sehr viele me. werke in kurzen reimparen strophisch ab-
teilen wollen, da die rhetorischen pausen gewöhnlich ans ende
der reinqiare fallen, so entstehen leicht kleinere abafttze von
4 — 6 Versen, man nehme zb. den von mir für die EETS heraus-
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KING HOHN ED. WI88MANN 189
geg^Den Guy of Warwick. ich habe eine stärkere interpunction
(puncty doppelpuDct, strichpunct) gesetzt hinter v. 4. 8. 12, so
hütten wir Svierzeilige Strophen; dann kann man (v. 13 — 18)
eine' 6 zeilige annehmen, dann (v. 19 — ^26) zwei 4 zeilige mit enjam-
bement, dann wider eine 4 zeilige usw. die zeichen in C und H,
auf die sich W. s. xx zur stütze seiner ansieht beruft, sind para-
graphzeichen, die freilich am anfange Ton Strophen gebraucht
werden können, aber auch in nichtstrophischen gedichten, ja in
der prosa, ganz gewohnlich sind.
W.S text gibt das gedieht in einer recht lesbaren gestalt.
nicht Überali sind die von ihm in den text gesetzten lesarten
sicher, aber man hat immer das geftthl dass er sich nach reif-
licher Überlegung entschieden hat.
Für die anmerkungen und das glossar, zu denen ich mir
zum schluss noch einige bemerkungen erUube, hätte W. einige
mal meine noten zum Guy of Warwick, die ihm unbekannt zu
sein scheinen, benutzen können.
V. 182 (icame) of gode kenne, of crisiene htode and kmgei
süße gode erklärt W. s. 84 ^von einem geschlechte christlichen
blutes und mit sehr guten kOnigen (versehen).' warum nicht
etwa: 'aus gutem gesddecht, aus christlichem blut und gutem
kOttigshause'?
V. 191 f in day hü ü gon or other liegt dieselbe construction
vor, wie in ne. ü is now one or iwo weis ago.
V. 231 ff in der citierten stelle des Ipomedon nachgeahmt
zu sehen scheint mir um so gewagter, als dieses gedieht gewis
auf tranzOsischer quelle beruht.
V. 299 'wäde der folgenden zeiie wäre fem. des präd., in
€ ohne flexion/ die ae. lexica (Bosworth, Ettmttller, Grem,
Leo) geben allerdings den nom. masc. als wild an: aber diese
form ist gewis nur aus wädrdear gefolgert, das ein compositum
ist, aus welchem sich ein selbständiges ufiU ebenso wenig ergibt,
als etwa ein selbständiges bym (st. byme) aus dem compos. hym-
wiga. Bosworth und Ettmttller nach ihm berufen sich allerdings
auch auf ein angebliches wild har. wenn man aber die citierte
stelle (Älfrics Gr. gl. ed. Somner 59) nachschlägt, so findet man
dort aper wäde bar. ebenda steht auch lmbaln$ wäde oxa, onager
mUe assa. es ist also ein ja-staoun, was auch schon aus dem
bei Grein belegten plur. neutr. urildu zu folgern und nach den
anderen germanischen sprachen (got. püßeis) zu erwarten wäre.
iStratmann hat längst das richtige gesehen.
V. 337 f. W.S conjectur lot^ nmehel eduime motepuße, die
er selbst für zweifelhaft hält, scheint mir aus sprachlichen gründen
unmöglich, mir macht C, von dem W. ausgeht, hier den ein-
dnick der unechtheit: auffallend ist namentlich das he, weshalb
denn auch bei Morris Specimens of early english, parti (1882)
8. 355 statt pane 6eo he voi^eschlagen wird ßane fm beo ; allein
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190 KING BOBN KD. WISSMANfl
beo:diie (oder betdee) hi in unserem gedieht nicht glauUicfa«
ich Würde bei 0 bleiben.
V. 659 ist an ne. wortk while zu erinnern.
V. 821 wundert sich W. darüber dass zu wahnachten etwas
on a greeru geschieht, darauf ist zu bemerken dass es in Eng*
land um Weihnachten allerdings bedeutend grüner ist, als bei
uns; dass aber grene^ wie ne. gretn^ einfach ^anger' bedeutet.
V* 827 kommt site als 2 sg. imperat. ?or. W. bemerkt dazu :
*die form site ist auffallend, indes bei der Übereinstimmung aller
hss. nicht ohne weiteres zu beseitigen.' W. hat sieh da nicht
des ae. paradigmas erinnert.
V. 1050 also ke sprunge ofstane kommt W., wie schon vor
ihm Matzner, rätselhaft vor, doch bringt er eine dankenswerte
paralMstelle aus Robert von Gloucester bei. ich übersetze: ^als
wenn er aus einem steine entsprungen wAre', dh. 'als wenn er
auf so ungewöhnliche weise zur weit gekommen keine geschlechts-
genossen hatte, ganz allein da stünde.' einen analogen ausdrack
bietet die griechische spräche, in der Odyssee 19, 162 f sagt
Penelope zu ihrem noch nicht erkannten gemahl:
Ulm xal üig fio$ elTti tebv yivog, 6n7t6&ev iüoi'
oi yäg aitb dgvog iaai 7takaig>äTav avd* anb nitgriQ.
indem ich auf die erklarungen zu dieser stelle verweise, bemerke
ich hier nur dass Plato sich zweimal auf dieselbe bezieht und
uns nicht im zwetfel lässt, wie man sie zu seiner zeit verstand :
Rep. vin 544 D tj oUt ix dgvog no&ey fj ix n^gag tag noXi-
teiag ylyveaä'ai, aXV ovxl ix tdßv i^&äv twh ir %alg noXeoiv ;
ferner Apol. 34 D inieixrj äv fioi doxa ngbg tövrov Xiyuv li-
yiüv Sri ifii>i, w ägune, elal pih nov tivtg xcä öixüoi' xal
yäg tovto avtb tb %ov 'OfiiijgoVf ovi* iyw anb dgvog avd^
Anb iiitgtjg nitpvxa, all* t^ ap^gciftwp, wate xai oixäioi
fiol dai x«ri ü^^Zg usw.
V. 1062 be tftued unp goUk. W. nennt den ausdruek
dunkel es scheint mir nicht zweifelhaft dass gold hier einen
goldenen trauring meint vgl. Grimm RA 432 in Verbindung
mit 840. auch im mhd. steht golt, im alln. gM »« altn. fingr^
ffuU, got. figgragu^.
V. 1356 ße rihie fasse ich «» ^e.p&r rihte sogleich (confestim,
continue, statim, proUnus Älfrics Gr. 229, 16. 330, 1). wegen
des Verlustes des r vgl. zb. me. o pat »» ae. öd Äit.
Das giossar hat W. mit grofsem fleifs ausgearbeitet: es um-
fasst nicht blofs den text, sondern auch die Varianten, nicht
klar ist mir aber geworden, nach welchem grundsatze er die
nächste etymologie der aufgenommenen Wörter bald gegeben, bald
weggelassen hat — s. 1 16* wird iknowe in v. 1007 (he was iknowe,
pat Rimnili was kü osfe) als particip aufgeführt, ich glaube
Anz. VI 16 bewiesen zu haben dass es ae. gecnäwe, gecnawe, also
ein adjectivum, ist. — 119* führt W. unter este 'ae. eästa' an.
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KVm BORN EB. WISSMANN 191
die texicographeB folgern es aus be Sastan, aaeh meiner ansieht
sieht mit mehr reebt, als wenn man aus Uferan, hegeondan^
hmnan, hiUan usw. schw. mm. folgern wOrde. ich will gleich
hinzufügen dass dem unter weste angefahrten 'ae. weti* hätte lu-
gesetzt werden sollen dass es adverb ist. — 120' unter faste I.
^ae. fiBsti^ ; vor mehrfacher consonanz bleibt das cb der adjectiva
auch in den adverbien. ebenda unter felwfe I. fSlagi. — 120^
unter fere (2) gibt W. 'ae. f4ra*: wo ist dieses zu belegen?
ähnlich gibt er unbelegte ae. simplicia 123^ unter ginnen, 130^
unter rnoXre, und 143^ uoter striden, — Anz. iv 150 habe ich W.
darauf aufmerksam gemacht dass es im ae. keinen inf. fangan
gibt: ich fttge jetzt hinzu dass auch das von ihm s. v. Aott^e 126**
angeführte ^ae. hangan' nicht exbtiert, sondern nur entweder st.
Mn oder schw. hangen. — tf 127' ist ae. gif, nicht ahn. ef;
vgl. tue neben s^ine, ae. gifan. — Ute 129^ ist ae. /yte/, wie
wäAe ae. mieel, — loft 130* ist nicht ae. lyfi, sondern das erst
an zweiter stelle citierte altn. lüpt. — bmdisi ebenda ist nicht
^ae. hndüc', das übrigens, soviel ich weifs, als simplex gar nicht
vorkommt, sondern eine me. neubildung aus hnd, — 131** wird
unter tntU ^ae. mäi angeführt, ich kenne nur milde. — zu pdte
würde ich lieber den inf. pelten, nicht pdhn 135^ ansetzen. —
ich weifs nicht, warum W. glaubt dass sich in dem quen, quene
des gedichtes ae. ctr^ und cwene mischen, es scheint doch alles
dafftr ztt sprechen dass man die beiden Wörter durch den vocal,
wie jetzt noch in der Schreibung, so auch in der ausspräche,
scbieid bis zur zeit des Obergangs des ea geschriebenen e-lautes
in I. — rede in v. 847 (wkat schal us te rede?) wird 137' als
infiniliv aufgeftthrt; es ist aber der dativ des Substantivs red, vgl.
Anz. VI 33f. — bei ryuen, arnte 138 ist die bedeutnng wol lieber
als 'landen' anzusetzen, die starken partioipia riue, ariue hat W.
OHt einem fragezeiohen versehen; sie sind aber ganz unverdächtig;
ich verweise auf meine anmerkung zu Guy 4244. — unter $al
139* 1. 'ae. etsf. «— wegen des angeblichen unter sAedden an-
geführten ae.sc0(idaft vgl. Anz. vi 10 f. — * versuchen' unter MOKti
140** ist wol ein druckfehler st. 'versöhnen.' aber me. semen ist
nicht ae. eimmi, sondern altn. s0nßa. — unter eep 142' citiert
W. nur ae. tö söditm, aber t4 §öde ist weit gewöhnlicber. —
unter tide 145^ 1. ae. 'tidm' st. *tidian\ — daas tu aus dem
altn. stamme, ist doch mehr als zweifelhaft, da tä als pralp. schon
in den ältesten nordhumbrischen denkmälern vorkommt. --^ unter
turne 146'* war zunächst ae. tumjan Anz. vi 35 anzuführen. —
dass wekume 150' zweimal vorkommt, einmal sonderbarer weise
als 'inteijection', das andere mal als adjectivum, beruht wol nur
auf einem versehen. — unter wisse 151^ sollte m'ssjan (zb. Alfr.
Gramm. 173, 5) neben wl^'an stehen.
Das Zeugnis, das W. nach s. xiu erwartet, muss ihm die
kritik rückhaltslos ausstellen : er hat- aufs gewissenhafteste ge-
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192 KUfG HORPf E». WISSIUNM
arbeitet und zur erUärung uod zum besseren TerstüDdoisse des
gedicbtes nicbt nur einiges, wie er bescheiden hofft, sondern
recht betrficbüiches beigebracht.
Berlin, den 26 october 1882. J. ZoprrzA.
Studier öfver fornsvensk tjadlira af Axel Kogk. l Lund, Gleenip, 1882.
242 88. S\
Kock hat sich seit seiner in diesen blättern ni 1 ff besprochenen
Schrift über den schwedischen accent, Lund 1878, ununterbrochen
mit schwedischer Sprachgeschichte beschsirtigt, zunächst in einigen
kleineren aufsätzen Om nigra atona, Bidrag tili svensk etymo-
logi, Förklaring af fornsvenska lagord, Tydning af gamla svenska
ord, wozu noch abhandlungen in Zeitschriften, reden auf phiiologen-
Versammlungen kommen, — und nun in einem grOfseren werke,
dessen erster teil uns yorliegt diese arbeiten beziehen sich viel-
fach auf einander, — was in der einen kurz angedeutet war, wird
in den folgenden ausgeführt, resultate der einen sind in der
anderen verwertet, und gemeinsam ist ihnen allen die riditung
auf die accentverhältnisse, welche vielfach zur erklärung anderer
Spracherscheinungen verwendet werden, gemeinsam ist aber
auch allen arbeiten Kocks die sorgsame Verwertung der älteren
theoretischen litteratur, die methodische benutzung des sdirift«-
liehen materials, die behutsame art der Schlussfolgerung, das be-
streben, wttrklichkeit, wahrsdieinlichkeit und mO^chkeit, — und
mehrere mOgliehkeiten — aus einander zu halten.
Die Studien handek über einige capitel der lauüehre, zu-
nädist über consonanten. s. 1 — 35 wird ausgeführt dass «b
gegenüber dem gegenwärtigen labiodentalen v im 15 jh. zwei
hüte gegeben habe, einen mit dem der modernen spräche überein-
stimmenden, Vp und einen labiolabialen reibelaut, der wahrschein-
lich halbvocal gewesen sei, to. letzteres erscheint nach einem
derselben Silbe angehörenden s, t, th, d, h, k. also swaradke, twa^
thminga, dwala usw. — s. 36 — 115: nachweis der beziehung
zwischen dem accent und bewahrter oder in media verwandelter
tenuis. k wird zwischen vocalen zu g, wenn die mit k begin-
nende Silbe accentlos ist, den Übergang bilden ck nnd ^: zh.
nom. acc. sg. masc. adj. -^ikan, -/ftm^ -/tchm, -lighen, -Uffei^
auch der Übergang des a zu a in der endung beruht auf der
* hier s. 35 begegnet ein kleines versehen. Kock polemisiert gegen den
von Tamm angenommenen nd. einfluss bei bildaog des nom. acc sg. masc.
auf 'in statt -ßr, -an mit der bemerkung, dass im nd. en nicht im nom. sff.
masc. vorkomme, aber es ist im gegenteU häufig und wird aUmihUch regd :
en wüen sfum, s. LQbben BAnd. grammatik s. 103«
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KOCK STUDIER 193
acceiitlosigkeit. derselbe wecbsel der consonaDten zeigt sich bei
dem schliefsenden k in wenig oder nicht accentuierten Wörtern wie
jag, mig für ek, mik. auf gleiche weise wird d statt { für altes th
durch die accentlosigkeit der einsilbigen Wörter du, dar, in denen sie
erscheinen, erklärt. — die folgenden abschnitte handeln von vocal-
barmonie und dem, was K. vocalbalanz nennt, es sind zwei chro-
nologisch auf einander folgende erscheinungen. in hss. vor 1350
findet sich das gesetz, dass nach Wurzelsilbe mit y, ob, ö in den
endungen und ableitungen nicht wie altn. und neuschwedisch a
gesetzt wird, sondern ae, — nach Wurzelsilbe mit a, geschlossenem
e, i, 0, u wider nur a, nicht ae, also bama, lata, helghan, iUa,
fiockar, utati, aber fyllae, baemae, görae. e und o in endangen
und ableitungen werden parallel behandelt, sie stehen nach
Wurzelsilben mit geschlossenem e, ö un<l o, während nach Wurzel-
silben mit a, i, u, y nur i, nicht e, — nur %i, nicht o, gebraucht
wird : also toko, aber gaiu, godhe, aber landu das sind die vocal-
harmonien, s. 117 — 170. — von 1350 — 1500 aber wechselt in
ableitungen und endungen n und o je nach kürze oder länge
der unmittelbar vorhergehenden Wurzelsilbe, also lipugk (isl.
lidngr), aber tnektoghir (isl. mdltigr), skulu, aber varo (isl. dctdu,
f)dni). das nennt K. vocalbalanz s. 172 — ende, gegen-
über der vocalbalanz und vocalharmonie ist im neuschwedischen
ausgleichung eingetreten zu gunsten der laute a, e, o. doch
ßnden sich in dialecten noch spuren der alten Verhältnisse.
Die beobachtungen sind gröstenteils, die erklärungen, so viel
mir bekannt ist, ganz K.s eigentum. dass Keyser und Unger im
norwegischen auch eine vocalharmonie, regelmäfsigen Wechsel von
e, 0 und i, u nachgewiesen haben in einer hs. der Saga vom
hl. Olaf 1849 s. ix, führt K. selbst an, s. 160. im selben jähre
brachte aber auch die Zeitschrift 7, 570 einen aufsatz von Lilien-
cron über die erste norwegische band der hs. Mmb. der Thi-
drekssaga (nach Ungers bezeichnung), in welchem dasselbe Ver-
hältnis gezeigt wird. aufK^lliger weise scheint Onger 1853 in
seiner ausgäbe der Thidrekssaga s. xvi f die beobachtung ent-
gangen zu sein. Liliencrons aufsatz habe ich verwertet in meinen
Altnordischen endsilben WSB 87, 462.
Die Wichtigkeit der schwedischen fälle mit media statt regu-
lärer tenuis in unaccentuierten Worten und Wortbestandteilen für
ähnliche erscheinungen in den verwandten sprachen springt in
die äugen ; s. isl. tg für ek, mig für mik, id für it, vid für vit,
-ligr, 'legr für -Ukr, — im ags. die northumbrischen ih, meh, —
im deutschen die alts. ich, mich, sich, och, -lieh und ^liehen, s.
Tümpel Beitr. 7, 77, Lttbben Mnd. grammatik s. 60. — Jellinghaus
Westhlliscbe grammatik (1877) verzeichnet weder in der lautlehre
s. 66 f noch beim ungeschlechtigen Personalpronomen s. 81 etwas
ähnliches; — im mecklenburgischen gibt Nerger s. 151 -lieh und
Aiche, — in der Leipziger mundarl erwähnt Albrecht s. 13 Stächet,
A. F. D. A. IX. 13
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194 KOCR STUDIER
Rachete. — wenn nun aber in jenen mnd. und nd. mundarten, welche
vor unseren äugen die Verschiebung der consonanten vollziehen,
wOrter ähnlicher function wie die schwedischen jag, odi, nämlich
u>at, dat, np, auf dem alten lauUtand verharren, trotzdem die
tenuis sich rein mechanisch betrachtet weniger zu einer unbe-
tonten Silbe schickt als spirans oder media, so sieht man deut-
lich dass hier die treibende Ursache der Sprachbewegung eine
ganz andere war als im schwedischen, nicht spontane lautent-
wickelung, sondern culturübertragung.
Auch auf einen sehr alten Sprachvorgang, die ausnähme
fadar, wirft die schwedische analogie neues licht und bestätigt
Verners glänzende entdeckung. schon dieser hatte aus den tat-
sachen der ersten lautverschiebung den schluss gezogen (Zs. für
vergl. sprachf. 23, 117) dass die vorgerm. Silbentrennung pat-^'r
war. ebenso ist im schwedischen der Übergang von k in g an
die accentlosigkeit der silbe, zu welcher k gehört 4 gebunden,
das ist in -likan die zweite; s. Svensk akcent s. 120.
Wichtig für uns sind auch die schwedischen doppelformen,
welche z. t. mit differencierter bedeutung aus ein«ii worte ent*
stehen: och ('und'; gesprochen d) und ock ('auch'; gesprochen
ätk) aus ok , s. s. 78, — altschwedisch po und ßö aus unaccen-
tuiertero und accentuiertem got. pauh, vgl. die hd. kürze und
ags. länge in doh und ßedh, und ahd. oh und ouh.
Eine illustration für die accentuiening ahd. wOrter wie ant-
fristunga, zuofpilunga, frampringunga bietet das schwedisclie JJn-
köping, das teils Jonk'oping, teils J'önköping ausgesprochen wird,
s. 229. vgl. die isländische accentuation sännleikdnn wie hittsnarinn,
s. Vigfusson OuÜines s. xv^
Scliliefslich kann ich den wünsch nicht unterdrücken dass
unseren alten grammatikern, orthographen und orthoepisten, und
zwar sowol den practikern, wie Melissus, als den vielen, welche
schreiberegeln aufgestellt oder angaben über die richtige aus-
spräche gemacht haben, wie Opitz, DvWerder, PhvZesen, Schottel
bis auf Klopstock, Adelung, Voss, und den Verfassern der heutigen
Schulgrammatiken für deutsche und fremde jene beachtung ge-
schenkt werde, welche sie nicht weniger verdienen als ähnliche
autoren in Schweden^ — wobei man allerdings zugeben muss dass
in Schweden derartige fragen immer mit mehr wissenschaftlichem
ernst und grOfserer nflchternheit behandelt worden sind als bei
uns — , und ferner dass die philologische behandlung und lin-
guistische Verwertung unserer juristischen und diplomatischen
litteratur älterer zeit sich bald in leistungen zeigen möge, welche
den schwedischen eines Schlyter, Rydqvist, Säve, Söderwall und
so vieler anderer, denen sich nun in würdiger weise K. ange-
schlossen hat, an die Seite gestellt werden können, trotz des
' einen schönen anfanff hat Scherer in seinem aufsatz IJber den hiatus
gemacht, in den zu ehren Mommsens herausgegebenen Abbandlungen, 1877.
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KOCK STUDIER 195
reichtuDQS unserer schöüen litteratur, verglichen mit der schwe-
dischen armut, ist unsere kanzleisprache für die Sprachgeschichte
nicht weniger wichtig als die schwedischen gesetze; sie ist, wie
durch zahlreiche Zeugnisse nachgewiesen werden kann, im 16 und
17 jh. die norm des guten deutsch gewesen, dass sie uns weniger
gefällt als die prosa des 14 oder 19 jhs. tut nichts zur sache.
Wien, 27 november 1882. R. Heinzel.
]>eokmal Jobann WinckelmanDS. eine ungekrönte preisscbrifl Johann Gott-
fried Herders aus dem jähre 1778. nach der Kasseler handschrift
zum ersten male herausgegeben und mit litterarhistorischer einleitung
versehen von dr Albert Dungker, erstem bibliothekar der ständischen
landesbibliothek zu Kassel. Kassel, Theodor Kay, 1S82. xxxv nnd
61 8S. 8«. — 2,50 m.*
Zu der jetzt in Berlin beGndlichen masse der Ilerderschen
manuscripte gehört auch der entwurf und eine copie des um-
gearbeiteten entwurfes zu einer 'lobrede' auf Winckelmann. aus
diesen Schriftstücken geht hervor dass Herder, angeregt durch
eine academische preisaufgabe , frühere blätter und notizen ge-
sammelt und zu einem ganzen verarbeitet habe, dass also eine
solche lobrede oder preisschrift eiistiere^ war schon aus diesem
tathestande hinreichend bekannt « und so hat denn auch BSupban
gerade ein Jahrhundert nach ihrer abfassung, im jähre 1877
und 1878, widerholt auf die ^ungedruckt gebliebene lobschrift
auf Winckelmann' hingewiesen, Herders sämmtl. werke ii 12t ^
371 — 372. lu s. I— xi'. spater nahm RHaym von diesen ma-
nuscriplen kenntnis^und wandte sich, in der richtigen voraus-
Setzung dass, wenn eine letzte redaction von Herders eigener band
vorhanden sei, sich dieselbe bei dei^ acten der Kasseler gesellschaft,
welche die Preisfrage gestellt hatte, vorfinden müsse, im mai 1881
an den oberbibliolhekar der Kasseler bibliothek. herr ADuncker
unterzog sich gern der mühe, die papiere der gesellschaft zu
durchsuchen: die hs. fand sich und ward sogleich durch den
vorliegenden abdruck veröffentlicht, in dieser mtthewaltung, die
gekennzeichnete hs. am angegebenen orte gesucht und gefunden
zu haben, besteht der 'mittelbare anteil' des herausgebers an der
auffindung. wenn es sich um die ehre einer entdeckung handelt,
so fallt diese ASchöU zu, der 1874 die ersten spuren der ganzen
Schrift nachwies.
Dem texte der Herderschen hs. schickt Duncker eine lit-
terarhistoriscbe einleitung voran, ausgehend von den wissen-
schaftUchen bestrebuugen des landgrafen Friedrich ii von Hessen
[* vgl. DLZ 1882 nr 48 (BSuphan).]
13*
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196 DUNCKER DENKMAL WINCKELMANNS
(1760—1785) schildert der verf. die stiftuDg der Social« des
antiquil^s de Cassel oder der fürstlich hessischeD geseUscbaft der
altertümer und die Verhandlungen über deren erstes preisaus*
schreiben im jähre 1777. ihr hervorragendstes mitglied war der
marquis de Luchet, der als ratgeber und gUnstling des landgrafeu
einen weit über sein verdienst hinausgehenden einfluss besafs
und als ständiger secretär der neuen geseUschal't auch den Vor-
sitz in dem aus sechs mitgliedern bestehenden comit^ für die
preisaufgaben führte, die erste preisaufgabe wurde noch im
stiflungsjahre gestellt und lautete: 4'6loge de Hr. Winckelmann,
dans lequel on fera entrer le point oü il a trouv6 la science des
antiquit^s, et ä quei point il l'a laiss^e.' der einlieferungstermin
war auf den 1 mai 1778 festgesetzt, das ist die aufgäbe, welche
Herdern *mut machte die bilder voriger jähre zurückzurufen und
seine papiere darüber zu sammeln* (s. 9).
Allein seine preisschrift hatte ein eigentümliches geschick.
obwol sie vor der concurrenzarbeit des einzigen mitbewerbers,
des Philologen Heyne in Göttingen (gedruckt bei Estienne in
Kassel, 1778. 21 ss. 4^), unverkennbare Vorzüge besitzt, so er-
hielt sie den preis nicht, sie wurde von den preisrichtern nicht
einmal zu ende gelesen; Herder scheint nie mehr von ihr ge-
sprochen zu haben, wenigstens wüste Raroline von einer he-
Werbung nichts, und schliefslich ist die schrift in der nach
Herders tode veranstalteten gesammtausgabe setner werke über-
gangen worden.
Mit der ersten und letzten dieser fragen beschäftigt sich der
herausgeber in der zweiten hälfte der einleitung; in beiden ist
er geneigt, rein persönliche gründe spielen zu lassen, in der
ersten bestimmt, die erOrterung der zweiten schliefst mit einem
non liquet. ^
Nach Dunckers ausführungen habe sich der marquis wie der
landgraf durch Herders ausfälle gegen die beaux esprits beleidigt
gefühlt, während Heyne nicht ohne niedrige Schmeichelei sich
des ersteren wolwollen erworben habe; auch die anderen mit-
glieder des comit^s seien dem Göttinger professor zu besonderer
erkenntlichkeit verpflichtet oder mit ihm durch enge beziebungen
verbunden gewesen, sodass von vorn herein eine aus Göttingen
einlaufende preisschrift auf eine bessere aufnähme als jede andere
hätte rechnen dürfen, nun muste aber Herdern seiner damaligen
bedrängten umstände wegen am gewinn eines geldpreises viel
gelegen sein, von der ankunft Luchets in Kassel war er nicht
unterrichtet, konnte demnach auch nicht daran denken, die aus-
fälle gegen das Pranzosentum zu unterdrücken. Luchet dagegen
soll sowol das couvert, welches Heynes namen enthielt, zu früh
geöffnet und indiscret den namen des Göttinger bewerbers noch
vor der preiserteilung bekannt gegeben, als auch nach derselben
das couvert mit dem pindarischen motto, das Herder gewählt.
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fiUNCKER DENKMAL WIAXKELMANNS 197
spurlos haben verschwinden lassen, zugleich mit einem schreiben,
in dem dieser vermutlich um aufklärung bat (s. xxiu — xu).
Diese beweisführung ist ebenso unhaltbar, t^ie ihre Voraus-
setzungen, mögen wir zunächst dem 'marquis' de Luchet das
reichste mafs von eitelkeit, anmafsung und dunkel zutrauen, so
ist doch im vorliegenden falle nicht erwiesen dass er Heynes
couvert vorher eröffnet (eine annähme, die Duncker selbst s. xiix
wider in zweifei zieht) ; wenn er aber das couvert mit dem motto
der ungekrönten preisschrift 'verschwinden' liefs oder vielmehr
nach brauch aller preisrichter vernichtete, so hat er darin voll-
kommen correct gehandelt, die einzige incorrectheit, welche ihm
nachzuweisen ist, besteht darin dass er Herders schrift, obwol
sie 11 tage zu spät eingieng, überhaupt noch zur concurrenz
zuliefs; diese handlungsweise spricht Luchet gewis frei von jeder
Voreingenommenheit gegen den weimarischen bewerber.
Sollen nun aber besondere gründe für Herders bewerbung
gesucht werden, so wird es ja immer klarer dass er sich in
Weimar von vorn herein nicht heimisch fühlte; er benutzte jede
gelegenheit, seinen nameu bekannt zu machen, und bewarb sich
mit grofser .geschäftigkeil schnell hinter einander um preise bei
den fernsten academien, nicht blofs weil ihn dieser ehrenvolle
wettkampf reizte, sondern auch weil er dadurch irgend einen ruf,
der ihn aus engen und widerwärtigen Verhältnissen befreien konnte,
zu erlangen hoffte, oder meint der herausgeber im ernste dass
Herder die schrift, in der er selbst über die zwanzig lang erfleheten
beschnittenen ducaten spottet, mit denen Winckelmann sich nach
Italien gebettelt habe (s. 53), eine schrift, die doch gewis nicht
das aussehen einer lohnarbeit trägt, verfasste um geld zu ge-
winnen? der preis bestand in einer goldenen medaille, sollte
Hei*der diese .... doch genug! wenn Herders bedrängte um-
stände bei dieser schrift überhaupt einen einfluss gehabt haben,
so kann ich ihn nur in der warmen, begeisterten teilnähme er-
kennen, mit welcher er Winckelmanns armut und bedürfnislosig-
keit, seinen eisernen fleifs, seine beharrlichkeit und den idealen
antiken sinn schildert, der ihn durch ungeahnte mühseligkeilen
des lebens zu einem grofsen, vorher nie erreichten ziele führte:
darin fühlte Herder mit ihm. wenn er W.s Jugend, seine spätere
beschäftigung als conrector in Seehausen, als excerptor der Reichs-
geschichte schilderte, wie konnte er das ohne an die geschichte
seines eigenen lebens zu denken! 'nichts und die liebe dürflig-
keit' war auch bei Herder 'der punct, von dem er ausgieng*.
Dass Herder von Luchets ankunft in Kassel (mai 1775) nichts
wüste, schliefst hr Duncker mit einem kühnen 'dennoch', nach-
dem er alle notizen gesammelt, aus denen hervorgehen muste —
dass Herder auch nach der flucht seines freundes Raspe (märi 1775)
über alle Kasseler Vorgänge nicht nur genau unterrichtet werden
konnte, sondern höchst wahrscheinlich auch war. Merck in
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198 DDKCKEB DEKKMAL WINCKELNANN8
Darmstadt, bei dem sieb Herder juDi 1775 aufhielt, muste doch,
wenn er Raspes nach folger werdeo wollte, geoau berichtet
sein; und durch Raspe war Herder mit dessen coUegen am Ca-
rolinum bekannt geworden (Haym Herder 1 368), aus deren mitte
sogar 1777 zwei zu mitgliedern des preisrichtercollegiums er-
nannt waren: Casparson und Mauvilion. der erstere war nach
Dunckers eigener annähme mit Herder ^schon lange bekannt'
(s. xiT**). scbliefslich muss doch Herder von der neugestifteten
gesellschaft gehört, das Preisausschreiben gelesen und, wenn trotz
allem nicht früher, so doch endlich bei dieser gelegenheit von
dem machtigen Präsidenten erfahren haben.
Herder kannte das ^französische übel' vor und nach Luchets
ankunft, trotzdem oder vielmehr gerade deshalb unterdrückte er
seine polemik nicht, er stand hier vor einer jungen academie,
die zu seiner innigsten freude das bild desjenigen mani^es an
die pforten ihres tempels stellte, für den ihn seit seinen jugend-
werken eine stille bewunderung erfüllte, die noch in den letzten
Schriften seines lebens widerklingt, aber die academie wüste
diesen edlen nicht anders zu feiern als durch eine oberflSchiich
gefasste preisaufgabe und verlangte in dieser in erster linie eine
handfeste lobrede nach herkömmlichem französischem muster. das
empörte sein feines gefuhl, kühn und scharf hielt er der aca-
demie diesen Widerspruch vor, vielleicht dass seine mahnungen
eindruck machten, dass er den mafsgebenden kreisen die äugen
öffnete und, wenn auch nicht für dies mal, so doch für die
künftige würksamkeit die neue und darum noch bestimmbare oder
einsichtigere academie auf den richtigen weg lenkte, das zu wagen
oder gar von einem so freimütigen schritte erfolg zu erwarten,
dazu gehörte allerdings die geniale Unkenntnis Herders von mensch-
licher kleinlichkeit und parteisucht, auf den preis scheint er in-
dessen zuletzt selbst nicht mehr gerechnet zu haben; wenn er
desselben gedenkt (s. 9), so geschieht das mit derselben beschei-
denen Wendung, die ihm auch sonst, wo er von eigenen Schriften
über W. spricht, zu geböte steht; vgl. Werke zur phil. und gesch.
15, 120. 136. wollte Herder ernstlich den preis erringen, so
durfte er von allem, was er über Franzosen sagt, höchstens die
stelle über Falconet stehen lassen (s. 16 — 19); durch die aus-
führungen gegen die ^wortkramerei . . . facultaten- und magister-
künste . . . cathedergewasch' (s. 10) hätte er die academie nicht
beleidigen und durch das idealbild seines ^Olympia versammleter
Griechen in Deutschland' (s. 34 — 35) nicht beschämen dürfen,
zudem stand der ganze geist, in dem Herder überhaupt über W.
schrieb und in dem er auch diese abhandlung verfasste, im geraden
gegensatz zur aufgäbe der academie. sie verlangte eine lobrede,
Herder schlug sie rundweg ab; sie verlangte zweitens eine Über-
sicht über den zustand der akertumswissenschaflen beim auf-
treten W.s. diese allgemeine frage, die mit hilfe eines tüchtigen
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DUNGKBR DENKNAU WIKCKBLMiRNS 199
calalogs bequem beantwortet werden konnte, vertiefte Herder zu
einem psychologiechen problem: ersuchte den punct, von welchem
W. Mn seiner seele ausgieng' (s. 10) ^und auf den er immer zu*
rUckkam' (s. 12, vgl. 14. 35). auch die letzte forderung der auf-
gäbe muste sich eine grofse beschrflnkung gefallen lassen, was
nach W. noch zu tun sei (s. 35), konnte nur ein mann von
'antiquarischer aUwissenheit' sagen; forderlicher sei es unmittel-
bar hinter ihm zu zeigen, 'was selbst in seinen werken, hei seiner
läge im gange eines so kurzen lebens noch unvollendet bleiben
mossen?' (s. 35).
Bei dieser bewusten Opposition gegen die ganze ärt der auf-
gäbe, von dem geiste der academie bis zur fassung des themas,
verwandelte sich die französische lobrede, welche vorgeschrieben
war, zu einem eigenen selbständigen 'denkmal', das ein Deutscher
seinem deutschen landsmanne aus glühender liebe zu ihm und
dem vaterlande errichtete. Herder nahm von der preisaufgabe
nichts weiter als den 'anlass'; das denkmal errichtet aber nicht
mehr die academie, sondern er selbst, wie aus dem titel der ab-
handlung (s. 3) und noch deutlicher aus einer älteren fassung
desselben hervorgeht, bei den manuscripten findet sich ein quart-
blatt, das später zur aufzeichnung eines Volksliedes benutzt ist,
mit folgender form des titeis: 'denkmahl dem Johann Winkel-
mann errichtet vor der Fürstlichen ... zu Cassel beigelegen-
hei t der ersten preisaufgabe derselben im jähr 1777.' es ist klar,
Herder errichtete das denkmal, er stellte es auf vor der aca-
demie zu Kassel, ihr zur lehre und zum beispiel. darum konnte
es ihm auch gleichgiltig sein, wenn seine schrift zu spät ein-
traf; kein anderer grund lässt sich für die Verzögerung auffinden,
am aller wenigsten, wie wir sogleich sehen werden, der, dass
er nicht früher fertig sein konnte, darum schickte er aber auch
sein eigenes manuscript nach Kassel und behielt die saubere sicher-
lich zuerst für die einsendung bestimmte copie zurück, wer ein-
mal Herders gleidimäfsige, zierliche und doch so characteristische
schriftzOge gesehen hatte, muste schon hieraus sofort den Verfasser
erkennen, und so sollten die preisrichter, unter denen ja per-
sönliche bekannte von ihm safsen, auch ohne dass sie das couvert
einzusehen brauchten, ahnen dass die herben lehren dieser schrift
von keinem geringeren als Herder ausgiengen. grund genug für
sie und besonders für ihren präses, zu schweigen, wenn dieser
die zu spät eingelaufene schrift noch zuliefs, so wurde er durch
ihre lectüre hart genug für seine eitelkeit bestraft, welche ihn
eine flut von bewerbungen hatte erwarten lassen, wir würden
über seine empfindungen vielleicht eine auskunft erhalten, wenn
Duncker angegeben hätte, ob und wo sich das zeichen, bis zu
dem die schrift vorgelesen ist (s. xiv), noch im ms. findet
Kann somit von einer eigentlichen preisbewerbung nicht die
rede sein, so bleibt nur noch die frage zu erledigen, warum
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200 DDNCKER DENKMAL WINCKELMINNS
Heyne diese schrift unterdrückt liabe. zunächst wäre freilich zu
untersuchen, ob gerade er verantwortlich gemacht werden niuss.
er bat zwar die Kritischen wälder herausgegeben: aber wer be-
weist dass man das Denkmahl damals zur ^schonen litteratur und
kunst' rechnete? Karoline hat es für eine historische schrift ge-
hallen, wie den aufsatz W. im Merkur, und dieser steht in der
Nachlese historischer Schriften (Werke zur phil. und gesch. 15,
119—137). also träfe Johann von Müller die 'schuld', damit
werden Dunckers erörterungen s. xxxm — xxxv entbehrlich, allein
nehmen wir an, die herausgäbe fiele in Heynes gebiet, so lagen
für ihn die gründe so: er war vorerst an die Weisungen Karo-
linens gebunden, und diese bezeichnete die manuscripte durch
ihre aufschrift als: zurückgelegtes . . . schon gedruckt und
verwies auf der rückseite des Umschlages auf den Deutschen
merkur. selbst wenn sich nun Karoline in diesem falle für
nicht compelent hielt, so hatte Heyne doch gute gründe, die
preisschrift nicht aufzunehmen, sie stimmt nämlich nicht erst
von s. 56 Zeile 8 an, wie Duucker in einer anm. sagt, 'fast würt-
üch' mit dem erwähnten aufsatz im Merkur überein, sondern
schon die ganze s. 55 (aao. 15, 133 f) und aufserdem alle haupt-
gedanken der preisschrift sind in ihn übergegangen; man vgl.
s. 5 die letzten vier Zeilen mit Werke zur phil. und gesch.
15, 123; s. 10 zweite hallte mit 15, 121; s. 11 z. 1—4 v. o.
und s. 12 z. 2— 6 v« o. mit 15, 122; s. 12 letztes drittel mit
15,123—124; s.l3 z. 8—11 v. u. mit 15, 126—127; z. 5-7 v. u.
mit 15, 125; s. 21 zweite hälfte mit 15, 125f. 129; s.22 anfang
mit 15, 126; zeile 9 — 11 v. u. mit 15, 129; s. 24 zweiter absatz
mit 15, 129—130; s. 29 z. 9 v. o. f mit 15, 130; s. 30 letzter
absatz mit 15, 130. 128; s. 31 unten mit 15, 120; s. 32 zweite
hälfte mit 15, 130; s. 36 anfang und schluss, s. 37 anfang mit
15, 131 ; s. 37 z. 7—1 1 v. u. mit 15, 130; s. 39 z. 5—8 v. o.
mit 15, 131 ; z. 12—14 v. o. mit 15, 130; s. 40 z. 6 v. o. ff mit
15, 132; s. 53 leUte hälfte mit 15, 132 — 133; s. 55—57 mit
15, 133—136; s. 59 mit 15, 136; s. 60 z. 5 v. o. if mit 15, 137.
diese Übereinstimmung beweist dass Herder das in der lobrede
verarbeitete material, wie es sich ihm bot, meist in derselben
form vier jähre später verwertet und sich dadurch auf seine weise
mit der früheren arbeit abgefunden hatte, das liegt hier so klar
vor äugen, dass nicht nur der alte herausgeber vollständig in
seinem rechte ist, sondern auch der neue sich hätte fragen
müssen, ob eine verötTentlichung der schrift in extenso im sinne
Herders liegen konnte, und ihm steht ein reicheres material zu
geböte, als es selbst Heyne kannte, seit 1877 ist die zweite
Sammlung der Fragmente über die neuere deutsche litteratur 'aus
der handschrift' veröffentlicht, daraus citiert Duncker wol eine
stelle (s. 360 und eine Variante (s. 46*); aber des engeren Zu-
sammenhanges beider schriften ist er sich nicht bewust geworden.
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DDRCKBR DENKMAL WIKCKBLMAfIFiS 201
es bildet nämlich eio umfangreiches stück der lobschrift, etwa ein
fünftel des ganzen (s. 41 — 52), gerade diejenige partie, aus der in den
Deutschen merkur nichts hinübergenommen ist, nur eine wenig
tief greifende neubearbeitung der entsprechenden stellen der Frag-
mente (s. 119 — 136). Herder hat offenbar bei der abfassung des
Denkmahls das ms. der umgearbeiteten zweiten Sammlung vor-
genommen — er wollte ja ältere blätter sammeln — und hat
die betrachtungen über den Ursprung der kunst und den unter-
schied der griechischen und ägyptischen kunst übertragen, der
älteste entwurf der lobschrift bestätigt diese auffassung vollkommen.
Zeile 10 und 11 auf der letzten seite der handschrift lauten:
W. ist nickt für etc. er legte die satze [lies sätze] xum
gfrunde etc, in einem hhrbnche hauet etc.
Mit diesen abgebrochenen Worten verwies er sich selbst für
die Schlussbearbeitung des Denkmahls auf folgende stellen des
älteren ms.: Winkelmann ist nicht auf der sHte derer, die aU»
kunst . . . .; in einem lehrbuche über die kunst der Griechen
bauet . . ., s. Sämmtl. werke ii 120--121. am anfange derselben
Seite des ersten entwurfs schreibt Herder: eine abhandlung Hegt
zum gründe vom etc. [aber] voll lohnender grundsdtxe über den
anfang der kunst und beinah jeder geschichte. aber warum nidU
lieber in einzelnen datis? dieser satz bezieht sich, wie die worte:
er legte . . . zum gründe etc. auf Sämmtl. werke ii 120 z. 18 v. o. :
hierin scheint zuvörderst . . . zu einem so gro/sen gebdude geioorden.
Diese ganze partie hat Herder also aus der Jugendschrift
sogleich für die schlussredaction der preisschrift umgeformt.
Was bleibt nun aber an neuem material noch aus der
letzteren zu schupfen? mit einer staunenswerten Oconomie hat
Herder auch noch kleinigkeiten , so weit sie nur irgend der er-
wähnung wert waren, aus dem Denkmahl verwandt: die bemerkung
über Sulzer s. 32 mit ihrer breiteren ausführung im ersten ent-
wurf kehrt im aufsatze über JGSulzer, Werke zur phiL und
gesch. 15 s. 168 — 169 mit directer benutzung wider; an FaU
conet und den ^gaul Mark- Aureis' erinnert er noch Adrastea 3, 83;
über das urteil *von kennern und nichtkennern' schreibt Herder
noch kurz vor seinem tode zum teil mit wörtUcher benutzung
des Denkmahls, vgl. s. 16 — 2t mit Adrastea 7, 52 — 57; vgl.
aufserdem stellen aus Adr. 6, 43* 48. 49 mit dem DenkmalU.
Eine schrift, die ihr eigener Verfasser so nach allen seilen
ausgebeutet hat, konnte für ihn selbständigen wert nicht mehr
haben, und aus diesem gründe wird sich auch die neue gesammt-
ausgäbe an der mitteilung einer stilprobe aus ihr begnügen, als
beweis, wie vorsichtig Herder selbst in der auswahl gewesen ist,
teile ich eine s. 27 nur angedeutete, im ersten entwurf aus-
geführte Vermutung über den torso des Herkules mit, interes-
sant durch die neue Variation der verse auf ' Winckelmann-
Herkules':
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202 DUNCKER DENKMAL WINCKBLliAISPIS
Wnwkelm. idee, dass der stürz ^ des Herkules der vergötterte sei,
der nun
nach arbeit, neid und zehrender flammen quaal
der ewgen Jugend freudegemal
da ruhet, riesen hat er bezwungen
mit weltverwUstem ungeheuerin] gerungen
und nun geläutert himtufgeschwungen
sitzt er auf seinen stab versenkt
und überdenkt
den träum des erdelebens —
diese idee ist so schön, dass man ihr auch als träum Wahrheit
wünschet, wo ist indes die fiähere unzweifelhafte anzeige vom
vergötterten helden, dem gemahl der Hebe? steht sie etwa vor
ihm ihm die nektarschale zu reichen? oder umfasst, umschlinget
er sie und wird verjüngt, da er die ewige Jugend berühret? nein,
er sitzt gesenkt auf seinem Stabe, dem müwandrer durch sein
leben, derJct, zieht zusammen den starken, aber jugendlichen rüdcen
und blickt etwa auf. wie wenn er nun als Jüngling Herkules da-
safse und tugend und wohltust vor ihm stünden und er gesenkt
ihre vorschlage überdächte und außlickte anzuschauen die eine, und
die andere? so wäre der jugendlidie rücken erklärt gnng, denn
dem jungen manne, der tugend und lasier an sich zieht, müsste er
also seyn, aber schon Herkuls rüdcen, schon Herktds brüst, alle
starke des mannes und alle werke künftiger jähre verborgen unter
der sanften oberflädie; aber bereits da er mi außUcken vidleicht
schon der tapferkeit gehör gibt, mit sanftem schwunge vortretend,
so wäre alles so natürlich: man hätte keine Hebe, Olymp und Oeta
nöthig: es ist der schönste augenbliek seines lebens für den künstler,
die zartheü und stärke des jugendlichen helden zu zeigen, u. zugleich
die bekannteste geschichte. — was über einen solchen trunk gesagt
werden kann, muss so natürlich seyn, so wenig beiwerk nöthig heAen,
als möglieh; mich dünkt, diese ericlärung hat es. ich wünschte zu
wißen, was M. Angelo dabei dachte; einen vergötterten Her-
kules wohl schwerlich, den er auch an seinem Moses nicht büdet.
er studirte an ihm den fels der großen vestigkeit und der schlanke-
sten Sanftheit, kurz einen Herkules der Jugend, den auch die ganxe
Stellung bestätigt. — was lagst sich nicht über den torso trttttmen?
So viel zur geschichte des Denkmahls. die neue ausgäbe ist
ein sorgftltiger abdruck der Kasseler handschrifu die wenigen
Änderungen treffen meist das richtige; dass s. 57 ists Mtig sei«
wage idh nicht zu behaupten, TgL Alt. Urkunde 1, 307 und
Denkmabl s. 31 z. 10 v. o. mehrfach sind dem herausgeber fehler
seiner vorläge entgangen; zb. s. 32 führt der Zusammenhang auf
die lesart: in dem noch verwachsenem waUe, too . . . enMch;
* Sturz gebraucht hier Herder wie Winckelmano und Goethe fflr torso,
trank (trunctjs),' er spricht aber auch wenige seilen vorher in der be-
Schreibung des Apollo von der schlänge die am stürz liegt
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DUNGRER DENKMAL WINCRBLMANN8 203
s. 53 ist ZU schreiben: die kunst . . . nesda, wenn auch bei
Horaz Ars poet. 35, 36 im nebensatze steht quia [faber] nesciei.
an beiden stellen hatte den herausgeber, wenn er nicht selbst auf
das richtige kam, das anderweit vorhandene material aufmerksam
gemacht (im ersten entwurf verwaeheenem, der künstler-neseim),
insbesondere hätte ihn die copie Öfter zu widerholter prüfung
einzelner stellen veranlasst, diese copie ist, wie meine vergleichung
nunmehr gegen Dunckers zweifei als unumstofsliche tatsache er-
geben hat, eine abschrift des Kasseler manuscriptes. sie um<*
fasst 19 bogen, jede seite enthalt 13 Zeilen und hat links einen
breiten rand. der fehlende anfang, der aus dem ersten entwurf
vollständig ergänzt wird, hat nach dem Verhältnis der schrift zum
druck des Denkroahls wie 13:10 einen ganzen bogen ausgemacht,
wozu noch ein besonderes titelblatt kommen muste. die letzte
Seite ist frei, anmerkungen und motto stehen nicht in der ab-
schrift. ich teile hier mehrere Varianten mit: zu s. 8 z. 3 v. u.
[die anm. zähle ich nicht mit] erneuerten; s. 9 z. 5 v. u. wa$
niekt ansnntaunen, sondern uhr; s. 12 z. 11 v. u. vertehaffen oder
zu bilden; s. 17 z. 4 v. u. selbst gnugsam; s. 18 z. 15 v. o. nur
denn; s. 20 z. 10 sodetm; z. 13 v. u. meissel zerstört wären, so
werden jene . . Überbleibsel . . dauern: so wird . . (statt werden
zuerst und); s. 38 z. 9 v. o. nur; s. 39 z. 12 v. o. fing ers denn
an? idealiseh, ungenau sind die aufschrieen Karolines in der
einleitung widergegeben.
Der herausgeber verweist indessen für die eigentlich kritische
arbeit auf die gesammtausgabe, deren Stellung zur lobrede oben
gekennzeichnet ist. darum wird man die publication dieser band-
schrift auch in ihrer jetzigen gestalt willkommen heifsen. aus-
stattung und typographische ausfohrung sind recht ansprechend,
dmckfehler finden sich s. 24 im zweiten absatz: lies ti. f, (femer);
s. 58 z. 12 V. 0. lies: übrige; s. xv** und xxvn z. 7 v. o. ist sois
verlesen ftlr suis, Heyne schrieb jedesfalis svis,
Berlin, 5 december 1882. Ernst Naumann.
JMRLeni: Der waldbruder. ein pendant zu Werlhers leiden, neu zum
abdrack gel)racht und eiogelettet von dr Max von Waldbbro. Berlin,
WHKübl, 1882. 82 88. 8». — 1,80 m.*
51 Seiten einleitung schon und grofs gedruckt und darauf
30 selten text eng und klein gedruckt — hier ist der autor offen-
bar um des Vorredners willen widerabgedruckt worden, der
herausgeber scheint auch die notwendigkeit einzusehen, das un-
angenehme, aber unvermeidliche anhangsei, den text, zu ent-
schuldigen : er will einem zukünftigen kritischen herausgeber der
Lenzischen werke durch eine ^kleinere Vorarbeit' unter die arme
l* vgl. DLZ 1882 nr 49 (ESchmidl).]
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204 WALD0EB6 DE« WALDBMJDEII VO?l LEM
gegriffen haben, das ist aber eilel wind, eine ^genau coUalio-
nierte widergabe' eines leichl zugänglichen ersten dnickes ist
gar keine Vorarbeit: denn der zukünftige berausgeber mag wenn
er gewissenhaft ist die Sehillerscben Hören, wenn er gewissen-
los ist den vWaldbergschen test zu gründe legen — er bal in
beiden fallen genau dieselbe arbeit.
Die einleitung selbst bsst einen forfschritt gegenober der
mislungenen erstlingsscbrift des verf.s nicht verkennen, ohne
frage bewegt er sich auf dem litterarbistorischen gebiete etwas
glücklicher als auf dem stilistischen, freilich kann er auch hier
nicht ganz von der falschen philologie ablassen, die nun einmal
seine unglückliche Jugendliebe zu sein scheint, was tut vWald-
berg nicht alles *um nur ein beispiel zu bringen* (s. 8) oder
schon bekannte rubriken mit beispielen auszufüllen (vgl. s. 48)
oder längst bewiesenes mit einer neuen Sammlung von beispielen
abermals zu beweisen! wie kühn besteigt er s. lOf das hohe
rose der höheren kritik, um uns zu zeigen dass Goethe selbst
die revision des Waldbruders für die üoren vorgenommen haL
es tut mir leid dass ich ihn hier in seinen träumen stOren rou$s.
der ^waldbruder' wird durch die herbstliche oatur auf den seufzer
geführt, dass auch für ihn noch ein herbst kommen werde: dazu
führt vWaldberg eine glückliche parallelstelle aus dem Wertber
an, und ist sogleich bei der band auf eine interpolatlon Goethes
im Waldbruder zu scbliefseu und die revision des Waldbruders
durch Goethe (nicht durch Schiller, den redacteur der Boren)
aufser zweifei gesetzt zu sehen, wenn vWaldberg aber die Sehil-
lerscben Räuber nachschlagen will, so kann er dort im vierten
acte scene 5 auf die worte Karls von Moor slofsen : 'die blätter
fallen von den bäumen und mein herbst ist kommen geschwind!"
mit demselben rechte und vieUeicht noch mit mehr konnte man also
Schiller als revisor des Lenzschen romans geltend machen, aber
bleiben wir in der spbäre des gewissen: der Waldbruder ist,
wie von vorn herein wahrscheinlich war und von Waldberg zwar
etwas weitläufiger als notwendig aber überzeugend nachgewiesen
wurde, für die Hören überarbeitet worden; von wem und wie
weit wissen wir bis jetzt nicht.
Was vWaldberg über die modelle des Lenzseben fragments,
über das Verhältnis zum Werther und den wahrscheinlichen schluss
des romans (hier selbständig gegen ESchmidt und Grappe) sagt,
zeugt wo es bekannt ist von Sachkenntnis und wo es neu ist von ein-
sieht, wer aber so viel mit stilistischen beobachlungen beschäftigt
ist, sollte dem eigenen slil nicht alle unarten nachsehen; und der
pluralis 'wir', in dem der autor von sich redet, nimmt dort, wo
er seine meinung der eines andern gegenüberstellt, leicht den cha-
racter eines pluralis majestatis sive auctoritatis an und richtet die
ansieht des gegners von vorn berein durch vermeintliche Stimmen-
mehrheit oder eingebildetes Übergewicht zu gründe.
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WALDBERG DER WALDBRUDER VOIN LENZ 205
Die reinheit des textes bin ich gegenwärtig aufser stände
zu controlieren , aber warum wird bei dem zweiten fragmente
der titel des ersten druckes (Hören, dritter Jahrgang, fünftes
stock) angegeben, da doch vor dem ersten eine parallele angäbe
fehlt? was soll ferner die gänzlich unverständliche, erst durch
einen 'nachtrag' erklärte römische Ziffer Ober den fragmenten,
welche in den Hören die stelle anzeigt, welche die fragmente
in den betreffenden stUcken einnehmen? eine so gedankenlose
treue verlangt doch niemand von einem neudrucke, der nicht zu*
gleich typographische reproduction sein soll.
Mailand 4. 7. 82. J. MmoR.
Faust ein fragment von Goethe. Deutsche lilter&lurdenkmale des 18 Jahr-
hunderts in neudrucken herausgegeben von Berichard Scuffehrt 5.
Heilbrono, gebr. HeDoinger, 1882. xv nnd 89 ss. 8*. — 0,80 m.
Ooethes Faust ein fragment in der ursprfinglichen gestalt neu herausgegeben
von Wilhelm Ludwig Holland. Freiburg i./B. und Täbiogeo, JGBMohr
(Paul Siebeck), 1882. 168 und x ss. kl. S^. — 1 m. (auf holl&ndi-
schem bättenpapier 4 m.). — dasselbe zweite aufläge, xiv und 168 ss.
kl. 8«. — 1 m.
Es war ein alter wünsch aller Goetheverehrer und besonders
aller Goetheforscher, die erste gestalt, in welcher der Faust vor
das publicum trat, in getreuem, leicht zuganglichem abdrucke
zu besitzen, die Originalausgaben sind sehr selten geworden,
auch in der GOschenschen gesammtausgabe von Goethes werken
fehlt häufig der siebente band mit dem Faustfragmente. Seuffert
annoncierte einen neudruck als fünftes heft seiner Utteratur-
denkmale; am besten wäre es gewesen, er hatte seine Sammlung
mit dem Faust eröffnet, kaum freuten wir uns auf diese publi-
cation, als auch von anderer seite ein neudruck in aussieht ge-
stellt wurde, welcher dem anderen auf dem markte zuvorkam.
Seuffert war seinem plane gemafs, ^seltene Originalausgaben
von deutschen Schriften des 18 jhs. in neudrucken vorzulegen',
naturnotwendig zum Faustfragmente gefahrt worden, Holland da-
gegen bestimmte ein aufserer umstand: die aulTorderung eines
^tätigen Verlegers', und diesem wurde durch einen hinweis von
Zamcke die idee nahe gebracht, so ist denn auch dem anlass
entsprechend das ziel ein vollständig verschiedenes: Seuffert gibt
ein brauchbares nützliches, Holland ein zierliches bttchlein; bei
dem neudrucke in den DLD hat der herausgeber das meiste getan,
bei dem anderen die vortreCRiche buch- und kunstdruck^rei
WDrugulins in Leipzig, beide ausgaben werden neben einander
bestehen und freunde finden; an Senfferts hefl werden sich alle
jene halten, welche sich ernst mit dem Faust beschäftigen, denn
nur bei ihm ist es möglich citate nachzuschlagen, weil die
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206 SBÜFPERT UND HOLLAND FAUSTN«UDRUCKE
Schröersche und Loepersche verszähluDg beigefügt ist, nur seine
ausgäbe machl den eindruck einer wissenschaftlichen; an Hol-
lands neudruck werden sich alle jene halten, welche sinn für
das äufsere gewand, für genaue seilen- und zeilengelreue wider-
gäbe des originales und das ganze raffinement unserer jetzigen
imitationstech nik haben, und dass deren sehr viele sind, beweist
die schon nach wenig monaten notwendig gewordene zweite aufläge.
Die beiden ausgaben unterscheiden sich jedoch auch in den
grundlagen ihrer drucke; und die frage, wer von beiden, ob
Seuffert oder Holland das ^echte exemplar' gewählt habe, ist schon
darum nicht so müfsig als verschiedene recensenten glauben
machen, weil Holland das original mit allen druckfehlern wider-
gegeben hat, ohne selbst Untersuchungen über die verschiedenen
drucke anzustellen. H. beruft sich auf Salomon Hirzel und nimmt
dessen resultate ungeprüft herüber, das ist schon an sich be-
denklich. Salomon Hirzels grofse Verdienste um die Goethe-
forschung übersehen, wäre der schnödeste undank; aber unsere
Verehrung für den edlen mann und feinen Goethekenner darf
uns nicht blind machen gegen seine schwachen. Hirzel mangelte
die für einen philologen unentbehrliche genauigkeit. dies er-
gibt mit Sicherheit eine collation der im Jungen Goethe abge-
druckten stücke, diese Sammlung war eine sehr folgenreiche, man
kann sagen epoche machende leistung Hirzels, und ich glaube im
Anz. vui 271 meiner dankbarkeit für diese leistung den gebUren-
den ausdruck gegeben zu haben (vgl. auch meinen artikel Goethe-
litteratur im Jabres-supplement 1880 — 1881 von Heyers Konver-
sationslexikon 8. 438 f); trotzdem wage ich die bebauptung dass
auch nicht ^ine seile in jenen vertrauten drei bänden ganz fehlerlos
sei. einiges nahe liegende sei angeführt, der Wanderer ist ii 7 ff
nach dem Gottinger musenalmanach abgedruckt, wie das quellen-
verzeichnis m 711 beweist, s. 8 z. 14 von oben steht im 0(ri-
ginal) Durth's nicht Durchs* s. 10 z. 24 v. o. liest 0 Schätzest nicht
wie Hirzel Sekützest. in dem gedichte Sprache u 16 vers 1 hat
0 Was stark; in Der adler und die taube drittletzte zeile trüb'
nicht trüb, oder ein anderes beispief. der brief an unbekannten
adresaaten — zweifei an der echtheit habe ich geäufsert in der
Zs. für die üsterr. gymn. 1881 s. 50f — wird durch die ver-
gleicbung mit dem facsimile von dr WDorow an mehreren stellen
nicht unwesentlich berichtigt, ui 15f z. 3 predickt; z. 4 ists;
z. 5 da statt ia; z. 8 nach fMen kein komma; z. 10 verfaßt ;
z. 1 1 GefüMs. der salz Jetzt tst nichts zum Druck bereit ist in
klammer eingeschlossen; z. 13 nach acht kein komma; z. 16
dass. 8. 16 z. 2 droUiche; z. 3 nach seht kein komma, dafür dass;
z. 10 Bifsgen toll, kommts stau Bifsgen toU. Kommts; z. 12 ver-
lasst; also in 32 Zeilen 16 fehler; darunter freilich kleinigkeiten,
aber bei der absieht des herausgebers, alle eigentümlichkeiten
der Schreibung und interpunction zu wahren (vgl. i s.lxxxix) doch
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SEUFFBRT UND HOLLAND FAUSTNBUDRICKE 207
kleiDigkeiteD , welche gerügt werden müssen (vgl. Bficbtold GOU
8. VIU).
Solche tatsachen, welche gewis jedem Goetheforscher schon
aufgefallen und sicherlich auch H. nicht fremd sind, hätten ihn
vorsichtig machen und zu eigener nachprüfung veranlassen sollen.
Seufferl weist zur evidenz nach dass von der Originalausgabe vier
drucke existieren, welche in den ersten fünf bogen vollständig
identisch sind , in den weiteren 5 V2 bogen jedoch von einander
abweichen, man kann nicht zweifeln dass die exemplare, welche
die drei versel834 — 1836 doppelt enthalten (Aa), die ursprüng-
lichen sind; nur ein so starker fehler, konnte verursachen dass
die bogen umgedruckt wurden, während sich aus Bb dieser um-
stand nicht erklären liefse. SeufTert hätte diese Verhältnisse gewis
mit weniger schärfe vorgetragen, wenn ihn nicht die reclame für
H.s neudruck dazu bestimmt hätte, was H. jetzt in der zweiten
aufläge s. xui f gegen SeufTert bemerkt, scheint nur einen rück-
zug verdecken zu sollen; wenn man so weit geht, die Original-
ausgabe mit allen druckfehlern zu erneuern (s. iv), so hätte es
doch bedeutung, ob man würklich die Originalausgabe oder eine
zweite verbesserte aufläge als druckgrundlage wählt.
Es ist um so verwunderlicher dassH. die resultate vonSeufi'erts
Untersuchung nicht annimmt, weil er selbst um zweier druckfehler
willen für die ausgäbe auf büttenpapier einen carton drucken
liefs, s. 145 V. 1841 sie st. fie, s. 146 v. 1874 meine st. meine
verbesserte, auf dem titelblatte blieb die angäbe weg, welche zu
der ansieht hätte verleiten können, als sei die Originalausgabe von
der (Irma W, Drtigulin's Buch- und Kunsldnickerei in Leipzig her-
gestellt gewesen, und in der zweiten aufläge ist der druckfehler
von H.s original, welcher in den beiden früheren ausgaben fehlte:
s. 86 V. 1110 gr*ade st. g'rade hergestellt worden, während H.s
fehler s. 14 v. 185 sitz statt sitzt Verbesserung fand.
Seufl'ert verfährt bei der berstellung seiner ausgäbe den prin-
cipieo gemäfs, welchen er bei den neudrucken seiner DLD über-
haupt folgt, daher die Verschiedenheit im drucke der eigennamen,
was durchschuss, fette und gewöhnliche letlern anlangt; darum
blieben die striche auf dem titel und nach scenischen angaben
zb. 8. 72 (Holland 133) fort; darum wurde Margarethe s. 70
(Holland 128) zwischen v. 1654 und 1655 keine eigene zeile zu-
gewiesen usw. wenn eine neue scene mit einer neuen seile be*
ginnt, so wurde die seitenzfthlung in eckiger klammer links her-
ausgerückt, sonst in runder klammer dem texte angeschlossen
(vgh auch s. xiv). in der Verstellung verlässt Seufl'ert v. 2029
die Überlieferung und verändert darum hatte in Hatte.
An einer einzigen stelle s. 28 (Holland) zwisclien v. 1646
und 1647 weichen Holland und Seuflert von einander ab, ohne
dass dem leser rechenschaft darüber gegeben wird; bei SeufTert
lesen wir mit Aa Er fasst ihre beyde Hände, während bei H. Er
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208 SEUFFERT DND HOLLAND FAUSTflEDDRUCRE
faut ihr beyde Hände steht, wol in dbereinstimmuDg mit Bb, wie
aus H.s bemerkung s. ix zu enlDehmen ist.
Über alle frageo, welcfae io betracht kommen, orientiert
Seuffert durch eine vorrede, dieselbe bringt aufserdem höchst
interessante aufschlösse Ober den einfluss Wieiands auf Goethes
Faust, welche zu chronologischer fixiernng einzelner scenen be-
nutzt werden. Seuffert begegnet sich mit einigen von mir (Zeit-
schrift für die österr. gymn. 1882 s. 329 — 336) ausgesprochenen
gedanken. seine resultate können als gesicherte betrachtet wer-
den; zu s. V unten vgl. Biedermann Goetheforschungen s. 5S. •
Auch bei H. treffen wir ein ^nachwort des herausgebers',
welches in der zweiten aufläge zum Vorworte geworden ist. darin
findet sich ein Verzeichnis der wOrklichen und vermeintlichen
druckfehler; Adelbert von Keller hat einige scheinbare Schwierig-
keiten richtig gelost, doch sind diese erläuterungen so zufällige,
dass sie den commentaren überlassen werden konnten, um so
mehr als alle anderen Untersuchungen ausgeschlossen wurden,
einer solchen bedarf wol noch die frage, ob es eine bedeutung
hat dass einige scenen im Faustfragment mit einer neuen seile
beginnen, andere nicht. SeuiTert s. xiv scheint diesem umstände
keinen wert beizumessen.
Von jetzt ab wird es viel leichter sein, dergleichen Unter-
suchungen anzustellen, weil jedem das Faustfragment zugänglich
ist. dafür danken wir Seufl'ert und Holland.
Graz, november 1882. R. M. Werner.
Hexenglaube und hexenprocesse, vornänilich in den braunschweigischen lan-
den von ARhamh. Wolfenbultel.Zwissler, 1882. 104 ss. 8^ — l,50ni.*
Das vorliegende schriftchen des amtsrichters ARhamm ge-
hört zu den zahlreichen abhandlongen Ober hexenprocesse, die
nach dem erscheinen der zweiten durch HHeppe bearbeiteten aus-
gäbe von Soldans Geschichte der hexenprocesse (t880) so rasch
aufgeschossen sind, aus einigen im Wolfenbüttler ortsverein fOr
geschichte und altertumskunde gehaltenen vortragen erwachsen,
beansprucht es nicht etwas neues von erheblichkeit beizubringen,
versucht aber die entwickelung und einzelnen erscheinungsformen
des deutschen hexenwesens, die inneren gründe für die ausbreitung
des hexenglaubens und der hexenprocesse Obersichtlich darzu-
stellen und führt der detaiiforschung neues braunscbweigisches
actenmaterial zu. die mitteilungen letzterer art sind um so
dankenswerter, als das grofse Soldan-Heppesche werk Oberwiegend
l* Tgl. DLZ 1882 nr 45.]
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AUAHM UBXKNGLAÜBE UND flAXSNPROCKSSE 209
uiitU})- uud süddeutsche quelleu lierUcksichügt, und sie gewahreu*
obgleich die betreffenden Urkunden in den braunscbweigischen
landen viel spärlicher erhalten sind als in den kurhannoverschen,
doch einen genügenden überblick über den verlauf des ganzen
heienelends innerhalb dieses kleineren gebietes. wir erkennen
daraus dass unser Vaterland, in der blütezeit der heieuverfolgung
politisch und kirchlich zerrissen, wie kaum je zuvor und her-
nach, im heienprocessverfahren einig war, trotzdem auch iu Draun-
schweig ein princip aus der behandlungsweise selbst der gleich-
zeitigen und gleichUegenden falle schlechterdings nicht abzu-
nehmen ist. wie im reich die dauer der hexenprocesse über
das jähr 1749, in welchem die sogenannte letzte reichshexe' in
Würzburg enthauptet wurde, sich nach neueren ermitteluugen
bis zur enihauptung einer Kemptnerin im jähre 1775 ausdehnt,
so muss auch die nachricht Leibnilzens (Theodic. 1, 5), der eiu-
druck von Spees Cautio criminalis 1631 habe die ßraunschweiger
herzöge sehr bald bewogen, den hexenprocessen ein ende zu
machen, leider auf die Fürsten der haunOverschen linie beschränkt
werden, da noch fast zwei weitere menschenalter hindurch Qeifsig
in Braunschweig bis zum ausgang des 17 jhs. ^gebrannt' wurde.
um 1600 erreichte die verfolgungswut in Deutschland und so
auch in Braunschweig ihren hohepunct, uud dies hatte der verf.
unseres erachtens deutlicher machen müssen, es war zu erwähnen
dass 1604 Henning Braband, der kraftvolle hauptmann und führer
der bürgerschaft gegen rat und geistlichkeit in Braunschweig,
durch keine anklage schwerer getroffen wurde als durch die des
Verkehrs mit dem teufel, die ihm denn auch ein martervolles
ende bereitete (Havemann Geschichte der lande Brauuschweig uud
Lüneburg 2, 560). noch weniger hätte der verf. sich die gelegen-
heit entgehen lassen dürfen, die von LTSpittler (Gesch. des fürsten-
tums Calenberg 1, 370) und von Gervinus (Gesch. der deutschen
dichtung*3, 155) gegebene, aufserordentlich anerkennende charac-
teristik des berühmten fürsten und dichters Heinrich Julius von
Braunschweig (1589 — 1613) einer nochmaligen revision zu unter-
ziehen, die schon Havemann nach der vortrefflichen Erinnerung
des kammermeisters Lorenz Berkelmann v. j. 1613 angebahnt hat
(Havemann aao. 2, 446 ff), so scharfsinnig, weitherzig, tatkräftig
und erfolgreich der herzog als reiphspolitiker erscheint, so kurz-
sichtig, egoistisch, nachlässig und verderblich stellt er sich uns
als haushalter und Verwalter seines landes dar. aus Rhamms
bücbiein fällt aber ein neues licht oder vielmehr ein neuer schatten
auf die gestalt dieses bedeutenden mannes. in einer grofsen an-
zahl der nach Hans Sachs verfassteu dramen des 16 jhs., mOgeu
sie zu den von Gervinus sogenannten ^evangelischen moralitäten'
geboren, oder Ayrersche volksschauspiele, oder gelehrte dramen,
wie Naogeorgs Pammachius und Prischlins Christoffel und Fhasma,
sein, kommen teufeispacte und andere teufeleien vor. so darf
A. F. D. A. IX. 14
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210 RHAMU UEXEfKSLiOJBB UND ttJBXEMPROCBSSB
msD sich deno auch nicht wundern, die teufel in 4 Schauspielen
unseres herzogs als büttel der. ewigen gerechtigkeit widerzufinden.
aufTallig aber ist schon dass sie Jedes mal in der dreizahl er-
scheinen, denn auch die hexen ergeben sich nach Hartliebs Buch
aller ?erboten kunst von 1455 (Grimm Deutsche mythol/ 3, 427)
drei teufeln. ebenso dass die hochernsie erklarung seines letzten
willens seitens des alten herzogs Severus an seinen söhn (Von
einem ungeratenen söhn 2 aufl, s. 4) mit den worlen schliefst:
und in summa, »o habe gott für äugen, ehre deine eitern und deine
von gott gesetzte obrigkeit, tkue recht, scheue niemand und las den
teuffei und seine mutier darumb sawr «eften. in der älteren Su-
sanna endlich, trotzdem dies stUck nach dem epilog insbesondere
auch von Ungerechtigkeit, falschen practiken, verleumbden und
ehrabschneiden abhalten und den richter warnen soll, sich wol
vorzusehen, dass er falscher anklage nicht balde gleuhe, sondern
weil er zwei obren hai, eins dem kldger, das andier dem bdclagten,
zum besten gebrauchen, damit, wenn er also einm unsdnuldigen
verdampt, sein bluth nidu auf sich lade, sagt der vater der haupt-
heldin mit altmosaischer strenge zum narren: got hat befolen,
man sol keine zauberet leben lassen, sondern mit fewer verbrennen.
und so sehr stimmte der herzog nach Rliamms mitteilungen hier-
mit Uberein, dass er, der scharfsinnige kenner des romischen
rechts, der in Sachen des glaubens duldsamer als die meisten
seiner Zeitgenossen war, der söhn des gegen die armen alten
schwermütigen hexen weiber bannherzigen herzogs Julius, aufs
grausamste gegen dieselben wütete, die hetzsüchtige geistlichkeit
gegen sie aufzuhetzen noch für nötig hielt und selbst in den
nachbarlanden als popanz gebraucht wurde, mit dessen namen
man noch sogar die gefolterten schreckte.
Der allgemeinere teil der schrifi liefert einige kleine bei-
trage zur kenntnis des deutschen bexenglaubens. so belehrt uns
der Belmstfldter professor Neuwalt 1586 über die Siegel, die der
teufel zum zeichen des pacts den neugeworbenen auf eine kOrper-
stelle aufdrückt, mit ungewöhnlicher localkenntnis. eine Qued-
linburger acte von 1575 beschreibt uns die ans dem Umgang der
hexen mit dem teufel entspringenden ^gulen holden', die übrigens
nicht blofs, wie Rhamm und auch Grimm Myth/ 2, 898 meinen,
nur dazu dienen, krankheiten zu verursachen, sondern auch, wenn
man ihnen opfert, vorteil bringen und vor schaden bewahren,
auch als ^wichtkens' beschworen werden, um die Zukunft von
ihnen zu erfahren (Niederdeutsches Jahrbuch 6, 45. Bremisches
Jahrbuch 1,314). zu den gewöhnlichen befOrderungsmitteln der
hexen bei ihren nachtfahrten kommen noch sehwingeibretter, kut-
schen und böte, als hexenversammluogsOrter werden aufser den
vou Grimm Mylh.^ 2, 879 genannten angeführt der Elias zwischen
Wiekensen und Vorwohle und der BOningsberg bei Loccum. nicht
unwichtig ist es dass in den braunschweigischen processen der
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BHAMM HEXERGLAUBE UND UBIENPKOCESSE 21t
leufel oder auch die teufelin als wind oder im wind erscheint,
endlich erfahren wir dass das nestelknUpfen im Gandersheimschen
noch im jähre 1720 zu einem criminalverfahren geführt hat.
Der Verfasser, der sich in seinen historischen erörterungen
durchweg an Soldan anlehnt, hat vollkommen recht, der Soldan-
sehen herleitung des deutschen hexentums aus fremdländischem
aberglauben die erklärung Jakob Grimms vorzuziehen, der die
zusammenhänge dieses Unwesens mit dem altbeidnischen volks*
glauben im 33 und 34 capitel seiner Mythologie mit gewohnter
meisterschaft dargetan hat. aber man yf'ird in das höhere, ja
hiVchste arische altertum aufsteigen müssen, will man den hexen*
glauben richtig erklären, die hexen gehören nicht, wie Grimm
meint, zum gefolg ehemaliger gOltinen; die geisler und hexen
waren,. ehe denn die grofsen götter und gOttinnen waren.
Freiburg, august 1882. Elard Hdgo Meter.
Sammlung bergmajinischer sagen von FrWrubel. mit einem vorwort von
dr Anton Birlinger, prof. Freiberg in Sachsen, Graz & Gerlach
(EStettner), 1882. 176 es. 8^ — 2 m.
Ein im pberschlesiscben bergwerksdistrict geborener berg*
mann hat in diesem bücblein gegen andertbalbbundert bergmän-
nischer sagen zusammengetragen, die, von 6iner sage abgesehen,
alle aus verschiedenen gegenden Deutschlands stammen, sie sollen
zunächst dem bergroann eine unterhaltende lectüre, zugleich aber
auch dem sagenforscher nutzen gewähren, als die erste derartige
Sammlung macht sie ^wie jede andere originalsammlung, die keine
vorarbeiten benutzen kann", auf absolute Vollständigkeit keinen
anspruch. ihr voran geht ein kurzes vorwort von Birlinger und
eine einleitung des Herausgebers, ihr angehängt sind ein Ver-
zeichnis der vorkommenden bergmännischen ausdrücke mit er-
klärung aller quellen, und ein namenregister« der angeführte
doppelzweck des werkes ist nicht günstig gewesen, denn dem
auf Unterhaltung bedachten bergmann wird an dem anhang wenig
gelegen sein und den forscher macht die novellistische behand*
lung einiger sagen und die aufnähme einer einzigen fremden,
der allerdings hübsch von JPHebel erzählten Faluner bergmanns-
gescbicbte, etwas bedenklich, auch wird dieser kaum die be-
zeichnung ^originalsammlung' als richtig anerkennen können, da,
abgesehen von wenigen aus mündlicher oder schriftlicher mit*
teilung hier zum ersten mal in den druck Übergegangenen sagen,
die meisten aus den bekannten Sagenbüchern von Grimm, Grässe,
Bechstein, Prohle usw. herübergenommen sind, von Vollständigkeit
ist diese Sammlung allerdings so weit entfernt, dass wir zunächst
nicht an den von Birlinger im vorwort ausgedrückten wünsch
14*
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212 WRUBEL BEBGMÄNfflSGUE 8AGE!«
denken, der verf. mOchle auch die sagen unserer bergmännischen
Stammesbrüder in Siebenbürgen, in den Venediger alpen und am
Monte Bosa einheimsen, sondern demselben ans herz legen, sich
überhaupt in der sagenlitteratar des eigentlichen Vaterlandes, von
der er einen nur kleinen teil benutzt hat, besser umzusehen, von
Kuhns arbeiten zb. kennt er nur die von ihm mit Schwartz heraus«
gegebenen Norddeutschen sagen, dagegen nicht die Westfälischen,
die doch auch einzelne bergmännische nummern, wie nr 154. 179,
enthalten, geschweige denn die entlegenere lilteratur, zb. Spieckers
Der Harz, worin auch allerhand bergmannssaglicbes steckt, ja
nicht einmal die ihm bekannten werke, wie die eben angeführten
Norddeutschen sagen, hat er völlig ausgebeutet, zb. die Lauten-
taler sagen nr 215. 216, vielleicht aus zarter rücksicht auf die
darin etwas spöttisch characterisierten einwohner diese» berg-
Städtchens, übersehen, und um mit dem mäkeln fertig zu
werden, führen wir noch an dass dem Erklärenden Verzeichnis
der bergmännischen ausdrücke die auf s. 122 vorkommenden
Wörter naseheltasche und zscherper fehlen, gerade die dunkelsten,
und dass s. 127 Josefshöhe statt Josefshöfe bei Stollberg im Harz
und s. 128 am Herzberg statt am Harzberg bei Goslar gelesen
werden muss.
Der verf. zerlegt seine Sammlung ganz passend in 4 gruppen,
in die Entdeckungssagen, die Sagen vom berggeist, die von den
Venedigern und Vermischte sagen, und schickt in der einleitung
einige beobachtungen über die fundorte und Veränderungen dieser
sagen voran, seine ansieht, dass dieselben fast ausschliefslich
nur noch von bergleuten auf erzgruben gekannt würden, und in
koblenwerken nur dann, wenn in der nähe sich ein altes erz*
bergwerk befinde, wird im ganzen richtig sein, doch führt er
selber 3 salzbergsagen an, die gewis sich leicht verzehnfachen
lassen, auch hat sich in England, wo der kohlenbergbau älter
ist, die sage auch in kohlenminen eingenistet, über die sagen
von der auffindung von bergwerken wie über die vermischten
Iffsst sich der verf. nicht weiter aus. wenn die ersten mit einer
kurzen bemerkung über das historische datum der eröffnung des
bergbaus der betreffenden örter versehen würden, so könnte das
auch für die geschichte der sage nicht unwichtig werden, zu
eingehenderem Widerspruch fordern aber die über die beiden
mittleren sagengruppen geäufserten meinungen des verf.s heraus.
Nachdem Wrubel den berggeist mit recht von Rübezahl als
einem nur über tage und nur im Riesengebirge auftretenden ge«-
birgsgeist unterschieden hat, behauptet er: *die sage ist überall
da, wo sie vom berggeist er n spricht, nicht mehr rein, sondern
mit der zwergsage vermengt; die ursprüngliche sage kennt nur
einen berggeist, der mit den bergleuten in berührung tritt', und
weiterhin: ^die sage vom berggeist ist so alt, wie der deutsche
bergbau selbst, ein Überrest altheidnischen götterglaubens.' aller«
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WRUBEL BBRGMÄNNISGHB 8AGBN 213
dings ist diese sage ein attheidnischer Überrest, aber eben des-
wegen auch älter als der deutsche bergbau, ein bruchstück und
zwar ein durch den spater aufgekommenen bergbau nur wenig
umgearbeitetes bruchstück der grofsen deutschen zwergensage, in
welcher oft viele zwerge, oft ein einzelner, der häufig ein kOnig
ist, gerade so erscheinen, sich gebärden und handeln wie der
berggeist oder die berggeister. zwerg und bcrggeist haben alle
ihre wesentlichen oft höchst absonderlichen eigenschaften mit
einander gemein, selbst, um nur eine der absonderlichsten hervor-
zuheben, den absehen vor atarkduftenden kräutcrn. denn wie die
wichtel fliehen mit dem ruf hättest du nicht dorant und dosten,
wollt ich dir das hier helfen kosten! (Grimm Myth/ 2, 1015), so
wirft hier s. 36 der bergmOnch den von ihm mit tod bedrohten
bergmann lebendig aus der grübe, ärgerlich rufend: hättest du
nicht diu und dust, so hätte ich es wol gewusst, ja sogar die
ursprüngliche bedeutung der zwerge als seclen ist noch nicht
verwischt, indem bald der berggeist, bald die dem munde des
bergmeisters entschlüpfende seele als mäuschen die bergleute
überwacht und behütet (s. 41. 43. 153).
In bezug auf die Venedigersagen will der verf. nur erwähnen
dass allen die tatsache zu gründe liegt, dass im mittelaller und
auch später der chemie kundige Italiener nach Deutschland kamen
und von da goldhaltige erze, deren wert die Deutschen gar nicht
ahnten, nach ihrer heimat führten, ich muss bekennen dass mir
diese tatsache nicht bekannt ist, auch dass ich nicht eher sie
in dem behaupteten umfange annehmen mag, als die nachweise
vorliegen, aber auch wenn sie geliefert würden, würde diese
tatsache durchaus nicht als die grundlage des betreifenden Sagen-
kreises betrachtet werden dürfen, denn die Venediger der sage
sind ^unscheinlich' und ohne ^rechte menschliche natur*, nur
spannenhoch, die berge tun sich vor ihnen auf, sie gehen durch
die felsen vom Harz bis Venedig, pfeifen schlangen herbei, die
sie braten und verspeisen, sie rufen für ihre in kindsnOten lie-
genden Weibchen menschliche hebammen zu hilfe und belohnen
sie mit kohlen, die sich später in gold verwandeln, wir hOren
zwar von herlichen palästen in ihrer Stadt, aber niemals von deren
wundersamen insellage. im schlaf oder nach langer unterirdischer
Wanderschaft erreicht man sie, die meist als ein mit gold- und
Silbertieren angefallter räum, sei es schloss, sei es garten, dar-
gestellt wird, möglich dass einzelne züge der wfirklichkeit entlehnt
sind, wie zb. der bergspiegel, mit dem die Venediger versehen
sind, auf das einst weltberühmte glas von Hurano deuten konnte,
im übrigen wird man die Venediger auf die lausitzischen fenes-
leute, die Osterreichischen vensmännel, dh. auf zwerge, und
Venedig auf ähnliche namen, wie Venusberg, Veneisberg, Finis-
oder Venuslocb, Veniboch, Venibuck, wie sie fast durch ganz
Deutschland als unterirdische mit tieren und schätzen erfüllte
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^14 WRUBEL BKBGMÄNmSGHE SAGEN
paradiese uod Wohnsitze der zwerge vorkommen, zurückfobreo
müssen, man vergleiche darüber AKuhn WestHil. sagen 1, 313,
der an vingölf, vinburg und vinseU erinnert. Wolf Zs. f. myth.
4, 217. Vernaleken Mythen 23. Rochholz Schweizersagen aus dem
Aargau 1, 365. Henne am Rhyn Die deutsche volkssage s. 147 flf.
und so nahern wir uns auch von dieser seite her dem urbegriflf
der zwerge, auf den ich oben hingewiesen.
Der verf. hofft auf eine weitere aufläge seiner Sammlung,
der auch ich den besten erfolg wünsche, meine vielfachen ein-
wände gegen sein büchlein sollen ihn nicht davon abschrecken;
aber sie sollen ihn mahnen, die 'Heinzenkunst', wie man das berg-
männische öffnen verschütteter gruben werke im Harz nennt, als
wackerer bergmann das nächste mal mit besserem ^gezHhe' dh.
handwerkszeug auszuüben, dann wird auch die ^ausbeute' eine
wertvollere sein, zumal wenn er sich nicht nur um die sagen,
sondern auch um die oft viel gehaltreicheren brauche seines
mühe- und ehrenvollen Standes kümmert.
Freiburg i./Breisgau, november 1882. Elard Hugo Meter.
Lexicon deutscher Stifter, kldster und ordeoshäuser. heraasgegebeo vou
Otto freiherr Grote. Oster wieck a. Harz, Zickfeldt, 1882. 2— 4 lief. 8^
Seit der ersten besprechung vorliegenden Werkes in diesen
buttern (vn 200 fl) sind drei neue lieferungen erschienen, die
nunmehr ein zuverlässigeres urteil über das ganze möglich machen,
leider bleibt dasselbe bis auf weniges das nämliche, welches wir
bereits auf grund der ersten lieferung abgeben musten.
In der mit der zweiten lieferung ausgegebenen vorrede ver-
spricht der Verfasser, in einem anhange die aufserhalb des jetzigen
deutschen reiches liegenden deutschen klöster zu bringen, das
ist gut. es wäre aber besser gewesen, wenn das lexicon nicht
allzu unbequem werden soll, ein einziges aiphabet ohne geogra-
phische Scheidung anzulegen, so aber mtlssen wir jetzt im *deut-
schen' teile namen suchen wie: Les Glandi^res, Saint Avould,
und im ^aul^erdeutschen' teile Gottweih, Kremsmünster, Sanct
Gallen und andere Zierden der deutschen geschichte.
Was die litteraturangaben betrifft, so wollen wir dem verf.
gerne zugeben dass er sich dies mal bemüht hat auch südlich
des Hains billigen ansprüchen zu genügen, den anforderungen
aber, die jeder, der ein solches werk als hilfsmittel für seine
Studien anschafft, notwendig stellen muss, wird es nun einmal
nicht gerecht, der verf. kennt zwar zb. nach einigen andeutungen
im ersten heft (s. 1 4) das werk von Wagner-Schneider, Die geistl.
stifte im grofsherzogtum Hessen, aber benützt hat er es jedes-
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GROTE LKXICOrt DEUTSCHER STIFTER 215
falls in dieseo lieferuDgen nie. die beweise dafür werden wir
sogleich bringen, über Bursfelde kennt er die schrift von Evelt
nicht bei Freising erwähnt er weder die allen historikern und
Philologen so werte geschichte von Meichelbeck, durch welche
sich dieser einen geachteten namen bis zur stunde erworben hat,
noch die neuere kürzere von Baumgartner. die Scriptores o. SBe-
nedicti von Ziegelbauer und Legipontius (wovon besonders der
3 band wichtig für ihn ist), die Germania franciscana von Grei-
derer, die für die deutschen franciskanerklOster so reichhaltigen,
wenn auch ungeordneten Beitrage zur kirchengeschichte des 16
und 17 jhs. von PGaudentius, Lipowskys Gesch. der kapuziner in
Baiem, Helyot usf. sind ihm wol gar nicht bekannt geworden,
und unsere binweisung auf die ^Schematismen* der verschiedenen
Orden und diOcesen, die einzige quelle, ans der Ober den der-
maligen bestand authentische gewisheit zu holen ist, scheint er
nicht einmal beachtet zu haben.
Ein grofser schaden ist auch für diese lieferungen, dass der
verf. trotz unseren abmahnungen dem System des ersten heftes
treu geblieben ist, nur die *güter' der einzelnen klOster aufzu-
führen, nicht aber auch ihre geistigen guter, berühmte schulen,
berühmte mttnner usw. namhaft zu machen, wir können uns nicht
vorstellen dass es viele leute gibt, die ein solches werk nach»
sehlajgen werden, um zu erfahren, was dieses oder jenes kloster
für besitzungen hatte, und wenn, was erfahren sie? zb. GOU
lingen, guter: Eschenberge, Hausen, Kannewurf, Molschteben usw.
aber was sagt uns das? hatten sie dort einen krautgarten, einen
hof, ein schloss inne? geborte ihnen dort ein wald, ein teich,
oder das ganze dorf, die ganze herschaft? überdies ist diese an-*
gäbe sehr ungleichmüfsig durchgeführt, meistens steht nichts
daneben, mitunter belauft sich das trockene namenverzeichnis
fast auf ein halbes, ja ein ganzes hundert (vgl. Dargun, Hiddensee,
Buckow, Eldena, Chorin, Grünau usf.). dann wird von dem adeligen
SAnnakloster in Aachen wider ganz naiv gesagt: 'guter — eine
melkerei in der Morgersgasse.' der teuern zeitt da weifs man
wahrlich nicht, was man mehr bewundern soll, die knauserei der
markgrafin Sybille von Brandenburg, die zur Stiftung des klosters
nicht mehr gegeben haben soll, oder aber die übermenschliche
genügsamkeit der adeligen nennen, die sich mit dieser melkerei
302 jähre lang fortfristeten 1 auf der anderen seite heifst es dann
bei Ellwangen: 'der gUterbesilz war ein sehr bedeutender, das
Stift besafs 1 Stadt, 1 markt, 20 pfarrdOrfer, 22 dOrfer und
186 weiler.' das ist allzu summarisch, wo diese Stadt ge-
legen war, interessiert doch gewis jene, die sich um klostergüter
überhaupt kümmern, fast ebenso, wie dass jene melkerei in der
Morgersgasse lag 1 lassen wir den scherz und sagen wir im ernste
dass es in einem klosterlexicon weit wichtigere dinge zu ver-«
zeichnen gibt als dass ein kloster hier eine mtthle und dort einen
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216 GBOTE LEXICON DBDT8GHKR STIFTER
Weinberg angelegt hat, wenn sclion eine genaue aufzeidinung
auch dieser dinge ihren wert hätte, allein das Übersteigt den
umfang eines handlichen lexicons und die zeit und kraft von
fünfzig mitarbeitern.
Wichtiger aber ist, wie wir das bereits früher hervorhoben,
die angäbe der bedeutenden manner, der schulen und anderer
hervorragender culturgeschichtlicher tatsachen, die mit den be-
treffenden klOstem zusammenhängen, dass bei Bursfelde nicht
ein wort von der berühmten reformation im 15 jh. noch von der
daraus hervorgegangenen Bursfelder congregation zu lesen ist,
die doch an 140klOster umfasste, das ist sicherlich bedauernswert,
wenn der gewöhnliche leser, der nicht fachmann ist, darüber
nicht einmal in einem klosterlexicon auch nur eine andeutung
findet, für was kauft er es denn? denn wer fachwerke besitzt,
der bedarf ja dieses buches ohnehin nicht, wer aber sollte aus
diesem lexicon eine ahnung davon erhalten, welche bedeutung
Fulda oder Heiligkreuz zu Donauwörth oder Gandersheim, Helpede
(Helfta), Heisterbach uam. haben? wenn solch ein nachschlage-
huch dagegen dem leser sagt dass in Disibodenberg die heilige
Hildegard lebte, zu der ihre Zeitgenossen wie zu einem roirakel
wallfahrteten , und dazu die hauptsächlichste litteratur über ihr
leben angibt, so weifs jeder, was das kloster bedeutete, und wo
er würklich etwas lesenswertes über dessen geschichte findet so
ist es mit Hirschau. dass es einst in Deutschland denselben rang
einnahm wie Clngny, wie Clairvaux in Frankreich, dass es, um
vieler anderer Schriftsteller und bedeutender männer zu ge-
schweigen, einen Wilhelm den seligen in seinen mauern barg,
dessen bedeutung Kerker so gut gewürdigt hat, das dürfte sicher
manchen interessieren (s. Helyot Gesch. der geistl. und ritter-
orden 5, 385 — 395; Montalembert Die mönche des abendlandes
6, 460 — 483). bei Hersfeld würde ein hinweis auf die heiligen
Sturm und Godehard und die litteratur über sie, bei Bingen auf
Bartholomäus Holzhauser und seine und die über ihn handelnden
merkwürdigen werke, bei Helpede auf die heiligen Gertrud und
Mecbtild und ihre Schriften, bei Gandersheim auf Hathomod,
Gerberga und besonders auf Hrotsvitha und den berühmten streit
über sie sehr am platze sein, wir sagen nochmals: wenn der
gewöhnliche leser in einem klosterlexicon darüber nfchts findet,
wozu soll es ihm denn dienen ? dass es eine lücke an der wand
ausfüllt?
Die Vernachlässigung dieser und anderer winke, die wir
schon in unserer ersten besprechung im interesse der sache
machen zu sollen glaubten, hat natürlich auch ihre grofsen sach-
lichen nachteile mit sich gebracht, dass die aufzäblung der
klöster in Freising mangelhaft werden muste, ist nach dem oben
gesagten selbstverständlich, das jesuitencolleg in Dillingen soll
1610 gegründet sein, es bat aber der grofse cardinal Otto die
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GROTE LEXICOn DBDTSCHEB STIFTER 217
iiniversiiat daselbst bereits 1564 ati die Jesuiten übergeben, über
SHichael, SGodebard und die Sülle in Hildesheim war aas Gmbe
Job. Busch s. 218lf. 222 fT. 55 ff das genauere zu ersehen, über
die gänzlich verschwiegene reformation von Hamersleben , von
Neuwerk und SMoriz in Halle, von Fischbek nam. aus dem-
selben werke je am treffenden platze, von Flonheim heifst es:
*collegiatstift, patron SMaria, gegründet vom grafen von Flonheim
um 1243.' hatte der verf. aber Wagner -Schneider Die geistl.
stifte in Hessen 2, 329 — 334 eingesehen, so würde er gefunden
haben dass es schon um 1130 als benedictinerkloster unter SAIban
zu Mainz (welches erst 1419 ein collegiatstift wurde) gegründet
sein muss, und dass dasselbe 1181 an die regulierten Chorherren
abgetreten wurde, das kloster Himmelskrone in Hocliheim wurde
(ebenda 2, 61 — 70) nicht 1270, sondern 1279 gegründet, und
zwar nicht von einem ritter Dirolf ^SchmunzeP, sondern von einem
ritter Dirolf *aus dem geschlechte der Schmutzel'. das beguinen-
haus 'zur not gottes' in Hochheim ist nicht M362 von Margaretha
von Rimichen aus Köln gegründet', sondern bereits 1359 ist eine
nonne 'Margaretha von Rymcheim' auf der klause erwähnt, und
1362 wird die klause wider hergestellt (Wagner-Scheider 2,245 bis
248. S.246 heifst sie dort auch Rimichen). in Dienheim lassl das
lexicon ein 'Brigitten-münchsklosler' bestehen, in wahrheil aber
bestand dort zwar ein 'Brigittenhaus', aber kein 'brigittinerkloster',
und zwar nicht von mOnchen, sondern von beguinen (Wagner-
Schneider 2, 244 f). die beguinen scheinen überhaupt eine be-
sondere Verehrung zur heiligen Brigitta gehabt zu haben, so
hatten sie zb. in der Altmünstergasse zu Mainz eine Brigitlen-
klause und eine 'capelle SBirgittae' (ebenda 2, 249 f), in Worms
einen Brigittenconvent, meist 'Bridenconvent', 'Brydenconvent' in
den acten genannt (ebenda 2, 263 0- ^^ ^^^^ ^i^ Mainzer Bri-
gittencapeile schon 1259, 1277, 1289, 1305 genannt wird, so
kann dieselbe nicht der 1373 gestorbenen 'heiligen des nordens'
geweiht gewesen sein, von welcher der brigittiuerorden stammt,
sondern der irischen heiligen Brigida, deren Verehrung gleich der
des hl. Alban durch die aus England gekommenen missionUre
Deutschlands gerade in jenen gegenden gepflanzt, sich bis lange
herab erhielt, schon die irischen nonnenklOster verehrten sie
als ihre stifterin, und so blieb das auch in Deutschland, wie es
scheint, sitte. ihre Verehrung in Deutschland bezeugen hymnen
auf sie in Basel (A vn. 3) und Strafsburg (E 135 f. 60), welche
Mone (Hymni latini roedii aevi nr 858 und 860. in 24 t ff) mit-
teilt (ihr leben bei den Bollandisten febr. 1,99 ff).
Bei so bewandten umsUnden ist es schwer zu sagen, auf
wen dieses werk eigentlich berechnet ist. dem gewöhnlichen
leser bietet es doch gar zu wenig, sowol was die litteratur als
was die tatsächlichen angaben betrifft (man vgl. zb. Bunzlau,
Canstadt, Calcar, Cleve, Coblenz, Düren uam.). dem cultur-
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218 GROTE LEXIC05 DBUT8CHKB STIFTER
Historiker bietet es nicht einmal anbaltspuncte zu einer einiger
roafsen billigen wttrdigang der klöster, da es kaum auch nur die
ahnung wach ruft, als ob die klOster je etwas anderes geleistet
haben sollten aufser aufkauf von ^gUtern' und anlegung von
meiereien udgl. und dem philologen macht es erst recht ver-
druss. wir haben das schon einmal hervorgehoben, müssen es
aber um der zwecke dieser Zeitschrift willen nochmals mit be-
sonderem nachdrucke tun. ohne zweifei kann man von einem
klosterlexicon verlangen dass es die wichtigeren namen der vor-
kommenden orte und klOster so bringt, dass man sich auf ihre
Schreibung verlassen und mit ihnen operieren kann« dazu ist
vorerst notwendig dass die namen genau gegeben werden, und
keinen zweifei dber ihre richtigkeit belassen, mir zb. wurde für
meine arbeiten viel daran gelegen sein dass die angäbe des
lexicons, Eufserthal, Userthal in der Rheinpfalz heifse lateinisch
Uterina vaüi$, frz. OtUreval^ sicher stehe, ich hütte sehr gerne
gewisheit darüber, ob Freisdorf, Freidorf, Fristorf in Lothringen
auch würklich Fusiorff hiefs. aber wer will aus diesem werke
in solchen dingen Zuversicht schöpfen? es ist eine kleinigkeit
dass es auf 6iner seite zweimal heilst ^benedectiner' (s. 70). es
liegt auch nicht viel daran dass die schrift von Bongartz (so
richtig s. 112. 113. 115. 119) ganze seilen lang immer mit dem
namen Borgartz citiert wird (s. 82. 93). am ende gehört auch
nicht viel besinnung dazu, um zu finden dass SReinold in Köln
(s. 89) nicht wol 1515 ein karmeliter-nonnenkloster gewesen und
1447 in ein reguliertes augustinerinnenstift umgewandelt sein
kann, oder dass der nonsens: Freiburg i./Br., minoriten-manns-
kloster M580 der tyrolischen provinz zu Gel halt' beifsen soll:
'zugeteilt*, aber, ob es auch kleinigkeiten sind, mein vertrauen auf
jede lesart, die dieses werk bietet, ist und bleibt dahin, dann
ist, damit man mit diesen namen wissenschalUich operieren kann,
notwendig dass möglichst die ältesten formen derselben gegeben
werden, und zwar unter mitteilung der zeit, aus der sie belegt
sind, jüngere namen ergeben in der regel nichts als irreführen-
den unsinn. was die josephiniscben beamten und die baierischen
bureaukraten in diesem stücke geleistet haben, ist monumental,
darum sind die späteren Schreibungen meist völlig wertlos, so
muss jetzt das volk der weltberühmten Hallertau den namen seiner
Hauptstadt, den es heimlich noch immer ganz richtig Angeistadt
spricht, officiell Nandlstatt sprechen, die büi^er der baierischen
kreisbauptstadt Landshut haben eine strafse längs der roanem
des gartens der *prediger^, dh. der dominicaner, seit langem kraft
eines solchen ukases mit einem wahren sacrificium ihtellectns ^an
den brettermäuern' zu nennen gelernt, darum haben namen wie
Ekphantkumm, Elepkacense für Ellwangen (s. 182), Dry&p^Ui fttr
Eichstätl (125), ZeacoUis, ZeapoUü (soll enUchieden Zeapolis beifsen)
für Dinkelsbühl (107), AeantopoU8(?) für Dornstetten (112) hoch-
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GROTE LEXICOK DEUTSCHER STIFTER 219
stens den wert von historischen curiositülen. aber warum bringt
uns das lexicon nicht so unschätzbare namen wie eben für Dom-
stetten das herliche Tamogavister und 7i(mijfesrer(Neugart Episcop.
Constant. 1,1, lxxxvi), Damiburg (Thietroar Chron. 4, 26; Monum.
Genn. 5, 779) und Dambureh (Annal. Saxo a. 999. ebenda 8,
643, 18) far Derneburg uam.?
Wir bedauern jetzt erst recht dass unsere früheren be-
merkungen nicht gehOr gefunden haben, denn nun, fürchten wir,
ist es bereits zu spat, wir haben sie ganz gewis nicht aus tadel-
sucht, sondern nur zum besten der sache gemacht, jetzt können
wir nur mit unserem Ordensbruder sagen:
wer kumi und wisheit habm $ol,
sicher, der muoz erbeü hän,
dn erbeit nieman df mag gän
den berg, und komen iif den bäum:
gewunnen kunst ist nicht ein träum (Boner 4, 38 ff)*
Graz, 19 october 1882. P. Fr. Albert Maria Weiss 0. P.
G. Juli Gaesaris belli Gallici libri vii. accessit A. HirtU über octavus. recensuit
Alfred Holder. Freiborg i./ßr. und Tabiogen;, JCBMohr (Panl Sie-
beck), 1882. VI DDd 396 88. 8^ — 15 m.
Wenn man eine der praefatio entbehrende ausgäbe zur band
nimmt, so ist es geradezu unmöglich sich ein urteil darüber zu
bilden, was der herausgeber eigentlich gewollt oder erreicht habe;
man muss Tieimehr text und apparatus criticus mit einer früheren
ausgäbe vergleichen, und da dies nicht jeder kflufer gerne tun
wird, so ist es zunächst pflicht des recensenten darüber auf-
zuklären.
Warum beschränkt sich die ausgäbe auf die 7 bücher Caesars
De hello Gallico, und warum ist das Bellum civile ausgeschlossen?
der beigegebene Index omnium verborum , s. 239 — 392, der in
den äugen vieler philologen besonderen wert haben dürfte, weil
ein solcher bisher fehlt, gibt ja nun doch kein vollständiges re-
pertorium der latinität Caesars, warum ist das achte buch des
Hirtius aufgenommen, und das Bellum Alexandrinum desselben
Verfassers (wie man gewöhnlich annimmt) nicht? wir müssen hier
mit einer Vermutung aushelfen und annehmen dass der heraus-
geber der Germania des Tacitus, der schttler des keltologen Adol
Holtzmann (ihm und Ludwig Kayser ist das buch gewidmet) in
erster linie ein interesse für die Gallier und Germanen habe und
dass ihm darum die anderen kriege ferner liegen, würde er als
chssiseher Philologe und als freund Caesars, mit der nebenabsicht,
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220 CAESAR» BELLUM OALLICUM ED. HOLDER
die Identität oder die Verschiedenheit der Verfasser des achten
huches und des Alexandrinischen krieges mit hilfe des lexicon zu
erweisen , an die aufgäbe herangetreten sein , so hfllte er jedes-
falls seinen stoff anders begrenzt.
Aus dem recentuit wird man ferner folgern dass auf grund
neuen handschriftlichen materiales oder anderer wertung desselben
ein neuer text aufgebaut sei. dieser schluss ist indessen nur
zur halftc richtig, die haupthandschriften Holders A (Amstelo-
damensis), die älteste aus dem 9 jh., und B (Paris. 5763) sind schon
Nipperdey, M (Paris. 5056) schon Dobner bekannt gewesen ; ahn-
lich steht es mit den hss. zweiten ranges, nur dass sich der leser
einpauken muss dass b Holder >= C Nipperdey ^^ V Dübner;
u Holder >» e Nipperdey «= H Dübner. die lesarten eines von
Frigell hervorgezogenen unvollständigen Pariser codex 6842^ sind
nur im anhange s. 236 — 238 mitgeteilt, blofs cod. Paris. 5766,
saec. xiti, auf den schon der Schwede Häggström aufmerksam ge-
macht, ist von H. zuerst herangezogen, aber eine directe abschrift
der cod. Amstel. und dalier wertlos, aufser für die in A fehlenden
Partien, aber das haben wir allerdings H. zu danken, dass er
sich für die Codices ABM nicht auf die bisherigen collationen
(Nipperdey hatte die seinigen durch Beierle, Plüschke ua. er-
halten) stützt, sondern sie selbst verglichen hat, wir wollen gerne
glauben, genauer als seine Vorgänger, wer sich einmal in das
von n. gewählte chifTernsystem eingelebt hat, bekommt rasch ein
bild der Überlieferung, da er auch collecüvzeichen für den archc-
typus zweier hss. gebraucht.
Aus einer nachcollation nach Nipperdey wird niemand zahl-
reiche neue lesarten erwarten; die lesevarianten werden sich in
der regel auf orthographische kleinigkeiten beschränken: H. gibt
dinge an, die N. anzuführen nicht der mühe wert hielt, oder er
bestimmt genauer, ob eine lesart von erster oder von zweiter
band herrühre udgl. leider gestatten unsere typographischen
mittel nur in unvollkommener weise ein genaues abbild einer hs.
zu geben ; um so mehr muss man hervorheben dass H. sich alle
mühe gegeben hat, den leser über alles vollkommen aufzuklären,
durch genaue reproduction der abkttrzungen uä. parallelstriche
bedeuten wol rasur; dies lässt sich wenigstens vermuten, aufser-
dem wird das klammerzeichen fleifsig benutzt, zb. mmafii($),
Ou(i)a; was damit bezeichnet sein soll, wird dem ermessen des
lesers anheimgestellt, die über der zeile übergeschriebenen buch-
staben sind bald in antiqua, bald in cursive gesetzt, was möglicher
weise erste und zweite band bezeichnen soll, die puncte unter
den buchstaben sind zweifelsohne die in den Codices ttblicben
tilgungspuncte. ferner erscheinen buchstaben oft durch einen
querstrich getilgt (getreue nachbildung der hs.?); endlich finden
sich, um minder wichtige dinge zu übergehen, sehr oft liegende
klammern unter den buchstaben, zb. reUfuae que, mi(i)iiie, was
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CAE8ARIS BELLUM GALLICUM KD. UOLDBR 221
man am sichersten mit dem verse Heines erläutert ^ich weifs
nicht was soll es bedeuten'; wenigstens wüste uns ein specieUer
Caesarforscher, an den wir uns wandten, keine auskunft zu geben,
personlich neigen wir zu der ansieht, dass die runden schleifen
in der hs. wUrklich vorhanden seien und die tilgung der betref-
fenden buchstaben bezeichnen sollen; dann ist der bogen oft ein
pleonastisches zeichen, da er zu dem querstriche und dem til*
gungspuncte hinzutrilL man sieht dass der herausgeber, wenn
er nicht eine eigene kritische schule gründen will, besser getan
hätte sich etwas bestimmter auszusprechen.
Dm nun herauszubringen, wie sich der text Hoblers zu dem
von Nipperdey verhalle, eolschlossen wir uns die capp. 21 — 29
des VI buches, welclie eine Schilderung der Germanen enthalten,
zu vergleichen und fanden folgendes: 2\, 4 impuberes] inpuberef
Holder. 5 uicesimum] uicemimum. rhmonum tegimmUisl renonum
tegumentis. 22, 1 agricuUura] in zwei Worten. 2 unaj ium nna
nach Heller statt des handschriftlichen cum una. 23, 7 ü] hi,
9 quaeunque de causa] mtaque de c. nach der ersten handschriften-
classe. 24, 4 quidem] quod. patietUiaque] patterUia qua ante,
ergänzung von Heller. 25, 2 Bauracorum] nauricarum. Danubii]
Datiuvii, wie jetzt ziemlich allgemein geschrieben wird. 25, 3
adtingii] aUingit. 27, 4 amnes] omnis. 28, 1 elephatUosJ ek-
fanios, der herausgeber bat mithin die conjecturen Hellers
grofsenteils angenommen ; ebenso die von WPaul vorgeschlagenen
textesflnderungen , und die von demselben in der Zeitschrift für
die Osterr. gymnasien als interpoliert erklärten stellen in der
regel eingeklammert; zb. 6, 39, 4 dispecta mit Paul statt despeeta,
ebenso 7, 36, 2» auch Vielhabers Untersuchungen sind ver-
wertet.
Eigene conjecturen hat der herausgeber in geringer zahl in
den text gesetzt, so schreibt er vm , praef. 2, wo Hirtius sagt,
er habe die lUcke zwischen Caesars Bell. Gali. und dem Civile
ausgefällt: non eonquadrantifms superioribus aique insequentibus
eius »criptis (die hss. conparentibus oder camparantibus). dagegen
haben wir zunächst zu erinnern dass conquadrare in classischer
latinität nur ^viereckig machen' bedeutet, erst bei kirchenvätern
so viel als übereinstimmen »= proportioniert sein, vollends un-
erhört aber ist es, diese schlechte coojectur dem leser dadurch
aufzunötigen, dass die conjectur Schneiders cohaeretUibus, welche
Nipperdey, Dinter, Krahner, Dftbner, Doberenz im texte haben,
im apparate verschwiegen wird. 8,4,2 schreibt H. centu-
rioni bis (arUum numerum . . poUicelur statt centutionibtis tot
miUa p.
Ob nun diese ausgäbe den namen einer recensio verdiene
und ob die germanistischen Studien, für die sie berechnet ist,
dadurch einen neuen aufschwung nehmen werden, muss dahiu
gestellt bleiben, uns scheint, der herausgeber hätte den billigen
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222 CAB8ARIS BELLUM GALLIGDM SD. HOLDER
aoBprücben des gelehrten publicums mehr entgegen kommen
sollen; denn die Lachmannische kürze ziert wol einen Lach-
mann. — brauchbar ist jedesfalls der Index, aber eben leider für
Caesar unvollständig, und nicht ohne zahlreiche kleinere fehler;
namentlich sind oft nominativformen unler der rubrik des accu-
sativ, dative unler ablativ eingereiht und umgekehrt, zb. hoitis
Hirt. (BG 8) 16, 5. ein genaueres und vollständiges Wörterbuch
zu Caesar und seinen Tortsetzern wird von Sig. Preufs und Menge
vorbereitet.
München. Eduard Wülfflin.
Li TT ERA TUR NOTIZEN.
Deutsches Wörterbuch, vierten Landes erste abteilung ii hälfte
vierte lieferung. oeist bis Geldschneiderei, bearbeitet von
dr RHiLDEBRAND. scchsteu bandes achte und neunte lieferung.
lustigen bis masz. bearbeitet von dr MHetne. siebenten bandes
zweite lieferung. nachtigallstrauch bis narrbnwebk. bearbeitet
von dr HLexer. Leipzig, SHirzel, 1882. 1881. 1882. 1882.
ä lief. 2 m. — vom november des vorigen bis zum juni dieses
Jahres, also in sieben monaten, sind vier lieferungen des Grimm-
schen Wörterbuches erschienen ; demnach haben die bearbeiler
nicht gefeiert, und die freunde des Wörterbuches können nur
wünschen dass den drei bewährten männern noch recht lange
gesundheit und kraft zur fortführung ihres Werkes erhalten
bleibe. Hildebrand und Heyne, deren art aus ihrer langjährigen
arbeit am Deutschen Wörterbuch bekannt ist, sind sich natür-
lich auch in den zuletzt veröflentlichlen lieferungen getreu
geblieben, und es wäre unbillig und undankbar, sicher auch
völlig erfolglos, wollte man dem älteren bearbeiter den rasche-
ren schritt des jüngeren und diesem die erschöpfende fülle
des älteren als muster hinstellen : ich denke dass der eine von
der arbeit des andern ohnehin kenntnis nimmt und sich seinen
vers daraus macht.
Die Anzeiger vii 469 ausgesprochene besorgnis, dass die
mit GEIST zusammengesetzten Wörter noch die gröfsere hälfle
der neuen lieferung einnehmen könnten, hat sich als unbe-
gründet herausgestellt, obgleich die erörterungen über den be-
griff des geistes sehr ins einzelne gehen und namentlich unter
30 c (sp. 2740) dinge gegeben werden , die man wenigstens
in einem sprachwörterbuch zu erwarten nicht berechtigt isL
dass man bei Hildebrand auch an zusammengesetzten Wörtern
wenig nachzutragen, findet, ist aufmerksamen lesern des DWB
bekannt, sp. 2754 könnte hinzugefügt werden das als zwitler-
wort freilich entbehrliche gei$tersystem: in dem 'VerUehten
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LITTBRATURNOTIZEN 223
u>un$cke* ist mir die Vermischung der alten mythologie und
des geistersystems nach dem GahtUis anstöfsig. Lessing
9, 120 (Heropel) >» Litleralurbr. 32. sp. 276 t ist geistesgetund-
heit aus Vilmars Nationailitt. belegt, geistesgesund aber über-
gangen; vgl. die ruhige geistesgesundt greisengestait des
ehrwürdigen Huber (d. i. FrHubers, 1763—1841). DFStraufs
Kleine Schriften 2, 357. ebenso fehlt neben geistetmaeht das
neuerdings, wie mir scheint, besonders von theologen gern ge-
brauchte adj. geistesmdduig. noch viel mehr auf die theolo-
gische spräche beschränkt ist der auch lautlich unschöne aus-
druck geisttreiber: für eine neue secte, für quacker und g eist -
treib er ausxuruffen. GArnold Kirchen- und ketzerhist. teil 2
buch 17 kap. 7 § 8 »» bd. 2 s. 113* der Schaffhfluser aus-
gäbe, geistigkeit Andet H. seit Eckharts geistdceit erst wider
im letzten drittel des 17 jhs. (Leibnitz, Stieler); doch liest
man im Sueton des Polychorius vom j. 1536 hl. 87*: begerung
und geistigkeyt. das erst dem 18 jh. zugeschriebene ^eis/-
voU bietet AGryphius in einem titel aus dem j. 1650 bei Goe-
deke Elf bücher 1,374: geistvolle Opitianische gedandceti;
derselbe Gryphius hat das von H. nur aus Klopstock belegte
geistervoll: die leichten geister-vollen bein Kirchhofsge-
danken 38 (s. 492 der ausg. von 1663). geistvoll steht auch
am ende des 17 jhs. in Neukirchs vorrede zu den Gedichten
Hoffmannswaldaus usw. bd. 1 (1695): in seinem Arminio aber
hat er so vide artige, knrtze und geistvolle dinge ersonnen,
als eigentümlichen hannoverschen ausdruck führt Hildebrand
das geistlidte «=» das u>eifse linnen^ tiscMcJten an und vermutet
den Ursprung des ausdrucks in dem gebrauch, das linnen
ursprünglich nur an sonn- und festtagen aufzulegen, ich lasse
das dahin gestellt und bemerke nur dass in der ukermflrkischeu
Volkssprache die weifse färbe, soweit sie als auffällig oder auch
krankhaft erscheint, als geistlich bezeichnet wird, so die ge-
Sichtsfarbe des menschen und gelegentlich auch die des noch
nicht zu seiner reife gekommenen käses. demnach würde mir
das hannoversche geistliche einfach als das weifse, weifszeug
erscheinen, sp. 2888 wird die aus gelbschnabel zerlegte form
gelber Schnabel nur aus Goethe (Faust 2 teil) belegt, findet sich
indessen schon in der 1 hUlfle des 17 jhs. beim (Pseudo-)
Pbilander 5, 141 (Fassnacht und herschaft der weiber): von
den gelben schnäbeln vnnd jungen löffelmdulern. geldchen
bat wie manches andere Verkleinerungswort einen vom plur.
des hauptwortes gebildeten plur.: ihre wohlerworbenen baaren
gelderchen. Edelmann Lebensbeschreibung 152. neben dem
aus Stieler und Ludwig belegten geldschinder vermisse ich das
schon bei Spangenberg Adelsspiegel 2, 45^ (1594) vorkom-
mende wort geldschinderey.
Zu den beiden von Heyne bearbeiteten lieferungen wären
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224 LITTEBATDftNOTIZCI«
natürlich nacblrdge in ungleich reicherer fülle zu liefern, da
aber jetzt gerade über die Zusammensetzungen eineö im 6 bände
des DWB behandelten wortes eine kleine schrifl von mir ge*
druckt wird, so will ich auf das billige vergnügen des nach-
tragens und ergänzens verzichten, vielmehr auch hier der
Heyueschen arbeit meine dankbare anerkennung zollen, auf
einen druckfehler sei noch hingewiesen, obgleich dies schon
unmittelbar nach erscheinen der lieferung in einer berlinischen
Zeitung geschehen ist. sp. 1447 unter magnet wird angeblich
mit Platen dem gelde nachgesagt: vor den übrigen, ziehst du
das Jugendgemüt dir zu, wie das schiff der magnelberg. ein
richtiger sinn kommt erst in die stelle, wenn mdiu Juden gemüi
liest, wie Platen würklich geschrieben hat.
Die erste probe von Lexers arbeit (DWB vii 1) habe ich im
Anzeiger vm t72fr mit einer reihe von einzelbemerkungeu be-
gleitet, die uns jetzt von ihm vorliegende zweite iieferuog
des siebenten bandes ist in der gleichen art wie die erste be-
handelt; ich gedenke aber auf einzelnes erst wider bei einem
späteren hefte einzugehen, da einerseits Lexer mir in einem
freundlichen schreiben zugegeben bat dass meine wünsche
beachtung verdienen, andrerseits aber die neue iieferung schon
unter der presse war, als meine anzeige erschien, wenn dann
Lexer in demselben briefe mich belehrt dass er doch schon
längere zeit eifrig an dem Wörterbuche gearbeitet hat als ich
ihm glaubte nachrechnen zu können, so nehme ich gern meine
bezügliche behauptung zurück, dass ich weit davon entfernt
bin, diese kurzen anzeigen zu verletzender krittelet zu mis-
brauchen, hat L. zu meiner freude richtig gefühlt, und ich
gedenke auch in Zukunft dies gefühl bei ihm nicht zu sturen.
Grofs-Strelitz O/S. A. Gombbrt.
AGoMBERT, Nomenclator amoris oder liebeswürter. ein beitrag
zum Deutschen wörterbuche der gebrüder Grimm. Strafsburg,
Trübner, 1883. ix ss. und 120 spp. lex. 8®. — den von Heyne
DWB VI 941 — 959 verzeichneten 257 (nach meiner Zählung
252) Zusammensetzungen mit liebes- fügt G. im ersten ab-
schnitte dieser auch nach selten des formats und der aus-
stattung dem DWB ähnlich gemachten schrift weitere 550 aus
der reichen fülle seiner Sammlungen gewählte hinzu ; im zweiten
verbessert er 166 von jenen 257 (252) artikeln, indem er
entweder ältere belege beibringt oder bedeutungen nachweist,
welche das Wörterbuch nicht kennt, angehängt ist eine lese
von compositionen mit liebe^ und lieb-, wenn es auch keinem
zweifei unterliegt dass sowol die winke der gehaltvollen vorrede
als auch die hinweise auf manche bisher nicht oder nicht ge-
nügend ausgebeutete quelle von den bearbeitern des DWB
werden dankbar gewürdigt werden, so steht doch noch weit
mehr zu wünschen dass eine in dem mafse hervorragende und
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UTTBBATOlUiaTiZEI« 225
legitimierte kraft, wie diejenige G.8 ist, dem nationaleu uoter-
aehmen ganz gewonnen und nicht nur zur nacbarbeit, sondern
zum rüstigen mitschaffen berufen werden mOge.
JHuBMBR, Miltellateinische analecten. Wien 1882 (programro des
gymnasiums im 9 bezirke). 20 ss. 8®. — enthält eine dar-
Stellung des martyriums der tbebaeischen legion in 252 hexa-
metern nach der stark verderbten Wiener hs. 952 (welche aber
bereits publiciert war, vgl. Neues archiv viii 226), ferner eine
neuausgabe der bekannten, auf die Zerstörung Trojas bezOg-
liehen distichen Pergama flere volo und Viribus, arte, minis
Danaum data Troia ruinis unter herbeiziehung bisher unbe-
nutzter hss.
KoBRBSPOMDiNZELATT des Vereins für siebenbürgische landeskunde.
fünfter Jahrgang. Hermannstadt 1882. — auch in diesem
bände der rüstig fortschreitenden monatsschrift sind manche
interessante mitteilungen über rätsei, aberglauben und mund-
artliche ausdrücke enthalten ; der wichtigste unter den uns an-
gehenden beitragen ist aber jedesfalls der über das urzellaufen
in Agnetheln (s. 17 ff), einen gebraach, welcher bei den Um-
zügen der Zünfte in den letzten tagen des januar eine rolle
spielt und auf hohes aMer ansprach hat.
EouABn LoHMBYBR, Die handschriften des Willehalm Ulrichs von
Türheiro. Kassel, Wigand, 1883. u und 86 ss. 8^. 2 m.—
diese als dissertation zu Halle eingereichte arbeit gibt nach
einer kurzen einleitung über den dichter und seine werke
eine aufzählung der hss., sodann eine reihe von textproben
nach der Heidelberger hs. mit den Varianten der übrigen, end-
lich eine classificierung der hss. nach den ihnen gemeinsamen
fehlem, im bandschriftenverzeichnis hätte wol darauf hin-
gewiesen werden können dass irrig Ulrich von Türheim ge-
nannt wird bei einem Tambacher fragment, welches vielmehr
ein stück aus dem Wilhelm Tttrlins ist: Serapeum 3, 342. der
text enthält einzelne stellen, die aus der Überlieferung nicht
klar werden : 809 ff ua. die Untersuchung über das hand-
schriftenverhältnis ist sorgfältig und wird gewis der erwünschten
ausgäbe des ganzen gedichts zu gute kommen. Mabtui.
ANahbr, Ober die werke des altenglischen erzbiscbofs Wulfstan.
inanguraldissertation zur erlangung der philosophischen doctor-
wUrde an der Universität Güttingen. Weimar, hof-buchdruckerei,
1882 (Berlin, Mitscher & Rüsteil in comm.). 71 ss. gr. S^.
2 m. — Wanley beschäftigt sich in seinem Catalogus ziemlich
ausführlich mit dem verf. von homiiien, den die hss. Lupus
nennen, er erkennt in diesem den erzbischof von York und
bischof von Worcester, Wulfstan, der 1023 starb, und schreibt
ihm im ganzen 53 homiiien zu. anfserdem hält er ihn für
den verf. einiger anderer Schriften ; spätere gelehrte haben ihm
noch weitere zugesprochen, an diese Untersuchung Wanleys,
A. F. D. A. IX. 15
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226 LITTERATÜBNOTIZEN
deren resuitate auch ThWright und BtenBrink in ihre be-
kannten litterarhistorischen werke aufgenommen haben, knttpft
N. an. indem er in dem ersten puncte, der identificierung des
Lupus mit Wulfslan — gegen welche sich allerdings kaum
etwas von bedeutung einwenden lassen dürfte — , ohne darauf
weiter einzugehen, Wanley beistimmt, beschäftigt er sich mit
der feststellung der würklich von Lupus-Wulfstan herrührenden
homilien. da ergibt sich denn dass von den 53 ihm durch
Wanley zugeschriebenen nur 4 übrig bleiben, als deren verf.
Lupus in den hss. selbst bezeichnet wird, ob die übrigen ho-
milien sämmtlich oder teilweise ebenfalls als von Lupus stam-
mend anzusehen sind, kann nur nach inneren gründen ent-
schieden werden: 'wir müssen von den (eben erwähnten) vier
homilien ausgehen und in denselben nach inhaltlichen und
stilistischen criterien suchen, die uns in unserer beurteilung
der übrigen homilien zu einem sicheren resultate führen können,
solche criterien zu gewinnen und sie bei jeder einzelnen predigt
als Prüfstein anzuwenden werde ich im folgenden versuchen'
(s. 8). diese arbeit bleibt N. jedoch in der vorliegenden schrift
schuldigt; er hat mit den Worten wol auf ein späteres um-
fassendes werk hindeuten wollen, hier gibt er vielmehr nur,
wie er es 8. 9 selbst als seine aufgäbe bezeichnet , einen kri-
tischen text der beiden ersten unter den 4 wol sicher dem
Lupus angehörenden homilien sowie des sogenannten hirten-
briefes, und zu letzterem eine Untersuchung darüber, ob und
in wie weit L. als verf. desselben anzusehen ist. N. macht
wahrscheinlich dass die ursprüngliche reihenfolge der einzelnen
abschnitte des briefes diejenige ist, welche eine hs. des Corpus
Christi College in Cambridge bietet, und dass in diesem denkmal
kein einheitliches ganze vorliegt, dasselbe vielmehr aus zwei
von einander ursprünglich unabhängigen stücken besteht, von
denen das erste vermutlich von L. herstammt, während in dem
zweiten nichts für die autorschaft desselben spricht der kri-
tische text der drei stücke, der hauptteil der schrift, basiert
auf einer genauen vergleichung und benutzung aller bekannten
hss. anmerkungen dazu beschliefsen die fieifsige und sorg-
same arbeit. Hermann Varnhamn.
FrProsch, FMKlingers philosophische romane. eine litterar-
historische Studie. Wien, AHolder, 1882. 86 ss. gr. S^.
(Separatabdruck aus dem programme des k. k. staatsobergym-
nasiums in Weidenau). 1,60 m. — der bauptwert der vor-
liegenden Studie liegt im 2 capitel. Presch untersucht das Ver-
hältnis der Geschichte eines Teutschen zu Rousseaus Emil,
*■ aus diesem gründe und weil N. die frage, ob Wulfslan auf die autor-
schaft der übrigen ihm lugewiesenen schriflen anspruch erheben kann oder
nicht, abgesehen von einem falle nicht berührt, ist der titel, den er seinem
buche gegeben hat, nicht ganz zutreffend.
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UTTSRATOBKOTIZKN 227
erörtert die ttbernahme oder Weiterbildung von figuren und
Vorgängen sowie die Terwandtschaft der ideen. dort schliefst
er Vermutungen an über lebende Vorbilder der personen in
KLs romanen, hier besonders betracbtungen Aber K1.8 Oppo-
sition gegen Helvetius. zu aUgeniein und darum weniger för-
dernd ist das einleitende capitel Kl.s Stellung in der litteratur
und ebenso das dritte über die rooiandekade. der Zusammen-
hang des cyclus, den Pr. in etwas anderer reihenfolge als
Hettner verbindet, die absiebten und die träger der faauptrollen
der einzelnen romane sollen in einer schematischen tafd über-
sichtlich gemacht werden, zahlreiche verweise auf KLs Be-
trachtungen und beobachtungen über die Verbreitung der vor-
kommenden motive bezeugen dass der verf. mit seinem Stoffe
vertraut ist. im ganzen ist die Studie mehr anregend als ab-
schliefsend. aufser einzelnen sachlichen bedenken steht ihrer
Überzeugungskraft der mangel an Ordnung und schärfe des Vor-
trages entgegen, im anhang sind 4 recensionen und urteile
Jean Pauls, Tiecks, FrHJacobis, vNicolays abgedruckt.
B. Sbdffert.
APbifpbrscheid, Briefe von Jakob Grimm an Hendrik Willem Ty-
deman. mit einem anhange und anmerkungen herausgegeben.
Heilbronn, gebr. Henninger, 1883. vi und 151 ss. 6^. 3,60 m. —
sämmtliche von Reifferscheid mitgeteilte briefe sind den Samm-
lungen der maatschappij entnommen, den reigen eröffnen 26
(dazu treten in den anmerkungen zwei fragmentarisch erhaltene)
Jakob Grimms an den prof. jur. Tydeman (1778 — 1863) in
Franeker, später in Leiden, aus den jähren 1811—1832. den
grund, aus welchem die schon seit längerer zeit laue cor-
respondenz damals abgebrochen wurde, obwol beide brief-
schreiber mehr als 30 jähre noch neben einander lebten , er-
sieht man aus einigen Worten in dem Widmungsschreiben vor
Reinhart fuchs, wesentlich neue aufschlösse über den ent-
wickeluttgsgang des grofsen gelehrten gewähren zwar diese
seine briefe nicht, aber doch beanspruchen sie nach manchen
seilen hin Interesse, auch hier wider einzelne höchst charac-
teristische äufseruogen , ähnlich den Anz. vn 304 zusammen-
gestellten: zb. 8. 10 ^unter den formalen würde ich jeder zeit
das grofs 8. und 12. dem unangenehmen 4. und klein 8. vor-
ziehen, folioformat aber ohne luxurieren gehört sich für gvofse,
starke werke', oder s. 13 'eine ausländische frau zu nehmen,
kommt mir eben so lästig vor, als wenn ich immer eine spräche
sprechen sollte, die nicht meine mutlersprache wäre, etwas
gutes wird nicht daraus.' der herausgeber lässt uns darüber
im unsichern, ob er sich in Berlin um die an Grimm ge-
richteten schreiben Tydemans bemüht habe; nicht dass ich der
meinung wäre, auch sie hätten abgedruckt werden sollen,
sondern weil sich aus ihnen vielleicht weiteres zur erläuterung
15*
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228 LITTEBATUMOTIZBN
der correspondenz , namentlich ihres anfangs, ergeben hätte,
daran schhefsen sich zwei französisch geschriebene briefe Jacobs
an Bilderdijk, deren erster nicht minder durch seine nachrichten
über hessische lebensverhältnisse als durch die reflexion im
eingang, welche lebhaft an die rede De desiderio patriae
erinnert (auch hier wird die bekannte OtfridsteUe citiert), be-
achtung verdient, ferner ein schreiben Wilhelm Grimms, fünf
Hoffmanns von Fallersleben und sechs von de Villers, alle diese
wider an Tydeman gerichtet, den geringsten wert für uns
besitzen de Villers briefe; an ihrer statt hätte ich eher die
publication der nach s. 126 ebenfalls zu Leiden aufbewahrten
Zuschriften Beneckes gewünscht, die dem bUchlein angehängten
noten sind als verständig und mafsvoU zu bezeichnen.
üRosA, L'elemento tedesco nel dialetto piemontese. Berlin, Cal-
Vary (Turin, Vincenzo Bona), 1883. 29 ss. S^. — das
schriflehen soll als probe einem etymologischen würterbuch
des piemontesischen dialects vorausgeben, es wäre indessen
ungerecht, das künftige buch nach dem bruchstück beurteilen
zu wollen. Ugo Rosa hatte nicht bedacht dass eine eingehende
kenntnis des heimischen dialects und auch Vertrautheit n)it
den auf denselben bezüglichen arbeiten gerade für diesen teil
des Stoffes am wenigsten ausreichen, es zeigt sich das von dem
ersten artikel, der offenbar in Unkenntnis des kellischen Ur-
sprungs des Alpennamens geschrieben ist, durch fast alle wei-
teren hindurch, eine kurze besprechung des mittelsten buch-
stabeos mag als probe dienen, 'machignon frz. maquignon
ted. m<äceknJ es ist möglich dass maquiffmm, maquereau und
ndl. makßlm zusammenhängen, ob aber das wort ein deutsches
sei ist nicht sicher, 'magon disgusto dal ted. magm stömaco.'
so allerdings Diez Etym. wb. u* s. v. magone, muss aber mit
span. ämago und amago, gal. port. fMgoas usw., mit dem
altport. Mämago und, wie KHofmann bemerkt, mit Diez unter
mag^gna verglichen und als dunkel bezeichnet werden, 'ma-
ross^ mezzano, Sensale, ted. sdmarotzet^, falls die beiden
werte zusammen geboren, ist die piemontesische form älter, da
attch dieser dialect geneigt ist, ein s vorzusetzen, nicht es ab-
zuwerfen, die deutsche prothese aber auf einen anderen oberital.
dialect zurückgehen könnte, aus dem o der älteren deutschen
form (mMTOtxen) lässt sich ein bestimmter schluss nicht ziehen,
da in dieser Umgebung ebenso leicht ein o aus a entstehen
mochte als umgekehrt keinesfalls ist amorotsmi echt deutsch.
^ RHofmanD schreibt mir über das wort: *wenn Weigand sagt, es gebe
keioe etymologie, so muss er die von Frisch übersehen haben, die mindesteos
ganz siooreich ist von smoren^ dOfteo, komint das iterativ smöreMen, dof-
teln, schnüffeln, und davoo durch acceniverrflckung und vocalaagleicbung
smorözzen. Frisch sagt das natürlich nicht mit diesen modernen Worten, aber
er meint es so. eine formell richtige herleitung wäre aus dem ital. mög-
lich. 1. anlautende vortonige a fallen manchmal ab, moroso fflr amoroio.
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LITTERATUBAOTIZBN 229
Flechias Tennutung eines Zusammenhangs von maross mit ahd.
fnarßh will ich hier nur bertthren, um mich für ungläubig zu
erklären. ^ masca strega teut masca.* die meinung, als ob das
wort ein deutsches sei, ist entschieden veraltet, und hier wol nur
durch ein nicht sehr entschuldbares versehen adoptiert, einige
Zusätze sind zu den artikdn von Diez, Hahn und Dozy allerdings
noch zu machen, von den drei stellen, an welchen das wort in
den Leges Langob. vorkommt, citiert Dgo Rosa Edict. Roth. 376:
ffuUus preiumai aUiam aUenam aut anciüam qiuui gtrigam quem
dieunt maseam occidere, gleich seinen Vorgängern hat er das
wichtigste daran übersehen, die begrOndung: quod ehristianis
mentibns nuUcUenui credenäum est nee poesibüem, ut muUer ho-
minem vivum intrinsecus possit comedere. während
also hier Grimms erklärung aus mastware ihre bestätigung
findet, zeigt sich zugleich dass die masca, wie schon die wider-
gäbe durch ^riga andeutet, zunächst dem vampyrglauben ver-
wandt ist, mit der kinderverzehrenden hexe aber nicht genauer
als mit den zahh^ichen menschenfressenden dämonischen wesen
Oberhaupt, direcle ableitung von masca aus masticare (dies
fiaatixatü, nicht fiaava^u}) müste bei der persönlichen be-
deutung des Wortes allerdings ziemUcb hoch in die klinität
zurückreichen; dies bedenken kann uns indessen nidit veran-
lassen, das unmögliche ahd. maskd heranzuziehen, sondern lässt
höchstens vermuten dass das spätvulgäre nuuea hexe und gen.,
neap. masea kinnbaeke», wange auf fiiata^, -xog zurückgehen,
dass iul. mdseliera, span. mäseara von dem arab. maakhara bof-
narr, lustigmacher usw. kommen (derselben wurzel entstam-
mend, die auch naharron und das von Dozy übersdiene, von Diez
unrichtig erklärte socarron, arab. gleichbed. sokhara ergeben
hat), das kann nach den Untersuchungen von Mahn und Dozy
(Glossaire s. v.) keinem zweifei mehr unterliegen; frz. mos^tie
natttriich ebendaher, aber durch das ältere masca in der form
beeinflosst. das in deutschen glossen (selten) erscheinende
talamasca, mhd. talemasge, mndl. talmascke, larva durfte aus
Frankreich (talmasche, enialemasckier) kommen ; an eine com-
bination von talmen-i- masca oder zäla+ masca oder Zusammen-
hang mit arab. tamaskham, motamaskhir, tamaskhor (Dozy aao.
s. 306) ist nicht zu denken, auch dass masca als imperativ
gefasst, tala von mlat. taiare vorgesetzt sei, wie in chantepleure
der erste teil, das bekannte mlat. cdnnaia, auf eantare gedeutet
den zweiten erzeugte, ist nicht anzunehmen, da der für impe-
rativcomposita (abgesehen von gemination) notwendige gegensatz
gebräche, es ist zu wenig über das wort überliefert; aber das
wenige ist deutscher herkunft der Zusammensetzung ganz und
2. ans amore wird amaraeeio, amoraz»Of plumpe liebe, gebildet (es steht
im Wörterbuch, nicht in meiner phantaaie!). s vorgesetzt ergibt s-moraz^
xare, einem etwas durch plumpes caressieren abjagen.'
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230 LITTSRATURMOTIZBM
gar nicht gQDSÜg.^ — 'mata ragazza figlia, iei.maedel ragazzo,
onde madAen ragazza; aDglosasftone maäen, ingl. maid fanciulla/
dieser unsion steht natürlich nicht in dem citierten artikel bei
Diez ; es ist dort (Etym. wb. u* s. t. matte) ahd. magat, mhd.
magei, wobei man wegen des ital. tt eine härtere ausspräche
des g annehmen müsse, als das nächstliegende genannt; er setzt
also eine form makat (strengahd. makad) voraus, bemerkt aber,
was vollkommen richtig ist, dass das wort noch genauer zu unter-
suchen sei. ^mauser o mausser zotico, sgarbato forse ilted.
mauser* nicht unmöglich, da solche worte sich leicht übertragen,
aber noch weiter zu prüfen.
Schlimmer als hier, wo die Unzulänglichkeit teilweise durch
die tatsächliche Schwierigkeit der fälle entschuldigt wird, ist
es wenn zb. das durchaus sichere berger — vervecarius ange-
fochten und von, hd. berg geleitet wird, kurz, in den dilet-
tantischen ausführungen ist weoig belehrung zu finden ; dabei
aber ist die Zusammenstellung (welche übrigens die dem dialect
mit der Schriftsprache gemeinsamen werte gro£senteiU aus-
schliefst und selbst speciell piemontesisch-deutsche vergisst) an
sich interessant und nützlich. G. Baist.
HStöckel, Otto von Botenhiuben. neue Untersuchung und aus-
gäbe seiner dichtungen. Würzburger dissertation. München
1882. 68 SS. 8^. — gegen die resultate dieser arbeit, welche
nach einem kurzen resum^ unserer historischen künde von
dem grafen und einer keineswegs erschöpfenden darstellung
seiner spräche und metrik die Chronologie der lieder feststellen
will, muss ich mich durchaus ablehnend verhalten, denn die
anordnung steht und fällt mit der willkürlichen, sogar unwahr-
scheinlichen annähme, dass Ottos gedichte dem Verhältnis zu
seiner gemahlin entsprungen seien, auch im einzelnen greift
die argumentation , weil überscbarf, vielfach fehl, so gleich
bei der Strophe Karvunkd ist ein stein genant (MSH 1, 27*).
Lachmanns datierung derselben auf das jähr 1208 wird ver-
worfen, weil damals Otto in Syrien geweilt habe; ^ohne seine
anwesenheit in Deutschland aber wäre die Vertrautheit mit dessen
Schicksalen nicht gut erklärlich/ als ob die bedeutsame tat-
Sache, dass der deutsche könig nicht in den besitz der reicbs-
kleinodien gelangen konnte, nicht rasch sich auch im Orient
würde verbreitet haben, und ebenso wenig geht an sich aus
diesem liede hervor dass es nach Ottos Verheiratung falle; wenn
der sinn des ganzen der ist: mein schätz wird mir vorent-
halten wie dem kOnig der seine, so müste, wer Ottos lyrik
als auf dessen gemahlin bezüglich auffasst, vielmehr den um-
gekehrten schluss ziehen, der leich ferner wird für das
^ ich bemerke nachträglich dass Wackeroagel ein ahd. dala *larv4^
anfuhrt es wäre demnach das halbvergessene deutsche durch ein fremd-
wort verdeutlicht wie in mhd. lintraehe.
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LITTBRATURNOTIZEN 231
Jahr 12t9 in ansprach genommen, weil str. 27. 28 das baldige
erscheinen Ton Ottos frau in Deutschland angekündigt sei.
aber gerade dies gedieht erseheint, unbefangen betrachtet, im
munde eines verheirateten ganz unmöglich, vgl. zb. am Schlüsse
daz mir an dir gelinge und enph^lhen müeze sHezer minne gebe,
wir werden darauf verzichten müssen, die lieder des grafen
von Botenlauben ihrer reibenfolge nach zu bestimmen.
WToiscHBR, Aristotilis heimlichkeit. separat -abdruck aus dem
Jahresberichte des k. k. staats-ober-gymnasiums in Wiener-Neu-
stadt. Wiener^Neustadt 1882. vi und 42 ss. 8^ — diese aus
mehr als 3000 vv. bestehende md. Übertragung der pseudo-
aristotelischen Secreta secretorum, welche der zweiten halfle
des 14 jhs. angehören dürfte, ist lexicalisch (nach dieser seite
bereits in Lexers Nachträgen verwertet) und syntactisch gleich
interessant; das Verständnis des gedichtes würde aber erleichtert
worden sein, wenn reichlichere interpunction angewandt wäre,
die ausgäbe beruht auf einer Wolfenbfittler (a) und einer Wiener
hs. (b) ; letztere verfährt allerdings meist recht willkürlich mit
dem texte, in einzelnen fällen hat sie aber doch ursprüng-
licheres erhalten als der Wolfenbüttler codex, welchem Toischer
im allgemeinen den vorzug gibt, so gleich v. 45 Vch (auch a)
vursten ste diz buch bereit, denn nur für fürsten ist es be-
stimmt, wie V. 3009 ausdrücklich angibt, dagegen würde ich
V. 254 wäre nicht gegen vare von b eingetauscht haben : durch
dine wäre heifst um deiner Sicherheit willen, aus sorge für
dich. 3005 muss man wol lesen ich nam durch tust in minen
mui; 3068 ist drinddic gewis nur ein druckfehler statt dn-
üoMtc.
BsRiGHTHSuNG ZU Zs. 26, 374. 375.
Wie mir Reinhold Köhler gütigst mitteilt, ist im ersten briefe
der herzogin Amalia an Stark anstatt Inder er vielmehr £ti(iecus
zu lesen ; gemeint ist der ^geheime secretarius und scattolier' der
herzogin, Jobann August L. die ziemlich undeutlichen schrift-
züge der herzogin gestatten die eine wie die andere lesung. —
im 6 briefe der herzogin ist mamchafenten, nach Erich Schmidts
Vermutung, wahrscheinlich nur Schreibfehler für mannschaften,
Strafsburg, 24 october 1882. E. Martin.
Das folgende Preisausschreiben geht uns mit der bitte
um veröfTentlichung zu:
Der unter dem protectorate Ihrer königl. hoheiten des grofs-
herzogs Karl Alezander von Sachsen und des prinzen Georg von
Preufsen stehende Verein für deutsche litteratur (gegründet 1873),
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PEBISAÜftSCBIIBINSri
in dem bestreben, den litteraturfreunden immer gediegeneres in
allen denjenigen disciplinen darzubieten, die dem ziel und streben
einer national - litteratur in umfassenderem sinne entsprechen,
schreibt drei preise aus:
erster preis: 4000 mark
zweiter do. 3000 do.
dritter do. 2000 do.
für drei als vorzüglich erkannte monographien aus der
deutschen geschichte oder culturgeschichte, die an-
ziehenden Stoff mit tiefe des gedankens und fesselnder, in höherem
sinne des worts populärer darstellung verbinden, dem zwecke
würden ua. themata entsprechen, die eine bedeutsame ent-
wickeln ngsperiode unseres volks oder eines deutschen Stammes,
das leben einer deutschen reichsstadt in der epoche ihrer blttte
und macht, das wttrken bahnbrechender geister auf politischem,
socialem, litterarischem oder künstlerischem gebiete behandeln,
ausgeschlossen sind kirchengeschichtliche themata und blofse Samm-
lungen von aufsätzen, sowie alles, was keinen einheitlichen per-
sonlichen oder sachlichen mittelpunct darbietet, überhaupt spe-
cialitaten, die nur kleine ausgewählte bildungskreise interessieren
dürften; ferner themata, die in früheren publicationen des Vereins
bereits bearbeitet wurden, die arbeit soll nicht weniger als
20 druckbogen und wo möglich nicht mehr als 23 druckbogen
im format der vereinspublicationen umfassen.
Der einsendungstermin an den unterzeichneten geschäftlichen
leiter des Vereins endet am 1 october 1S83. die Veröffentlichung
der preis-zuerkenntnisse erfolgt am 15 december 1883.
Zu jedem manuscripte wird ein motto erbeten und ein mit
demselben motto bezeichnetes aber geschlossenes couvert, welches
den namen des Verfassers enthält, die drei couverts werden ge-
öffnet, deren motti die preisempßlnger bezeichnen, unleserliche
manuscripte werden nicht geprüft, durch die zuerkennung eines
preises wird das ausschliefsliche eigentumsrecht der drei werke
vom Verein für deutsche litteratur auf die dauer von 5 jähren
erworben.
Das preisrichteramt haben übernommen die herren:
Rudolf Gneist, ordentl. professor an der Universität Berlin.
WfLHELM ScaBBER, „ 99 91 » n n
Julius Wbizsägkbb, „ n n n m n
unter Zuziehung des Schriftführers des Vereins, hm dr Lud-
wig Lenz.
Berlin, im december 1882.
i. a.
der geschäftsführende director
Terlagsbuchhändler R. Hofnann.
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ANZEIGER
FDB
DEUTSCHES ALTERTHÜM UND DEUTSCHE mTERATÖÄ
DC, 3 JULI 1883
Die deatschen fraaen in dem mittelalter. von Karl Weimiou». sweite aaf-
läge. Wien, Gerolds söhn, 1882. erster band ti und 413 ss. zweiter
baod 376 ss. 8«. — 13,20 m.*
WeiohoMs Deutsche frauen haben sich schon bei ihrem
ersten erscheinen allgemeiner anerkennung zu erfreuen gehabt;
die gleiche gebürt auch dieser zweiten aufläge , weiche in zwei
hübsch ausgestatteten banden yorliegt. dass der verf. einem werke,
an dem er in jungen jähren mit liebe arbeitete« auch nachdem
es in die weit gegangen, volle aufmerksamkeit bewahren würde,
das durfte man schon an sich voraussetzen und wird nun durch
die neue ausgäbe bewiesen, welche sich trotz der beschränkten
für ihre Vorbereitung zur Verfügung stehenden frist ganz wesent-
Uch von der ersten unterscheidet, in den letzten dreifsig jähren
haben sich manigfache neue quellen erschlossen und die forschung
ruhte nicht; in folge dessen stellt sich manches anders und nach
vielen Seiten hin ist genauerer einblick in die Verhältnisse möglich
geworden als früher, so ist denn, dank der redlichen bemflhung
des verf.s, das buch sowol stotflich viel reichhaltiger als auch
in den partien, wo es nötig war, ganz umgearbeitet wenn
zuweilen nicht die ganze litteratur berücksichtigt erscheint, so
lässt sich das neben dem vom verf. selbst angeführten gründe
noch damit entschuldigen, dass die besohaffung derselben gerade
auf diesem gebiete mit mancherlei Schwierigkeiten verknüpft ist
und die Öffentlichen bibliotheken mitunter eine erschreckende
leere zeigen.
Die anordnung des Stoffes ist dieselbe geblieben, der erste
band enthalt zunifehst drei einleitende abschnitte, die verarbeitende
band macht sich schon gleich im ersten, der die namen behandelt,
recht bemerklich, in so fern als die betrachtung der eigennamen
unier einem andern, mehr auf das we^en ihrer bildung eingebenden
gesicbtspuncte vorgenommen wurde, auch sind die belege erheb«
lieh vermehrt, die am Schlüsse beigegebene Sammlung von namen
aus verschiedenen Zeiten und gegenden kann zu fruchtbaren be*
obachtungen über die verschiedenen Strömungen, die durchs mittel-
alter herauf in der namengebung herschen, anregen, völlig andere
[* Tgl. PLZ 1882 nr 37 (MBoediger).]
A. F. D. A. IX. 16
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234 WEINHOLD DEUTSCHE PRADEN
gestalt hat in folge der rührigen arbeit auf dem felde der niytho-
logie der zweite abschnitt über die gOttinnen erhalten, und auch
nicht unberührt davon blieb der verwandle dritte über die prie-
sterinnen, weisen frauen und hexen, eingereiht wurden hier ua.
die cbrisUichen Seherinnen, über die wir erst seit kurzer zeit
genauer unterrichtet sind, den die hexen und die Zauberei be-
treffenden Zusätzen füge ich eine interessante, aber nicht völlig
klare stelle aus dem Seelenrate des bruders Heinrich von Burgeis
bei. sie lautet in der hs. v. 2350 :
Sage p(f)lage8t dv cheiner luppe
Hies tu legen an dein fewer stnppe
Mist oder hom
Das sol^u wol haben verloren
Vnd woüest da mit dein vihe emem
Hiessei dv ie dein fewer wem
So man das nemen wolde
Durch das dein henne brauden solde
Oder do dv wollest wachen
Vnd dein brot machen
Asset dv ie an dem diessundtag
Durch lupe vkisch oder epech das sag
Wol magstu wissen es ist ein spot
Sol das hom der mist das fewer sein deyn got
Vnd dev best stuppe
Du magst mit der luppe
Verderben ewicUeichen,
Mit dem vierten abschnitte werden wir in das eigentliche
leben der frauen eingeführt, er ist der erziehung des weibes
und der rechtlichen Stellung der unverheirateten frau gewidmet,
ich verzichte darauf anzugeben, was hier und im weiteren vor*
laufe des Werkes geändert, näher ausgeflüirt oder an Stoff neu
hinzugekommen ist; ich möchte mir dafür erlauben, einige notizen
anzuschliefsen.
S. 100 erwähnt W. dass die tauilestlichkeiten in folge des
um sich greifenden luxus schon im 13 jh. das einschreiten der
Obrigkeiten veranlassten, dasselbe wurde immer und immer wider
Bötig. zb. in «ineoi erlasse Christians von Sachsen vom jähre 1612
wird bestimmt: Demnadi auch xum Achten bifs hero bey deti Kind-
taufen, mit speife- und aufstheilung der Zuckerbäder vnd Muschken
so wol dem Geoattergelde, so die Baten einssubinden pflegen, von
vielen grosser Excefs begangen und überflüssiger vnkosten getrieben
worden, welches den Binwohnem nicht ein geringe beschwemng vnd
schaden ihrer nahrung. Als sol hinfuro solcher vnnotiger vnd
ubermessiger vnkostm auff den Kindtäuffen eingestellet , vnd die
Zuckerbilder gantzlichen abgeschaffet se^, auch auf keinem ade-
liehen Kindtäuffen vber drey tische Mannes- vnd Weibeevolck,
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WEIMHOLD DEUTSCHE FRAUEN 235
vnd zehm Gerichte, Beg fitmehmen Bürgern aber zweene tische
Weibesvolck, vtid mehr nicht ah vier Gerichte, ohne KuÄen vnd
Käse, gespeiset werden, für die besondere ausschmdckung der
wohouDg wahrend der sechs wochen zeugt eine angäbe in den
Breslauer stadtbOchern (ASchuItz im Anzeiger f. k. d. d. ?. xvni 77):
Item ij Banglach, dy man In dm Stoben vmme henget In den
Sechswochen, zu dem brauche, das kind sammt der wiege mit
aufs feld zu nehmen (s. 102), sei auf eine darstellung des 14 jhs.
im Anzeiger xxvii 175 verwiesen, zu dem capitel Spiel, das viel
umßinglicher geworden ist, warien noch als weitere belege für die
hunde als Spielzeug der frauen (s. 109) Virg. 560. 659. 662. Wig.
11, 19. Apollonius s. 120 beizufügen, dass die katzen dazu dienten,
ist auch mir nicht bekannt, dagegen scheint ein recept, das ich
in einem handschriftlichen kalender des 15jhs. fand, aber etwa
anfang des 16 eingetragen wurde, auf die katze als hexentier zu
deuten: Item ein pnlfer vyr alle fleck yn dm angen. nym ain
schbarcze kacz vnd schlag ier das haubt ab vnd nymb das haubt
vnd tues in ainen glneenden haffeh vnd pren in ztt weissem pfdfer.
dass Vögel in kafigen gehalten wurden, bestätigt auch Virg.
138, 10. gewisse arten werden oft genannt, ich verweise bei-
spielshalber noch auf Apoll. 13287 vinken unde ziselin und 13292
amseln und droschettn, puockvinken, lerdien, cardelin. eine be-
deutende rolle spielen die jagdvOgel: falken in verschiedenen spe-
cialitaten (s. Trist. 57, 4), habichte und sperber (s. Parz. 722, 19.
Trojanerkr. 43. GA xxi27). s. 111 gedenkt W. eines fundes von
thonflguren aus dem 14 jh., von welchen die meisten ein loch,
das zum einstecken eines lichtes bestimmt scheint, aufweisen, es
wird das wol eine primitivere art der spater beliebten figuren-
leuchter sein, vom brettspiel (s. 114), das ist wol gemeint, sagt
der dichter der Virg. 514, 10 es heizet noch ein herrenspil, s. Schlägel
135 (GA II 411); Kudr. 363. — über zwei angebliche Schachfiguren
berichtet Weininger in den Mitteil, der centralcomm. xv s. cxxxix.
— die Jungfrau Maria bei der Verkündigung ihren psalter betend
darzustellen, wofür W. schon Otfrid citiert, ist im spateren mittel-
alter fast traditionell geworden, wie kostbar derlei bücher aus-
gestattet wurden, bezeugt ua. das goldene psalterium der Wiener
bofbibliothek (s. Mitteil, der centralcomm. xi 27 ff), was hat etwa
Wolfger von jener dame bei Gossensass für ein bOchlein ge-
kauft (Reiserechnungen s. 30)? weniger als das lesen gekannt
und geübt ward vom weiblichen geschlechte wol die schreibkunst.
über die hierbei verwendeten Utensilien geben besonders ver-
schiedene darstellungen der evangelisten interessante aufschlüsse.
briefe wurden in büchsen oder laden dem Überbringer mitgegeben
(Trojanerkr. 980. Rittertreue 148, öfters in der Virginal). hin-
sichüich der musik (s. 155) wäre nicht uninteressant einmal die
in den altdeutschen dichtungen genannten instrumeote auf ihre
Zusammenstellung zu prüfen, bei den regeln der zucht und des
16*
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236 WBINHOLD DBDTSCHB FBAUBN
anstaodes bemerkt W. (s« 162), was die hand eines fremden mannea
berührt hatte, habe die frau nicht anfassen dürfen (Pars. 512, 16).
daran wird man sieh kaum strenge gehalten haben, s. 163 wäre
eine Sammlung der gebräuchlichen grufsformeln nicht unerwünscht
gewesen, schon im Ruodlieb erscheint langsamer gang als für
frauen ziemlich, wie die höfische sitte auf eine gewisse Zierlich-
keit desselben hielt, eiferte die geisüichkeit andererseits dagegen,
bruder Heinrich hebt mehrfach den waehm ganc als sündhaft
hervor, weshalb es auch nicht wunderbar ist dass klosterregeln
ausdrücklich gebieten din gang aal niht ¥>eh$ sin (fragm, des
14/15 jhs.). für die baltung derdamen beim gehen, stehen und
sitzen wären bildliche darstellungen besonders instrucliv. die
blofsen fufse wird eine höfische fhiu allerdings nicht gerne ge-
zeigt haben, und auch frau Ursula Künigl von Ehrenburg wird
nur notgedrungen barfufis das schloss ihres unliebenswürdigen
gemabls verlassen haben (s. die interessante schrift Aus dem
leben des ritters Christof Reifer von Altspaur. ein urkundlicher
beitrag zur culturgeschicbte des 15 jhs. von DScbönherr, Inns-
bruck 1882, s. 52). dass die art des verneigens (s. 166) je nach
dem Stande des grüfsenden eine verschiedene war, lässt sich aus
den angaben der dichter entnehmen, dass die dame den ein-
tretenden einladet, sich neben sie zu setzen, belegt auch Hai und
Beaflor 63, 21. Wigal. 14, 11. Pars. 187, 5, über die siuordnung
sind indes überhaupt noch genauere beobachtungen anzustellen:
s. Der entlaufene hasenbraten 54 (6A o 150). bei besprechung
der heilkunst der frauen (s. 170) wären etwa die mittelalterlichen
arzneibücher zu berücksichtigen gewesen, soweit sie mittel gegen
frauenkrankheiten enthalten, wasser ward auch bei ohnmachten
angewendet, Parz. 109, 16. 576, 10 ff.
Bei den haus- und handarbeiten (s. 174 ff) wird zuerst der
küche gedacht, in welcher während des früheren mittelalters
männliches personal waltete, später und namentlich in minder
vornehmen adligen familien versah eine köchin nicht selten diese
geschäfte und selbst die hausfrau war dabei behilflich, bei be-
sonderen festlichkeiten wurde wol auch ein koch für kurze zeit
aufgenommen, die historischen belege dafür, dass fürstinnen in
den weiblichen handarbeiten wol bewandert waren, liefsen sich
leicht vermehren, über noch vorhandene teppiche wird ferner be-
richtet Ifitteil. der centralcomm. viii 57. 290. Anzeiger f. k. d.
d. V. 1870 sp. 33. 1877 sp. 13.
Die zwei letzten abschnitte des 1 bandes Liebe und frauen-
dienst, sowie Die Vermählung übergehe ich, um noch einiges aus
dem 2 bände herauszugreifen. W. bespricht da zuerst die ehe in
rechtlicher und sittlicher hinsieht, femer die witwenschaft und
reibt daran die betrachtung des hauswesens und der häuslichen
einrichtung. s. 59 ist vom brode die rede, über die formen
desselben belehren besonders mittelalterliche darstellungen des
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WBINHOLD DBÜT8GHE PRADBN 237
abendmahles und der bochxeit von Kana. tiber die Terschiedenen
formen des gebflckes in Wien ist gehandelt Mitteil, der central*
comm. XIV s. in ff. ausgedehntere beobachtungen dürften manche
interessante erscheinung in dieser beziehung zu tage fordern, wie
manigfach sind schon die namenl — zum biere (s. 61) ver-
weise ich auf ein baierisches braurecept vom jähre 1409 im
Anzeiger f. k. d. d. v. 1876 sp. 43. eine reiche anzabl von ge-
tranken anderer arl findet sich Apoll. 2770 ff angefahrt. — über
kttcheneinrichtUDg (s. 69) und anderen hausrat in späterer zeit
8. Das husgeschirr (Liederbuch der Clara Hatzlerin s. 42 f) und
Sans Sachsens gedieht Der gantz haufsrat, sowie das des Hans
Folz Von allem hausradt. anschaffungen fflr He grafl. küehe zu
Stölberg 1499 im Anzeiger f. k. d. d. v. 1874 sp. 280. in das ca«
pitel der nahrung schlagt die wegen ihrer alters schatzbare Diätetik
des Anthimus (s. Bartsch in der Zs. f. d. culturgeschichte 1875
s. 184) ein. verschiedene gewürze sind ua. aufgezahlt Apoll. 18267.
Helbi. I 206. zahlreich sind die kochbücber und Speisezettel,
wie die bochzeitstafel einer tirolischen adelsfamilie im 16 jh. be*
schaffen war, kann man aus den anschaffungen ersehen, welche
die frau von Weineck zum Reiferschen hochzeitsschmause machte:
^um die nötigen lebensmittel herbeizuschaffen sendete sie boten
nach verschiedenen richtungen. dieselben brachten 22 hennen,
Shahne, 20 capaune» 510 eier und wildbret. das wildbret be-
stand in zwei gemsen, zwei hasen und einer orhenne (auerhenne).
das zahme fleisch bestand in rind-, kalb*, kitz- und Schweinefleisch,
auch für die noch beute in Tirol eine rolle spielende festsuppe,
die sog. *saure suppe\ wurde gesorgt, wie die in rechnung stehen**
den ^warapenflecke' beweisen, um den gesammten mundvorrat
geniefsbar zu machen, waren 20 pfund schmalz, 2 pfund pfeffer,
2 unien safran, 5 unzen süfses pulver, 7 unzen ingwer, 1 unze
neikenpulver und 1 pfund zucker notwendig, zum dessert waren
4 schachteln 'confett' und für den durst ein fuder wein bestimmt'
(Schünherr aao. s. 19). ein beispiel für hausliche kost gibt di«
Ordnung für die dienstleute des klosters Scheyern aus den jähren
1489 — 1505 (s. Scheyerns Stellung in der culturgeschichte. Jenaer
diesertation von MKnitl 1880). über das deuUche haus (s. 77)
haben wir jetzt eine unta^ucbung von RHenning (QF xlvii), siehe
auch Das deutsche haus in seinen volkstümlichen formen von
AMeitzen, Berlin 1882. damit ist jedoch noch kein abschluss
erzielt über mittelalterlichen burgenbau wird wahrscheinlich
noch in diesem jähre eme abhandhing von mir erscheinen, am
wenigsten hat sich die forschuog bisher mit dem bürgerlichen
wohidiause beschäftigt, in manchen Städten, die von den grofsen
Verkehrsadern abseits liegen, wäre in dieser richtung gewis
noch ziemlich reiches material au finden, anläge und aufbao
ist auch hier landschaftlich verschieden, äubere bemalung kam
wie bei den bürgen vor. in der erzählung Alten weibes list
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238 WBINHOLD DEUTSCHE FRAUEN
Stellt sich das alte weib dem domprobst und der dame vor
(V. 266):
ich hei% vrouw Me% dm kaufterin
und sitze M dem spitäl,
da std$ ein hüs daz ist gemäl,
dd sitz ich ze aller ncehste bi.
für die Dachmittelalterliche zeit sind die erhaiteneD puppenhäuser,
wenngleich sie nur in bestimmten gegenden' verfertigt vrorden
zu sein scheinen, von culturhistorischem wert, zumal diejenigen,
welche mit der gesammten einrichtung verseben sind (einige befin-
den sich im Germ, museum). — fursbodenteppiche (s. 92) erwähnt
auch Mai und Beaflor 8, 12. verschiedene bdeucbtungsmittel siod
in einer stelle von Enenkels Weltchronik (s. GA ii 524) aufgezahlt
gelegentlich sei hier angeführt dass der ausdruck budM »» fackel
aufser an den schon bekannten orten im Buch der mftrtyrer einige
male vorkommt, dass die kerze als die vollkommenste beleucb-
tungsart galt, ergibt sich aus dem nicht seltenen vergleiche der
helligkeit mit dem lichte derselben, leuchter, freilich meistenteils
fttr den kirchlichen dienst bestimmt, sind abgebildet MitteiL der
centralcomm. v 309. vi 331. xi s. XLiir. lxxxil xvi 94. krön-
leuchter aus hirschge weihen vm 127. xm 102. zu erwähnen sind
auch die sogenannten Steckleuchter.
Die ausstattung der Wohnungen war, wie W. mit recht her-
vorhebt (s. 100), im mittelalter recht einfach, noch im 14 jh.
zb. bestand der comfort eines edlen ritter von HOrtenberg in
bänken, tischen und trüben (s. JEgger Die Tiroler und Vorarlberger
n teil s. 312). nicht viel mehr fand sich in den gemächern kaiser
Maximilians auf Runkelstein (s. DSchönherr Das schloss Rnnkel-
stein bei Bozen s. 52), woraus man einen schluss auf die früheren
Zeiten ziehen kann, an zweisitzige blinke (s. 101) wird man im
Ruodlieb, wo nicht an einer gemeinsamen tafel, sondern an ver-
schiedenen kleinen tischen Qnd zwar immer zu zweien gespeist
wird, zu denken haben, über faltstuhle findet sich bei ASchultz
Hofisches leben mehreres. ich verweise noch auf das titelbild
des in Klosterneuburg befindlichen psalteriums des heil. Leopold
(Mitteil, der centralcomm. xi s. xvii) und auf eine darstdlung in
einem antiphooar zu SPeter bei Salzburg (Mitteil, xnr 167 ff und
taf. xu). die sitze ohne lehnen seheinen bis ins 12 jh. gebräuch-
licher gewesen zu sein, gewöhnlich erscheinen sie in den biidern
mit einem polster belegt, wie kunstvoll die tische mitunter in
früher zeit schon hergestellt waren, beweist Einhards Vita Caroli 33.
in den genannten Breshuer excerpten nr 18 begegnet auch ein
gefaUer tisch, zu den von W. beschriebenen arten von tisch-
tüchern kommen in späterer zeit wenigstens noch gemalte (s. Zs.
d. bist Vereins für das wirtembergische Franken vn 310).
Die Schilderung des geselligen lebens und der tracht wurde
durch inzwischen erschienene arbeiten nichl unbedeutend ge*
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WEircaOLD DEUTSCHS FRAUEN 239
liDrdert. in einzelnen teilen wäre vielleichl eine weitere aus-
fobrong angezeigt gewesen, werfen wir nach W.s rOckblick
(CharacterzQge des deutschen weibes) einen solchen auf sein werk,
so können wir dasselbe nur auf das wärmste empfehlen. mOge
es nicht blofs neue leser gewinnen, sondern dem felde deutscher
cuhurgeschichte auch neue arbeiter zufuhren.
februar 1883. 0. Zingbrlk.
Die accente in Otfrids Evanffelieobuch. eine metrische nntersuchung von
Naphtali Sobel. Qaellen und forschungen xltiil Strafsbure, Trübner,
1882. 133 88. 8^ — Sm.
Dass die accentuierung in Otfrids Evangelienbuch keine
mechanische sei (Schlussergebnis s. 133), das hat wol jeder leser
schon gewust. in allen drei alten handschriften VDP ist der ge-
schriebene (und gleich beim schreiben mit phonetischen accenten
auf iö, iü usw. yersehcne) text fortlaufend rhythmisch accentuiert
worden ; und zwar geschah dies in V und P höchst wahrschein-
lich — in fielen füllen sicher nachweisbar — zugleich mit aus-
führung von wortcorrecturen. jeder accentuator wollte durch die
rhythmischen accente offenbar unter den 4 betonten Silben des
halbverses eine oder einige (nur selten alle) für den vertrag
auszeichnen, im einzelnen falle kann es sehr interessant und
far das Verständnis der spräche wie der dichtung fruchtbar sein,
den absiebten oder unbewusten neigungen jedes accentuators
nachzuspüren und die von ihm bezeichnete hervorhebung dieser
Silben auf sich wQrken zu lassen; eine andere frage ist es, wie
weit die fflr Setzung und nichtsetzung eines accentes zu ver-
mutenden grttnde sich in allgemeine regeln bringen lassen, berr
Sobel sucht solche regeln (er selbst braucht das stolze wort:
accentgesetze) hauptsSchlich durch Unterscheidung der wo rt-
classen zu gewinnen, manche neigungen der accentuatoren
werden durch seine Sammlungen deutlich nachgewiesen; so na-
mentlich dass hauptsächlich die nomina accente erhalten, be-
sonders das erste unter zweien oder dreien des verses (s. 18 ff),
während andererseits ein nomen (auch inflnitiv und participien),
das drei hebungen füllt, auch bei vorhergehendem einhebigem
Domen den accent auf sich zieht (s. 38 ff); dass die flectierten
formen des v er bums dagegen verhaltnisroafsig seltener accen-
tuiert sind (s.- 59 ff), beide aber in der regel dem pronomen oder
Partikeln vorgezogen werden (s. 93 ua.). andererseits erkennt
auch hr S. die rhetorische bedeutung der accente zur ber^
vorhebung von werten, die einen gegensatz bilden oder im Zu-
sammenhang der rede besonders wichtig werden, in manchen-
fallen (s. 49. 50.^3. 66. 107) an. eine alle einielheiten um«.
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240 SOBEL DIE ACCBNTE IN OTFRIOS EVANGELIENBUGH
fassende regelrechügkeit aber bat aucb hr S. iMcbt gefuDden, und
ich niuss micb nur wundern daas er bei der auäracklich an-
erkannten inconsequenz der accentuatoren sie überhaupt gesucht
hat. verschiedene seiner regeln durchkreuzen sich s. 42— 44. 49.
bei der verzwickten casuistik, die sich durch Unterscheidung der
sehr manigfaitigen Verbindungen eines oder mehrerer nomina«
verba, pronomina, partikeln entfaltet, ist die Übersicht über die
einzelheiten (ohne inhaltsverzeichnis I) sehr erschwert, ich habe
in vielen fällen trotz angewandter mühe nicht constatieren können,
ob ein bestimmter otfridischer halbvers würklich mit aufgezahlt
sei; falsche citate habe ich dabei mehr als billig ist gefunden,
zwei fragen, die sich mir zunächst aufdrängten, ob nämlich für
die halbverse mit mehr als zwei accenten und für die zweite
vershälfte im gegensatze zur ersten (dies, wie mir scheint, nament-
lich in P zu berücksichtigen) sich besondere eigentOmlichkeiten
nachweisen lassen, finde ich nirgends zusammenhangend erörtert.
Näheres eingehen auf einzelne ergebnisse lehne ich auch
deshalb ab, weil ich die abgrenzung des materials für
verfehlt halte. hrS. macht nach s. 15 nur 'die in V und P über-
einstimmenden fälle' zur grundlage der Untersuchung über die
accentgesetze; dh. er berücksichtigt in den meisten capiteln der
abhandiung nur diejenigen halbverse, die in P ebenso accen-
tuiert sind wie in V. die zahl derselben schätzt er auf etwa
8000« dadurch ist fast die bälfte des werkes, das 2 X 7416
sw 14832 halbverse enthält, ausgeschlossen, weder für V noch
für P kann also die würklich vorliegende accentuierung voU-
atändig dargestellt sein; ja auch nicht einmal die Übereinstim-
mung beider, denn nur selten betreffen die abweichungen in P
alle accente eines halbverses, und fast für jede der von hm S.
berührten fragen werden immer viele der abweichungen in P gar
nicht in betraobt komm^. gewis ist br S. auf grund dieser kaum
die hälfte des materials umfassenden beobachtungen nicht be-
rechtigt, negativ als gesetzgeber aufzutreten und von 'fehlerhaften'
accentuierungen zu sprechen (zb. s. 5. 58).
Mehr als verwegen aber ist es, wenn auf s. 12 hr S. sogar
eine durch alle fünf bücher laufende auswahl von etwa 230 ac-
centen der Wiener hs. (darunter etwa 90 auch in P aufgenom-
mene) als 'den intentionen des hauptaccentuators entgegen' für
une.cht erklärt, es sind unter diesen 230 accenten nur sehr
wenige, an deren gestalt oder tinte einer der bisherigen heraus-
geber anslofs genowunen hätte, wenn hr S. von allen diesen
230 accenten, die er aa die unzweifelhaft später zugesetzten
dünnen striche der capitel i 11. 23. ii 3. 4 (s. meine einleitung
zu Otfrid § 22) anreiht und mit den gleichen, typen wie diese
auszeichnet, auf s. 12 auch noch sagt: diese accente unterscheiden
skh in der form nur leise(I) von den anderen, so musa ich
b^ttrchten dass er bei seiner unechterklärung mindestens in
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80BBL ms ACGBfrTS IN 0TPRID8 BVAIIGKLIBlfBOCH 241
bitohst unklarer weise äufsere, graphische gründe mit dem an-
gegebeaen inneren yermengt habe — ein Terfahren, das leicht
daitt fahren kann sich und andere zu teuscben.
Da hr S. als handsohriftenleser so wenig vertrauen erweckt,
so kann ich vor seinen noch sonst gelegentlich hingeworfenen
bemerkungen über fremde accentuatoren in V, bis dieselben
von sorgfältigen kennern besUltigt werden sollten, nur nacbdrOck-
licb warnen, nach s. 7 sollen die verse i 1, 1 — 57 von einem
anderen, ^vielleicht dem accentuator von D' accentuiert worden
sein ^ ich muss dem auf grund meiner erinnerungen und auf-
Zeichnungen entschieden widersprechen; als ^viertes capitel' durfte
i 1 in keinem falle bezeichnet werden , da die ersten 9 bistter
mit den Widmungen erst nachträglich der hs. vorgesetzt sind.
s. 9 heifst es: 'einige accente rühren wahrscheinlich vom accen-
tuator von P her.' auch über die anderen Otfiridhss., von denen ich
nicht weifs, ob herr S. sie Überhaupt gesehen hat, finden sich
satze wie (s. 14): 'die gewöhnlichen acoente (in P) rOhren wol
schwerlich von einer band her' und sogar (s. 2): 'die accen-
tuierung von V geht auf D zurück.' ich halte es nach allem, was
ich in der einleitung zu meiner ausgäbe Otfrids gesagt habe,
nicht für nOtig gegen diese leichtfertigen bemerkungen ernsthaft
zu polemisieren, der kundige sieht leidit, wie die von Piper
ausgestreute saat von hypothesen über entstebung und Verhältnis
der Otfridhss. in hm S. einen dankbaren boden gefunden hat, auf
dem sie üppig wuchert — nicht zum heile der Wissenschaft.
Königsberg. Osear Ebdmann.
1. AKm»kiHiKOTk,Opyt'b8ravnltelbDago )su6eDija sapadnago i roMkagfo eposa.
Pe«my lombardskago cikla. Moskva 1873.
2. AJCamiNiKOTb, Kndrooa. Naeionalbaaja poema N£mcevi>. Gharbkovb, vi»
«Divcrritcskcj tipografii, 1874.
3. AKun^mvovb , 8v. GeorgiJ i Egorü chrabryj. IzsledovaDie lileratanioj
iatoriiekrialiaoskqi kgendy. SPeterbiirgi>,UpognQjaBSBakteva, 1879.
Das heliat:
1. AKwM&nKov, VefSDeh äoer veig&ckheiMleQ theoiie des westÜDdiachen
und ruaaiachen epos. die gedichte des lombardischen cyclus. Mos-
kau 1873. XI and 208 88. 8<^.
2. AJKwriäciKov , Kadran. ein deutsches nationalepos. Ghaikov 1874.
74 88. 8^
3. AKiRPiöNiHov, Der heilige Georg und der tapfere Jeaor. eine onter-
sachung fiber die litteratorgeschichte einer chrisUichen legende. Pe-
tersborg 1879. TV ond 193 88. 8^
Ich erlaube nur im folgenden die aufmerksamkeit des ger-
manisliaehen pubücums auf einige altere bflcher zu lenken, die
wie mir bis vor kurzem, so gewis den meisten unter uns un-
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242 KIRPI^KIKOV SCHBIFTBN ZUR DECT8CBSN HBLDBN8AGB
bekannt geblieben sind, obwol sie nicht nur durch die Stoffe,
welche sie behandeln — germanische heldensage und mittelalter-
liche legende — , sondern auch durch eine von der in Deutsch-
land gewöhnlichen abweichende anschauungsweise unsere teil-
nähme fordern.
Das älteste dieser bttcher ist Kndruna, nach s. 74 am
15 februar 1871 abgeschlossen, also vor Martins ausgäbe 1872,
und vor den arbeiten Klees Die Hildensage und Wilmanns EntwidL-
lung der Gudrundichtung 1873. auf einen eingehenden litteratur-
bericht s. 1 — 9 folgt eine Inhaltsangabe des gedichts nach den
aventüren, s. 10 — 42, dann eine Untersuchung der sage oder
vielmehr des ganzen in dem gedichte Gudrun verwerteten erzah-
lungsstofies,' s. 42 — schluss.
In der auffassung des litterarischen characters unserer Gudrun
schliefst sich KirpiCnikov Keck an, Die Gudrunsage, drei vor-
trage über ihre erste gestalt und ihre widerbelebung 1867, verwirft
also MttUenhoffs und auch PlOnnies kritik, obwol er von der
arbeit des letzteren, in so fern sie die sagengescbichte betrifft,
mit grofser anerkennung spricht, so s. 7.
Die polemik gegen MttUenhoff, s. 14. 15. 73, geht wenig
ins einzelne und wenig über das hinaus, was Keck s. 79 — 84
bietet, jedesfalls ist die folgerung, welche er mit Keck zieht,
unberechtigt: weil einige athetesen MttUenhoffs anfechtbar sind,
einige kriterien nicht stich halten, ist überhaupt die hypothese
von umfangreichen und widerholten Interpolationen des gedichtes
aufzugeben und dasselbe zu betrachten wie ein roman Hartmanns
von Aue, Keck s. 71 f. durch die bis zum jähre 1871 vorge-
brachten einwendungen ist, selbst wenn sie alle berechtigt wflren,
nur ein verschwindend kleiner teil der von Müllenhoff beobach-
teten incongruenzen — und das sind nidit blofs grob sachliche
Widersprüche — hin weggeschafft, und die bekannte geschichte
der andern in Strophen gedichteten volksepen, wie der Nibelungen,
des Ortnit, der Wolfdietriche B und C, lehrt uns dass tu den
Umformungen, welche derartige gedichte bis zum 16 jh. erlitten
haben, vor allem umflingliche interpolationen gehören.
Die bedeutung des büchleins liegt in dem hinweis auf die
widerkehr der in der Gudrun verwerteten motive in andern, so-
wol deutschen als romanischen und slavischen Überlieferungen,
so 8. 43 f über die erziehung Hagens bei dem greifen und die
erwerbung übernatürlicher kräfte durch das gabilAnnähuüche un-
geheuer, wie Hagen verbringt seine kindheit ferne vom äUer-
lichen hause Siegfried in der Völsunga saga und im Hürnen Sey-
fried, also späteren Überlieferungen, Lanzelot, Wigamur, Tristan,
Karl der grofse nach der Chronik von Weihenstephan ; in russi-
schen bylinen erscheint der lug nicht. — der held wird von
einem vogel entführt, s. 45: eb^so in russischen mSrchen von
dem vogel Noga, von gUnsen, schwanen, adlern. auch ein gripib-
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KIRPI^'NIKOV SCBÜIFTEN ZUR DEiJTSGUEN RBLD£ft8AGB 243
vogel kommt vor, der seine juDgen mit aas füttert und Iwan,
den kaufmaDossobn , ins dreirsigsle reich eDtfUhrt. — der held
erlangt ungewöhDliebe krttft'e auf wunderbare weise, s. 45. ähn-
lich Hagen verhalt sich in dieser beziebung Siegfried, aber nur
in der süddeutschen Überlieferung, die beiden der russischen
bylinen, so Ilja Muromec, gewinnen ihre kraft meist durch einen
zauberischen trunk, einer auch durch drei hufscblage, die ihm
sein pferd versetzt.
S. 47 wendet sich Kirpi^nikov zu den der Hildensage eigen-
tümlichen motiven; den von Hahn in seiner vorrede zu den
Griechischen und albanesischen märchen 1S64 aufgestellten *ent-
ftthrungsformeln', der 'Gudrunforme]', der 'Helenaformel', der 'Ja-
sonsformel', für welche letztere auch russische beispiele beige-
bracht werden, fügt der verfaaser eine ' heldenformel ' ^ hinzu,
nach welcher nicht der held selbst, sondern andere für ihn
das werk der entfühning unternehmen, ihre gestalt Usst sich
so schematisieren: a) der kOnig oder fürst will entweder auf
den rat seines gefolges oder aus eigener entschlieisung sich eine
würdige gattin erwerben, man verweist ihn auf eine unge-
wöhnlich schone frau; — a) deren vater — ß) oder sie selbst
aber todtet alle freier, er allein ist nicht im stände sie zu er-
werben. — b) einer oder mehrere beiden kommen ihm zu bilfe,
welche sie durch Schlauheit oder ungewöhnliche gaben (die tarn-
kappe bei Siegfried, der zauberhafte gesang Horands) gewinnen
und sie a) mit ihrer Zustimmung, — ß) gegen dieselbe ent-
führen. — c) a) der vater eilt den entfübrern vergeblich nach,
der hilfreiche held besiegt ihn. — ß) sie versucht vergeblich sich
zu befreien oder den schwachen mann zu verderben; der hilf-
reiche held bandigt sie.
Als beispiele werden angeführt die bylina von der heirat
des fürsten Vladimir, für den Dunaj und Jekim Afrosinja ent-
führen, die bylina von dem könig Salomon und der königin
Salome: IvaSka Povarennyj gibt sich für einen kaufmann aus,
erlangt durch freigebigkeit das wolwollen der königin und die
erlaubnis, seine waaren feilzubieten, die königin besucht sein
schiff und er entführt sie. das russische märchen von den sieben
Simeonen hatte schon Plönnies s. 238 verglichen. — complicierter
ist die forroel in dem märchen von dem unsterblichen KoS^ej,
s. 51. der carewiö Iwan wünscht Vasilisa zu gewinnen, Bulat
tut es für ihn, aber Kol^j raubt sie Iwan, Bulat muss sie diesem
wider entreifsen. das spatere ist ein motiv aus der freundschafts-
sage, wie sie aus Engelhart, Amicus und Amelius und dem ge-
treuen Johannes bei Grimm bekannt ist.
Die interessanteste parallele findet sich s. 52 f (s. auch Lom-
bardischer cydus s. ix), aus der marchensammlung Athanasjevs
VIII nr 23: der schreckliche kaiser (groznyj carb) will heiraten.
* das wort Ist deutsch gedruckt, aber es soll wol heifsen 'helferformel*.
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244 KmPI<^niKOV SCIUUFTKI« ZOR OBUTSCRN HBLDUfSAGB
aber in keinem lande gibt es eine seiner wOrdige freu, ein bauer,.
Nikita Koltoma, erbietet sich ihm eine solche zu verschaffen, mit
zwOir geführten und dem schrecklichen kaiser selbst zieht er in
das reich der schonen Elena, auf dem wege verfertigt er sich
eine heldenmSifsige keule von fünfieig pud, und ein von ihm be-
freiter greis schenkt ihm eine unsichtbare kappe (sapka nevi«
dimka). im reich der schonen Elena angekommen, sehen die
holden ihren palast, der mit einem eisernen gitter eingehegt ist.
sie schlagen davor ihre zelte auf. als Elena durch einen ver-
such die furchtbare kraft der ankömmlinge erkannt bat^ gewährt
sie ihnen ehrenvollen zutritt zu ihrem hofe, aber sie will erst
die kraft ihres freiers erproben, sie selbst ist nämlich ungewöhn-
lich stark, und will sich keinem schwächeren manne unterwerfen,
fünfzig männer tragen ihren bogen und den geglühten pfeil. der
kaiser ist in der tat nicht im stände die probe zu bestehen»
aber Nikita Koltoma in seiner unsichtbaren kappe schiefst statt
des kaisers, und Elena wird geteuscht. aber ihre kraft ist noch
furchtbar für den bräutigam. in der brautnacht legt sie ihre
band auf ihn und erdrückt ihn beinahe, da besteigt Nikita
Koltoma an der stelle des kaisers das bett und bezwingt die
hddin. darauf wird sie dem kaiser ein ergebenes weib. aber
als sie auf dem heim weg erfthrt dass nicht ihr mann, son-
dern Nikita stärker sei als sie, da fasst sie hass gegen Nikita und
befiehlt ihm im schlafe die fttfse abzuhauen und ihn auf einem
schiffe auszusetzen, das folgende weicht ab. der fulblose Nikita
begegnet seinem bruder Timofej, dem Elena die bände hatte ab-
hauen lassen, die vereinigten brüder befreien den kaiser und
bestrafen die kaiserin.
S. 53 folgen die germanischen parallelen KOnig Oswald, die
berichte der pros. Edda und Saxos über HOgni und Hedin, die
geschichte von Herbort und Hilde in der Thidreks saga, auf
deren ähnlichkeit mit der Tristanfabei verwiesen wird, die ent-
sprechende erzählung im Biterolf. — was die erzählung von Gu-
drun selbst anbetrifft, so sieht Kirpiönikov nur in der gewaltsamen
entfohrung Übereinstimmung mit frauenraubenden drachen oder
Zauberern der deutschen und russischen Überlieferung, s. 63, aber
zu gründe liegt ein historisches factum, nach Keck, s. 64. 65. die
eigenartigkeit ihrer Persönlichkeit wird gezeichnet, s. 67, und mit
frauentypen des russischen epos verglichen, s. 68*
Ober die bedeutung der angeführten parallelen spricht sich
der verf. s. 46 f aus. sie dürfen weder durdi gleichen unprung
der vOlker, bei welchen sie sich finden, noch durch entlehnung
erklärt werden, sondern durch die gleichartige natur des mensch-
Hchen geistes, in so fern er auf einer gewissen stufe seiner ent-
wickehing steht, der rest eines poetischen kunstwerkes, welcher
nach abzug der über verechiedene Völker verbreiteten mo^ve übrig
bleibt, ist als eigentum des dichtere zu betrachten.
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KIRPIÖNIROV SCHRIFTEN ZUR DB0T8CHEN HELDENSAGE 245
Die Schrift Ober die gedichte des lombardischeo cyclos be-
handelt ihr^ Stoff in folgender Ordnung, vorrede über methode
und bedeutUDg der Tergleicbung s. i — xi. 1 cap. s. 3ff König
Rother, handschriften und ausgaben, inhaltsangabe, — 2 cap.
«. 16ff Ortnit, handschriften und ausgaben, inbalt, — 3 cap.
^. 30 ff Wolfdieirich und Sabene, handschriften und ausgiAien,
Inhalt, — 4 cap. & 45 ff Hugdietrich und Wolfdietridi B, hand-
schriften, ausgaben und inhalt, — 5 cap. s. 61 ff Wolfdietrieb D
oder der grofse Wolfdietrieb, handschriften und ausgaben, inhalt, —
6 cap. s. 71 ff fragmente und Überarbeitungen, Woifdietrich C,
die Dresdner bs., der alte druck des Heldenbuchs, Jakob Ayrer,
Thidreks saga, — 7 cap. s. 88 ff historisch -litterarische Unter-
suchung der gedichte, — 8 cap. s. 147 ff methode der vergleichen-
den Untersuchung, — 9 cap. s. 161 ff vergleichende analyse der
gedichte.
Die resultate der litterarhistorischen Untersuchung der ersten
sieben capitel fasst der verf. selbst ausammen , s. 143 : ^aus der
ganzen vorhergehenden vielleicht zu sehr in einzelbeiten sich ver-
lierenden Untersuchung erlaube ich mir folgeode mehr oder weniger
wahrscheinliche schlösse die geschichte unserer gedichte betreffend
zu ziehen. Rothuri, der siebzehnte kOnig der Langobarden, war
der held einer brautwerbungssage; aus der sage bildete sich durch
epischen volksgesang ein lied (bylina); im mund fahrender sänger
wanderte dieses lied hinge durch ganz Deutschland, wobei es Ver-
änderungen sowol der form als auch des Inhalts erlitt; gleich-
zeitige ereignisse drangen in dasselbe ein; die namen fielen aus
oder wurden durch neue ersetzt, die grundlage selbst veränderte
sich: in einigen redactionen wurde sie verdoppelt, sodass der
held die frau verlor, um sie von neuem zu erwerben, zu einer
zeit, ab das lied in Soddeutschland bestimmte formen erhalten
hatte, die nur schwer Veränderungen zuliefsen, als die zwei
riesen die notwendigen begleiter Rothers geworden waren, wan-
derte es nach Norddeutschland, wo der unbekaonte name des
langobardischen königs mit einem anderen, Oserich, vertauscht
wurde, in Baiern und den benachbarten landschaften kam eine
neue person in das lied in der eigenschaft eines gehilfen Rothers
— Berbter, herzog von Heran, im beginn des 12 jhs., als die
lieder die form des litterarischen epos anzunehmen begannen,
machte dn rheinischer dichter aus dem liede ein erzählendes ge-
dieht, einige Jahrzehnte später wurde dieses in Baiern von einem
landsmann des ersten Ob^*arbeitet, der aber keineswegs ein fah-
render Sänger war, sondern vielmehr ein gegner derselben, viel-
leicht ein halb gelehrter kleriker, — und annähernd in die gestalt
gelHracht, in welcher wir es in der einzigen bs. (H) finden, die
copisten veränderten es beim abschreiben, aber ihre Veränderungen
giengen nicht weit, da die popularität des gedichtes nur kurze
zeit vorhielt.
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246 kirpiCmikov Schriften zub dbutsgübn iiKLD£i«aAGB
Von kOnig Ortnit, der sich eine braut erstritt und nachher
mit einem dracben kämpfte, welchen ihm ihr vater nachgeschickt
hatte, gab es in der mündlichen Überlieferung des deutschen Volkes
ein altes lied. während seiner alhnählichen entwickelung traten
als gehilfen Ortnits ein der zwerg Alberich, der ihn mit einer
wunderbaren rüstung versieht, und gefolgsmänner (druzinniki),
welche ihm bei erwerbung der braut hilfe leisten, abgetrennt
von der uns leider unbekannten wurzel schwebte das lied in der
luft, ähnlich vielen Überlieferungen, die ihren boden verloren
hatten, bis es in Garda haften blieb, wahrscheinlich in folge einer
erinnerung an Adelheid, die gemahlin Ottos i. sobald die Vorstel-
lung herschend wurde dass Ortnit im kämpfe unterlegen sei, be-
durfte er nach dem gesetze des epischen Optimismus eines rädiers.
Inzwischen sang man gleichzeitig mit dem lied von Ortnit
auch lieder von den zwei Dietrichen, von Hug- und Wolfdietrich;
der erste war held eines liedes von der erwerbung einer braut
durch Ust, und zwar durch Verkleidung, der zweite litt in seiner
kindheit elend und Verbannung, aber treue vassallen verteidigten
ihn bis zum letzten blutstropfen. dem winke des Schicksals fol-
gend heiratete er die aus märchen bekannte bässliche schone. —
eine historische grundlage für diese lieder zu finden ist beinahe
ebenso schwer als für OrtniL beide lieder, von Ortnit und von
Hug- und Wolfdietrich , flössen noch vor ihrer litterarischen be-
festigung im laufe der Zeiten zu einem doppelliede zusammen,
der held des zweiten erschien als Ortnits rächer, in folge dessen
in der epoche schriftlicher aufzeichnung Ortnit und Wolfdietrich
beiden zweier nicht vereinigter aber an einander gehefteter lieder
wurden (Ortnit% i Volbfditrich'B okazalisb gerojami 2-ch'& nesli-
tychib, no svjazannych'b pösen'B}. in der ersten hälfte des t3 jhs.
geriet ein süddeutscher dichter auf den einfall, dieses doppellied
zu einem erzählenden gedieht umzuformen; er vollendete Ortnit,
und begann Wolfdietrieb A, brach aber sein werk vor dem
Schlüsse ab. bei der bearbeitung des Ortnit hielt er sich nahe
an die allgemeine Überlieferung, vielleicht weil er eine schrift-
liche quelle in bänden hatte, aber auch hier wurde er stark
von zeitgenössischen Verhältnissen beeinflust und verfuhr oft will-
kürlich: der zwerg Alberich wurde aus einem gehilfen zum
vater des beiden, bei der bearbeitung des Wolfdietrich liefe er
der Willkür noch mehr die zügel schiefeen. — in demselben
13 Jh., nach dem vierten kreuzzug, wurde der nach Griechenland
versetzte Wolfdietrich noch einige mal stoflT dichterischer behand-
lung. eine Vereinigung der verhältnismäfsig treu bewahrten sage —
s. s. 135 der hinweis auf B 880, 2 < — mit dem überarbeiteten
liede von der brautwerbung Hugdietrichs ergab den sogenannten
Wolfdietrich B. die erzählung erwarb in dieser gestalt grOfsera
* wonach die rauhe Else die alleinige frau Wolfdietrichs sein soll.
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KIBPiCjilKOV SCIlHIFT£:i ZUR DEUTSCUBM H£LD£N&L6E 247
beliebtheit; sodass sie YerbandeD mit dem Orlnit in freier weise
KU dem athenischea Wolfdietrich C umgeformt wurde, in einer
zeit, als die langen cyklischen, zum lesen bestimmten gedichte
in die mode kamen, als die französischen romane den geschmack
des deutschen publicums von grund aus veränderten, contami-
nierte ein schrifLsteller, der verglichen mit den anderen ganz zu
den kunstdichtern gerechnet werden kann, jenen beliebten Wolf-
dietrich von Salneke, B, und den athenischen Wolfdietrich, C,
verkürzte Ortnit zu einer einleitung, beseitigte einige Wider-
sprüche und erweiterte das werk durch viele erdichtete episoden
im Zeitgeschmack, so entstand der grofse Wolfdietrich.
Im 15 jh. hatte ein unbekannter abscbreiber, der College
Kaspars von der Rohn, mehrere texte in händen, er wählte aus
ihnen den von einem anderen vollendeten text des vollständigen
mit dem Wolfdietrich A vereinigten Ortnit und entschloss sich
ihn zu verkürzen, da der verdorbene geschmack seiner Zeitge-
nossen auf einer kleinen anzahl von Seiten viel nahrung für die
hungerige phantasie forderte, bei dieser Verkürzung veränderte er
den text dem Zeitgeist und dem bedürfnis entsprechend, seine
hs. ist auf uns gelangt und wir finden dass die geographischen
angaben und die eigennamen Verderbnisse erlitten haben, dass
in den episoden, welche dem autor entweder des wunderbaren
oder eines gewöhnlichen moralischen gedankens wegen gefielen,
die färben beträchtlich dicker aufgetragen werden; die zahl der
wunder ist vergrofsert; die handelnden personen treten in einen
engeren verwandtschaftlichen verband; einige äufserliche Verbes-
serungen sind zu bemerken ; rohe züge der ältesten epoche werden
verwischt; so kommt keine Schlägerei mit dem vater vor, keine
rohheit der mutter, kein verächtliches betragen der geistlichkeit,
aber die ärgsten Unzukömmlichkeiten wie zum beispiel das cur-
riculum vitae, welches Wolfdietrich bei sich trägt, das heidentuin
seines vaters und anderes blieben unverändert, die ihrem inneren
werte nach besten stellen (zb. die characterentwickelung Wolf-
dietrichs) werden nicht verstanden ond ausgelassen; die Zusätze
sind durchweg unnütze gespräche oder beschreibungen.
Zu derselben zeit und folglich zum teil in demselben geiste
wurde der grofse Wolfdietrieb mit dem Ortnit für ein druckwerk,
das Heldenbuch, umgearbeitet; das dement des religiösen und
wunderbaren ist kräftiger entwickelt; bei feinen ritterlichen empfin-
dungen, bei beschreibungen von festen und gelagen verweilt der
autor mit besonderer Vorliebe, und fügt verhältnismäfsig lange
einleitungen und Schlüsse hinzu.
Im 16 Jh., als dank dem bücherdruck und zahlreichen hss.
unsere Stoffe sich noch gröfserer popularität erfreuten, verwertet
Jakob Ayrer, als er für seine zahlreichen dramatischen producte
neuen Stoff brauchte, Ortnit und Wolfdietrich nach uns unbe-
bekannten hss. er verändert den Stoff frei nach seinem persön-
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248 KIRPIÖNIKOT SGHEIFTEK ZUR DEUTSCHEN HBLOElfSAGB
liehen geschmacke, indeni er ihn der dramatischen form anpasst,
er fahrt ein element der satire ein» ändert die eigennamen und
versieht ihn mit einer moralischen idee.'
Aus dieser allgemeinen Inhaltsangabe geht nicht her?or dass
der verf. auch in diesem bache die handschriftltche Oberlieferung
der besprochenen gedichte sorgfUtig behandelt hat, s. 3f. 16 CT.
30 ff. 45 f. über die Wolfdietrichhss. B und W findet sich die
gute bemerkung, dass in W das dem Stoffe nach gleichartige ib.
deutsche heldensage Ton 6iner band geschrieben ist, den gegen-
satz dazu bildet B. die beitrage zu den lesarten s. 105, die gewis
mit dank aufgenommen worden wären, waren leider durch das
erscheinen des vierten bandes des Deutschen heldenbuches 1873
sofort antiquiert.
Im tibrigen hebe ich nur folgendes hervor, wenn Kirpiö-
nikov s. 89 sich entschieden fdr die langobardiscbe herkunft der
sage von kOnig Rother erklärt, so durfte er keinen Widerspruch
erfahren, obwol das wenige, was wir von kOnig Rothari selbst
wissen, keinen aufschluss gewährt, aber schon andere, wie Rackert
s. XLV seiner ausgäbe, haben auf die ähnlichkeit der brautwerbung
Rothers mit der brautwerbung kOnig Autharis hingewiesen, Paulus
Diaconus 3, 30. ähnlichkeit hat allerdings auch die brautwerbung
Chlodvigs Historia epitomata c. 18, aber der entscheidende zug,
dass der kOnig sich fOr den boten ausgibt, fehlt, auch die un-
bändigen riesen Rothers scheinen langobardisch zu sein, denn
wo finden wir bei den Westgermanen berserker aufser bei den
Langobarden? Paulus 1, 11 Simulani (Langobardi) se in catiri$
suis habere eynocephalos, id est canini ca^tis hommes. DivulgmU
afut hostes, hos perünaeiter bdia gerere, hwmanum sangminem
bibere et si hostem adsequi non possini, profrinm potare enwrem.
vgl. Plinius N. h. 7, 23. sie werden wol auch geheult haben wie
bunde oder skandinavische berserker; zb. Hervarar saga c. 5. Tng-
linga saga c.6. Saxo gramm. 1.6 s.292. kraftproben, die an unsere
riesen erinnern, werden auch von Langobarden erzählt Peredeo
soll wie Asprian in Constantinopel einen Iowen getödtet haben,
in spectaculo eoram imperaiore Paulus 2, 30; Lemcke Geschichte
der deutschen dichtung 1, 37 hat darauf aufmerksam gemacht, ein
riese ist auch Adelgts, Chronicon Novalicense 3, 10, 22 — ^24. ganz
an nordische berserker erinnert Asprian, wenn er aus zorn sich
in die erde stampft, Rother QA\ß Äl de wUe Rdihere den kwnine
bat, Asprian der riese trat in de erden biz an da% bein. vgl. Her-
varar saga c. 5 ödn j(frdina at knjdm.
In dem treuen Berhthere von Meran mochte ich zwar nicht
mit Holzmann Der grofse Wolfdietrich s. Lxnvin den ungetreuen
Peredeo sehen, weil er v. 3426 Blvewine einen herxogen vom
Rine, den feind Amelgers von Tengelingen, getödtet hat, wie Pe-
redeo Alboin, aber der beiname von Meran weist allerdings auf
Italien und andere länder am adriatischen meer.
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KIRPIÖNIKOT SCHRIFTEN ZUR DfiüTSGHRN HELDENSAGE 249
Selbst die genealogische Verbindung Rothers mit den Karo-
lingern hat einen guten historischen sinn, s. Rückert s. xxiv.
Aber auch die norddeutsche fassung der sage scheint mir
gerade in den ihr eigenttlmlichen Zügen langobardisches bewahrt
zu haben. Oserik, Osangtrix der Wilzenkönig herscht tiber ein
land, auf dem sehr wol langobardische sage haften konnte, es
fällt zum grofsen teil mit Maurunganien zusammen, s. Hüllenhoff
Zs. 11, 279. 12, 341. allerdings nach Paulus 1, 11 ff verweilen
die Langobarden nicht längere zeit in Maurungania, aber wenn sie
in der zweiten hälfte des 4 jhs. ihre alten Stammsitze verliefsen
und ostwärts über die Elbe zogen und am ende des 5 jhs. im
Rugenland an der Donau und March erscheinen, s. Zeufs 471.
473, so ist es allerdings wahrscheinlich dass sie durch geraume
zeit Maurungania besetzt hielten, ein land, das man mit einem
späteren namen auch Sclavania nennen konnte, den sitz der
Eibeslawen, unter anderen auch der Wilzen. ohne kämpf werden
sie sich des landes nicht bemächtigt haben, nach Paulus 1,7 ff,
der hier auf die Origo zurückgeht, besiegen sie zuerst die Van-
dalen. was für ein volk darunter zu verstehen sei, wissen wir
nicht, wol aber ist bekannt dass mau später die Wenden und
Slawen überhaupt für Vandalen hielt, Zeufs s. 651, Müllenhoff
Zs. 12, 347 f. wenn nun die Thidreks saga c. 22 erzählt dass
Wilcinus der Wilzenkönig die Russen besiegte, so kann dies
sehr wol eine Umformung der alten tatsache oder sage sein, dass
die Langobarden die Vandalen besiegt haben, um so mehr als
ein satz wie des Paulus 1, 10 Winnili — commisw cum Wan-
dalis proelio — victoriam eapiufU als identisch mit Wilzi Russos
superaverunt aufgefasst werden konnte, denn der name Winüi,
den nach Paulus, aber gegen die alten quellen, die Langobarden
einst geführt hatten, wurde auf die Elbeslawen, zu denen auch
die Wilzen gehörten, übertragen; bei Adam von Bremen und
Helmold, s. Zeufs 651. er galt als identisch mit Winidi; Adam
Gesta 2, 18 Sdavanta a Winulis incolUur, qui olim dicti sunt
Wandali. s. die Vendias im Beow. v. 348. Müllenhoff Zs. 11, 286.
allerdings das Wandrerlied scheidet noch Venlas und Yinedas v. 59 f.
Aber schon vor Wilcinus scheint Oserik poetischer Vertreter
des Wilzenvolkes in der deutschen heldensage gewesen zu sein,
wenn von ihm eine geschichte erzählt wird, deren held sonst
der langobardische Rother ist, so kann das nicht auffallen, neben
alten erinnerungen kann auch der name die Übertragung erleichtert
haben. Oserik hat gewis nichts mit Authari zu tun, so rätsel-
haft sonst der erste bestandteil des namens ist; s. Hüllenhoff
über Oserich, Ospirin Zs. 10, 171ff.^ aber der held der braut-
werbungssage bei Paulus ist Authari und sein italianisierter name
* Osangtrix ist gewis nur durch eine an- ableitung des ersten teile«
der zusammensetsung von Oserik unterschieden, s-Förstemann Ortsnamen 11 78.
A. F. D. A. IX. 17
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250 KIRPIÖIHIKOY SCHRIFTEN ZIJB DEOTSCHEN HELDENSAGE
Uggeri mit Voraussetzung eines -geri statt -Aan, vgl. Ruggeri —
wie bei Rochthere, Rocther, Rucher in den hss. des Rother und
des Renners, Rückert Rother s. xuv — , konnte in der aus-
spräche Utseri Useri, s. tsoste losament udgl., an Oserich erinnern.
In der genealogischen Verbindung Oseriks mit Hartnil von
Nowgorod sieht KirpiCnikov s. 97 nur willkür des verf.s der
Tbidreks saga, er scheint mir hierbei die bemerkungen NüUen-
hoffs Zs. 12, 342 nicht vollständig gewürdigt zu haben, es gab
in der germanischen sage zwei Vertreter des Wilzenvolkes, Wil-
cinus oder Wilze und Oserich. letzterer erscheint schon frQh
in der deutschen heldensage in beziehung zu Attiia und Erma-
narich, Nüllenhoff Zs. 10, 171 f, Wilze spät und ohne beziehung
zur heldensage; er muste aber als heros eponymos fttr älter gelten,
die notwendigkeit, Oseriks herschaft über das Wilzenland, das ja
Wilze gehörte, zu motivieren, führte, da eine verwandtschaftliche
beziehung zwischen Oserik und Wilze durch die isoliertheit des
letzteren ausgeschlossen war, zur annähme, Oserik sei durch
eroberung in besitz des reiches gekommen, die modalilät ergab
sich durch die Vorstellung von kämpfen zwischen Winilern und
Vandalen, d. i. Wilzen und Russen. Oserik muste auf die seite
letzterer treten.
So erscheint durch misverständnisse historischer namen und
vage erinnerungen an alte Verhältnisse die historische sage der
Langobarden im nordosten Deutschlands, die mythische der Van-
dalen in Russland localisiert, Müllenhoff Zs. 12, 344 ff. bequem
war es dabei für den dichter dass man sich die Hunnen in
Westfalen ansässig dachte, aber der blofsen bequemlichkeit wegen
konnte man kOnig Attiia nicht nach Soest versetzen, gewis
bat JGrimm 6DS 366' recht, hier eine Verwechselung der pan-
nonischen Stadt Sicambria d. i. Ofen , Etzelburg (Müllenhoff Zs.
12, 431 ff) mit dem stammlande der Sigambrer, dessen bedeu-
tendster ort Soest ist, zu vermuten, dass dies eine ^gelehrte fabelei'
ist, hindert gar nicht eine Verwertung durch spielleute. s. zb.
das lied von der einwanderung der Schweizer aus Skandinavien,
LTobler Schweizerische Volkslieder s. xiv. — auf eine andere ver-
anlassung zu der bevorzugung Soests deutet Rassmann hin HS
2, 190.
In geringer entfernung von Soest Ostlich über dem Osning
liegt das dorf Harohüson bei Eresburg, in dem man wol das
Himis des bischofs Nikolaus erkennen darf, WGrimm HS 41.
zwischen Horus und einem nicht bestimmbaren Kiliandr — Gelan-
thatf liegt zu weit nördlich — sei die Gnilahoide, wo Sigurd
Fafnir erschlagen habe, der reisende ist auf diese Vermutung
wol durch den namen des benachbarten ^auos gekommen , des
NUgö Netgö, Nithe-Nete-Nitergö. ^ halte Nikolaus in Deutschland
* vgl. fn -^ n in ist. gfUt, modern nit, nd. nete, nit, lausa.
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KIRPI6nIK0V SCHBJFTEN zur deutschen HELDEIVSAGE 251
gelebt, 80 würdea wir vielleicht diefteo angaben in der Thidreks
saga begegnen. — von dem dorfe Etlinum, wol gleich Etlinkem
8. von Paderborn, hat er wol nichts gehört.
Sehr abweichend von den herschenden sind Kirpi^nikovs an*
sichten Ober die Ortnil- und Wolfdietrichssage, s. 107 if. 11 7 ff.
135. 200, und ich glaube nicht dass sie beifall finden werden,
eine selbständige Ortnitsage mit glücklichem ausgange ist höchst
unwahrscheinlich, eine so schlechte poetische erfindung ohne
Spannung und Verwickelung kommt sonst nicht vor. vor allem
aber spricht die Übereinstimmung zweier unabhängigen quellen,
unserer süddeutschen gedichte von Ortnit und Wolfdietrich und
der Thidreks saga c. 417 — 422 dagegen, nach welcher Hertnit
(Ortnit) von dem drachen getödtet und von einem Dietrich ge-
rächt wird. — und die localisierung des süddeutschen gedichts
im italienischen Garda? wenn, wie K. meint s. 112, die gefangen*
Schaft Adelheids, der späteren gemahlin Ottos i sich im Schlüsse
unseres Ortnit widerspiegelt, so hätte deshalb das grofse und
sagenberühmte Verona ein par meiien weiter südlich doch mehr
anspruch gehabt als residenz könig Oi*tnits zu gelten — Garda
hätte der witwensitz Liebgarts 8ein können — , wenn man nicht
gerade eine residenz namens Garda gebraucht hätte.
Ebenso unglaublich ist ein selbständiger Wolfdietrich, mit
den motiven der treuen vassallen und der erwerbung der rauhen
Else, s. 135. 200. man begreift nicht, wie beide sagen sich ver-
binden konnten, während nach MüUenhoffs hypothese die sache
wol verständlich ist. wenn eine mythische erzählung, wie Müllen«
hoff Zs. 12, 352 sie reconstruiert, noch in der erinnerung nord-
deutscher dichter wie in Skandinavien (und zwar mit sehr alter-
tümlichen Zügen, s. Ostacia) fortlebte, während sie in Süddeutsch-
land vergessen war, so konnte zunächst in Norddeutschland an
die stelle des Hirdn*, dessen geslalt stark verblasst war, ein anderer
berühmter drachentödter treten, Dietrich, das ist Theodorich, s. K.
8. 129 f. wanderte die sage dann nach dem 8üden, so mag die
localisierung Hertnits von Naugarten, der berühmten Stadt Nov-
gorod, in dem lombardischen Garda gegenüber den vielen Garten
oder mit Garten componierten Ortsnamen in Deutschland vielleicht
durch die erinnerung an die gefangenschaft Adelheids daselbst
erleichtert worden sein, denn das motiv von der bedrängten läge
der königin nach Hertnits tode erscheint auch in der Thidreks
saga c. 417. aber das hätte wol nicht genügt wenn ein von
oaten kommender Dietrich durch eine kühne tat die witwe eines
königs und somit ihr reich erwirbt, so dachte man in Süddevtsch-
land natürlich an Theodorich, s. WGrimm HS 357S der sein erb-
land Italien wider erobert, zugleich aber bot sich der dichtenden
Phantasie ein anderer Dietrich dar, der fränkische Wolfdietrich,
der ebenfalls die ihm entrissene königswürde mit hilfe treuer
vassallen wider gewinnt, die sage contaminierte. Ortnit muste io
17*
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252 KIRPICMKOV SCHRIFTEN ZUR DEUTSCHEN HELDENSAGE
Italien herscben, sein nachfolger war nicht Theodorich selbst,
sondern dessen ahnherr Wolfdietrich, der treue Berhtung gehört
wol der ostgotiscben sage an. K. macht mit recht darauf auf-
merksam s. 92 dass Theodorichs grofsvater Kaiserchronik 13859
(424, 10 Diemer) Dietrich von Meran heifst. nach der dort her-
schenden anschauung ist Meran das Stammland des ostgotischen
kOnigsgeschlechtes, s. WGrimm HS 53. 203, Mafsmann Kaiser-
chronik 3, 392 ff. s. unter Dietrichs mannen Berhther und Berht-
ram, herzog von Pola in Istrien, im Alphart und bei Heinrich
dem Vogler, ein Berhthere oder Berhtung von Meran konnte sich
leicht an jeden in Italien herschenden kOnig der heldensage an-
scbliefsen, an Rother (mit dem pseudonym Dietrich) wie an Wolf-
dietrich, wenn auch die Übereinstimmung in einzelnheiten auf
einen näheren Zusammenhang der von beiden handelnden gedichte
hinweist« eine Verwechselung Theodorichs, des grofsen mit Hugo
Theodoricus liegt vielleicht auch im Eckenliede vor, wenn Dietrich
Hug von Dänemark tödtet. im Alphart ist Hug allerdings Dietrichs
freund, s. eine ähnliche Vermutung MuUenhoffs Zs. 12, 288 über
Hugebolt, den Herbort erschlug auch im Eckenliede. für Hug
spricht dass er wie Chochilaicus ein Däne ist. es ist sehr wahr-
scheinlich, obwol wir es nicht beweisen können, dass in den
liedern auf Hygelac sich sagenhafte demente aus der geschichte
des schwedischen oder irischen königs Hugleikr, der durch Haki
und Hagbardr besiegt wurde, eingeschlichen haben; s. Snorri
Tnglinga saga c. 25, Saxo grammaticus vi p. 279. vin p. 404.
Wie durch den hinweis auf Meran und die königin Adelheid
sowie durch manche gelungene polemik hat sich der verf. auch
durch andere beobachtungen um die geschichte unserer sagen
verdient gemacht, so s. 141 dass der wildencBre und Berhtung
eine dittoTogie bilden, s. 126 dass Alberich nicht von haus aus
in die Ortnitsage gehört, s. jetzt Seemüller Zs. 26, 201 ff und
schon Zs. f. die öst. gymnasien 1881 s. 846. vielleicht ist er
aus der ähnlichen geschichte von Huon de Bordeaux herüber-
genommen, s. Lindner Ober die beziehungen des Ortnit zu Huon
de Bordeaux, Rostock 1872. aber dass Iljas (nicht EUas) von
Riuzm, Rja» jarl af Greka, der bruder Valdemars d. i. Vladimirs
von Russland, der söhn Hertnits von Russland, nicht der ge-
waltigste held aus der druzina Vladimirs sei, sondern nur der
typus eines barbaren, den man im norden nach Griechenland, in
Süddeutschland zu den Russen versetzte s. HO, wird dem verf.
kaum jemand glauben, die zußlUigen Übereinstimmungen, welche
man bei dieser auffassung der Sachlage annehmen müste, wider-
streiten aller historischen erfahrung. wichtig aber ist uns dass
ein gelehrter Russe keine anderen beziehungen zwischen russi-
scher und deutscher heldensage gefunden hat als die durch
MflUenhoff bekannten, es ist sehr wahrscheinlich dass dies die
einzigen sind.
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KIRPIf^NIKOV SCHRIFTEN ZUR DEUTSCHEN HELDENSAGE 253
Auch ZU den in diesen gedichten erscheinenden typen und
motiven bringt der verf. eine fülle von parallelen, so s. 124 Wolf-
dietrichs kindheit ähnlich der des Pilatus und Karls des grofsen,
8. 164 f der vater, der seine tochter nicht heiraten lässt, s» 169
typus des berserkers, s. 170 der kinderlosigkeit eines pares wird
in wunderbarer weise abgeholfen, kämpf ^wischen vater und söhn,
russische und französische parallelen, s. 179 entfahrung einer
frau durch kaufleute (man könnte auch auf die geschichte der
lo, Herodot 1, 1, verweisen), frauenraub, erkennung durch den
ring — s. 183 wird gut bemerkt dass dieser zug im jQngeren HiU
debrandsliede ganz widersinnig angebracht sei — , s. 186f der ver-
leumdeten frau (Genoveva udgl.). — s. 188 f typus des von wilden
tieren aufgezogenen kindes, ua. auch Herodot 1, 108, s. 191 des
längeren bruders, s. 192 des ungeschlachten, komischen burschen,
der ein grofser held wird, später auf Siegfried übertragen, fehlt
im russischen volksepos, nicht aber der faule junge, s. Uja Hu-
romec, s. 194 f Achilles und Deidamia, vgl. auch s. 123. 142 (s. auch
die Comedia Aldae oder Ulfi; unter letzterem litel in dem Lam-
bacher codex nr 100 f. 40* ff. den inhalt gibt RPeiper in Scbnorrs
Archiv 5, 524, mit nachrichten über den autor Wilhelm von Blois,
12 Jh.), 8. 196 Verkleidung als kaufmann (s. auch San Harte Bei-
träge zur bretonischen usw. heldensage s. 166, aus Giraldus),
s. 197 befreiung der Jungfrau von dem drachen, s. 199 aus-
schneiden der drachenzunge (s. die schöne von Jänicke beige-
brachte parallele aus dem griechischen , DHE iv s. xliii) , s. 200
die rauhe Else, wilde frau, s. 203 Wolfdietrichs abenteuer auf
Falkenis (die griechische parallele bei Jänicke aao. fehlt), s. 205
kämpf zwischen dem meister und dem angeblich im fechten un-
erfahrenen Schüler, s. 205f moniage des beiden, s. 207 kämpf
desselben mit geistern. — von Stoffen ohne näheren bezug zu
dem lombardischen cyclus vergleicht der verf. auch zb. Siegfried
mit Gushtasb s. 194, — Pentamerone 4, 5 (ü dragone) mit dem
hörnernen Seifried, s. schon Grundtvig Folkeviser i s. 14, s. 193, —
Gregor. Tur. 3, 14 überlistung des Mundericus mit einem russi-
schen bericht von Jaropolk, Blud und Vladimir s. 127.
Auch hier nimmt der verf. an dass, wo nicht eigennaroen
eine litterarische entlehnung beweisen, die ähnlichkeit der paral-
lelen Züge auf der gleichheit der menschlichen natur beruhe,
8. X. 123 f. 151. 164. zu gründe können ihnen mythische Vor-
stellungen und erinnerungen an historische tatsachen liegen ; meist
aber sind es unbewust poetische bearbeitungen oft widerkehrender
und die phantasie erregender ereignisse des menschlichen Privat-
lebens, diese bearbeitungen sind entweder blofse molive, wenn
zb. für die scene des widererkennens der ring unentbehrlich wird,
oder es sind reihen von auf einander folgenden und mit einander
verbundenen handlungen, an deren einzelne phasen bestimmte
motive geknüpft sind, nach einer sehr brauchbaren terminologie
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254 KIRPIÖRIROV 8CBRIPTEN ZUR DEOTSCBEN HELDENSAGE
unterscheidet demoach K. ttbereinstimmuDg im thema (tema, zb.
brautwerbuDg im allgemeineD), fonnel (formtda, zb. brautwerbung
mit entführ uDg der braut durch angebliche kaufieute) und motiv
(prienCb, zb. beratung mit dem gefolge ttber brautwerbung)
s. 147—160, auch vii. 103. 119. 141 f. 191.
Die zurückführung . des stofflichen inhalts der erzählenden
volkslitteratur auf allgemeine Schemen hat K. mit Hahn gemein,
dessen vorrede zu den Griechischen und albanesischen marchen
1864 er oft citiert — die Sagwissenschaftlichen Studien erschienen
erst 1876 — , die meinung, dass solche themen, forroeln und
motive die wesentliche grundlage des epoa seien, mit SGrundtvig
Udsigt 1867, Om nordens gamie literatur 1867; s. darüber Mübius
Zs. f. d. phil. 1, 427 (1869). — dass ferner ganze erzXhlungen mit
bestimmten themen, formein, ja rootiven von zwei verschiedenen in*
dividuen oder volkern ohne litterarische abhängigkeit des einen von
dem anderen ausgebildet werden können, lehrt bekanntlich auch
Müllenhoff Deutsche altertumskunde 1, 43 (1870) von Odysseus und
Orendel. vgl. WGrimm Die sage von Poljphem (Abhandlungen der
Berliner academie 1857) und Nyrop Sagnet om Odysseus og Poly-
phem in Nordisk tidskrift for filologi, ny raekke bd. v, 1881.
Die Sammlung von typen erzählender poesie bei verschiedenen
volkern, so wie die erinnening an die gleichartigkeit menschlicher
natur, die sich wie in hauslicher und Öffentlicher lebensweise so
auch in dichterischen hervorbringungen tfufsern kann, ist für die
litterarhistorische forschung ungemein wertvoll, letzteres kann
den forscher vor historischen oder mythologischen oder litterari-
schen deutungen bewahren, ersteres bei trümmerhafter Über-
lieferung fingerzeige für die Verbindung und ergäniung geben
und ist überhaupt der anfang einer sehr darniederliegenden disci-
plin, der beschreibung eines poetischen kunstwerks. JGvHahns
arbeiten haben ihrer vielen philologischen schwächen wegen wenig
beachtung und noch weniger nachfolge gefunden, doch Hahn
ist mytholog und erklärt alle Übereinstimmungen durch urver-
wandte mythen. davon ist K. weit entfernt, aber eine theorie,
die uns lehrte, wann bei gleichen erzählungsstoffen eine gemein-
same mythologische grundlage oder wann litterarische entlehnung
anzunehmen sei, wann man zur einheit des menschlichen geistes
seine Zuflucht zu nehmen habe, finden wir auch bei ihm nicht,
denn wenn s. 123 f gesagt wird, nur gleichheit oder ähnlichkeil
der namen mit übereinstimmender erzählung beweisen die litterari-
sche — natürlich auch mündliche entstehung, so streitet dies gegen
die erfahrung. s. das fortleben der antiken comOdie im ganzen
abendlande mit verschiedenen namen, die vielen Robinson und
Simplicissimi , die anders heifsen, alte und moderne plagiate
gröberer und feinerer natur in erzählung und drama. ja audi
wenn der erzähler sein werk gar nicht für eigene eriindang
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KIRPl(^I<riKOV SCHRIFTEN ZUR DEUTSCHEN HELDENSAGE 255''
ausgibt, kaoü er gründe haben, die namen zu ändern, so Wil-
helm von Blois in der Comedia UIQ oder Aldae: occurrit nostro
mascula virgo stilo : nominis accipio pro nomine signißcatum,
non potui nomen lege domare pedum, oder Vitalis in der Comedia
Tripperi (so heifst die Aulularia im Lambacher codex nr 100):
qui legerit Plautum mirahitur altera forsan nomina personis
9ttam mea scripta notant. causa meo est facto, vult verba do-
meetica usus, grandia plus aequo nomina metra timent. sie ego
mutata deeisave nomina feci posse pati versus, res tarnen una
manet. in der Comedia Ulfi, der geschiehte von Achilles und
Deidamia, heifsen die helden Pirrus und Alda, der vater Aldens
Ulf US ; erinnerung an Lycomedes und den söhn des Achilles?
etwa wie in Dietrichs flucht könig Ladiner von Westenmer einen
söhn hat, der Ruoiher heifst, Rückert Rother s. xv. — oder ein
roman kann als märchen seine namen einbüfsen. so ist nr 50
der Griechischen und albanesischen märchen nach einer ab-
weichenden einleitung identisch mit Apollonius von Tyrus, was
Hahn merkwürdiger weise nicht gesehen hat, da er s. 250 ff
ganz ferne parallelen beibringt.
Noch gefährlicher aber wäre es, überall, wo in litterarischen
berichten Übereinstimmung der Vorgänge bei abweichenden namen
erscheint, an jene gleichwürkeude dichtergabe der menschlichen
natur zu denken, das verschiedenste kann hierbei im spiele sein,
vor allem die widerholung derselben ereignisse im würklichei^
leben, die empOrungen verschiedener und verschieden benannter
königssöhne gegen ihre väter haben dem dichter des Herzog Ernst
seinen Stoff geliefert, wie ähnlich ist das Verhältnis des don
Carlos zu Philipp dem Aleksejs zu Peter, das sdiicksal Marias
de Padilla dem der gleichzeitigen Inez de* Castro, s. M^rim^e Pedro
der grausame (übers. Leipzig 1S52) s. 232. wie die Claudius und
Hessalina und Chilperich und Fredegunde widerkehren, hat un-
längst FLeo gezeigt, Deuteche rundschau bd. 32, s. 418 (1882). —
oder wenn ein kritiker aus trüber quelle von Bunsens leben
erzählen horte und da nach einander drei Engländer fände, denen
Bunsen deutschen Unterricht gegeben und von denen er bedeutende
fOrderung im leben erfahren, könnte er nicht auf die annähme von
ditiologien kommen? aber es sind würkliche menschen, Astor,
Cathcart, Clifford. — oder es bilden sich in gewissen Zeiten ty-
pische persönlichkeilen, zb. die liebenswürdige stiftsdame, Gün-
derode, eine geliebte von George Sands vater, Histoire de ma
vie 1 partie 10 chap., eine Casanovas 9, 74 (Buhl), vgl. das fräulein
von Klettenberg.
Oder es kann zufällig das würkliche leben ein aus der lit-
teratur bekanntes motiv widerholen; zb. was K. s. 196 anführt,
die Verkleidung Peters des grofsen als kaufmann. hübscher noch
Heinrich Julius von Braunschweig, der sich bei seiner braut-
werbung als Juwelenhändler verkleidet; s. Tittmann s. xvi.
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256 KIRPl^lHIKOV SGBRIFTEN ZUR DEUTSCHEN HELDENSAGE
Oder das menschenlebeo, welches Stoff zu dichterischer dar-
Stellung bietet oder bieten kann, ist selbst litterarisch beeinflusst.
s. Ulrich von Lichtenstein, der Tristan copierte, oder Loyse Lab^,
die im leben Bradamanten nacheiferte , Wieland Werke 35, 290
(1840).
Sehr häufig werden wir uns bescheiden mOssen, die abnlich-
keit angeblich historischer und sagenhafter berichte zu Consta-
tieren, ohne sie zu erklären, so zb. die erzählung von den frauen
könig Hildibads und des Uraias, Prokop Gotenkrieg 3, 1, die stark
an Grimhild und Brünhild erinnern.
Mindestens ebenso sehr als namen sprechen fttr litterariscbe
entlehnung übereinstimmende einzelheiten — bei ühereinstimmuDg
im ganzen, die erzählung von Nikita Koltoma ist gewis unter
einwOrkung der Siegfriedsage entstanden, — selbst wenn nicht
eine unsichtbare kappe, mutze (sapka) an die stelle des mantels
(mhd. kappe) getreten wäre. — aber auch hier tut vorsieht not.
Orendel und Odysseus weichen trotz der Obereinstimmung der
allgemeinen züge in der ausfahrung des einzelnen so ab, das«
man nicht geneigt ist hierbei an ein fortleben der Odyssee in
Deutschland zu denken, aber wie soll man es erklären dass der
schiffbrüchige nackte Orendel sich in den sand eingräbt und, als
er mit dem fischer Ise spricht, sich den leib mit einem zweige
deckt, V. 505. 553 (vdHagen)? vielleicht so, dass die Orendel-
und Odysseussage zwar unabhängig von einander entstanden sind,
dass aber derjenige, welcher Orendel in seine gegenwärtige form
brachte, sich bei Schilderung des schiffbrüchigen Orendel an die
ähnliche erzählung der ihm durch litterarische Überlieferung be-
kannten Odysseusgeschichte erinnerte.
Ich wende mich zur dritten schrift, über den hl. Georg,
ursprünglich im Journal des ministeriums für volksaufklärung
(2urnal ministerstva narodnago prosv^öenija) december 1878 —
februar 1879 erschienen, ihr inhalt ist:
1 cap. die griechischen, slawischen, lateinischen und übrigen
redacttonen der marter des hl. Georg. — die westeuropäischen
gedichte und lieder von ihm. — Untersuchung der ursprünglichen
legende. — das wunder vom drachen und dem mädchen in orienta-
lisclfen und occidentalischen Überlieferungen, s. 1 — 60.
2 cap. versuche, den Ursprung der legende vom hl. Georg
zu entdecken. — die historische theorie und ihre verschiedenen
gestalten. — Georg-Mitras. — Georg-Tammuz. — Georg-Horus. —
folgerungen, s. 61—123.
3 cap. der Jegortag. — Jegor in sprichwOrlern , Zauber-
sprüchen und volkssagen, s. 124 — 154.
4 cap. Jegor in geistlichen liedern. — das lied von der
marter des hl. Jegor. — Jegor und Lisabeta, s. 155—193.
Thesen. 1. alle Verschiedenheiten der auf uns gekom-
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KIRPidRIEOV SCHRIFTEN ZUR DEUTSCHEN HELRBNSA6B 257
meneo texte vom leben des hl. Georg weisen auf drei griechische
recensionen zurück, für die älteste und ursprünglichste ist wahr-
scheinlich jene apokryphische Version anzusehen, welche in dem
griechischen palimpsest (4 oder 5 jh., ed. Detlefsen WSB 27,
1858, 383 ff), in orientalischen erzählungen, in zwei lateinischen
(9 Jh., ed. Arndt Berichte der sächs.ges. der w. 1874 und Zarncke
daselbst 1875) und vielen slawischen texten (zb. serbischen des
14 jhs., ed. Popov in Opisanie rukopisej Chludova s. 331 ff
und Stojan Novakovic in Starine, 8 band, Agram 1876) er-
halten ist.
2. eine selbständige lateinische version gibt es nicht und
hat es nie gegeben; alle westeuropäischen bearbeitungen sind
mittelbar oder unmittelbar aus griechischen texten geflossen.
3. das gedieht Reinbots von Dorn beruht auf einem franzö-
sischen text, der durch Verschmelzung einer dem texte Luzarches,
La vie de la s. vierge Marie suivie de la vie de SGeorge , Tours
1859, verwandten apokryphe mit dem text des Petrus Parteno-
paeus (mitte des 13 jhs., z. t. veröffentlicht bei den Bollandisten
23 april) hervorgegangen war. der deutsche dichter aber verfuhr
mit seinem originale sehr frei.
4. das wunder Georgs mit dem drachen und der princessin ist
auch nicht westeuropäischen, sondern byzantinischen Ursprungs,
die allegorische Vorstellung von Georg dem drachentodter gieng
dem wunder voraus und bot veranlassung dazu.
5. Jacobus de Voragine hat keinen neuen text vom leben
des hl. Georg und von dem wunder mit der schlänge verfasst,
sondern in seine Sammlung eine schon vorliegende redaction ein-
getragen, welche er mit einer einleitung und citaten ausschmückte.
6. der cultus des griechisch-römischen Nitras halte vielleicht
einfluss auf die ausbreitung und richtung des Georgcultes. aber
die ansieht Gutschmids (Die sage vom hl. Georg als beitrag zur
iranischen mythengeschichte, Berichte der k. sächs. gesellschaft
phil. bist, classe 1861 bd. 13) von dem Ursprung der legende aus
demselben hält nicht stich, auch die erklärungen Baring Goulds
(Gurions myths of the middle age 2', 1868: Georg -Tammuz)
und Clermont-Ganneaus (Revue arch^ologique 1876 f: Georg-
Horus) können nicht für hinlänglich begründet gelten.
7. die ceremonien, welche die feier des Georgslages in
Russland begleiten, erklären sich durch die ausbreitung des cultes,
durch die zeit der feier und durch Überlieferung geistlicher lit-
teratur.
8. alle aufgeschriebenen geistlichen lieder von Jegor chra-
bryj sind nur Varianten zweier zu gründe liegender lieder.
9. das lied von der marter Jegors (in den Sammlungen von
Varencov, Bezsonov, Sacharov ua.) ist verfasst auf grundlage von
Überlieferungen, welche der geistlichen litteratur angeboren, nicht
dem mythus. die zweite hälfte desselben steht in enger ver-
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258 KIBPieiHIKOV SCUBIFTEM ZUE DEUTSGflEN HELDENSAGE
biaduog roil dem ersten, die Variante Sacharovs kann nicht für
eine Altere redaction gelten, das lied ist wahrscheinlich unter
dem frischen eindruck des Tartareneinfalls verfasst.
10. das lied von Jegor und Lisabeta (bei Bezsonov und
sonst) gründet sich auch auf litterarische ttberlieferung« die aber
unter dem einfluss der ideale und Vorstellungen mflndlich fort-
gepflanzter poesie umgeformt wurde.
Ich muss es mir versagen, auf diese sdirift, deren inhalt
auch von meinen Studien zum teil sehr weit entfernt ist, näher
einzugehen, obwol sie gewis die bedeutendste leistung des verf.s
ist. durch sorgßlltige betrachtung des einzelnen gewinnt K. eine
klare gruppierung der grofsen masse der Überlieferungen, bei
vergleichung der Georgslegende mit ähnlichen mythen nicht-
christlicher volker, einem sehr heiklen thema, s. Usener Le-
gende der Pelagia 1879, Reinbrecht Legende von den sieben
schläfern 1880, verfährt er mit grofser vorsieht, vor allem aber
imponiert seine aufserordentliche belesenheit in gedruckter und
handschriftlicher litteratur. sie ist für jeden nOtig, der sich mit
der Georgslegende beschäftigt, allein in fünf russischen biblio-
theken liegen über 200 hss. derselben, s. 2. — das übersteigt
noch den reichtum der altenglischen legendenlitteratur, über den
wir unlängst durch Horstmann belehrt worden sind, und immer
noch fliefst neues material zu. im 12 band der Starine, Agram
1880, hat Novakovi<S einen neuen serbischen text veröffentlicht mit
einer vortrefflichen einleitung, wie mir Krek mitteilt, derselbe
hatte auch die gute, mich auf eine im anschluss an K. geschriebene
neuere arbeit Veselovskijs aufmerksam zu machen: Sv. Georgij
Yh legende, pesne i obrjade (Der hl. Georg in der legende, im
iiede, in volksbräuchen) als nr 2 von dessen Razyskanija vb
obiasti russkichi duchovnichi stichovB (Untersuchungen auf dem
gebiete der geistlichen dichtung Russlands), 228 Seiten, von
s. 163—228 sind teite abgedruckt, griechische und lateinisdie
aus Wien, Paris, München, ein franzosischer nach einer Peters-
burger hs. darüber unten ausführlicher.
Was nr 3 der thesen anbelangt, so füge ich noch hinzu
dass K. in der franzosischen prosalegende des britischen museums
20. D. VI. 16 die quelle zu dem von Luzarche edierten gedichte
gefunden hat, die bei oft wörtlicher Übereinstimmung mit dem-
selben aus der lateinischen vorläge mehr verwertet als dieses,
s. 21 f. Luzarche und seine recensenten Holtzmann Germ. 1, 371
und Bartsch Germ. 4, 501 kennen diese prosa nicht, sie wäre
wichtig für Reinbot, s. Bartsch s. 507. — über unser Georgslied
handelt der verf. s. 23. der tod durch das schwort v. 27 (Haupt)
und die rettung der zwei verhungerten weiber v. 14 hat nirgends
eine entsprecbung. die verse 47 ff erklärt er gegen Zarncke
Berichte der Sachs, ges. der wissensch. 1874 s. 11 f und in Über-
einstimmung mit der feststehenden Ordnung der legende, welche
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KIRPICMKOV SGUillFTEN ZUR DEUTSCUEft HELDEISSAGE 259
die zertrümmeruDg der gOtzeobilder nach dem besuche bei der
kaiserin v. 52 ff ansetzt, nicht als anrede an die gOtzen, sondern
an die todten, die er auferweckt und von denen einer für die
übrigen spricht. — s. 24 wird über den altenglischen hl. Georg,
London 1850 (Percy society nr 88), gehandelt; — s. 29 über das
Passional ; — s. 32 über den Sommerteil. — ebendaselbst weist er
eine vom Sommerteil unabhängige aber auch auf Reinbot zurück-
gehende deutsche prosa des 15jhs. im britischen museum nach
(Add. 19462), von Bflchtold in den Deutschen hss. des brit. mus.
1873 nicht angeführt; identisch mit einer der von Vernaleken
Germ. 9, 475 erwähnten ? auch hier ist der bei Reinbot nur an-
gedeutete (v. 466) drachenkampf wie im Sommerteil — wol aus
der Legenda aurea — eingeschaltet.
Zum Schlüsse habe ich noch mitzuteilen dass der verf. unserer
vielfach interessanten Schriften seine germanistischen und roma-
nistischen Studien zum teil auf deutschen und Osterreichischen
Universitäten gemacht hat, und gegenwärtig professor für neuere
litteratur an der Universität Charkov ist.
Wien, jänner 1883. R. Heinzel.
ANVeselovsku, Razyskanija ti> oblasti russkichii dochovnichi» stichovb. ii.
Sv. Georg^ vh legende, pksnk i obijad£. — Sborntki» otdelenija
russkago jazyka i sloyesnosti imperatorskoj akademii nauki». tonn» 21
nr 2. Saaktpeterbnrgi» 1880.
Das heilst:
ANVeselovsku , Uotenachuogen auf dem gebiete des rassischen geistlichen
liedes n. Der hl. Georg in der legende, im liede, in volksbraachen. —
Gesammelte abhandlnngen der section für rassische spräche und lit-
teratur der k. academie der wissenschafleo. 21 band nr 2. Peters-
borg 1880.
Der name des verf.s ist wol allen germanisten wenigstens
durch Vogts einleitung zu Salman und Morolf, 1880, s. xli oder
durch das Archiv für slavische philologie geläufig, auch die vor-
liegende Schrift Veselovskijs ist für uns wichtig und zwar nfcht
blofs, weil sie einen stoff der europäischen litteratur behandelt,
sondern auch wegen directer auflilärungen über schwierige fragen
der mhd. litteratur. nur auf diese will ich hinweisen, die Wür-
digung der ganzen ebenso durch gelehrsamkeit wie methode her-
vorragenden arbeit anderen überlassend.
Die Georgslegende Reinbots von Dorn bietet eigentümliche
Züge, welche sich in den bekannten und verwandten fassungen
nicht finden. Georg hat zwei brüder, welche Theoderius und
Demetrius genannt werden, s. zb. v. 184 f. das beruht auf der
in Byzanz und slawischen ländern altbezeugten Verbindung der
drei heiligen Georg, Theodor und Demeter, s. 5 IT. damit hängt
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260 VBSBLOVSKIJ DER HEILIGE GEORG
wol zusammen der eine bruder, welcher dem hl. Georg in der
Vorgeschichte Huons von Bordeaux (s. AGraf I complementi della
chansoD d'Huon de Bordeaux; testi francesi inediti. i Auberon,
Halle 1878) — es ist der dämonische Auberon — und im JangereD
Titurel str. 4746 (Hahn) zugeschrieben wird; s. 10. 105 ff. 122.
die beziehungen zwischen dem hl. Georg und dem hl. Demeter
sind vielleicht auch geeignet, ein licht auf den sieg unseres Georg
Ober den Salneker zu werfen, s. besonders v. 1284 ff. 5316 ff.
wenn bei dieser gelegenheit ein engel mit einer fahne vom himmel
steigt um Georg zu helfen, so erinnert dies etwas an die erschei-
nung des hl. Demeter zu pferd bei der belagernng von Saloniki
durch die Avaren a. 597 ; s. 9 f.
Nach Reinbot stammt Georg durch seine mutter aus An*
tiochien, v. 147. 4972. durch V. erfahren wir s« 81 dass der
heilige in Antiochien besonderer Verehrung genoss. seine gebeine
sollen dort liegen und im jähre 1098 zeigte er sieh bei belagerung
der Stadt.
y. 252 ff beschreibt Reinbot in poetischer weise die freude
der natur bei Georgs geburt. v. 4752 ff wird Georg ein söhn
der sonne und der rose genannt, 4776 und 5848 daz rösenknU.
man konnte das für erflndung des dichlers halten, aber in einer
rumänischen bailade von George cel Viteaz, mitgeteilt von Ipsi-
rescu in Columna luT TraTan 1876 s. 425 — 432, hatte Georgs
mutter die kaiserin, als sie sich nach einem söhne sehnte, fol-
genden träum: sie gieng auf einer schönen wiese spazieren, da
neigten sich alle Stengel und gräser parweise zusammen, als ob
sie sich küssen wollten, sogar die Schmetterlinge flogen gepart.
darauf bringt die königin einen söhn zur weit, Georg; bald
darauf von räubern entführt rettet sie ihn dadurch, dass sie ihn
in einem blühenden Strauch verbirgt; s. 115. 117.
Auch über das verhalten Reinbots zu seiner quelle oder über
die natur dieser quelle oder dieser quellen selbst erhalten wir
einen flngerzeig durch die beobachtung V.s s. 45, dass Dacian
4838 die marter Georgs hinausschieben will bis zur ankunft
seiner herren, der kaiser Diocletianus und Maximianus, v. 497.
5038, — was aber nicht geschieht.
Die erwähnte rumänische ballade ist sonst ein 'Siegfrieds-
märchen' tn\i den deutlichsten kennzeichen litterarischer Über-
tragung, kaiser und kaiserin lebten zehn jähre lang kinderlos,
der kaiser droht sich von ihr zu scheiden, wenn sie binnen Jahres-
frist keinen söhn gebäre, sie wendet sich an hexen und Wahr-
sagerinnen und versucht zaubertränke, da hat sie den oben mit-
geteilten träum, zu dessen schluss sich ein drache auf eine taube
stürzt, diese flüchtet zu ihr, der drache ihr nach, vor schreck
erwacht sie. nach neun monaten gebiert sie einen söhn, der
vater legt ihm ein halsband um mit einem kostbaren stein, auf
dem sein name, Georg, zu lesen ist. als der neugeborene bei
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VBSKLOVSKIJ DER BEILIGE GEOBG 261
einem bruDDen am fufse eines berges getauft werden sollte,
schleppen räuber die kOnigin weg in harte gefangenschaft, nach-
dem es ihr, wie erwähnt, gelungen ist, das kind in einem blühen-
den husch zu verbergen, dort wird es von einer ziege gefunden
und genährt, dann von einem einsiedler aufgezogen, nach dessen
tode kommt er in eine Stadt, wo er durch die waffen angelockt
sich bei einem schmiede als geselle verdingt, dieser, seiner über-
drüssig, sendet ihn um kohlen in den wald, wo ein drache haust.
Georg erschlägt den drachen und badet sich auf den rat eines
Vogels, der ihm auch seinen namen sagt, im blute desselben,
eine stelle aber zwischen den schultern, wohin ihm ein blatt ge-
fallen war, bleibt unbenetzt. er kehrt mit kohlen und drachen*
haupt in die schmiede zurück und will sich selbst ein seh wert
und eine keule schmieden, es mislingt. da erinnert er sich, in
dem walde, wo er seine kindheit verbracht, eisen in der erde ge-
sehen zu haben, er geht dahin, bricht die erzader los (vgl.
Siegmunds schwert) und schmiedet daraus eine keule und ein
Schwert, die keule heifst 'tödter meiner feinde', das schwert
^Balmut mein heifer* (Baimut ajiUatorul meU). inzwischen sterben
alle bewohner der schmiede, weil sie das drachenhaupt unvor-
sichtig betrachteten, und Georg begibt sich auf die Wanderschaft,
ein Jäger, den er vor einem eher rettet, beweist ihm durch das
halsband dass er der söhn des verstorbenen kaisers ist (aber
schon der vogel hatte ihm seinen namen gesagt 1), Georg wird
kaiser und befreit seine mutter aus der gefangenschaft bei den
räubern; s. 114 — 118.
Erwähnenswert ist dass auch in dem oben citierten prolog
zu Huon von Bordeaux der hl. Georg durch ein wunderbares
bad von seinen wunden geheilt wird; s. 106.
Aber auch mit Ortnit und Wolfdietrich zeigt sich Zusammen-
hang, im prolog zu Huon von Bordeaui ist Georg Auherons bru-
der — vgl. Alberich, Ortnits vater — , nach der Renowned history
of Ihe seven Champions of christendom von RJohnson aus dem
ende des 16 oder anfang das 17 jhs. findet Georg seinen tod bei
einem zweiten drachenkampf, wie Ortnit; s. 10. 122. 112. — wie
Wolfdietrich wird Georg in waldeseinsamkeit von tieren aufge-
zogen in der rumänischen ballade; s. oben (in der Vorgeschichte
zu Huon de Bordeaux undJ)ei Johnson wird Georgs söhn bald
nach der gehurt von räubern oder wilden tieren geraubt). —
Wolfdietrich und der hl. Georg bei Reinbot stehen in beziehung
zu Saloniki; s. oben. — Wolfdietrich und der hl. Georg bei
Reinbot, bei Albrecht und im prolog zu Huon von Bordeaux
haben brüder; s. oben. — der Wolfdietrichepisode von der frau
in kindesnOten vor dem drachenkampf A 562 fr. B 657 ff. D via51 ff,
Jänicke DHB 4, xlv(1873) vergleicht sich in der Vorgeschichte zu
Huon folgendes: Georg hat die liebe der tochter des persischen
kOnigs von Babylon gewonnen und ist mit ihr entflohen, auf
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262 VBSBLOVSKIJ DER HEILIGE GEORG
einem berge ao einer quelle schlafend wird er von einem drachen
angegriffen, er erschlagt ihn, hat aber schwere wunden empfangen,
unterdes fühlt die geliebte dass ihre stunde nahet, sie bittet Georg
sich zu entfernen und gebiert ihr kind mit hilfe der hl. Jungfrau,
das Wasser, in welchem das kind gebadet wird, ist jenes wunder*
kräftige bad, das Georg von seinen wunden heilt (s. Kindheit Jesu),
ganz ähnlich wird das abenteuer von Johnson erzählt, die sonst
mit dem englischen prosaroman übereinstimmende ballade, Percy
Reliques in 3 nr 2, weicht hier stark ab; s. 106. 111. — dazu
natürlich der drachenkampf, der für die dichterische phantasi«
unbewuste veranlassung war, die typen der erzählungen von den
drachentödtern Georg, Siegfried, Ortnit, Wolfdietrich einander an-
zugleichen, die Verfasser der Wolfdietrichgedichte aber wüsten
wol, warum sie Jürge oder SJürge zu Wolfdietrichs paten machten,
B 173, D VI 182, warum Wolfdieirich dessen hemd am leibe trägt,
D VI 182, und warum er in den SGeorgsorden tritt, s. Jänicke
DHB 4, XXXIV. V. vermutet dass die mit Wolfdietrich überein-
stimmende Vorstellung von der wunderbaren Jugend Georgs im
walde bei tieren und einsiedlern, wie sie die rumänische ballade
zeigt, schon im beginn des 13 jhs. ausgebildet war; s. 123.
ich halte das anzunehmen nicht für nötig, die anderen Überein-
stimmungen genügten, um bei den Wolfdietrichgedichten die erin-
nerung an den heiligen zu erwecken.
Schliefslich verweise ich noch auf ein par stellen, welche
für den standpnnct characteristisch sind, von welchem aus V. die
legendenforschung betrachtet, s. 103 f wird die Überzeugung aus-
gesprochen, dass die wichtigsten quellen für den aberglanben der
europäischen volker christliche Vorstellungen seien, aber sie sind
schwer nachzuweisen, da sie, wenn auch in die ältesten Zeiten
des Christentums zurückreichend, von der kirchlichen und geist-
lichen litteratur oft nicht beachtet, nicht aufgezeichnet worden
sind. — 8. 125 wird Kirpi£nikov citiert: ^es ist unerlässlich die
volkstümliche tradition, welche sich nach bekannten gesetzen ent-
wickelt, von den willkürlichen erfindungen der buchgelehrten zu
trennen, welche ihrer legende durch phantastische eigennamen usw.
grOfsere glaubwürdigkeit verleihen wollten.' aber, sagt V. 'wie soll
man die grenzen persönlicher Willkür bestimmen? und haben wir
viel bekannte entwickelungsgesetze volkstümlicher poesie? kann
man mit bestimmtheit sagen dass die volkstümlichen redactionen
nicht durch litterarische bedingt seien und umgekehrt? in unseren
beziehungen zu den einen wie den anderen, in den objecten unserer
Untersuchungen ist kein wttrklicher unterschied, hier wie dort
handelt es sich darum eine schichte nach der anderen abzudecken,
mischungen und spätere einflttsse abzusondern, mehr darum, die
fan lauf von Jahrhunderten gebildeten einheiten zu zergliedern, ab
die ursprüngliche einheit zu erreichen.'
Wien, märz1883. R. Heinzel.
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WALZ GAREL 263
Garel von dem biüeDdea ial. von dr Michael Wals, professor am k« k.
akad. gymnasium in Wien, separatabdrack aus dem Jahresbericht
des k. k. akad. gymnasiams in Wien 1881. Wien, im Selbstverläge
des Verfassers, Carl Konegen in comm., 1881. 56 ss. gr. 8^ — Im.*
Elard Hugo Meyer schrieb seine bekannte abhandlung über
Tandarois und Flordibel Zs. 12, 470 ff, 'um die frage über den
Pleier zu möglichst vollständigem abschlusse zu bringen und weitere
ausgaben vom Garel und Tandarois überflüssig zu machen.' er
meinte noch 'an dem Meleranz haben wir volle genüge.' in den
seitdem verflossenen zwanzig jähren haben sich die ansichten
geändert; wir suchen die gesammte erhaltene litteralur des deut-
schen mittelalters in druck zu legen, um so jedem einzelnen den
vollen einblick zu ermöglichen, es ist jedoch wünschenswert dass
die ausgaben unbedeutender gedicbte späterer zeit gleich so ein-
gerichtet werden, dass sie den jetzigen anforderungen der Wissen-
schaft entsprechen, hoffentlich werden sich die künftigen heraus-
geber der zwei noch ungedruckten gedicbte des Pleier dies vor
äugen halten; Khull beabsichtigt den Tandareis [so richtig], Walz
den Garel zu bearbeiten. Walz legt glücklicher weise zunächst in
einem Wiener programmaufsatze eine probe seines Unternehmens
vor; da er im jähre 1869 eine abschrift des Garel nahm und
aufserdem 'täglich' die von ABöbm für vKarajan angefertigte genaue
copie zur Verfügung hat (s. 5 anm.), so könnte man wenigstens
Zuverlässigkeit der angaben erwarten, eine coUation, welche ich
während eines kurzen aufentbaltes in Linz vornahm, belehrte
mich jedoch dass Walz trotz einer zwölfjährigen beschäfligung
mit dem gegenstände die nötige Sorgfalt vermissen lasse, folgende
dinge fallen auf:
1) verse, welche in der bs. (L) stehen, werden übersehen,
sogar wenn durch das ausfallen die reimbindung gestört wird.
nach V. 2154 von gesteine und auch von golde setzt W. einen
Stern und sagt in der anm. 'es fehlen hier etwa zwei verse, die
wahrscheinlich (?) seinen wappenrock zeichnen', nun schreibt je-
doch L V. 2153 ff:
Ako er tyosiirm tooh
2154 Von gestain vnd auch von galt
Geziret aLz er woU
Sin waz grün alsam ein gras.
es fehlt also höchstens 6in vers. — die andere stelle findet sich
V. 4810 ff. Garel ist bei Eskilabon, welcher als wirt in der vor-
geschriebenen weise bei tische die Honneurs macht, indem er
den gast zum essen nötigt; dann folgt:
4811 des gnadet [L. genat] er dein wirte, (lenirte)
[mit zvchten ako daz geschach.]
[* vgl. Litt, centralblatt 1882 nr 45.]
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264 WALZ GABEL
4812 Der wirt ze [L. zv] slner swesier sprach
'swester, den gesellen din(:8in).
der fehlende reim hätte die aufmerksamkeit auf diese stelle
lenken müssen.
2) Wörter, welche in der hs. fehlen, werden ohne weiteres
eingesetzt und auch durch den druck nicht hervorgehoben, nir-
gends wird angegeben, ob W. eigene oder Karajansche conjeo-
turen vorbringt, v. 2156 fehlt zb. in L: schilt, was W. nicht
bemerkt. — v. 2501 fehlt desL. — v. 2955 liest W. in trinwen
helfet klagen im reim auf einen richtig gebauten vierhebigen vers;
L aber bietet das richtige im mit triuwen. und so vieles, zu
v. 3118 sagt W. 'vom Schreiber übersehen', als wenn wir das
original kennten, während der vers doch vom herausgeber er-
gänzt ist.
3) bemerkungen über fehlerhafte lesungen der hs. sind un-
richtig, so wird zu dem v. 817: der wirt, der tugende nie vergaz
in der anm. ein rätselhaftes derrüter] wirt der citiert, während
in L steht Der wtrt nie [gestrichen] tvgent nie v^gaz. — zu
V. 2418 findet sich bemerkt: 'toaz tcft fehlt', während oben im
texte swaz ich steht und in L nur ich fehlt, waz aber geschrieben
erscheint. — zu v. 2751 'wiU später zugesch.', während in L
nur das zweite l in will von späterer band zugesetzt ist dies
sind gewis kleinigkeiten, erwecken aber mistrauen gegen die Zu-
verlässigkeit auch in anderer beziehung.
4) fast alle angaben über spalten - und Seitenenden sind un-
richtig und zeugen von grofser flüchtigkeit. sie fehlen entweder
ganz, oder stehen doppelt oder an unrichtiger stelle, oft vier
verse weiter als sie sollten; auch wird die spalte einmal durch
buchslaben, dann durch zahlen angegeben zb. [39 a] aber [39. 4].
5) das in der hs. gestrichene wird nicht verzeichnet.
6) die angaben über die initialen, durch welche L ab-
schnitte hervorhebt, sind ganz unzuverlässig; einige male wird
die majuskel, mit welcher jeder vers in L beginnt, beibehalten,
sonst nicht
7) zeichen, welche aufserhalb des textes stehen, oder ein-
mal zwischen v. 2221 und 2222 eine leer gelassene zeile, findet
man nicht angegeben.
8) stellen auf rasur sind nicht bemerkt.
9) die correcturen einer zweiten band werden fast niemals
als solche bezeichnet.
Diese neun puncte betreffen nur die widergabe der hand-
schriftlichen ttberlieferung und sehen ganz von jenen änderungen
ab, welche W. seinem principe zu liebe vornehmen muste; er
schreibt nämlich das gedieht in die mhd. Schriftsprache um und
fasst alles, was über spräche des Schreibers zu bemerken wäre,
in der einleitung zusammen, dieser teil ist besser als die tezt-
behandlung, einiges wäre jedoch auch hier zu berichtigen.
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WALZ GiasL 265
Die beschreibuDg der hs. Dimmi W. vob vKarajan herüber, wie
auch ZiQgerle (Genn. 3, 24) getan bat« wenn dabei immer Tom
Originalcodex die rede ist, so könnte dies den glauben erwecken»
als hatten wir es mit dem eigenhändigen manuscripte des dichters
zu tun, während die von Goldbacher (Germ. 8, 89 ff) publicierten
Meraner fragmento einer pergamenths. beweisen dass der Linzer
codex nur eine zum teile schlechte abschrift ist. die iagenbe-
zeichnung geht durch von j bis xvij*^; die schrift scheint jedoch
nicht Ton 6iner band herzurühren, obwol die unterschiede zwi-
schen den drei Schreibern, weiche man bemerken konnte, nicht
grol's sind, die Überschrift am oberen rande des ersten erhaltenen
blattes lautet so, nicht wie W. angibt: Jobtis Hartmannu» Lib$r
Boro Enenketin». Hern Gareb Ritfy von <P Tavelrunde g^-
schidun beickribn von d Ph^re. am unteren rande steht: difs
Buch hob i€k meinen HE. lik^en und Sehöoger Herrn Job Hart-
nuam EnenkM Freyh. etc. geben »u WeUfs dm 25 Mai ao 1609
W. H. Jägenreuner. auf dem letzten bl. des codex hat Böhm
noch mehr lesen können, als heute möglich ist. die fragen,
welche vKarajan wegen des erwähnten Spitterger aufwirft, hat W.
nicht zu beantworten gesucht, was er iu der anm. s. 4 f vor-
trägt, ist zum teile ganz überflüssig; die auskunft, welche mir in
Linz über die Verweigerung des ausleihens zu teil wurde, lautet
freilich ganz anders, schriftkundige wiesen mir auch nach dass
die zahlreichen bleistiftnotizeu in der hs. von der band des prof.
W. herrühren, dies würde jede bibliotheksverwaltung zu einer
solchen Verweigerung nötigen, die Schätzung der hs. auf vier»
hundert gülden gestehe ich nicht zu begreifen ; wie will man den
wert eines unicums bestimmen? dies nur beiläufig.
Die Schwierigkeit, welche W. durch drei diakritische zeichen
bereitet wird, kann leicht gelöst werden; in L findet sich wie
in allen späteren hss. das übergeschriebene e bei vocalen, sehr
flüchtig ausgeführt, dh. es ist schon ab und zu der Übergang zu
unserem zeichen ^ angedeutet; was W. für - : :| w hält, ist
immer e. das längezeichen ^ steht beim umlaut von ä (doch auch
von a) fast durchgehends. die angaben über die spräche s. 6 ff
sind richtig, nur wird sich das Verhältnis bei den präfixen be- ge-
ver- anders stellen, wenn W. die metrik des gedichtes unter-
sucht; zweisilbiger auflact ist wol vom herausgeber, aber nicht
vom dichter vermieden worden (vgl. aber v. 889). auch wird
dann erst die frage nach dem tonlosen und unbetonten e sich
entscheiden lassen. W. verspricht eine ausführliche einleitung;
in dieselbe darf dann der abschnitt (s. 8 f) keine aufnähme finden,
welcher über die Verlesungen der hs. handelt, diese gehören in
die anm. unter dem texte, damit in jedem falle leicht die arbeit
des berausgebers controliert werden kann.
Ich teile nun meine coUation mit, von welcher alles rein
orthographische und dialectische ausgeschlossen ist.
A. F. D. A. IX. 18
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266 WALZ GABEL
II 747 allen dm. — 748 er] fehlt — 759 dö] da wie sehr
häufig. — 762 belaybe. — 770 sutü aUew. — 779 trUg in an
purchpereh. — 781 ane (wie auch zu lesen ist). — 783 für. —
789 hier endet spalte 6*. — 791 purchs. — 795 tvgen. — 797 einen.
— 798 grozzev. — 803 Vor wirt dem wirt stunden. — 809 en-
phiegen (813 enphye). — 811 Svl muzt. — 817 Der wirt nie
[gestrichen] tvgent nie vgaz. — 820 manigen wie immer. —
821 gegen. — 823 keine initiale. — 824 Im m must. — 825 So
mein neeklicher an vanch. — 833 Ein mi wüneeUeichew. — 834 kein
absatz, keine initiale. — 841 gepom (:chlam). — 846 Der ritf
wart au [gestrichen] an <P aiei. — 852 ¥nd en [gestrichen] ei-
wechel wiz gevar. — 855 sey zv iren. — 856 der] er. — 864
zware. — 872 chvnste. — 874 chveen enphye. — 881 Pt't . . «
in ge vie. — 884 gesidel . . gemaektet. — 886 goUer. — 889
sein, — 900 kein absatz, keine initiale, — 901 DEm [mit initiale]
wart [gestrichen] wirt. ^ 902 Do er zaiget. — 910 keine ini-
tiale. — 911 letwerdez sein. — 912 für sey trug. — 913 ti-
schachten. — 922 ewer gemach, — 926 kein absatz, keine ini-
tiale. — 935 f vnuerzagt : sagt. — 939 saget im al dez vnge-
mach. — 942 lohdre. — 949 was] wart. — 950 geren. — 955
Vnd Maget in man den werdh. — 956 Artus auf d^ erden, hier
endet die spalte 8*. — 957 Her der werlt lob er streyten. —
969 «ein. — 977 Der gaste wol an dem wirt sack. — 984 Zh
m IT [gestrichen] er. — 986 gepitn. — mit 987 endet die
spalte. — 988 rudUe. — 990 J&chte. — 991 nimm*. — 996 M
hanz inwan durch gut getan. — 1003 Waz tovch ich nv lewende. —
1006 iunget wirdichayt, — 1017 f mirs : rivierz. — 1020 Seite
zu ende. — 1028 kein absatz, keine initiale. Mit herr in mein
lant rayt. — 1029 Do rieht ich nich [gestrichen] mich gein im
ze w. — 1030 gewan, — 1032 einen svn dezherczh, — 1033
prief. — 1035 Milt ehvm storch, genuch. — 1041 Im engegent
vnd streit nu mit. — 1044 vinden. — 1046 eveh sag da ist war
[so , nicht wie Walz in der anm. angibt]. — 1047 f genomen
:chSmen. — 1048 vnd zv ir gamaehe. — mit 1052 endet die
spalte. — 1054 vnd fürt mit here. — 1060 Mit ravbe vnd mit
pranden. — 1062 widersaezes. — 1066 keine initiale. Sait er
ihat über der zeile] mir [gestrichen] mir die schände. — 1069 ge-
ert. — 1071 mere:her. — 1075 chomen sinne. — 1076 Br
meiner todif mtnne. — 1080 Daz [gestrichen] Got. — 1081 Dax
si. ^ mit 1085 endet die spalte. — 1099 eTicern. — 1101 Da%
aW u [eingeflickt] also sere. — 1105 dävchte. — 1113 totr ür
layt. — 1115 Swa ich den. — mit 1117 endet die spalte, helf
dar ZV. — 1\3S Nv sol. — 1139 mein m [gestrichen] gui. —
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WALZ GAREL 267
1141 grozzen. — 1142 zeoravän, — mit 1152 endet die spalte. —
1154 gewaU. — 1163 kein abfiatz, keine initiale. — 1165 aüe
geleiche. — 1169 all gdeich. — 1170 Arm vnd reiche. — 1173
den . , . pat. — 1175 f vber winden : stvnden. — 1183 Der mit
roter initiale. — 1186 Det^ [ohne initiale] wirtez in gesinde waz
ehlug. darnach die spalte zu ende. — 1188 Von dem. — 1190
Daz am Da vor nie mere. — 1192 Ein thum^ar [gestrichen]
eha$nerar zv im tprach. — 1204 werde man [gestrichen] degen. —
1211 gewant. — 1215 rwe. — mit 1219 endet die spalte. --:
1221 meU nicht mett. — 1222 stolz helde. — 1228 keine ini-
tiale. — 1229 mtnickUiche. — 1230 tvgent. — 1232 Gein dm
begunder auf sten. — 1235 genadet, — 1243 mayt. die inter-
punctiott wol zu ändern, nach 1243 punct, nach 1244 jedoch
comma. — 1247 — 1251 steht so in der hs.:
Got durch sein gut ew^n prise behüte
Got muzz ewch den leib bewaren
Des genat er ir dez geschach.
nach 1252 erst endet die spalte. — 1258 keine initiale. — 1263 f
als ^in vers: Daz sieh ewer er prayt vnd mere. — 1265 f arm
: erparm. — 1267 haben wir rechte dar. — 1268 spat vnd fru. —
1270 keine initiale. — 1271 dien euch gem. — 1272 Von dem
wirt. — 1275 Sust] t mit blasser tinte nachgetragen. — 1276 Auf
den hof mir chomen waz. — 1277 orss ebenso 1279, die anm.
zu diesem verse enthalt eine Unrichtigkeit, die form mit dem
umlaut erscheint noch in den versen 1379. 1402. 1408. 1451.
1463. 1473. 1487. 1741. 2097. 2164. 2205. 2215. 3624. 3626.
4395. 5342. — 1280 Auf daz. — 1282 new vnd. — 1283 Der
waz (f isin [gestrichen] iserinen deAe daz [gestrichen] dach. —
1284 Seinem wappenroche. — 1286 Vit vermessencUeiche. endet die
spalte 10*. — 1287 in den. — 1297 wert. — 1301 Daz « enphahen.
— 1304 Vorlecze. — 1305 gewarfen. — 1307 vensteren aüe. —
1313 genaden. — 1315 dar. — 1319 helfe wie. — 1320 vrie.
darnach spalte zu ende. — 1321 keine initiale. aUe. — 1323 houbet
manne iuch. — 1325 Mit rechtn rew [gestrichen] trewen. —
1326 vnde gSt. — 1328 ewerr . . handen. — 1330 getrawet. —
1333 Waz er chan der chan (f seine gewalt. — 1338 redien. —
1345 die viende eine. — 1348 der vn [gestrichen] vzerwelie. —
1350 manigen. — nach 1354 die spalte zu ende. — 1355 kein
absatz, keine initiale. — 1360 erchant. — 1365 Garein den degen
inz erweit. — 1372 Meine. — 1379 Hinder daz orss. — 1384
Avn vnd weizz. — 1386 Vnc%. — nach 1387 die spalte zu
ende. — 1393 Ist meines. — 1394 gutUkh enpfie. — 1395 mirs.
— 1398 Da vmb. — 1399 magst. — 1405in4rcfc . . . gesweren. —
1406 kein absatz, keine initiale, vns erchoren. — 1408 orsse
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268 WALZ GAREL
waren getrewen. — 1409 sporn kirtidiieich. — 1414 ze: —
1419 Htdt den, — 1423 ff die aom. ist unrichtig, die hs. hat:
Gdüce muzz ez haUm
Ich «tcA dort her holden
Einem ruf dem gekiche
Vnverza^ehiche.
das herausgerückte ist voa späterer hand nachgetragen. — 1427 er
vom Schreiber über die zeüe nachgetragen. — 1432 dicze. —
1438 Dev . . . haizzet, — 1447 gewaU . . . erwerfen. — 1448
dorumh, — 1449 mit initiale Gin. — 1457 An an [gestrichen,
darüber geschrieben:] dem anderm. — 1458 kein absatz, keine
initiale. — 1459 ze (P dienst [von anderer band in t^ost ver-
bessert]. — 1460 Seiner . . . ehest. — 1462 Ir ist werdem
sovmte nicht. — 1464 brise. — 1469 diser. — 1472 Mit nif
von der spateren band Ober der zeile in n^de gebessert, keine
initiale. — 1474 ms erehoren. — 1475 trihen] trewen. — 1481 d*
von der späteren band nachgetragen. — 1482 Durch den schilt vnd
durch durch de arm / m prost, so L. — 1483 tyost hurte, nach
diesem verse endet die spalte. — 1485 keine initiale. — 1491
pnge. — 1500 warn schodehaft. — 1501 ofte. — 1505 svn(:tm). —
1507 deinev werdichayt. — 1510 hohem . . . verchert. — 1512 het
mir ze k [gestrichen] lid» erdioren. — 1513 mögt. — 1514
Zeuriuden [sie] meinen libe. — 1516 I^te ich auch [gestrichen] auz.
darnach spalte zu ende. — 1518 Der tag si ver wazzen. — 1520
hiet. — 1522 V'ns erwdUer wigont, — 1524 keine initiale. —
1526 an der. — 1530 mir] mer. lowen. — 1539 wälichkiehe. —
1541 rivirs. — «1543 Vor solhez. — 1544 Ich waz entsckmnphen^
tewer. — 1545 Yncz hewt. — 1549 endet die spalte. — 1550
höht d^ prise. — 1551 gestrith. — 1552 keine initiale. — 1554
niemat. — 1566 niemüt ebenso 1599. — 1576 streich von der
anderen band in strikch gebessert. — 1578 Hilf e mir durch dein
wirdichoyt. — 1581 endet die spalte. — 1589 gelaubet ir. —
1590 getrewen mir. — 1591 ms erwelt. — 1592 Die für siA
[gestrichen] ich ev. — 1593 s&czn, — 1595 die. — 1610 Auf
der gre [gestrichen] grvnen hoyde. — 1612 Ir ietwederr lowet. —
1613 endet die spalte. — 1614 dem. — 1616 hoyzze. — 1624
eheren. — 1627 vns erehoren. — 1633 vendet. — 1641 f als eine
seile geschrieben, chlogte alle geleidi arme vh reiche. — 1647 rivirs.
— 1649 endet die spalte, zur anm. entschumphiert. — 1650 Der
. . . lob gezirt. — 1651 von blundn. — 1655 Gelob. — 1657 Dez
wirt ez äugen. — 1658 kein absatz, keine initiale. — 1659 Der. —
1662 gelob. — 1664 er der whrtez. — 1665 howen. — 1667 aom.
nach rOter kein :. — 1670 bewanch. — 1674 Vnder al dm. —
1675 Man iMt. — 1676 gagrave. — 1679 riUer erchatU. —
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WALZ OABBL 269
1680 eDdel die spalte. — 1685 Dax ich . . mn$e gewm. ^
1686 Daz vmbe . . lewm. — 1687 Dom gepot mein. — 1692 inayk
[gestrichen] mayt, — 1693 Ewerr. — 1698 Mein tewen. —
1701 keine initiale. — 1702 Dev. — 1704 senden. — 1705 w4n . .
ich habe. — 1707 Dem. — 1710 beiaget. — 1712 endet die spalte.
— 1713 tschvmphentewer. — 1723 marschach. — 1724 D^ sprach
vom Schreiber über der zeile nachgetragen. — 1725 gekbt zwev. —
1727 mir . . vi%s erchorn. — 1728 wund^leidi hawen. — 1733
Dax ich e m ein lieriten. — 1734 den^ vinden. — 1735 vns o
[gestrichen] ^or. — 1736 einen. — 1739 Vber ich [gestiicben] winde.
— 1741 Dar . . sporn name. — 1744 endet die spalte. — 1745
Wax sneUi(hen. — 1749 hawen al e. — 1752 wiebe dienst. —
1760 her leyt reyth. — 1769 die. — 1770 marschach wie 1723,
doch von der zweiten band l über der Zeile nachgetragen. — 1772
vns ercharen. — 1775 endet die spalte. — 1777 danne . . . beschirt
(-.verzhi). — 1779 maine. — 1780 ewerr dwmfte. — 1785 die. —
1787 Biten. — 1788 kein absatz, keine initiale. — 1800 chinet. —
1808 endet die spalte. — nach 1815 kein räum leer, 1816 keine
initiale. — 1819 geret. — 1827 sein eines. — zu 1837 noch
an sin alt gezogen, 1838 beginnt mit Wan. — 1839 endet die
roalte. — 1842 Ir trewen si ge [gestrichen] xestortn. — 1848
Seinen. — \%i9 pfdrt. — 1853 er im. — 1856 seii^ wirdn. —
1858 atte. — 1862 Dax ich vil gerne. — 1863 ich mein leben. —
1866 semden. — 1876 wir danchet. — 1877 f vleizzicfUeichen
laUe gekiehe. — 1884 genath si. — 1886 sein. — 1890 er-
toeism. — 1895 für. — 1904 endet die spalte. — 1905 ehust
in por Heb. — 1913 Sabie . . gut. — 1930 keine initiale. —
1931 enbe*zxens [i von anderer band ttbergeschrieben]. -*- 1937
endet die ^te. — 1945 Ffikr die [gestrichen] dm. — 1947
lieben. — 1951 ganez. — 1953 Im gedienen der wir ich im be-
rayt. — 195.8 ich dir jare. — 1962 mhieh. — 1969 endet die
spalte. — 1970 keine initiale, dafür 1971 Da mit initiale. —
1975 kein absatz, keine initiale. Do si. — 1979 Svs tvmet. —
1988 hiet . . sald. — 1989 alle. — 1994 kein absatz, keine
initiale. — 1999 in dem. — 2001 endet die spalte. — 2005 f
in öiner zeile: wolt bekibe noch solte. — 2007 Seinen. — 2011
tu dem. — 2024 seinem . . gewält erwern. — 2029 ich] aus mid^
gebessert. — 2030 kein absatz, keine initiale, nv. — - 2032 endet die
qialte. — 2033 do perhayt bew&re (:vare). — 2038 Daz. ^ 2041
hoher. — 2055 Wonne. — 2060 waz. — 2063 Dax er den [ge-
strichen] hek [gestrichen] het ^dienet wol — 2064 ohne absatz
und initiale. Seit er nu nicht beleiben sol; darnach erst spalte zu
ende. — 2066 da ich langer. — 2071 Vrmoen. — 2089 bo-
vaOe. — 2091 wWte er laub nam. — 2095 [nicht 2090] ergaben
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270 WAL2 GifiSL
in goUz 9egm. — 2096 endet die spalte; kein absaU, keine initiale.
— 2100 er de% wfrtez. — 2102 Mit den helde. — 2104 Grave. —
2105 Garel der degen ellens reiche. — 2109 keine initiale. —
2117 er pid^ [gestrichen] war pid? md. — 2120 Svst. — 2122
gezaget warte [: varte]. — 2125 bevalch im got. — 2128 endet
die spalte. — 2130 f als 6ine zeiie geschrieben: KiaUvnd garel
die schaidnt sich payde. — 2132 Vrende laide auf der hayde. —
am köpfe der seile steht von anderer band Gein riviers. die
capitelangabe fehlt in der hs.
in 2139 vnuerzagtkiche. — 2140 In «" schon walt. — 2143
Dew chloin vogel. — 2148 keine initiale. — 2149 ein grün. —
2152 im mit gewarven. — 2153 Also er tyostiren woU. — 2 154 ff
vgl. üben s. 263. — 2156 fefr dar auf erhawen. — 2159 endet
die spalte. — 2163 Dar vnder ein dach von iser veste, — 2171
zU der dienst. — 2172 Seiner zimirde chost. — 2175 wappent . .
gurseyt. — 2178 ob dem iser trkg. — 2180 eddn stain gehert.
— 2181 schildez tag waz hdr mein. — 2182 Dew pühel —
2194 GiUs. — 2200 des] de. — 2215 Mit irsse mü alle. —
2216 kein absaU. — 2219 Irew. — 2220 Den. — nach 2221
ist 6ine zeile leer gelassen. — 2224 lüte] leute. — 2228 Gilam.
ebenso v. 2272. 2333. 2385. 2417. 2427. 2449. 2635. 2654. 2684.
2757. 2778. 2812. 2828. 2912. 3011. 3020. 3039. 3075. 3133.
3186. 3370. 3389. 3413. 3556. 3584. 3591. 3595. 4337. 4571.
4696. 4718. 4825. 4829. 4878. 4920. 5382. — 2233 Er siig
im manigen starken swanch. — 2234 vewer vns. — '2236 wari
wol chvnd, — 2255 endet die spalte. — 2256 sUieg »um [ge-
strichen]. — 2275 Die weyl vnd ich daz khen han. — 2278 die.
*- 2280 ietwederr. — 2283 nach verlorn. — 2284 ^ ercham. —
2285 eilen het] ellenhet, lies wol eUentheü., — 2290 het] h$$ [ge-
strichen] hiet. — 2291 Sn$ erweiter. — 2295 anm. es dOrfte
wol 2292 interpoliert sein, nicht 2295 s^t ich streytez von erst
began, man vgl. 2309. — 2304 ins erwdter. — 2307 erheih [ge-
strichen] erhelen. — 2309 Aller. — 2315 dine] dev. — 2316 rf-
knt. — 2355 wanne. — 2358 vns erchom. — 2369 Saget im ...
märe. — 2382 btrail. — 2386 den. — 2391 Iwen. — 2393
\ms. — 2394 zwen . . schüren, flbergeschridien , ursprQnglich
stand nY(*, welches gestrichen ist — 2395 setter %wen. — 2398
mag gedienen dir. — 2413 Dyse er. — 2417 endet die spalte. —
2418 waz steht da. — 2420 kein absatz. — 2421 giengm d.
[gestrichen] dan. — 2445 mag übergeschrieben, dwn gestrichen. —
2450 endet die spalte, zi dem. — 2462 hUl vor hündettn ge-
strichen. — 2463 bititgriur, das zweite t Ober der zeile. — 2467
dar an. — 2468 do erhört. — 2474 sanfter. — 2480 kein ab-
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Walz gIrel 271
salz. — 2481 vne% sein. — 2484 Inr. — 2495 disem . . prislon. —
2496 haizzei eskilawan, — 2500 f in einer zeße geschrieben, nef.
— 2501 des] fehlt. — 2507 geswen. — 2512 Mit slrätez mochte
nicht ergen. — 2513 versuochtet. — 2515 tDalamvnt. — 2519
Tyostrit. — 2528 anm. wdn. — 2532 im. — 2533 auz. — 2534
Ey • . Floreys. — 2545 beiaget. — 2548 Ze der schon wiU. —
2549 auch seihe. — 2552 Meinen. — 2554 schon geziemiert [ge-
strichen]. — 2559 dicz. — 2565 So chan wir. — 2568 des]
da%. — 2578 u>eyl er vmbe tvoungen sey. — 2580 voerder chant.
— 2588 VHS. — 2595 herczn. — 2596 churczweil dez ist wert.
— 2599 f in 6inerzeile geschrieben. — 2602 üpirt, von einer
band des xvi jhs. — 2610 an] han. — 2620 ich. — 2624 ge-
meinez. — 2626 hat eich [darnach rasur] an genomen. — 2628
alz du mir von im hast. — 2630 sein. — 2655 «nufe. — 2672
Swie. — 2675 Ben] mX grofser roter initiale. — 2682 wil. —
2686 iMtM. — 2689 Schaidet in wan dirr walt. — 2692 veb-
mtit. — 2694 tägleiche. — 2703 ntmiä^ — 2127 1 mvde : blude.
— 2732 simweL — 2734 spar war da. — 2738 ^drwdr danne.
— 2743 anm. ehom. — 2746 sol im [gestrichen]. — 2751 anm.
das zweite l in mll von anderer band zagesetzt. — 21b2bela-
mvnt. — 2762 Seist [st gestrichen]. — 2761 Den. — 2771
Vnd . . vnz. — 2772 und anm. lewedere di ander an pot. —
2776 kein absatz. — 2779 mit initiale Bjnev. — 2783 Die vor
[gestrichen]. — 2795 gut. — 2800 Sust . . hdt. — 2803 wir-
tinne. — *2817 letwedere . . hende] aus hint corrigiert. . . pei
twüg. — 2821 Swein swager piu [pey über der zeile von spaterer
hand naehcorrigiert] der hent vie. — 2824 soU midi. — 2829 Br
sprach [gestrichen]. — 2836 endet die spalte 22S — 2837 anm.
ist unrichtig. — 2842 an'^streyt [vom Schreiber er Ober der zeile
nachgetragen]. — 2861 eUen] aus eUent durch rasur. — 2864
trost gesant. — 2865 kein absaU. — 2873 genad dez ist. —
2874 imsner. — 2875 herren. — 2885 sol main [gestrichen]. —
2898 wanne. — 2899 Gare/ mit roter initiale. — 2924 beiagen.
— 2925 Do mit roter initiale, der whi seinen ernste. — 2927
ev. — 2933 Gäan er. — 2938 auch] euch. — 2949 der] dev. —
2955 Im mit. — 2958 chimen nlmer. — 2961 hemmen. — 2968
nach Nein rasur. — 2971 Dar vwb. — 2975 nach ir : m
gestrichen. — 2986 nach sitzen iwolde gestrichen. — 2996 in
zwei Zeilen : Dem wrawe stvnd auf. // Zv %r gaste vnde spradi. —
2997 senfter. — 3005 staffez. — 3010 91& nadu. — 3025 Un^.
— 3052 Newe . . newez. — 3058 %wen hockgelohte. — 3062
weUamvnt. — 3065 ledwerderr. — 3067 anm. naduez. — 3068
keine initiale. — 3095 f gemoricht : vorieht. — 3099 roter] ter
mit schwärzerer tinte auf rasur. — 3109 den. — 3112 lemtig. —
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272 WALZ GiaxL
3115 Wa, ~ 3118 fehlt iq t, von Walz ergttiizl. — 3121 Si
mit roter initiale, absatz. capitelüberschrift fehlt
IV 3123 ^em wtlamvntt. — 3129 Msdkaick. — 3132 endet
spalte 24^ — 3133 Gilamen. — 3135 ilmc« dir. — 3139 DwrA
den. — 3163 f geherte: geerte. — 3183 niemant. —■ 3185 /n dev^.
3187 «p(tr6(lr:iii(lr. — ^20b funde. — nach 3206 in derselben
Zeile gestrichen: ietwederr in gruzzez. — 3207 letwederr in
gruzes. — 3220 diser. — 3226 toSnc] henich. — 3237 vor Stent
: 8tmt gestrichen. — 3251 gartndr ; offenbar. — 3264 etnj chain.
— 3265 Ate lazzm. — 3289 Wil mit roter initiale. — 3295
alle . . chomen. — 3307 wart. — 3336 der helt. — 3356 vns. —
3368 kein absatz. — 3374 gewar. — 3381 sparbar: mar. — 3388
io. — 3390 aus aus t;iw gebessert — 3301 ietwederr ebenso
3393. 3408. — 3393 einen. — 3405 GareL — »406 Ifer 4ns
[gestrichen] aus erwek. — 3419 spaltenasgabe zu streichen. —
3420 Dmme. — 3421 anm. gelaubez. — 3425 [so sUtt 2425]
behut. e— 3429 Durch sein l^beehaüs grozze. — 3431 Piten. ~
3437 über den. — 3438. kein abaaU. --^ 3463 hie prawe. —
3469 dmr auf. — 3473 ifenae/&en. — 3489 duuta lan. — 3507
virge. *- 3508 t«^. — 3511 zwen . * zwen. — 3523 anm.
<i»ttar. — 3530 Floreis. — 3538 dax dez ekvne. — 3555 Mtn-
(fernen. — 3562 Ritterleichen. — 3569 was gamz [gestrichen]. —
3574 trost. — 3580 wan. — 3581 Vrvnizzonen. — 3584 kein
absatz. — 3588 er im. — 3589 nam er. — 3592 Innen dez^
chom. — 3593 f vrie : massenie. — 3596 niden. — 3599 valt]
woft. — 3600 Drey ritter vns enoerlt. — 3601 Der. — 3602 kein
abs9tz. — 3605 von in. — 3606 lewte. — 3610 Dannoch. —
3619 wart. — 3640 vanchm. — 3643 do. — 3644 li^iU. —
3648 anm. geturet. — 3650 er tnust räumen. — 3652 gevider. —
3654 blumen len [gestrichen]. — 3658 von da an eine neue band.
— 3659 walde. — 3663 E ich im streit hat bestan. — 3672 Daz.
— 3673 eUmthafaten. — 3674 meinen herben garlen sl^eche. —
3680 mit spil. — 3683 [so] anm. swerten. — 3688 Über den. —
St690 sffim. m{^.~ 3696 disem. — 3700 manigen. — 3709 wdnten]
Worten. — 3727 daz er [gestrichen]. — 3729 siegen. — 3733
Sus chom [gestrichen]. — 3739 kein absatz. — 3740 er im. —
3755 die angäbe [29. 3] zu streichen, vz erweitet. — 3758 min]
liem. — 3759 sust. — 3766 eigehaf^. — 3774 1. [29*]. — 3782
hincz im wHd. — 3789 m. — 3793 sta^t [s von anderer band
nachgetragen]. — .3812 kein absatz. zur anm. mvdez. — 3813
nider. — 3814 Zv ein ander. — 3818 härsenier. -* 3821 ze-
stritn. — 3823 AerJ nachgetragen. — 3832 anm. het. — 3853
Chloret schaneze haizzet dev Ueeht gemal. — 3861 freode. —
3862 an mir [gestrichen]. — 3870 anm. mdr : wdr. — 3873 ge-
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WALZ OARKL 273
wmne. — nach 3876 ein UDbebolfenes kreuz gemalt. — 3878
gab. — 3892 tschtmphetUewer. — 3897 De [darnach n radiert]. —
3900 war. — 3903 gehawen. — 3908 1. [30^]. — 3916 meiner.
— 3944 Eine». — 3949 Der gewm. — 3950 guth. — 3954
iparbär. — 3959 Ze der dienst. — 3960 ob] ab. — 3970 hincz
im. — 3983 trewe losam. — 4000 werffen. — 4004 Dar an
ilvtH mein nechUcker grizM. — 4005 UHxnde. — 4009 kein ab-
sau. — 4010 [31']. — 4012 Wurfe. — 4014 ^«lod tV* im vnd
teoalfo t» got. — 4031 anm. miz%. — 4033 seinen schulden.
— 4045 riet . . wei%. — 4046 hincz der. — 4058 setten. —
4074 grozzers. — 4082 dSr, — 4086 swaz er [gestrichen]. —
4099 man ich man. — 4101 hS in. — 4112 Susi. — 4117 Susi
sdb«tAi. — 4126 swen. — 4129 Vtraue. — 4134 doeh man
fgestrioben]. — 4136 sol — 4138 Ment. — 4140 geoangen
sSh^. — 4141 Lieb. — 4142 wild. — nach 4142 spalte [32']. ~
4144 Die tcft. — 4153 sein über der zeile nachgetragen. —-4172
Seit erven Moeedmus zeit. — 4173 anm. warhait. — 4174 endet
die spalte. — 4175 ane] ene. — 4176«itffctoif>. — 4177 ohaim.
ebenso 4179. 4181. — 4178 Galmivert. — 4180 Gaboee. — 4186
fortifoL — 418» fiUeeke. — 4190 anni. von steht da. stiger. —
4191 kmiger. — 4192 antsehawe. *- 4193 zeetiger. — - 4196 stiger.
4200 Von] fehlt. Wel zwelif iaren. — 4202 wol] über der seile.
— 4204 gewande. — 4207 f anm. üimg «ntim. — 4209 umd
dnrd^ sein. — 4211 anm. An werder für nicht hetvgen. — 4212
Sust . . zeinem. — 4232 Gab <^ mir. — 4233 SuU. — 4245
ein purch. — 4250 ze dem. — 4257 stiger inprHanie. — 4260
pitanie. — 4261 k«in absatz. — 4267 anm. Herren. — 4272
geren, — 4278 Wä do. — 4280 gem. — 4310 genad. — 4312
Spraeh, zv dem helde mich hat dein trost. — 4315 der tat in. —
4319 ehaini. — 4320 anm. nnsinn. — 4323 herr ... lobt. —
4324 anm. ne/^tseUe] h von derselben band über der zeile nach-
getragen. «*- 4336 Des enpfie [gestrichen] daneht. — 4339 [34*]. —
4344 herr. — 4350 ichz. — 4353 niemät. — 4361 kein absaU. —
4390 gefeUe iret. — 4393 [34. 2] zu streichen. — 4396 für den.
— 4398 Die gegangen riUer nicht langer pitn. — 4401 [34'] zu
streichen. — 4405 seUe [34']. dt'6 burc. — 4406 Sust. — 4409
poggen. — 4410 wäre. — 4411 furtens. — 4412 dem m4ren.
— 4414 vnder einem panir. ^ 4418 Dye poygen härmin. —
4420 gedozzen. — 4425 Ynder vier paniren. — 4427 zoblin. —
4428 anm. Der ritter auch vier hundert wo». — 4429 kein ab-
saU. — 4433 ndhs] woL — 4436 Daz man ez gerne jj Da» man
ez gerne mochte sehen in zwei seilen. — 4439 [34^J. — 4454
prestüt grozz. — 4464 kein absats. Sust ritens auf dev purch
dan. — 4465 sein. — 4470 anderhalbe. — 4471 endet die spalte.
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274 WALZ GABEL
— 4474 anm. Da« man das h. vh dev wappikaü. — 4492
dingnen. — 4496 lieben. — 4499 inn. — 4505 grözer] gane^.
— 4506 hincz der tvr. — 4507 schab. — 4512 weyt. — 4514
senftew plumit. — 4515 guUer. — 4519 Auf den. — 4522 u>aren
zesehen. — 4525 han vemomen [gestrichen]. — 4535 endet die
spalte. — 4539 dein. -^ 4549 anm. ckussen. — 4563 den] Ton
spaterer hand übergeschrieben. — 4566 vnder. — 4569 er] nv. —
4571 Zende. — 4574 zv ein ander. — 4575 Flareie. — 4578
si eine] seinen. — 4582 von dem gesidel — 4588 Da% ich evek
lewentich. — 4594 Noch ze ehranch ewer Mb. — 4598 f teeret
: geret. — 4600 gewert] aus giwert gebessert — 4607 geriet. —
4625 kein absatz. — 4627 ztS ir ohaim. — 4632 Si waren. —
4634 anm. ohaim . . wäre. — 4638 märe:wdre. — 4639 Wie ez.
— 4640 disen landen. — 4648 Bestunt. — 4652 märe. — 4653
wannen mein rais wäre, — 4661 anm. sein. — 4662 endet die
spalte. — 4670 ich in. — 4672 hie vog [gestrichen] voUe* —
4675 ettenthaften. — 4676 hoch. — 4693 endet die spalte. —
4696 erste anm. unsinn. — 4708 Sein. — 4721 anm. eieher-
hau bedwaneh. — 4725 endet die spalte. — 4729 anm. mndert. —
4740 gdimpf. — 4744 kein absatz* — 4754 Aa er. — 4766 er sieh
[gestrichen] sL — 4769 anm. 1. der] er. -r- 4789 Der. endet die spalte.
— 4794 den. — 4803 zv im. — 4804 hawen. -- 4807 Nie man
über niemat tisch* — 4810 daz nicht enrite. — 4811 Des genat.
nach diesem verse folgt 4811^ s. o. s. 263 f. — 4817 Imz. — 4819
endet die spalte. — 4820 dem. — 4829 Gilams. — 4832 Chameis.
— 4833 Crekez. — 4839 ragvleis. — 4849 Daz si. — 4856 kein
absatz. — 4869 zh dem tacze. — 4870 g^^nde. — 4878 fit-
lam. — 4887 Stbr. — 4890 An. — 4891 der nam, [gestrichen]. —
4896 si zur ir. — 4898 t le ein ritter zwistMn swain frmeen
aas. Von dem wirte wart erlaubet daz. — 4902 Da si. — 4904
Manich weder. — 4906 kein absatz. — 4915 gemach. — 4919
Gut nacht ze Htlem. — 4925 Got gut nacht. — 4939 fdleeheo. —
4944 endet die spalte, geprumet. — 4952 kein absatz. — 4958
rirtcr hoch] fehlt. — 4960 iwAer drungen. — 4964 wart. — 4966
zwain. — 4968 hob. — 4978 Do si getrundten. — 4987 kein
absatz. — 4992 Het gewe [gestrichen] gegewe. — 4993 anm.
sehem . . . Waz. — 4994 nach unz : d gestrichen. — 5001
fehlt. — 5004 sein. — 5006 endet die spalte. — 5019 ge-
rittet. — 5026 sein. — 5029 geseUen. — 5032 aOe. — 5033
den fursten. — 5037 endet die spalte. — 5038 dd] heten. —
5046 niht] icht. — 5052 gelaubez. — 5053 diu] diseo. — 5054
H] sein. — 5060 daz ist. — 5062 erweb^. — 5063 si] tch. —
5065 vngefvge an im. — 5067 endet die spalte. — 5073 tdb]
Ober der zeile von anderer hand. — 5095 afn] ir. — 5097 endet
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WALZ GABEL 275
die spalte. — 5102 Vom dem. — 5106 Vncz eu berde herait. —
5113 z€ der vart. — 5117 gewingt jpr. dez der mere. — 5119
eme. — 5127 endet die spalte. — 5129 kein absatz. — 5152
wie er. — 5154 ir] über der zeile. — 5157 endet die spalte. —
5158 stet. — 5159 der] d? von anderer band über der zeile. —
5168 piderem. — 5169 anm. correctur von viel späterer band. —
5174 Daz ist. — 5177 Helfen. — 5183 frevd. — 5187 Zv den.
endet die spalte. — 5216 Rechte. — 5217 Do st. — 5218 ge-
waffent. endet die spalte. — 5219 wiese. — 5226 hdrmein. —
5227 pugel — 5230 Dar vnder in. — 5233 Die, auf dm schilt
waren* — 5235 porten. — 5236 gerunet. — 5237 rafrtit. —
5238 dar in. — 5249 endet die spalte. — 5258 Genadet. —
5263 auf. — 5266 azagauch . . grvner. — 5279 endet die
spalte. — 5281 anm. Vnd . . vh stunde. — 5295 enstreit. —
5301 w^ede. — 5309 endet die spalte. — 5310 Daz er . . .vor
allen [gestricben] aller. — 5312 stf dem. — 5317 genad. — 5320
Mit [der]. — 5329 genadet. — 5334 anm. drungen. — 5335
Zeden. — 5337 Daz st. — 5339 endet die spalte. — 5340 für
den. — 5344 reite. — 5351 vntP. — 5358 lobt habt. — 5363
Ze den. — 5368 wartet. — 5369 verwudn. — 5370 endet die
spalte. — 5372 Daz si. — 5376 Ze den. — 5387 dez nicht
swur. — 5388 f in tiner zeile: Gilan vn fioris vh akxancP and^
gurt. — 5396 miUe : schiUe. — 5402 endet die spalte. — 5403
weihen lande. — 5423 kein absatz. — 5425 seine. — 5435 salich-
leich geoaren. endet die spalte. — 5438 Da% ich dtVÄ in. v. sol
sehen. — 5449 haim in ir. — 5458 zv den. — 5460 Beton. —
5462 in dar. — 5464 swär : mär.
Zu 8. 56 trage ich noch nach: 169^ steht Hie hat daz pueh
ein ende, dann folgen auf 169*" die verse, von denen Swä . . .
bis . • . sin nicht mehr zu lesen sind ; an hobsehleichen siten dem
tichtar gelueKkez piten schliefst sich:
D^ daz puch getichtet hat
Vh die lavt wizzen tat
Wie garel mit manhait
Yil manigS hohe preis erstrait
D^ daz puch hat getichtet
D^ ist noch vnberichtet
Gancn^ sinne wä daz er sein mvt
Niemut durch churcz weyl tut
Vh ze eren frvmen lavten
Ich wil ich evch rechte bedavte
Swa ir in hört nennen
Daz im mvgt erchennen
Man haizzet in den playäre
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276 WAI^ 6ARBL
Hie hob etn «luie da% märe
Goi laz% vns alte wol ffesehdm
Da% wir noch mvzze gesehe
Sein genad in htmehreid^
Daz wir da ewichkiehlei^
Mvzzen pawen immer mer
Dez helff vtis got durch seiner
marter AMEN.
Diese proben werden genOgeu, um den abdrock zu beurteilen,
hoffentlich wird Walz 'bei einer event. edition des ganzen' grOfsere
Sorgfalt walten lassen, wie es scheint hat er der abschrift aus
yKarajans besitz zu viel fertrauen geschenkt mOge er die Liuzer
bs. noch einmal an ort und stelle nachvergleichen, was ihm die
museumsverwaitung gewis gestatten wird, ich fand sehr viel Zu-
vorkommenheit und danke besonders dem herrn director prof.
JHKaiser für seine freundliche mühewaltung.
Graz, Januar 1883. R. M. Wbrnbb.
Barbonrs des schottischen natioDaldichters legendensamnilaDg nebst den frag-
menten seines Trojanerkrieges, znm ersten mal herausgegeben und
kritisch bearbeitet tod GHobstmaiin. n bd. Heilbroan, gebr. Heu-
ninger, 1882. 307 ss. 8®. — 9,60 m.
Der zweite band dieser wichtigen Veröffentlichung ist dem
ersten sehr rasch gefolgt, er erroUt die forderungen und hoff-
nungen der recensenten in so fem nicht, als der berausgeber es
auch jetzt wider unterlassen hat, die autorfrage eingehend zu be-
handeln und durch eine Untersuchung der reime, des Stils und
des Wortschatzes vielleicht zum abschluse zu bringen, aber er
bezeugt nicht nur von neuem Horstmanns langst bewährte ge-
nauigkeit und Zuverlässigkeit im abdrucke von bes., sondern er
bringt auch in seinem hslichen inhalt so viel des interessanten
und wichtigen, dass uns der vorläufige verzieht auf eine gramma-
tische und stilistische Untersuchung leichter wird, die Schwierig-
keiten einer solchen erscheinen mir nach durchlesung dieses
zweiten bandes gröfser als zuvor , ich selbst habe jetzt weder die
zeit noch die sichere kraft, die von H. gelassene lücke auszu-
füllen und muss mich darauf beschränken, auf die neuen, von
dem berausgeber nicht hervorgehobenen gesichtspuncte hinzu-
weisen, welche der zweite teil der legendensammlung und die
fragmente des Trojanerkriegs zur lösung der frage bieten.
Sprachliche und metrische unterschiede erheblicher natur
zwischen Bruce und legenden sind, so viel ich weifs, von nieman-
dem bemerkt worden, bedenklich schien es nur von vorn herein,
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H0B8TMANN BAHBOCR II 277
den Übersetzer eines legendars, der seiner lateinischen quelle mit
fast ängstlicher treue folgt, zu identificieren mit dem autor eines
historischen epos, der gehörtes und urkundlich aberlieferte$ zu
einer einheitlichen dichtung von wunderbarer enei^ie der hand-
lung, von packender anschaulichkeit der Schilderung verbindet;
einen alten moralisten, der griesgrSlmlich die lUsternfaeit und den
Wankelmut der weiber schilt und den leichtsinn der Jugend tadelt,
mit einem dichter, der die liebe und treue der frauen und die
raschheit männlichen handelns preist, der der freiheit den her-
Uchsten hymnus gesungen hat der Bruce, im jähre 1375 be-
gonnen, hat einen gereiften mann — nach H.s annähme, der
mit gutem gründe den frühesten zeitpunct der geburt, 1316,
setzt, einen alten mann — zum Verfasser, der sich die volle
jugendliche frische bewahrt hat, die legendensammlung, nach H.
zwischen 1380 und 1390 entstanden, einen greis, der wider-
holt auf sein alter und seine gebrechlichkeit hinweist: Prol. 35.
Andr. 1139 f. Jac. maj. 381. Job. bapt. 1220 uO. das sind be-
denken, tlber die sich niemand so leicht hinwegsetzen wird
wie H., für den mit der Überzeugung von der identität der verf.
auch das mafs der ästhetischen schxtzung der legendensammlung
gegeben ist. sein urteil, dass sie ^alle anderen legendensamm-
lungen an dichterischem werte überrage' und unter Barbours
werken deicht das vollendetste' sei (Altenglische legenden n. f.
s. cix), ergibt zusammengehalten mit der bezeichnung des autors
als des ^ebenbürtigen rivalen Chaucers' (ebenda s. cvii) die con-
sequenz, dass diese legenden nur in den Canterbury tales etwas
ebenbürtiges haben, gegen diese aufTassung wird der Widerspruch
gewis allgemein sein, der herausgeber bat ja durch mitteilung der
quelle unter dem text jeden leser in den stand gesetzt, das über-
schwengliche lob dieser dichtungen , das er aao. s. cvi näher be-
gründet, auf das richtige mafs zurückzuführen, ich habe die Mag-
dalena des Schotten mit der northumbrischen legende der mss.
Harl. 4196 und Cott. Tib. E vn und gleichzeitig mit der quelle
verglichen und bin durchaus nicht gewillt, der ersteren unbe-
dingt den Vorzug zu erteilen.
Ein wesentliches hilfsmittel zur beurteilung von Bradshaws
und Horstmanns hypothese bilden die beiden fragmente eines Tro-
janerkriegs, welche uns der vorliegende band s. 218 — 304 zu-
ganglich macht, diese stücke sind von schottischen Schreibern
zweier hss. des Lydgateschen Troybooks zum ersatz von lücken
am aufang und scbluss verwendet worden, und der schreiber des
einen, Cambridger, ms. war gewissenhaft genug, den namen des
darleihers jedes mal namhaft zu machen, s. 227 Her endis barbour
and begynnis ße monk (d. i. Lydgate) und s. 229 Her enOs be
monk ande begynnis Barbour. dass beide hss. direct auf dieseloe
vorläge zurückgehen, ist bei ihrer natur von vorn herein wahr-
scheinlich (s. auch H. s. 229 oben), leider war diese vorläge eine
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278 HORSTMAim BARRQOR U
grOndlich verderbte, weon beide teite, trotzdem sie meist wort
für wort und in mancheD zeilen (was bei der verzwickten Ortho-
graphie viel sagen will) boehstabe für buchstabe ttbereinstimmenf
vollständig zum abdruck gebracht werden, so mag das uns ger-
manisten eine raumverscbwendung dünken, die anglisten sind
durch die leistungen der Early english text society in dieser be»
Ziehung verwohnt.
Der autor folgt wie die meisten apfttmittelalterlichen beari)eiter
des Stoffes dem Guido de Colonna, dessen text wegen der Selten-
heit des alten druckes auszugsweise in den anmerkungen gegeben
ist, und er übersetzt diesen oft ziemlich schwierigen autor recht
getreu und dabei formgewandt, wenn auch nicht ohne ihn ge-
legentlich miszuverstehen (wie i 481f A foUc ßat qukilome caUit
were GentiUis asmybuk $ais here für antiqm gmtäitas). kleinere
Zusätze habe ich zb. i 225—230. 569—573 bemerkt, sein Ver-
hältnis zur quelle unterscheidet sich in keinem puncto von dem
des legendendichters, und auch im Wortschatz, im stil und in den
mundartlichen reimen habe ich nichts bemerkt was einer identitat
der beiden im wege stände, vor l und n findet sich im Tr. kein
beispiel einer bindung a : o, aus den legenden habe ich dafür das
vereinzelte aru isipersonis Thom. 389 f notiert, ja selbst ae. ö,
das germ. ä entspricht, scheint der dichter nicht gerade gern im
reim, mit geschlossenem o zu verwenden, obwol sich fälle genug
finden: wenigstens kann ich es mir, da mir die annähme der
späteren kürze des o hier bedenklich scheint, nur so erklären,
wenn in den beiden legenden von Johannes evangelista und
Johannes baptista (nr v und xxxvi), die zusammen 1894 verse
—> 947 reimparen umfassen, der name der heiligen nur einmal
im reime steht und zwar mit einem fremden eigen namen gebunden
Johne: Acherone Bapt. 553 f. und doch finden sich allein unter den
329 reimparen des Job. ev. 8 auf -one; sone-.done 35 f. 101 f. 239 f.
373 f (denn natürlich ist der auf v. 373 — done: reimende vers
/at nf% sane did Jonys biddinge umzustellen ßai rudly did Jonys
hiddinge sone). 483 f. 629 f. schone :ak(me 431 f. hone: done
563 f. der nordhumbrische dichter der mss. Harl. 4196 und CotL
Tib. E VII scheut sich selbst vor einem gelegentlichen John : stone
Job. ev. 499 f nicht. ^ — reime ore:are bat aus den legenden
und dem Bruce Bmndl Litt-bl. 1881 nr 11 angeführt: im Tro-
janerkrieg, der unter Barbours namen überliefert ist, erscheinen
^ in der susammeostellaog der reime an« : one aas dieser sammlang
habe ich Ans. tui llOf den fehler beganffen, done, sone (auch hone ge-
hört hierher) mit gone gleichsnateUen und so eioe altnordhambr. form ^ «-
dän (wie fegän) voraasgesetzt. die sich schoo in den iltesten denkraileni
dieses dialects nicht mehr nacn weisen iässt dadurch verschiebt sich das
Terhfiltois am ein par beispiele in fl.s gansten. aber meine characteristik
der hs. T bleibt bestehen and der in dieser recension begründete iweifel
an dem werte so unbedeutender difierenzen Icommt als neues moment gegeo
H.8 annähme sweier dichter hinsu.
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H0R8T1IA1IN BARBOUa II 279
sie Docb etwas zahlreicher als in den legenden : (e/ore (adv. loc.)
immre i 221 f. more : befare (adv. temp.) n 1885 f. Äntkemr$ ; evtr-
fnore ii 1531 f, also 3 beispiele in 3714 versen, während in den
ersten 4000 versen des Bruce wie der legenden sich noch kein
beispiel findet nnn hat Brandt aao. henrorgehoben dass der
Bruce an solchen reimfreiheiten entschieden ärmer sei als die
legenden: er nimmt an dass sie sich schon allmählich im schot-
tischen geltung verschaffen und glaubt in dem legendär, das er
etwa 15 jähre später ansetzt, einen ^merklichen fortschritt der
invasion des südlichen o' zu bemerken, wann aber soll der
Trojanerkrieg entstanden sein, der die zahl dieser Freiheiten noch
tiberschreitet? dass der hochbetagte geistliche, welcher in seinen
legenden beständig tiber abnähme seiner kräfte und die Schwierig-
keit die quelle zu bewältigen klagt, sich nach Vollendung dieses
Werkes noch an einen Trojaroman gewagt und diesen vollendet
habe (denn gerade die Schlusspartie ist erhalten !), dessen umfang
sich auf 18000 verse annähernd berechnen lässt und der nirgends
den Stempel greisenhafter production trägt, ja der den geistlichen
verf. kaum merklich verrät, das wird doch niemand glauben, un-
mittelbar vor die legenden kann der roman auch nicht fallen, denn
in dieser zeit ist jedesfalls das werk entstanden, zu dem das legen-
där nur eine ergänzung bilden sollte, jene biblische geschiebte
(temporale?), die nach des verf.s eigenen angaben im prolog des
legendars v. 95 f (TU I haf mad paime redy In novmer sex and
sexty) den umfang des letzteren (50 legenden, über 33000 verse)
noch übertroffen zu haben scheint, da nun zwischen dem be-
ginn des Bruce (1375) und Barbours tode (1396) höchstens
21 jähre liegen, so rückt der Trojaroman jedesfalls dicht an das
hauptwerk des autors heran, und wer auf die wenigen reime
allein gewicht legt, wird geneigt sein, diesen sowol wie die legen-
den dem 'vater der schottischen poesie' abzusprechen, an die
mOglichkeit, dass jene reime der Überlieferung allein zur last
fallen, denke ich nach genauer vergleichung der einzelnen stellen
mit der quelle und namentlich nach der kenntnis des Trojaromans
nicht mehr.
Aber ich meine, wir können einstweilen ruhig an der an-
sieht H.S festhalten, dass John Barbour alle diese werke verfasst
hat. mit dem Bruce ist sein name durch die festesten urkund-
lichen Zeugnisse verbunden, als autor der legendensamrolung er-
gibt sich ein geistlicher, dessen Stellung und heimat, alter, bil-
dung und lebenserfahrung (man vergleiche die citate aus Cato
und dem Roman von der rose, die einfügung antiker namen,
den hinweis auf frühere reisen im Julian) merkwürdig auf Bar-
bour passen, und den dichter des Trojanerkriegs, der im dialect,
in der benutzung der quelle, in der mangelhaften kenntnis des
lateins (für die legenden ergeben die bei H. gesperrt gedruckten
stellen »des lat. textes beispiele) dem legendendichter aufs haar
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280
gleicht, nennt der eine achreiber mit Baitoon namen. was den
Stil nnd wortgebraoch anbetrilll, so kann ich in dieser recenaion
nur mein sni^tires gefOhl anfahren, das hoffentlich hold dnrcb
eine aoafabflichere nnterandiung von anderer seite besUltigiing
findet, aehlieblich glaube ich: auch die Ungleichheit der arbeils-
weise im Bruce einerseits, in den ttbersdzongen ans dem latein
andererseits ISsst sieh erklären, in der legende des scfaHOttischen
nationalbeiligen SNinian (nr xl) hat der dichter dem in der ?iu
SNtniani ttberlieferten Stoffe noch ein par mirakel hinzugefagt, die
sich zu seinerzeit zugetragen haben, v. 815 — 1447 (der schluss
fehlt leider): ▼. 815 f Of sanct Niniane ^tt I pi td A ferbf /«r
in my tyme befd, v. 1359 f A hßil tak ^H kerd Itd, Alf m to
my tyme befd, 1365 f Ani /» mare trasidy I say, For I kmd
hyme weik mony day. in diesen geschichtdien, wo der dichter
sich frei vom zwange einer litterarischeo vorläge bewegt, ist der
verf. des Bruce gar nicht zu verkennen, sie spielen z. t. zur
zeit der kflmpfe zwischen Schotten und EngUndem und die na-
tionalen antipathien des aotors treten deutlich hervor, auch das
local (Galloway, Nydisdale, Carleille, Whitheme) ist dasselbe
wie im Bruce, namentlich die erste geschichte ist ganz vor-
trefTlich erzählt, der schottische ritter Fergus Magdonel wird von
einem seiner landsleute an die Engländer verraten, aber durch
den hl. Ninian im schlafe gewarnt, bricht er früh morgens auf
und reitet durch den von dichtem nebel erfallten wald davon,
sein mmsirate Jak trumpoure (ßat t>a$ gui mane and gud tur-
dtmre) jagt den ungesehen herannahenden feinden durch sein
blasen ohne absiebt einen panischen schrecken ein. indem bricht
das helle tageslicht hervor (And ßär-with wox sa hryda fie day
vgl. Br. IX 588 The myst wox deir all iuddahly in ähnlicher
Situation, xv 361 And als soyne as the day wox ddr), und als
Pergus nun die fliehenden Engländer sieht, setzt er ihnen nach,
tötet viele und macht grofse beute: And sa wane pt seottismene
gret riches. Oukare-for ße land relewet vas (vgl. Br. xix 803
And par-mth weil relevit ßai Thar frendis). der anklänge an
den Bruce finden sich gerade in diesen Zusätzen mehrere, wenn
Barbour im Br. i 28 seinen beiden einführt ßai hardy wes off
hart and hand, so den Pergus Nin. 819 mit den gleichen werten
And hardy vas of hart and hand; der folgende vers des Ninian
And had ße ledinge of ße land erinnert an Br. n 90 And haiff
this land all in hding. der Verräter des Cristal of Setoun heifsl
Br. IV 18 ein disdpiU of Judas, vgl. Nin. 847. zu
Br. II 194 For ßar was nane off lyff sa feil,
Sa pautener na sa cruel
vgl. Nin. Uli f ße most fellone mane ßat mydu he
And cruel and paitynere
Nin. 849 t For (+ßare?) is nane, I vndir-ta
Sa paytener na sa fellone fa.
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HORSTMANN BAaBODB U 281
die beieuerung but fennpe, mit welcher die erste gescbichte
(v. 941) schliefst, auch Br. xin 231. merdah Br. ix 249, Nin. 921.
OS dowdUy man (pl.) Br. 1 538, as a dochty man Nin. 883. üher-
baupt, glaube ich, wird sich aus dem wort- und phrasenschatze
der legenden die autorschafl Barbours am sichersten ergeben.
Hier möchte ich nur noch auf eine art von urkundlichem
Zeugnis hinweisen, das H.s ansieht und den obigen ausführungen
eine vortreffliche stütze zu bieten scheint jener memtrale Jak
Trumpoure, welchen der dichter Nin. 889 wie es scheint aus
persönlicher bekanntschaft heraus (v. 816 A ferly pai in my
tyme hefel) so hübsch characterisiert, ist höchst wahrscheinlich
identisch mit einer persönlichkeil, welche in einer Urkunde Da-
vids II vom 7 mai 1360 erscheint und zwar als grundnachbar
eben des Andreas Barbour, den man für den vater unseres John
Barbour zu halten pflegt, das diplom (im auszuge gedruckt bei
Jamieson, new edition, Glasgow 1869 s. iv) bestätigt eine Stiftung,
die der bürger von Aberdeen Matthew Pinchach den dortigen
carmelitern bereits am 31 märz 1350 zugewandt hatte, mit 6 sh.
8 /dl Jahresrente: de iUa terra cum perlineneiis jacente in vico
castri quae fuit qnondam Andreae Barhitonsorie inter ter-
ram Jaq. Trampour(l) versus austrum et terram Jakannü de
Salchoo versus haream etc. die namen Trampour (vagator) und
Trumpaur (buccinator) passen für einen alten spielmann gleich
gut. ob ein druckfehler in der Urkunde oder ein Schreibfehler in
der hs. der legenden vorliegt, ist also nicht zu entscheiden, jedes-
falls ist die differenz zu unbedeutend, um ernstlich zu bezweifeln
dass der nachbar der familie Barbour der wackere trompeter des
Fergus Magdonel war. aus seinem eigenen munde mag der junge
Barbour die erzflhiung haben, deren dichterische widergabe sidi
von den umstehenden legenden so entschieden abhebt, dass sie un-
willkürlich an den Bruce erinnert.^
Für diejenigen, welche auch nach diesen ausführungen die
frage noch für wichtig halten, wie es komme dass im Bruce ein
par reime areiore weniger begegnen als in den übrigen dich-
tungen, weifs ich freilich keine antwort, die sie völlig befriedigen
wird, am wahrscheinlichsten ist es mir dass der dichter sich
in der Originalschöpfung, dem Bruce, am unabhängigsten und
am sichersten in seinem dialecte fühlt (vielleicht auch aus national-
stolz dessen färbe treuer bewahrt?), während er in den anderen
werken immer ein nachahmer der älteren, höher entwickelten süd-
lichen dichtung bleibt, sodass ihm gelegentlich auch die dort ge-
wohnten reime mit unterlaufen.
Barbour, nach der wahrscheinlichsten annähme 1316 geboren
(Bruce ed. Jamieson, 1869 s. nif)t war, als er den Bruce schrieb,
^ ich bemerke ausdrQcklich dass ich diese Jcleine entdecknog erst nach
•bsendung der recension gemacht uod den obigen absats noch kart vor
beginn des dmckes nachträglich eingefflgt habe,
A. F. D. A. IX. 19
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282 H0R8TMANN BARBODR II
uahezu 60 jähre alt. der Brüte, welchen ihm Wyotown zuschreibt,
mag froher entfitandeD seio, Tielleicht bezieht B. selbst sich darauf
Bruce 1 560 The Broite heris tharoff ioyines, denn Layatnons werk
war schwerlich in Schottland im 14 jb. noch so bekannt, dass
man ein derartiges citat verstanden hätte, den Trojaroman habe
ich oben nahe an den Bruce heranrücken zu mOssen geglaubt:
ich möchte annehmen dass er gleichfalls noch vor dem Bruce
entstanden ist. auf die Trojasage spielt B. Br. i 520 ff an (viel-
leicht auch Magd. 821 ff, wo Hercules erwähnt wird) und ebenda
V 395 ff vergleicht er seinen liebling James Douglas ausfohrlich
mit Hector. der excurs ttber astrologie Br. iv 688 ff scheint einiges
von den kenntnissen mit mehr Skepsis zu verwerten, welche der
Trojaroman i 489 ff aus Guido de Colonna aufnimmt, unter den
romanis, welche Robert Bruce m 437 ff seinen getreuen vorliest,
werden mit absieht nur contes d'adventures genannt, das fehlen
der Trojasage fällt also nicht auf.
Durch die entdeckung Bradshaws und die ausgäbe H.s scheint
Barbour mit einem male zu einem der fruchtbarsten dichter Alt*
englands, ja des ganzen mittelalters zu werden, aber das einzige
werk, das wir früher von ihm kannten, steht auch jetzt als seine
beste leistung da und wird der hauptträger seines ruhmes nicht
nur bei seinen engeren schottischen landsleulen bleiben, wenn
erst die annähme der obigen gelehrten durch festere gründe, als
ich sie oben zu bieten vermochte, bestätigt sein wird, dann wird
es eine der schönsten aufgaben sein, die künstlerische eigentOm-
keit des merkwürdigen mannes und die spätere abnähme seiner
dichterischen kraft und formeilen gewandtheit darzulegen, die
zunähme der flickwörter im reime zb. ist in den legenden auf-
fälhg. man sehe darauf hin nur einmal die Theklalegende durch.
Ich kann diese recension nicht schliefsen, ohne dem ver*
dienten herausgeber ein par wünsche vorzutragen, zunächst muss
ich noch entschiedener als in meiner anzeige des i bandes gegen
die bezeichnung der ausgäbe als ^kritisch bearbeitet' Verwahrung
etniegen« H. hat im laufe der arbeit, oder besser beim beschleu-
nigten fortgange des druckes mehr und mehr vergessen, was er
auf dem titel versprochen hatte, der überlieferte text ist voll
von fehlem, zu deren besserung der herausgeber veipflichtet und
recht gut im stände war. wollte ich hier aufzählen, was mir
(der ich in diesen dingen nicht so zu hause bin) aufgefallen ist,
so würde ich H. ebenso wenig etwas neues bieten , als wenn ich
die bei einem solchen werke nun einmal unvermeidlichen druck-
fehler in zahlen und anmerkungen notierte, warum aber, frage
ich, bleiben in einer ^kritischen ausgäbe' fehler im reime unver-
4>e8sert wie Eug. 487 noma(re):8a, wie Thekla 72 — nb. die
anmerkungen zu dieser legende s. 194. 195 sind vom setzer auf
s. 193. 196 falsch untergebracht — wandireUei/ndire, wo der
Schreiber statt tandir tm£r las und auf dieses seine Orthographie
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HORSTMANN BARBOUR II £83
anwandte? sah H. wttrklich nicht dass Nin. 193 and was eontrare
to f. Niniane (I* A>V preehinge überfüllt ist? wenn Caecilia
107. 115 beide mal senex durch ifung tnane widergegeben wird, so
muste doch mindestens ein ausrofungszeichen oder gesperrter
druck der quelle darauf hinweisen. Aristotil Bapt. 1011 war
nach dem reim (nobile) und der quelle (Aristobulus) zu ändern,
über Nin. 361 f And thankit hyme as ßare lorde pat pame had
tent sa gud a hird hörte man gern die meinung des heraus-
gebers. wäre hier ein reim lerde : herde (ae. heorde) möglich (da*
gegen rgl. Eog. 425 f hrdiacord) oder muss man hord lesen?
die fassung der quelle entscl^eidet nicht.
Der abdruck der bruchslücke des Trojaromans zeichnet sich
vorteilhaft vor den legenden dadurch aus, dass die anmerkungen
zum englischen text von den auszagen aus der quelle getrennt
sind, diese neuerung ist bei dem winzigen drucke der an-
merkungen absolut nötig, und wir hoffen dass sie H. fQr künftige
publicationen beibehält, sollte es ferner nicht möglich sein, für
% und f verschiedene zeichen einzuführen? ^oa;ma8, eitisfone,
sarasfine neben sfamede, a;outhhede, mens^e würken doch recht
störend.
Gottingen im januar 1883. Edward Schröder.
Idendkz seventyrL islindiBche legenden novelleo und mireheo henusgeseben
von Hv«o GsRnre. eroter baod text. Halle a. S., verlag der bucb-
handlimg des waiaeDhauses, 1882. xxxviii uod 31588. 8^ — 5,40 m.*
Hugo Gering, den freunden altnordischer litteratur durch
seine ausgäbe der Finnboga saga, Halle 1879, und des Olkofra
|>ättr, Beiträge zur deutschen philologie, Halle 1880, vorteilhaft
bekannt, hat den ersten band seiner Sammlung kleinerer altnor-
discher erzählongen erscheinen lassen und somit das versprechen
eingelöst, welches Vigfusson (Sturlunga i s. cxxxvi) und Ceder-
schiold (Germania 25, 129) der germanistischen weit für ihn ge-
geben haben.
Der vorliegende band enthält eine einleitung, in welcher die
zahlreichen handschriften, zum teil auch deren sprachformen, be-
schrieben werden, mit bemerkungen über ihr gegenseitiges Ver-
hältnis und die kritischen grundsätze, nach welchen die ausgäbe
gearbeitet ist. dann folgt der text: zwei vorreden, ein buch
legenden , 48 nummern , ein zweites buch , novellen und märchen
nr 49-*93, darunter nr 49 — 76 aus der Disciplina clericalis, zum
schluss ein anhang von fragmentcn nr 94 — 101. der zweite band
(* Tgl. Litt, ceotralblatt 1882 ap. 1423.1
19*
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284 ISLENDZK ^VENTYRI BD. GERING
soU litterarische nachweisuogen über die quellen der einzelnen
stttcke bringen und ein glossar, s. 8. xxxiv. letzteres wird jedes-
falls dem altnordischen Wörterbuch sehr zu gute kommen, denn
es gibt unter den nach Cleasby-Vigfussons Dictionary erschienenen
editionen wenige, bei denen einen dieser thesaurus so oft im
stich lässt, als bei unseren iE?entyri. das gilt sowol von werten
als von phrasen.
Was nun die philologische leistung Gerings in dem vor-
liegenden bände anbelangt, so sind ihr raanigfache Verdienste
nicht abzusprechen, die von CederschiOld Germania 25, t30 be-
gonnene Untersuchung über das verwickelte Verhältnis der ur-
sprünglichen hss. B und C, deren reste in drei Codices zerstreut
sind, ist fortgeführt und beinahe abgeschlossen, der kritische
wert der hss., soweit ich sehe, richtig beurteilt, — A eine hs. des
15 jhs. erweist sich hierbei entschieden verlässlicher als B, die
noch im 14 jh. geschrieben ist, — und der text zeigt besonders,
wo er aus der sehr schlechten dem 17 jh. angehorigen hs. a zu
Gonstruieren war, vielfach glückliche Verbesserungen und er-
günzungen und ist recht lesbar.
Aber diese sorge für versUndlichkeit hat den herausgeber
leider auch zu freibeiten gegenüber der Überlieferung verleitet,
welche nicht gebilligt werden können , weil sie die fehler in der
Überlieferung nur beseitigen , nicht erklären, so zb. nr 25, 31
die kirche war nicht reich, pviat hmnar inntdct vor heUdr grunn.
die einzige hs. a hat statt inntekt : eyfans. das muste doch mit
einem kreuz in den text gesetzt oder eine Vermutung etwa eyris-
fang gewagt werden; vgl. veidifang. ebenso nr 51, 47. 48. 75,
20. 27 f. — oder die ergänzungen in jf^nen stücken, die aus der
Disciplina clericalis stammen, sie sind durchaus nicht immer not»
wendig, es kann schon der verf. der Übersetzung seine lateinische
vorläge hier und da gekürzt haben, nr 50, 39 En fadirinn iva-
radi: Um dikan vin tiuBlUi tpekingrinn : [sjd er sannr vin er
helpr per pi er heimrinn svikr ßtlc]. oben z. 29 hiefs es auch
in der rede des vaters: sem spekingrinn ddr sagdi: Margir teljaz
vinir $vd kngi sem vel gengr, en i naudeyn eru ßeir fdir. der
verf. kann es für genügend gefunden haben, den vater sich hier
auf sein früheres ciiat beziehen zu lassen. — nr 51, 73 Sidän
offradi hann rik i häska ok mnellti: [Gripit mik er de vann vigit,
en] lätit lauean meinlausan mann, den sinn der directen rede,
welche Gering hier ergänzt, konnte der verf. schon durch die
worle der erzählung genügend ausgedrückt finden, in der ausgäbe
der Disciplina Paris 1824 s. 20 f flodet sich für Gripit mik keine
entsprechung. — ebenso nr 56, 3—6. 69, 1. 3. 4.
Auch rücksicht für Verständlichkeit und glätte des ausdrucks
scheint G. geleitet zu haben, wenn er trotz der richtigen er-
kenntnis, dass A vor C den Vorzug verdiene s. xxxm, doch in
den gleichgiltigen fallen zwischen A und C wählt, s. zb. nr 88.
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ISLENBZK iCTEi^TTYRI BD. GERING 285
gerade für dieses stück bezeugt z. 34 f deutlich die bessere Ober-
lieferung ia A und die absichtliche anderung in C. ein geist-
licher soll in Rom absolution erlangen, hatte aber kein geld:
m svd segiz, atßai kostar penninga d pdfagardi pd mmn er nök-
kwn f ramgang fengu. Gekkßvi siz tu vegar kam mdl, at hvdrki
vor fe at byta ser til styrks: ne hafdi kann meiri frarnhxBtnd
tu at tala vid dyra höfdingja. so in A. in B statt alles dessen
nur: m 9vd segiz, at penninga ßarfi vid. B, dessen geistlicher
character durch wähl der Stoffe und behandlung auch sonst sicht-
bar ist, s. zb. die einleitung zu nr 11 am schluss von nr 10,
scheute sich den hieb gegen die habsucht der romischen curie
auch in rein geistlichen angelegenheiten zu führen, den das nor-
dische publicum aber gewis mit seinem beifall begleitete, vgl.
Njäta c. 158, 37. Flosi gieng nach Rom um absolution zu finden.
par fjekk kann svd mikla suemd, at kann tök lausn af »fdlfum
pdfanum ok gaf par til fje mikit. G. folgt denn auch hier der
hs. A, aber warum nicht auch z. 17. 18. 22. 24 usw., wo die
lesarten von A einen ganz genügenden sinn geben?
An einigen anderen stellen sprechen nicht principielle gründe,
aber die betrachtung des Zusammenhanges, hier und da auch des
Sprachgebrauches gegen G.s text. formäli A in den hss. B und
a erhalten: weil nicht alle latein können, ßd viljum vir til nor-
riJBnu fiBra pau mventyr er hiBver$kum mönnum hwfir til ekem--
tanar at hafa ok kveikja svd um synandi til gledi ok gamans.
was um synandi hier heifsen soll, ist unklar, von ok kveikja
ab ist die stelle in B, wie G. sagt, gänzlich erloschen, aber
1879 hat doch noch Cederschiöld, Claras saga p. ni anm. etwas
gelesen, — was nicht zu dem nach der jungen und schlechten
hs. a dargestellten texte stimmt: ok . . I . . ser med m
gaman. aber nur die buchstaben s in ser, m in med, m und das
ganze gaman waren deutlich, vielleicht: ok kveikja ser medmunud
ok gaman, — von hwfir abhängend, oder, wenn die acht puncle
bei CederschiOld würklich acht buchstaben bezeichnen, munimgd
statt munud. — hatte der Schreiber von a einen anderen text
vor sich, so möchte man vermuten : ok kveikja svd ymsa innandi
tu gledi ok gamans von viljum ver abhängig, innandi von inna
^erzählen' ist allerdings nicht belegt, aber ebenso gebildet wie
hyggjandi, kvedandi usw.. Wimmer Forml9ra § 74. — nr 3, 30
aus hs. C. ein bischof hat dem pabst eine theologische frage
gestellt, und da dieser nicht antwortet, tdcr biskupinn til sin sjdlfs
sins spuming und beantwortet sie selbst, doch sinn oder sina
spuming und vielleicht sins tjMfs. — nr 6, 22 aus hs. C. ein
priester ist auf Verwendung des kaisers zum bischof ernannt
worden, er besafs keine besonderen geistesgaben, p6 heOt kann
ekki pvi sidr eina biskupssyslu. doch sina biskupssyslu. — nr 8, 39
als Augustinus bei der messe die gebannten auffordert, die hei-
ligen Stätten zu verlassen, erheben sich einige gerippe aus den
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286 I8LKNDZK iüVEMTYBi ED. GERIffG
gräbero. eioer der todteo gesteht dem lieiligeo dass er im baua
gewesen, da fragt Augustinus wider Hvai matma hefir pü t>erit,
eda hver vandrcedt hefir pik hent er pü verdr pesau at etanda.
wol hvert vandrwdi und ipessu, — nr 17,37 Sidän sendiMngr
honum nökkurar bisundir gnUz, — hvat er kann vid iik ok let eet
Pö fätt tiL es muss nach der regel fOr altnordische Wortstellung
(Beschreibung der isl. saga WSB 97,295) heifsen vicUök, was aller-
dings nicht in der alten aber in der neueren isländischen spräche
vorzukommen scheint; s. Hainer Om de sammansetta verben i
isUndskan, Lund 1877, s. 94. — nr 19, 29 erhalten in A und
a. ein hischof und ein bauer teilen einen acker durch einen
strick, vadr, dessen enden sie selbst halten, aber in der mitte
sinkt der strick, sodass man nicht deutlich sehen kann hverfa
kann gjörir yfir pveran akrinn. so nach A, c hat hoerja rigu,
^welche linie', was notwendig scheint, denn för darunter zu ver*
stehen nach Lund Ordföjningslffire § 185, 2 c ist bedenklich,
da sonst gj/fra för, ferd immer heifst 'eine reise machen*, nicht
'einen weg einschlagen', 'eine richtung nehmen'. — nr 40, 36
aus hs. A; fiviat evd eegir vdr fru, dass die bösen Zungen be-
straft werden, also trü statt frü, — nr 42 B, 17 aus hs. a
krifr in der bedeutung 'freigebig', also wol rifr. — nr 42 B, 75
aus hs. a. ok pat veitir gudlig ndd ok tign hans gödfysi. lies
tigin statt tign. — nr 48, 76 aus hs. C ofeyndr in der bedeutung
'ertränkt', also ofeyndr. — nr 57, 6 ff aus den hss. 6 und a.
es gibt sieben liMir, sieben dygdir und sieben leücar. nach auf-
zählung der bekannten sieben freien künste heifst es [Sjau dyg-
dir eru:] equitare, natare, sagittare, [ceetibus certare], aucufore,
scacis ludere, [versificari]. En sjau leikarpeir eru:[ne sit] varax,
potaior, luxuriosue, violentus, mendax, avarus, et mala canver$ati0. —
die sehr zerrüttete Überlieferung hat offenbar kikar und dygdir
vertauscht. — nr 65, 20 aus hs. a Böndinn gdck til sßdngr ok
tök tm küsfreyju sinnar ok setti kann nidr 1^ eer ok hafdi Aohh
i öUum bodskap til kveUdz, es wird statt til smngr heifsen til
sets, oder wenn man, was bei a allerdings erlaubt ist, gedankeo*
losigkeit des Schreibers annehmen darf, til bordz. — nr 84, 1 ff
aus hs. A Ratepadius het einn greifi er vor i Rom, hverr er $agdr
vor mitkunnsamr, hvar fyrir af sinni mikiUi midcunneamM at kann
säti pau log, dass Verbrechern unter gewissen bedingungen die
strafe erlassen werde, es ist sehr wahrscheinlich dass dieser
ungefüge satz von den Schreibern verdorben wurde, vielleicht
stand ursprünglich evd vor mitkunmamr, und darauf gleich ai
kann setti pau log. nach ausfall des svd konnte sich ein Schreiber
wol zu dem ungeschickten einschub hvar fyrir af sinni mikiUi
miskunnsemi veranlasst sehen. — nr 85 A, 19 aus hs. A die nize
sagt zu dem ritter: deine verwandten werden dir kein geld leihen,
Pviat peim ferr sem flestum ödrum, at vid sfd vi^'a [ai] Uggja
sitt fit, svd at dcki verdi i m&ti. die hs. hat nach ödrian : at um
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I8LEN0ZK iCTSüTTBI BD. GBUHG 287
sfä vilja iU kggifa tat, 9vd at usw. die redensarl ist gewis von
G. richtig aufgefasst. Cleasby führt unter «Br an Laxd. s. 228
pvi kaUa mmn d m ka$tad, er madr loftr eiga tina, ok iekr Mi
i mot. aber eiomal Mge tun t ijd dem handschrifüiehen um $id
näher als tnd sjd, und dann hieTse vi^ nach G.s conjectur so
viel als mhd. weUen, d. i. 'meinen', eine bedeutung, die fOr altn.
vi^a nicht nachgewiesen ist. vielleicht hat man nur eigi vor
üt leggja zu ergänzen , und der satz svd at — schliefst sich er*
klärend an. — nr 87, 149 aus hs. C Fagnadr er obb — , hvereu
ßin ehka ferr Hl göds efnis, ok pvi mljum vir enn af wjju tyna
per vdra ekku sagt der lehrer zu einem gelehrigen schUler. lies
vdr oder min Msa statt pin elska. — in z. 151 nach birta ist
eine lücke. — z. 313 ein berr sagt seinem diener: ich habe an
meine hohe Stellung in der weit, an meine gelehrten Studien, an
mein vermögen zu denken, — dir braucht weder Stellung, noch
vermögen, noch gelehrsainkeit kopfweh zu macheo. letzterer
satz wird ausgedrückt: pvUU med ardum samdiz pü aUdri; fi
hafdirpi medhöndum eigi meira m — ; klerkdömmn bdUu med
engu möti $od at — . lies also statt med ordum : meameiorAun
oder metardump was der Schreiber wol auch gemeint haben wird.
— nr 88, 33 aus hss. A und C. die oben besprochene stelle.
G. hält sich allerdings an A, corrigiert die Überlieferung aber in
folgender weise: en svd segis, at pat hefir kostat penninga d
pdfagardi pd metin er nökkum framgamg fengu. ako kefir koetat
statt kosiar der hs. aber ich glaube nicht dass vor der refor-
roation ein Isländer oder Norweger sich so hätte ausdrücken
können, nachher allerdings, wenn er nur an seine landsleute
dachte, die Überlieferung ist ganz gut: *man sagt dass man Rom
bezahlen müsse, wenn (nachdem) man etwas erreicht habe.' —
nr 89, 14 punct nicht beistrich nach snading.
Die spräche der ausgäbe ist durchweg das correcte altnor-
disch, im wesentlichen die spräche des 13 jhs. das ist nicht so
kühn gegenüber der Sammlung a, einer hs. des 17 jhs., wo doch
nur der allgemeine eindruck einer alten vorläge erzielt werden
konnte, als gegenüber A, die aus dem 15 jh. stammt, s. s. x;
weifs G. würklich dass 'deutsch -dänische lehn werte' wie peMkja
für hyggfOf reisa für f(hr, ferd usw. erst im 15, nicht schon im
14 jh. in die altnordische spräche gekommen sind?
Auch die Orthographie ist egalisiert und auch hier B (aus
dem 14 jh.) zum muster genommen worden; s. s. x. zin. aber
es war dann inconsequent, o und « nicht zu trennen, denn wie
G. selbst angibt, schreibt B für ^ die zeichen (^ und o, für « die
zeichen o^ und e. wenn auch die ausspräche keinen unterschied
machte, so wird doch durch G.s verfahren die tatsache verwischt,
dass die schrift des 14 jhs. den zweifachen Ursprung des lautes
6 noch kannte, es ist gerade so als wenn der herausgeber eines
modernen deutschen werkes den unterschied von e und d tilgte.
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288 I8LSNDZK iEVBNTTRI BD. 6BIUKG
Die bezeichnuDg der bsd. im kritischeD apparat könnte etwas
gleichmäfsiger und einfacher sein, dass C* C* C* immer sorgfliltig
geschieden werden war viel weniger nötig als die Scheidung A a
und A b, statt dessen immer nur A steht, denn C^ C C be-
zeichnen 6ine Sammlung kleiner erzahlungen, Aa und Ab aber
zwei Sammlungen.
Aber auch in der ganzen anläge des buches zeigt sich eine ge*
ringscbatzung der handschriftlichen Sammlungen, die doch ebenso
gut litterarhistorische individuen sind als die einzelnen erzShlungen.
durch die Scheidung in legenden , novellen und märchen , dieser
wider in solche, die aus der Disciplina clericalis stammen, und
andere, und in einen anhang von fragmenten, in welchem novellen
und legenden vereinigt sind, soll wol dem legenden- und novellen-
forscher die arbeit erleichtert werden , aber das hatte doch auch
durch register geschehen können, keinesfalls wird dadurch der
nachteil aufgewogen , der aus der zerreifsung jener alten Samm-
lungen erwachst, nnd die neue einheit, welche G. hergestellt
hat, wird jeden augenblick gestört, zunächst zwei vorreden, am
schluss der ersten aus B mOssen die werte Af Enock, welche
zeigen dass sie zu einer verlorenen Sammlung von erzahlungen
aus der Disciplina clericalis gehört s. s. xn, wegbleiben, denn
die erzahlungen dieser quelle folgen aus einer anderen hs. a erst
von nr 49 ab. der schluss der zweiten vorrede aus A bezieht
sich auf nr 15, eine legende, die in A als erstes capitulum un-
mittelbar auf die vorrede folgt, nr 4, 21 heifst es bei gelegen-
heit eines braven aber den genUssen dieser weit zu sehr ergebenen
mannes »em fyrr var Hl vikit at flestum ptkktr mesi eptirlmii i
heminum. das bezieht sich auf keine der erzahlungen 1. 2. 3,
sondern auf nr 48, welche in der Sammlung C, der nr 4 ent-
nommen, dieser vorangeht, die Ordnung ist dort nr 1. 2. 48. 3. 4.
— oder nr26 beginnt mii Enn skal seggjapersu nmt, aber das
geht nicht auf nr 25, sondern auf nr 93, die in B vor nr 26
steht, dies ist um so störender, als häufig durch beibehaltung
der alten Ordnung die bezUge am richtigen platze stehen ; s. nr 10
und 11. 16 und 17. 24 und 25. 26 und 27. 90 und 91. 92
und 93.
Durch dieses verfahren werden historische tatsachen ver-
dunkelt, die existenz alter Sammlungen von erzahlungen erbau-
lichen und zugleich unterhaltenden Inhalts, Über deren alter, ein-
ricbtung, principien, Verfasser die einleitung durchaus nicht
genügende auskunft gibt, und doch hat schon Cederschiöld
Chrus saga s. ii und Germ. 25, 130 die ansieht ausgesprochen,
dass ein grofser teil der in G.s buche gedruckten erzahlungen,
niimlich alles, was aus der hs. B stammt, auf den bekannten
Jon Halldörsson, einen geborenen Norweger, aber von 1322 bis
1339 bischof von Skalbolt, den verf. der Clarus saga, zurück-
zuführen sei. die ansieht Cederschiölds erfahrt durch die in
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ISLENDZE JEVEIITTBI ED. GERING 289
den lesarten zu Dr85 (A) aus der hs. Ab abgedruckten worte
ihre besUltigODg und beschrSlDkong. A hat oftmlich ?or nr 85
A b die notiz Badclinar Bjd Kinn lüK er samsettr af skemtunar-
9Ögum ßem um virauligr herra J6n biskup Hallddrsson sagdi
Hl gamans mönnum. Md pot katta hvdrt er viU, »ögur edr eeven-
tyr. 10 Ab herscht folgende Ordnung: vorrede B, nr 15. 23. 22.
19. 89, dann unsere nr 85 (A) mit der litterariacben notiz, 83. 84.
88. 78. nur auf diese letzten fOnf darf man bis auf weiteres
diese notiz beziehen, denn die vorrede B, die von z. 26 ab von
dem verf. des Werkes spricht, nennt ihn nicht mit namen, nur
als den er samseiti ßenna baJcUng. die gruppe vorrede, nr 15.
23. 22. 19. 89 ist verwandt mit C, wie die ähnliche reihenfolge
in C, die man sich aus G.s angaben s. xif. xiiv f construieren
kann, ergibt, nämlich nr 15. 22. 23. 19. 24. 25. 85 (B). 89.
VVir haben also in hs. A drei Sammlungen, die kleinen Abi
und Ab 2, letztere von J6n Halldörsson, und eine grOfsere Aa
von 18 nummern, letztere vielleicht zur ergänzung von Ab be-
stimmt, da sie in derselben hs. erhalten ist und keine der er-
zfthlungen von Ab widerholt, einiges in Aa weist auf englischen
orsprung. so nr 40, die geschichte von einem englischen mOnch,
8. z. 32. z. 3 heifst es i peim lifnadi er ßeir kalla hakbit, m
vir köüum baknuelgip z. 4 hafdi kann jafnan uppi ä sinnt kck^
kok ist wol englisch eodc^ die pfeilkerbe, nr 77, 85 /dr tidan
tu hirrans af stadnum er Bngeldcir kalla mcer. — B hat nichts
mit J6n Halldörsson zu tun, da keine erzählung dieser Sammlung
aus Ab 2 stammt, sie enthielt 16 erzählungen, von denen nr 11
und 16 auf Viocentius Bellovacensis zurtlckgehen , dann die Cla-
rus saga Halldörssons und eine Übersetzung der Disciplina cleri-
calisy von der uns die vorrede und die ^orie Af Enoch erhalten
sind, vielleicht war die Disciplina von Halldörsson, dann um
so weniger die voranstehenden novellen, da drei von ihnen nr 9K
92. 93 auch aus der Disciplina stammen, am ersten konnte man
bei Sammlung C noch an Jon Halldörsson denken, da in ihr ge-
schichten von dem zauberer Perus vorkommen, nr 91, einer
hauptperson der Clarus saga; s. CederschiOld Clarus saga s. ii.
Diese alten Sammlungen vereinigen durchweg was G. als
novellen und legenden scheidet Unterhaltung und erbauung
wurde nicht getrennt, das ist eine nicht unwichtige lilteratur-
historisehe tatsache, welche bei anderer anläge von G.s buch auf
den ersten blick hervorleuchten würde, so aber nicht ohne mühe
herausgesucht werden muss. übrigens legenden im eigentlichen
sinne, d. i. wunderbare geschichten von heiligen oder göttlichen
Personen sind die wenigsten der stücke aus dem ersten buche
der G.schen Sammlung und erbaulich sind viele seiner novellen
und märchen auch, andererseits gibt es unter diesen auch blofse
anecdoten und bonmots.
Trotz aller dieser ausstellungen bleiben die iGventyri ein
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290 ISLKRDZSK iGVKATTRI ED. GERIKG
yerdienstUches und interessantes buch, für das wir dem heraus-
geber zu danken haben, interessant audi für das gröfsere publi-
cum, in den Stoffen wie in der darstellung, die vielfach auch
das beste, was wir in der deutschen litteratur an ähnlichen pro*
ducten entgegenzustellen haben, wie etwa den Seelenirost, tiber-
trifft, durch lebhaftigkeit der erzflhlung, schwung der spräche,
durch fülle bezeichnenden details, durch humor und Virtuosität
im schauerlichen.
Wien, 15 november 1882. R. Heinzel.
GermaDistiflehe abhaDdluDgeo, herausgegebeo von Karl Weimhold. i Bei-
träge znm leben und dichten Daniel Gaspers von LohensteiQ, Ton
Conrad Müller. Breslau, Koebner, 1882. xn und 107 ss. 8^ — 3 m.*
Bei der stark entwickelten litterarischen production auf dem
gebiete der deutschen philologie, in deren hochflut leicht ein
einzelnes erzeugnis übersehen oder wenigstens lange unbeachtet
bleiben kann, ist es mit freuden zu begrüfsen dass professor
Karl Weinhold auch für den osten unseres Vaterlandes mit den
Germailistischen abhandluogen eine sammelstatte geschaffen bat,
welche die gelehrten arbeiten besonders jüngerer krafte, doctor-
dissertationen und verwandtes, in ähnlicher weise concentriert,
wie dies für den westen die nunmehr schon in einer stattlichen
reihe von heften vorliegenden Strafsborger Quellen und fcurschungen
mit so gutem erfolge erstrebt haben.
Durch Conrad Müllers litterarhistorische arbeit Ober Daniel
Casper von Lohenstein wird die neue Sammlung in vortrefflicher
weise eingeführt.
Die der schlesischen heimat gewidmete schrift ist durchweg
frisch und fesselnd geschrieben, dass der jugendliche verf. den
staub der archive und den modergeruch vergilbter blfltter aus
einem verachteten Jahrhundert nicht gescheut hat, verraten die
vielen neuen ermittelungen und bericbtigungen , welche insbe-
sondere der biographie seines beiden zu gute kommen, im ganzen
bat die heimatsliebe des verf.s, welche die darstellung erwftrmend
durchzieht, sein ästhetisches urteil nicht getrübt, aber er ist doch
nicht ganz ungestraft unter den palmen des üppigen dichter-
gartens der sogenannten zweiten schlesischen schule gewandelt:
einige exotische Stilblüten haben sich fast unmerklich in seine
sonst gesunde Schreibweise gemischt.
Im ersten capitel hat der verf. die Jugendzeit, das väterliche
[* vgl. Litt centralblatt 1882 nr 45 (WGreizenach). — DLZ 1883 nr 2
(LHiriel).]
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MÜLLER BEITRÄGE ZUU LEBEN UND DICHTEN LOHENSTEINS 291
haus, die schule und die dichterischen jugend werke, sowie die
uniTersitatsjahre Loheosteins bis 1655 eingehend behandelt, das
datum der adeiung seines yatefs wird s. 3 richtig gestellt: daraus
erklSlrt sich einfach, warum der dichter seineoi namen Daniel
Casper erst seit 1670 den zusatz Ton Lohenstein gab. in eine
reihe anderer daten bringt der verf. s. 15 f durch scharfsinnige
beleuchtung der tatsachen klarheit. 1642 im october, 7 jährig,
ist der frühreife knabe von seinem geburtsorte Nimptsch nach
Breslau übersiedelt, noch vor ablauf seines fünfzehnten jahres,
1650, hat er dort als primaner des Elisabelhans seinen Ibrahim
Bassa gedichtet, zu michaelis 1651 bezog er die Universität
Leipzig. Müllers chronologische ausätze sind inzwischen bestätigt
worden: Creizenach teilt in seiner anzeige der Müllerschen schrift
aus der Leipziger Universitätsmatrikel mit dass Lohenstein sich
unter den im Wintersemester 51 neueingeiretenen Studenten pol-
nischer nation befindet
Der Ibrahim Bassa, 'diese frühzeitige frühlingsfrucht', welche
Lohenstein 'nur dem drängen von freunden folgend, vor dem
reiffenden herbste ans licht gegeben hat', wird s. 17ff sorgsam
analysiert, s. 19 oben ist der titel des englischen dramas, welchem
der Artam^ne ou le grand Cyrus Madeleine de Scud^rys zu gründe
liegt, mit zwei fehlem aus PrOlfs Geschichte des neueren dramas
herübergenommen: der dichter ist der berühmte John Dryden,
seine tragicomödie aber führt den titel Secret love or the mai-
den queen.
Ober des AvHaugwitz Soliman, der dem verf. unerreichbar
war, ist folgendes zu bemerken, derselbe bildet das dritte der
selbständig paginierten stücke des Prodromus Poeticus, oder:
Poetischer Vortrab von 1684. seine erläuternden anmerkungen
über den betörten doch wider bekehrten Soliman beginnt Hang-
witz mit dem bekenntnis: die veranlasiung su diesem misch- spiel
(so vor vielen jähren auff einer Universitet einer damahls von
eüieheti sludenlen zu einiger sprachäbung unter sich auffgerichteten
comoedianten Compngnie zugefallen auffgentzt) sind wir einer von
herm lesen aus dem französischen ins deutsche übersetzten roman,
Isabella, oder der durehlauchte bassa genannt» einiger massen
schuldig, es wird sodann bemerkt dass dies werk nocft sehr viel-
mehr andere weit ausschweiffende unU^stände artig behandele; nach
aller gelehrten meinung sei es einer der gelehrtesten und nütz-
lichsten romane und mit der Argenide des Bardai zu vergleichen.
Haugwitzens Verehrung des Scud^ry-Zesenschen romans gieng
so weit (was sich aus den eben angeführten werten nicht er-
kennen lässt), dass er den grOsten teil seines mischspiels mit
tunlich engem anschluss an das epische vorbild diesem gedanke
für gedanke, ja oft wort für wort nachbildete, besonders sind
die dialogischen partien des romans in der angegebenen weise aus-
gebeutet, zum beweis setze ich einige beispiele für viele hierher.
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292 MÖLLER BB1TRÄ6B ZUM LEBEN OND DICHTEN LOHBNSTEINS
Zeseo (t. 4, b. 3) 9. 507
Ich u>eu8 wohl, sag f er (sc. Soli-
raao) zu ihr (sc. Isabelle), dass
ich meinem Untergänge selbst ent-
gegen gähe; indem ich ihren has
durch dise meines herzens-eröf-
nung, auf mich laden wärde: aber
ich wolle wohl, dass Si mihr zu-
führ, ehe tcA Ihr mein Laster be-
kdnnete, sagen möchte, ob auch
ein solcher Irtuhm, dehn man
mit Wmien begdhet, so scharf
solle gestrahfft wärden, als eine
führsätzliche Bosheit?
Mein Herr, gab ihm die Isa-
belle zur Antwort, alle GemiÜUer,
welche was grofses fühlen, wi
Ihre Hoheit, können nihmdhls
einigen Fähler begdhen, als mit
WüUen. Es ist nichts, dahrfohr
di Vernunft, wan man sich solcher
gebrauehchen wiU, erligen müsse:
und di aUergewaltigsten Leiden^
Schäften, seyn ohne Zwei f dl nichts,
(Us Scheindäkkd der Schwachchen,
wan si ihre bohshaftigen Händel
-entschuldigen wollen: dan es ist
gewOs, dass es nicht unmUhg-
lieh ist, si zu überwältigen. Ich
wüste wohl, fihl ihr der Soliman
in di Rade, dass Si mihr ein ge-
oranger Richter seyn würde ; dass
Si andere nahch ihr selbst urthei-
len, und an einem andern ver-
dammen würde, was Si an ihr
nicht fündet usw.
Haugwitz (i 5) s. 20
SoUman:
Ich weifs es aUzuwohl, mein Fräu-
lein, wie ich stehe.
Ich weifs es, dass ich selbst dem
Tod entgegen gehe,
Und suche was mich fleucht, in-
dem ich mit Verdruss
Von Ihr nur Zorn und Hass auf
miA erwecken muss.
Durch dieses, was ich mir zu
sagen vorgenommen.
Doch weil es allbereit mit mir
so weit gekommen.
So bitt^ ich\ dass Sie mich nur
diese Frage lehrt:
Ist der so irrend fehlt, auch solcher
Straffe werth.
Als der so's böfslich tkut?
Isabella:
Ich glaube dass die Sinnen,
So von der Erden weit, mit Wil-
len nur beginnen
Was nach den Lastern schmeckt,
es ist nichts, das den Geist,
Den überklügten Geist, nicht sei-
nen Meister preist.
Wann er nur Platz behält. Es
ist ein blosses dichten.
Was wir von Leydensehafft und
ihren Kräfften richten.
Ich halte dass es mehr ein fal-
scher Deckel sey
Der Schwachheit, die dadurch
macht böse Händel frey.
Denn was ermangelt uns, die-
selben zuverjagen?
Soliman:
Ich bilite mirs wohl ein Sie
würde, so zu sagen.
Ein strenger Richter seyn, und
andrer Eigenschafft
Ermessen blofs aus sich, auch
was an Ihr nidu hafft
Und auch nicht hafften kan, bey
andern nur verdammen
usw.
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MÜLLER BE1TBA6E ZUM LEBEN UND DICHTEN L0HENSTEIN8 293
Mau vergleiche ferner den beginn der achten scene derselben
ersten abhandlang mit dem roman:
Zesen s. 522 Haugwitz (f 8) s. 31
IsabeUa:
Was hob' ich nuhn fahr em Mein UngliUk ist so grofs, dass
grofses unglÜk! sagte dise un- id^ kaum sagen kan,
glUksälige Fürstin, nahdidehm si Der Fürst, der beste Fürst, hengt
eine guhte zeit stille gesehwigen einen Schand- Fleck an
hatte; wehr hat ikmahls solche Der Freundschafft, die Er hat
hdndel gesahen? der allergröfs^ so übertreu versprochen,
ste und der aüerbäste Fürst auf Der mich beschützen sott, hat
dem ganzen ärdboden, würd der sich an mir verbrochen,
aüerehrlosest und unbarmhär- Und wird mein Wüterich, bridU
zigste unter allen Manschen ; er aller Yökker Recht,
belohnet eine aufrüchtigkeit mit 0 Ehrvergefsner Für^.
Undank; er hänget der Fräund-
Schaft, di er versprochchen hat,
eine schandliche kldtten an; er
brücht das Völcker- rächt; mein
Schiizzer würd mein Wiihterich
und Verfolger; ja, diser Bhr-ver-
gässene Fürst usw.
Selbst die hier von Haugwitz statt Zesens bildlichem aus«
drück eine schändliche klätten anhangen gebrauchte floskel hengt
einen Schandfleck an ist aus Zesens roman gebrochen : vgl. s. 506
Ich weus zwahr woM sagt dort derselbe Soliman dass ich saldier
gestalt der Fräundschaft, di ich dem Ibrahim versprochdien habe,
einen Schandfläk anhänge.
Die benulzung des romans beginnt bei Haugwitz im gegen-
satz zu Lohenstein schon mit dem dritten buch des 4 teils, nur
wenige scenen sind frei erfunden, oder etwas selbständiger aus«
gestaltet, zu ihnen gehören namentlich die ganz im sinne der
Gryphianischen technik angewendeten reihen, welche mit aus-
nähme der letzten die einzelnen ^abhandlungen' beschliefsen. in
der catastrophe folgt H. wider sciavisch seiner quelle, der he-
tOrte Soliman wird bekehrt, der tragische schluss gemieden, so-
viel über dieses mischspiel, welches, soweit ich sehe, nirgends
irgendwelche anklänge an Lohensteins tragOdie darbietet.
In dem abschnitt über die universitütsjahre hat M. s. 28— *38
den üufserst selten gewordenen liedercyclus Lohensteins, den
Denck- und danckaltar, gedichtet bei gelegenheit des absterbens
seiner viel-hertz-geUAten fraw mutter voUstflndig zum abdnick
gebracht, was bei der fülle wichtiger biographischer details, weiche
dies grOste lyrische jugendpoem des dichters überliefert, völlig
gerechtfertigt erscheint.
Das 2 capitel macht uns zum ersten male mit einem merk-
würdigen abschnitt aus dem leben des Breslauer senatssyndicus
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294 MULLER BEITRAGS ZOK LEBEN DIÜD DICHTEN LOHENSTEINS
bekannt, es entwirft ein anschauliches bild der diplomatischen
mission Lohensteins an den kaiserlichen hof zu Wien im jähre 1675.
nach diesen vorzugsweise aus den amtlichen briefen und relationen
des Breslauer ratsarchives geschöpften mitteilungen, welche uns
zeigen, wie der Vertreter der Stadt Breslau mit kluger berech-
nung und doch immer geradlinig unter den schwierigsten ver*
hältnissen bei dem kaiser und dessen beratern seiner heimat ge»
nützt, wie er Breslau vor einer drohenden guamison und anderen
Übeln bewahrt hat, werden wir heute kaum noch gleich den zeit»
genossen Lohensteins darüber in zweifei sein, ob dem Juristen und
diplomaten vor dem poeten der kränz gebüre.
Das letzte capitel, aus einer vergleichung der beiden aus-
gaben der Cleopatra bestehend, ist widerum ganz dem dichter L.
gewidmet, hier muste sich Müller noch mehr als im 1 cap. mit
seinem vorganger KerckhofCs auseinandersetzen, er hat dies mit
schärfe und beinahe durchweg mit glück getan, leider hat er
dabei die besprechung von Kerckhoffs schrift durch RM Werner
in der Zs. f. d. Osterr. gymn. 29 (1878), 296 ff übersehen, welche
ua. die frage nach den nautischen ausdrücken bereits durch ge*
naue statistische Zusammenstellungen erledigt hat. auch der Zu-
sammenhang zwischen den chOren, bez. reihen der Cleopatra und
dem stück selbst ist schon dort s. 300 gegen Kerckhoflb kritik-
lose bebauptungen im einzelnen aufgewiesen worden.
Als die entstehungszeit der ersten ausgäbe der Cleopatra be*
stimmt M. mit guten gründen den winter 1655/56. über die
allmähliche, nicht bis zu völligem abscbluss gelangte Umarbeitung
dieses dramas für die zweite edition werden s. 68 ff eine reihe ver-
ständiger Vermutungen vorgetragen.
In dem abschnitt 'Vorstudien' interessiert vor allem der nach-
weis, dass die rede des Jamblichus im dritten acte der Cleopatra
(v. 349 — 378) vers für vers und zug um zug aus den angaben
des Antonius Gallonius in seinem büchlein De ss. martyrom
cruciatibus (Antwerpae 1468) zusammengeflickt ist. eine aufzäh-
lung der titel von bücbern, welche für die 1680«' Cleopatra neu
benützt sind (s. 76), lehrt sodann auf das anschaulichste, mit
welch schwerfklliger gelehrter rttstung Lohenstein den von ihm
mishandelten Pegasus bestieg.
S. 79 bis zum schluss legt M. in methodischer, Obersicbt-
licher weise die änderungen der Cleopatra in fabel und compo«
sition, in der characteristik und dem dialoge, in der Oconomie
sowie in der spräche dar. s. 91 hätte wol auch die erwägung
platz verdient, dass die grOfsere personenfüUe der zweiten aus^
gäbe mit durch den wünsch hervorgerufen wurde, möglichst viel
Schüler bei der auffahrung zu beschäftigen.
In der Zs. f. d. Osterr. gymn. aao. verweist Werner für die
darstellung von Lohensteins sprachbebandlung auf ein programm
des Kleinseitner gymnasiums zu Prag 1871, mit einem Hrefflichen
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MÜLLER BEITRAGS ZUM LEBEN V»D DICHTEIf LOHEnSTEINS 295
aufsatz' Jos. Walters Ober den einflass des dreirsigjährigen krieges
auf die deutsche spräche und litteratur, dargestellt auf grundlage
der staatlichen und gesellschaftlichen zustande jener zeit, diese
arbeit ist dem verf. unbekannt geblieben, was er selbst zur er-
kenntnis der Verdienste Lobensteina um die fortbildung der dich-
terischen spräche beiträgt, ist sehr dankenswert, ob indes nicht
sein urteil bei umfassender behandlung des gegenständes um
einige tOne herabgestimml werden müste? eine Untersuchung
darober, was nun würklich Lohenstein und die ihm gleichstreben*
den den Günther, Haller und selbst Schiller gegeben haben, hatte
meines erachtens von der Vorfrage auszugehen , in wie ferne die
von jenen Deutschen vielgelesenen und hochgepriesenen italieni*
sehen poeCen, Tasso, Guarini ua. mit ihren concetti zur ausbildung
des deutschen schwulstes beitrugen.
Vielleicht beschenkt uns der verf. noch einmal mit einer
derartigen arbeit, jedesfalls erwarten wir von ihm, der sich mit
der vorliegenden erstlingsschrifl so energisch in die keineswegs
immer erbauliche materie hineingearbeitet hat, dass er die an
mehreren orten in aussieht gestellten Untersuchungen zum ab-
schluss bringe und die bis jetzt in der darstellung von Lohen*
Steins leben und wttrken gelassenen locken selber ausfülle.
Breslau, 3 januar 1883. Franz Lichtemstejn.
Goethes Götz too Berlichiogen io dreifacher gestalt heraasgegebea toq
Jakob Baeghtold. Freibarg i. B. and Tübiogen , JGBMohr (Paul Sie-
beck), 1882. xn und 191 ss. 4^ — 5,60 m.*
Der inhaber der Mohrschen Verlagsbuchhandlung, dessen
rührigen eifer unsere Wissenschaft widerholt dankbar anzuer-
kennen hatte, gedenkt eine reihe classischer dichterwerke der
neueren zeit, die in verschiedenen bearbeitungen auf uns ge-
kommen sind, in der ari herauszugeben, dass die einzelnen texte
neben einander vollständig abgedruckt werden, wie das bekaant-
licb in England und neuerdings auch bei uns mit litterarischea
denkmalern Öfter geschehen ist. den anfang macht Goethes Götz,
in dreifacher gestalt herausgegeben von Jakob Baechtold.
Schon nach dieser ersten probe, die in angemessener aus-
stattung vorliegt, erscheint es kaum zweifelhaft dass der gedanke
zu diesem unternehmen in keiner glücklichen stunde gefasst ist.
die beiden Heliandrecensionen konnte man wol neben einander
stellen, weil jede für sich eine sprachlich eigenartige physiognomie
zeigt: grammatisches interesse rechtfertigte hier was durch ein
l* vgl. Litt. ceatralM. 1882 nr 51. — Zs. f. d. österr. gymo. 1883
s. 217 ff (älWenier).]
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296 BABGHTOLD COETBES GÖTZ
philologisches bedürfnis nicht gefordert war. aber eine gleiche
art der herausgäbe ist beim Götz nicht blofs unnütz, sondern ge-
schmacklos, die drei Fassungen, welche abgedruckt sind, waren
alle bereits herausgegeben, die urgestah aus dem jähre 1771,
die ^geschichte Gottfriedens von Berlichingen' (A) kennt man bis-
her nur aus den Nachgelassenen werken, wo der text willkürlich
verändert und modernisiert ist. mit erstaunen erfilhrt man aus
B.s Vorwort dass auch sein abdruck nicht auf dem original, son-
dern auf jener unzuverlässigen widergabe beruht wenn es nicht
möglich war, die handschrift des ersten entwürfe ausfindig zu
machen, hatte die ganze ausgäbe des Götz unterbleiben müssen,
da diese nur durch die benotzung des Originals selbständigen wert
für die forschung gewinnen konnte, die beiden anderen Fas-
sungen, welche die neue ausgäbe bringt, sind ISngst bequem zu-
gänglich: das 'Schauspiel' (B) von 1773 in DjG (2, 242 ff), die
erste bühnenbearbeitung (C, Heidelberger hs. 363) durch den ab-
druck von GWendt. freilich der herausgeber hat, wie er in der
vorrede bemerkt, für beide die primären quellen benutzt: für den
text B die Originalausgabe von 1773, während in DjG die 'zwote
aufläge. Frankfurt am Mayn bey den Eichenbergischen erben 1774'
zu gründe liegt, und die widergabe der bühnenbearbeitung be-
ruht auf einer neuen 'äufserst sorgfältigen und ergibigen coUation'
der hs. durch herrn stud. phil. Holthausen. wir sind gewis dafür
alle von herzen dankbar und hätten ein schlichtes Verzeichnis der
daraus sich ergebenden berichtigungen gern hingenommen, aber
berechtigten diese bei erneuter nachprüfung gefundenen Schnitzel,
noch einmal die vollständigen texte in extenso abzudrucken? der
gelehrte den es angeht kann doch Varianten lesen und sich die
correcturen in seine exemplare des Jungen Goethe, der Wendt-
schen ausgäbe eintragen, das grofse publicum aber? nun, das
lacht, es lacht aus voller kehle über den grofsen zopf, welcher
der jungen Wissenschaft, die Goethes namen trägt, hinten hängt,
und es hat ein recht dazu.
Indes ich wollte nichts sagen, wenn die angewandte methode
würkliche vorteile brächte, ich wollte den neuen abdruck von
längst bekanntem sogar mit freuden begrüfsen , wenn daraus ein
lebendiges bild sich aufbaute der künstlerischen entwickelung des
dichters, des allmählichen ausreifens seines Werkes, vielleicht
lassen sich die Verschiedenheiten der bearbeitungen , die gründe
der änderungen, wenn man die vollständigen texte bequem neben
einander vor äugen hat, deutlicher und anschaulicher erkennen
als aus zerstreuten Varianten? auch den kurzsichtigsten muss die
voriiegende ausgäbe vom gegenteil überzeugen, es ist eine wahre
quäl — der ausdruck ist nicht zu stark — diese drei Götztexte
so neben einander zu lesen, es zeigt sich dass die abweichungen
bei weitem nicht so stark sind, dass sie den eigentlichen körper
des kunstwerkes getroffen hätten, wir sehen auf weiten strecken
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BiECHTOLD GOETHES GÖTZ 297
dreimal daasdbe vor uns, in gleicher geatalt, nicht verBchieden
bis auf das äufsere gewand, das hin und wider verschoben ist.
wo stärkere Änderungen Torgenommen , scenen umgestellt oder
durch andere ers^t sind, lässt die druckeinrichtung erst recht
im stich, wenn in den drei spalten dreierlei ganz vergcbiedene
scenen, ohne dass sie in den typen sich von einander unter-
scheiden, vor uns stehen, werden wir völlig verwirrt, das singe
findet überhaupt in der äuiseren gestalt des druckes gar keine
untersttttznng: alles ist so unübersichtlich wie möglich, es hätten
durdiaus verschiedenartige typen, einklammerungen, einrückungen
usw. angewendet werden müssen, ich möchte den sehen, der
es auf sich nilhme, durch diesen dreifachen Götz sidi hindurch-
zuwinden: mir ist jedesfatb, wo und so oft ich auch anfieng zu
lesen, in höchstem grade übel zu mut geworden ob des unent-
rinnbaren dreierlei , das alle sinne förmlich einschnürt und Ifthmt.
schon das doppeltsehen ist eine unangenehme empfindung, aber
in nüchternem zustande dreifach sehen zu müssen ist um vieles
widerwärtiger.
Wer an den verschiedenen Götzbearbeitungen die entwickelung
Goethes kennen lernen will, dem ist durch den hübschen aufsatz
von Sauer über die zwei ältesten fassungen in den Studien zur
Goethe -Philologie 117 ff und Brabms vergleichung der bühnen-
bearbeitung (Goethe -Jahrbuch n 190) ganz ausreichend gedient
wen die geschichte der spräche Goethes interessiert, für den ist
vor allem wichtig der abdruck der zweiten bearbeitung in der
ersten gesammtausgabe von 1787 (Goethes Schriften bei Göschen.
2 bd.), dessen erhebliche abweichungen von dem ersten druck
des ^Schauspiels' die vorliegende ausgäbe nur in den Varianten
anmerkt.
Das Vorwort gibt im anschluss an Sauers bemerkungen
(aao. s. 117 — 120) auskunft über die drucke und handscbriften
des Stücks, teilt den theatevzettel zur ersten Weimarer anfTührong
der btthnenbearbeituttg mit und nochmals die bruchstücke des
zweiteiKgen Götz vom jähre 1819, die bereite zweimal veröffent-
licht waren.
So viel ich bei der ersten prfifung sehen konnte, ist der
herausgeber sehr sorgüiltig gewesen und sind seine abdrileke zu-
verlässig, eingehendere beschäftigung mit denselben, wozu ich
in der nächsten zeit ankss genug habe, wird hoffentlich dies
urteil bestätigen.
Eine kritische ausgäbe des Götz, der durch die vorliegende
'dreifache' der markt verdorben ist, wäre sehr zu wünschen, soll
sie rein wissenschaftlichen zwecken dienen, so müste sie die erste
fassuDg und zwar entweder die * geschichte' nach der original-
handschrift oder das ^Schauspiel' nach der ersten ausgäbe bringen,
ans den (kbrigen bearbeitungen müsten die abweichungen in der
form von Varianten unter dem text chronologisch geordnet Ter-
A. F. D. A. IX. 20
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298 BIBCHTOLD G0BTHE8 GÜTZ
einigt werden, so erhielte man eine wOrklicbe geschichte des
dramas. will man aber auf ein grOfseres publicum rechnen, das
naivere interessen hat und dem in erster reihe die freude an
dem vollendeten Kunstwerk steht, wie es aus der feilenden band
des dichters zuletzt hervorgegangen, so muss man von der letzten
erreichbaren bearbeitung des dichters ausgehen dh. von der fas-
sung, die Goethe in der ausgäbe letzter band dem vulgflrtexte
von 1787 gegeben hat, wobei nur das ausgeschieden werden
muss, was einer philologischen Untersuchung als nicht von Goethe
herrührend sich erweist: die Varianten haben dann rückwärts alle
früheren ausgaben zu verfolgen, hatte der herausgeber seine
kräfte und seinen fleifs, mit denen er unserer Wissenschaft wider»
holt schätzenswerte dienste geleistet bat, einer dieser beiden auf-
gaben gewidmet, wie viel dankbarer waren wir alle ihm gewesen!
so ist zu bedauern dass er zeit und arbeit an ein nichtiges werk
verschwendet hat.
Berlin, den 19 februar 1883. Konrad Burdach.
Die reiigioDen der earopiitehen cultorvAlker, der Litauer, Slaveo, GermaueD,
Griechen ood Römer, io ihrem geschichtlicheo urspriiDge. von Julius
LipPERT. BerlJD, Tbeod. HofmaDD, 1S81. xvi nnd 466 ss. 8^ — 8 m.
Cbristentom, Volksglaube nad Tolksbranch. geschichtliche entwicklane ihres
Torstellnngsiohaltes. von Julius Lippert. Berlin, Theod. Hofmann,
1882. XVI und 696 ss. 8^ — 10 m.
In den beiden vorstehenden büchern, wie in einem dritten
früheren werke Der seelencult in seinen beziehungen zur alt-
hebräischen religion, will der Verfasser den seelencult als die
äufserste wurzel der religion nachweisen , wahrend er in der aus
der naturbetrachtung hervorgehenden mythenbildung etwas viel
spateres erkennt, damit der leser dies ganz begreife, wird er
ersucht, alle drei genannten werke als ein ganzes anzusehen«
obgleich ich nun bekennen muss dass ich Lipperts erstes werk
nicht gelesen, und obgleich ich von den beiden anderen, die ich
übrigens von anfang an bis zu ende durchstudiert habe, hier
nur die das deutsche ahertum betreffenden abschnitte zu be*
sprechen beabsichtige, so glaube ich doch durch diese be*
scfarankung meinen überblick über die gedankengange des verf.s
in keiner weise zu bednUHchtigen. denn seit mehreren jähren
bewege ich midi in demselben forscbungskreise. auch ich glaube
in dm sedencult schon vor längerer zeit den ausgangspunct
der religionen erkannt zu haben; wenn ich auch, um es so-
gleich zu sagen, von diesem puncte aus zu wesentlich anderen
zielen gelangt bin als Lippert. auch war ich mir nicht, wie der
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LIPPERT BELIOIONEN I>£R EUROPÄISCHEN CDLTCRVOLKER 299
Terf., der völligen neuheit dieser anschaaung bewust, war sie
doch schon von Giamb. Vico, der ebenso sinnig wie unphilologisch
die Aifffiaiitlra« direct von humare, dem anfang des tolencnltes,
ableitet, im vorigen Jahrhundert verkündet worden ; und seitdem
Theodor Waitz und Adolf Bastian vor ein par Jahrzehnten ihre
ethnologischen schätze ausgebreitet, haben mehrere bedeutende
englische forscher, wie ETylor in seiner Primitive culture und
HSpencer in seiner Sociology, dieselben benutzt, um den seelen-
cult als die urreligion der menschen und auch dessen fortleben
selbst unter den gebildeten Völkern der gegenwart darzulegen.
Tylor ist der vor- und umsichtigere und steigt von dem toten-
cult vermittelst des ^animismus' zur mythenbildung empor, wah-
rend der schroffere Spencer schliefslich dem euhemerismus ver-
filllt. L. steht zwischen beiden etwa in der mitte, bei der
deutung der den höheren göttem beigelegten eigenscbaften neigt
er stark dem Spencerschen euhemerismus zu, im Obrigen hAlt
er sich an Tylors grundanschauungen, zu denen auch die com-
patibilität und die survivals gehören, die L. rudimente nennt ich
kann demgemafs die L.sche anschauung, die er seine theorie,
seine grundhypothese nennt, nicht neu und ihm eigentümlich
finden, insbesondere nicht, soweit sie mir richtig erscheint; es
hat mich hingegen sehr überrascht dass in dem ersten zu be-
sprechenden buche Tylor nur einmal und noch dazu als Taylor,
im zweiten nirgends erwtthnt wird, auf dem gebiet der euro-
päischen mythologie neu und leider auch meist verkehrt ist sie
nur in so fern, als sich ihr auch die höheren götter beugen
sollen , relativ neu mag sie auch , als die mehr ethnologische an-
sieht, gegenüber der rein philologischen, die noch (die herschende
ist, genannt werden.
Die mflngel Und Vorzüge der L.schen forschung zeigen sich
in den beiden oben genannten werken nicht ganz gleichmflfsig;
das zweite verrflt eine eindringlichere Sachkenntnis, zb. in der
deutschen sagenlitteratur, und verirrt sich nicht, da es sich auf
volkstümlichen brauch und glauben beschränkt, in die mythen-
und götter deutung, wie das erste, wenn wir unser urteil nur
aus einzelnen partien dieser bücher belegen, so hat das den oben
angeführten grund. diese partien bilden im ersten werke (ReK-
gionen) die erste httlfte s. 1 — 243, in welcher nach einer
einleitung über das wesen des seelencults der lebens- und vor-
stellungskreis und dann die religion der Litauer, Slaven und
Germanen behandelt wird, wahrend die zweite hälfte (s. 244 — 488)
den Griechen und Römern gewidmet ist. von dem zweiten werke
(Christentum) entzieht sich dagegen der erste teil (s. 1 — 376): ^das
Christentum in seiner Verwandtschaft mit den vorchristlichen cult-
vorstellungen' der kritik dieses blattes, die sich widerum mit dem
zweiten teile (s. 377 — 685) 'unser Volksglaube und volksbrauch'
zu beschäftigen hat.
20*
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300 LIPPBRT RELIGIONEN DER SCROPitSCHEN CCLTURfOLKER
Der erste hauptvorwurf, den wir L. machen müssen, ti*iSt
nach dem schon gesagten mehr die Religionen als das Christen-
tom, nümlich der der einseitigkeit. auch L. hat der flach
der meisten mythologen ereilt, die sucht, ans einem einzigen
lieblingsmotiv wo möglich alle haupterscheinungen heidnischer
religiott abzuleiten und zu erklären, in der theorie zwar be-
streitet er nicht die mitwflrkang 'kosmologischer und kosmo-
gonischer speculation ', in der praxis aber tragt er ihr nicht im
mindesten rechnung. er kann sich nicht genügend rechtfertigen
durch die erklarung, dass er nur die alteren begriffsbildungen im
seelencnlt, nicht dagegen den geltungsbereich und historischen
wert jener höheren Systeme nachzuweisen beabsichtige, wenn er
gegebenen falls den bestand der letzteren gflnzlich läugnet und
die alleinherschaft des seelen-, bez. ahnencultes auch für die
historische zeit der Litauer, Slaven und Germanen proclamiert.
hei den letzteren ist ihm zu folge zu Tacitus zeit keine spur
eines fetisches des himmels oder der sonne oder des donners zu
entdecken, aoch wenn man den ausdruck ^fetisch', der doch
wol besser auf diejenigen von einem geist bewohnt gedachten
dinge, die innerhalb der machtsphäre des menschen liegen, be-
schrankt bleibt, passieren lAsst, enthalt dieser satz eine vollständige
verkennung des damaligen Standes des germanischen glaubens.
die von Caesar und Tacitus vorgeführte gOtterreihe schmettert der
verf. nieder, indem er behauptet, die von jenem genannten gott-
beiten seien aus der fakchen Voraussetzung heraus den Germanen
gegeben, dass diese eine ^naturreligion' haben müsten, weil sie
noch nicht, wie die gebildeten ROmer, zum Verständnis einer Ober-
sinnlichen gottbeit gelangt sein konnten, wie mit den taciteischen
umgegangen wird, darüber wird uns weiter unten ein beispiel
belehren, ich erspare mir hier den billigen gegenbeweis jener
behaoptung aus rücksiebt auf den räum , die gedold der leaer
und auf Jakob Gnmm, der meines erachtens schon vor einem
halben Jahrhundert denselben vollständig geliefert hat. ich will
hier nur auf zwei puncto hinweisen, die den verf. vielleicht besser
tiberzeugen, da sie ganz innerhalb seines lieblingsgedankenkreises
liegen, unter jenen fetischen vermissen wir den wind oder stuttn.
warum? L. benutzt ja hier und da die Vorstellung der seele als
geist oder atem, aber eine andere von der seele als blat ba-
ichäfligt ihn weit mehr, nun mag die letztere für die erklfirung
mancher cultgebrauche die wichtigere sein, in der ersteren aber
steckt weit mehr mytheniMidende kraft, hatte L. nun berOck-
sichtigt dass die winde als hauche der menschenseele von den
verschiedensten vOlkern der erde aufgefasst wurden, so hatte er
wenigstens Milien Übergang von den seelen zu den windgeistem
und gottern dh. natargottheiten gefunden und er würde unsem
armen Wodan, den taciteischen Mercurius, der m unswer zeit
schon so vieles sich hat gefallen lassen müssen, nicht Eum biofsen
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LIPPBRT RELIGIONEN DER EUROPÄISCHEN CtXTDRVdLKBR 301
schuUgeist der viehpflege und des rinderdiebstabls herabgesetzt
haben, nebenbei bemerkt, auch des verstorbenen Maniüiardts
so gediegene Wald - und feldculte würden eine festere grundlage
gewonnen haben, wenn er erkannt hatte dass die windgeister des
Waldes und feldes aus den seeien hervorgegangen sind, wtthrend
er das umgekehrte annimmt, weiter erinnern wir den verf. an
seine unsers bedünkens richtige bebauptung Rel. s. 89 : *drei-
bis vierhundert jähre der sesshaftigkeit und gescbichtsbildung
reichten (bei den Slaven) nicht aus zur Schaffung einer mytho-
logie, sie konnten zur not die 8agenstoffe(?) liefern/ nun aber
steht es fest dass die germanische heldensage bereits um 600
n. Chr. im grofsen ganzen fertig war: die Germanen hatten also
seit Tacitus zeit in etwa fOnfhundert jähren nicht nur eine voll-
sUndige mythologie, sondern auch eine der gewaltigsten beiden*
sagen zum abscbluss bringen können I die Nibelungensage zb.
rechnet doch auch L. zu den eigentlich deutschen, nicht zu den
arischen ursagen und nennt sie eine halbgeschichtliche (ReK
s. 215), also doch wol halbmythische sage, welch ein feines Ver-
ständnis des inhalts derselben er aber besitzt, das Utest die be-
bauptung s. 144 (vgl. Christen!, s. 497) ahnen, dass alle dracben-
kampfgeschichten von Siegfried, Beowulf bis Sand Georg nur auf
raub von grabern zurückgehen, deren von der seeie in dracben«
gestalt behütete schätze der held gewinnen wolle, wir werden
an die geistvollen deuter des Nibelungenhortes erinnert, die in
demselben die ergibigen RheinzöUe oder den besonders im ge-
räucherten zustande so goldigen lachs erkannten.
Zu dieser einseitigkeit der auffassung gesellt sich als zweiter
fehler eine durchaus ungenügende Sprachkenntnis, ohne welche
die hier so häufig nötige namendeutung , geschweige denn eine,
philologische kritik unmöglich ist dies muss um so stärker her-
vorgehoben werden» als der verf. sich nicht scheut, an mehreren
stellen die ernste arbeit wissenschaftlicher etymologie zu ver-
spotten, während er selber sich durch blofse gleichklänge teuschen
lässt ein beispiel genüge! Rel. s. 359: ^gegen eine einfache Zu-
sammenstellung von ij^tag und r^Q^ (Hera) wie Fr6 und Frea
sträubt sich noch die etymologie, die sich wunderbarer weise
gegen die ableitung von skr. war, zend. hvar und lat sol nicht
sträubt' der verf. befindet sich also in gleicher läge mit den-
jenigen leuten, die noch heute die Kopernikanische Weltanschauung
wunderbar finden, vor der mystik der sanskritwurzeln sich be-
kreuzigend, geht er auf eigenem ^realistischen' wege den wOrtern
zu leibe, aus dem von ihm angelegten garten neuer etymologien
hebe ich nur ein besonders üppiges unkraut heraus, ^wüste hflupter
schüttelnd und tausendfältigen samen um sich streuend.' man lese
Ret s. 124: ^wer ist nun Tuisco? was immer vielleicht sonst
noch, sicher nach jener (des Tacitus) Zusammenstellung auch des
Mannus gott nach Zeufs (s. 72), Grimm ua. sei ri<^tig rtusco
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302 LIPPEKT RELIGIOTTEN DER EUROPiüSGHBN CCLTÜRVOLKER
umzustellen und das wäre sieber eine gleiche ableitung von Tiu
wie mannisco von mann, dieses 7m nun gestatte ich mir fflr
eine gottesbezeichnung aus der grofsen gruppe der seelen-geist-
namen zu halten, wenn Schade (Altdeutsches wb. 2 aufl.) tior
zusammenstellen kann mit einer wurzel, woraus das Spiegelbild
des bekannten verhftltnisses Ton animal und emtiiia hervorgeht,
so muss es erlaubt sein, auch in Tiu dieselbe wnrzel zu suchen
und zu finden, dann wäre dieses Tiu ein uralter name fflr ^geist'
aus derselben wurzel wie das slavisdie duch. ... ich wage
nicht auf etymologien zu viel gewicht zu legen, aber diese Zu-
sammenstellung liegt doch sichtlich naher, als die ableitung von
einem nordischen Tyr, der wegen des dienstages allen Germanen
aufoctroyiert wurde.' wer hat lust, diesen rattenkOnig von irr-
tOmern zu entwirren , dessen erscheinung selbst vor dem Zeitalter
des lautversehiebungsgesetzes grofse bestürzung hervorgerufen
haben würde I leider hat sich im Christentum die etymologische
kunst des verf.s nicht gebessert , wie die deutung von hdlia,
Wodan ua. dartut.
Drittens ermangelt der verf., zumal in den Religionen, einer
ausreichenden sachlichen kenntnis. von einer umfassenden qoel*
lenforschuog ist keine rede, auch die einseblsigigen grofsen Unter-
suchungen Müllenhoffs und Mannhardts scheinen ihm völlig oder
zum grOsten teil unbekannt zu sein, dagegen polemisiert er
häufig gegen Zeufs, der bei all seinen Verdiensten doch kaum
zu den mythologen gerechnet werden kann, und schöpft mit ver-
liebe aus Rühss veralteter Edda.
Unter solchen umständen war eine methodische Untersuchung
nicht möglich, und man muss sich wundern dass der verf. trotz-
dem durch ein labyrinth von irrtümern hindurch, zumal in seinem
jüngsten buch, zu manchem richtigen ergebnis gelangt ist. seine
Religionen enthalten nicht nur einige sehr brauchbare mittei-
lungen über litauischen und slavischen seelendienst, sondern auch,
was er in dieser schrift über das einmauern von kindern, den
minnetrunk, das Hubertusfest, die Uoten weiber' und das Ver-
hältnis des Christentums zum heidentum sagt, verdient alle be-
achtung. weit reicher aber an solchen schätzenswerten ab-
schnitten ist die germanische häUte seines zweiten Werkes, von
denen ich die auf die totenbräuche und das geisterwesen bezüg-
lichen anerkennend hervorhebe, dagegen scheinen mir die mitt-
leren capitel, die vom Verhältnis der priesterlichen zur könig-
lichen gewalt, von der mahlstatt und von Roland handeln, trotz
mancher treffenden bemerkung auch manches höchst bedenkliche
zu enthalten, und Zopfls hier stark hervortretender einOuss dürfte
nicht günstig gewesen sein, hinwiderum findet man in den ab-
schnitten über die fetischbräuche in haus und feld und über die
jahresfeste viele brauchbare bausteine zur herstellung einer ger-
manischen heortologie , wobei man allerdings die nichtbenotzang
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UPPERT RELIGIONSN DER EUROPÄISCHEN CCLTURVÖLKER 303
der wertToUeo einscfalageoden uatersuchuogen Mannhanhs und
Pfannenschmids sehr bedaaem muss.
Ist das lob im Verhältnis zum tadel etwas knapp oder wenig-
stens etwas allgemein ausgefeUen, so liegt das an der ungewöhn-
lichen fülle cum widersprach reizender behauptungen dieser
büeher, von denen doch immerhin nur einige wenige beispiels-
weise besprochen werden konnten, andererseits erkenne ich be-
reitwillig das verdienst des verf.s an, das darin besteht, dass er
einen richtigen ausgangspunct im seelencult gewählt und dessen
weite Verzweigungen durch die vorstellungsweit mehrerer cultur-
volker oft glücklich verfolgt, dass er das treiben der plebs su-
perum, wie Ovid sie nennt, dh. all der kleinen gOtter und geister
aufzuhellen sich bemüht und manchen anregenden gedanken in
die mythologische betrachtung geworfen bat.
Freiburg i/Br., 6 december 1882. Elard Hogo Meter.
LiTTXRATORNOTIZBN.
FBlau, Die deutschen landsknechte. ein culturbild. mit 52 holz-
schnitten, 5 photolithographischen tafeln nach ADürer, HHol-
bein, VSolis, Jost Amman ua. und einem titelblatte nach Hans
Holbein, zweiter abdruck. Görlitz, CAStarke, 1882. vui und
144 SS* 4^. 6 m. — das bauptinteresse bei diesem buche
wie bei so vielen anderen der letzten jähre ruht auf den zahl-
reichen illustrationen , welche, zumeist LFronspergers Kriegs-
buche entnommen, in der tat sich als recht gut reproduciert
erweisen, denn der begleitende text bringt gegenüber WBar-
tholds werke George von Frundsberg oder das deutsche kriegs-
handwerk zur zeit der reformation, Hamburg 1833, s. l**-85.
250 ff usw. kaum etwas wesentlich neues, folgt viehnehr
Bartholds darstellung sowol in der ganzen anläge wie auch
sehr häufig im ausdrucke, doch hat der verf. daneben auch
Bartholds quellen zu rate gezogen und in reicherem mafse
als dieser, wenngleich nicht erschöpfend (vgl. zb. die lieder
Germ. 25, 91 ff), die poesie der landsknechte und ihr reQex-
bild in der zeitgenössischen deutschen litteratur berücksichtigt.
Hbirricu Bulthacpt, Dramaturgie der dassiker. ii band. Shake-
speare. Oldenburg, Schulze (CBerndt & ASchwartz), 1883.
Uli und 397 ss« gr. 8^ 5 m. — diesem zweiten bände des
BuUhauptscben Werkes darf man dieselben Vorzüge wie dem
ersten nachrühmen, auch wenn man seinen slandpunct gegen-
über Shakespeare nicht unbedingt teilt, er. hat unzweifelhaft
einwendungen und bedenken erhoben, die sich hören lassen
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304 LITTBftATUBNOTUEM
dürfen und in erwägung gesogen werden müssen, sein buch
bildet ein heilsames gegengewicht gegen die Ludwigschen Shake-
spearestudien, welche für unsere moderne litteratur, so schätz-
bar sie dem gelehrten sein mögen, ebenso wenig als für Ludwig
selber von nutzen gewesen sind, unter den gegenschriften gegen
die Shakespearomanie verdient das vorliegende buch den ersten
platz und nicht zum geringsten teile aus dedi gründe, weil
es sich von jeder absichtlichen Verkleinerung des dichters fern
halt und durchaus mit ehrlichen , wenn auch nicht immer mit
siegreichen waCTen kflmpfl. Mimob.
HFoNCK, Beiträge zur Wieland ^biographie. aus ungedruckten
papieren herausgegeben. Freiburg i/B. und Tübingen, JCBHobr
(Paul Siebeck), 18S2. 55 ss. 8«. 2,40 m. — mit dieser
Schrift begrüfste F. die germanistische section der Karlsruher
philologenversammlung. sie bebandelt Wielands Verbindung mit
zwei Karlsruhern, den hofräten Reinhard und Ring. F. teilt
aus dem bad. generallandesarchiv und dem Ringschen nachlass
in Freiburg 18 bisher unbekannte briefe des dichters und
einige antworten der adressaten mit. wichtiger als die über-
wiegend dem debit des 1773er Agathon und des Merkur gel-
tende correspondenz mit Ring, bei welcher nur einzelne interes-
santere bemerkungen mit unterlaufen, sind die zwei schreiben
an Reinhard: es erhellt daraus dass W. seinen erst 1758 ge-
druckten Plan einer academie schon 1755 entworfen und 1756
fertig ausgearbeitet hat und zwar aus anlass der reform des
Karlsruher gymnasiums, in welcher sache sein rat von Reinhard
erbeten worden war. — die den texten beigegebenen knappen
erläuterungen beweisen dass der herausgeber mehr localhisto-
risches Interesse als litterargeschichtliche neigungen hat.
Artub Hazelids, Bidrag til vär odlings häfder. 1. Finland i
nordiska museet, nSgra bidrag tili kdnnedomen om Finnarnes
gamla odling af Gostaf Retzius. med 25 trfisnitt samt en
karta Ofver Finland. Stockholm, Beijer, 1881. 176 ss. 8<^. —
2. Dr de nordiska folkens lif. skildringar utgifna af Artor
HAZBLfus. auch mit zahlreichen bolzschnitten. Stockholm,
Beijer, 1882. 2 hefte. 160 ss. 8^ — Le mus6e d'ethno-
graphie scandinave k Stockholm fond6 et dirigö par le dr Arthur
Hazelius. notice historique et descriptive par SHKrambr. deux.
M. Stockholm, Norstedt, 1879. 64 ss. 8®. — diese BeitrSge
sind eine Zeitschrift für schwedische culturgeschichte , z. U in
form einer erklarung der elhnographischen gegenstände im
Stockholmer museum.
Das erste heft ist Finnland gewidmet und von Retzius ge-
arbeitet, der hierbei die resultate seiner in dem buche Finska
kranier 1879 niedergelegten Studien verwertet Inhalt: histo-
rische Übersicht, die culturwtfrter der finnischen spräche (zwei
schiebten , folgerungen auf den alten culturzustand nach Ahl-
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LITTBRlTnUfOTlZBlf 305.
qvist, Fonkniogar pä de Ural-alUnka spräkens omride, 2 teil
De TestfiDska sprikens kuUurord, HeUingfors 1871), die flo-
niache eultur zur Kalevalazeit, -^ Fioolaads natur, ihr ein-
fluss auf den volkaebaracter , kätor, eine art hottea, arbeiten
aus birkenrindOt aekerbau, Jagd, fiachfang, sehiffe, räucher-
kammern fflr fische, badsluben, baden, stalle, wagenscbuppen,
fahrwedie, fraoht, geseUschaftiiche verbfiltniaae, nabning, ge-
Duaamiltei, geaang (mit überaetznngen), kanteleaptel, tanz, feste,
brautwerbvng, hochzeit, begrabois, friedhöfe, aberglauben, —
be?elkerungastatiatik , raGacharaetere. --• die zweite abteilung
enthält eine beschreibang der finnischen Sammlung im Stoek-
bolmer mnaetuii. onter den anthropologischen und ethnogra*
phiachen sind einige sogenannte prähiatorische, dann schUdel,
kleidungsstücke, abbildungen von Wohnhäusern, jagdgerät, Waf-
fen, kttchengerftte, esszeog, spinn- und webegerat, brote, tabaks-
pf^en, musikinstrumente — sewol der finnisch* als schwediscii-
redenden bevolkerung Finnlands — , einige gedenkmOnzen. —
dann finaische iitteratur und litteralar über Finnland; publi-
cationen gelehrter gesellschaflen , Zeitschriften, samm^werke,
geographie, topographie, reiaebeachreibungen, karten, abbil-
dungen, aehriflen über finnische antbropologie, ethnographie,
über finnische spräche, über finnisches gemeinwesen und Volks-
wirtschaft, finnische altertumskunde und geschichte, finnische
biograpbien.
Die zwei hefte Nordisches Volksleben von Hazelius be-
schafUgen sich mit Schonen, der herausgeber hat nur einen
bericht ttber einen grolsen alten bauernhof mit ^smalereien
und scfanitzwerk beigesteuert, aufserdem finden wir eine Schil-
derung des julfestes 1820 von Mandelgren, und einen aufsatz
Ober schonisches Volksleben 1790 von Svanander. alles übrige
fliammt von Eva VigstrOm (s. Germ. 27, 115. 28, 107): volks-
aittsn, beobachtet auf einer vom nordischen museum veran-
lassten reise 1881, Schilderung einer hochzeit im dialect ge-
schrieben, erzählungen aus dem volksmund aufgezeichnet, z. t.
im dialect. ein marcben: die hasen des kOnigs. etwas ähn-
lich Grimm KHM n nr 165 der vogel greif, näher verwandt
nr 96 von Asbjernsens Norske folke eventyr, 1871, und nr 10. 11
von Kristensens Aeventyr fra Jylland, 1881. scbliefslich scho-
nische Volkslieder mit anmerkungen von SvGrundtvig, zu dessen
Sammlung sich hier -manche parallele findet.
Trotzdem die genannten ahhandlungen nicht streng wissen-
scbafUichen character zeigen, erhält man den günstigen ein-
dmck, dass in Schweden die culturhisioriscben Studien systema-
tisch und mit bedeutenden mittein betrieben werden , und dass
sie sich mehr mit den gegenwärtigen verhäUnissen beschäftigen
als dies bei uns geschieht. R. Hbuvzbl.
Fbarz Kern, Die deutsche Satzlehre, eine Untersuchung ihrer
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306 LITTERATURKOTIZElf
gruQdlägen. Berlin, Nicolai, 1883. iv und 111 ss. S\
1,80 m. — 'die bineinmengung logischer abstmctionen hat
der Wissenschaft der grammatik und noch mehr der schul-
mannischen praxis des grammatischen Unterrichts unsäglich ge-
schadet und tibt noch immer ihre verderbliche warkung aus.'
wer die Wahrheit dieses satzes, mit dem derverf. beginnt, an
sich oder anderen erfahren hat, wird seine erörterungen und
vorschlSige zur Vereinfachung der grammatischen lerminologie
mit freuden begrttfsen, auch wenn er sie teilweise modifldert
oder ergänzt wünschte. Kern erkennt mit recht das wesen
des satzes im verbum flnitum und bekämpft die identificierung
des satzes mit dem logischen urteil, for die ohne verbum aus-
gesprochenen Worte und Wortverbindungen fehlt ihm eine be-
nennung. ich nenne dieselben von unserem beutigen stand-
puncte aus 'unvollkommene sätze', denn die annähme des nd>en-
eioanderbestehens verschiedener grammatischer typen des satzes
halte ich fQr unabweisbar und auch zur erklärung des geschicht-
lich gewordenen sehr dienlich, vgl. meine Offridsyntax ii § 89.
90. sehr mit recht wendet K. sich ferner gegen den misbraudi
des Wortes 'copula'; ebenso gegen die benennung ' hil fs-
ver ba', deren gedankenlose anwendung so manchen hat ver-
gessen lassen dass auch haben, sein, mögm ua., obwol sie in
Verbindung mit einem infinitiv oder particip dazu helfen,
temporale und modale Unterscheidungen genauer zu bezeichnen,
als dies dem einfachen deutschen verbum möglich war, niemals
aufgehört haben, das volle und einzige verbum ihres satzes zu
sein — eine verkennung, die zb. bei der lehre von der Wort-
stellung viel Unheil angerichtet hat. mit scharfer satire wird
der misbrauch verfolgt, nominalformen oder gar ganze Wort-
verbindungen als 'Präpositionen' zu bezeichnen, vielleicbt
zu weit geht die Verdammung des Wortes Partikel'; fttr die
abschwächung des pronomens der (welche nicht nur in ge-
ringerer betonung sich zeigt s. 80, sondern auch ein beson-
deres gebiet des gebrauches kennzeichnet, die dü^a^ %9v vov
des ApoUonittS) wird eine kurze bezeichnung immer erwllnsdit
sein, ganz einverstanden dagegen bin ich mit der bekämpfung
der teils unwahren, teils geschmacklosen bezeichnungen : ^ver-
kOrzte, nackte, bekleidete, zusammengezogene
Sätze'; gegen die nach meiner meinung mindestens ebenso
verwirrenden benennungen ^adjectiv-' und 'adverbial-
satz' scheint K. keine polemik mehr für nötig zu halten.
Verkannt scheint mir s. 53 die constmction der Goetbe-
schen werte : lächelst, fremdUng, über meine frage ; ich zweifle
nicht dass fremdling als vocativ gedacht ist
Möchte das schriftchen in recht weiten kreisen zur kläning
der begriffe über die aufgäbe der grammatik beitragen I
Königsberg. Oskar EBOiUfiii.
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XITTBRATURNOTlZEn 307
FLiMNio, Bilder zur geschiebte der deutschen spräche. Pader-
born, Schoeningh, 1881. x und 490 ss. 8^ 6 m. — das
buch ist ohne eigenen wissenschaftlichen wert, eine fleifsige
aber in folge mangelnder sprachwissenschaftlicher bildung des
▼erf.s in der grOfseren ersten hälfte TerunglQckte compilalion,
in welcher die widerstrebendsten zum teil langst gefallenen an-
sichten wirr durch einander fahren, besser geraten als die bei-
den ersten abteilungen (1. die deutsche spräche in den verschie-
denen phasen ihrer entwickelung, 2. blicke in die geschichte der
spracfaformen) ist die dritte: culturgeschicbte in wortbildern,
wenngleich auch hier eine menge gewagter (abrigens durch-
weg bescheiden Torgetragener) behauptungen und gegen die
sprachgesetze Terstofsender erklflrungen mit unterlaufen, dies
urteil im einzelnen zu begründen ist nach den recensionen im
Litt, centralbl. 1882 nr40 und in der DLZ 1882 nr 31 (ESchrO-
der) nicht mehr nOtig. zu bedauern bleibt es dass sich für eine
so dankbare, schone aufgäbe die rechte kraft nicht finden will,
wie sehr rennissen wir ein buch, das wie seiner zeit Schleichers
Deutsche spräche den augenblicklichen stand unseres sprach-
gesehichtlichen Wissens mit vornehmer popularitflt darlegte.
F. LlCHTBlfSTEDf.
OLton , Minne - und meistersang. bilder aus der geschichte alt-
deutscher litteratur. Leipzig, ThGrieben (LFernau), 1883. vi
und 444 ss. S^. 6,50 m. — mit hilfe reichlicher ansauge
und meist recht gewandter metrischer Übersetzungen will der
verf. das grofse publicum Ober wesen und entwickelung des
altd. minne- und meistergesanges unterrichten, man muss
ihm nachrahmen (und dies lob lasst sich nur wenigen von
den zahllosen popularisierenden litterarhistorikern zollen) dass
er wenigstens die quellen sorgfaltig und in genügendem um-
fange gelesen hat, wenn er auch keineswegs auf der hohe der
heutigen forschnng steht: von den vielen den minnesängern
gewidmeten arbeiten der beiden letzten decennien ist seine
darstellung, wie es scheint, unberOhrt geblieben ; daher scheidet
er auch nicht gebarend zwischen ritterlichen sflngern und fah-
renden leuten und sieht Oberhaupt die dinge in einseitig ideali-
sierender beleuchtung. auch an versehen im einzelnen fehlt
es nicht; zb. s. 110 findet sich ein gotisches hnk angesetzt;
s. 273 wird in dem bekannten liedchen des anonymus Sper-
vogel (MF 30, 27) wur%$ des waUes das erste wort mit 'wurzeF
abersetzt; s.92 ist das referat aus Ulrichs Frauendienst 401, 13 ff
durchaus ungenau und schief ausgefallen und hat hier wie s. 143
zu falschen schlössen gefohrt.
FuBDR. Jon. freiherr vRedbn-Esb&ck, Caroline Neuber und ihre
Zeitgenossen, ein beitrag zur deutschen cultur- und theater-
geschichte. mit sieben kunstbeilagen. Leipzig, Johann Ambro-
sius Barth, 1881. 358 ss. 8^ 12 m. — mein urteil über
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308 LITTBBATURNQTIZÜM
dieses notweadige, aber kemeswegs verdieosüiche buch kann
sich nur dem allgemeinen urteile fast aller meiner kritischen
vorganger anschliefsen , welche über die monströse entfalUing
der Urkunden und die borrible zusammenscbweirsung des ver-
bindenden textes die kOpfe geschüttelt haben, die fleifsige aus-
nutzung von arcbiven, welche schier in der runden zahl von
einem halben hundert herangezogen werden, kann doch für
sich allein unmöglich auf den beifall der kritik anspruch
machen , sonst hätten wir in jedem polizeibeamten einen über-
legenen und des recherchierens weit kundigeren gelehrten col-
legen zu begrtlfsen. von der notwendigkeit » Über den gegen-
ständ, den man einmal coram publico behandelt, eigene gedanken
zu haben, wollen wir in zukunft doch ja niesiand mehr dispen-
sieren und uns nicht mit geistiger flickarbeit — am alier
wenigsten wenn auch die flicken alt und entkbnt sind — be-
gnügen, auch discretion in der mitteilung des minder wichtigen
und gänzliche verschweigung des unwichtigen wird fernerhin
nicht mehr zu entbehren sein, wir verlangen von einem autor
geistige, nicht blofse physische arbeit: und rohproducte, wie
das vorliegende, können auch nur auf den stofflichen gehalt
hin geprüft und anerkannt werden — der autor bleibt aus
dem spiele.
Wien. MiMOtt.
GRoBTHB, Sebastian Helbers Teutsches syllabierbttchlein (1593).
Freiburg und Tübingen, JCBMobr (PSiebeck), 1882. xn und
39 SS. 8^. 1,20 m. — Sebastian Helber, wahrscheinlich in
den dreifsiger jähren des 16 jhs. geboren, bekleidete von 1580
an des amt eines rectors der deutschen schule zu Freiburg i/Br.
dieser stelle wnrde er 1596 aus nicht ganz klaren Ursachen
enthoben, mit 1598 versiegen alle nachrichten über den mann.
sein gedftchtnis hat zuerst Gottsched auf grund desselben, jetzt
Berliner, exemplars des SyUabierfoüchleins erneuert, welches für
die vorliegende sorgftitige und dankenswerte edition benutzt ist;
denn nach dem erscheinen von JHüllers ebenso gründlichen
wie weit ausholenden Quellenschriften des deutschsprachlichen
Unterrichts bis zur mitte des 16 jhs. (Gotha 1882) verdienen
auch die späteren grammatischen hilfsmittel eingehendere be-
handlung, als ihnen im allgemeinen bisher zu teil wurde.
JSTARssn, Die Wortstellung der naehsütze in den ahd. ttber-
seliungen des MaUhflusevangeliums, des Isidor und des Tatian.
BeuthenO.S. 1883. gymn.-progr. nr 155. lOss. 4<^. — fieibige
Sammlung von beispielen mit hervorbebnng der vom laL original
abweichenden Ü\\e. von der im titel bezeichneten frage hatte
der gebrauch von etUi und oh im nachaatze ganz getrennt
werden sollen, da diese partikeln auf die worlstdlung ahd.
keinen einfluss üben; ich erkläre die sehr vereinzelten fälle
aus einer schon damals regelwidrigen anakoluthie. zunehmende
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LITTERATURNOTIZEN 309
regelmSirsigkeit bei Tatian gegenüber Matth. und leid, ergibt sieb
au» Starkers nachweisen namentlich für vorangestelltes ver-
bum des nachsatzes, sobald der Vordersatz mit relativem pro-
nomen (dtr, s4 wer usw.) oder zur conjunction gewordenem
adverb (dd, 9Ö, wA, ir ua.) beginnt, die nach meiner auffas-
sung (Otfridsf ntax i § 79) eigentlich als beslandteile des haupt-
satzes gedacht sind und eben deshalb das verbum desselben
heranziehen, aber die abweichungen von dieser gewohnbeit
betreffen auch bei Malth. und Isid. fast nur fälle, in denen eine
lateinische verbalforro durch zwei worte widergegeben ist (rt-
nUttetur >«■ forUzan wirÜt ; stMcitäko «> ih anoMu) ; ich nehme
daher lieber ungetlbtheit der Übersetzer in Überwindung dieser
Schwierigkeit ab würklich abweichenden Sprachgebrauch ihrer
lebendigen rede von dem der Tatianübersetzer an. nach be-
dingungssätzen mit tftv, oha, das ohne zweifei dem nebensatze
angehört, bewahrt der nacbsatz fast immer die allen faaupt-
Sätzen gebürende Stellung (verbum nach dem ersten nomen,
vgl. ABZ. vn t92).
Nach meiner auffassung jener Me kann ich daher nicht
zttgd>en (was St. anzunehmen geneigt ist) dass sich die Wort-
stellung der nachsätze im ahd. von der aller anderen hauptsätze
(alleinstehend oder mit nachfolgendem nebensatze) unterscheide,
vielmehr finde ich (Olfridsyntax i § 84) die differenzierung der
Satzarten in der Wortstellung desnebensatzes entwickelt,
über diese, namentlich auch über seine Stellung zu Tomanetz
(Relativsätze, Wien 1879) hat St. sich nicht ausgesprochen.
Dass nur nach Seiten und Zeilen bestimmter ausgaben ci-
tiert ist, kann ich nicht billigen, jeder der benatzten texte
bot eine eigene gliederung, die man in allen vorhandenen und
zukünftigen ausgaben widerfinden kann. 0. Erdmann.
PhStrauch, Pfalzgrsefin Mechthild in ihren Iitterarischen be-
ziehungen. ein bild aus der schwäbischen litteraturgeschichte
deslöjhs. Tübingen, Laupp, 1883. 68 ss. gr. 8«. 1,50 m.—
diese höchst fleifsige und vortrefQich ausgestattete kleine schrift,
ein im december vergangenen Jahres gehaltener Vortrag, sucht
in der hauptsache das fünfte capitel von Martins gnindlegen-^
der monographie über die hochbegabte fürstin , welches ihre be-
Ziehungen zur schönen litteratur behandelt, weiter auszuführen
und abzurunden, zugleich ist es dem verf. gelungen, eine
reihe bisher unbekannter daten zur biographie des Nicolaus
von Wyle und des Antonius von Pforr beizubringen : sie finden
sich in den anmerkungen 58 und 118 zusammengestellt, auch
über Püterich mehrere neue notizen anm. 31 (vgl. dazu jetzt
noch Zs. 27, 278 ff)- oicht ausreichend begründet scheint mir
die behauptung s. 8: 'die deutsche litteratur des 13. 14 und
15 jhs. war ihm [dem HvSachsenheim] in einer weise vertraut,
dass wir grund zu der annähme haben, Hermann verdankte
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310 LITTEftATOBNOTIZBfl
diese aufTallende belesenbeil der erzhenogin Mechlhild, indem
sie ihm die schütze ihrer bibliothek sugänglidi machte': denn
Martin in seiner ausgäbe der HOrin s. 29 f, auf den die note
verweist, vermutet nur dass Hermann den prosaroman ron
Herpin auf diesem wege kennen gelernt habe, einen unerheb-
lichen lapsus calami enthält der satz s. 9 oben : ^eingangs feiert
Pütericb die damals bereits 44 jährige witwe\ denn erst ein
jähr nach der abfassung des Ehrenbriefes starb Hecbtbilds
zweiter gemahl, erzherzog Albrecht von Österreich.
VViENBB NBDDBDCKE. 1. Auf auf ihr christeu von Abraham a
SCIara 1683. »v und 135 ss. 2. Prinzessin Pumphia von Jo-
seph Kurz. VII und 59 ss. 3. Der hausball eine erzfihlung
1781. xn und 24 ss. 8<>. Wien, CKonegen, 1883. 1,20.
0,80. 0,60 m. — August Sauer, der als kritischer heraus-
geber sich oft erprobt und immer bewährt hat, eröffnet mit
diesen gleichzeitig ausgegebenen heften ein ^unternehmen,
welches die wichtigsten und seltensten litteraturwerke, die seit
ausgang des mittelalters bis in den anfang des 19 jhs. in Öster-
reich erschienen sind , einem grOfseren publicum und zugleich
der litterarbistorischen forschung zugänglich zu machen be-
stimmt ist.' wie der prospect und der die litterarische ent-
Wickelung Österreichs sehr gerecht einschätzende offene brief
im 1 hefte versprechen, gilt es vor allem eigenartig Oster-
reichisches zu sammeln, es werden sich die Österreicher und
wir ^draufsen im reiche' gleichmäfsig freuen, die Wiener ko-
mische bahne wider aufleben zu sehen. Wienerischen dialect
zu hören, in der Wiener localgeschichte zu blättern, so sind
diese neudrucke in der tat eine willkommene ergänzung der vor-
handenen neudrucksammlungen, und wenn man sonst der jetzt
wahrhaft sportmäfsig betriebsamen neudrockmanie ein energi-
sches ohe iam satisl zurufen möchte, was leider in meinem
munde sich nicht recht ziemt , so empfängt man dieses unter-
nehmen vielmehr mit glttckwunsch.
Heft 1 ist des verf.s wegen , heft 2 der gattung zu liebe,
hefl 3 zu ehren Goethes, des nacherzählers des Hausballes
neugedruckt, dem entsprechend sind auch die einleitungen
verschieden gehalten, was ich sehr lobenswert finde: denn
nichts ist verfehlter, als zu fordern, die Vorbemerkungen zu
den teilen eines solchen Sammelwerkes sollten über einen leist
geschlagen werden, feststehend ist nur dass 'die nötigsten
bibliographischen und litterarbistorischen angaben' gebracht
werden, in dieser beziehung hätte das vorwort zum 2 hefte
aus Haltzahns Bücherschatz abt. iii nr 2289* und 2291, und
aus Schmids Chronologie des deutschen theaters (wonach s. 176
die Pumphia schon 1754 aufgeführt worden sein soll) ergänzt
werden können.
Die ausstattung der billigen hefte ist hübsch, die schrift
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UTTERATDMOTIZEN 3 1 1
etwas klein aber scharf, zuweilen machte man den heraus-
geber bitten, dem setzer noch etwas genauer auf die finger zu
sehen: Verwechselungen von /und f, e und €, u und n, b und
h treiben ihr kleines spiel, nr 1 s. xi lies *8 hl.' statt 46 bl.' —
wenigstens sind im neudrucke nur 8 widergegeben; s. HO
z. 11 lies 269 statt 265; nr 2 s. vi 1. Gervinus iv statt v.
Der herausgeber sucht wie Braune in seiner Sammlung
die titel typographisch nachzuahmen, es mag das bei einem
Miebhaber' Stimmung machen; zweck hat es keinen und schön
ist es gewis auch nicht, die alte geschmacklosigkeit oder un-
behilQichkeit da zu erneuern, wo doch der haupttext modernen
zuschnitt hat. überhaupt geht mir Sauer in bewahrung der
eigentümlichkeiten der vorläge etwas zu weit, es ist doch zb.
wol nur graphische Ziererei dass die zweite letter eines dop*
pel -rr ein sog. rundes r ist; wozu dies nachahmen ? ich kann
es nur fttr nachlässigkeit des setzers halten, wenn im 1 hefte
zb. s. 41 z. 24. 25, s. 42 z. 12, s. 45 z. 10, s. 92 z. 8, s. 93
z. 34, s. 105 z. 22; oder im 2 hefte zb. v. 269 in Wörtern
wie vereinige, nicht, etliche, quelle usf. zwischen lauter fractur-
buchstaben ein antiqua-i oder -q oder -a oder -r oder -t ein-
geschaltet ist, wie umgekehrt zb. heft 1 s. 41 z. 29 das in
antiqua gesetzte wort Boccalinus durch ein fractur-t unter-
brochen wird; ich muss nur wider fragen: wozu dies nach-
ahmen? ebenso wäre dem hättten 1 s. 43 z. 14 besser ein t
genommen, das Herrsehaaren in Heerschaaren 1 s. 55 z. 16 ver-'
ändert, 1 s. 90 z. 12 nach Sacramentum eingeschaltet worden
if^; auch 1 s. 111 z. 29 fehlt das verbum. 1 s. 92 z. 13 möchte
ich Keller statt Kellner lesen. 3 s. 7 z. 33 ihrem statt seinem.
auch die interpunction hatte ich trotz aller anerkennung des
conservativsten Verfahrens in neudrucken weniger geschont,
zb. 1 s. 13 z. 11 fehlt punct | s. 45 z. 16 setze 1 statt : |
s. 125 z. 11 , st9tt ; I 2 V. 45 1 sUtt ? | ebenso v. 711 (vgl. 715) j
3 s. 15 z. 14 streiche das komma nach Schilderung.
Endlich habe ich weniger respect vor der versanordnung
und den scenischen anweisungen alter drucke, ich hätte in heft 2
zb. V. 40 den 1 halbvers vorn an der zeile und nicht in der
mitte beginnen lassen, v. 269 ist gedruckt als ob es zwei verse
wären usw. dann : Soffokles zb. spricht die 2 hälfte von v. 876
und die folgenden, sein name sollte also in derselben schrift
gedruckt sein wie die der tlbrigen sprechernamen ist; er steht
aber in der schrift der scenischen anweisungen zwischen klam-
mern, sodass der leser. zunächst glauben muss, Rulikan spreche
weiter, derlei zahlreiche Unebenheiten des originales sollten
geändert sein, hierin muss sich der kritische neudrucker von
dem handwerksmäfsigen unterscheiden. Sauer hat ja eine reihe
von offenbaren fehlem beseitigt; aber ich wünschte — und
ein textkritischer köpf wie er muss rasch dahin kommen —
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312 LITTERATUBNOnZ&N
dass er noch etwas weniger sdieu vor dem beiUgen originak
gehabt hätte, je mehr kritische freiheit er bei aller philo-
logischen akribie walten Ulsst, desto wertvoller wird seine \
. lung sein. B. SsuFrcRT.
Zur «otiz.
Meine kritik seiner Deutschen philologie (DLZ 1883 nr 3)
veranlasste den herrn dr Karl von Bahder so wenig zu ernster
selbstprUfung, dass er sich vielmehr (Genn. 28, 252 0 'Qr sein
buch ein fleifszeugnis ausgestellt hat. unter solchen umsUlnden
wäre es unnütz, die schwäche und gegenstandslosigkek dieses
seines rechtfertigungsversuchs punct für punct mit ihm za diseu-
tieren. wenn ich trotzdem die feder ergreife, so geschieht das
nur, um zwei tatsachen richtig zu stellen: 1) hr vBahder be-
hauptet dass die Wagnerschen biographischen Sammlungen ihm
'von dem gelehrten, dem der nachlass anvertraut worden war,
selbst angetragen worden sind.' unter diesem gelehrten kann
nur hr prof. Strobl in Czernowitz verstanden werden (vgl. Anz.
VI 105). derselbe ermächtigt mich zu der erklärung, dass der
erste brief in der angelegenheit, am 17 Januar 1880 geschrieben,
von hm vBahder ausgteng und die bitte an Strobl enthielt, ihm
die benutzung der Wagnerschen Sammlungen zu ermöglichen, von
deren existenz hr vBahder durch den necrologAnz.vi99ff kenntnis
erhalten hatte, darauf hin versprach ihm Strobl, sein ansuchen
bei Wagners witwe zu unterstützen, wer dies entgegenkommen
Strobis als ein ^antragen' von seiner seite bezeichnet, der mass
mit der deatschen spräche auf recht gespanntem fufse stehn.
auch die endliche Übergabe der Wagnerschen collectaneen an hrn
vBahder erfolgte nicht durch Strobl. 2) hr vBahder behauptet,
ich hätte ihm aus der benuLzung der Wagnerschen sammkingen
*an sich' einen Vorwurf gemacht, das habeich nicht getan, viel-
mehr nur darüber mein entrüstetes bedauern ausgesprochen, dass
sein buch der mafsen misraten ist, dass die aus Wagners nach-
lasse geschöpften notizen den einzig wertvollen bestandteir des-
selben bilden, wie viel übrigens hr vBahder Wagners manu-
scripten zu verdanken hat, ist durch seine jüngste erklärung nur
undeutlicher geworden : man vergleiche in seiner Philologie s. ix
'diese notizen konnten eine wesentliche bereicherung erfehren
durch die Wagnerschen Sammlungen' mit Germ. 28,252 *nur
über etwa drei fs ig autoren fand ich bei Wagner angaben,
die mir unbekannt geblieben waren, darauf beschränkt sich der
ganze vorteil, den ich aus Wagners Sammlungen zog.'
Stbinmbtbb.
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ANZEIGER
FÜR
DEUISCHES ALTERTHUM UND DEUmHE LITTERATÜR
IX, 4 SEPTEMBER 1883
Die schrifteD Notkere aod setDer schule heraasgegeben von Paul Piper.
erster band : Schriften philosophischen Inhalts (Germanischer bücher-
schats bg. TOD Alfred Holder. S). Freibarg i/B. und TQbingeR,
JCBMohr (Paul Siebeck), 1882. GLxzxxm und 868 ss. 8^—15 m.*
Die einleituDg zu dem ersteo baoäe, welcher auf 868 seilen
BoethiuSyi Categorien und De ioterpretatione , De parlibus lo-
gicae. De syllogismis, De arte rhetorica, Harciaous Capeila und in
einem anhange: De musica, Notkers brief, Ruodperts brief und
Memento mori enthalt, gibt zunächst auf s. i — xctiu ein Ver-
zeichnis von 26 handschriften, welche 'für die vorliegende aus-
gäbe benützt worden sind.' bei jedem codex ist die einschlägige
Htteratur verzeichnet, auf eine beschreibung und characterisierung
der hss. hat der herausgeber verzichtet, er hat aber von den
für den ersten band in betracht kommenden hss. die SGaller
Codices 825. 818. 872 im 13 bände der ZeiUchrift für deutsche
Philologie mehr oder minder ausführlich beschrieben und charac-
terisiert. und das dort gesagte, worauf bei den einzelnen hss.
auch verwiesen ist, muss herr Piper noch für zutreffend erachten,
da er dasselbe in seiner ausgäbe Notkers nirgends berichtigt.
Was er indes dort s. 314 f über den Boethius- codex 825 an-
führt, ist teilweise so confus und falsch, dass man glauben könnte,
er habe denselben nie in banden gehabt, es ist irrig dass die
lagen von je 4 doppelblattern nur bis s. 192 regelmäfsig durch-
gehen, die sämmtlichen 136 blatter, welche den Boethius-codex
bilden (fol. 1^—135* steht der text, 1' und 135^ 136'^ sind un-
beschrieben), liegen nämlich regelmäfsig in 17 lagen von je 4 dop-
pelblättern, es ist auch nicht in einer der fünf folgenden lagen
ein blatt eingelegt, da die 17 schiebt mit s. 274 schliefst, son-
dern die 17 läge schliefst regelrecht mit 272. aber deijenige,
welcher die hs. paginierte, hat das vom modernen buchbinder
vorn eingeheftete papierblatt Mschlich mitgezählt, hätte hr P.
die einzelnen blätter gezählt und auf die nicht blofs sichtbaren,
sondern sogar greifbaren heflfäden geachtet, so hätte er sehen
müssen, was zu jeder läge gehört, und durch diese einfache
* nicht Boetins, wie der herausgeber schreibt; s. HUsener Anecdoton
Holden, Lcipsig 1877, s. 43.
l* vgl. DLZ 1883 nr 2 und e.]
A. F. D. A. IX. 21
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314 SCHRIFTEN NOTKERS ED. PIPER
manipulation halte er sich auch aber die sämmtlichen lagen der
dem Boethius beigebundeaeD Categorien-handscbrift aufschluss
verschaffen können.
Richtig ist dass die läge 1 (in der ganzen hs. die 18) aus
4 doppelblattern besteht, wenn hr P. aber sagt: 'ebenso (rege!-
mäfsig) scheint der 19 (quaternio) zu sein, doch war dies ein
quinio, da nach s. 296 und 306 je ein blatt ausgeschnitten ist/
so ist das mindestens unklar, die läge 2 bestand schon , als der
text geschrieben wurde, nur aus 8 blättern, nSlmlich doppelblatt 1«
doppelblatt 2, von doppelblatt 3 ist das hintere, von doppelblatt 4
das vordere abgeschnitten, und doppelblatt 5. das mitteldoppel-
blatt 6 ist von dem modernen buchbinder falsch eingelegt und
gehört als mittelblatt in die vierte läge, die 3 (20) läge enthält
richtig 4 doppelblätter, es ist aber wider eine Pipersche einbil-
düng 'dass s. 327 — 336 eine läge für sich, 337. 338 ein einzelnes
blatt bilden.' — s. 327—338 bilden vielmehr die 4 läge von
3 doppelblattern , zu welchen als 4 doppelblatt zwischen fol. 29*^
und 30* die falsch als mittelblatt in die 2 läge eingelegten fol. 13*^
14**^ gehören, von der Categorien - hs. sind also im codex 825
4 lagen von je 4 doppelblättern erhalten.
Nicht zutreffender ist, was hr P. ebendort s. 322 Ober den
Capella-codex 872 sagt, allerdings liegt derselbe in quaternionen,
der erste umfasst richtig s. 3 — 16, aber darnach ist kein blatt
ausgeschnitten, was hr P. für ein ausgeschnittenes blatt hält , ist
der vom buchbinder um die 1 läge gebogene falzstreifen des an
den vorderen decket angeklebten Vorsatzblattes, das erste und
das mittelblatt der 1 läge — nicht die ganze läge — , ferner
sämmtliche blätter der 2. 3. 4. 5 läge und das 3 blatt der 9 läge
gehörten einer foliohs. an , welche eine grammatikalische abhand-
lung enthielt, wie aus den teilweise noch lesbaren, mit capital-
buchstaben geschriebenen flberschriften vermutet werden kann,
sonst ist die schrift von dem dicken pergament vollständig ab-
gekratzt, nur die eingeritzten linien, auf welchen die kurzen,
14,3 cm. breiten 28 zeilen standen, sind manchmal (fol. 9% ll^
14% 20^ 21', 23*, 24% 25% 27' uö.) noch erhalten, und mit
ihnen bilden dann die gleichfalls eingeritzten linien , auf welchen
die darüber geschriebenen 22 zeilen des Capella stehen , ein gitter,
da die folioblätter in quartform umgelegt wurden.
Aufser diesen wagerechten linien sind auch noch am inneren
und äufseren rande je zwei senkrechte gezogen, und zwischen
diesen, rechts oft über die erste linie hinausgreifend, steht fort-
laufend ohne absatz der lateinische und deutsche text. nur ist
jedesmal der anfang des deutschen nach dem lateinischen und
umgekehrt durch einen uncialbuchstaben bezeichnet, selbst die
gleichfalls mit schwarzen uncialbuchstaben geschriebenen capitel-
Überschriften beginnen nur teilweise mit einer neuen zeile. und
an diese Überschriften schliefst sich meist auch, mehr oder minder
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SCHRIFTEN N0TKBR8 ED. PIPER 315
abgerückt, das neue capitel, dessen anfang aber immer durch
einen capital- oder grofsen uncialbucbstaben herTorgehoben isU
wie aber hr P. sagen kann dass alle capitelinitialen mit schwarzer
tinte geschrieben sind, ist unerfindlich, denn wer Überhaupt
noch etwas sieht, muss sehen dass sie bis fol. 33* mit roter
färbe eingezeichnet sind, grell rot sind die initialen fol. l^ 3*" (N),
6^ 8\ n\ 15*, 20^ 22*, 24*»; — teilweise ist die rote färbe noch
erhalten fol. 5% 13% 14*, 16% 18% 19% 28% 29% 30% 32*^. an
den anderen stellen ist sie glänzend braun gewordeo.
Fol. 34* — 46** fehlen die initialen; fol. 47* bis zum Schlüsse
sind sie teilweise kleiner und weniger kalligraphisch unzweifel-
haft voo jener band mit schwarzer tinte eingetragen, welche von
z. 2 Quippe Unel den text dieser blätter geschrieben hat. 'dass
mit fol. 51* 2. \8 Nä iä nur eine andere feder, nicht ein anderer
Schreiber' beginnt, zeigt schon die allerflttchtigste vergleichung.
warum lässt also hr P. doch die mOglichkeit offen? übrigens hat
derselbe Schreiber nicht blofs bei dieser stelle, sondern auch noch
bei anderen mit frisch gespitztem röhr gearbeitet , was hr P. nicht
gesehen hat: fol. 53* z. 12 eccherodm, fol. 56* z. 1 H^crusmata.
fol. 69* z. 20 Tie sintj. fol. 71* z. 15 IbiqM. fol. 82* z. 12 Eis.
Wenn der anfang eines satzes mit dem anfang einer zeile
zusammentriflt , so pflegt dieser Schreiber, welcher auch schon
fol. 42^ von Zeile 6 egy^^o bis zum Schlüsse der seite copiert hat,
im deutschen und lateinischen texte den anfangsbuchstaben über
die erste querlinie auszurücken, er gebraucht ferner zur inter-
punction aufser dem punct und fragezeichen 1. die distinctio fini-
tiva, quae per canpletam sent enttarn animum auditorü Uberat,
et facti inteUigere praenotata et scribitur puncto piano et virga
mferius directa (das erste mal fol. 48* z. 19 nach quatuor); 2. die
distinctio stupensiva, quae animum auditoris retinet in suspenso
et haec plura desiderare faeit ei scribenda est puncto et virga sur-
sum directa (das erste mal fol. 47^ z. 1 nach gegeben), wie Lu-
dolf von Hildesheim in seiner Summa dictaminum m sich aus-
drückt, törichter weise hat hr P. Hattemer folgend das letztere
Unterscheidungszeichen darch unser I widergegeben, neben ge-
wöhnlichem u setzt dieser Schreiber manchmal v; für uu findet
sich UV und vu, für uo auch vo.
Keine von diesen aufserlichkeiten begegnet vor fol. 47* (42'').
auch die characteristischen N, T, Q, Z, U — %,^ werden ab-
gesehen von fol. 42^ auf fol. l*" — 46^ nicht getroffen, woraus
wie aus dem ganzen ductus der schrift erhellt dass diese nicht
von jenem geschrieben sein können, der fol. 47* — 85^ copierte.
Eine eingehende prüfung zeigt ferner dass von fol. 1^ — 46^
entscheidende buchstabenformen immer widerkehren« es scheint
also nicht blofs, wie hr P. meint, dass dieselben von einem und
demselben Schreiber herrühren, sondern sie sind von 6inem' ge-
schrieben, auch auf foL 43* — 46^", für die hr P. wider irrig
11 ♦
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316 SCHRIFTEN N0TKKR8 ED. PIPER
einen besonderen Schreiber annimmt, finden sich genau dieselben
B, N, Z—g, %, £ und namentlich U wie auf fol. 1*"— 42*. nur
ist die Schrift nicht gleichmflfsig. auf der ersten und zweiten
läge, namentlich auf den abgekratzten blättern, ist sie ziemlich
grofs. nach der mitte der 3 Tage wird sie allmählich kleiner, die
erste hälfte der 4 läge ist so gdlrängt geschrieben , als wollte der
Schreiber mit einer bestimmten anzahl von blättern ausreichen,
in der zweiten hälfte wächst die Schrift wider, und läge 5 ist
teilweise (fol. 39**", 40^) noch grofser und weiter geschrieben als
die erste und zweite, fol. 41**, 42* und 43**'— 46* der 6 läge
stehen die etwas donneren bucbstaben wider enger als unmittelbar
vorher, wodurch sie, und weil das pergament nicht abgekratzt
ist, bei flüchtiger betracbtung einen anderen eindruck hervorrufen.
Characteristisch fttr die beiden Schreiber sind auch die accente.
der acut ist bei dem ersten kürzer, bei dem zweiten schräger;
den circumflex bildet der erste mehr winkelförmig, der zweite
mehr halbrund, auch setzt er beide mit wenigen ausnahmen
genau auf den vocal, auf den sie gehören, der erste Schreiber
dagegen rückt beide manchmal, namentlich wo ein folgender hoher
bucbstabe den räum beengte, über den vocal hinaus ziemlich weit
nach links, der accent steht dann scheinbar auch auf einem con-
sonanten : fol. 23* z. 14 gefristet, fol. 25* z. 19 geuüüSf. foL 22^"
z. 1 üiuu* fol. 39* z. 9 gnuht, viel häufiger noch sind beide
links begonnene zeichen nach rechts geschoben, namentlich ist
das wider der fall, wo ein vorausgehender hoher bucbstabe der
genauen Schreibung hinderlich war. ton- und längenzeichen
stehen dann zwischen vocal und folgendem consonanten (fol. 5*^
z. 4 liehamo), ja sie rücken geradezu auf den folgenden con-
sonanten: zb. fol. 5* z. 7 ToK. fol. 14^ z. 19 Tai. fol. 18* z. 15
sine. fol. 18^ z. 1 7m. fol. 19* z. 7 sA' usw. niemals steht der
accent unmittelbar auf einem grofsen bucbstaben : zb. Unde, üVe,
Andere^ Ane. dagegen findet er sich mitunter deutlich zwischen
zwei Wörtern: fol. 22^ z. 1 9i*iz. fol. 15*^ z. 2 «"ttt. und ebenso
wie diese unzweifelhaften fSille ist es zu beurteilen, wenn bei
iu^^ U, io, ia (und ü, i«, 6u) das längenzeichen teilweise auf
dem zweiten vocal, oder, weil es zu hoch steht, und weil der
haken im Verhältnis zur schrift zu grofs ist, zwischen beiden
erscheint der circumflex gehört wie der acut immer auf den
ersten vocal, bei dem sie mit der spitze auch immer einselien.
gegen die Schreibweise der hs. ist es also, wenn hr P. den cir*
cumflex in vielen Wörtern auf den zweiten vocal setzt, in denen
er ihn unmittelbar daneben auch auf dem ersten anbringt ja,
er setzt ihn auf den zweiten, wo er ebenso geschrieben ist, wie
da, wo er ihn zudem ersten zieht, und dass er überhaupt für
die feinheit, mit welcher die diphthonge von Notker und seiner
schule accentuiert wurden, kein Verständnis hat, geht deutlich
genug daraus hervor, dass er sich einbildet, wo Hattemer törichter
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SCHRIFTEN N0TKER8 ED. PIPER 317
weise den zwischen den vocalen stehenden circumflex in ' ' auf-
löste, sei derselbe meist zu dem zweiten vocale zu ziehen, nur
da nämlich gebort der accent auf das zweite Ton zwei auf einander
folgenden Tocalzeicben , wo das erste als consonant zu betrachten
ist: tdcA« 749*3. iündtchero 69b^K idjanrfa 8262». — idr 746".
gesuiUm 701^2. gegenüber xuö (duae) 75" steht züo (zu) S9^\
daher wider irrig gezüahtes 738 ^
Auf die aufzahlung der hss. folgen in der einleitung Ton
s. XGvui — cLxxxxm die lesarten. es war fttr den druck aufser-
ordentlich bequem, die Varianten der einzelnen Schriften fort-
laufend vom texte getrennt zu setzen, aber um so unbequemer
ist diese einrichtung fttr denjenigen , welcher dieselben benutzen
will, und dabei zeigt sich leider dass vielfach nicht angegeben
ist, wo sich correcturen und rasuren finden, so zb. im Boetbius
nicht bei: iii4d5 10^ cotucwUia i%^^. mA 32^ tir bi^K diliv
51 1^. suadere bS^. gibet bVK ntmerumlö^^. sanctum 102^.
uud$ 108». äntuHürta 117*. Thesis 120<\ überieilet 150".
geuudhtlich&sta 1702<». prestare 174^. Mdg 217**. Aen 236*.
den 300«*. reda 304". rdtiscöst 327*» usw.
Noch (tfter sind correcturen ungenau, unvollständig, irrig
beschrieben; so zb.: ampascuus b6^^. sdligm 78^''. zeithico 112«.
mifcum 149*2. «Wnen 163«. wer«« 209". «)f«rfti 209". guher-
naculis 210^7. uk 218*». gebrüt^ sines 271«. Cessant 271«».
t« 274^ Prelium 297*. perrumpere 313«».
Es wOrde zu weit führen, wenn ich aus den Categorien und
dem Capeila, sowie aus den kleineren stücken beispiele fttr all
die gar nicht, oder ungenau angegebenen correcturen und rasuren
anführen wollte, damit man aber nicht glaube dass die anderen
hss. sorgfältiger nachverglichen sind als codex 825, so will ich
wenigstens aus dem letzten gröfseren stttcke des vorliegenden
bandes, dem Capella, einige stellen namhaft machen, an denen
correcturen und rasuren nicht angegeben sind: seeuti 693*«.
ängestmdh^ daz er äne chiiU 695*'. crefrru 695**. iinbetrogenun
696«8. gelieb(a&96^K fulgidus lOl^K pMuiia 709««. dber —
ctlfewio 710*9. MningstüolelUK ÄrefcdfefeÄ 711«*. pec/or« 714«\
wctMi» 7153. fragen 1\8K zutuelon 118^K u/fra 721**. C£lesti
jmfe/knores 723*«. Iactatu8l21^. pfacereT 728«. antmaTor 728».
iuuenaUum 728 *'. gespdtten 728«'. zHehen 728«^ iouem 735*^.
itidem 735««. est 735«». gelddöt 738«*. fürkun 742». far-
maniis 745 7. seöuuende 745«*. cancri 749 »*. erhärtet 753*.
selbo üf 768*». cmiungere 792*^ sarta. u orH 793«». tcan-
dendnim 802«'. d&o 811«^ usw. falsch sind die Varianten: It-
ducam 815*». dementa 834«*. seceseise 839«» usw.
Vielfach ist auch etwas als lesart angegeben, was sich in
derhs. nicht findet, so zb. im Boetbius: offici 1 efjkientia 1S6^^.
eamertat 20d^\ geuu&rten 2A6^^. cursus aUemos 291 ^K reue-
Aorts 304«*. umgekehrt sind wOrkliche abweichungen nicht an*
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318 SCHRIFTEN N0TKER6 ED. PIPER
führt; zb. apprehdiendit 239 1^. maochmal ist dasselbe als Va-
riante angegebeo, was im texte steht; so ebendort zb. dtutur-
nitatem 115^0. tenuis 119^^.
Auch das ist nicht immer bezeichnet, was von anderer band
herrührt; so zb. im Boetbius: aber 274^. d bei chdd 1093.
im Capella: das Qüchtig und schwach zwischen die Zeilen ge-
setzte chnivrigen, nach welchem dann im texte 695^^ auf einer
rasnr chniurigen geschrieben ist.
Wenn die schlinge des e, was besonders auf den abgekratxten
Seiten des Capella leicht geschehen konnte, zusammenrann, oder
wenn der buchstabe sonst undeutlich war , so haben die Schreiber
des Capella wie der des Boetbius die e- schlinge oben noch ein-
mal angesetzt, ober dieser stets mit dem buchstaben zusammen-
hangenden schlinge steht dann manchmal regelrecht der acut
(Boetbius: sümhHt fol. 3*^ z. 26. nhnendo fol. 29' z. 7. — Ca-
pella: heik fol. 3* z. 6. feimda fol. 13* z. 5), sowie der circumflex,
der immer von dem buchstaben getrennt ist (Boetbius : & fol. 22*
z. 11. besudroter fol. 85** z. 6. — Capella: fölgSn fol. 18' z. 5.
änderen fol. 80' z. 14).
Schon daraus geht hervor dass diese e- schlinge «mit dem cir-
cumflex nichts gemein hat hr P. hat das wol Zs. f. d. pb. 13, 321
erkannt, wenn ihm auch sonderbarer weise nicht klar geworden,
was es mit 'dem e mit einem häkchen oben neben dem gewöhn-
lichen e' für eine bewandtnis hat. gleichwol setzt er solche 'e
mit dem hflkchen' in den lesarten als S an; zb. tötSn 20 ^ men-
nisk^ 137^3.
Oder hat er diese fehler einfach Hattemer nachgedruckt, den,
was hr P. tadelt, 'dieses hükchen öfter zu der irrigen lesung e
veranlasst hat'? an anderen stellen hat er unzweifelhafte druck*
fehler Hattemers, die er im texte, verbesserte, als lesarten auf-
gezählt, so zb. im Boetbius: Ih 4U<^. famen 143^^. umci-
fMi8 224^^ kelfentemo 226^^ guiquis 234^3. adipicendi 234^^
hdrto 2493». iöh 253*2. Dö 267". amaria 283». ter 283**.
Hideamus 294^ que^ionis 305 *<^. iindersk^Ü 327^9. ddz 343«.
eHgamus 346 1*. Nüllis 346«.
Selbst in die texte, welche auf s. 1 — 868 den lesarten folgen,
ist eine reihe von druckfehlern des Hattemerschen abdruckes über-
gegangen, so zb. im lateinischen des Boetbius: opera 23^2.
fudidum bb^K superbia 57**. deflet et 61 ^t. abiicü 1722».
predestinatione iOi^. subiiduntur QO^^^. prescten/ta 333*^. inr
tdligentU 346**. im deutschen: zeiduin 14^*. ünbeduukngmia
122*9. guuknnena 288^. was sich hr P. wol bei den Hatte-
merschen druckfehlern: uninegin 195^*^. undnent 238*, die er
in seinen 'handschriftlich gesicherten text' aufnahm, gedacht haben
mag? statt (k erchäm mih tö dd$ setzt er 13* nach Hattemer mit
schöner accentuierung tödes. und dass diese wie andere wOrter
druckfehler sind, die Hattemer übersehen hat, geht daraus hervor
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SCHRIFTEN NOTKBRS ED. PIPER 319
dass in denselben, da sie deutlich und ohne abkürzung geschrieben
sind, gar nichts zu verlesen war. auch den neuen ierminus
technicus agtiem 58-^ (in der bs. steht agne mit dem abkUrzangs-
strich über dem n) bat hr P. von Hattemer geerbt.
Einen text aber, der sogar druckfehler eines froheren heraus-
gebers als Vermächtnis übernimmt, der im lesarienverzeichnis einen
teil der in der hs. vorkommenden correcturen und rasuren unbe-
rücksichtigt lässt, einen anderen ungenau oder irrig beschreibt, der
würkliche abweichungen vom texte tibersieht, aber als abweichung
anführt, was sich in der bs. nicht findet, und der selbst druckfehler
eines älteren abdruckes als Varianten aufzählt, wird wol niemand
als brauchbare reproduction der handschriftlichen Überlieferung
gelten lassen, und doch hätte eine neue ausgäbe der Notker-
sehen Schriften mindestens jede weitere vergleichung der hss.
entbehrlich machen und einen unbedingt verlässlichen diplomati-
schen abdruck der einzelnen Codices unter genauer angäbe aller
correcturen usw. bringen sollen, das zu verlangen , ist man auch
um so mehr berechtigt, als bereits abdrücke und colfaitionen usw.
aller Notkerschen Schriften vorliegen, also nur eine ergänzung
und bericbtigung des schon vorhandenen zu liefern ist, die schliefs-
lich bei fleifs und aufmerksamkeit selbst der liefern kann, der
specieli von Notker gar nichts versteht.
Der Wissenschaft würde freilich auch mit dem zuverläss-
lichsten abdruck der hss. dermalen kein dienst mehr erwiesen
sein, zu forschungen über die spräche im Boethius , Capeila und
in den Categorien, zur Untersuchung, was von Notker herrührt
und was von seiner schule, genügen die vorhandenen abdrücke und
collationen. das ergebnis abermaliger bandschriRen vergleichung
konnte überdies auf etlichen Seiten mitgeteilt werden, und man
brauchte wegen etlicher neuer lesarten nicht Hattemer sammt
seinen druckfehlern zu reproducieren , in den sich jeder nach
belieben und bedürfnis die neue vergleichung ebenso eintragen
konnte, wie sich jeder, der sich mit Notker beschäftigt, die
bisherigen bereits eingetragen hat was die Wissenschaft bedarf,
ist eine auf grundlage des gesammten und , wie aus obigem her-
vorgeht, durch hrn P.s abdruck wider nicht abgeschlossenen hand-
schriftlichen materials beruhende kritische ausgäbe.
Hr P. hat sich nirgends in seinem buche darüber ausge-
sprochen , von welchem principe er bei seiner ausgäbe eigentlich
ausgieng. er hat aber auch kein princip durchgeführt denn
wenn es ihm nur darum zu tun war, einen diplomatischen ab»
druck zu liefern, warum hat er denn dann im lateinischen und
deutschen texte einzelne änderungen vorgenommen? und wenn
er kriük übte, warum hat er dann das eine mal fehler der hss.
verbessert, das andere mal aber stehen lassen? er hat zb. im
lateinischen texte des Boethius folgende lesarten geändert und
unter den Varianten aufgeführt: edncatis 15^^ NumneA&^K dt-
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320 SCHRIFTEN IHOTKERS ED. PIPER
disii 62^0. Cum 1S^\ ne 85 1». fingere 87 ^^ maHa 972S.
muros lOV. Ne enim iOb^^. adiunget 101 ^K Aide WiK mariii
113". propofttowem 115". radieihus \Tl^K rectum \Z%\ ahi-
ciant 145^®. uerentis 153*. seque ferre 156^. uoluptate 160^<^.
fti/ttfYtis 165^2. fabae 168^^ q^eritcndtcmytfe 170^. reueren-
dum 170»^. jwefra»/ 175». inquü 175i'- »«. prepositis iST^K
tantum 19A^^ ant'ma 196 1*. iVo<rtl99is. ^f^iVierar 200 1^. ora-
timibus 210»^ tio/unlarie 214^». (r^nara 223 ". «icifrtM 228 ^>.
procedamtM 23210. o6/uc(are 240^. JVon 241^'. destVferanr 244 1^
timfuam 258^^ EST 261 4. i4<{ 26 1^ quorum 262 <». ordf^
27420. ÄjpomY 2812». «r^o 287 1». /br/tina 2872». decemtiitr
28822. st«rar 292^4. quadragis 300». na/terae 31 P. InteUe-
getilia 3342^ (;t//SntY 338^. uigens 34022. rorum 3492». sint
3552. fiunt 35727. eos re/«rre 3582^ exittent 359*. /actm-
dum 359 ''. selbst ohne es ia deo lesearieu aDEuftlbreo, änderte
er: Seruabit 54 0. — aber die im SGaller codex gleichfalls ver-
schriebenen: decUuum \b^^. vemo 44^ ^ differeniibu$29^ usw.
hat er gegen die übereinstimmende lesart aller hss. stehen lassen,
schon aus der Übersetzung alles irdiskes tinges muste hr P. sehen
dass dem ttberoetzer die lesart aller hss. terrenis omnibtis vorlag, er
hat aber doch 94 21 den Schreibfehler des SGaller codex terrenü ani-
malibus beibehalten, er ^iderholt 4P2 mit dem codex desierit statt
desinit, das der sinn verlangt und das auch alle hss. ausweisen, der
text der SGaller hs. ist also ebenso virenig durchweg abgedruckt als
durchweg verbessert, hr P. hat nur geändert, was ihm bei flach-
tiger vergleichung mit der ausgäbe von Peiper zußliiger weise auf-
fiel, und dabei hat er nicht einmal geachtet, ob die Änderung auch
in der Übersetzung berechtigung findet, ob also die vorläge des
Übersetzers die lesart des Peiperscben texles oder vielmehr gerade
jene auswies, die er corrigiert. gedankenlos änderte er 160^^ de
voltiftate corporis in das Peipersche de voluptatibtis corporis, obwol
das deutsche fdne des licha$neH lüstsami keinen zweifei lässt, was
für den herausgeber Notkers das richtige ist. er hat eben nicht
bedacht dass Peiper bei construction seines Boetbiustextes von
ganz anderen gesichtspuncten ausgehen muste, als ein herausgeber
der SGaller Übersetzung des Boethius, der nur den text henu-
stellen hat, den der SGaller Übersetzer vor äugen hatte.
Aber nicht blofs corrigiert, auch ergänzt hat hr P. manch-
mal den handschriftlichen text des Boethius. er schaltete ein:
quisquam 26^^. de infortumo 19^K bonorum 8128. iconts 922.
se 11523. quoque 121^. quidemlbZ^'^. nalum 18027. «^1892*.
iitftttr 208^2. <tM2492i. lam 287 t». in^U 294K Aimc 319^2.
doch während das nach Peiper eingeschobene de tn/ormmo 79^^
schon in Notkers vorläge gefehlt haben muss, daher nicht ein-
gefügt werden durfte, ist die in allen hss. bei protexi stehende
Bestimmung auetoritate 26 ^<^ nicht ergänzt, obwol aus der Über-
setzung mi^ minero ndmehdfti zu sehen ist dass sie auch in der
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SCHRIFTEN NOTKERS ED. PIPER 321
Torlage des Übersetzers stand. 102^^ fehlt das in allen hss.
stehende ob superbiam consulum. und dass es auch in der dem
flberselzer vorliegenden enthalten war, beweisen seine worte:
umbe <Ua lAbermAoti dero canmlum. es fehlt 94 ^^ ^^^^ jn jem
satze iabesds desidmo prioris fortunae 51^^ fehlt affectu et vor
desiderio, das durch suuindest tu före dSmo nite übersetzt ist,
während desiderio durch Idng^ tih ausgedrückt wird. Non pen-
sari e^gna meritis, wie 43^ steht, heifst gar nichts, es muss
premia ergänzt werden , das sich auch in allen hss. findet, und
wenn hr P. sagt dass in den beiden letzt angeführten bei-
spielen nichts fehle, so beweist das nur dass er die deutschen
Worte nicht versteht.
So unkritisch wie seine anderungen sind also auch seine
erganzungen, die gleichfalls nicht auf einem Studium des textes
beruhen , sondern auf einer nachlassigen vergieichung der Peiper-
schen ausgäbe, nach ihr sind auch einige worte gestrichen, so
327^ de. dass aber auch te nach attingere 45^ das in keiner
Boethiushs. vorkommt, wie aus der Übersetzung hervorgeht, in
deren vorläge nicht stand, bat hr P. wider nicht gesehen, er
setzt 55'^ neque eittm suffecerit intueri quaelibet. quod situm est
ante oeutos, obwol schon aus der construction zu merken war,
was überflüssig ist.
Eigentümlich ist hr P. mit den griechischen citaten verfahren.
23^^ hat er das verschriebene meecripse. ien geändert; 23 '^ hat
er aber das ebenso falsche Änanos Uras. stehen lassen, er hat
also in vier auf einander folgenden Zeilen ein verschiedenes princip
angewendet, oder er hat das letztere nicht geändert, weil er es
für richtig hielt. 313'^ hat er in ganz verdorbenen griechischen
Wörtern die silben zusammengenommen, die zusammengehören;
221 3^ aber liefs er ebenso verdorbene wOrter fehlerhaft abgeteilt
stehen, warum? ich weifs es nicht, und gewis hrP. auch nicht.
Nicht alle irrtümlich gesetzten worte sind also gestrichen,
nicht alle lücken sind ergänzt, nicht alle Schreibfehler sind ver-
bessert, von den Verbesserungen und ergänzungen sind noch
überdies, wie die Übersetzung ergibt, eine anzahl falsch, der
von hm P. reproducierte lateinische text des Boethius ist also
vom kritischen standpunct aus ebenso völlig unbrauchbar wie vom
diplomatischen.
Und endlich die deutschen texte? hoffentlich glaubt hrP.
selber nicht dass sie vom kritischen standpuncte aus irgend welchen
wert besitzen, er hat wol zb. im Boethius die lesart der hs. in
folgenden beispielen sachlich geändert: söhöni^. so Ubetl9^K
$öl 99^0. fndhti im 100». tin 143 7. tis tök 146^ Tir 160 1«.
öbenS^*. dien 208«. flöhet 21 \^^ geHieeheni 296\ ldng299^K
döz i% 328^^. gelimenne 362«.
Von diesen vierzehn Schreibfehlern hatte aber bereits Graff
in seinem abdruck des Boethius zehn verbessert bei zweien:
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322 SCHRIFTEN KOTKERS ED. PIPER
8Ö Übet und Ter liat er durch beigesetztes (sie) jeden laien auf
den Schreibfehler aufmerksam gemacht Ter ist aufserdem von
Graff io seinem Ahd. lesebuch s. 61 corrigiert. die bescbeidenheit
des hm P. wird also wahrscheinlicb nicht so weit gehen, dass
er sich an diesen Änderungen ein grofses verdienst beimisst es
bleiben demnach im ganzen Boethius nur zwei Verbesserungen,
die er auf eigene faust unternommen hat: Usio 146^ und ting 143^.
davon ist aber die erste entschieden falsch, der Übersetzer des
Boethius sagte nur deste (892i. 127^6, 128*- e. 232i». 258^4.261"
usw.), und die abgeschwächte, enklitisch gebrauchte instrumental-
form te ist ebenso stets unbetont, wie die fragepartikel na, die
aufforderungspartikel nu, no und die relalivparükel tir. es ist
also nicht einzusehen, wie daraus accentuiertes töh hätte ver«
schrieben werden können.
Dagegen ist es hm P.s unbestreitbares verdienst, über alle
anderen Schreibfehler, auch die handgreiflichsten, seine schützen-
den arme ausgebreitet zu haben, und wenn er nach beendigung
seiner Notkerausgabe sich zeit nimmt, Notkers spräche zu stu-
dieren, so wird er gewis zu seiner Überraschung finden dass
deren weit mehr sind, als er vielleicht jetzt noch ahnt, oder
hat er etwa jetzt schon erkannt dass zb. tprdchd iinde ding ne
mügen — nieht uuerdent 65 *^. ddz sie — neuuirdet 83*. nU er —
uerläzenir i%Mn 25 1^. i% — dösent 203 ^^ usw., dass ckäd ih als
Übersetzung von inquü 242^^ usw. unmöglich sind? warum hat
er sie denn dann nicht ebenso geändert, wie tes töh und tin?
und wenn er diese Schreibfehler stehen liefs, weil er die ge-
schäftsmäfsige arbeit unternehmen wollte, einen diplomatischen
abdruck des codex 825 zu veranstalten , warum hat er dann nicht
auch jene stehen lassen, die GrafT geändert hat? hätte Graff auch
alle anderen irrungen verbesso^t, hr F. hätte wol die schwierige
arbeit auf sich genommen, sie auch zu verbessern.
Von den fehlem, welche Graff nur markiert hat, sind die
meisten aufrecht erhalten, wahrscheinlich hat hr P. nicht ge-
wust, wie er ändern soll, es blieb stehen: beküht Qb^K aMd-
ment 195^0. (jizuuertig 20P. binget 232^^. cnhiuteh 2993<^.
h&ren 300 ^^ usw. er hat ja auch nach Hattemer Silben zu wOrtem
verbunden, die nicht zusammengehören, und umgekehrt Wörter
in einzelne silfoen aus einander gerissen, seine Vertrautheit mit
der spräche Notkers kann also nicht grofs sein, er schreibt erb&re
227^0 und setzt ding mdn 34S müat süht 46^^ (mit falscher
accentuation) sine uuelbe 46^^ ddz Uid uuinde 6P^ als wenn
das zweite wort ein subst., das dritte ein verburo wäre, er setzt
19^ über si genöta sin meister socrates ten ddt, hält also sl für
das von der präp. abhängige pronomen, während es die falsch
accentuierte Stammsilbe des Zeitwortes ubersigenön ist, das er im
Sprachschatz hätte finden können. 61^® schreibt er selbst 4Aer'
sigendta, aber nur deshalb, weil es hier Hattemer im gegensatz
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SCHEIFTBN NOT^BRS SI». PIPER 323
zur ersten stelle ebenso schreibt uud dass diese und andere
stellen nur dem gelehrten herausgeber, nicht etwa dem unauf-
merksamen setzer zur last fallen , folgt daraus dass 44^ bei höbt.
Hchdön mitten in einem worte der punct der hs. aufrecht er-
halten ist.
Oder glaubt hr P. etwa diese Wörter ebenso als richtig ver-
teidigen zu können, wie er komischer weise MocAom^ro 42^
trotzdem es der Schreiber 23^^ selbst verbesserte^ allerdings nicht
aus eigene» Notkerstudien, sondern aus der Weinholdschen gramr
Hiatik gerechtfertigt hat? wie sichere belege in den Psaknen
und im Capella ergeben , war die Vereinfachung des sk in s Motker
und seiner schule noch fremd, uuista 17^ muss also gleichfalls
vom abschreiber herrühren, der auch 49^''' trknbi aus timberi
verschrieben hat, dem man sonst in Notkers Schriften allein be-
gegnet, und wenn hr P. Weinhold auch für Vereinfachung des
sk anzieht, so weifs er eben nicht dass dieser in seiner graoa-
matik nur anführt, was in den benutzten drucken an lauten und
formen erscheint, dass er aber gar nicht untersucht hat, ob diese
dem Schreiber einer bs« oder dem verf. eines werkes angehören«
Was Notker und seine schule gebraucht hat, aus dem
schwankenden gebrauch der verschiedenen Schreiber festzustellen,
ist eben die kritische au^be eines herausgebers der Schriften,
die auf den namen Notkers gehen, er muss auch die frage be-
antworten, was unmittelbar von Notker herrühit und was von
anderen übersetzt ist laute und formen geben hierüber höchstens
indirecten aufschluss. aber aus der construction und dem wort-
vorrat zeigt sich deutlich dass nicht alles von einer person be-
arbeitet sein kann, auch hinsichtlich der accente weichen die
einzelnen stücke teilweise merklich von einander ab. als ge-
meinsame regel für Notker und die gesammte SGaller schule gilt
die accentuierung der sUmmsilbe jedes einfachen selbständigen
Wortes (s. Oportet atUem scire, qma verha thetUamca »ne aecmUu
Hribenda noi^ sunt praeter articulos, ipd sali sine aeoentu pronut^
ttantur acuto atU cireumflexo. Notkers brief an bischof Hugo u).
In dem Psalmencodex zb. ist freilich die Stammsilbe nament-
lich gewisser oft widerkehrender Wörter auffallend hdufig unbe-
tont; zb. Ps. 118 steht gibot 19. 32. 40. 60. 63. 69. 73. 87. 115.
127. 143(2). 166. 176 unaccentuiert aber es darf daraus nicht
geschlossen werden dass bereits die urschrift unvoUsUndtg accen-
tuiert war. denn schon in den alten Basler bruchslttcken 1 und 2,
die überhaupt dem original ungleich naher stehen als der Psalmen-
codex, finden sich, so verschieden diese bruchstücke auch sonst
sind, nur wenige Stammsilben ohne accent dass im Zürcher
bruchstück des Boethius viele Stammsilben unbetont sind, hat
gleichfalls nur in der Unaufmerksamkeit des Schreibers seisen
grund. in der alten Boethiushs., die überhaupt unter allen Not-
kerhss. am sorgMtigsten und vollständigsten accentuiert ist und
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324 SCBRIPTEN M0TKBR8 ED. PIPER
die daher bei einer kritischen uotersuchuag des acceotuations-
Systems Notkers uDd seiner schule als ausgaogspunct genommen
werden muss, finden sich nur wenige unbetonte Stammsilben,
sozb. dieTon hm P. nicht verbesserten : fettes 10^. gehid>a 22K
kehaben&l\ geslagena li^. tiuanni 77»o. m«re 78 ^ UbelS^^
geziug92'^. bedarf 9d^^. hezeren9%^^. freuueU Ub^K manige
118^^ fUo 12610. vt^rdara 138^^ Unmez 197S die sonst
stets mit dem acut versehen sind, der circumflex fehlt zb. : ha-
hhi 22^^ min 27^». saligen 74^ not ISG^K $m 188«. ua*
accentuiert steht ein diphthong in: lieb man 53^^. in der regel
hat hier der vocal jeder silbe, welche den hauptton trügt , einen
accent, und zwar, wenn er kurz ist, den acut, den circumflex,
wenn er lang ist. von den wenigen irrtflmern des Schreibers hat
hr P. wol einige (bis auf seite 60: beg^dön 5^. uudrte 6^
uuds 10^. uuürfzdueles 2A^^. bisall ^^. iroA/a 20^*) corrigiert
andere aber hat er stehen lassen, es findet sich irrig der cir*
cumflex auf einer kurzen silbe: sigelösen 23 1. finfstiSM 34 ^^
sineunelbe 46^». ir 65^3. sdgen 210^^. götes 221^^. der acut
steht falschlich auf einer langen silbe: gehörin 62''. selo 117'^
gehörtist 127^ erera 138^ sc&nesto 165^8. skimen 196^^
Der dem h vorausgehende lange vocal wird im Boethius ver*
kürzt, wenn auf dasselbe wider ein vocal folgt: kähes 13^^. 14*.
tidAenr403. /dA^ 43^3. udhenneSl^^. sdAe (vidisti) 74^». sähe
30^2. g^ihsn 14^». — sähen (serere) 1273^. sähet 39^ usw. in
den Psalmen aber bleibt der vocal lang: gdhes Ps. 14, 3. gdhoi
7, 12. fdhenne 126,2. fähetU 89, 10; 93, 21. fähen 68, 28.
sdhen (vidimus) 73, 9; 89, 15; — 56, 7; 108, 25. sähent
13, 6. — sdhen (seminavimus) 80, 3. sähet 68, 25 usw.
Es befolgte also die Obersetzung der Psalmen schon hin-
sichtlich der accentuierung der Stammsilbe im einzelnen eine
andere norm, als die des Boethius. noch viel verschiedener sind
diese stocke unter sich und teilweise wider von anderen, was
die betonung der auslautenden bildungs- und flexionssilben an-
belangt, die Psalmen hatten schon ursprünglich alle endungen,
welche sie als lang bezeichnen , viel hSufiger daneben auch ohne
bezeichnung der lange geschrieben, denn dass das seltene vor-
kommen der circumflexe auf bildungs- und flexionssilben in der
Psalmenhs. nicht wie die mangelnde betonung der Stammsilben
aus Unachtsamkeit oder Unkenntnis des Schreibers erklärt werden
kann, ergibt sich daraus, dass auch auf dem Münchner blatte und
den Basler bruchstücken alle Silben , welche circumfleotiert sind,
hftuftger ohne langenzeichen begegnen, auf dem Münchner blatt
ist überhaupt nur 1 endsilbe als lang bezeichnet, von den Basler
bruchstücken hat das zweite auf blatt 2 keinen , auf blatt 1 einen
circumflex. auf blatt 3 und 4 sind 9 endsilben in 13 beispielen
circumfleotiert. das Basler bruchstück 1 weist 14 lingenzeichen
in 6 endungen aus, ungeachtet Ps. 136, 5 — 137, 8; 139, 6 bis
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SCHRIFTEN N0TEER8 ED. PIPER 325
140, 6y die es enthält, zu jesen geboren, die auch im Psalmen-
eodex häufiger circumflectiert sind.
In der Urschrift des Boethius dagegen war die Uinge der
endsilben principiell überall angegeben, selbst noch in dem
Zürcher bruchstück, das doch, wie angeführt, nur wenige Stamm-
silben betont, namentlich aber im codex 825 fehlt das Ungen-
zeichen nur in einer zum teil verschwindend kleinen anzahl Ton
beispielen auf jenen bildungs- und flexionssilben, welche im
Boethius und damit übereinstimmend in anderen stücken so con-
stant circumflectiert sind, dass ihre lange, was Notker und seine
schule anbelangt, als gesichert zu betrachten ist so fehlt zb.
der circamflex öfter in der bildungssilbe 4n der ortsadverbien:
ifudfittofi 322<- 23. 21928. hhman 231 ^ dännan ll^«. 253o.
37 ^ usw. er fehlt manchmal im dat. plur. der adjectiva: Hnm
2921. nuäichen 28^. nimm 372^. dmudihntm 4d^\ cUUen
50^2. ünseüldigenll^^. mürgfarm 7S^^. ünUbendm 201^^ usw.
nur neun mal findet sich gegenüber zahlreichen -tdn die endung
-tim: wuindonbK lirtonlK hdbeion ilK 91 ^K zöcchotan 2i^^.
beehndion 342?. 342^ diSrton 3\2\ tHUon 339 1«. fünf bei-
sptele begegnen für -Im neben hHufigem -41%: mdAlin 10^^. 358 ^^
Mrmim 16^. rümiin 28^2. förderötin 682«. nur vier mal
steht 'tost neben regelmafsigem -tost: tdgetost 42'^^. 218^^. 219^
219^. ein beispiel begegnet für -tist: uuöüist 146^^.
Hr P. hat in allen diesen Rillen, wie in anderen, das fehlende
ISngenzeichen gleichfalls weggelassen, und wo der Schreiber,
was manchmal sich findet, einmal eine endsilbe circumflectiert,
hart daneben aber das längenzeichen vergisst, hat es hr P. auch
vergessen, er schreibt: 9dUg — sdlig 1542% ckümftig — Mumftig
33124- 30. keuwiUig—kmiMtig 109^* ^^ usw. würklich falsch
hat der Schreiber des Boethius nur selten eine endsilbe accen-
tuiert; zb. peuölin (part praet.) 76 ^ keläxi» (part. praet.) 343 ^o.
geuuäkstin (dat. plur. subst.) 9\^. disin (acc. sing, masc.) 257^2.
{a%9innigi (acc. plur. masc.) bS^K geskHdmi (nom. plur. masc.)
90^8. der corrector des Boethiuscodex dagegen war, wie mau
aus dem wenigen sieht, was er geschrieben, über die betonung
der endsilben ebenso im unklaren, wie über die betonung der
Stammsilben, er schreibt: üdmdin (acc. sing. masc. des adj.)
48^2 und lAsst zb. 36^^ den zusatz: utumia si mih smldigunti
der nicht, wie hr P. angibt, vom Schreiber des codex mit anderer
tinte geschrieben ist, ganz ohne accenl.
Hr P. hat auch die wenigen falschen accente des Schreibers,
sowie die nacblSssigkeiten des correctors für richtig gehalten,
denn er hat sie nicht verbessert, ja er hat als besondere zierde
des textes die in der hs. vorhandenen Schreibfehler noch durch
eigene lesefehler vermehrt, gegen die hs. sind die accentuierten
und nicht accentuierten silben in: rifm 15^ fUo 2729. im^^
38^ Uz&V. illr()fi<u 6423. ddnn$l%K dmboht—dmhdht \92^\
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326 SCHRIFTBN NOTKERS ED. PIPER
$Mo 11717. oing 176". mit 188**. ntU 197". $la 225«,
föne 236'. dien 337*7 ng^^ Qoch viel zahlreicher sind die lese-
fehler im Capeila, wo hr P. mit ausnähme von: uuir 688 ^^
tin 7012«. fiuilan 7028. 708". zes^mun 712*». 750*^ dtUe
744". A- 765*«. »I»e 772H «dJijo»!«» 817*^ «ciptdnt« 832«.
Adfrents 834^2. ^(j/^^^a 845« auch alle die anderen zahllosen mis-
griffe namentlich des ersten copisten für richtig gehalten hat.
dieser Schreiber des Capella hat viele Stammsilben ohne accent
gelassen: mttorer 690**. sm^ 690*8. iSrefanm 704^^ gerennei
707". chreftiga 109^K rfm^ 715«. heizet 12X^9, luftlAV.
spilogemer 758^ usw. er hat kurze Stammsilben mit dem längen-
zeichen versehen: uudzere 71^»«. Hhet 7422». 758*«. 771*. nuir
748«. 7618. kespröchen 744^. geslähen 754^« keskOien 756*.
765^^ sldhet 6902<^ usw. dagegen findet sich auf langen der
acut: &rdÄto 6958. 757«. /nir«^«n 694*«. «udrwi 708'. 743*«.
759*. hörta 729»«. 760». zuine 753*^ usw. usw.
In accentuierung der diphtbonge ist namentlich wider der
erste Schreiber des Capella so schwankend und fehlerhaft, wie nur
noch der schreiber der Psalmen, der das Verständnis für die feinheit
in betonung der diphtbonge, welche Notker und seiner schule
eigen war, gleichfalls fast verloren hat. dass er den circumflex
oft in die mitte zwischen die zwei vocale , ja sogar direct auf den
zweiten vocal setzt, wurde bereits bemerkt, gesagt ist auch dass
hr P. diesen Irrtum nicht blofs bewahrt bat, sondern geradezu
fOr richtig erklart, und wahrend der schreiber des Boethius
die diphtbonge mit wenigen ausnahmen (zb. kenkoböndlK süochem
219». — iaman 28*>. — trdumda 61*«. — und pediu 328",
das hr P. allein corrigiert hat) stets richtig betont, setzt der Ca-
pellascbreiber den circumflex auf die eigentlichen diphtbonge iu,
du, H, «I, — du (Boethius 127»), öi (Boethius 231*7), denen
der acut zukommt, und den acut auf die uneigentlichen Ao, ie,
io, ia, denen der circumflex gebürt.
Unzahlige mal steht der circumflex auf dem diphthong H;
zb. iitief«6917. mef5f6938. sürdn 697*». neAeln 710*». zeiehene
720«. ergleiz 721*«. einzen 721 2 (. ckletnero 721 *». begreif
721*7. M usw. oft auf iu und dt«; fluHnen 734*». fturgöt 736*».
nlundun 737*«. ttutcota 738*«. Hute 739*«. 745«. — geso^
696*7. geeoügter 726*7. toügeniu 715*». flf^^g 720*». Mf&n
728**. Äoiüfte^ 697*7. rfoÄ/fe* 715«. o^l^ra 744*. der acut statt
des circumflexes findet sich: hüozen 713*8. ioman 729».
Nicht sorgfliltiger sind die bildungs- und flexionssilben be-
tont, und wer , ohne durch kritische Untersuchung das richtige
festzustellen, nur die accente im Capella und in den Psalmen
ins äuge fasst, muss allerdings zu der jedesfalls irrigen meinung
gelangen dass die Notkerschen accente keine bedeutung für be-
stimmung der quantitat des vocales in den endsilben besitzen,
er lasst zb. die lange der endung -^ im nom. sing. m. des adj.
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SCHRIFTEN NOTKBRS ED. PIPER 327
unzählige mal unbezeichnet: unörtener 695^. 702^^ geüapter
695**. gescunterliS^^. /a/eutier 749**. tunchelerlbZ^ plduuer
756®. piekher IbQ^ usw. ebenso oft -^* im dat. plur.: luililr-
hchen 702^. gesuüngmen 730''. mdgeMchen 732'. feruuörfenen
737W. sr^maAren 741». rtwren 742*«. |>nWrffcA«i 743K die
bildungssilbe dn steht ebenso oft mit dem circumflex als fälsch-
lich ohne denselben: ddnnan690^^' ^K 6922». 6931.7031''. 713«- ".
71420. 730^ 737 !•'•>«. 7422i. 749^6. uudnnanlU^K firrenan
71328. üzenan 732i». 7382« usw.
Hr P. Terewigt alle diese Schreibfehler, er accentuiert mit
dem ^ unwissenden sehreiber: getdn Q9i^. gifrümmenne 16S^^,
wahrend doch im gegensatz zu den schweren präfiien, welche
den hauptton und hauptaccent auf sich ziehen , die leichten aus*
nahmslos unbetont bleiben und keinen accent haben, er accen-
tuiert stiicche 779 1'', ungeachtet suffixvocale nie einen hauptton
tragen können, sind sie daher kurz, so stehen sie ohne accent,
und nur die länge wird durch den circumflex bezeichnet.
Alle diese Wörter und endungen kommen aber daneben so
oft auch mit der schon durch Boethius gesicherten betonung Tor,
dass Über das, was zusetzen ist, kein zweifei sein kann, über«
haupt kann über die betonung einer Stammsilbe nur da manch-
mal würkliches bedenken obwalten , wo das wort , was indes sehr
selten der fall ist , in sämmtlichen Notkerschen Schriften nur ein-
mal begegnet, schwierig ist die accentuierung eines Wortes , das
in einem bestimmten stücke nur selten und stets mit wechselndem
accente vorkommt, die anderen schriften können in diesem falle
nicht immer entscheiden, da sie, wie schon aus der oben er-
wähnten Verkürzung eines langen vocales vor h hervorgeht, im
einzelnen von einander abweichen, nur die können mit grund
herangezogen werden, welche auch sonst neben den gleichen
accenten die gleiche construction und den gleichen wortvorrat
ausweisen, also von demselben Übersetzer herrühren, andere
als Notkersche denkmäler dürfen zur entscheidung zweifelhafter
flllle nur mit grofser vorsieht herangezogen werden, schwierig
ist namentlich auch die bestimmung der quantitflt einiger end-
silben, deren vocal durch keinen consonanten geschützt ist.
Statt aber auch dieses alles zunächst genau festzustellen, und
die einzelnen Schriften nach dem für sie erschlossenen principe
ihrer autoren zu betonen, begnügte sichhrP. die schwankende
accentuierung später, zum teil nachlässiger Schreiber zu repro-
ducieren, die die grundsätze, nach welchen Notker und seine
schule betonten , oft gar nicht mehr kennen und verstehen, dass
er dem principe nicht nachforschte, nach welchem die präpo-
sitionen in, an, mit teils betont, teils unbetont erscheinen, dass
er nicht untersuchte, wann das persönliche pronomen, wann der
bestimmte artikel einen accent haben , braucht wol nicht erst ge-
sagt zu werden, nur zwei beispiele finden sich im ganzen Boe-
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328 SCHRIFTEN N0TKER8 ED. PIPER
thius, in welchen in unbetont ist, wenn der unbetonte bestiminte
artikei darauf folgt: in demo sprähhiU 74^^; in dien MmeliskSn
102 ^ hr P. hat auch diese zwei Schreibfehler richtig abgedruckt,
der vor sab stehende artikei bat stets den acut, nur zweimal hat
ihn der Schreiber des Boelhius vergessen : da% säba lOb^K dd% ist
ta% säba 129 ^s; und hier vergisst ihn auch hr P., so gewissen-
haft hat er gearbeitet.
Man ersieht aus der Boethiushs. noch ganz genau das
wichtige gesetz, nach welchem der nebenton in drei- und
mehrsilbigen Wörtern von Notker bestimmt wurde, nur begegnen
hier weit mehr irrungen und auslassungen , als bei Setzung des
haupttones. hr P. hat yielleicht zum glück für seine ausgäbe
nicht einmal den versuch gemacht , den nebenton zu regeln, die
accentuation des textes ist also kritisch durchweg ebenso völlig
unbrauchbar, wie der text selbst sogar die buntscheckige Schreib-
weise der abschreiber hat er in demselben beibehalten, nicht ein-
mal das SGaller anlautgesetz , dessen grundzüge im Boethius trotz
aller abweichungen ebenso unverkennbar hervortreten, wie sie
in den Psalmen fast ganz unkenntlich sind, ist zur durchfuhrung
gebracht — ob hr P. bemerkt hat dass im Boethius verse vor-
kommen (vgl. Lachmann Ober ahd. betonung und verskunst s. 241),
weifs ich nicht bezeichnet hat er sie wenigstens eben so wenig
wie Graff und Hattemer.
Und nicht einmal dufserlich unterscheidet sich der neue
Notkertext von dem Hatteraerschen. hr P. hat gleichfalls die ein-
teilung der Codices beibehalten , nur dass er auch beim Boethius
die einzelnen abschnitte bezifferte, die gewöhnliche capitelein-
teilung aber ist weder beim Boethius noch beim Capella ange-
geben, wie mühsam man in folge dessen immer suchen muss,
wenn man eine bestimmte stelle nachschlagen will, davon kann
sich jeder leicht überzeugen, und man muss ganz abgesehen von
speciellen lesarten schon deshalb die Originaltexte in anderen aus-
gaben zu rate ziehen, weil hr P. ebenso wenig wie Graff und
Hattemer irgendwo durch den druck unterschieden hat, was den
autoren angehört und was den commeotatoren und scholiasten.
für jene stellen der commentare und scholien , welche nur Ober-
setzt vorkommen, ist nirgends der lateinische urtext nachgewiesen,
und doch ist es oft, um das deutsche zu verstehen, und mit-
unter auch, um es zu verbessern, geradezu notwendig, den
lateinischen Wortlaut zu kennen , der dem Übersetzer vorlag, frei-
lich bedarf es der weitverzweigtesten und eingehendsten Unter-
suchung, um diesen festzustellen, hr P. sagt freilich bei gelegen-
heit, die scholienerkUrung zu Boethius sei leicht zu beschaffen,
er hat darüber also nachgeforscht? nun denn, wenn er sagen
wollte, wo sich der commentar und die scholien zu Boethius so
finden , wie sie dem SGaller Übersetzer derselben vorlagen , könnte
er des allgemeinsten daokes sich versichert halten, aber durch
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8CHRIFTIR MOTKBRS ED. PIPER 329
Reine Notkerausgabe, der der fabrikstempel nur zu deatlich auf-
gedrückt ist, hat hr P. niemandena einen dienst erwiesen, sich
selber am wenigsten.
Prag, april 1883. Job. Kelle.
Mittelhochdeutsche metrik. leitfaden zur einführuDg in die lectüre der clas-
siker. von Richard tMüth. Wien, Holder, 1882. x und 130 ss.
gr. 8*. — 3,60 m.*
Wären alle die 'bedürfnisse' des publicums, welche von Schrift-
stellern und Verlegern als vorhanden behauptet werden , würklich
vorbanden, so müsten die lese- und lernbedttrfligen sich bisher
in einem zustande traurigster hilflosigkeit befunden haben, glück-
licher weise aber trifft die begründung der herausgäbe neuer
Schriften durch das ^bedürfnis' nicht allzu häufig so richtig zu
als bei der Mittelhochdeutschen metrik vMuths: eine ausführ-
lichere darstellung dieser lehre, welche billigen ansprüchen ge-
nügen konnte, fehlte in der tat. ist sie jetzt vorbanden ? — ich
prüfe das vMuthsche buch mit dem mafse, welches man an ein
elementarbuch, an ein ^compendium in usum delphini', wie der
verf. sagt, legen darf.
Im I abschnitt handelt vHuth über betonung und quantität,
denn da der deutsche versbau auf dem wortaecent beruht, wird
man es nicht allgemein mit Behaghel Eneide cxm anm» für ^den
grofsen irrtum unserer metrischen darstellungen' erachten , 'dass
sie aceentfragen als teile der metrik geben.' die betonung der
Stammsilbe nennt vM. § 1 eine Mogische'« will er diesen, wie
mir scheint, nicht glücklichen namen benutzen , so darf er nicht
8. 10 die accentuierung dtnäulger als logische betonung mit
unbetonter erster' bezeichnen: logisch wäre es, denjenigen teil
des compositums am meisten zu betonen, welchem die wichtigste
fnnction zufällt, das ist hier oi, welches den begriff nUhtie prä-
cisiert. trägt aber al einen accent, so ist das nicht, wie vM.
aao. lehrt, ein tiefton, sondern der höchste ton, der in dem
Worte vorkommt, im nhd. ohnmächtiger hören wir das noch deut-
lich, wie denn überhaupt das nhd. seine composita im wesent-
lichen noch ebenso betont wie das mhd. und ahd. ich verweise
auf die reichlichen Zusammenstellungen in Sanders Abriss der
deutseben silbenmessung und verskunst, Berlin 1881, §20 ff.
vH. hat aber nicht gesehen dass durch das nhd. und die zweite
abbandlung Lacbmanns Über ahd. betonung und verskunst die
regeln bestätigt werden, welche Scherer schon in der 1 aufläge
seiner GDS über die accentuation der composita gegeben hatte,
[* vgl. DLZ 1883 nr 8 (ESteinmeyer). — Lttteratorbl. fOr genn. und
tarn. phtt. 1883 nr 6 (HPanl).]
A. F. D. A. IX. 22
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330 MOTB MBD. METtIK
regeln , zu denen die Vossischen in der Zeitmessung der detttschttt
spräche' 22 ff. 122 ff im grofsen ganzen stimmen (vgl. sucb
Sievers Phonetik s. 184 anm. 6). dem verL einer mhd. mtlrik
hatte nicht entgehen sollen dass hier ein fundamentaler fortscbritt
vorliegt, dessen nichtbeachtung in das i capitel Unrichtigkeiten
und Unklarheiten gebracht hat (man vgl. die §§ 2. 5. 6, auch 21).
Für einen fehler in vM.s lehrweise gibt der ii abschnitt (neben
anderen) zwei belege, ^die grOste schärfe und klarheit der defi*
nition', für welche der verf. angeblich (s. vii) ^überall sorge ge-
tragen' hat, wird nicht erreicht, sobald man wesentliche puncte
einer erklarung nachträglich bringt. § 8 stellt auf ^das gesetz
der einsilbigkeit der Senkung, dh. zwischen je zwei hehungen
darf nur eine Senkung stehen und diese muss . . . einsilbig
sein.' erst der folgende paragraph trägt nach dass zwischen gram-
matischer und prosodischer einsilbigkeit scharf zu unterscheiden
sei. demnach muste von vorn herein gelehrt werden: die Senkung
muss prosodisch (oder metrisch) einsilbig sein; sprachlich
einsilbig braucht sie nicht zu sein, sie wird es durch synalOphe
und synärese, nicht aber durch v«rschleifung. durch diese wird
nicht ein vocal oder eine silbe unterdrückt , es werden vielmehr
nur die beiden silben schneller hinter einander gesprochen, so«
dass sie das zeitmafs einer silbe ausfüllen, etwa Vi« für Vs ein-
treten, denn ganz gewis besieht auch der deutsche vers aus
fttfsen (Lachmann Ahd. betonung: *der deutsche vers hat eine
bestimmte anzahl fofse', Kl. sehr, i 858; 'überladener erster fuils')
oder, wie man besser sagen wird, tacten, um nicht mit dem
begriff fufe aus der antiken metrik unwillkürlich die anschauung
von einer feststehenden Zusammensetzung aus langen und kurzen
Silben herüberzunehmen, ohne tact sind verse undenkbar — Lach-
mann spricht vom rhythmischen bau der verse aao. s. 359 — und
gerade der ältere deutsche vers hat den tact am allermeisten nOtig«
weil nur durch ihn die ungleichmärsigkeit in der silbenzabl 6er
fnfse gebändigt werden kann, ich hebe dies wegen der aus-
einandersetznngen Pauls in den Beitr. 8, 181 ff hervor, der nicht
frei von zweifei ist, ob nicht bei Lachmann und seinen anhängem
die verbohrtesten ansichten über versbau herschen. zugleidi
möchte ich eine beschuldigung zurückweisen , die er s. 188 anm.
gegen mich vorbringt, weil er mich misverstanden hat Vogt
sagt in seinem Salman und Morolf s. lxxxiv: ^in anderen Mlen
aber , so vor allem wo die auf das tonlose s folgende liquida (na-
salis) vor einem consonanten steht, existieren nicht eigentfich
einsilbige Senkungen; selbst wenn man das e beim tes^n des
Verses ganz schwinden lassen will, so sind doch in diesem faMe
die liquidae (nasales) immer selbstlauter, wie in der heutigen vul-
gären ausspräche in frägn gAchn nuMtl usw.: eine gewisse be-
lastung der Senkung findet jsilso immerhin statt/ dazu habe ich
in der DLZ 1881 sp. 1039 bemerkt, die begründung durch die
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MDTH NHD. MBHUE 33 t
Datur der liquidae als selbstlauter bedeute nicht yiel: 'stiminton
besitzen sie immer, und so könnte man auch sagen dass arm
oder heim keine 'eigentlich' einsilbigen Senkungen seien, und
steht es bei verschleifungen nicht ganz ähnlich?'
dürfte man sidi in der 'Berliner' Lilteraturzeitung so weitläufig
und wortreich ausdrücken, als es in gewissen aufsätzen der Hai«
lischen Beiträge zur geschichte der deutschen spräche und lit-*
teratur mode ist, so würde ich auseinandergesetzt haben dass das
aussprechen von arm hdm eben wegen der tönenden endlaute
längere zeit in ansprucb nimmt als das von hcat oder fest, dass
aber trotzdem ihre metrische einsilbigkeit ebenso wenig be-*
stritten wird als die zweier verschleifter silben, die doch sprach-
lich auch nicht zu einer zusammenschrumpfen, wer also mantel
17011 oder mmUl mn schreibt und es als bebung und metrisch
einsilbige Senkung angesehen wissen will, der bat durch seine
Schreibung 'eigentliche' dh. in der spräche liegende einsilbigkeit
der Senkung allerdings nicht erreicht; aber gerade so wie ein
dichter die werte arm und kasi gleichwertig gebraucht, obwol
sie es 'eigentlich' nicht sind » hat der Salman und Horolf mamud
wm und (erJkeHnesi du mit gleichem mafse gemessen , obwol bei
mantel von eine syncope des e nicht denselben erfolg als bei (er)^
keniust du bringt aber an den liquiden oder 'einem' consonanten
schlechtweg hinter der liquida liegt das nicht, wje Vogt meint,
er irrt sich , wenn er aao. s. lxzxui behauptet dass 'namentlich
da wo ein tonloses e vor einer liquida steht, auf welche vocal
folgt' durch syncope 'würklich einsilbige Senkungen herzustellen'
seien: manchen an, bräditen ein, kundsn im udgl. sind ganz und
gar nicht 'würklich' dh. in der ausspräche einsilbig; wir haben
darin, trotz bequemerer sprechbarkeit , so gut zwei silben wie in
mantel wm, nicht 'würklich' eine, wie in erkeniuei du, man mOste
denn (Salman und Horolf 69, 2 die von MarMie) brächt nein
schar statt brdchtnein sprechen , was unnatürlich und unverständ-
lich wäre, also verhindern nicht die liquidae die 'eigentliche'
einsilbigkeit, sondern gewisse zu ihnen tretende consonanten:
sprachliche einsilbigkeit ist unmöglich, wenn durch die syn-
cope consonantverbindungen entstehen, die der spräche fremd sind.
Auch der zweite teil jener Paulschen anmerkung enthält, in
so hohem und überlegenem tone er auch vorgetragen wird, doch
nicht mehr richtiges als der erste, auf 'die einschlägigen partien
in Sievers Phonetik' hätte mich Paul nicht zu verweisen brauchen:
ich habe sie mir nicht nur längst 'angesehen', wie er rät, sondern
sie auch durchdacht und aus ihnen gelernt, und wenn ihm sein
'Wahn noch nicht zu lieb geworden ist', alles besser zu wissen
als andere leute, so 'möchte ich' meinerseits jetzt ibm 'do^ raten',
'bevor er in diesen fragen mitspricht', zu versuchen, ob er Sievers
nicht auch begreifen kann, da steht zb. in der Phonetik auf
s, 183 oben: 'in mehrsilbigen taaen macht sich meist das he*
22*
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HDTH HHD. IIETRIK
Streben geltend , schwache silben mit stUrkereo regelmSirsig ab-
wechseln zu lassen, dh. es folgt auf die starke anfangssilbe eine
schwache, dann eine mittelstarke, wider eine schwache« mittel*
starke usw/ ferner s. 184: ^die abstufung dersatztacte. ...
man muss hier zweierlei unterscheiden ... die bis zu einem
gewissen grade feststehende, natürliche abstufung benachbarter
tacte. ... die erstere art der abstufung vergleicht sich der ab-
stufung der einzelnen silben im tacte.' endlich auf s. 185 als
beispiel ffrbe zu ' xtedi fo * rh : XNiaen. ... %u ist hier starke
Silbe, /'_ ebenfalls, h mittelstarke, die schwachen silben sind un-
bezeichnet. in dem von Paul aao. benutzten satze vindB die hi-
nigin wäre entsprechend zu betonen vi'ndedie hi'nigin:, und
so hat man auch ohne zweifei in mhd. prosa betont, nach der
ersten oben angefahrten regel ist hi stark, ni schwach, gin mittel-
stark betonte silbe, entsprechend vin stark, de schwach, die mittel-
stark betonte silbe. sollen diese silben einen vers von vier hebungen
bilden, so sind zwei in den stark betonten silben von vorn
herein gegeben und die beiden anderen können nicht durch die
schwach, sondern allein durch die mittelstark betonten silben ge-
liefert werden, was mir selbstverständlich und nicht erst eines
beweises bedürftig scheint, sonach würden wir mit fug und
recht vinde die künigin lesen. — bei artikelformen mit e oder
Präpositionen hinter dem schwachen e der flexionsendung liegt
die Sache nicht anders: der sprach- und satztact müssen berück-
sichtigt werden, liebe mit leide sind zwei sprachtacte, 'deren an-
fang jedesmal durch eine betonte, dh. hier starker gesprochene
silbe markiert wird' (Sievers Phonetik s. 179), also liebemit Uide,
und mit ist widerum mittelstark, be nur schwach betont, ersteres
mithin fähiger eine hebong zu tragen, als das zweite, dass die
Senkung hinter dem artikel oder der präposition fehlt, verschlSgt
nichts, da der fufs 'auch von einer einzigen silbe ausgefüllt werden'
kann, 'dazu ist bekanntlich eine ihrer natürlichen quantitst nach
lange silbe erforderlich' (Paul Beitr. 8, 184; vgl. Lachmann aao.
s. 358) und mit ist lang als geschlossene silbe (Sievers aao. 192).
deshalb braucht man auch nicht mit Scherer QF 1,73 in Hillst.
Exodus 142, 10 ir bruodir ir und 150, 32 hindir um besidt durch
conjectur position zu schaffen, ja ich möchte fragen, ob nicht
ursprünglich jede betonte — gleichgiltig ob hoch- oder tief-
tonige, ob lange oder kurze — silbe hebung und Senkung in
sich zu vereinigen , allein den tact zu füllen ausreichte. — ifrei-
licfa tut in allen den erörterten fällen der verstact dem redetact
einige gewalt an, aber lieben dSn man ist, wie eben gezeigt, gewis
weniger unnatürlich als lieb^ den man. wenn Behaghel in seiner
Eneide s. lxxxiv anm. mich fragen möchte, ob etwa ersteres
irgendwo in der natürlichen rede weise vorkommt, so stelle ich
ihm die gegenfrage, ob er schon irgendwo — meinetwegen selbst
bei Bartsch — in der natürlichen redeweise betonnngen wie
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MDTB MUD. METRIK 333
IMm den man gehört hat. vers und prosa stehen einander eben
nicht gleich. Paul sagt Beitr. 8, 184 sehr richtig, man müsse
unterscheiden ^zwischen der natürlichen quantitllt der silben in
der täglichen rede und derjenigen, die ihnen im verse gegeben
wird, die letztere ist mit der ersteren eben so wenig einfach
identisch, wie der versaccent mit dem wort- [das ist nicht vor-
sichtig genug ausgedrückt!] und satzaccent. es ist gar nicht mög-
lich die Wörter zu einem rhythmisch gegliederten ganzen zu ver*
einigen , ohne dass dabei die natürliche quantitdt der silben bald
etwas gestreckt, bald etwas zusammengezogen wird.' und — um
auf vinde die kutiiigin zurückzukommen — man Tergesse nicht, was
uns die allitteration und Otfrids accente lehren, dass es haupt-
und nebenhebungen , kräftigere und schwächere versaccente gab,
welche sich nach der Satzbetonung richten, natürlich ruhen auf
vinde und künigin stärkere accente als auf die.
Ein ausweg wäre für den denkbar, welcher weder vinde die
Itünigik noch vinde die kümgln betonen wHl: er könnte, unter
Wahrung des rhylhmus, den vers so lesen, dass die zweite hebung
nicht hörbar und die Senkung zu dieser latenten, in einer pause
steckenden hebung wird: vindel' diej külnigih. aber überall wäre
dieser ausweg nicht möglich , zb. nicht im Erec 1934 diu hies
Mdrguel, 2161 dh- wde da' zekänt, 2364 der vil getriuwe min,
wo natürlich die erste hebung nicht latent sein darf, und er wäre
auch nirgends nötig. — dass die moderne musik eine entscheidung
hierüber nicht bringen kann, muste man a priori annehmen, weil
unsere musikalischen principien und die mittelalterlichen sich
nicht decken, es ist aber nunmehr durch Kinzel Zs. f. d. phil.
14, 107 f und durch Lichtenstein Anz. n 13 ff Behaghel (Eneide
Lxxxiv anm.) gegenüber durch beispiele dargetan worden.
Auch sonst ist was Paul in dem cäpitel Ober kürzung und
mehrsilbigkeit der Senkung in den Beitr. 8, 181 ff vorträgt, weder
durchweg so neu noch so richtig als er vermuten mag. um so
mehr ist zu bedauern dass er in überaus wegwerfender und grober
weise über leute herfällt, deren ansichten er nicht genügend nach-
gespürt oder die er nicht verstanden hat ich greife noch einiges
der art heraus.
S. 182 setzt Paul aus einander, wie es seiner meioung nach
mit den verkürzten formen steht und wonach der gebrauch der-
selben bei dichtem zu bestimmen sei. diesen punct habe ich
bereits 1876 in der Zs. 19, 288 ff theoretisch erörtert und habe
dort zugleich von meiner theorie practischen gebrauch gemacht,
allein ich hüte mich die sache nach Paulscher art auf die spitze
zu treiben, denn kürzungen können nicht nur im dialect des
dichters ihren grund haben, sie können auch aus metrischem
zwange hervorgehen, es ist eine ebenso unbedachte als unbe-
weisbare behauptung, die Paul aao. ausspricht: ^wollen wir daher
zu bestimmen versuchen, welche gekürzten formen wttrklich üblich
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334 MOTH HHD. MKTRIK
gewesen sind, so mdssen wir uns an die reime und an die
Schreibung der gleichzeitigen hss. halten, dagegen dürfen wir
keine ktirzung, die sonst nicht erweislich ist, blofs aus dem
ooetrum erschliefsen. vielmehr ergibt sich dass wir nach der
bisher geltenden metrischen theorie genötigt sind kürzungen an*
zunehmen, die der Sprachgebrauch nicht zulftsst, so haben wir
<)araus zu schliefsen . dass diese theorie einer correctur bedarf.'
der Sprachgebrauch! es ist ein besonderes und seltenes glück,
wenn uns Schriftstücke ?on leuten zufallen , die von schulroäfsiger
Orthographie so wenig berührt sind wie zb. die aufzeichner der
von Schonbach Zs. 20, 129 ff behandelten SLambrechter breviarien,
oder wenn durch die gelehrsamkeit wenigstens ab und zu eise
Schreibweise bricht, welche auf die Umgangssprache einiges licht
wirft, wie viel wissen wir denn von ihr? was vrird man dereinst
über die heutige Umgangssprache wissen, falls nur bücher und
aufzeichnungen in gebildetem hochdeutsch übrig bleiben sollten,
keine phonetische darstellung unserer Sprechweise? gerade die
für die metrik in betracht kommenden Verkürzungen und ver*
Schmelzungen von silben und Wörtern gibt uns die schrifl so
gut als nie und selten vollkommen wider, so müssen wir bei
jedem poetischen denkmal das mafs des erlaubten in ihm selber
suchen, indem wir ohne vorgefasste meinnng herantreten, weder
des giaubens dass allerwärts dassicität hersche, noch in dem
Paulschen wahne dass *die reime' und ^die Schreibung der gleich-
zeitigen hss.' hinreichten, uns über das zu belehren, ^was würk*
lieh üblich gewesen.' dass mr durch solche Untersuchungen auch
auf metrisch mehrsilbige Senkungen geführt werden können,
wird kein vernünfüger bestreiten, aber entartung sind sie zweifel-
los, da nie im deutschen zwei völlig g^eichbetonte silben neben
einander stehen, vielmehr von je zwei silben stets die eine höher be-
tont, die hebung zu der anderen als der Senkung ist, und dies Ver-
hältnis nur unter bestimmten bedingungen von der spräche über-
wunden werden kann, eben durch verschleifung, synalöphe usw.
Eine Insinuation Pauls ist so plump, dass es fast genügt, sie
mit bedauerndem kopfschütteln ad acta zu legen. *man sidit
jetzt wol', sagt er aao. s. 187, ^wie nichtig die gewöhnlich ge-
machte Unterscheidung zwischen tonlosem und stummen [sol]
e ist. stummes e ist wider ein wort, mit dem man
immer operiert, ohne dass jemals festgestellt ist,
was man sich denn eigentlich dabei zu denken hat.'
hierdurch werden kurzweg Lachmann und seine anhtager für
blödsinnig erklUrt. warum? weil Paul nicht weifs, was sie unter
stummem a verstehen, denn die erifluterung des ausdrucks, welche
er seinem decret anschliefst und womit er gutmütig unsere blöise
decken möchte, rührt trotz des *man' höchst wahrscheinlich von
ihm selber her. *die veranlassung das e stumm zu nennen hat
man von der fähigkeit hergenommen, die dasselbe hat, mit der
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MDTH MHD. METRIK 335
vorbergchendeD silbe verschleift zu werden.' das6 ein b, welches
veracUeift werden kann, deshalb noch nicht stumm werde, hat
Lachaann schon gewnst, als er die vorrede xu seiner Auswahl
niederschrieb, dort steht s. xiv, das stutmne e werde kaum ge*
hOrt, und s. xv, es falle oft ganz ans, was genauer pracisiert
wird in den bekannten reg4dn (vgL auch Gr. l^ 373 f)* das e
keifet also vielmehr stumm, weil es oft nicht redet, nicht gehört
und in folge dessen von der hauptmasse der hss. auch nicht ge-
sehrieben wird, das geschieht, von den vonufgehenden conso*
nanten abgesehen, nach kurzer betonter silbe, und der Überein-
stimmenden messung im verse halber sind dann alle schwadien e
angegebener art als stumme bezeichnet worden. freiUch ungenau :
in vater baie nase usw. war es, wenn wir den hss. trauen dürfen,
nie ganz stumm (ebenso Paul aao. s. 185).
Jetzt aber wider zu unserm buchl
Das andere beispiel ungenügender deflnition gewahrt § 9
8. 14 : ^verschleifung zweier kurzer, durch einen consonanten ge-
trennter Silben.' warum erst hinterher in § 10, dass dieser con-
sonant ein einfacher, nicht position machender sein muss? nach
der ersten unvollkommenen regel scheint sich vM. selbst gerichtet
au haben, wenn er mit grobem fehler s. 15 unter a bei werde
%e, MMFrea^e verschleif ung vorschreibt! confusion durfte ihn auch
zu dem mir unverständlichen satz s. 48 geführt haben : 'griiezen
dl die 6%eln man (itxeln wäre an letzterer steile unmöglich,
itxäen um eine hebung zu viel).' ob x oder t% — ausspräche
und metrischer wert bleiben doch dieselben I
Der nächste § (11) führt uns auf den gipfel der Verwirrung,
ab Vorspiel erklart vM.: ^mit ausnähme einiger für-, vor- und
hindeworter, des verstärkenden -d und des in der nominaten
flexion ziemlich seltenen -iu kennt das mhd. keinen anderen vocal-
auslaut als e (doch vgl. die beispiele unten).' in ihnen kooEimt
nur noch der conj. sf vor, an wOrter wie kld tnS H bat der
verf. nicht gedacht; er hätte sich der vocalspiele erinnern sollen,
der hiatns ist — beiläufig bemerkt — weiter zu fassen als Haupt
zu Engelh. getan hat: Scherer Deutsche stud. 2, 30.
Nun folgen auf s. 17 eine anstofsige und zwei grundfalsche
definitionen, letztere von sehr wichtigen erscheinungen. 1) ^eüsion
ist der abfall des auslautenden e vor vocalischem anlaut' den
abfall nennt man besser apoc^>e und es ist nicht zu empfehlen
dass vM. in § 13 sie nur vor consonantischem anlaut stattfinden
läset elision ist ein zusammenfassender name für die erschei-
nungen der synal^^he und synärese. diese aber verwechselt vM.,
indem er lehrt: ^synäresis ist die Verschmelzung des auslautenden
e mit vocalischem anlaut; synalophe ist die schwächang eines
auslautenden langen vocals vor vocahschem anlaut' für ihn hat
also Lachmann im Iw. s. 547 den ausdruck synäresis doch nicht
klar genug definiert, obwol er die klarheit der stelle s. 30
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336 MUTH MHD. METRIK
unten rühmt. Lacbmann redet nicht von der Schwächung eines
auslautenden langen Yocals, sondern nur eines auslautenden
vocals vor vocalischem anlaut, und dies nennt er synalöphe. in
ihr hat also der zweite vocal das Übergewicht in der durch synekpho-
nese (Lachmann Kl. sehr, i 165 anm.) sich bildenden diphthongi-
schen silbe, wie zb. in der herzöge ^«r Beme. synärese dagegen
setzt Lachmann im Otfr. an — das hat vM. übersehen — vor
schwach anlautenden Wörtern, von denen einige 'nach
und nach für t oder i auch unbetontes e annehmen', also zb. do
er, nu endarf, ja erwarp. hier überwiegt der erste teil des
diphthongen.
Bei dieser hergebrachten terminologie wollen wir doch ja
bleiben, mag uns auch vM. die seinige, durch 'scharfe deänition'
gewonnene noch so sehr preisen, behauptend dass ihre 'allgemeine
anerkennung und durchführung unter allen umständen von un-
mittelbarem practischen nutzen wäre' (s. 31 anm.)*
Merkwürdig ist die Vorschrift s. 20, die Neidbartschen verse
49, 12 dö muose man der tanze
'Af dem anger gar verpUegen,
wo Haupt synalöpbe zwischen tän»$ und üf in der anm. als
'nicht sehr wahrscheinliche' abbilfe des zweisilbigen auftacts vor-
schlägt, so zu lesen, dass ikf eine hebung bekommt, es ist gar
nicht abzusehen, wie vM. diese Verlängerung der zeiie um eine
hebung rechtfertigen will, es mag dem eine ebenso verworrene
anschauung zu gründe liegen als der behauplung s. 24 f : 'einiehne
fälle [doppeller syncope] treten so häufig ein, dass die poe-
tische freiheit zur grammatischen regel wird, so
die Verkürzung der dreisilbigen praeterita von stammen in /: ant-
wurte durste . . .; die contractionen hdn hdst län, Ut git, geeeü
treit, kM, reite (redete), voit (vogei) uä.; die dative der posses-
siva mime dtme sime, ebenso eime (eineme) und der ausfall des
bindevocals bei einzelnen Zusammensetzungen, insbesondere eigen-
namen (spilman Sigmunt Siglint, aber ebenso Rüedgir . . .).'
welche Unkenntnis verraten die letzten, bunt zusammengewürfelten
beispiele I und welche anschauung von sprachlicher entwickelung
besitzt jemand, der worte, wie die oben gesperrten, drucken zu
lassen im stände isti von dem mann, welchem er seine Metrik
widmete, hat vH. derartiges gewis nicht gelernt.
In dies capitel von der grammatischen schwäche vH.s gehört
noch folgendes.
Bei Walth. 15, 36 und 18, 29 soll nach s. 39 in PhiUppe
und Pkäippes eine 'völlige Versetzung des accents ans metrischen
gründen' vorliegen, der name konnte aber auch in prosa ent-
weder nach deutscher art auf der ersten silbe betont werden
oder nach lateinischer auf der zweiten, dass diese betonung keine
gezwungene und künstliche war, lehrt die abkürzung Lippe, die
selbstverständlich auf Philippus Philippes zurückgeht ; denn hoch-
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MOTB MHD. METEIK 337
toDige Silben verscbwiDden nicht, vgl. Erodes und Erödes im
Uel. — die adjectivischen dati?e in mit Mrlichm süe, an mets^er-
lidien lobe und ähnlichen phrasen sind keine schwachen und mit*
hin auch keine 'grammatische incorrectheit' zur Vermeidung einer
'metrischen härte' (s. 47), sondern beruhen, um mit Weinholds
Worten in der Mhd. gr. s. 491 zu sprechen, auf 'nacbiftssiger
rede des tages'. — bei den versen
»uo dem almehtigen gote.
ir One sich dö bezTieröte
bemerkt vM. s. 54 anm. 2 : 'unorganische Verlängerung oder ver-
kOrzung, göte oder bezzerote, anzusetzen ; bei einem niederd. wäre
ersteres sicher, Germ. 3, 502 ; bei einem hochd. ist letzteres wahr-
scheinlicher.' den ausdruck 'unorganisch' halte ich nicht für
empfehlenswert, allein abgesehen von ihm: wenn in einer spräche
die neigung liegt, ihre vollen flexionsvocale in schwache e zu ver-
wandeln, so wüste ich nichts was 'organischer', einem natürlichen
und notwendigen entwickelungsgange entsprechender wäre als Ver-
kürzung langer flexionsvocale, bevor sie zu e werden können, aus
vM.s bemerkung liefse sich entnehmen, es sei alles 'unorganisch'
was nicht dem ursprünglichen sprachstand angehört. — nach s. 59
unter 3 ist der reim duo : nuo «= dö : nü unmöglich, weil für die
diabetische ausspräche eines wortes und seine Verwendung im
reime der grundsatz gelte, dass von den beiden reimworten nur
eines einer mundartlichen Umformung unterzogen werden darf,
das zweite aber rein bewahrt werden muss. das soll Zacher bei
Lachmann im coUeg nachgeschrieben haben, ob Lachmann würk-
lieh so gelehrt hat, weifs ich nicht zu entscheiden, doch gleich-
viel: die lehre ist irrig, der dialecüsch reimende formt nicht
um, sondern er spricht im gegenteil wie ihm der schnabel ge-
wachsen ist; spräche er schriftgemäfs, so würde er umformen,
deshalb kann er auch ohne zweifei reime gebrauchen die in seinem
dialect gleichklang besitzen, wenn auch keiner der reime zur
dialectfreien ausspräche stimmt, gerade der verpönte reim duo
: nuo steht in Dietrichs flucht (DHB ii) 95 zu lesen. — aao. unter
nr 4 ist rieh als beweisendes reimwort für -lieh nicht glücklich
gewählt, da es auch auf kurzes t reimt und seine Verkürzung nicht
unmöglich ist (vgl. Lachmann zlw. 5422). vor allem hätte hier
die anm. Hahns zum Otte 120 wegen der feststehenden regel Kon-
rads vWürzburg citiert werden müssen. Wilmanns beobachtung
über Walther (s. 57, nicht 59 der 1 ausg.) ist ungenau wider-
gegeben. — das halb neu- halb mittelhochdeutsche tönediep s. 89
anm.** ist wol nur ein druckfehler.
Das VI cap. handelt von der cäsur, das vii von der Strophe,
zu anfang des ersteren sucht vM. zu beweisen dass die erste hälfte
des Nibelungenverses viermal gehoben sei bei stumpfem Schlüsse,
ich muss das für mich beschämende geständnis machen dass mir
die beweisführung auf s. 84 gänzlich dunkel geblieben ist (wie
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338 MUTE MHD. HETRK
auch noch einiges andere in vM.s buch), mehr als dass drei
bebuDgen mit stumpfem ausgaug für den ersten halbvers nicht
hinreichen, habe ich daraus nicht entnehmen können, gewts
liegt das an mir, aber ich füFchte dass anfanger ia der metriii,
fflr die doch vM. sein buch bestimmt hat, ihn erst recht nicht b^
greifen werden, stumpfe cftsur nimmt vM. auch ffir die atrophe
der Rudrun, des Wolframschen Titurels, der bruchstttcke von
Walther und Hildegunde an. letitere Strophe findet er *schOn'
(§ 44), ich nicht so sehr, wird zum zeichen des abschlusses die
letzte zeile yerlängert, so gehört die Verlängerung naturgemäfa
ganz ans ende, in der Waltherstrophe hat aber die vorletzte halb»
zeile mehr hebungen als die letzte, und dadurch wird das geCtthl
des abschlusses zu frtth hervorgerufen, die achte hatbzeie macht
trotz ihrer verUfngerung keinen eindruck mehr und klappt nach. —
unter der benennung der verschiedenen liedergattnngen tritt s. 91
komischer weise auch unwUe auf. das ist doch kein terminua
technicusi oder glaubt vM. dass jemand so tinioUe habe sein
können absichtlich utmisen zu verfassen? — ebenda wird gesagt,
Martin habe die teilbarkeit durch 30 für Hartmanns Gregor 'höchst
wahrscheinlich gemacht': vgl. meine einwände in der DLZ 1882
sp. 534 f. wegen der heptaden war noch auf Zarncke und Hen-
ning im 40 bände der Preufs. Jahrbücher zu verweisen.
Aus den beiden letzten lücken mache ich vM. durchaus keinen
Vorwurf, denn er hat nach dem vorwort s. vi unter dem *völ-
ligen mangel aller anregung und hilfsmittel' an seinem 'berufs-
orte' gelitten und es ist um so respectabler dass er trotzdem aa
die arbeit gieng: allein so ganz verlassen war er denn doch
nicht, erstens besafs er Lachmanns metrikcolleg, wie ea Zacher
im Wintersemester 1842/3 mitgeschrieben hatte, nach vM.s eigeneo
Worten ^öie quelle der meisten und besten kathederdarstellungen
des gegenständes.' zweitens waren ihm die lehrbttcher seiner
Vorgänger bekannt, da er sie citiert. von grund aus neues hatte
er also nicht zu schaffen und so hätte der weitere versuch nach
manchen anderen bei dem unbestreitbaren fleib und eifer des
verf.s glücklicher ausfallen müssen, wenn es ihm nicht an der
Selbsterkenntnis gefehlt hätte dass er als anftnger in der metrik
erst recht nicht geeignet ist andere anfilnger durch ein lehrbucb
zu unterrichten, ich habe es nicht darauf angelegt, die ganze
fülle der irrtümer, flOcbtigkeiten, unbeweisbaren behauptungeo,
welche ich mir notiert habe, hier auszuschütten, die proben
werden aber hinreichen, und neben solchen fehlem macht das
kecke aburteilen vM.s einen um so unangenehmeren eindruck.
leichtes herzens gibt er seku verdict über dinge ab, Ton denen
er offenbar nichts versteht, so soll Bartschs beionung UAe müT
UidB 'ein hauptgnind der auf dem gebiete der altdeutschen metrik
eingerissenen Sterilität und confusion' sein (s. 33)1 das ist eine
leere redensart. es herscht auch gar keine Sterilität: wir haben
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MUTH MHD. METRIK
Mit längeren jaliren in ausgaben und anderwärts von den ver-
flchkdensten seilen fordernde Untersuchungen erbalten. Aet
gerade nicht in den editionen des Litterarischen Vereins, kaum
wichtiges material dort, wie vM. 8.45 anm. vermeint. — s. ö2:
*der reim entwickelt sich . . . zur höchsten , unserer modernen
spräche und dichtung absolut unerreichbaren Feinheit.' weshalb
sieben die besten reime unserer besten reimkOnstler den mhd.
nach? — 8. 66: *und doch läset sich die geschichte des reimes
in kurzen zügen genau darstellen: zuerst lassen sich klingende
von stumpfen reimen unterscheiden um 1160 — 1170, Trierer
fragmente. . . .' ach nein: ich glaube mit dem,- was ich Zs. 21, 386
gesagt habe, im recht zu bleiben, wer sich noch mit reimen wie
irinen : guten, dwnan : 4rm udgl. begnttgt, dem fehlt noch manches
anm klingenden reim, aber vM. nannte die Trierer fragmente,
weil sie sein ein und alles sind, wenn er von der vorclassischen
Periode spricht, darum sollen auch laut s. 130 Sieinmeyers und
meine ausgaben der Trierer fragmente besonders wichtig fttr die
geschichte des reimes sein, anfserdem — Jänickes einleitung zum
Biterolfl uns allen eine unverdieule ehre, fürvM. eine vermeid«
bare quelle des tadeis. denn was nötigt ihn zu solchen orakeln?
der zweck seines buches gewis nicht, er hatte doch vorsichtig
sein sollen, der schon im Vorwort mit der spendung von liebens-
Würdigkeiten beginnt und weiterhin mit urteilen wie ^unberufen ;
diese leichtfertige, anftuger leicht verwirrende meinung; diese ganz
frivole behanptung; hat die stirue' nicht spart, wenn ich nun
boshaft wäre? — aber ich möchte es gerade am heutigen tage
nicht sein.
Berlin, am bofstage (18 april) 1883. Max Robdiger.
Lebeo asd dichten Walthen ron der Yogelweide. tor WWeimakis. Bodo,
Weber, 1882. xxi? und 456 88. 8^ — 9 m •
Die WaltherforschuDg hat allmählich einen umfang gewonnen,
dass wol jedem ein buch nur hoch erwünscht sein kann, welches
wie das vorliegende die bisherigen ergebnisse kritidch zusamroen-
fasst, durch eigene Untersuchungen vermehrt und daraus ein
lebendiges bild des dichters gestaltet, das dem gegenwärtigen
Stande unserer kenntnis entspricht.
Was Wilmanns uns bietet ist die fnicbt seiner weitgreifenden
und eindringenden vorarbeiten zu der zweiten aufläge seiner
Waltberausgabe und zeigt, wie er in den 15 jähren, seitdem im
[* Tffl. Zs. f. d. ph. 14, 470ff (JEWackernell). — Litt centralbl. 1881
nr 47. ^ Litieraturbl. Ittr gem. and rom. phil. I8tö ar 10 (ASchrstter).]
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340 WILMANNS LEBBN WALTHBRS
13 bände der Zs. sein bekannter aufsaU Zu Walther von der
Vogelweide erschien, unausgesetzt dem einmal erwählten gegen*
Stande die gleiche teilnähme bewahrt, wie er alle einschlägigen
forschungen mit anhaltender aufmerksamkeit begleitet hat, und
welch reicher gewinn aus dieser treue nun ihm und uns allen
erwachsen ist.
Das buch wendet sich nicht blofs an die zunft der fach-
gelehrten : es will mit recht auf weitere kreise wttrken. ein aus-
führliches Vorwort bringt eine geschichte der Wertschätzung, die
Walther im laufe der zeiten zu teil geworden, bis auf das Tiroler
Waltherfest im jähre 1874, und gibt dann den standpunct an,
von dem aus die neue biographie unternommen sei: nicht von
dem allzu hohen Tiecks, wo das äuge tlber das naheliegende, in-
dividuelle in ungemessene und unermessliche weiten schweift,
auch nicht von einem tendenziös politischen, sondern von dem
nämlichen, auf welchen sich Uhland stellte, als er das leben
Walthers schi*ieb. ob es dem verf. in der tat gelungen ist, sich
durchweg auf diesem standpunct wahrhaft geschichtlicher (oder wie'
er sagt ^objectiver') wtlrdigung zu halten , das wird uns hernach
beschäftigen.
Wilmanns hat seinen stoff in fünf capitel verteilt, das erste,
die einleitung (s. 1 — 38), versucht das litterarische leben, in welches
Walther wQrkend eingriff, nach art und umfang zu bestimmen,
der verf. holt weit aus : er führt die entwickelung der ritterlicheo
cultur in Deutschland seit dem ende des 11 jhs. vor äugen, die
rivalität zwischen den dichtenden clerikern und den fahrenden
wird kurz geschildert und dann ausführlicher dargelegt, wie diesem
gegensatz der ritterliche stand ein ende machte, indem er selbst
die litterarische arbeit in die band nahm, das ritterliche leben
wird seinem wesen und seinen natürlichen bedingungen nach in
socialer und ethischer beziehung characterisiert, und bereits hier
tritt hervor was im ganzen buch noch öfter sich geltend macht:
W. hat eine geringe meinung von der einheimischen deutschen
cultur, er traut der ritterlichen gesellscbaft, deren barbarei er
lebhaft und scharf hervorhebt, nichts eignes zu von poetischer
oder moralischer bedeutung. das geistige Wachstum der zeit leitet
er zum grösten teil aus fremden einflüssen her, namentlich aus
romanischen , die schöpferische tätigkeit erscheint ihm nur klein
(s. 10 ff)* mit dieser aulTassung geht er auch an die deutsche
minnepoesie und trägt über ihren Ursprung im wesentlichen das-
selbe vor wie Anzeiger vu 261 — 265, worauf ich an einer anderen
stelle eingehe.
Es folgt eine skizze des älteren minnesangs sowie der gnomik
der fahrenden vor Walther. für Dietmar von Eist schliefst sich
W. Scherers darstellung in den Deutschen Studien an. richtiger
als Scherer sieht er meines erachtens das Verhältnis von Dietm.
35, 16 zu Veldeke 67, 9 an: wenn ein Zusammenhang überhaupt
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WILMANNS LEBBN WALTBBR8 341
aDZunehmen ist, gab Veldeke die anregung (s. 32. 295). dagegen
glaube ich nicht dass Dietmars todnehm hi gdigm (40, 34. 41, 6)
sein Vorbild habe in Parzirals abenteuer mit der Jescbüte und
seiner enthaltsamkeit nach der Yermahlung mit Condwiramürs
(s. 32. 295). — Heinrich von Veldeke wird, wie mir scheint, zu
hoch gestellt (s. 21); mich erinnert bei ihm nichts an Walther.
was in seiner lyrik erfreut, kommt nicht auf seine rechnung, es
ist volkstümlichen Ursprungs, er besingt vogelsang und die blühen-
den bäume, wie es der volkstümlichen tradition entsprach, ohne
dies naturgefühl in wttrkliche innere beziehung zu seinem herzen
zu setzen, einen 'harmlosen lustigen menschen' (Scherer Lit-
teratargeschichte 148) mag man ihn nennen, aber eine bedeutende
Individualität zeigt er in seiner lyrischen poesie so wenig wie
in seiner übrigen, seine einwürkung auf den späteren minne-
sang ist ganz gering.
Das zweite capitel (s. 39— 1 55) schildert Walthers ä u f s er es
leben, sehr wichtig scheint mir was W. über die gesellschaft-
liche Stellung des mittelalterlichen dichters bemerkt und ich ft^ue
mich, in den grundgedanken dieselbe ansieht bei ihm wider zu
finden, die ich in meinem Reinmar und Walther ausgeführt habe,
will man Walther gerecht beurteilen, so darf man ihn nicht messen
mit dem begriffe des modernen dichters, wie er sich seit dem
vorigen Jahrhundert ausgebildet hat. er übt seine kunst zum
lebensunterhalte im dienste der gesellschaft; seine lieder sind
'weder lyrische monologe, noch sind sie an ein so abstractes publi-
cum gerichtet wie das unserer heutigen schriftsteiler.' sie wurzeln
und leben in dem persönlichen verkehr des Sängers mit der ge-
sellschaft. indes entwirft mir W. s. 46 von dem brotneid und
Schmarotzertum der fahrenden Sänger, wie Marner, Reinmar von
Zweter, Rumezlant, ein zu schwarzes bild, und dass die anfange
dieser richtung auch bei Walther erkennbar seien und sich in
seiner parodie Reinmars zeigten glaube ich nicht, wenig glück-
lich scheint mir auch die beziehung, welche W. dem vielbe-
sprochenen liede Owi hoveUche» singen (64, 31) gibt, es soll
Walther hier die volkstümlichen epen im äuge haben, 'die in
einer der lyrischen dichtung entlehnten form zu neuer bedeutung
erhoben wurden' (s. 47). allein es ist nicht wahrscheinlich nach
allem, was wir von Walthers kunstrichtung wissen, dass er dem
voiksepos so feindlich und mit Verachtung gegenüber gestanden
habe, wenigstens lässt die anspielung auf die sage von Walther
und Hildegunde in dem bekannten liede eher auf das gegenteil
schliefsen. ob übrigens die Strophe der volksepen der lyrischen
dichtung entlehnt war, ist durchaus zweifrihaft, auch das um-
gekehrte Verhältnis ist möglich. Walther wendet in seinem liede
Owi war sint verswunden alUu miniu jdr bekanntlich eine der
Nibelungenstrophe nahe verwandte form an ; war jene also von
vorn herein eine epische Strophe , die aus dem epos in die lyrik
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342 WILMARNS LEBEN WALTHERS
kam, so hätten wir in diesem liede ein anderes zeugnis dafOr,
dass Walther zu dem volksepos eher freundlich als feindlich sich
Terhielt. die 'neue bedeutung', zu der die voJksepen sich damals
erhoben, bestand gerade darin, dass sie dem hofischen geschmack
angepasst wurden , wie die geschichie der bearbeitungen der Ni-
belunge not beweist wie konnte also Walther darin das zeichen
zunehmender, die höfische poesie gefährdender rohheit erblicken,
da ihm doch die Stoffe an sich gewis kein anstofs waren, es musa
mit dem unhofischen gesange, der von den gdMarm gekommeD,
durchaus lyrik gemeint sein, ich denke die höfische dorfpoeeie.
Das äufsere leben Walthers führt Wihnanns nun so vor, dass
zunächst des dichters Verhältnis zu den f<^tenbOfen zur darstel-
liing kommt (s. 48 — 82): sein aufenthalt in Österreich, Thüringen,
Meifsen, seine beziehungen zu Ludwig von Bayern, Bernhard von
Kärnten, dem grafen von Katzenellenbogen, dem patriarchen von
Aquileja, dem abt von Tegernsee. von jedem fürstenhof gibt W.
ein zusammenhängendes bild; ohne rücksicht auf die Unter-
brechungen , welche dazwischen liegen , werden also zb. alle be-
suche in Österreich hinter einander erörtert, daranter ladet
die chronologische klarheit und abersicbtlichkeit. anderseits ist
aber auch nicht zu läugnen dass W. durch seine anordnung ein
lebensvolleres, characteristisehes gemälde der verschiedenen hflfe
und ihrer littorarischen und gesellschaftlichen zustände gewinnt,
hätte er streng chronologisch geordnet und Osterreichische sprflcbe
mit thüringischen bunt wechseln lassen, so hätte man nur eine
menge vereinzelter züge von verschiedenen gesichtern vor sich
gehabt und schwerlich vermocht, die eigentliche physiogaomie
einer jeden landschaft zu erkennen, freilich tritt so weniger
Walthers person in den Vordergrund als die Umgebung, in der
er lebte und dichtete, aber die nahe liegende gefahr, dass er am
ende zur blofsen staffiige herabsank, hat W. glücklich vermieden.
Mit recht tritt W. für die Osterreichische heimat Waldiers
ein. Österreich ohne frage war des dichters heimat, so fem
man darunter den ort versteht, wo er Mie bildsamen jähre der
Jugend verlebte, in denen der geist form und richtung erhält*
(s. 48), wo er (Ue ruhigste , sergenfreieste zeit seines lebens ver-
bradite. dies land wird ihm am meisten ans herz gewachsen
sein, auch ohne dass er gerade darin geboren ist; 84, 20 nennt
er diie Osterreichischen fürsten die hämisclien. zwingend folgt
daraus nicht dass er in Österreich geboren war, und wer
heimat und geburtsland durchaus von einander scheiden will, dea
wird auch die hübsche Überlegung nicht überzeugen, die W.
s. 59 anstellt, um Walther als einen Österreicher zu erweisen.
Den ersten besuch Walthers in Thüringen, auf welchen der
Spruch Der m dm &rmi rieek von ungeMU H (20, 4) sich b&-
zieht, bringt W. in Verbindung mit der reise nach Magdeburg
zum weihnachtsfest des Jahres 1 199, weil er im gleichen tone ist
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WILIUIIN8 LEBBN WALTHEBg 343
wie der cur feier desselben gedichtete (19, 5). ich kann diese
motiviening, die er auch bei anderen datierungen anwendet,
muT billigen: kein einsichtiger wird sieh freilich einbilden dass
Sprüche desselben tons unter allen umstanden in dieselbe zeit
gehören mttssen. Walther hat — das ist wol die übereio*
stimmende meinnng aller kundigen — bisweilen gleichzeitig im
zwei veiiBchiedenen sprucbtOnen gedichtet, und eine frist, inner-»
halb welcher er einen Slteren ton wider zu benutzen sich erlaubte,
lllsst sich auf Jahr und lag auch nicht festsetzen, aber verschroben
isi es, deshalb nnn gleich det ttbereinstinunmig in der Strophen*
form jede bedentung für die datierung zu entziehen und mit dem
aufgebet schwergerttsteter dialektik und dem ganzen groben ge*
schfllz unbestreitbarer gemeinplatze einen feind zu bekämpfen
und nalAriich zu vernichten, der gar nicht existiert, wie Beitn
8, 161 ff geschieht, man darf durchaus einer datierung vor einer
anderen, an sieh ebenso wahrscheinlichen den Vorzug geben, wenn
dadurch ein ton in engere zeitgrenzen eingeschlossen wird, nie«
Dsand frttlich wird eine so gewonnene Zeitbestimmung für absolut
sicher halten, aber was ist Oberhaupt völlig sicher auf diesem
gebiet,^ wo man mit verbundenen äugen umhertastet und froh
^ freilich stSfst man nicht sehen aof die meinaug, als wäre gerade d^
teil der geschiehtliehen wisaenaefaarteD objeeti? aicber, welcher aich mit
dem aofseren geschebeD abgibt »ad auf materielle aeugoiste grflndet, weil
hier den subjectiven erwSsuDgeo des forschers der kleinste Spielraum ge-
lassen, indes auch in der weit der tatsachen, soweit sie der historisch ge-
wordenen Vergangenheit angehört, ist eine verhältnismlfsig objective er-
kcnntals der Wahrheit nor in weoigeo mien erreichbar, waa helfen noch
ao viele sicher bezeugte tatsachen aoi dem leben einer person, weno ma
gerade diejenigen unbekannt sind, welche jene erklären? wie oR sind wir
über die Schicksale jemandes unterrichtet, von dessen characler alle quellen
schweigen T objectiv sicher mag man die nberlieferten daten nennen, obwol
anch dagegen sich manches ehiwenden liest, aber sie an aammela maebt
Dach keine crkenatais, erkennen ist nicht conalaiieren , wiaseaaehaft nieht
wissen, Chronologie noch keine geschichte. je mehr regesten, desto schwie-
riger die historische erkenntnis. wie unsicher und von wie geringem werte
aiod die schlösse, weiche man ana den än(seren sengniasen filr die geschieh ts
to deotschen minsesaags sieben .kann? viele der aogenanatea ideatÜW
ciefnofren unserer dichter ndt urkundlich besengten minneni gleichea namens
sind rein willkürlich und erheben sich nicht über die blolse mögUchkeit.
andere, vielleieht sichrere, nätaen gar nichts, hatten wir nicht die gedichfte
des grafen von Neaenbarg, die ihn in das 12 jh. alellen, wer wollte ent-
scheiden ob er der Rudolf ii (1168 — 1192 bezcogt) oder ein apiterer ans
dan jähren 1225-^1255 ist? der gleiche fall kemmt im spateren minDesang
noch öfter vor, wo ein dichternsme mit mehreren nrknndlioh beseligten
pefsonen desselben geschlecktes stimmt : nur genaae untersnchnng der ent-
wickelong des stils und der poetischen technik, sowie der vctwerteten molive
kann hier eine cntscheidung herbeifQhren. hat sich das bild des Ulrich
vGotenbnrg als dicht«* im geringsten dadurch geindert dass wir ihn jetst
als Elsasser 1170 nachweisen können, mhrend Uanpt ihn im Klettgsn suchte?
unsere kenntnis von der inneren entwickehwg des minnessngs, von seiner
eigentlichea geschichte, worsuf ss doch allein aakommt, wird bei der durf*
tigen beschsffenheit unserer nrkundliehen aeugnisse ibcr privatpersoata,
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344 WaMANIfS LEBEN ^ALTHEA«
«ein muss, nur hier und da einen oder den anderen schwachen
halt zu finden? wer hier vorwärts kommen will, kann sich nicht
auf der wol geebneten schnurgeraden strafse des rein logischen
denkens halten , wo jeder schritt fest yorgeschrieben und sichtbar
ist: ermuss auch Seitenwege einschlagen und vor sprOngen sich
nicht scheuen, eins ist dabei freilich nicht zu entbehren: ge-
sundes gefühl und natürlicher tact, welche zeigen , wohin man
den fufs setzen kann und wohin nicht wem diese anläge fehlt,
der 'ist in aller Wissenschaft übel beraten, aber er sollte nicht
meinen, das was ihm selbst abgdit sei auch allen anderen versagt.
Der Spruch 20, 4 ist also entweder kurz vor dem Weihnächte*
feste in Magdeburg am hofe Philipps oder, wenn der besuch in
Thüringen von Magdeburg aus unternommen wurde, bald nach-
her vermutlich in Osterreich zu pfingsten 1200 vorgetragen.
Ein besonderer zweiter abschnitt des zweiten capitels (s. 82 bis
155) handelt von Walthers Verhältnis zum reich, von seiner po«
litiscben poesie im dienste der drei kOnige Philipp, Otto und
Friedrich, seinen beziehungen zu kOnig Heinrich, mit glück zieht
hier W. überall die gleichzeitigen historischen quellen heran und
verwebt sie mit der biographischen darsteilung. von den drei
herschern gibt er scharfgezeichnete characterbilder, die immer
freilich in etwas dunkler beleucbtung gehalten sind, und die
persönlichen Verbindungen des dichters mit ihnen treten klar
hervor, die datierungen der einzelnen Sprüche treffen im ganzen
auch hier das richtige, und aus der menge geäufserter Vermu-
tungen hat W. mit gutem blick die verhältnismäfsig wahrschein-
lichsten ausgewählt, alle fremden forschungen, die nur irgend
einen wert haben, sind berücksichtigt und in den anmerkungen
sehr sorgfältig verzeichnet, das buch wird dadurch zu einem
würklicben compendium der gesammten Waltberlitteratur, und
niemand, der von diesen dingen etwas versteht, wird so hoch-
mütig sein, dass er nicht hierfür dem verf. aufrichtig dankte
sollten auch noch so ?iele neae nrkanden anfgefanden werden, nicht mehr
wesentlich sich ändern oder vermehren, was haben selbst die 127 neuen
Urkunden, die Wadiemell in seinem Hugo vMontfort benutst, wissenswertes
gebracht? hsben sie im mindesten ffir das Verständnis des dichters neue
gesichtspuncte eröffnet? wer nicht zu den anbetem des 'msterials' gehört,
dem wird es ungeheuer gleichgiitig sein dass Hugo 1986 Hannsen Müller
bekehot, dass er am 7 Januar 1387 dem Niclas Schenk einen hof öberlisat,
was man nun alles nebst anderen ähnlich interessanten objeetiv sicheren tat-
sachen haarklein erflhrt. ich bin der letzte, der solche entdeckunaen über-
haupt yerschmfiht, blofs weil sie selten fruchte bringen, aber man sollte ihren
wert nicht zu hoch anschlagen, ich zweifle nicht, mancher wird gerade
darin seine befriedigung finden und alle lieder der minn^nger und alle
litterarfalstoiischen monographien mit freuden hingeben fOr nackte urkunden-
auszöge, die ja so ^positive ergebnisse' bieten, er wird in jedem ausgegrabenen
urkundlichen zengnis einen groben schätz sehen, wir anderen wollen ans
aber doch die freiheit wahren, diese schätze unter umständen ffir das an
halten was sie oft sind: regen wQrmer.
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WlLMANlIft LERKTC WALTHER8 345
und aus seinem fleifse nutzen zOge. dieses lob bleibt bestehen,
auch wenn man vielleicht findet, er habe im streben nach un-
befangenem und gerechtem urteil des guten ein wenig zo viel
getan bei der anrohrung fremder ansichten. mir persönlich ist
diese Tollstflndigkeit ganz erwünscht, aber viele leser werden
anders denken und hatten vielleicht auf manche unglückliche be*
banptung Menzels, Wackemells, Nageies gern verzichtet, denn
nur die irrtümer, welche in irgend einer weise sich fruchtbar
und anregend erwiesen haben, dürfen anspruch erheben, aufs
neue fixiert zu werden.
Im einzelnen frrilich wird man nicht mit allen beziehungen,
die W. den gedichten gibt, einverstanden sein, das erwartet er
gewis aneh selbst nicht, alle iweifel, die sich fast bei jedem ver*
such einstellen, einen sprach genau nach zeit und ort seiner
entstehung sowie nach seiner veranlassung in bestimmen, völlig
befriedigend zu losen kann niemals gelingen.
Ich greife als beispiel Walthers Verhältnis zu Leopold heraas.
es soll sich nach W. so gestaltet haben: 1198 hat er den fttrsten
durch 8, 28 beleidigt, indem er diesen spruch in einer ^maiver-
Sammlung Österreichischer landherren' vortrug und damit zur
krOnung Philipps aufforderte (9, 15), zu einer zeit, als Leopold
der sUofisehen sache noch abgeneigt war. dass er dies gewesen
sei, kann W. zwar nicht beweisen, aber es sei schon von anderen
aus anderen gründen vermutet (s.88). ist schon diese combination
in hohem mafse gesucht, so wird man sich trotz aller hochachtung
vor dem Scharfsinn des verf.s einer leisen Verwunderung nicht
erwehren können, wenn man sieht, wie derselbe sein haltloses
kartenhaus zu stützen unternimmt seine ansieht Ober den spruch,
meint er, werde dadurch bestätigt, dass eben in dieser zeit der
Sänger die schuld auf sich lud, die der herzog ihm lange nicht
vergab, wir wissen zwar nicht wo Walther 8, 28 vortrug, aber
es kann in Österreich geschehen sein, wir wissen auch nicht
was die alte schuld war, deren er 26, 1 gedenkt, wir wissen
auch nicbt — falb er Oberhaupt seine schuld meint — wann
er sich dieselbe zugezogen, aber möglicher weise war es im
jähre 1198, deshalb wollen wir beides mit einander combinierenl
dieser schluss hat keine kraft, das durfte einleuchten: nur wenn
es einiger mafsen sicher wSre dass die alte schuld ins frübjahr
1198 fUlt (sie kann viel slter sein), und dass die aufforderung,
Philipp den waisen aufzusetzen, in Osterreich stattgefunden, wire
er überzeugend. Mir ist vernpart der mBUm twr (20, 31) be-
trachtet W. dann als die bitte, mit der Wallher den erzürnten
Leopold wider zu gewinnen suchte, sie soll aus dem jähr 1200
sein 9 also der zeit der schwertleite Leopolds, den dank fUr
eine danach erhaltene gäbe bringe 25, 26 (Oh ieman $preche,
iitr nd Übe), kurz vor dem ^cheltlied', das W. aus 1 1 Strophen
des Wiener boftons construiert und dessen zeit durch die 21,31
' A. F. D. A. IX. 23
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346 WILMAIIlfS LBBBN WALTHBR8
erwttbDte sonneDfinsteraiB vom 27 november 1201 bestimmt wird,
bat er, wie W. meint, in dem spruch w>n den drei sorgen (84, 1)
um dauernde aurnahme. als sie ihm ?ersagt wurde, hat er sieh
mit jenem scheltliede gerächt und von Wien verabschiedet, das
ist alles sehr leicht Ober den häufen zu werfen: sb. steht gar
nicht fest dass 20, 81 liier ist als 25, 26 und auf welche hoffeste
sich überhaupt beide sprttche beziehen. 84, 1 kann aus viel
späterer zeit sein.
W. erklart sieh gegen die auffassang, welche Walther seit
dem jähre 1198 als einen heimatlosen ansieht, die besuche der
vielen fOrstenhüfe seien eben nur besuche, das demicil des dichters
sei Österreich gewesen, jedesfalls bis zum jähre 1220 (s. 59). ich
vermag nkht beizustimmen. Waither ist sehr vid gewandert, weit
mehr als wir ihm nachrechnen können; dass er bis zur Seine und
Hur, bis zum Po und zur Trave gekommen, wurden wir nicht ein«
mal vermuten, wenn er es nicht selbst ausdrOcklich sagte, der
Spruch auf den Nürnberger hoftag (84, 14) wird allerdings wol in
Österreich vorgetragen sein, aber daraas folgt nicht dass Wallher da*
mala (1224) noch seinen ^festen wohnsitz* dort gehabt habe (s. 62.
120). er kann recht wol einen vorübergehenden besuch in öster*
reich gemacht haben, wenn er sieh auch von dem fahrenden volke
scheidet. — warum der scherzhafte tadel gegen das treiben un
Thüringer hof ein beweis für die höhere gesittuag der süddeut-
schen heimat Waithers sein soll (s. 68), kann ich nicht einsehen.
Sehr ansprechend finde ich die datierung von 31, 33. 32, 7.
34,34: sie können sehr gut 1219 am hofe des patharchen zu
Aquileja gedichtet sein, dann ist der biderbe paMarke aber nicht
Wolfger, sondern Bertbold von Andechs* Heran (s. 57. 81). —
auch die datierung der zum kreuzzug mahnenden sprttche des
Ottentons (12, 6. 28) halte ich für richtig, obwol bedenken, die
auch W. andeutet, zurückbleiben (s. 107).
Das dritte capitel des buchs (s. 156 — 252) ist das wertvoBste
und gelungenste, an dem man ungeteilte freude empfinden mass.
W. bat, wie wir sehen, weniger das interesse für das privatleben
Walthers geleitet, als das für sein Verhältnis zur gesellschaft«
unter der Überschrift ^gedanken und anschauungen' sucht er uns
die bedingungen für das poetische würken Walthers zu zeigen:
den geschmack und die bildung des publicums und die kunstflbung
der vorgttnger und Zeitgenossen, nach allgemeinen ethischen ca*
tegorien geordnet wird der Inhalt von Walthers dichtangen vor-
geführt, wir erbalten so eine übersieht aber die objectiven ele-
mente seiner poesie, die nicht sowol aus seiner individuellen
begabung fliefeen , nicht 4las Spiegelbild des eigenen lebens sind,
als ihren griind haben in dem Zusammenhang mit der guten ge-
sellschaft, in der rttcksicht auf ihre teilnähme, ein dichter, 4er
so allgemeinen beifall laad wie Wallher, muste auch nach herz
und sinn seiner zeit sein , er muste was sie dachte und empfand
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WILMANIW LEBEN WALTHSES 947
widergeben; nur 80 konnte die allgemeine gunst sich ihm zu-
wenden, nur so er eine weitreichende politische wUrksamkeit ent<*
follen. ob er mit bewustsein danach trachtete, sich in einklang
zu setzen mit seinem publicum , oder ob er ihn als rechtes kind
seiner seit von selbst fand, ist gleicbgiltig: man ist, meint W.^
bereohtigt seine lieder als den Spiegel seiner zeit anzusehen.
Es gibt ohne frage auch andere gesichtspuncte , von denen
man Walthers dichtung darstellen kann, das weifs natttrlich auch
W« sehr gut. er hat mit absidit versucht, von allen anderen
möglichen abzusehen und diesen tinen gesicbtspunct, den auch
ich in meinen Untersuchungen über Reinmar und Walther stark
hervorgehoben hatte, oonsequent festzuhalten, nicht blofs Wal-
thers peraon will er uns schildern , sondern den dichter inmitten
seiner Umgebung, nicht blofs als neu schaffenden künstler, son-
dern als erben historischer Überlieferung, nicht als freies indivi-
duum, sondern als glied einer geschlossenen gesellsehaft. er be-
streitet dem vergleich, der die poesie als einen unmittelbaren
Spiegel des lebens bezeichnet, nicht seine bedeutung (s. xvni), aber
er weifs dass alle poesie nicht durch einfache directe Spiegelung
zu Stande kommt, sondern durch widerholte Spiegelungen oder,
wie er mit einem anderen bilde sagt, dass man sie als ein ka-
leidoskop ansehen kOnne, welches der eine aus dar band des
anderen empftngt. 'eine mftfsige kraft genügt das instrument zu
drehen und neue hilder erscheinen zu lassen ; geübte bände wissen
die stetttchen zu teilen und sor^ltig abzuschleifen ; selbstHndige
geister fttgen neues hinzu' (s. xvui).
Diese steinchen, welche das kaleidoskop des älteren minne-
sangs umfasst, werden im dritten capitel nach art und form ge-
sondert aus einander gelegt, und es zeigt sich deutlich, wie grofs
der gesichtskreis Walthers ist, wie ihm in wahiheit *die natur
die gäbe verlieben, in die schachte des lebens selbst hinab zu
steigen und neues gestein zu brechen.'
W. hat den Vorwurf vorausgesehen, dass er durch seine dar-
stellungsweise das lebendige kunstwerk zerfasere (s. xni), und
wtlrklich ist das bereits mit ebenso viel geschmacklosigkeit als
mangel an Sachkenntnis ausgesprochen worden. Walthers ge-
dichte sind freilich in W.s drittem capitel zerstückelt, aber aus
diesen Zerlegungen baut sich ein neues lebendiges bild auf, das
für die erkenntnis der entwickelung unseres volkes von wert ist
Manchem wäre vielleicht eine ästhetische oder biographiscbe
betrachtungsweise willkommener gewesen, aber auf alle ßlle muss
man W. dank wissen dass er einmal so scharf den 6iQen ge-
sicbtspunct auf Walther angewendet hat. der spröde leicht zer-
fallende Stoff ist durchaus bewältigt und die einzelnen bausteine
zu einem neuen organischen ganzen verbunden, die titel der
grOfseren abschnitte sind : minne. poesie und leben; natur; per-
sonliche angelegenbeiten ; religion; ethik; politik« schon daraus
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348 WfLMANMS LBBBN WALIflSRS
ersiebt man, wie weit die grenzen dieses capitels gesteckt sind,
in den ungemein reichhaltigen anmerkungen sind mit einem fleifse
und einer gewissenbaftigkeit, die das höchste lob verdienen, Walthers
Vorgänger einer gleidien betracbtung unterworfen, eigene und
fremde forschungen kommen dem Yerf. dabei su gute, auch die
lateinische litteratur des mittelalters und Tereinselt die romanische
wird in fruchtbarer weise verwertet, die cttlturgeschichte kann aus
diesem capitel unmittelbar nutsen ziehen.
Das vierte capitel (s. 259—287) beschäftigt sich mit der ent-
Wickelung des dichters. hatte das vorbergeh^de die be-
dingungen für das gewordene dargelegt, so leigt dieses die
stufen des allmählichen Werdens. W. yerzichtet darauf, aus dem
leben und lieben des dichters eine chronologische reihenfolge
seiner werke zu gewinnen, er hofft nur von einer Untersuchung,
die sich auf seine kunstentwickelung richtet, einigen aufschluas.
er trifft darin mit der ansieht zusammen, die ich vertreten habe,
und fOr mich hat seine Zustimmung hohen wert, er glaubt ein
neues mittel gefunden zu haben, mit dessen hilfe sich das ziel
sicherer erreichen lasse, er meint wahrzunehmen dass die lieder
Öfters sich zu längeren vortragen zusammenschliefsen und einige
dieser vortrage sich sogar noch in ihrer Ufsprttnglichen anord*
nung erhalten hätten, drei liedereyclen schält er heraus und
sucht an ihnen das kUnstleriscbe wacbstum Waltbers deutlich zu
machen, jeder derselben bezeichnet einen neuen absohnttt in
der entwickelung des dichters. die entscheidong bringt die gänz-
liche abkehr von der einseitigen liebesdichtung streng hofi^hen
Stils, wie sie Reinmar und Hausen geObt hatten, recht an-
sprechend vermutet W. dass auch äofsere anregung dabei wflrk-
sam gewesen sei: die natflrlichere', realistischere poesie in Tfafl-
ringen. Veldeke, Morungen,^ Wolfram hatten sich gleicbmäfsig
von der schattenhaften refleximispoesie frei gehalten und waren
^ W. glBDbt (8. 298 aom. 10), ich hätte Moruag. 127, 18 und 139, 16
iü meinem Reiom. und Walth. g. 46 'misverstanden*. der sänger wolle nichu
sagen, als dass sein lied in vieler mande lebt, die erste stelle habe ich aller-
dings mit bedacht anders erkISrt, obwol ich woste dass aach W.b aoffassuDg
möglich ist. wer anders soll MornngeBS lieder vor der dame (kUg^t ir
127, IS), an die sie gerichtet waren, vorgetragen haben als sänger? be-
deutende minnesänger, namentlich die vorwaltherischen , die ja , soviel wir
wissen, ihre kunst als vornehme liebhaber, nicht zam unterhalt trieben, pflegtea
setbstgedichtete Heder za singen, also werden es splelleote getaa haben. —
die sweite stelle verstehe ich wahncheinlich ganz ebenso wie W., der doch
gewi« auch 139, 14 Lachmanns coi^ectur annimmt in meinem buche s. 46
lese ich allerdings mit erstaunen die erklärung: *hier ist wol nur gemeint
dass die, welche seine lieder singen, ihn wegen seines kammers bemit-
leiden werden/ das richtige ist natSrlieh 'beneiden', ich glanbeiwar
nicht dass ich jemals erhunnsn die bedeotnng 'bemitleiden' beigelegt habe,
aber da ich traurige erfahrnngen gemacht habe und deshalb nicht sicher bin,
ob alle diesen glauben teilen werden, will ich mich nicht mit einem druck-
oder Schreibfehler entschuldigen, sondern das volle odium eines ^misver-
stfodnisses* auf mich nehmen.
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WIIJIAM4S uibeh walxhkbs 349
der sinnlicbeD darslelluDg treu geblieben, wenn 49, 12 (Ick $anc
hie vor den frowmi umbe ir blöxm gruoz) auf 56^ 29 anspielt,
also das lied Ir sult aprecAe» toiUekomea äiter ist, so muss 49, 12
nach dem abschied von Osterreich und nachdem Walther bereits
einmal dorthin zurückgekehrt war, also wahrscheinlich zu einer
zeit, als er bereits in Thüringen gewesen war, gedichtet sein,
damals wird aber wol auch die Strophe 48, 12 des gleichen tons
entstanden sein, worin er vorwürfe zurückweist, die ihm gemadit
waren, weil er sich von der einseitigen höfischen liebespoesie
losgesagt und seine dichtung ernsteren gegenständen gewidmet
haue (Reinm. und Walth. 152. Wilmanns s. 277 0- das verh8ltais
Wallhers zu Reinmar erscheint W. mit recht nicht eigendich als
das eines schfUers. die beiden dichter, meint er, standen einander
im wege und seien nebenbuhler gewesen. Walther habe zuerst eitte
schule der rhetorik und verstandesarbeit durchgemacht, dann lernte
er im Wetteifer mit Reinmars kunst die beobachtung und darlegong
der empftnduttg (s. 271). zu meioer freude stellt sich hier W. völlig
auf densdben standpunct, den ich in meinen Untersuchungen Ober
diesen gegenständ eingenommen habe (Reinm. und Walth, s« 6 0-
Den fortschritt in Walthers kunst bringt W. zur anschauung,
indem er die lieder mit einander vergleidit, welche dieselben
themata behandeln, ohne frage ist dies der einzig richtige weg,
der zu einem klaren bilde des dichterischen kOoneos führt, und
er sollte von aller litterarhistorischer forschung, welche dichter
zu characterisieren bemüht ist , eingeschlagen werden, auch W.
leitet er zu mancher fruchtbaren erfcenntnis, wenngleich eine
würklich erschöpfende und vüUig treffende cbaracteristik, die ganz
scharf das neue, das Wallher in die deutsche lyrik gebracht, be*-
zeichnete und auf seinen Ursprung untersuchte, namentlich die
quellen für die volksmttfsigen zUge seiner dichtung aufdeckte, nach
wie yor noch zu wünschen bleibt, immerhin sehen wir nun wol
ziemlich klar, was er gelernt und ererbt hat von vorgilngera und
Zeitgenossen, aber worin er schöpferisch war, das liefee sich
noch bestimmter und greifbarer vor äugen stellen.
Schon aus vorstehender Übersicht ist zu entnehmen, wie er-
freulich und fordernd dies neue Leben Walthers ist. W. ist
keiner der schwebenden fragen ausgewichen : überall hat er sich
iseine eigene meinung auf grund selbständiger forschung gebildet,
flremde Untersuchungen benutzt er mit der grOsten gewissenhaftig-
keit und ihre ergebnisse, wo sie nur irgend wahrscheinlich- sind,
sucht er sorgfältig zu verwerten« jenen skepticismus , der im ge-
fuhl der eigenen Impotenz an allem nOrgelt und in einen förm-
lichen fanatismus des Unglaubens ausartet, von welchem die neueste
Waltherausgabe in der zu Halle erschienenen Altdeutschen text-
bibliothek so wundersame proben enthält, ^ triOl man bei W« nicht.
^ verstockt Bich der heransgeber , getreu der einmal fibemommenen
rolle als geist der stets verneint, s. 99 doch sogar gegen eine so ansprechende
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350 WILVAMNS LEBW WALTBUIS
er übt an den leistungen anderer mit wohnender rnbe gesnniie
kritilt , frei von aller querkOpfigkeit und ferbissenheit. des 9loffes
ist er ganz herr und die darsteliung durchweg klar, dank werden
es ihm alle leser wissen dass er den einheitlichen genass des
buches nicht gestört hat durch unterbrechende anmerkungen.
diese sind alle am ende knapp und ttbersichtlich vereinigt.
Natürlich schliefst das lob, welches ich zu spenden habe,
nicht aus dass ich gegen Tides in W^ buch Widerspruch er-
heben muss. und das will ich noch näher bezeichnen.
In einem principiellen Widerspruch befinde ich mich mit
der auffassung, die W. ?on dem Verhältnis des minnesangs zur er*
lebten würklichkeit bat. ich selbst habe betiMt dass die
rein biographische Untersuchung bei den liedem Walthers wenig
sicheren gewinn bringt, aus ihnen des dichters liebesieben recon-
struieren zu wollen ist meiner meinung nach ein unerreichbares
ziel, fruchtbarer erwies sich mir die betrachtung, welche die künst-
lerische entWickelung des dichters ins äuge fasst und danach eine
zeitliche Ordnung seiner lieder versucht, nur so wird die be-
deutung Waltbers in der geschichte der deutschen lyrik erkennbar,
nur so lässt sich Obersehen , welche gattnngen des minnesangs er
Obernahm, weiter bildete, welche er umänderte oder neu schuf,
von welchen er sich fern hielt, welchen kreisen des publicnms
er sich zuwandte, aber darin liegt durchaus kein anlass, zu he*
zweifeln dass Waltbers lieder, wenigstens die aus der zeit seiner
Selbständigkeit, wo er den einfluss der Reinmarschen und Hausea-
schen poesie überwunden hatte, ausdruck würk lieber erleb-
nisse sind, oft gewis ausdruck gegenwärtiger erfahrungen, aber
oft auch vergangener, das gefohl, welches er darstellt, kann an
anderen beobachtet sein, dann ist es miterlebt, mitempfunden,
jedesfalls immer wOrklich, niemals ersonnen oder gemacht bei
den übrigen minnesängern sind unterschiede wahrzunehmen: von
den bedeutenden, würklichen dichtem unter ihnen gilt das gleiche
wie von Walther, also namentlich von Morungen, am wenigsten
von Reinmar, von Rudolf vNeuenburg.
W. ist anderer ansieht: er neigt dazu, auch den älteren
minnesang als künstliche arbeit zu b^rachten , in der viel mehr
erdachtes und gemachtes als wOrklich erlebtes, viel metur nach-
gesprochenes und nachgefühltes als selbstempfundenes stecke, und
selbst seine auffassung Walthers wird von dieser neigung berührt
datierans, wie die, welebe Zarncke fBr Nu wachet! uns g^ zuo der tae
nach astronomischen befecbnnngeD Meben hat, ohne Jeden graad. blob
weil ihm die ßhiskeit abgeht, fremde leistungen ansuerkenoen. verhält er
sich so zn den ansichten ihm persönlich nahe stehender forscher, kein wunder
dass er von dem, waa andere aufgestellt haben, möglichst viel einsnreifsen
trachtet zum gröfseren rühme der objectiven Wissenschaft, was dabei po-
sitives herauskommt, das zeigt besonders seine metrische theorie, durch
die Walthers kunstform unbarmherzig zerstört wird.
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WILMAMNS LBBBN WALTHRR8 351
W. glaubt zwar da88 die minnesänger ihre iieder yielfech chro-
nologisch angeordnet haben, und dass diese Ordnung sich n^eh aus
unserer Überlieferung wider herstellen lasse, aber den inhaltlichen
Zusammenhang, der sich innerhalb solcher liederbflcher seigt und
der Müllenhoff, Scherer und andere dazu geführt hat, aus ihnen
kleine liebesromane mit Verwickelung, lOsung und förmlichem ab-
schluss zu construieren, erklärt er ganz anders, er sieht in diesen
liederbüchem eine planmflfsig erfundene liebesgescbichte:
die Iieder sind von vorn herein, eins mit bezug auf das andere,
gedichtet, also gleichzeitig oder kurz nach einander entstanden,
es sind liedercyden , nicht Sammlungen zu verschiedenen aeiten
gedichteter Ueder. der sachliche Zusammenhang, wo er zwischen
den einzelnen liedern zu erkennen ist, beruht nadi W. nicht auf
der einheit des zu gründe liegenden liebesverhaltnisses , sondern
ist ein rein poetischer, vom dichter mit klarer absieht gemachter.
Wäre das richtig, so müste natürlich über die lebenssteilung
der minnesänger ganz anders als bisher geurteiit werden, ihr
dichten müste durchaus beruf, ausschliefslich der Unterhaltung des
publicums angepasst gewesen sein, und W. glaubt das auch in
der tat er führt einen neuen begrifiT in die litteraturgeschichte
des 12 jhs. ein und spricht von *hof dichtem', ein aosdruck,
den Diez von einigen troubadours, über deren lebensumstände wir
so viel genauer unterrichtet sind, gebraucht. Meningen, meint
W., ^bekleidete vielleicht die stelle eines bofdichters bei dem mark-
grafen Dietrich von Meifsen' (s. 23). und ebenso von Reinmar:
'der herzog Leopold v hatte den besten Sänger des Elsasses für
seinen hof engagiert' (s. ;^3); weil Walthers spruch von den drei
sorgen (84, 1) im selben tone wie der nachruf auf Rennmar ge«-
dichtet ist, vermutet W. dass 'der tod des nebenbuhlers in Walther
die hoffnung geweckt habe, jetzt an seine stelle zu treten' (s. 55 0*
in Thüringen soll Walther getrachtet haben, an die stelle Mo«
rungens gesetzt zu werden , dessen beste lebenszeit damals schon
vorüber war (s. 74). aber alles dies scheint mir ganz willkür-
liche construction , die durch keine bezeugte tatsaehe gestützt
wird, warum Reinmar nach Osterreich kam und wie fe^ seine
beziebungen zum herzog waren , wissen wir nicht und es scheint
mir nutzlos, über dinge, die ganz im dunkeln liegen, irgend
etwas zu vermuten, alle minnesänger vor Walther, die wir
kennen, haben sich, soviel wir wissen, in gesicherter lebeos«
läge befunden, fast alle geboren nachweislich vornehmen ge«
schlechtem an. sie werden die minnedichtung also nicht um
des lohnes willen, sondern aus liebhaberei geübt haben (s. Reinmar
und Walther 131). warum soll es mit Reinmar anders gewesen
sein? in ihm den ersten berufsmäfsigen ausüber des minne-
sangs zu erblicken und ihn in dieser beziehung fbr einen Vor-
gänger Walthers auszugeben, wie neulich ein berausgeber Walthers
getan hat, ist ein einfall, der jedes würklichen grundes ent-
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352 yfjLUksiis lsbbn walthbbs
behrt. überboten wird er freilich durch einen zweiten desselben
Urhebers, dass ^als folge dieser Stellung' in Reinmars poesie ^eine
gewisse annflherung an die poesie der spielieute' sich gewahren
hsse, oder wie es Beitr. 8, 180 noch schöner heifst: ^ganie
Strophen und mehrstrophige lieder . . . sich mit der spielmanns«
lyrik bertthren.' auch Morungen war wol ein angesehener mann
aus hohem adel: die Urkunde Dietrichs von Meifsen spricht von
den aUa vitae inae merüa. damit sind kaum blofs po^ische
leistungen gemeint, die wurden weder so hoch geachtet (vgl. W.
s. 41 0 iiocb so leicht mit einem Jahrgehait belohnt, zumal seine
dichtung keine politische war. wenn er auf diese jahresrente zu
verzichten in der läge war, so muss er ein ansehnliches vermögen
besessen haben, das er sich schwerlich erst als berufsdichter
erworben hat. von dem Kürenberger sagt W.: wir glauben
einen fahrenden ritter vor uns zu sehen, der von bürg zu bürg, von
bof zu hof ziehend seine lieder ertönen liefs' (s. 29). dieser
glaube vertrügt sieh aber nicht mit genauerer erkenntnis. und
ebenso wenig ist es überzeugend, wenn W. ganz ohne beweis
von Dietmar von Eist äufsert: ^der dichter selbst, der wol kein
sprössling des alten adelsgeschlechtes war und wie der Küren-
berger die kuust als beruf gelrieben haben mag* (s. 31).
Wenn ich mir die von W. construierten liedervortrflge naher
ansehe, finde ich so recht deutlich das unwahrscheinliche seines
Verfahrens.
ZunSchst bei dem Anonymus des ältesten Spervogeltons, den
W. mit Simrock und anderen nach 26, 21 Heriger nennt ^ W.
fassl verschiedene seiner Strophen zu liedern zusammen, zwei
füufstrophige: MF 25, 13 — 26, 5 und 28, 13—29, 12, ein vier*
strophiges: 26, 20-- 27, 12, und ein dreistrophiges: 30, IS-— 33
(s. 33 0. wer aber unter einem liede nicht blofse anreifaung
selbständiger Strophen versteht, die nur einen tfufserlichen Zu-
sammenhang und jedes mal einen anderen haben, oft auch nur
durch die aufnähme desselben wertes gebunden sind, sondern
von einem mehrstrophigen liede wflrkliche einheit der compo-
sition verlangt, sodass die einzelnen teile alle zusammen eich
auf das ganze beziehen und unter einander nach sichtbaren ge-
setzen der künstlerischen Oconomie gegliedert sind , der wird an
diese lieder des Anonymus nicht recht glauben, höchstens 28,
20*-33 könnte man sich als ein lied gefallen lassen: dafür würde
auch die responsion am anfang und in der schlusszeile sprechen,
wenn nidit auch die folgende selbstfindige Strophe einen ähn-
lichen scUuss (akd reine 29, 5) hätte.
Die Strophen Spervogels^ 20, 1--* 21, 4 sollen nach W. ein
^ die ntroenfrage vermag ich nicht zu eDtscheideo. der ausdraek in
26, 21 bleibt aofTallend gezwuogen, sowol wenn man die verse wie Simrock
erklSrt, als wenn man Haupt folgt.
' dieser dichter ist nach W.s meinung viel junger als man- gewölmlicli
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WILMANlfS LEBEN WALTHERS 353
▼ortrag mehrerer mit einander verbundener spielleute sein (s. 299).
dafür liefse sich höchstens das citat abe mfn geselte Spervogel sane
anführen, im einzelnen ist W.s erkiäning dieser Strophen wunder«
lieh, schon die von 20, 1, besonders aber die der vierten Strophe
(20, 25): B% zmt wol heldm da% si frö nät^ leide sin soll 'ein
gemeinsam^ gesungenes trostlied der nnbelohnten' sein und die
Verse dar wnbe euln wir nihi verzagen: ez teirt noch ba% ver-
snochet umschreibt er mit ^hiernach kanns von neuem losgehen.'
ich finde in den Strophen kein anteichen för derartig unverfro*
renen bettlerhumor. — MF 27, 34—28, 12. 26, 13 sollen auf
einen streit fahrender leute coram publico zur Unterhaltung der
Zuhörer gehen, mir auch nicht glaublich.
Aus dem Wiener hofton Walthers schult W. einen neun-
strophigen vertrag als spottlied beim abschied von Wien heraus
(s. 454 ff), auf grund der handschriftlichen Überlieferung stellt
W. die ursprüngliche reihenfolge der Strophen her: 21,10. 21,25.
22, 3. 20, 16. 22, 18. 22, 33. 23, 11—24, 17, und sucht nach-
zuweisen dass diese vom dichter von vorn herein beabsichtigt
gewesen, dass, obwol im airgemeinen jeder spruch ein kleines
ganze für sich bilde, sie doch auf zusammenhangenden Vortrag
berechnet wSren. der ausfahrtssegen (24, 18) und die Strophe,
^in der er dem freudlosen Wiener hof valet sagt' (24, 33 Der
hof ze Wiene spraek ze mir)^ sollten vorangehen, die letzte
Strophe schliefst mit otae\ die darauf folgende erste des sohelt-
liedes (21, 10) nimmt es im anfang auf. nicht zu diesem vor-
trage gehören die übrigen Strophen des tones. dass diese con-
struction hinfüillig ist habe ich bereits oben (s. 345 f) bemerkt.
Auch 7 Strophen (33, 1 — 34, 24) des zweiten Ottentons, glaubt
W., seien nicht vereinzelt und selbsUindig ans licht getreten,
sondern glieder eines oder mehrerer vortrage, die drei - in AC
überlieferten Strophen nebst der vierten nur in C erhaltenen (33, 1.
34, 4. 24. 14) sollen sich gut zusammenfügen und ebenso die
drei in B überlieferten (33, 11. 21. 31), als einleitung für die
letzteren eigne sich vortrefflich der spruch 31, 13 (leh hän ge-
merket), s. 317f.
Dieselbe hypothese wendet nun W. auch auf die lieder
Walthers an. lieder verschiedener tOne verbindet er zu cyclen.
Einen solchen liedercyclus soll die Pariser hs. in den Stro-
phen C 65 — 76. 82 — 103 bieten, und diese gruppe sei der an-
fang von Wallhers minnedichtung. dass in diesen liedern die
ältesten erzeugnisse Walthers vorliegen , war auch schon von mir
annimmt, 'seine poesie enthalt nichts was zwinge, ihn schon in das 12 jb,
zu setzen' (8.35). aber dem character der sprucbpoesle des ISjbs. ist er
doch noch gani fem and von dem fortacbritt, der durch Walther in dieser
gattong gemacht war. hat er noch nichts, auch die stropheBform ist alter*
tumlich. ich bleibe daher bei der bisherigen aeitbestironrang.
^ übrigens legt W. diesen sinn in die Strophe hinein, sie ertrigt auch
ganz andere aufhssung.
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354 WILMATtNS LKBKN WALTHBBS
erkannt und leidet wol keinen zweifei. aber das» man ein recht
habe, sie so zu 6inem vortrage zusammenzuschliersen , will mir
nicht in den sinn, die handschriftliche Überlieferung kann hier
wenig ins gewicht fallen, da sie aus der einzigen Pariser hs. be-
steht, und die planmäfsige anläge, die 'fast systematische be-
handlung', welche das ganze gebiet des minnewerbens umfassen
soll, vermag icb nicht anzuerkennen, und auch andere leser der
auseinandersetzungen W.s werden den eindruck erhalten dass hier
mit zwang und gewalt zusammenhänge und Verbindungen zwi-
schen den einzelnen liedern herausgefunden sind^ an die weder
Walther noch einer seiner hdrer denken konnte, aber mag man
selbst in einem und dem anderen falle eine art sachlichen Zu-
sammenhangs zugeben , nimmermehr hat W. bewiesen dass diese
liedergruppe nicht erst nachträglich aus einzelnen liedern zu-
sammengestellt sein könne, sei es von einem Sammler oder dem
dichter selbst.
Noch übler steht es um den zweiten cyclus, wo die Ober-
lieferung W. im stich lässt: in keiner bs. sind die lieder in der
folge erbalten , die er ihnen geben will, der Zusammenhang geht
nicht darüber hinaus dass ein lied ein wort aus dem vorang^eaden
in ganz freier weise wider aufnimmt, weit näher liegt es hier,
das walten des Sammlers , der mehr mit dem äuge als dem sinn
ordnete und nach Stichworten sich richtete, anzuerkennen, als auf
planmäfsige anläge des dichters zu schliefsen, wie seltsam un-
künstlerisch muste diese anläge gewesen sein , da sie selbst durch
die scharfsinnigsten interpretationskunststücke sich kaum fasslich
machen lässt.
Der dritte Vortrag umfasst die lieder 42, 15. 45, 37. 43, 9.
46, 32. 47, 16. 47, 36. 49, 25. 50, 19 und vielleicht 69, 1. 40, 19.
72, 31, also den kern der alten Sammlung BC und stimmt in der
hauptsache zur Ordnung der hss.
Hieb dünkt, W.s hypothese hat etwas beklemmendes, einer
grofsen zahl der schönsten lieder Walthers wird ihr freies dasein
genommen, luft und licht zu eigener entfaltung und wttrkung
entzogen, dafür werden sie mit harter band zusammengebunden,
eins drückt das andere, keines hat seinen rechten platz und
jedes verliert frische und duft seines persönlichen lebens. wie
arm erscheint nun Walthers kunsti nicht mehr ist er der be-
wegliche dichter, dem ein lied von den lippen fliegt, wenn der
augenblick ihn hinreifst, sondern ein grübelnder rechner. nicht
das herz ist es, das zu werte kommt, sondern der systematisch
ordnende verstand, denn die einzelnen lieder sind nun teile eines
compliciert gegliederten gröfseren ganzen, das allgemeine und
persönliche fragen, erfahrungen verschiedenster Zeiten, verarbeitet,
nicht mehr haben sie ihren anlass im moment. und doch moss
das natürliche lyrische lied, soll es nicht yerdorren , wurzeln ia
6inem puncte, in 6iner empfindung, in ünem augenblick.
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WnJUra« LKBBM WALTHSII8 355
BleiD urteil über diese vortrage Waltbers kann danach nicht
mehr zweifelhaft sein, lieder versdiiedener töne mögen bisweilen
in einem cyclus vorgetragen sein , aber dass sie von vorn herein
eins mit beziehnng auf das andere gedichtet seien, um einen
planmjlfsig angelegten cyclus zu bilden , dafür hat W. auch nicht
den schatten eines beweises gebracht, ^ und es ist auch an sich
nichl glaublich.
W. bezeichnet im Vorwort objective Würdigung des dichters
als das ziel seiner biographie. ohne zweifei bat er ernsthaft da«
nach getrachtet: das muss ihm jeder leser seines buches bezeugen,
aber es ist als wäre er über das ziel hinausgekommen und tätte
im eifrigen streben nach gerechtigkeit doch den richtigen stand*
punct dann und wann verloren, die neigung, den gegenständ
seiner forschung nicht über verdienst zu erbeben, führt ihn dazu
dass er' ihn zu niedrig stellt, und aus scheu, zu warme, zu
glänzende beleucbtung ihm zu gewahren, rückt er ihn bisweilen
in zu tiefes dunkel.
Alle unbefangenen wird freuen dass jede culturkämpferische
tendenz dem buche fem geblieben ist, aber schwerlich dürften
sie einverstanden sein damit, wie W. den kämpf Walthers gegen
das pabsttum darstellt. Innocenz beurteilt W. sehr günstig (s. 92 ff.
101. 114), ich weifs nicht, wie weit die historischen Zeugnisse
dazu berechtigen, indes man läset sich das gerne gefallen, aber
wer könnte ruhig bleiben bei dem urteil, das er über Wailhers
pabstsprüche fillll? Waltherhabe darin nichts anderes gesagt als
was Innocenz selbst beklagt und gerügt habe, der dichter treffe
wOrkliche gebrechen, aber der pabst hätte sie selbst anerkannt
und das in der grofsen kirchenversammlung in Rom ein jähr vor
seinem tode ausgesprochen: ^der pabst sprach so in einer Ver-
sammlung von geistlichen , Walther rief seinen spruch hinaus in
die erregte menge, der pabst straft die Übeln und sucht die ge-
brechen der kirche zuheilen; der dichter will ihre autorität
ruinieren; der pabst ist bemüht für das wol der menschheit,
der dichter kennt nur den parteizweck' (s. 113). von dieser auf-
fasBung ists gar nicht mehr so weit bis zu den ultramontanen
anschuldigungen Luthers, dass die von ihm ins werk gesetzte
reformation die mutter aller revolutionen sei und für alles unter-
graben der autorität bis auf unsere tage hin , für communismus,
nihilismus und socialdemokratie verantwortlich zu machen I
Noch einmal wird W. im streben, völlig unparteiisch zu
sein, gegen den dichter ungerecht, es handelt sich um den
^ fBr ReiDmtr wiU er naehweifleo (s. 451 f) daas die bdtai io AG
■eben eioaoder überlieferten töne 165, 10 ood 166, 16 zaaaniBMii da ganzes
bilden, ich finde keinen znaammenhang, und Walthers citat in aeinem nach-
ruf acheint mir noch immer aicher zu bezeugen daaa die citierte atrophe,
welche rede genannt wird , entweder ein aelbatändigea lied oder der anfang
ciaea liedea gewesen iat
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356 vfiLUAms leben waltasrs
Spruch Her keiser sit ir unUdcamen (12, 3). damit begrafst
Walther den 1212 aus Italieo heimkehrenden Otto und Ter-
sichert ihn dar treue der deutschen fUrsten, insbesondere des
markgrafen Dietrich von Meifsen, während dieser kurz vorher teil
genommen hatte an einer Verschwörung gegen Otto und, trotzdem
er mit diesem auf dem reichstag zu Frankfurt einen neuen ver-
trag abschloss, schon im nächsten jähre wider von ihm abfiel.
W. aufsert sich über das verhalten Walthers so: ^dem sanger
blieben die auf Ottos stürz hinzielenden Verhandlungen der forsten
nicht fremd; sie veranlassten ihn 1212 für Dietrichs unwandel-
bare treue falsches Zeugnis abzulegen' (s. 75). Walther wflre
damals dem markgrafen bereits verpflichtet gewesen und hätte
die absieht und aufgäbe gehabt, das mistrauen des kaisers g^n
den Meifsner zu beschwichtigen (s. 109). aber hier hat W. ein
verurteilendes verdict geßült , ohne dass der tatbestand genOgend
aufgeklärt ist. wir wissen nicht, wie weit Dietrich an den hoch-
verräterischen Unternehmungen sich beteiligt hatte: es ist nicht
einmal sicher dass er auf der ersten fOrstenversammlung in Naum-
burg erschien, von der wichtigeren zu Nürnberg, auf welcher der
entscheidende schritt geschah und die wähl Friedrichs beschlossen
wurde, hielt er sich fern, vielleicht hatte er also schon aus
freien stücken sich zurückgezogen und seine gesinnung geändert,
aber wenn er auch sein doppelzüngiges spiel fortsetzte, warum
soll Walther es durchschaut , geschützt und durch seine dichtong
wissentlich verdeckt haben? schwerlich war er in die geheim-
nisse des markgrafen eingeweiht, warum soll er nicht, als er
den markgrafen einen engel an treue nannte, wUrklich von dessen
aufrichtigkeit und Zuverlässigkeit überzeugt gewesen sein und in
gutem glauben so gesprochen haben? den mund nahm er wol
etwas voll und allzu leichtgläubig mag man ihn schelten, aber
dass er die verräterischen gesinnungen Dietrichs in ihrem ganzen
umfange gekannt habe, müste erst bewiesen werden, ohne dass
die klar erkennbaren tatsa'chen dazu zwingen, haben wir kein
recht ihm 'falsches zeugnis' vorzuwerfen: selbst der strengste
richter müste zum mindesten auf freisprechung wegen mangeb-
der beweise erkennen. Walther hatte ein erregbares temperament,
erlag leicht momentanen eindrücken und gab sich seinen Stim-
mungen rasch und ohne rücksicht hin, ruhig eni'ägende kritik
war ihm nicht gegeben, so konnte er in seibstteuschung sich
fibereilen: aber dass er mit bewustsein und aus eigennutz ge-
logen, kann ich nicht glauben.
Es ist, als ergrifie W. zuweilen die besorgnis, irgend welchen
iUusionen zu verfallen , und trübte das seinen blick, das deutsche
mittelalter wird beute niemand mehr als ideal hinstellen wollen
und von allen Übertreibungen und beschOnigungen der roman-
tiker sind wir frei, aber sonderbar ist es, wie W. nach der
entgegengesetzten seite das rechte mafs verliert. ^ hat eine ge-
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VILMANIfS LBBBIf WALTHBK8 357
wisse abneigung, der einheimischen deutschen culiur gröfsere
selbsUfndige bedeutung zurugestehen. die poesie der spieOeute
soll den keim einer höheren selbständigen entwickelung nicht in
sich getragen habBn (s. 4). beweisen nicht Walther iind Wolfram
das gegenteil ? die behandlung gnomiscber stoflfe in bestimmt aus*
geprägten sangesmäfsigen Strophen soll nicht älter sein als die
entwickelung der liebespoesie, die nach W. um die mitte des
12 jhs. anhebt (s. 35), woraus folgt dass die spielleute für diese
gattnng der poesie die strophische Abfassung erst von der hOA*
sehen, nach fremden mostern gebildeten lyrik gelernt haben,
wenn auch mancherlei von der deutschen litteratur im Zeitalter
der Karolinger zu gründe gegangen sei, so kdnne doch diese
und Oberhaupt litterarisches interesse damals grofse ausdehnung
und weite Verbreitung nicht gehabt haben (s. 289). es soll im
12 jh. keine selbständige volksmäfsige musik gegeben habend
sondern diese von der geistlichen kunstmusik abhängig gewesen
sein (Anzeiger vii 266 f. Leben 254. 294 a. 39). wie unsere
modernen tonarten aufkommen und die kirchlichen verdrängen
konnten, scheint. mir bei dieser annähme unerklärlich zu sein,
die deutschen lieder der Carmina Burana sollen nachahmungen
der lateinischen sein, denen sie angehängt sind^ (s: 448 a. 3).
* ieh will bei dieser Gelegenheit den ttandponct, welchen ich in der
¥oa Martin angeregten Ar»ge einnehme, noch einmal bezeichnen, um etwaigen
misverstandoissen zu begegnen, für unerwiesen halte ich nur dass die deut*
sehen anhänge der 42 lateinischen lieder der GB, die Martin Zs. 20,,4Sff
besprochen, nachahmungen seien, unwahrscheinlich ist dies Verhältnis na-
mentlich in den fällen, wo eine einzdae Strophe aus einem mehiatrophl-
Bchem gediehte eines deutschen minnesängers an das lateinische lied gefägt
ist. bei Martins und W.s ansieht kann man sich als den zweck der deutschen
Strophen einzig denken dass ältere beliebte melodien lateinischer lieder durch
nnterlegung deutscher worte den laien zugänglich und genlefsbar gemacht
werden sollten, aber dann begreife ich nicht, welche absieht der sammlcr
verfolgt hat dachte er an ein d e u ta e h redendes publicom von laien, warum
waren ihm die lateinischen lieder die hauptsache, die er Toranstellte, wäh-
rend er von den deutschen öfters nur fragmente, herausgerissene Strophen
längerer gediehte mitteilte? nachahmung ist doch immer eine art anpassnng
von etwas altem an nene veränderte verSältoisse, m einen neuen geschmack,
eine modernisierang. es liegt in der natar der sache dass da hinter dem
neuen das alte zurückstehen, dass man jenes mit liebe und Sorgfalt, dieses
nur nachlässig und vergesslich aufbewahren wird, also mGste man gerade er-
warten dass auf die deutsehen neuen texte, welche die melodien in w^teren
kreisen am leben erhalten sollten , das hanptgewicht gefallen wäre, dass der
Sammler aber für ein k 1 e r i k e r p u b 1 i c u m hätte sorgen wollen ist « wenn
man Martins nnd W.s auffassung teilt, unglaublich, denn was giengen ihn
dann Oberhaupt die verächtliehen deutschen nachbildungen weltlicher dichter
an? sein publicum konnte ja die melodien zu den ihm verständlichen weit
kunstvolleren lateinischen Originaltexten singen, was brauchte es das«
dentsche worte? was konnte es sich flberhaupt um diese kümmern? die
dritte möglichkeit, dass die Sammlung für laien and Ueriker in gl eich
bestimmt war, ist ausgesehlossen : denn sonst wären deutsche und lateinische
texte gleichmilsiger beräcksiehtigt worden, lateinische dichtQn|r, vielleicht
auch die vagantenpoesie, mag anf die deataehe lyrik iameriun in dieser
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368 WILHANNS LBBBN WALTHBR8
eine sdbsUiiidige volksmafsige deutsche liebeslyrik sali es nicht
gegeben haben, die rohheit der ritteriichen kreise hebt W. wider«
holt mit nachdnick und fast mit yerachtung hervor, er bervft
sich auf Heinrich von Melk dafür dass Trauen lu notsflchtigen
und roSnner zu erschlagen ihr rühm , ihr ideal' gewesen (s. 8),
und bedenkt nicht dass die satire aller Zeiten der unglaubwQrdigste
leuge fttr die wahren zustande eines Volkes ist, wenn sie auch
leider mit verliebe kritiklos bei culturgeschioktlichen darstellungen
als quelle benutzt zu werden pflegt, es ist als wollte man,
unsere sittlichen zustande zu schildern, sich auf die Gerichts-
Zeitung, auf die mitteilungen der reporter beschränken uad, weil
diese meist von mördern und diehen und belriegern eraähleo,
unsere ganze gesellschaft zu Verbrechern stempeln. W. spricht
gelegentlich von der ungeregelten freigebigkeit 'halbbarbari-
scher nanner' (s. 40), von den 'balgereien, welche die edlen
Sänger aufführten, um das publicum zu unterballen und sich
nachher in den gewinn zu teilen' (s. 46); die deutschen kOnigs-
wählen nach dem tode Heinridis schildert er mit scharfem höhn:
'die unverhüllte habgier auf der einen seite.(bei den forsten),
das eitle prunken auf der anderen (bei Philipp), zeichen gleicher
barbarei' (s. 86). besonders betont er wie nackter brutaler
egoismus die politischen Verhältnisse der zeit bestimmt hätte, wie
die forsten insgesammt nur den niedrigsten trieben der Selbst-
sucht gefolgt wären, 'habgier und ländersucht trieb die nächsten
verwandten in rohem waffenstreit gegen einander, eins der wider-
wärtigsten Symptome ungesitteter Wildheit, wie sie in
diesen zeiten noch so oft begegnen' (s. 73). noch7 ich
denke, das war niemals anders, auch in dem wegen seiner schOnea
menschlichkeit so hoch gepriesenen Hellas und in dem aufge-
klärten Zeitalter des 18 und lOjbs. waren darum auch diese
Zeiten noch in 'ungesitteter Wildheit' befangen? und ohne den
'rohen waffenstreit' kommen wir auch heute noch nicht aus, man
kann nicht einmal sagen , in der art ihn auszufechten sei grOfsere
menschlichkeit zu erkennen, vollends im alten Griechenland , in
dem vielbewunderten Zeitalter des PeriklesI kann man sich ärgere
greuel, rohere gewalttaten vorstellen als sie in dem peloponne-
sischen kriege von den cultivierten Griechen, die Athener allen
voran, begangen wurden, nicht etwa gegen fremde verhasste
vMker, sondern gegen die genossen des eigenen Stammes, gegen
wehrlose frauen und kinder? ist es nicht eine scheufsliche rah-
heit, wenn in der Uias die Achäer den leichnam Hektors, an
den, als er lebte, sie sich nicht gewagt hatten, der im tapferen
kämpfe für haus und herd gefallen war, durch lanzenstiche unter
oder jener hinskht dogewürkt haben, aber eine aoiehe einwirkong liaat
sich Jedesfalls an den 42 liedern der €B nicht erweisen and ans ihrer be-
trachtanr nicht folgern, *der denUche minnegeaang , wenigstens der knst-
mifslge habe sieh nach einem lateinischen gebildet' (Zs. 20,46).
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WILMANNS LEBSN WALItlERS S59
niedrigen scherzreden schänden (22, 371 ff)? hat aber dieser bar«
bareien wegen schon ein versUndiger die hohe ciiltur des griechi-
schen Volkes geltfognet? und wie war es denn bestelU mit den
sittlichen zustanden im mittelalterlichen Frankreich, woher aller
fortschnritt in bildung und kanst nach dem Hierbarisehen' Dentach«
land, wie W. mdot, gekommen ist? es ist eben sehr bedenklieb,
den bildongszustand eines Volkes in ethischer und intellectneücr
beziehung nach einzelnen handiungen, einzelnen torgüngeo za
beurteilen, natürlich Mit mir nicht ein, die dunkeln flecken
im geistigen leben des mittelalters zu bestreiten oder zu bemflntdn.
aber ich sehe nicht ein, warum sie W. so geflissentlich hervor-
kehrt, als gäbe es in unserer zeit keine schatten, ich wflrde
das billigen, wenn irgendwie anzeichen dafQr sprachen dass gegen-
wärtig in der deutschen nation eine Oberschätzung des mittel-
alters sich geltend machte oder auch nur drohte, indes das gegen-
teil scheint mir stattzufinden, das mittelalter ist dem grofseo
publienm der gebildeten, wenn mich nicht alles tenscht, noch
immer die finstere zeit des faustrechts, der feudalgewalt, der
ketzergerichte und neuerdings der Judenverfolgungen, weiter
pflegt man im allgemeinen wenig von ihm zu wissen, von her-
vorragender stelle wurde uns noch jflngst in feierlicher rectorats-
rede nebst anderem auch verkündet dass 'das christliche mittel-
alter die zeit tiefer erniedrigung der menschheit' sei. einer
kenntnislosen tonangebenden presse ist es zu danken dass Jacob
Grimms klage über die ungerechten angriffe auf die deutsche
Vorzeit, die er in der vorrede zur ersten aufläge seiner Rechts-
altertümer (p. XV anm.) voll gerechten ingrimms aussprach , noch
immer zeitgemäfs ist. die deutsche philologie ist seitdem eine
grofse Wissenschaft geworden und hat der jünger viele und be-
deutende gewonnen, aber hat sich auch in gleichem Verhältnis
ihr publicum vermehrt, hat sie noch die lebendige fühlung mit
dem herzen der nation? hat sie im kreise der übrigen Wissen-
schaften, zumal neben der stolzen älteren Schwester, der classi-
schen philologie, den rang und die achtung sich erobert, die
ihr gebüren? mir als einem der jüngsten unter den fachgenossen
steht es nicht zu, darauf zu antworten, ich will statt aller ant-
wort eine geschichte erzählen.
Als ich, noch ein junges unreifes studentlein, im sommer
1877 nach Bonn kam, besuchte ich auch, wie natürlich, einen
damals noch lebenden ausgezeichneten classischen philologen , der
sich um die erkenntnis der griechischen philosophie grofse Ver-
dienste erworben hat. wie er hörte dass ich den vorsatz hätte,
germanist zu werden und eine Vorlesung über Walther von der
Vogelweide sowie deutsche litteraturgeschichte des 18 jhs. bei Wil-
manns zu hOren, zog er ein bedenkliches gesiebt und redete mir
freundschaftlich und eifrig von diesem Studium ab. die germa-
nistik , versicherte er mit dem ihm eigenen pathos, sei gar keine
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860 WILNARNS LBBBPr WALTBKR«
wiueDsohaft, sie habe keine Zukunft, in 10 jähren würde alles
mittelaUerliche zeug ediert sein und dann sei es mit der her-
lichkeit aus. der prophet ist inzwischen gestorben , mehr ab
5 jähre 9 die halfte der ausgesetzten frist, ^i^d Terstrichen. im
▼ergangenen jähre sind die mittelhochdeutschen classiker ans den
preufsisehen gymnasien yertrieben worden , ein gleiches sdiicksal
dürfte ihnen in Österreich bevorstehen, ist das der anfang vom
ende? ich bleibe wider die antwort schuldig: denn ich mochte
nicht gerne bitter werden.
Beriin» den 16 Tebruar 1883. Konrad Bdrdach.
Wörterboch der westfäiischen mundart von PWoeste (Wörterbficher. hcraiu-
gegeben vom Verein för oiederdentsche sprachforBchiioff. bsnd i).
Norden aad Leipzig, SolUo, 1882. (iv und) 331 ss. 8^ -- 8 oa.«
Der Verfasser dieses Wörterbuches ist gestorben, ohne das
manuscript ganz druckfertig zu hinterlassen, die herausgeber,
Crecelius und Lübben , versichern zwar dass die arbeit nur mehr
der letzten feile bedurfte, und dass W, nicht die absieht gehegt
habe» sie wesentlich umzugestalten oder zu erweitern: immerhin
hätte vor und während dem drucke noch so viel daran geschehen
können, dass es mislich bleibt, ein gesammturteil Ober Woestes
leistung auszusprechen.
Die herausgeber haben sich darauf beschränkt, die von W.
selbst im manuscript gemachten andeutungen zu verarbeiten und
^offenbar unrichtiges, dessen übrigens äufserst wenig war, und
vollständig überflüssiges, das augenscheinlich W. nur zur eigenen
Orientierung diente' zu streichen (aber unter flaigt s. 301^ ist
die zur letzleren categorie gehörige Bemerkung 'naturgeschichtel'
stehen geblieben), mit dieser pietätsvollen beschränkung kann
man sich im allgemeinen einverstanden erklären, wenngleich
eine befugte band hinsichtlich des 'offenbar unrichtigen' weit be-
herzter hätte eingreifen dürfen.
Kaum gerechtfertigt wäre das verlangen , dass für den druck
noch manche einzelheit hätte herausgearbeitet werden sollen , was
W. ohne zweifei, wäre ihm die Vollendung des Werkes beschiedea
gewesen, getan haben würde: öfters vermisst man die erklärung
von Wörtern und redensarten, s. 33^ bei BlaJcs, 60^ bei iü, 96^
bei hedce, lOP bei hicken, 112* bei ingesteken, 116*" bti jütte^
276* bei tug nr 6; s. 63^ unter dise steht ganz fremdes, welches
wol für einen artikel dAs -« ass beabsichtigt war; die bemerkungen
[* vgl. DLZ 1882 nr 51 (HBasch). — Litteratoibi. für germ. und rom.
phil. 1882 nr 12 (OBehaghel).]
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woms vfinviuBcaBs wb. 361
«nter Uudcen 167^ bleiben «nverstHodliob, ebenso lue erjtiiruiig
Ton aßkede 292^; ganz unfertig ist der artikel %imbert adO*".
wol aber wSire es fUr Crecelius oder Lübben k'etne allza grofee
mObe gewesen, die transscriptionszeicben zu erhhiterD und die
quelknangaben etwas weniger Teretnzeh zu «rklXren, als es im
Torwort gesebieht beide bleiben groflienteils onrerstandlieh, und
die brauchbarkeit des bncbes wird dadureb fflr die meisten so
sehr beeintrScbtigt , dass man den wunscb nieht unterdrücken
kann, das yersiiamte mochte gelegentlich anderswo, etwa in den
Schriften des Vereins fOr nd. Sprachforschung, nachgehok werden.
Den Inhalt des werkes weifs ich nicht besser zu bezeichnen,
als mit Crecelins werten: *den grundstock des idiotikons bildet
der Wortschatz des mfirkischen dialects. hier bewegte sich W.
auf einem boden, auf dem er in binsioht auf die mundart, auf
fcenntnis der Sitten und anschauungen des tolkes, seiner sagen
und mahrchen, seiner ausdrucksweise und spruchweisheit vOlKg
zu hause war. geburtig aus dem iande hatte er von jugend
auf in dem Tolke gestanden , hatte mit ausnähme einiger schul«-
jähre und seiner Studienzeit dort gelebt, unausgesetzt mit dem
Volke verkehrt und war so in der glücklichen läge, nicht als
fremder sich in dasselbe hineinleben vnd ^e scheue Zurückhal-
tung, wie sie jeder fest ausgeprägte volkscliaracter dem fremden
gegenOber einnimmt, llberwinden zu mflssen; er konnte vielmehr
mit jedem in seiner mundart reden und wurde als landsmann
mit vertrauen betrathtet. so Ist dienn dieser teil des westfilli^
scben Sprachschatzes In einer seltenen vollsUlndiffkeit in W.s idio-
tikon vertreten und dabei ist eine falle ton spricnwörtem, sprich-
wUrtlicher redensarten, htnweisungen auf volksgebrXoche, spiele
usw. gegeben, schon hierdurch ist das werk von der grOsten
bedeutung, weil es zum ersten mal einen der westMiscben
dialecte in seinem wortvorrat darstellt vermehrt wird sein wert
dadurch, dass auch die nachbardialecte mit hinein gezogen werden,
besonders das sfldwestMische in dem herzogtum Arnsberg, die
angrenzenden bergischen mundarten, welche bereits den Über-
gang zum mittel- und »iederfrankisclien bilden (vor allen die
von Barmen, woher W.s mutter stammte, Elberfeld und Velbert),
endlich zum teil auch die östlichen und ndrdhchen dialecte. das
meiste ist dem volksmunde unmittelbar entnommen; dabei ist bei
allem, was nicht allgemein im gebraudi ist, nach form oder be-
deutung der werte, angegeben, woher es stammt, aber auch
handschriftlicbe aufzeicfanungen anderer, wie das kleine, inzwi-
schen abgedruckte Verzeichnis Dortnmnder Idiotismen von Köpper
(K.), sowie die binterlassene Sammlung des Schweimer conrectors
Holthaus (H.) sind fleifsig benutzt, ebenso was in dem dialect
oder über denselben im druck erschienen ist (zb. in Firmenichs
VOlkerstiramen; PWGrimme, Schwanke und gedicbte in sauer-
landischer mundart, Paderborn 1876, -*- darin: sprikeln un
A. F. D. A. IX. 24
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362 WOBSTE WB5TPALISCIC8 WB.
spOne, spargizeo, grain tuig, galantere! «waar ua.). aufeerdem
gieog W. deo s^iaren des dialectea id den alteren Urkunden nacb,
teils in den gedruckten in vSteinens Westf. gescbicbte (vSu) mid
Seibertz grofsem Urkundenwerke, im Wettf. magaain von Wed-
digen, sowie in den verschiedenen publicatioBeo von Fahne, teils
in den noch ungedruckten, vor allem nutzte er die Urkunden
des städtischen archivs zu Iserlohn und die des hauses Hemer aus/
Gegen die einbeziehuag von sprichwOrtern, ratsein, den bin-
weis auf volksgebräucbe, spiele udgl., die in jedem falle eine
dankenswerte zugäbe sind, lisst sich von keinem standpuncte aus
etwas einwenden , da diese dinge nur als beispiele zu den Wörtern
gegeben werden, mit recht hebt Crecelius auch die genaueren
angaben über Verbreitung und provenienz der worte hervor, ob
dieselben völlig genügend sind, bleibe dahingestellt, die be-
deutungsangaben sind präcis. nur selten beruht der schluss aus
einer redensart auf unrichtiger, oder wenigstens schiefer auf-
fassung. so wenn s. 1S9^ fUr opkrigen als 3 bedeutung ange-
geben wird Won seinem erstaunen über etwas zurückkommen*,
auf grund des ausdrucke» ik kün et noch ümmer nitt opkrigen.
das verbum ist nichts als ^aufkriegen', dh. mit der fassungsgabe,
der ausdruck synonym dem 4ch kann es nicht fassen', oder auch
*kann nicht darüber weg kommen*, ganz verfehlt sind hingegen
oft die lautlichen entwickelungeu und die meisten eigenen ety-
mologien des verf.s. sie sprechen häufig allen gegründeten kennt-
nissen höhn und sind auf wahnschafiene spracbgesetze gebaut;
man vgl. zb. die artikel angesmnes, batH, hol, barwes, b^,
bor$t, däksiem, DnUeüeniten, etler, hiemeln, läim, sieioen, wüd-
toois. freilich handelt es sich grofsenteils um besonders schwierige
Wörter, die entweder zu denen, welche lange ungestört unter der
oberflache der Schriftsprache blieben , oder zu jenen jüngeren ge-
bilden einer üppig wuchernden sprachpbantasie des Volkes ge-
hören, deren gesetze uns noch wenig bekannt sind.
Sehen wir von diesen zugaben ab, so kann man das von der
Verlagsbuchhandlung sparsam , aber recht hübsch gedruckte buch
nur freudig begrüfsen, als eine reiche und wertvolle material-
sammlung. Crecelius lob ^einer seltenen follstandigkeil' scheint
wol begründet zu sein.
Den herausgebern gebürt noch unser dank für die sorgsame
correctur. die folgende kleine liste von druckfehlern soll den-
selben nicht einschränken. V\. äd muttem (auch dai für dai?)
vgl. 181 ^ — 15*» (af schirm) 1. Märm. — 35* bei dem artikel
bU%De$ ist etwas ausgefallen. — 58^ (driwm) 1. dritkm. — 112'
{'ing) ^masn' ist auszuzeichnen. — \Z%^ (köppdc) 1. mtetL —
239* I. Mper. — 278' (uchte) 1. uhtvö, — 308' 1. fraism.
Wie aus dem nebenlitel hervorgeht, beabsichtigt der Verein
für nd. Sprachforschung die herausgäbe weiterer idiotica. ich
meine den wünsch aussprechen zu sollen dass dieselben, die sicher-
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W0B8TE WESTFÄLISCHES WB<
lieh willkommeo sein werden, sich voiiäufig auf die sammkng
Qod übersichtliche aaordnuog des materials beschränken, dabei
aber mOglichsl genau die Verbreitung der werte in localer hin-
siebt und über die verschiedenen Volksschichten , sowie etwaigen
jüngeren import aus der Schriftsprache oder aus anderen gegenden
(was W. gleichfalls beachtet bat) ermitteln , und sich einer recht
genauen und dabei möglichst einfachen und einheitlichen trans-
scription befleifsigen möchten, wenn erst eine ausgibigere menge
des materials vorliegt, mag es einer befugten band vorbehalten
bleiben die historischen perspectiven anzubringen und den sloff
nach etymologischen und grammatischen gesicbtspuncten zu be-
arbeiten, es ist kein erfordernis dass das für möglichst viele
kleinere bezirke geschehe, auch halte ich es für füiierflüssig dass,
wie es wol von einigen Seiten gewünscht wird, recht viele dialect-
grammatiken ausgearbeitet werden, zumal da competente kräfte
dafür nicht so reichlich vorbanden sind, eine beschränkte zahl
für gröfsere, mehr oder weniger einheitliche gebiete der deutschen
dialecte wird vollkommen genügen , falls ihre bearbeiter ein um-
fangreicheres material zur Verfügung haben, und dazu können
eben die idiotica verhelfen , wenn sie sich dinge , die nicht jeder-
manns Sache sind, ersparen und den gewonnenen räum benutzen,
um durch umsichtige auswahl von beispielen zugleich die flexions-
formen und die erst im Satzgefüge zu tage tretenden lautwaud-
lungen vorzuführen.
Bonn. Johannes Franck.
Jacob van Maerlants Merlyn Daar hct eenig bekende Steioforter haDÜschrift
uilgegeven door JvVloten. Leiden, Brill, 1880 (1880—1882). xix und
408 88. 4». — 6,25 fl.*
Es ist eine unerfreuliche aufgäbe, ein buch zu besprechen,
von dem man nur sagen kann: ein schlechtes gedieht, eine schlechte
handschrift und ein Über alles schlechter herausgeber. der erste
teil dieses Urteils bedarf allerdings noch einer bemerkung.
Die heransgegebene hs. enthält zwei werke, den Meriijn Ja-
cobs van Maerlant v. 1 — 10398, und eine weit umfangreichere fort-
setzung Lodewijcs van Yeltbem, der bekanntlich auch zu Maer«
lants Spieghel historiael eine 5 partie hinzufügte, v. 10399 bis
26218. der tilel der ausgäbe ist mithin ganz ungenau, andere
haben daraus geschlossen dass der druck begonnen hatte, ehe der
herausgeber soweit kenntnis von der hs. genommen , um das von
dem zweiten dichter selbst genau angegebene Verhältnis einzu*
[* vgl. lilteraturblatt für gem. und roro. phUologie 1881 gp. 347—51
(tcWinke!).]
24*
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864 MAERLANTS ItBULUn ED. VAN VLOTEN
sehen. Maerlants werk stehe ich nicht an als die geringste seiner
dichtuBgen zu bezeichnen : conip<>8ition und darstellang leiden an
ermttdendeir breite, der Vorwurf trifft zwar hauptsächlich sein
original, aber auch ihn. trotzdem steht sein werk nodi hoch
Aber dem des fbrtsetzers. die quelle, welcher dieser Mgte, ist
eine rohe compilation, eine blofse anhänfüng wüster kämpfe und
anderen romantischen apparates, meist der niedersten gattnng.
eine so ärmliche spräche wie die Velthems femer findet man
nicht leicht wider; was poesie sei, davon hat der mann nicht
die leiseste ahnnng. er reckt seinen stolf zu ungefügen versen
aus, deren reime mindestens zur halfte aus den nichtssagenden
formein daer : daemaer. ßot weet : gher^et, mede : ttr ^ede und
flhnlidien Widerwillen erregenden flicken gebildet sind, ich schlage
eine beliebige seite der ausgäbe (286) auf. sie enthsit in 46 reim-
paren folgende flicken sam:9enderu>am. ter Uß, daemaer:vor-
toaer. nadta. ter siede. daer:daemaer. säen. nntseggicH. dmiket
my. daier:U)ei vorwaer. tien standen, syt seker des. iaenuser
:vorwaer. säen, tien tiden. mede: ter stede. aUaer : vorwaer.
u>aert : in der vaert. daer : daemaer. nu. nu : ie segget u. daeran.
ter stede : mede. sonder waen. waert :ter vaert. daer : daemaer.
ten selven tide. nadas. daemare! vgl. dazu Sp. bist, tnlei-
ding s. LUX.
In etwas mag der Üble eindruck, den die gedichte machen,
auch auf der gestalt beruhen, in welcher sie uns in dieser aus-
gäbe entgegentreten, und daran trägt der herausgeber kenen
geringen teil der schuld, das oben ausgesprochene urteil aber
ihn lässt sich nicht mildern. vVl. versteht kein mnl. es ist gar
nicht denkbar dass er eine einzige seite richtig begreift, dass er
Überhaupt jemals irgend ein mnl. werk mit aufmerksamkeit ge-
lesen hat. er handelt darum ganz unbefugt, wenn er als heraus-
geber auftritt und über litterarhistoriscbe fragen mitredeo will,
er hat sich die im besitze des forsten von Bentheim-Steinfurt
befindliche hs. zu verschaffen gewust, hat «e abgeschrieben und
znm druck befördert, die correctur im ganzen ieidbcfa, auf den
letzten bogen liederlich besorgt, auch einzelne fehler der hs. ver-
bessert, teilweise auf grund der vergleichung einer hs. des franz.
tettes und der ausgäbe der me. bearbeituog des Merlin, soweit
er ach damit ein verdienst erworben, stattet er sich den setigen
dank in der einleitung und dem nadhwert selbst ab. wir kön-
nen unseren dank für mehr als abgetragen ansehen, wenn wir
die complimente, die er eich macht, bestätigen, damit sind wir
aber anch fertig, wenn dieser mann es unternimmt, den ins
nd. umgeschriebenen text auf Maerlants resp. Velthems spräche
zurückzuftlbren, so kann man sich denken, was herauskouHiit. er
bat es erreicht, ungeföhr ebenso viele fehler hineinzutragen, als
sämmtliche abschreiber zusammen, durch deren bände unser text
gegangen ist, sich leisteten, aller orten fallen gut mnl. ausdrucke
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MASRLANTS HKRLMN Kl>, TAH VLOTEN 365
nnl. oder seibslgescbaffeaen zum opfer. es /ist kaum glaublich,
i^r wahr, dass tVI. die aller gewöhnlicbsteD dinge, die auf jeder
Seite euies jedeo mnl. teites begegnen, wie beda fUr beide, halp
praet tod Mpen, vel von vaüen, brockt part von brmghen, tijt
als masc. vollständig unbekannt sind, und noch unglaublicher —
wenn es etwas unglauUicberes gibt — dass er sie ändert, trotz-
dem zuweilen in der unmittelbarsten Umgebung reimbelege stehen^
die er nicht entfernen kann, man steht erstaunt ob einer solchen
arbeit, man sucht vergebens eine erklArung und einen namen
dafür.
Um ja nichts zo vergessen, wofOr vVL allenfalls den dank
des pubiicums in anspruch nehmen könnte, wollen wir noch der
einleitung gedenken, sie gibt als Haerlants quelle nach des
dichters eigenen worten die franz. prosaerzahluog an, welche
mit De Borrons poetischen werken in nahem zusammenhange steht
(vgl. die Strafsburger dissertation von GWeidner Die han&chrift*
liehe Überlieferung des Joseph von Arimathia, Oppeln 1880,
s. XXXVI fif)- der herausgeber benutzte die vorläge in der hs»
nr 748 (nach teWinkels gleich zu nennendem aufsatze würde
747 densdben text enthalten; aber die zahl ist wol verdruckt?)
der biblioth^que nationale zu Paris und in der me. bearbeitung,
die Wbeaüey für die Early english text society (10. 21. 36X
London 1865 (1875) und 1869, herausgegeben hat. die letztere
enthttlt audi die fortsetzung, welche Yelthem bearbeitete (aber nicht
den Joseph von Arimathia), während dieselbe in der benutzten
Pariser hs. wol nicht steht, ein auszug des ganzen füllt den
2 band von PParis Les romans de la table ronde mis en nouveau
langage. vVl.s einleitung spricht immer nur von Haerlants
MerUjn, erst ganz am Schlüsse hinkt die mitteilung nach, dass
von V. 10452 (lies 10399) an die fortsetzung Yelthems folge.
der einleitung ist, entweder um andere leute zu ärgern oder zum
Privatvergnügen, ein abermaliger abdruck des nun fast berüch-
tigten Scale ende derc angehängt, welcher doch hierher absolut
nicht gehört (vgl. darüber Anz. iv 408 0- die liebe für dies ge-
dieht und der unsinnige glaube, dass es von Sf . herrühre, scheint
bei vVl. allgemach zur monomanie geworden zu sein, und wir
fühlen uns nicht länger zu einem versuche berufen, ihn davon
zu heilen.
Unter solchen umständen kann die ausgäbe kaum den wert
beanspruchen, die hs. zu ersetzen, wenn man sich die mühe
genommen hat, alle fehler, die jetzt hineingetragen sind, mit
bilfe der lesarten wider zu beseitigen, so fragt es sich immer
noch, ob vVI. überall richtig gelesen bat, und zumal, ob die an-
gäbe der lesarten genau genug ist. die vergleichung einer kleinen
partie, welche teWinkel im Latteraturbl. aao. mit dem der aus-
gäbe beigefügten facsimile der hs. vorgenommen hat, gab nicht
das beste resultat, und der ganze habitus der ausgäbe ist wenig
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366 MAEBLANTS MEULUN ED. VAN VLOTEN
dazu angetan, vertrauen zu erwecken, die veriagsbuchbandliing,
die ihr bestes an dem buche getan bat, mag sich damit trOslen
dass dieser ausgäbe so leicht keine zvreite concurrenz machen
wird, und dass das gedieht einem stoSkreise angehört, welcher
in publicationen noch wenig zugänglich ist.
Ich hoffe dem herausgeber sein recht gegeben zu haben und
will ihn im folgenden möglichst aus dem spiele lassen, es hat
keinen zweck, mit seiner hilflosen Unwissenheit zu rechten, sich
auf schritt und tritt zu argern über seine mitarbeiterschaft auf
einem gebiete, aus dem er sich doch nicht, weder durch die
gerechtesten proteste, noch durch die keulenschlage der kritik,
vertreiben lasst, es wird unangenehm, zu einem manne zu reden,
der sich in plebejischen angriffen gegen die fachgenossen gefallt
und sich von erbärmlicher dilettanteneitelkeit bis zur Unehrlich-
keit hinreifsen lässt. man lese nur sein nachwort, in welchem
mit einem bösartigen ausfalle gegen einen ehrlichen recensenten
der versuch gemacht wird, die gröbsten bOcke als drackfehler
hinzustellen I
Anlässlich des vVlotenschen buches hat teWinkel in der Tijd-
schrift voor nederl. taal- en letterkunde i 305 ff einen ausführ-
lichen aufsatz : De Borrons Joseph d'Arimathie en Merlin in Maer-
lauts vertaling veröffentlicht, ua. geht er darin ausführlicher auf
Macrlan(s quellen ein und zeigt dass der dichter allerdings nach
der franz. prosa arbeitete, aber im ersten teil, da wo ihm die
bibel selbst oder besondere lat. legendarische werke glaubwür-
diger schienen, die franz. vorläge stark modificierte, oder auch
ganz verliefs. und zwar benutzte er die evangelien, die Gesta
Pilati, die Mors Pilati und Flavius Josephus. seine kritik wendet
sich gelegentlich auch gegen ein werk van ans Heren wrake,
schon an einem anderen orte (anm. zu Alexander 7, 1610) habe
ich mich dahin ausgesprochen, dass ich teWinkels ansieht nicht
teilen kann, als ziele damit M. auf ein aus dem franz. ins fläm.
übersetztes buch, zwar begegnete mir dabei der irrtum, dass
ich das v. 612 erwähnte romans als dasselbe werk betrachtete
wie das v. 590 genannte; nichts desto weniger muss ich meine
ansieht aufrecht erbalten, mindestens öins, entweder dat walscke
V. 224 oder dat dietseh 590, muss falsch sein, am wenigsten
gewähr hat das letztere; denn es pflegt in der regel ausdrücklich
gesagt zu werden, wenn ein werk in der Volkssprache bestand,
und H. würde das v. 29 ff, wo er sehr ausführlich ist, nicht
unterlassen haben, der ausdruck kann von einem Schreiber her-
rühren, zu dessen zeit eine nl. bearbeitung des Stoffes vorhanden
war. dass ein fl. geistlicher der Verfasser des von M. gemeinten
buches ist, beweist natürlich nichts für dieUc, da derselbe auch
lateinisch oder französisch geschrieben haben kann.
Mit recht hebt teW. s. 316 hervor dass die hs., welche
M. gebrauchte, nur den Joseph und Merlin und keinen Percheval
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tfA£llLAfiTS MEBLIJf« ED. YAIf TLOTIN 367
eatiuelt, und dm» dadurch Bireh-HirscbMds vereuehter nachweis,
der ttberhaupt wol wenig beifall gefundeo haben durfte, dass
Robert de Borron als dritten teil seines Werkes auch einen Per*
cheval gedichtet habe, noch mehr an glaubwürdigkeit verliert.
Misglückt ist hingegen der abschnitt vi seiner Untersuchung,
worin teW. die in den nh text eingeschaltete episode von dem
Processus satanae (streit der tOchter gottes) bespricht in meinen
untersttchongen nber Maerlants behandlung des langen and ge-
dehnten e (Zs. 25, 30 S) war eine bequeme handhabe geliefert,
um das hier bestehende Verhältnis richtig zu erkennen, aber
fUr dergleichen formelle dinge, die eine minutiöse beaehtung des
d^tails erfordern, scheint manchem der sinn vollständig ver-
schlossen zu sein, trotzdem es sich hier nicht zum ersten male
bewälut dass dieselben auch fUr litterarhistorische fragen von
Wichtigkeit sind.
Die gleiche erzflhking ist in mnL bearbeitung auch selbständig
vorhanden , herausgegeben von Snellaert in NederL gedichlcn uil
de veertiende eeuw s. 493 — 538. man hatte früher wol ver*
mutet dass dies gedieht aus Maerlants Herlijn ausgehoben sei,
and diese Vermutung konnte an der jetzt hervortretenden auf-
fallenden abnUchkeit beider bearbeitungen noch eine stotze ge*
winnen. zwar findet teW. sie dafür zu abweichend unter einander,
halt jedoch die ähnlichkeit für grofs genug zu dem Schlüsse, dass
bdde Versionen Übersetzungen eines und desselben lat. originale
seien, die Verwandtschaft ist indes ohne zweifei eine viel engere,
wir haben in der tat nur zwei redactionen desselben textes. schon
bei einer oberflaehlichen vergleichung kann man sich dieser ein*
sieht nicht verschliefsen; eine genauere würde die sichersten be«
weise ergeben, für die uns zunächst liegende frage haben wir
dieselben aber nicht einmal nötig, es würde nie jemand auf den*
gedanken gekommen sein, einen der beiden texte M. zuzuschreiben,
wenn er nicht in einem so engen äufserlichen bezuge zu seinem
Merlijn erschiene, beide stehen sehr weit ab von seinen* guten
Versen und seiner klaren spräche, beide documentieren sich da-
durch sofort als einer ganz anderen gegend und einer anderen,
späteren zeit angehorig. dies auf den gesammteindruck basierte
urteil lässl sich leicht durch zahlreiche dötails bestätigen , am be-
quemsten durch die reime i:e: in der Maskaroenepisode im
Merlijn haben wir teken : spreken 2071. 2075; mede : gherede 2083.
2099. 2117. 2349. 2595; gesttm : prophetm 2241; gehiten : toeten
2497; vergeim : beketen 2801; wesen : vresen 2363; degene:ge-
fMm 2597; mede:zeide 2565, ^ hingegen im ganzen übrigen
^ aber kein einziges mal Sr.Sr. ich hatte Zs. 25, 49 gesagt, meine
beobachtnng, dass einige i:B in allen anderen fallen eher, als vor r reimten,
möge auf teuschung beruhen. Alex, lxxvh anm. 2 habe ich diese bemerkang
widerrufen, ich hebe hier den widerruf noch einmal hervor: nicht nur durch
den Maskaroen, sondern auch durch eine aozahl anderer gedichte wird
meine ursprüngliche ansieht bestätigt.
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368 MAIRLARTfl MERLMN Bl>. VAM VLOT££l
Haerlmtsclmi Mertijfi todMtedft änet aokbeii reim (Mex. uan
aam.). weiterer beweise bedarf es oidit« der leU ist also so^
wie er im MeriiJD siebl, nicht tod M. maft baan auob nkbt
daran denken das» er erat von den aehreibem derart entaietU
worden sei. die hs. verrit sonst durch nichts eine auch nur
Muntthernd so starke bearbeitung , wie wir sie annehmen rnttstest
um bei diesem stücke auf eine gestab zu kommen , die wir M.
zuüraoes kennten (s. unten); und dass faaer gerade eine so viel
stärkere Überarbeitung stattgefunden habe, wird mun nicht be-
haupten wdlen. die frage, ob die fassung des selbstftndigen
Sneilaertseben gedichtes etwa von M« aei , ist natürlich gar nicht
aufzuwerfen, die sache ist ganz klar, wjr haben es hier mit
einer grofsen interpolation zu tun« ea eiistierte ein selbstän-
diges gedieht von Maskacoen, wie es bei Smellaert steht, welches
verschiedene redactionen erfahren hatte, eine derselben hat ein
Schreiber in liaerlants Merlijn eingefügt , weil er durch die
aeene, in welcher die Isufel sich über ein mittel beraten 4 um die
menschbeit wider in ihre gewalt zn bekommen , an diese dichüing
erinnert wurde.
Es Uiebe nun noch die mOglicbkeit dass doch M. selbst
diesen Stoff in seine dichtung eingeschaltet hätte, das» aber seine,
vidtteicht kürzere darstellung mit der ausfahrlicheren des selbstän-
digen gedichtes vertauscht worden sei. Merl. 4432 — 36 wird be-
stimmt bezng genommen auf diese geschiebte« allein damit lässl
sich wenig beweisen , auch diese verse können der früheren Inter-
polation zu liebe zugefügt sein. 4437 würde sich sehr gut Sa
4430 anscblielsen, ich meine sogar so gut, dass wir fast hieraus
allein die dazwischen liegenden verse. als interpoliert erkennen
könnten, bei dieser Sachlage kommt mir die in frage gestellte
mOglichkeit sehr wenig wahrscheinlich vor; ich zweifle kaum dass
H. hier von seiner franz. vorläge nicht abgewichen ist, dass er
mir erzählte, was sich dort fand, und dass sich v. 2905 direct
an 2012 anschloss. die verse passen so, wie sie im texte stehen,
nicht zusammen, wir können nicht bestimmen , in wie weit sie
in folge der interpolation umgestaltet sind; vielleicht aber nur
weeig. wenn wir 2905 mit ganz geringer änderung lesen m
ntrierewi enen anderen raet, so ist der anscbluss gut« Maerlants
gedieht wird also um etwa 900 verse kürzer, nicht zu seinem
schaden.
Ich lasse jetzt meine beitrage zur Verbesserung der texte
folgen, erlaube mir auch fragezeichen zu setzen, mit den nur
handschriftlich vorhandenen onmittelharen quellen in der band
und bei eindringlicherem Studium würde man ganz gewis noch
manche der vielen unverständlichen und schlechten stellen ohne
besondere mibe heilen können, es ist mir mehr nm Maerlants
gedieht zu tan, als um das erbärmliche werk seines fortsetzers.
man merkt leicht dass das letztere in der hs. in beträchtlich
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MABBUnift 1IB1II.UJI BD. VAN VLOTBN 369
geriDgerem grade verändert kt, als dais eratere; eiu intoreiaatnter
beweis ftlr deo dtfeh die unterscbiede der zek uad der gegend
bediogten unterschied der »praebe. dem westfUiscbea absobreiber
staod in beidai hiDBiebte« Vekhem beträchtUcb aftber ids M.
Aber auch die bearbeit«Ag yod M.b teit ist keine b^oaders
tief eingreifende, zwar sf&d nicht selten die reime verändert , zb.
la€hg$de datk.genoeeh st. loech : gkenöeck 8279. 8393 uO., oder
beide zb. 3293 ob tdr §elove:rm?e für abic dit lieiwrk, und
za gleichem zwecke wurden auch weiter gebende änderungen
nieht ^esebeiit. 3221-^24 zb. sind vermullieh 2 verspare um-
gearbeitet; die reime werden ursprünglich gewesen sein entweder
dat:^i€hat (vgl. v. 213&f}i wtliel, nämlieh wti wistic dat, I soe
wäre u noch meer ghekütrl haidg soe härm wiUe weL / tot <n sijn
ghmnakei ammt el oder ^iduu : bat. wd : el, nämlich soe wäre u
ghAaS j noch meere, of $oe hadde bat / Aaren wilU; dat wiette wel I
wi en 5tjft ghemaket omiM ü (vgl. zu 3491). zahlreiche weitere
beispiele finden sich im folgenden Verzeichnisse, der scbreiber
ist jedoch hierin wenig conse^uent, meistens setzt er blofs die
eine form für die aodere, unbekümmert darum , ob der reim
bestebea bleibt, zb. &35 ontscvUigm (st« onUcMem) : hdim.
&&1 Wimwen : gHrmoe »t. vrouwe: ^rouwe. 582 wUhtihette
st, fiMl : hi^. 1 1 i9 vertch^dm : ludm st. virmeim : Ueim. 1506
krafft (st* ^Qiok) : macht. 1 639 fkgm : xien sU pUm : $ien. 2047
beiden : xegede sty» Mdeinide. 8295 behendecheit : geteedU (sh
gheeeit). 3987 seter« : vuere (st. t;fere^. 4607 verslagen (st. ver-
sleghen):teghm. 5454 aUe (st. aljieoL 5466 beduet (sL be-
dkt) i gesciet. 5806 praet« (wi) spreken (st. sprahen) : sakm.
6055 gekttet (st. ghelei):bet. 6661 irre:vere %U erre:verre.
830 1 wolde (st. wild») : mHd4. 9743 gevodet (st. ghevoet) : vroet usw.
besonders stark kann darum die bearbeitung nicht gewesen sein.
doch würde sich das resulCat einiger malten anders gestalten,
wenn sich ergäbe, was nicht unm^Vglich, dass M.s text bereit»
von Velthem überarbeitet worden ist. ein sorgteltiger heraus-*
geber müsle diese dinge methodischer untersuchen: eine über*-
sicbtliohe erkenntnis von dem vorgehen des oder der an eitern
werke tätig gewesenen bearbeiter, wie sie aus einer gründlichen
betraehtung des gansen teztes sich gewinnen lässt, bietet eine
vortreffliche unentbehrliche handhabe für die kritik.
li fehler der bs.^ 5 f lies veon:woert. — 54 LPraHben
oonjunctiv« — 311 ff. 313 n t^errteden, 314 bidi, 315 komme,
316 punct, 317 Dm. bidi bedeutet Hrotsdem', s. anm. zu Alex.
8^ 505, seine b^deutung wird v. 316 noch einmal widerholt, auch
* was bereits von teW. io der receosion und in dem angeführten auf-
satz, ferner von yVl. selbst im nachwort berichtigt ist, wird nicht mehr
aofgefährt, in so weft ich damit einverstanden bin. in einzelheiten w3re
eatdrHch noch manehes zu ändern, am i\t texte auf M.b bezw. Velthems
tpravbe au bringen.
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370 UAERLANT8 MERLUN ED. VAN ft^OTEN
ntf 311 ist wol nicht richtig, vielleicht ie. — 339 f gave. / A'-
latus deet. ooc seghet daerave. — 366 Dicht vielleicht, wie teW.
sagt, sondern sicher woet, — 390 doe het oder doBt st. doe dat,
und so an unzähligen stellen, die hs. hat immer dai st. ha, sb.
476 es dat 1. ee$t, 1283 die dat al beziet I. diet al, 1284 of dat
zijn wilk m si, 1285. 1391. 1582. 1739. 1749. 1940 usw. —
475 die derde keyser van beghinne; vgl. Sp. i s. 10 v. 3. —
497 sien infiuitiv. — 545 wonder en toaest niet vonoaer; wenig*
stens muss der vers diesen sinn gehabt haben. — 575 vlo dat
evd dat hem mch; vgl. zu 3256. 3462. — 587 f die lange tißj
stont. — 1038 bleven st. gebleven, ebenso 1423. 1802 uo. ^
1191 — 92 1. vor den Graal ghine Joseph staen. — 1247 abe
du vole waent in sinen moet. I Moyses. — 1257 eitten, und nicht
te ziuene, wie leW. vorschlügt; die falsche inßoitivform auf ene
geht durch die hs. durch. — 1290 toghes : verhoghes, — 1300 uut
miere 8tat(?). — 1334 äi en ghelovede. — 1345 bradiL —
1417 tilge dengenen. — 1463 Waer. — 1514 die ghehven oder
gheloven sij. — 1534 vulmaeetelike. der vorhergehende vers
scheint mir kaum richtig zu sein. — 1545 hat sicherlich auch
woet gestanden. — \bSOhete. — 1583 versament. — 1602? —
1633 beide sustere ende broeder, die rede beginnt bei diesem
verse, oder schon bei algader im vorhergehenden. — 1654 eomen.
— 1673 s. Alex. s. lxxvi. — 1751 Ay zu streichen. — 1788 f
toten dat hi hoort vraghen , sal hi hem rike viseher noemen 'jedem,
der ihn fitigt, soll er sich reicher (ischer nennen.' — 1797 f liefen
:ontbiden. — 181 5 f Grdleidale. — 1885 waer so, — 1905 daer
men (overlese oder) overlase al te male; franz. s*il n'a avant oi
conter, — 1908 dat te pinen, — 1910 in ist wol zu streichen;
auch der vorhergehende vers wird nicht ganz richtig sein. —
1917 en wäre man. — 1919 waer so, — 1925 nief en rote. —
1929 f oec ist ein erbMrniliches flickwort, zu dem zwecke ein-
geführt, einen zerstörten reim herzustellen, welcher vielleicht
lautete na sijn quellen : hellen. — 1956 oeck zu streichen. —
1984 hi hem. — 2013 ff den Maskaroen lasse ich unberOcksicbtigt.
zu tun hatte die krilik genug daran , denn beide texte sind stark
verderbt, besonders der hier vorliegende, den bearbeiter, der
ihn unter bänden gehabt hat , characterisieren am besten 2295 ff.
in Snellaerts text heifst es an der entsprechenden stelle (364 ff)
Teuren ghedinghe, so wetti wale, hören emmer drie persone. Nu
eest redkt dat ic die tone: dene es die juge, dander daenlegg^ere,
die derde es die wedersegghere. Den juge sie ic openbasr usw.
dafür lesen wir hier driepersone heb ick vereest die vader, die
Zone, die heiige geest(!); (ien recAfer sie tcfc usw. — 2927 wol
waer dat hi wäre (waer (to = ubicunque). — 2929 — 37 sind
mir unverständlich. — 2947 wol om bedriegen; ira vorhergehen-
den verse vielleicht selten st. weteji. — 2969 f s^n spei : omme
eljdan omme; vgl. 3223 f. — 2975 seide soe. — 2979
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MABIILAMTS MEIULIJN ED. VAK VLOTUf 371
opgheoen bedeuten *an die band geben, einUasen', wie es noch
bettle im westföliscben gebrancbt wird ; dann muas statt nemettu
sieben doestu, oder ein synonymen, vielleicht ne rnntu *wenn du
niebt verfeblst'. — 3006 dtte. — 3023 f verändert teW. gi^
vangen pari, praet :anigangen iuf. in gevaen : anigatn. das isl
nicbt berechtigt. — d01\ so datkü quam. — 3100 ff sind Itteken-
halt; engl, prosa s. 5 and they antuerde thai thei mste not, safe
anly tha$ god haietk us and 9uff)reth u$ to have tkis turmtnte. —
3134 het (oder ic?) sal u siaen in staden. — 3135 wol einfach
m'de : ghdoven beide. vViotens vraeekde ist jedesfalls verkehrt. —
3149 f? auch engl. s. 6 that ofte hadde don his wilh. — 3177
oI St. aUfu. — 3201 f sind umgearbeitet, dat hi sal im 2 verse
liegt nahe, befriedigt aiber nicht recht. — 3205 pensde $oe. —
3221 ff s. oben. — 3256 mu hare wach; vgl. zu 575. — 3293
8. oben. — 3316 tilge niet. — 3330 vielleicht Dar al dat; PParis
aao. II 16 helle amie, quelle dotüeur de ce qui est adt^enu d votre
pere, votre mere, votre frere etvossoeursi Pourtant, a^z hon
eourage. — 3339 troesten st. tweeten. — 3375 poitier; vgl.
3451. — 3386 ze zu streichen. — 3424 vVl.s Verbesserung kann
natürlieh nicht richtig sein ; man mttste das athestefie der hs. und
den franz. text sehen. — 3427 f der reim Heren: weren^ an sich
verdächtig, wird es noch mehr durch die sicher nicht richtige
Verbindung weren ter goeder siede, trotzdem PParis an der ent-
sprechenden stelle (s. 19) die verba garder und difendre hat, halte
ich es fttr möglich dass weren aus vueren (^^ voeren) verlesen
ist. das worl kann dann nicht im reime gestanden haben, die
stelle lautete möglicher weise helpet Maria vrouwe soetej hidt uwen
sone dat kie moetelmine siele voeren ter goeder stede. der Schreiber,
welcher weren st. vtieren las, benutzte das wort, um den reim
zu andern. — 3450 ff dede nu uten huse gaen / die kern gkedieni
kadde wale / ende kaer poitier altemale. — 3458 f vielleiehi doe
si quamen, woudesoe (kaer) gkemnden / te sodcene den goeden kere;
Paris s. 22 si apda son serjant, que il li amenasi deus fernes; ei
quant ehs furetU venues, si se mistrent d la voie pour aler au
confessew, vielleicht ist auch dock v. 3460 nicht richtig. —
3462 wat hare wack. — 3471 sprake, 3474 t?eryai>«. — 3472
vielleicht tsaermeer st. daermee. — 3491 f wd:el(t) vgl. 3221.
3647. 3929. 4131. wahrscheinlich steckt hier aber eine andere
Verderbnis; vgl. zu 3663; vielleicht hedoten vastiniet een hast. —
3506 dan ist mir unverständlich, es kann nicht gut etwas anderes
gestanden haben, als ein adverb im sinne von kemeli'ke, oder
das relativum mit einem verbum, zb. diewM. — ib2bfnackt. —
3533 biaekte; nackte im folgenden verse selbstverständlich zu
lassen. — 3535 f sind amzustellen. — 3544 hekouden. — 3599
my zu tilgen. — 3648 ende niemen el — 3663 f auch hier denkt
man an wel:el, es mQste dann heifsen ende endede eil dan dat
heste. ich glaube aber kaum dass die stelle so lautete, eher noch
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372 lUtBLANTS MEUMK E». VAN VLOTSM
6oei leoen dpet g^ Mffen mttb : dedß. die bequemen flickwOrter
wo) und ai kOnuen auch für andere» eingetreten «ein ak für
wd und el; vgl. zu 3491. — 3673 f die beiden auf einander
reimenden nu sind offenbar erbärmliche flickwOrter. man kanii
denken an fiuam dm rechter dareihowrt hare^ oder besser vid-
leicht an quam die rechter voort : howi^ — 3695 m^eiem und 96
ee; die rede gebt noch weiter« -— 3709 vielleicht die men m^due
bebpen:bleef etaende open, oder^ was noch näher liegt, moAte
hegaen : bleef open ttaen. — 3730 ff liegt es nahe , an arge Ver-
derbnis EU denken, ^arf konnte aus v^gaf, koende aus sonds
entstanden sein, und die verse mochten dann etwa gelautet haben:
Dai (oder Tl^aiir^ Jhesus der grote ootmoet / vergaf die sende der
joncfrautoen I Her ei hadde groten routte; vgL die von vVl. an-
geführten werte der fn. hs. mots ü Vavoit fait fokmmU, que
noeiree stVes avait li pardene Um pechie per ea vende repantimce.
hingegen heifst ee in der nacberzahlung von Paris (s. 25) Dieu,
ftci noue a tone rach^es et ^ui centiaU mos vrotes peneeee, ne som/T-
frit pa$ que Fenfant füt mUierement acquie d f Aineim. danach
zu schliefsen könnte doch Jheeus etarf dar grate ootmoet in
onserem texte gestanden haben, ende ist aber dann zu streichen
und auch sonst die steile wol verderbt. — 3741 wenden. —
8742 hehben sende memorie. — 3744 wol kern (doe oder) ooc
niet. -* 3752 verleime. — 3756 wHdet ooc het mochte. —
8762 oeck zu tilgen. -^ 3764 ff sind unverständlich und scheinen
so wenig von dem zu enthalten , was ursprünglich da gestanden
haben kann, dase der gedenke nahe liegt , ein Schreiber habe
willkürlich eine Ittcke ausgefallt. — 3766 wol ÄUk$ eo wa$ dai
kint. -- 3769 vermutlich st tooMmt der moeder. — 3787 loos
daer. --^ 3819 f of god dat hadde verkoren j datlu i$ wordee van
mi ghaoren!(t). •-* 3841 f verdade : etade. — 3875 vielleicht
riepen st neder. quamron kann fttr li^^ eingetreten sein« aufaer-
dem wird der Schreiber das eo dat 3877 nicht richtig verslanden
haben und dadurch zur Änderung bewogen worden sein. -^
8889 f der reim kann gewesen sein tijt:re^jt, etwa so kmghe
leet doe die t^ I dat en bUef maer achte daghe reepijt. — 3895
ecreide : speUedieide ; vgl. 3829 (ecreide : beide). — 407 1 ff der reim
ist falsch t auch die Stellung von eprack Merlijn kaum ursprOng-
lichi eine wahrscheinliche Verbesserung fällt mir nicht ein , weil
die mOglichkeiten zu zahlreich sind, zb. eal eijn verbrasni eprae
dat kint : vint. — 4137 ff Ghi sult m^ moeder loten ghehermen,
dat mdi, mochte ic se beecennen ende up die woe dit proeven
nu? (?). — 4145 f vielleicht ende niet in edUe wijf nn^ vader
was met rechte. — 4178 ff man interpungiere 4178 la l^'ctAene
dat:^ lese 4180 Daer und setze hinter ontfaen 4181 komme. —
4259 leden. — 4261 vonden. — 4267 ghionnen de$:wat te
gheedtne es. -- 4353 wol ghereU : gheseit. — 4427 besette. —
4441 wol leH: besteet. — 4443 al haor werc: Merlijn Ot were (?>. —
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MABRLANT8 MKBLUl« ED. T4N VLOTEN 373
4485 tamenen, — 4534 fhgen. — 4600 vom» zun Mgenden
geboren, etwa Dob V. dot cdnmc ^ari [mäe hi gkfw^t wo» mer
vndm, — 4761 tuXken siun : wtghun. — 4775 ©d : twf. —
hinter 4811 fehlen einige yerse; engl. s. 28 ihh tweym dk^wn
to hm% of hir other felischep, that thei wert m in ttomftr«. —
4888 niei el:wd, — 4841 etwa vM:tu>M. •— 4807 Mohie. -^
49» Daer. -^ 4038 een dedbai naer. --- 4941 daer hi foeft. —
5035 f ecbeint wider ghthaJi (:dat) im reim gestanden zu baben«:
hie wea wd iatlofm heim oot s^ ghehat. — 5045 der imperativ
tage ist in dieser hs. allerdings nicht nnverdachtig, aber an sich
mOgNch; man belasse darum den reim vrage:eage. in erstra
Ters ist wol irgend ein wOrteben ausgefaHen. — 5067 f s. Alexander
s. LX?Hi. die Terse sind anscheinend eine dittographie dtr tor^
hergehenden; aber sie werden nrsprongtich wol den tAnn enW
halten haben *aucb weife ich am besten was geschehen ist.' —
5069 hroda. — 5073 het dan men ie dede. — 5085 f die von teW.
vorgeschlagene nmsteHung scheint mir nicht berechtigt. — 5092 f
ghesladae : achte. — 5145 (e ti. gy. — 5280 f twi:9i. — 523»
ist wel Tottwe m lesen, vgl. 5231. — 5298 f sind umzustellen
und in 5290 ist B&n zu lesen. — 5801 hoare puMc Meven. —
5343 dinc st. kint. — 5347 aUe gadar. — 5445 f scheinen starker
umgearbeitet, eine wahrscheinliche Verbesserung ftlRt mir nicht
ein. — 5476 hier scheint eine Iflc ke zu sein, — 5523 ff sind
unverstKndfich; engl. s. 39 Ye teere ft^s ingourettrt, thatwolde
not aquite yme as trewe men, and therefere ye he taorfhf te hauB
08 ye haue deserved. — 5586 over here. — 5650 vereament. —
5670 ff? — 5690 daer st. dat daer, — 5731 die. — 5773 aomen. —
5788 voere met; in der yorhergehenden zeile wahrscheinlich wäre
St. I«. — 5814 hrocht und so öfter. — 5830 die von teW. vor-
geschlagene Veränderung von enegf^ wtfs in enegher wm ist nicht
gerechtfertigt. — 5865 Want Aera domheiit; Paris s. 52 cor il est
felie. — 5898 eemi mi hare :ware. — 5907 wol h(mde, — 5909 mtira
; W mi hare (hierhin). — 5917 ries st. niet wijs; vgl. zu 6069 f. —
5943 twi St. waeramhe. wahrscheinlich sind hier auch die reime
verändert. — 5966 ff dat ghi den man niet fcinnet vde / 6f eiere
ghedane, ende niet wete I kendine , of jAme soeeM in d^oghen(1);
vgl. zu 6047. — 5979 Bn. — 5986 f vieTleieht dits M. eeidsi
ende niemen diweL — vor 6004 fehlt ein vcrs. — 6040 Bn. —
6047 tc doe dat wde:nothtan euüen des tarnen trete; ygl. 6861.
es könnte freilich auch wider dat:ghehat gestanden haben. —
6051 ghijt te min niet doen. — 6069 f die$ : syt so ries. —
6083 — 86 sind stark verderbt, an xine xyde, femer die was
hiyde und äl den dach scheinen unecht, im ersten vers stand
vielleicht tide praet. von tiden und dann im folgenden an syns
hroeder eide. mit mehr Wahrscheinlichkeit lässt sich vermuten
dass der letzte vers lautete Ghesach hi noit blider (oder so bliden)
dath. — 6098 weten ist falsch, idi denke dass jftt . . . ghehvet
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374 MABRLANTft MlftLUM BD. VAN VLOTBN
als praet. da stand, welches der scbreiker als praes. fosste und
Diii gM . . . wetm verUuschte. — 6103 ghdoveit. — 62V3f uü
igh^eit; ebenso ist 6229 f zu lesen, — 6233 f etwa ioechdi hier
Udsn : m tmrlen tide. — 6283 der, — 6306 eeü u lief, dat mijn
here. — 6340 m ^kaiieii. — 6352 vielleicht Merlan en keeft u
gheioghen nie; dann würden bereits mit 6351 Merlins werte wider
beginnen. — 6353 jis en heibie. — 6361 f ie doe hei wel:memen
el. — 6364 hoe soot goßt. — 6379 verfm€(t). — 6405 die
beete d, so e$ hiiwerek ei. — 6419 t^oit. — 6428 te rwnene, —
6429 Ombiet. — 6430 eoeken. — 6434 entweder ist dieser vers
g9Q2 umgeflndert^ oder es fehlt nach ihm etwas mit dem Inhalt
'sondern entbietet ihnen.' — 6436 ghevU seier j^ieleidfi. —
6453 versament, — 6496 en zu tilgen. — 6551 s. Alex. s. lxvi.
gonder würde am besten die Verderbnis erkoren, aber es wird
sich hier schwer ein reim dazu denken lassen, der grad der umr
arbeitung, den wir bis jetzt schon erkannt haben, rechtfertigt
auch manche andere Vermutung, zb. könnte auch hier wider
toefe (die waren in die sele: Merlifn verstoet sijn fdheit tode/ende
seide) gestanden haben, aber solche Vermutungen bleiben un-
sicher. — 6651 u daer mede. — 6665 vermutlich waerUke oder
ghewaerUke st. wonderUke. — 6667 dqt hi den hob. — 6671 f
u>d: vahe ende fd. — 6683 f franz. et li rois reepont ije nd nes
O'erai, tant qne je said^ de quel mort vos marrois. die stelle —
wenn sie in M.s vorläge so lautete — kann nicht wörtlich Qber-
setzt gewesen sein, die werte der hs. können (nur mit het sL
dat) den sinn haben 'es ist (schop öfter) etwas so seltsames pas-
siert.' vgl. die ähnliche wendung Rein. 1386 ff, wo allerdings
der comparativ vremder gebraucht ist. — 6736 ie. — 6825 a/-
winnefi. ^ 6948 nahe liegt dus quaemt ten daghe bi liever lade.
aber dieser ausdruck in der bedeulung 'allmählich', scheint mir
für H. doch sehr fraglich; auch das adv. gherade hat wenig ge-
währ, anders könnte man noch, aber mit ebenso wenig Sicher-
heit vermuten hi en seide dat dat (man sieht nicht deutlich ob
die hs. dat hi dat, oder blofs dat dat hat) ghene st: dus so qnaemt
den daghe bi. — 6965 f vermutlich sonder verste : erste, — 6995
el gheen. -- 7067 ontscoot. — 7230 luttd. — 7280 die hs. hat
wol u>ie (die Variantenangaben sind ganz in Unordnung), wofür
twi zu lesen ist. — 7285 wenn die hs. stetpu hat, so ist die
lesung dene vorzuziehen. — 7313 in. — 7369 f der reim und
die form gheseieden sind natürlich falsch, es läset sich nicht
sagen, was gestanden hat — 7455 Vore die tafele. — 7461 der
erste satz muss subordiniert sein. — 7475 Merlan beniden. —
7478 feblt ein substantivum ; riddere? — 7502 vielleicht Hi en
Wille niet als noch zu des königs werten gehörig. — 7507 iet
St. niet. — 7519 nach dem engl. s. 62 zu urteilen gehört te
Sinxen noch zu den vorhergehenden worten. man musa dann
lesen Doe seide hi. — 7531 dat zu streichen. ^ 7538 nach
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M4BBLAIIIT8 MBBLMl« £0. VAN VL0TB7V 375
diesem vers ist eine laeke. im folgeodeD ist wouden und seiden
zu lesen 9 7543 Die eonine hilt over waer. — 7559 f sind mir
nicht verständlieb. — 161Z f dat noeh sal bedieden j grote ere. —
7620 modUe di; veort^aghen ist 'ntltzen'; engl, ne noughi it
AoUe a-vayk for to wite. — 7622 ist ein imperativ peius oder
dinc ausgefallen. — 7636 daer ist wol flicken, oder die worte
sind versetzt aus ende sine feeste driewerf (oder vierwerf) kauden
daerite Caredole binnen in't jaer, oder ende s. /. houden daerjte
Cared. hinnen driewerf fjaer. — 7666 saxwed» und weder zu
tilgen. — 7681 AI en. — 7698 der deutlichkeit halber ist nach
minde komma zu setzen. — 7724 groten. — 7792 pAt die. —
7797 dass ^/besser sei, als gif wie leW. meint, ist ein irrtum. —
7809 Ulfins worte beginnen jedesfalls schon 7808 mit lüde no
stille, der ausdruck bedeutet 4n keiner weise' und kann, wenn
das vorhergehende richtig ist, nur gefasst werden Sn keiner weise
braucht ihr minne weder hären wille zu suchen.' für want gy
macht das franz. or guardez que wahrscheinlich wacht dat ghi;
das folgende ende in ist nicht zu ändern. — 7811 f steht wider
der gewöhnliche flicken wal:aL das ursprüngliche wird sich
schwerlich mit Sicherheit erraten lassen, es konnte gestanden
haben ti selves moet : tc doet , auch an bat : ic doe dat lässt sich
denken. — 7822 beide overluut. — 7866 siet nemmer sinen
w. — 7870 soe st. *i. — 7883 Dat soene. — 7894 ridder. —
7928 si sat zu. streichen. — 7944 seiet. — 7963 twi; oder
hoe:soe vgl. Alex. s. lxxxvi. — 7972 nach diesem verse ist viel*
leicht wider eine lücke; die engl, prosa (s. 68) und die franz.
(Paris s. 71) sind ausführlicher: et je m'estoie de lui et de ses
dons moult bien deffendue; onques n'en avoie riens pris; mes eres
m'aves fait pendre la coupe et me mandastes par Bretel que je i
beusse pour Vamor de li. — 7979 f die conjectur met : met hat
wenig gewähr; s. Alex, lxxiii fl*. vielleicht een strjjt daer af te
comene steet (: weet); es kann auch ghereet im reim gestanden
haben. — 7982 das alberne een Hei ist im nachwort zurück-
genommen, aber auch geen heel ist vermutlich nicht ursprüng-
lich, sondern nietwel; vgl. zu 8433. — 8001 scieden. — 8014
mocht. — 8064 hertoghe. — 8073 boden ghereden. — 8105 Ne
waer te waren. — 8133 f idelre hande: in den lande. — 8165 der
vers muss jedesfalls hinter dem folgenden stehen; müglich ist
Gy (weten^)weet. — 8183 lijf — 8207 w ghelove di. —
8371 wideruro eine lücke; engl. s. 74 f Than made the kynge
to clepe after Ylfin. and droughen hem a-side in eonseile, Than
seide the kynge to Merlyn *I haue tolde Vlfin of that ye comaunded,
and that ye were the old man that he sigh yeslerday, and also the
crepill this day.' And Vlfyn bekeilde hym strongly and seide 'May
Ihis be trewe that the kynge seith?* And Merlin seide usw. das
partic. gesijn ist vielleicht nicht von M.; s. Alex, lxxxv. — 8422
gherdee. — nach 8432 fehlen zwei verse 'und Ulfin soll die
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376 MASRLANTS MBAMiff BD. fAR ?LOTBN
gesuit Jordans Inben.' — 843B «bo wd (: Ttntava); aach 8453
wird wol eeii ied uftursprangüch sein. — 8456 frahracheinKch
10t gaen; Par» «.75 or remnnez id, ef mns Hvn» fa, moi er
Ulfk, «ngl. s. 76 and I and Vlfyn «AoK go thü toey. ~ 6479 die
rttaeUnften werte acheinen fast io der fas. verieseo eu sein, idi
weifs Micbta daraus m machen. — 8494 beete. — 8500 onf-
se^edm (Dach dem franz. and engl.)- — 8563 f veh : weU. —
8587 wider eine lüfike; engl. a. 79 *We ^olde gladhf rede hfm
tke beM, <m4 tkenfwt w% fray yau ro yeve us tourneOe for 9ure
m^e wurscMp how me my§hl beste be demened in Ms maiere,
that the kynye forsAe not owe eounaeäe. — 8615 und 16 ooer. —
8689 bi Utfine. — 8698 in. — 8700 wel IMtf. *- 8728 emla
hare ^er mde $*hertoghen. — 8731 f eonme:dine. — 8765 man
M^i^artet dmin$te, wie im engl, ihe lesee, — 8778 over st. ver. —
8781 f sind falsch; vgl. engl. s. 82 bnl ikns moche he haih seide
ikat he wiU amende it bi the amn and eeunseil of his barone,
es mag etwa gelautet haben ne ^are hi vnUe vanfjhen an I d dai
wieen eine man. — 8795 vermuHich wider Tintavei : wd; Tgl. tu
8433. — 8623 ooer. — 8838 Uet; engl. e.9i b«t we dar ^
nottmdirtake; butweberight eure that ye thnll ne tome no magre. —
8839 aiyr gki Hesf — 8855 ic eal doen na dat ghijt. — 8859 ver-
saemt; engl. s. 83 whan thei teere eome te-geder. — 8868 eomme
St. soene; engt. s. 84 ofher wordee ihie was the samme. — ende
im folgenden verse ist zu streichen, aldus 8870 wahrscheinlich
falsch (vielleicht altoos), der i^im wol dinghe:^inghe. — 8874 daer
^ui. — 8878 bode. — 8885 elc vraeehde anderen wat hem doehte ;
engl, and asked one of another. — 8886 Doe. — 8911 iiede st.
bede. — 8931 hvet (vgl. 8936); weiter vermutlich ie sai doen
iyen kitr den coninghe van Oreanyen; engl. s. 85 and io, here
tke kynge of Oreanye, on whom I sey grete forti of the pees,
and therefore kte ns here hys anise. — 8959 mede ist falsch , es
kann aus der folgenden teile stammen, kann aber auch fdr ein
sttbst. (üeoe?) stehen; die anderen bearbeitungen haben ver-
schiedene ausdrücke. — 8998 leerde st dadeil); engl. s. 86 ehe
temed so moche of an arte that is cleped astronomye. — 9029 Lede
als adj. zu treken ist nicht wahrscheinlich, es scheint mir nicht
undenkbar dass Rede aus Wede, d. i. waer(h)ede entstanden ist. —
9037 gkeeinde. — 9076 f Alex. s. Lxvnr habe ich onder hemlieden
für das flickwort in den tiden conjiciert. es Hegen jedoch andere
Vermutungen ebenso nahe, zb. epraken hare dinc und im reim
eomine. der folgende vers ist zu andern dede hi ontb. den coninc
nach engl. s. 87 and whan thei hadde spoke to-gedir he sende
after the kynge be Vlfyn. — 9093 oniof(t). — 9095 doet my
tkint gheoen. — 9105 vielleicht Bese en sijn. — 9160 Hei en
es in d. w. (gheen) dinc (: coninc), im folgenden vers wilkt. —
9245 Tes die. — 9307 f s. Alex, lxxi f. es könnte dbrigens
auch wider uHsle : vele (dooch also vele : als euks man die es riker
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MABRLANTS MEBLIJN ED. VAN VLOTEN 377
vele) gestanden haben, im engl, heifst es s. 91 that my prayer
i$ 08 moehe worth as a riche mannes, — 9319 f sind wol um-
zustellen, jedesfalls ist anders zu interpungieren , nach iet frage-
zeichen. — 9330 hi zeide zu tilgen. — 9371 f sind umzustellen. —
9399 van sinen sere, — 9403 ff weifs ich nicht in Ordnung zu
bringen, im engl, heifst es s. 92 And Merlin seide 'Ye be right
sdce, and gretly ye be afraide.' And Uterpandragon seide *I haue
right, for my men (hier fehlen wol einige worte) and that ye
knowe weh , and thei that I wende (o haue no drede of, haue di--
stroyde my reame, and slayn my men in bataik, — 9415 in. —
946S ende zu streichen. — 9475 f vielleicht du en sout na desen
eeghe / niet langhe moghen levens pleghen, — 9480 aU ist nicht
ursprünglich; neware, sonder, dan sind möglich. — 9492 f sind
unverstandlich. — 9509 ghelof. — 9519 unverständlich. — 9521
enweghe : seghe. (?) — 9540 na hares heren bediede, (?) — 9551 ff
vermutlich dat hem M, te voren riet, Hi en woude dat vergheten
niet, hi en voer, — 9565 ente. — 9591 over. — 9604 f hoe
wanestui den coninc nu spreketi doen? — 9632 so dede ende, —
9662 wol sulc man, — 9666 nember zu tilgen ; der infinitivsatz
ist von wildi v. 9664 abhangig. te Winkels conjectur zu der stelle
ist ebenso willkürlich als sie mir überflüssig scheint. — 9690 es
st. was. — 9699 als, — 9706 f unverständlich. — 9719 weder-
lopen. — 9735 kiesen st. kiesensi, — 9747 der offenbar entstellte
reim war wahrscheinlich soghede : ghedoghede wie 1097, und es
fehlen einige verse. das engl, stimmt zu der annähme, es hat
an der entsprechenden stelle (s. 97) and he hadde never soken
other myUce but of his wif, and his sone he hadde made to be
norysshed of another woman, ne Antor wiste not usw. — 9797 f
teWinkels conjectur befriedigt nicht , onse coninck ist vermutlich
das falsche, es muss god oder etwas ähnliches gestanden sein
(das engl, hat saueoure), zu god könnte gereimt haben die overal
heeft ghebot. Wy in dem verse ist zu streichen. — 9815 daer
zu streichen. — 9853 outaer. — 9855 som oder sulc st. ieman;
engl, that some of you be goode men, — 9874 hier fehlen offen-
bar wider einige verse. — 9888 Eddheit ende rijchede, — 9922
vielleicht Ja en. — 9934 hebben. — 9945 over. — 9962 wahr-
scheinlich waert st. quam voert. — 9969 f wol no of een coninc
metter vaert gaet ende proevet. — 9985 den bohoert. — 9992 vor
strijt fehlt ein adj., etwa grote; Paris s. 88 que entre eis leva une
melUe mouU grant. — 10037 die richtigkeit des verses ist zu
bezweifeln. — 10091 wol hebt ghi. der satz steht auch in den
anderen bearbeitungen , dort mit dem verbum im praesens. —
10118 enghere hande. — 10127 outaer. — 10168 sieht man
nicht, was in der hs. steht, engl. s. 103 but noon it myght
remeve from the place that it was inne. — 10192 sullen. —
10205 f hierbinnen leerde kinnenjdie b. tkint ende. — 10210. 24
ambocht, ambochte. — 10210 nu ist zu tilgen, das wort ist sehr
A. F. D. Ä. IX. 25
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378 MABBLAIHTS MfiaLUM SO. VAM VLOTAN
oft zur ausfüUuDg zugesetzt — 10263 Vor zu streicben. —
10271 over. — 10309? engl ani to Modde füt$e mm, Paris et
aus prodomes saiges et larges et hons vivandiers. — 10349 te
gode beden ist wenig wahrscheiolich. eher hat das subst. bede
(etwa bat hem doen te gode bede : ontfennechede) oder im folgenden
verse ghenaden(: baden) gestanden. — 10365 ff nach den anderen
Versionen vermutet man dass gheloves 10366 'versprichst* bedeute,
und statt an inmier 6t oder dor zu setzen, ferner 10370 f zu
ändern sei , entweder in Dattu die h. k. minnm / ende hauden
willes oder Die hdeghe kerke te min»ie (: 8antin$^); Paris s. 96
H il est tieb que il osast jurer et crianter Dien (engl, yef tkow
wilt swere to god) et fnadame Sainte Marie et d tous Sinns et
toutes Saintes, Sainte Egliee ä sauvtr et d maintenir usw. H.s
Zusatz (10366) sine ghebode macht die Vermutung jedoch einiger
mafsen zweifelhaft, aber wenn er wUrklich schrieb ende gode
gheloves usw., so fuhr er ohne zweifei 10370 fort Ende ghekves
(versprichst) de h. k. minnen. — 10387 outaer.
2. Fehler des herausgebers: das richtige steht in
den varr. da nicht leicht ein anderer der spräche gegenttber so
hilflos sein wird wie vVl., so genügt meist die einfache angäbe
der verszahl, alle fehler ausnahmslos aufzuzählen übersteigt
meine geduld. 218 (1- dockte). 337 (dattem). 368. 555 (vgl.
Anz. viji 153 f). 960. 976. 977. 1036 (haerre). 1069 f. 1255
(ebenso 1369. 6232 uo.). 1375 (wat mere mede). 1543. 1547.
1641 (ebenso 1786). 1895 f. 2183. 2398 (dasselbe 3070. 3075
uo.). 2399. 2449. 2457 f. 2598. 2648. 2707. 2766 (ebenso
2767 uo.). 2947. 3229. 3320 (sal di). 3505. 3513 f. 3838
(ebenso 4228 und sonst oft). 3884. 3959. 4031 (dasselbe Öfter).
4349 (eneghe). 4570. 4577 f (die zusäUe sind unberechtigt).
4658. 4732. 4733. 4930. 4943. 4947. 5027. 5049 f. 5334
(wie veUet desen). 5456 f. 5486 f. 5829. 6014. 6017. 6039.
6135 (ghebrdcen ist wol beizubehalten, vgl. hem ghebrdcen 'es
über sich gewinnen'). 6153 (meerren). 6244 (dasselbe 6560
und sonst). 6335. 6338 (derselbe grobe fehler ist sehr häufig
begangen). 6600. 6703 (eher dürfte der artikel zu streichen sein).
6758 (vielleicht kann ende niet bisonder bedeuten 'und er nicht
allein'). 7086 (en was haerre). 7401 (dasselbe 8080 uO.). 7425.
7686 (vare kann bleiben). 7861. 7980. 8251 (:wannere). 8290.
8446. 8533. 8610. 9007. 9296. 9371. 9426. 9436. 9529. 9539.
9777. 9790. 9846. 9850. 9919. 10065. 10107. 10171. 10201
(tiene). 10269. 10326.
Nicht wenige stellen sind erst durch die interpunction des
herausgebers unverständlich geworden, v. 1640 gehört zum
folgenden. — 1673 f geboren nicht zur rede, sondern sind
Zwischensatz. — vor 1760 ist nicht zu interpungieren. — 3214
kein komma zwischen ja es. — 3376 ohne interpunction; die
ioncvrouwe ist object zu slane. — nach 5342 muss ein punct
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JIAUUUIHTS IIERLU4N SD. VAM VLOTEM 379
Stehen. — ebenso nach 5975 (zu lesen soekedi). — 6068 nach
diesem und vor dem folgenden verse sind anführungszeichen zu
setzen, da 6069 Merlin redet. — 6309 f 'Evde' gprac d. c. dan
*u>teti tot hl es, dae man.' — nach 6320 und vor 6321 an-
führungszeichen. — nach 6365 stärkere interpunction , nach dem
folgenden v. komma. — nach 6378 punct. — 7064 muss der punct
wegfallen und hinter den folgenden vers treten« — 7698 nach
mtii<fe würde ich der deutlichkeit halber ein komma setzen; dar
haer goede gehört zu $i voer. — 7922 komma vor in trouwen. —
7942 nach diesem Ters und vor dem folgenden sind anführungs-
zeichen zu setzen, die letztere zeile spricht Igerne; Paris s. 71
'Honte d qui ien gardera' ripondit-elh; engl. s. 68 and ehe eeide
'mysaventure haue that ü kepeth any eounseik.' — 8032 die worte
der leute sind natürlich mit diesem verse zu ende, suUce bodescap
ist object zu antboot. — 9084 'Ulfijn' zeide Merlijn. — 9098 hier
schliefst die antwort des kOnigs. die folgende zeile enthalt ein
Sprichwort, welches H. entweder aufserhalb der rede anführt,
oder Merlin in den mund legt; hwen ist hier *auf rat hören'. —
9604 f die frage ist erst mit dem folgenden verse zu ende. —
9742 punct. — 9956 CT gerett ter vaert doe hiei hi gaen, aUe
die wanden^ overlunt. Nieman.
3. Velthems fortsetzung. 10528 I. wie, god weef, —
10624 Die hier sit in. — 10649 I. traude st. kroende; engl,
s. 111 after tohan the kynge hadde wedded the quene Ygemm, sAe
u>are grele with childe. — 10802. 11114 uö. bracht. — 10913 ver-
ronnen. — 10981 torenihiervoren. — 11080 tu den here. —
11161 wereniter keren. — 11189 eeoot. — 11205 sijne. —
11230 houdende. — 11306 te. — 11423f sind wol umzustellen. —
11426 die. — 11568 god weet. — 11594 nie, ebenso 12819 uö. —
11782 Ende. — 11784 roeket. — 11S&2 hoet oder hotU; marleen
iöl ^marken, grenzen, strecken'; engl. s. 127 and kepe these
weyes. — 11912 wol bereeket. *- 11932 u. — 1 1938 stand wahr-
scheinlich das subst. vaer, s. Anz. tu 25. — 12000 f sind wol
frage. — 12046 twi. — 12199 Uden. — 12200 hier of. —
12202 bUven. — 12309 des zu tilgen; engl. s. 133 and wäre
sones to two castekins. — 12324 daer op souden riden. —
12372 wol sonder sparen. — 12404 ist richtig; s. Lekensp.
gloss. s. v. boy. — 12406 die grote. — 12435 si zu tilgen. —
12446 stnrende. (7) — 12496 ic seggu twi. — 12542 Maer loos. —
12643 god weet. — 12740 steht hoep im reim zu groet. es sind
zwar assonanzen bei Velthem anzuerkennen ; allein die von hoop
:groot, doot widerholt sich so oft (16943. 17703.20116. 23223.
30091. 30229. 30865. 31082. 33095. 33893. 34791. 34909), dass
vermutlich das erslere wort für ein anderes eingetreten ist, welches
conroot sein kann, wenn 18110 und vielleicht öfter conroot
sieben geblieben ist, so spricht das noch nicht gegen die an-
nähme. — 12792 hem zu streichen. — 13080 f vielleicht als ghi
26*
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380 MAERLA^'T6 MERLUN ED. VAN VLOTEN
ons radet, m doewi el (:wel) Hiertoe, dan wi ans säen Ghereid^, —
13122 vielleicht wat letien nu, — 13154 meeite, — 13215 loefc
:8elt; vgl. 16975 uö., oder wiU:silL — 13243 tote dat si doe. —
13263 ^({e zu streichen. — 13500 ^of, und so, nicht rAenf, ist
für wmtt *bis' auch sonst zu schreiben. — 13630 mndtn. —
13703 f verhavm : gavm, — 13716 gheten, — zu 13713 fehlt
der reimvers; die lücke fällt vermutlich nach vier in 13714. —
13858 fe(fen. — 13883f vielleicht waUibi ghetak. — 13890 tron-
n«i. — 1Z910 assant. — 13968 corteUke. — 14093 ff sind die
reime in Unordnung, wenn man mede ans 95 in 93 einsetzte,
wäre der kunst Velthems vollkommen genügt. — 14293 tot oft, —
14468 wol ontlede; doch steht 29071 auch ontdeedde, — 14490 te-
Iwereert. — 14487 f scheinen vor 85 zu gehören. — 14520 si
m. — 14551 vele meer. — 14594 Wat. — 14674 macht. (?) —
14677 op diese. — 14679 ghesteghen. — 14683 betone. —
14742 steht dor in der hs.? ende so groete (vom verbum groeten)
wäre ganz gut. die Veränderung im text ist übel. — 14873
yf\e\le\chi verdwelmet. — 14896 «rrc. — 14942 etwa «>n rtttwcn;
engl. s. 165 anoon shall ye se hem forsake the felde. — 14947
grutoelie. — wenn v. 15005 die zahl 35 richtig ist, enthält das
Verzeichnis eine lücke, da nur 30 genannt sind. — 15081 ist
die lesart der hs. nicht angegeben; verstoren? — 15141 aisiereti.
— 15469 errden. — 15476 na dies. — 15477 fmel.rfa/ wet. —
15569 f machte : gheslaekte. — 15656 meer ende min, ebenso
15424. — 15784 ende (und das komma hinter twaren) zu tilgen. —
15793 daren. — 15873 vede. (?) — 15892 wol martsen; blivende
15891 und die accusative sind wol zu lassen und irgendwo
houden einzufügen. — 15899 ververwen. — 15939 versamedensi.
— 15967 der reimvers zu Clarioen scheint verloren; darauf vrome
:ende ghewont some; die folgenden verse können leicht um einen
kürzer gewesen sein , etwa ter ure st. ter stont und 72 f in einem
verse hi quam te M. na dat. — 16034 dien trepasse. — 16082
die (und das komma) zu streichen. — 16245 er st. en. — 16316
vielleicht vachten; die form neben vochten ist nicht undenkbar. —
16361 ontfenghet. — 16368 was ist zu streichen (oder zu ändern).
— 16370 bedwonghen. — 16371 wol comen (inf.). — 16396
daervan. — 16583 te doene met (: dat wet); vielleicht stand io
dem verse te teet *zart*. — 16639 dat daer ghesdede. — 16684
dier. — 16699 in. — 16766 Gaheriesse ist nicht richtig, es ist
der andere bruder Gaheret gemeint. — 16833 vaertene. — 16860
beiden (oder biden); engl. s. 196 a-bide. — 16862 en wol zu
streichen. — bei 16912 fehlt vermutlich etwas. — 16951 vaert. —
16975 toeU. — 17283 ouder dan die ander; engl. s. 203 thai
somdM were in age. — 17337 ocht deren. — 17405 praierie;
engl. s. 205 in the medotoes nndir Toraise. — 17442 hievor af. —
17587 f toere:mere. — 17610 daer van. — 17728 Licghende;
vor ten stonden ist daer siene einzuschieben. — 17811 f mere
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MAERLANTS HBRLIJJ<( ED. VA?( VLOTEN 381
:were. — entweder 17836 gaf enen slach, oder 38 den arm af
ist zu ändern. — 18030 $i en. — 18121 enen andren; engl,
8. 214 smote down othir towe deed. — 18452 meer. sollte die
hs. würlilicb mer no haben? — 18460 vermutlich frotseerde. —
18478 Vor; engl. s. 220 be-fore the gates of Toraise. — bei 18515
ist wol wider eine lücke. — 18517 diere st. daer. — 18569 twi, —
18768 M. met dat. — 18788 Het. — 18828 inporre (: borre). —
18944 een hott op haer hoot. — 19050 wol so dat. — 19052
trake. — 19479 wile. — bei 19540 ist eine lücke; engl. s. 238
Ufith Ewein oho was Meliagans, that at that tyme was a yonge
childe , and was the sone of Bandemagn by his firste wif. wenn
firste richtig ist, wäre testen in v. 41 aufserdem in eersten zu
andern. — 19547 ende dien hi. — 19887 in. — 19928 f spiete
: hiere gheniete. — 20305 vielleicht Sine c. hi op die a. stiel. —
20383 f doenivloen. — 20405 bescoot oder besloot. — 20421
daelde, (?) — 20590 etwa loeghen : ghewoeghen. — vor 20594
fehlen einige verse, die änderungen des herausgebers sind un-
richtig; engl. s. 270 and whan that thei it herde, thei merveiled
what it myght be; and than com Gawein to the horse that fledde,
and toke hym by the breidell, and saugh that all the arson was
blody and well that the karll hadde be slayn. — 20603 lietewine. —
20612 vercomen. — 21013 ei niet el. — 21747 ghesciet. —
21771 das vom herausgeber zwischen Antonys Pontes gesetzte
ende ist überall zu entfernen und alles auf die person bezüg-
liche im Singular zu lassen oder in den singular zu setzen, das
engl, hat allerdings zwei personen aus der ursprünglich einen
gemacht (vgl. Paris s. 169). — 21795 dat lant, dat. — 21872
metiwet. — 21954 dainen. — 21991 Doese. — 22076 f sind
umzustellen. — 22101 hielden hem. — 22139 also wele. (?) —
22262 embermeer af spreke. ~ 22550 obe hi langhe op. —
22613 vielleicht Nemet für nu siet; sonst muss ein verbum aus-
gelassen sein. — 22650 grootbaerden; Paris s. 189 contre le roi
barbu. — 22808 Oft der oder op dat der. — 22809 f mwe
(:were) so ne blivet. — 23004 wol dat für dan. — nach 23109
fehlt wider etwas; engl. s. 329 and Boors enterpassaunt hit him
on the helme wiih his swerde so fiercely that he bente on his horse
Croup. — 23266 diet hevet. — 23317 dare : dat t. g. A. die hare. —
2332 1 ende souden mede. — 23343 ons in aventnre. — 23455 ghe-
affoUeert. — 23548 wol beter negheen. — 23620 herdeti lande;
Paris s. 193 la terre des Pastures. — 23625 creature ist ver-
mutlich falsch, es kann ursprünglich figure gestanden haben;
Paris s. 193 la laide semblance. — 23713 htrde sere. — 23741
sloech. — 23750 quamen si. — 23786 vermutlich bene oder
leden. — 23991 nach dem engl. s. 350 of the londe deped
Pastures zu lesen lande der herden. — 24020 mene. — 24111
wol ontvloen-.doen. — 24131 by, glosse zu mede, ist zu streichen.
— 24147 haert. (?) — 24149 vielleicht niet daer onder. — 24160
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382 MAERLANT3 MERLIJN ED. VAN VLOTEN
onscoot. (?) hat die hs. wttrklich onmet^ — 24176 mm zu
streichen und die nomiDative im folgenden zu lassen. — 24292
Mnder keren. — 24303 scoonsten dans, — 24380 teghen come, —
24393 meneghe scone speie :veh. — 24397 den kerenden easteel;
Paris s. 199 le CMteau tmmoyant. die stelle mOste nach den
quellen lauten den k. clmaken (oder maecte stnt den k. c./) entie
danse, die Menragueel } vant in der si. $, n. — 24548 meevalt
u, — 24692 ttoi. — bei 24739 sind die reime nicht in ord*
nung; es scheint eher etwas zu viel zu stehen als zu fehlen. —
24811 ende zu streichen. — auch bei 24845 ist Vermutlich wider
eine lücke. — nach 24890 fehlt ein vers, worin der dritte
bruder genannt war. — 25061 ombe Doese. — 25317. 25330.
25365 ist der von Stallaert herausgegebenen Variante zu folgen. —
25716 «I die höre, — 25786 tpuim wird aus dem vorigen verse
stammen und telde oder ein anderes gewöhnliches wort gestanden
haben. — 25836 dor al dat; sy im folgenden verse wol zu tilgen. —
25964 tos. — 26016 vliene. — 26096 goom. — 26146 haerre
die (?) vgl. 26177. — 26398 Romenienfi). — 26441 vermutlich
daer namere, wenn, wie es mir scheint, die Variante 11 hierher
gebort. — 26479 enen herde groten ghedochie. — 26521 trdcen. —
26553 vaer. — 26542 den harst. — 26636 ic en beredUe; ww/
uwer figure gehört zu gepareert. — 26693 bedriegeresse. —
26694 snidende. — 26764 drome. ~ 26923 ende strueren, —
27167 der hier folgende vers ist selbstverständlich echt, danach
eine lOcke. — 27180 ordineren. — 27246 Dan. — 27260 kern,
oder vielleicht ende was kern zu streichen. — 27307 vielleicht
te Moder mere : verstautet sere, — 27309 leat doen. — • 27567
mauden. — bei 27845 fehlt ein vers. — 27963 vielleicht ic s.
ooe niet, ic sloechene dootlic en ontseide hem ierst al bloot. —
28013 keren mede daer u ban gaet uut. (?) — 28233 f si: h\ —
28566 mi st. nu. — 28589 möglich ist te toarene ende niet te
comene daerof, — 28716 Doe dus und komma st. punct hinter
der zeile. — 28745 einmal dair zu streichen; im folgenden S^
nados wie 28699. — bei 29060 herscht Unordnung. 59 schloss
wol doe keerdensi met, und dann ist eine iQcke; 61 f mit Um-
stellung dat h. t. a, V. V. / ende die voete usw. — 29323 ver-
mutlich dien dat sere wach. — 29415 was oder is st. waer. —
29685 taflen gehört in die folgende zeile. — 29944 swareihare. —
30080 waende. — 30213 helt:ghewelt. — 30416 van w, here. —
31094 seste. — 31349 f sind umzustellen. — d\35Qvoersi. (?) —
31601 Het. — 31627 op dien dach dat icken in node; Paris
s. 296 le jour mime oä je pensais Ini causer le plns fennuis. —
31630 dede mi doen. — 31635 anders niet (: ^esciet). statt
anders konnte auch ein verbum mit dem sinne von ausweichen
gestanden haben. — 31658 wol einfach loeghen. — hinter 31796
ist wider eine lUcke. — 32093 bescemde, vgl. 32067 ff. die an-
gezogene stelle scheint übrigens auch entstellt zu sein; bei Paris
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MAERLÜPITS MERLIJTf ED. VAN TLOTEN 383
8. 303 heifst es : 'Laissez ces propos* interrompit Kex, *que les che-*
valiers dB la Tabh ronde, s'tb trouvent bon de chereker querelle,
aiüent venger la mort de Fourri. und im engl. s. 572 f *Now
Ute he al thiif mde Kay, *fwr thu$ Anll the knyghtes of the rounde
table go to a-venge the deth of the lorenne'. — 32101 d^een —
Unit. — 32726 f smde wesen / dicke vertoeten on$ na deeen. —
32796 setten se. — 32901 Ende antmoeten. — 32950 of eise
ghesworen hadden. (?) — 33397 twi. — 33501 nach dede fehlt
ein verbum 'aufhören'. — 33988 bes. — 34235 gegeven vrede. —
34269 vermutlich weerlicheit. — 34303 van. — 34372 twi. —
34567 faelgeren. — 34667 naefi (: säen). — 35047 sat ende
Udcede haer poten oder sat haer poten tickende. — 35092 wahr-
scheinlich stand jeghenode im reim 'ich befreite die gegend';
engl. s. 668 'wef seide the kynge, 'blessed be oure hrde, ffor I have
slain the deveU that grete härme hadde don in this contrey'. —
35099. 35448 ghewilt. — 35447 opwaert, maer. — 35499 ff
ine weet wiet was.l niet lijen dasi dat hem. — 35587 hoet
hem es. — 35840 wol Man die. — 35855 menighe ere. — 35888
pliet. — 35972 te uwer scanden. — 36205 toas noit. — 36206
vielleicht arten.
Unbefugte änderungen letzter band stehen aufser den früher
erwähnten 10415. 10495 (ebenso 11313 und ähnlich oft). 10505.
10535 f (ähnlich öfter). 10785. 10863 (onderstont). 10877.
11006. 11021 (die ist zu streichen). 11137. 11396. 11506.
11560. 11680. 11702. 11787 (hi rauss wegbleiben). 11816.
11863 (ebenso 14251 uO.). 11992 (wildent). 12040. 12048 (ähn-
lich öfter). 12095. 12125 (dasselbe 13339). 12214. 12282. 12301
ist gandc wol druckfehler st. ginek. 12371. 12721 (ähnlich 13390.
14389. 14541 uö.). 13015 (dasselbe 13101 uö.). 13061. 13421
(te bespiene). 13453 (aUiere). 13516. 13537 (dede hi). 13729.
14292. 14352 (of; dasselbe 14784 uö.). 14658. 14848. 15044.
15347. 15417 (gonde haers oder gondere). 15592 (so welke).
15592 f (wesen : vresen). 16065 f (ebenso 16209). 16146 (ouder-
vader). 16235. 16337 f. 16615. 16621. 16728 (hären). 16810
(ebenso 16868. 16882 uö.). 16829. 16910. 17003. 17140. 17147.
17161. 17179. 17278 (ähnlich 17279 uö.). 17378. 17395 f.
17511 f. 17649 (daskomraa 17648 zu streichen). 17724. 17878.
18191 f. 18280 (die vruchte). 18289. 18546. 18734. 18835.
18893. 19227 uö. (sptere). 19684 (mi). 20110 f. 20343. 20522.
20598. 20608. 20683 (desside). 20690 f. 20696. 20794. 21009
und 21014. 21030 (ebenso öfter). 21091. 21192 und 95. 21232 f.
21397 (menegen). 21482. 21534f. 21550. 21558f. 21685. 21796
und 21814. 22255. 22378. 22459. 22598 f (dasselbe öfter).
22922 f. 23162. 23292.23502. 23508. 23575 f. 23689. 23928.
24021. 24245 f uö. 24335 (In dier m. dat aUe). 24958. 25029 f.
25357. 25756. 25767. 25860. 25873 f. 26142. 26178 f. 26189.
26242. 26336. 26427. 26668 f. 26804. 26847. 27206. 27550.
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384 MAERLAIST8 MERLIJN ED. VAN VITIEN
27706 f. 2n20 (nieman des (en)). 28011. 28664. 28819 (wäre
gone). 28845. 28862. 29104. 29264. 29413. 29461 (wol dier nu
daer / harde meneghe). 29643 (dien so^U werden ontdecket / die grau
ende dat spere). 29719. 29720. 29881. 30089. 30099 (ebeoso
Öfter). 30115 (komma im vorhergeheDden verse zu streichen;
ebenso 30139 und 43). 30327. 30470 (verstam ist 'nüUen, ver-
fangen'; Paris s. 277 *Ah! heau fikl' repond le roi P. *vou8 auriez
beau montrer kt voie d ce Chevalier). 30509. 30573. 30585 (here
die ginder sei: et). 30671. 30827 (diet). 30884. 31031 (ebenso
32833). 31046 (tiden ist verbum). 31099 (und ebenso Öfter).
31108. 31251. 31275. 31344. 31652 (warüoet^). 31679—82.
31780 (waren). 31834 (twi). 31895 (sijn-ghetrecket). 32132.
32141 uö. 32235. 32330. 32493 (wol sijn-ghestaen). 32587.
32737. 32833 f* 32877. 33091 f. 33433.33499. 33562. 33697.
33797. 33810 (Ombe-te). 33874 (73 vorware). 33877 f. 33900.
33929 f (vielleicht wijsde hem den here). 33980 (dat ic neghen
coninghe hebte in minet^ reseih). 34207 f. 34215 f. 34239 f.
34381 f. 34389. 34424 (dockte). 34647. 34659. 34781- 34979.
35013 (ghescoten). 35163. 35237 (und ebenso 35249). 35640.
35767. 35900. 35973. 36011.
Anders zu interpungieren ist an folgenden stellen: 12582
streiche die interpunction. — 15046 muss der punct fortfallen. —
15813 80 houdic mi; ooe wäre hi. — 16206 punct nach der
zeile. in der folgenden sieht Verliesen ende wmnen absolut, wie
16251. 16284 iT und sonst häufig. — 16981 punct. — 17484
gebattelgiert. Alsi vernomen hebben dese. — 17581 puncL —
18893 punct. — 23780 das komma hinter broeder zu streichen. —
24044 punct. — 26974 das komma hinter M muss entfernt
werden. — 27689 seide hi goedertierlijc *here. — 29537 *goede
Hede*? — 29628 f ombe wat. Dats waer daer liep. — 33313 g.
h, doen ende fijn.
Es verbleibt noch eine beträchtliche anzahl von stellen, die
mehr oder minder verdorben oder mir wenigstens unverständlich
sind, eine genauere vergleichung mit der quelle würde auch
noch manchen fehler erkennen lassen, über den wir jetzt hinweg
lesen, aber es ist keine erfreuliche arbeit, die liederlichen verse
Velthems in Ordnung zu bringen, am ehesten konnte noch die
verhällnismäfsig grofse philologische Sicherheit reizen, welche das
umfangreiche , jetzt um circa 26000 verse bereicherte material zu
erreichen gestattet, die kritik seiner Chronik und des Herlija
müssen band in band gehen.
Bonn, 31 Januar 1S83. Johannes Francs.
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MA£BLAr«TS ALEXANDER ED. FRAfiCK 385
Alexanders geesten, van Jacob van MaerlanL op nieuw uiteegeveo door
dr Johannes Franck, privatdoceot aan de universiteit te Bono. Biblio-
theek van middelnederlandsche letterknnde 27.28. 81. 32. 34 — 36.
GroDiDgen, Welten, 1883. xgti und 512 ss. gr. 8^
Es ist mir ein wahres vergDügeOi meiDem freunde Franck zur
Vollendung seiner schonen ausgäbe des Maerlaulscben Alexander
glück wünschen zu können, wie viel arbeit, welche unseren
mittelniederländischen Studien zu gute kommt, ist an dieses buch
gewendet worden! und mit wie viel Sorgfalt und gelehrsamkeit
hat der Verfasser danach gestrebt, diese ausgäbe zu einem wür-
digen denkmal des für seine zeit so grofsen Maerlant zu machen I
ausgehend von festen grammatischen principien , hat er den text
einer genauen prüfung unterzogen, und den Alexander, der wie
der Merlijn und der Troyen , ja in noch viel höherem grade , von
einem unfähigen ausländischen abschreiber entstellt worden war,
in einer weise gestaltet, dass er von der ursprünglichen Über-
lieferung verhäUnismäfsig nur wenig mehr abweichen kann, der
herausgeber halte hier eine schöne gelegenheit, um seine in der
recension meines Seghelijn van Jherusalem dargelegten grund-
sätze selbst in anwendung zu bringen; mit welchem erfolg er
dies getan hat, zeigt sich am besten, wenn wir seine ausgäbe
des Alexander mit der Snellaerts vergleichen, ohne Übertreibung
kann man sagen : es ist hier alles neu geworden, statt des dilet-
tantismus, welcher in der alten ausgäbe fast auf jeder seite zu
tage tritt, haben wir hier eine arbeit, die sich durch eingehendes
Studium und sorgfältige anwendung gut überlegter und geprüfter
grundsätze kennzeichnet und daher dem autor vielleicht 'dicke
te sure' hat werden müssen, niemand wird es darum diesem
übel nehmen dass die Vollendung der ausgäbe so lange verzögert
worden ist, um so weniger, wenn er weifs dass dem Verleger
der gröste teil der schuld hieran zukommt
In einer ausführlichen einleitung werden die Stellung des
gedichtes in der mnl. htteratur und die quellen des Alexander
auf eine weise besprochen, welche an die musterhafte einleitung
der ausgäbe des Spieghel historiael von De Vries erinnert, ich
habe nichts einzuwenden noch hinzuzusetzen; nur möchte ich
den beweisen , dass Maerlant mit dem Reinaert vertraut war , eine
sehr markante stelle beifügen , welche von Franck übersehen ist.
vgl. Alex. VIII 315
Bedi verbaut mm hem die oghen:
Het stont hem so, hi moeetet doghen
mit Rein, i 1589
Ende verbonden hem die oghen:
Het etont hem so, hi moest ghedoghen.
weiter werden in der einleitung die grundsätze auseinandergesetzt,
welche den herausgeber bei der textconstitution geleitet haben.
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386 MAERLAKT9 ALEXAPTDER ED. FRANCK
er hat alles mögliche getan, um ein ganz klares bild vod der
spräche Maerlants Zugewinnen; daran prüft er die spräche
des Alexander, und man begreift dass hier die aufgäbe um so
schwerer war, weil der dialect des abschreibers sehr wenig mit
dem Maerlants gemein hat. F. beschrankt sich also auch nicht
auf den Alexander bei der besprechung der grammatischen er-
scheinuugen , sondern zieht überall die anderen werke Maerlants
mit in betracht, und findet dann und wann gelegenheit zu tref«
fenden bemerkungen, wie zb. über gedan (s. lxvii). kurz, alles
ist höchst interessant, was hier geboten wird, und macht unser
verlangen nach der Ton dem herausgeber rersprochenen mnl.
grammatik, welche noch immer geschrieben werden soll, um
so lebhafter.
Ausgestattet mit gründlichen kenntnissen der spräche Maer-
lants, des mittelniederländischen im allgemeinen, und der all-
germanischen sprachen , begabt mit Scharfsinn und gelehrsamkeit,
und in einer tüchtigen schule gebildet (sein werk ist Wilhelm
Scherer gewidmet), hat der herausgeber einen text geliefert,
welcher einen tadelnden oder gar strengen blick von Maerlant
nicht zu fürchten hätte, im gegenteil , Maerlant würde zufrieden
sein, wenn er sXhe, mit welcher Sorgfalt die seinem dialecte
nicht zugehörigen demente daraus entfernt sind, allerdings fehlt
die absolute gewisheit dass Maerlant würklich so geschrieben hat,
wie F. ihn schreiben lässt; der herausgeber selbst ist davon Ober-
zeugt, allein so ganz verschieden von der ursprünglichen Ober-
lieferung kann die redaction F.s nicht sein; nur hat er meiner
ansieht nach hier und da den text über Maerlant hinaus her-
gestellt: es schwebte ihm ein ideal vor, nach welchem er die
spräche des Obersetzers modelte, daher rührt es dass, wie nicht
zu verkennen, bisweilen eine abstraction gefunden wurde statt
der würklichkeit. dies beruht auf einem characteristischen unter-
schiede zwischen deutschen und niederländischen gelehrten, der
sich darin zeigt, dass bei den Deutschen die liebe für die norm
viel starker ist als bei uns. die guten Seiten dieser eigenscball
will ich nicht verkennen , nur mochte ich darauf hinweisen dass
man bei dieser richtung viel mehr gefahr lauft, in widersprach
mit der würklichkeit zu geraten, die doch so wenig nach einer
bestimmten norm gebildet zu sein scheint, vielleicht ist bei uns
die leidenschaft für die würklichkeit und die abneigung gegen
alles, was doctrinärismus gleicht, zu grofs: jedesfalls haben wir
grund , uns zu freuen dass wir in F. einen mitarbeiter begrüfsen
dürfen, welcher eine bei uns bestehende lücke auf glanzende
weise ausfüllt, doch ohne die vorteile zu laugnen, welche mit
dieser richtung verbunden sind, oder ohne blind zu sein für den
guten einfluss, welchen F. auf unsere mnl. philologie, die ihm
so sehr am herzen liegt, ausübt, darf man nicht vergessen dass
hier vor allem die gefahr, inconsequeozen zu begehen, bei
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MAERLANTS ALEXANDER ED. FRANCK 387
weitem gröfser ist als wenn man von der freilich selbst nicht
consequenten wOrklichkeit ausgeht, dass aach F. bisweilen sich
scheute, die von ihm selbst aufgestellte norm striet in anwen-
dong zu bringen, mOgen einige beispielo zeigen.
Der herausgeber nimmt im westviamischen durchgangige deh-
nung der vocale an ror r, wie wir sie zb. am genauesten in dem
Sinte Amand von Gillis de Wevele sehen; er schreibt moorgen,
voarder, soorgen, oors, woorm, sioorm, gewoorpen, vergoorden,
doorper, voorme; waerf, daerm, aerm, bemaerken, kaerde; keerfst,
steenweerper , heerah, meerken, eerstweerf, steerven usw. man
kann sich dabei beruhigen , wiewol es gar nicht ausgemacht ist,
dass Maerlant warklich so geschrieben hat: immerhin ist es ein
princip , gegen das nichts einzuwenden ist. aber warum schreibt
F. 2, 244; 3, 1324; 6, 222 moorgen und 4, 1255; 5, 751
morgen; warum 8, 267 soorgen und 5, 752 sorgen; warum 3, 82
uO. haerde; 4, 46 heerde (druckfehler?) und 9, 836 herde; warum
2, 691; 4, 648 uö. beerch, beerge und 2, 816; 3, 829; 6, 345;
7, 1257 bereh, berge; warum 4, 529 maerken, 8, 897. 1063 meer^
ken und 3, 776; 5, 715; 6, 391 merken; warum 10, 748. 752
Sieerven und 8, 711; 10, 1471 sterven? dann hätten auch formen
wie borge (3, 1017; 9, 776); kerren : verren (7, 315); chrke: ge-
werke (7, 1196); bederve:erve (9, 19); herde :derde (9, 835);
werdech (10, 1375) nicht ungeändert stehen bleiben dürfen, diese
Vorliebe für gedehnte vocale hat F. sogar verleitet, die form vaerde
für verde d. i. vrede, welche sonst nirgends vorkommt und ohne
zweifei vom abschreiber misverstanden ist, in dem text stehen
zu lassen (1, 1229; 4, 200. 341). — der herausgeber schreibt
ou im dialect des Alexander für den diphthong oe vor den lippen-
und kehllauten, also vlouken, drouve, bouc, douc, drouve, souken,
prouven, roupen, behouf, grouf, drouch, «toiicÄ, behouf usw.,
und mit vollem recht; er macht es sehr wahrscheinlich dass die
ausspräche des diphthongen oe im mnl. eine andere gewesen ist
als jetzt, wie das auch schon aus den verschiedenen Schreibweisen
00, oe, ou hervorgeht, doch finden wir in seiner ausgäbe 1, 140
soeken; 1, 1020 broeke; 3, 479 broeke : doeke; 4, 867 sloeck : ver-
droech; 5, 187 vloeke usw. die form ierst für eerst wird dem
Maerlant abgesprochen, F. ändert daher überall; doch ist 1, 743
und 1113 ierst stehen geblieben. — desgleichen wird mit recht
behauptet dass si im acc. plur. masc. dem dialect Haerlants nicht
angehöre, doch finden wir es 2, 840 (oder druckfehler?). —
die handschriftliche lesart sider wird 4, 457 und 1679 umgeändert
in seder, doch bleibt sie sonst (5,590. 703; 7, 1250. 1630)
stehen. — Lesetmen ändert F. 3, 742; 7, 1318. 1376 in lesemen
(übereinstimmend mit 7, 1646 segghemen neben seitmen varr.;
Sp. 1^ 34, 31 vindemen neben i* 24, 29 vintmen; i^ 37, 2 ple-
gemen; V 38, 13 telmen; i' 41, 4 doemen; i* 2, 60 lesemen). allein
wenn beide formen gut sind, durfte F. nicht an den oben ge-
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388 MAERLAiNTS ALEXANDER ED. FRAMCE
nannten stellen ändern und 3, 1084; 7, 1510 leestmen beibe-
halten, zwischen of und ofte (achte, odu) unterscheidet F. genau^
und mit vollem recht; darum hutte 3, 836 ocht nicht sollen stehen
bleiben, ich habe diese kleinen inconsequenzen ein wenig aus-
führlich besprochen, nicht um den wert der trefflichen ausgäbe
zu verkleinern, welche mit dem besten, was in dieser hinsieht
bei uns selbst geleistet worden ist, wetteifern kann, sondern um
den herausgeber daran zu erinnern, wie schwer es ist, selbst
nach eigenen gut überlegten principien zu handeln, und damit
zur nachsieht zu mahnen, wenn er bei uns mangel an system
und methode zu finden meint, davon kann er sich Oberzeugt
halten, dass seine tüchtigen leistungen auf dem gebiete der mnl.
grammatik gute fruchte tragen werden.
Es mögen jetzt einzelne bemerkungen über den text folgen :
Alex. I 58 Alexander dede so groot, 1. so groote daet (hs. groei
dat). — 59 dt, 1. die. so auch 882; ii 309. 436. 654. 805»
955. 1019. 1226; m 906; v 18; vi 413. 1174; vii 262;
X 693. — 332 conincs, 1. sconincs, — 384 nemmermeer, L
nemmeer, — nach 395 nimmt F. mit mir eine lücke an; vgl.
8. 400. — 412 ghesciede, 1. ghescieden. — 459 Alse, 1. ÄUe
wilen? — 476 1. cameren. — 484 die Änderung von sach in
was ist unnötig, wir sagen noch täglich: Ik zie rood, bkek,
ontsteld usw. für *sehe — aus'. — 559 dan, 1. dann«? — 574 wol
anzusetzen: Men mach den gonen wel spreken lachter, — 397.
604 mochstu, 1. moochstu. — 637 1. swaert. — 647 met, 1.
metten? — 651 1. Dus maecstu dien hloeden hont. — 672 die, I.
di; ähnlich v 389. — 758 1. late, — 925 I. üadsine. — 960 1.
st daden bin dese poort. — 1068 1. bestont? — 1116 1. Mtscop»
wie die hs. hat. so auch 1327 6t; u 712 sidi; iv 1613 rike-
like; v 8 tilic; das ij muss im mnl. auf geschlossene silben be»
schränkt bleiben. — 1191 Vaert hi up, 1. Waert hi up, über
upxoerden dh. aufspringen s. Rein, und Ferg. gloss. so ist auch
u 1071 ohne zweifei voaert zu lesen für vaerU vgl. Tijdschrift
1, 236 f. — 1294 1. dat atemeeste. — 1345 die auswerfung von
daer ist unnötig. ~ 1356 I. bisscops. — 1367 I. Dat. — ii 16
1. behaghen. — 124 die bsliche lesart die lede mare ist bei-
zubehalten. — 225 1. vaillechlike, — 269 twee, 1. twee pa/er, —
357 f I. Dat hi Tarcen die goede siede Uouden soude in goeden
vrede. — 396 1. hettetk. — 408 1. tide^i? — 467 ghedachte ist
beizubehalten; man findet es auch Oudvl. lied. en ged. 360. 1328:
Dese ghedachte ende ooc tgheclach, dat men tameer sal moghen
doen, — 156 f I. Doris soude sonder waen met einen Heden vUen
ander weghe Ente Grieken souden vechten seghe. vgl. Gualth.
II 217: Terga dabunt Persae, Danaique sequentur ovan-
( e «. — 532 1. PhiUppe. — 562 1. ghenesen. — 643 1. rteden. —
858 entweder zu lesen: Die men seide, si waren gevloen, wie
die hs. hat, oder Die men seide, dat waren gevloen, nicht dat sL
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MAERLANTd ALEXANDER ED. FRANCK 389
eine derartige coDStructioo haben wir auch noch jetzt: zb. de
man, du mm zeide, dat haar beminde, nicht: dat hij. Die ist das
subj. des verb. waren gevloen. — 655 vrese ist beizubehalten
und aufzufassen in der bedeutung ^gefährlich'. — 931 warum
haddet für hadt? — 983 1. tot«. — 1110 l ene. — 1160 1.
tidm, ~ 1203 1. Fares dat. — 1226 den scildes rant, 1. des scildes
rant; so auch 289 Des dauwes naiure für die d. n. die hier von
F. angewendete redensart soll, meine ich, auf alte epische for-
mein beschränkt bleiben, vgl. ix 988. — 1258 1. daghelike. —
III 66 es ist unnötig, so dat zu lesen für dat; dat selbst hat
die bedeutung der consecutiven conjunction, mag so vorhergehen
oder nicht. — 141 1. side. — 232 1. bedaut für bedect, welcher
fehler durch bedecten im folgenden verse veranlasst ist. vgl. Gualth.
nill9: Jam madet herba latens terramque cadavera celant, —
295 f 1. wonderlike dinge : hemelsce cringe? — 404 die annähme
des Zeitwortes overbaden scheint mir gewagt, man lese vielmehr:
Bereh ende dal alover (ganz und gar) badm (intr.) metten bloede.
— 675 I. dinke, — 709 heden in den dage braucht nicht in
heden den dage geändert zu werden, vgl. morghen an dien dach
Ti 262; an defi daghe heden vii 1220; gistren in den dage Lanc.
n 14230; Rein, i 136; heden an desen dage Bijrob. 26837 (vgl.
var. heden desen daghe). — 710 I. ghene saghe, vgl. 1211. — 929
1. reedde hi. — 985 so braucht nicht eingefügt zu werden ; dat
im folgenden verse bedeutet so dat. — 1239 1. so weder die see
S€U hoghe gaen. — iv 14 Dat darf nicht geändert werden in Omdat.
dat im mnl. als causale conj. ist ziemlich häufig, vgl. zb. v. 27.
auch 22 ist dat gut; es ist in der bedeutung von toen zu nehmen,
welche Öfters vorkommt. — 327 1. mine Heden. — 345 I. vek
ulermaten. — 119 1. overslaghenden rimen. — 398 1. ombedect von
om(me)bedecken. das wort kommt, soviel ich weifs, mnl. nicht
vor, doch vgl. ombegaen, ombegraven, ombehangen, ombeheinen,
ombehggen, ombeluken, ombemuren, omberingen, ombesetten usw. —
694 1. waenden. — 916 f 1. sceden. AI was si so d., hare c. — 1303
ist Wille nicht ebenso gut wie sulle? vgl. engl, will und shall. —
1402 1. bedde. — 1406 Doe ist gut; man fasse es auf in der
mehrfach vorkommenden bedeutung ^dann'; vgl. Rein, i 2113. —
V 496 I. Dat hem prisen soude. — 620 I. besprinct. — 673 haerde
na middemacht scheint mir verdächtig, vielleicht zu lesen haerde
spade oder blofs spade? — 818 1. wiUeMike (hs.). — 1135 1.
51. — 1153 l. volchdem. — vi 296 1. meer. — 562 1. sture. —
609 ist die hinzufügung von andere nötig? — 670 1. doen onder-
trouwe. — 922 1. ere? — 1032 en unnötig. — 1238 want braucht
nicht geändert zu werden; ebenso wie bedi kann want die be-
deutung *sodass' haben, vgl. für bedi zb. Perg. 1431; Alex, iii
523. 598. 677 usw., und für want Aiol-fr. 170. 695 und Alex.
I 427. auch sonst kann man want in der bedeutung sodat nehmen,
zb. Alex. VI 1238; v 981 (wo want in ende geändert ist). — vn 75
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390 MAERLAMS ALEXANDER ED. FRA.NCE
1. of. — 198 1. me, — 255 ist Dicht vielmebr für noot zu leseo
anoot^ das auch io Troyen steht (vgl. MdL wb. s. v.)7 — 420 1.
onnertn. — viii 337 1. mijnB vader. — 496 1. sta. — 534 1. En, —
692 1. heren. ^ 824 1. die crone. — ix 587 I. andenß, der aame
eioes metails. vgl. Mal. wb. s. v. — 1303 1. lijcleken. — x 461 AI,
db. wie wenn, ist beizubehalten; vgl. Mal. wb. — 571 1. ti ^e. -*
571 1. Doe. — 596 1. Vraechde. — 901 1. theäechste. — 914 1.
talre gherechtechste. — 1050 1. vremden gatt. — 1432 1. dinc —
1489 I. prouvm wijt.
An schonen Verbesserungen ist der text ebenso reich wie
an feinen und neuen grammalischen beobacblungen die an-
merkungen hinter dem text. es ist nicht möglich alles zu
nennen, doch mochte ich als auf beispiele der scharfsinnigen
kritik des herausgebers hinweisen auf i 213 f. 1114 stevene;
ui 304. 1181 ; IV 462 bestan. 1245 f; v 894 citeit; a 452 mmre
usw. man kann natürlich hie und da anderer meinung sein als
der herausgeber; man kann einerseits glauben dass etwas erklärt
worden ist, was keiner erklärung bedarf oder in wenigen worten
hätte gesagt werden können; andererseits kann man etwas ver-
missen, was man bei dem von F. angewendeten mafsstabe zu
finden erwartete: so viel ist aber gewis, dass die anmerkungeo
vielfache belehrung geben sowol für facbgenossen als für an*
fänger, und dass sie den wert des interessanten buches wesent-
lich erhohen.
Ein dankenswertes, sehr genaues register ist dem buche
hinzugefügt, überhaupt kann man sagen dass die anordnung des
buches der art ist, dass wenig oder nichts darin gefunden wird,
was uns häufig andere auch noch so gelehrte bücher zu verleiden
im Stande ist; alles ist getan, um das buch für den gebrauch
so bequem als möglich zu machen, dass F. sein buch in unserer
spräche geschrieben hat, ist natürlich für unsere landsleute eine
weitere empfehiung dieser ausgäbe.
Amsterdam, april 1883. J. Verdau.
Altenglische bibliothek herausgegeben von Eugen KClbing. i band : Oäbem
Bokenams legenden herau^sgegeben von GHoRSTBiAmf. Heilbronn, Hein
DiDger, 1883. xit and 280 88. 8^ — 5,60 m.
Die ausgäbe schliefst sich in ihrer einrichtung durchaus den
früheren legendenpublicationen Horstmanns an : genauer abdnick
der bs., die diesmal nur wenige Änderungen nOtig macht , in der
einleitung eine beschreibung des ms., angäbe der quellen und
Zusammenstellung alles dessen , was sich aus den legenden für die
Persönlichkeit des autors ergibt; und das ist diesmal ziemlich
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BOKENAMS LEGENDEN ED. BORSTMATif« 391
viel, denn Osbero Bokenam ist einer der schwatzbaftestea reim-
schmiede, die je gelebt babeo. das capitel tlber unsere legenden-
Sammlung in der einleitung zu den Ae. leg. n. f. s. gxxfui— cxxx
wird mehrfach berichtigt, erhalt aber auch Zusätze, die wir nicht
ohne Widerspruch durchgehen lassen können, der verf. dieser in
den Jahren 1443 — 1447 geschriebenen 13 legenden weiblicher
heiliger hat bisher — denn die Sammlung ist bereits 1835 ein-
mal für den Roxburgh club gedruckt worden ^ für einen der
langweiligsten und geschmacklosesten poeten aus der zeit des
Verfalles der me. kunstpoesie gegolten. H. ist anderer ansieht:
ihm erscheint die Weitschweifigkeit als liebenswtlrdige plauderet,
die Verrohung der kunst als erfreuliche reaction gegen die
künstelei der vorangehenden zeit , und so ist er entschieden ge-
neigt, diesen doctor theologiae, der sein werk mit einer er-
Orterung über die vier causae beginnt, der keine gelegenheit
vortlbergehen lässt um sein wissen anzubringen (oder sein nicht-
wissen zu entschuldigen wie 1, 125fi) und der in der legende
der heil. Lucia auch vor einer 27 Zeilen langen erOrterung über
dysenterie nicht zurückschreckt (8, 43 — 69), über seinen alteren
Zeitgenossen (1, 177 f. 13, 1078 0 Lydgate zu stellen, ich habe
schon früher einmal geäufsert dass H. bei dem ewigen abschreiben
und corrigieren von me. legenden beinahe jeden Ästhetischen
mafsstab verloren habe, und ich muss den seither im stillen ge-
hegten wünsch hier offen aussprechen, dass er uns mit raison-
nements wie sie sich s. x und xi finden so lange verschonen
möge, bis er sich am borne classiscber dichtung (und auch Alt-
england hat ja seinen classiker) einmal wider gründlich erquickt
hat. was soll uns denn eine phrase wie s. x anm. ^seine tiefere
bildung liefs ihn den hauch des classischen anders und besser
verstehen'?
Ich habe guten grund, hier etwas hart zu urteilen, denn
durch seine Überschätzung Bokenams ist H. zu einer geradezu
unbegreiflichen blindheit geführt worden, in den Ae. leg. n. f.
8. cxxix f hatte er den dichter als nachahmer Lydgates bezeichnet,
jetzt scheint er dies zurückzunehmen, wenn er s. xi sagt: ^im
vergleich zu Lydgate zeigt er eine ungleich grOfsere natürlichkeit
und leichtigkeit, sein gesunder sinn bewahrt ihn vor dessen ver-
irrungen; eher könnte er als ein nachahmer Chaucers erscheinen,
dessen eloquenz er vor allem rühmt (prol. 83 0); doch finden
sich auch einzelne anklänge an Lydgate (so 13,675).' worin an
der zuletzt angeführten stelle die ähnlichkeit mit Lydgate liegt,
weifs ich nicht, das aber weifs ich dass Bokenam nicht nur ein
entschiedener nachahmer Lydgates ist, von dem er viele neue
fremdwörter annimmt , sondern dass er ihn auch recht ungeniert
benutzt. 1881 hat H. selbst in seinen Ae. leg. n. f. s. 446 bis
453 eine Margarethenlegende Lydgates in der 7 zeiUgen Chaucer-
stanze bekannt gemacht und 1883 merkt er nicht mehr dass
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392 BOKEPTAMS LEOENDEN ED. BORSTMANN
Bokenam in seiner ersten legende , die der gleichen heiligen gilt
und deren kern in derselben strophenform abgefasst ist, jene dich-
tung Lydgates benutzt, es ist eine heitere ironie des Schicksals
dass gerade jene stelle des prologs, welche H. oben fOr die nach-
ahmung Chancers anfahrt, ans Lydgate einiges entnimmt, beide
dichter beklagen im eingange ihres Werkes ihre schwachen krafle;
Lydgate v. 3:
Thaugh I haue no rethorikes swete
Nor colour noane tenhelisshe mth my 9tyk,
vgl. Bokenam prol. v. 89:
Enbehhyd wyth eolours of rtthoryk.
das in Lydgates zweiter Strophe enthaltene bild von gold und
perlen in schmutziger holle wird bei Bokenam prol. v. 43 — 72
weiuchweifig und unter mehrfachen anklangen an Lydgate aus-
geführt. Lydgates reime schimmern dann Öfter in dem strophischen
teile der legende Bokenams durch, vgl. zb. in der Schilderung der
Margaretha Lydgate v. 36 — 40 virginyte — vertnous — A«-
mylite — glorious — vicloryous; Bokenam v. 9—13 gloryoH9
— bt — vertBous — propyrte — virgynyte. Lydgate v. 43ff
This stone in vertu is a tordyal, To tke spirit a grete eonfor^
tatyfial hir lyf; Bokenam 65 In ihat the margmyte is a
confortatyf Ofmannys spirytys usw. zalhyr lyf, die eigent-
liche erzählung und die gleichheit der form mit Lydgate beginnt
bei B. v. 97. mit der entsprechenden Strophe L.s (v. 78 — 84) hat
sie gemeinsam das Whylom B.97 »■ L. 80; gret cyte B. 98 «» L. 78 ;
For of paynymrye tke patryark was he B. 101 ««il patryark he
was of paynyme lawes L. 83 und die berufung auf die quelle
B. 97. L. 80. in einer Strophe, welche das zusammentreffen des
Olibrius mit Margaretha schildert (B. 202 — 208. L. 148 — 154),
finden wir bei B. v. 205 of contenaunee demure, bei L. 149
ful demure and sobre of contenaunee, bei B. v. 208 more
auysement, bei B. v. 150 grete avisenesse. B. nennt die heilige
V. 166 merour of al bewte, L. v. 100 a mirrour of mekenesse^
V. 496 a m. of eonstaunce usw. aber Lydgate bleibt seinem nach*
ahmer bedeutend Oberlegen: er h2dt seine erzählung nicht auf
durch gelehrte erOrterungen Ober heidnische nameogebung und
über das ammenwesen sonst und jetzt, er schaltet nicht lange
beschreibungen stOrend ein, und vor allem: neben demieichten
rhythmischen fluss seiner rede erscheinen die verse B.s erst recht
holperig und schwerfällig, freilich der abstand von Chaucer ist
denn doch noch weit grOfser: dass es auch hier einen bequemen
mafsstab gab, hat H. wider tibersehen, denn noch deutlicher als in
der ersten legende reminiscenzen aus Lydgates Margarete verwertet
Bokenam in der lOten, SCaecilia, solche aus Chaucers Caecilien-
legende, die in die Canterbury-tales als The secounde nonnes
tale aufgenommen ist. ich gebe nur zwei belege aus den ersten
Strophen.
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BOKIMAMS LKGKRDBN BD. HORftTMANN 393
Cbaucer (ed. Morris Aid. ed.) Bokeoam
122 And from hir cradel up 80 And from kyr credyl fostryi
foHrtd in the faith Of Crüi. was $he In Chrystys fe^fik.
144 '0 9WH€ md wel bilomd 113 '0 swttett yung man, o
spouse deere!' spanse dertV
— ob aus Bokenams legende etwas für die streitige frage nach
Chaucers quelle zu gewinnen ist, konnte ich nicht untersuchen.
Ich meine, es lag doch sehr nahe dass H., wenn er einmal in
der vorrede von Bokenams iitterarischer bedeutung' im verhultnis
zu Cbaucer und Lydgate sprechen wollte, sich zuvor die entsprechen-
den legenden dieser dichter ansah, um sein urteil zu prüfen, (bss
ein herausgeber hslicher texte gleich alle litlerarischen beziehungen
bemerken soll, verlange ich natürlich nicht — hinzufügen mochte
ich noch dass die kraft des dichters gegen das ende der Samm-
lung zu immer mehr zu erlahmen scheint, freilich auch der
leser halt sich schon nach der lectüre der htflfte dieser 10000 verse
nur noch mit mühe aufrecht, und ich will ohne genauere prtt-
fung dies urteil nicht als unbedingt richtig hinstellen.
Als. denkmal des dialects von Suffolk mag die Sammlung ja
einigen wert haben, aber da sie uns nur in einer hs. vorliegt,
welche gleich nach dem tode des verf.s (1447) und jedesfalk
direct nach dem originale derselbe Thomas Burgh anfertigen
liefs, für den B. die erste legende schrieb, so erscheint es recht
gewagt , von dner 4itterarbchen bedeutung' (H. s. x anm.) über-
haupt zu sprechen: denn citate daraus oder nachrichten über
den antor von anderer seite sind uns nicht überliefert, der pro-
spect der Altenglischen bibliothek verhelfst uns ausgaben 'wich-
tiger' werke, und in der tat kommt alles erwünscht und z. t.
ersehnt was er aufzählt, um so weniger können wir dem leiter
derselben zur wähl dieses langweiligen eroffnungsbandes glück
wünschen.
Göttingen, im mai 1883. Edward Schröder.
Beiträge zur cfaaraeteristik KABöttigers nnd seiner stellaog zo JGvHerder.
•nhaogsweise sind bisher ungedruckte briefe Caroline Herders an Böt-
tiger beigegeben worden, von Richard Lindeuann , Oberlehrer an der
realschule zu Löbau in Sachsen. Görlitz, AFörsters verlag, t883.
IV und 148 88. 8®. — 2 m.
In diesem interessant geschriebenen büchlein erhalten wir
wichtige aufschlüsse über den vielgeschaftigen , in mikrologi-
scher gelehrsamkeit unübertrefflichen und heutzutage durch seine
archäologischen Schriften noch wolbekannten dr Ubique: so wurde
KABöttiger in Weimar genannt, die Beitrage legen zahkeiche
A. F. D. A. IX. 26
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894 LINDEMANN BSITIIAGE ZUR CHARAeTElllSTIX BÖTTIGERS
bisher noch nicht yerOffentlichte briefe Bottigers vor und sind
aosreicbend, um auf wissenschafUicher grundlage ein sicheres
urteil über denselben gewinnen zu lassen, es ist erstaunlich,
wie weit er die kunst der reservatio mentalis beherschte. im amt*
liehen verkehr, bei bewerbongen gibt er überall Zusicherungen
bündigster art, aber stets hält er sich ausfluchte oflbn, die ihn
von der erfflllung seiner Verbindlichkeiten befreien können , und
weifs sich geschickt mit seinem gewissen und der gottlichen ali-
macht, die er fast in jedem briefe anruft, abzufinden, so zuerst bei
den v^andlungen über die rectorsteile in Lobau, s. 10 — 31. end-
lose und überscbwangliche herzensergOsse an den bttrgermeister,
seinen Werehrungswflrdigen gOnner', haben immer äufsere vor-
teile oder befriedigung personlicher eitelkeit zum zweck; als dann
der rat der Stadt alle wünsche BOttigers erfüllt, die letzten würk-
liehen und fingierten hindernisse beseitigt hat, da vergisst der
neu berufene rector das, was er selbst als 'f^flicht des Christen
und ehrtichen mannes^ noch in dem absagöbrief, s. 28« bezeiehnet,
und kehrt fast vor den thoren der Stadt um , weil ihm eine Stel-
lung in Bautzen vorteilhafter erscheint, dort bleibt B« indessen
auch nur ^in jähr, 1791 bewirbt er sich bei Herder um das
rectorat des Weimarer gymnasiums. obwol er 'bisher unge-
wöhnliche' forderungen stellte, wurde er besonders auf Herders
fOrsprache gewählt, er ward seinem wünsche entsprechend ober-
consistorialrat mit sitz und stimme im consistorium bei sdiul-
Sachen, wie viel bittere stunden er in dieser Stellung seinem
freunde und vorgesetzten bereitete, wie wenig ihm an fi^rdening
idealer guter, an Wahrnehmung seines amtes, das für Herder
herzenssache war, gelegen, wie er dagegen durch doppelzüngig-
keit, oiTenbare Verleumdung, durch die moralische haltungslosig^eit
seiner ganzen natur unberechenbaren schaden gestiftet, das ist
von hm Lindemann mit urkundlichen belegen klar nachgewiesen,
8. 31— 101. die auseinandersetzung wirft scharfe Streiflichter auf
die wahrheitstreue der Biographischen skizze, Leipzig 1827, die
KWBOttiger über seinen vater verfasst hat und welche bisher
hauptsächlich das urteil über B. bestimmte, sowie andererseits
auf manche schulreden Herders, die ganz bestimmte zustande
unter B.s amtsführung behandeln und, wie sich nunmehr zeigt,
nicht an die schüler aliein gerichtet waren. B. war eben eio
mann von aufserordentlicher arbeitskraft, aber ebenso mafsloser
eitelkeit wie weite des gewissens, der die mancherlei schnell auf-
gerafften eigenen und fremden kenntnisse nur verwertete, um
aufsere vorteile, geld, rang, titel und einfluss zu gewinnen; bei
ihm hatten die wissenschaftlichen Studien nicht vermocht, eine
characterfeste Persönlichkeit zu bilden.
Dagegen gewinnt nun das bild von Herders diaracter auf
dieser seite viel von seinem ursprünglichen glänze wider, nach-
dem der staub entfernt ist, den B. geflissentlich darüber gestreut.
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LINDBMAMM BUTIU«£ ZUR GHAIUCTEJUSTIK BOTTIGERS 395
<s ist fast zur legende geworden, der sieh selbst einsichtige
flreunde der litteratur nieht entziehen können, bei aller aner*
kennung der schriftstelleriseben Verdienste Herders doch noch
einen gewissen tadel für ihn als menschen zuzulassen. Herder
selbst hat nie so geschieden , man darf auch ihn nicht mit un-
gleichem ma£s messen, fttr ihn zeugen seine werke, für ihn zeugt
aber in diesem falle sein edles benehmen gegen den von ihm woU
durchschauten Verleumder, der durch die art, wie er sein schul-
amt führte, Herders heiligsten Überzeugungen höhn sprach, der
tag wird noch kommen, wo Herder nicht mehr zu gunsten anderer
getadelt, sondern wo sein edler, kindlich reiner cbaracter von
allen Seiten her auf grund einer vollständigen und parteilosen
Würdigung der tatsachen anerkannt werden wird, dazu ist aber
vor allen dingen eine neue ausgäbe der Erinnerungen aus dem
leben JGvHerders nOtig, welche die von GMüUer leider nur zum
schaden Herders unterdrückten, im manuscript Karolines von
Herder noch vorhandenen stellen, von denen Lindemann einige
auf B. bezügliche proben vorlegt, voUstllndig veröffentlicht, ein
wertvoller beitrag sind auch in dieser beziebung die bisher noch
ungedruckten oder unvoHstHndig publicierten briefe Karolines an
B. s. 103 — 148 der Beitrage, ein schönes denkmal einer feinen
frauennatur* sie sind zunächst noch in der reihenfolge belassen,
in der sie sich in einem bände der Dresdener faibüothek finden;
die meisten, undatiert, erwarten noch ihre chronologische he*
Stimmung. — der druck des buches ist correct, aufgefallen ist
mir nur ein druckfehler; s. 87 z. 12 v. u. lies unbezahlbar.
Berlin, 3junit&83. Ernst Naumann.
Brei charactcrbilder aus Goethes Faust. Faust, Gretcheu, Wagner, von
Franz Kern. Oldenburg , verlag von Ferdinand Sclimidt , 1882. 2 bll.
und 84 SS. S«. — 1,50 m •
Kern stellt sich in ehrlicher absieht auf einen standpunci
dem Goetheschen Faust gegenüber, welcher bisher nur von übel-
wollenden eingenommen wurde: auf den moralischen, er beur«
teilt nicht so sehr die figuren der Goetheschen dichtung, als viel*
mebr die personen, als welche sie erscheinen, er behandelt den
Faust wie einen gelehrten, welchen er kennt, das Gretchen wie
ein mädchen, das er im leben schon gesehen hat. überall und
immer ist mit grofsem nachdrucke der begeisterung für Goethes
kunst ausdruck gegeben , und die polemik richtet sich nur gegen
die falsche auffassung, welche in den herlicben gebilden der
dichtkunst muster unserer lebensführung sehen will. K. hat
i* vg). Utt centralblatt 1862 nr 50.]
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396 KERN CHARACTRRBILDBR AUS fiOBTHES PA08T
einige sehr beacbteoswerte eiDwendoogeD erboben, aber die ganze
anläge des schriftchens ist eine verfehlte, die frage ist doch
nur die: was hat Goethe mit seinen figuren gewollt? bat er
musler schaffen oder hat er menschen zeichnen wollen? hat
Goethe hierin gefehlt, oder hat er volle kunst aufgewendet? das
letztere gibt K. zu. also ist Goethes eigene natur schuld an der
eigenart seiner personen ; also treffen K.s aussteliungen nicht die
flguren sondern ihren bildner und der tenor der arbeit ist ver*
fehlt, da ist richtiger, wie es von clerikaler seite geschehen, dass
man Goethe zur Verantwortung zieht, als dass man gegen seine
flguren und ihren character polemisiert.
K. hat einige glückliche einwendungen gegen die bisherigen
erklarer, besonders was die auffassung des Wagner betrifft, in dem
hefte vorgebracht; an mehreren puncten hat er aber auffallend
beim ziel vorbeigeschossen, so ist das s. 14 über Pausts schwan-
kenden character gesagte verunglückt: K. sollte Ober zufiillige
Stimmungen mit ihrem Wechsel sprechen und spricht von eigen-
tUmlichkeit der Faustischen natur« K. ist zwar ein anbflnger der
^schichtentheorie*, allein das hindert ihn nicht, alles in dem werke
als neben einander bestehend zu betrachten, wenn er sich s. 23
darüber wundert, dass Faust lediglieh zum amü9ement da kaiier$,
nidu etwa aus Sehnsucht nach dem kunsiideal, die gestalten der
Helena w%d des Paris aus der unterweit emporzaubert , so beweist
dies ein merkwürdiges verkennen der Sachlage, er weifs wol
nicht dass Goethe damit nur seiner quelle folgt; doch abgesehen
davon, wie käme Faust dazu, nach der Helena Sehnsucht zu
tragen? was er in der hexenküche geschaut, hat seine würkung
durch das zusammentreffen mit Gretchen verloren ; es bedarf eines
neuerlichen Zufalles, um ihn wider in die schon einmal erregte
Sehnsucht zu bringen, und das wurde von Goethe in prächtiger weise
exponiert. Ludwig Speidel hat dies neulich ausgeführt, der mit K.
den Übergang vom Faust des dritten actes zum tätigen Faust des
vierten und fünften actes als unmotiviert verwirft, ob sie recht
haben oder nicht, will ich nicht entscheiden, es lassen sich aber doch
wol die feineren beziehungen erkennen, wenn man den ganzen
Faustplan wenigstens im allgemeinen als gleichzeitig entstanden
betrachtet; und das muss man: im volksbuche, im Puppenspiele
war das auftreten der Helena vorgebildet, im volksbuche war Faust
ein feldherr, warum sollte Goethe bei der ursprünglichen con-
ception so weit von der überlieferten sage abgewichen sein, wenn
dies einmal zugegeben ist, dann erklärt sich der Zusammenhang
ganz einfach. Faust hat im anfang des Werkes bereits den Über-
gang vom einseitigen gelehrten zum menschen gemacht; ihm ge-
nügt nicht mehr die Wissenschaft, nicht mehr das bild des makro-
kosmos , welches sie allein zu vermitteln vermag, er mochte die
natur selbst erlangen, sein ich zur weit erweitern, das unter-
scheidet ihn von Wagner, darum ist er gegen diesen so unduld-
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KERN CHARAGTfiRBILDER AUS GOETHES FAUST 397
Mim; er war eiDst auch ein Wagoer, er venvirfl in diesem seine
eigene Vergangenheit, welche ihm kein genügen mehr tut. der
Erdgeist will nichts mit Faust zu schaffen haben , Faust kann auf
diesem wege der natur nicht nahe kommen, wie kann man nur
behaupten dass der Erdgeist ein unverstündlicher rest eines alteren
planes sei 1 nun sucht Faust auf anderem wege zur natur zu ge-
langen, Mephistophelesist ihm behilQicb, erbringt ihn zuerst in
lustige gesellschaft (K. misversteht Goethe s. 77 anm. 7 rollstündig,
wenn er glaubt dass Faust dies gewünscht habe), dann verbindet
Fausten die liebe mit Gretchen, aber auch bei ihr findet er nicht,
was er suchte, ihm mangelt befriedigung, er taumelt von be-
gierde zu genuss, und im genuss verschmachtet er nach begierde.
er hastet und drängt; wie im träume lässt er sich in den Wal-
purgisnachtstaumel schleppen, erschöpft, nicht zerstört sinkt er
nach der kerkerscene zusammen, nun soll er seine macht ent«
falten, am kaiserhofe glänzen, alles drängt ihn weiter, endlich
erblickt er Helena und will durch den besitz des schOnheits-
ideales der natur nahen, nun besitzt er die schönste der frauen,
ist in ihrem besitze glücklich und will ihn erhalten; aber —
Nur der verdient die gun$t der fraueti
Der kräftiget $ie zu schützeH weife (in 957 f) —
Faust wird genötigt, den wert der tat einzusehen und (Unsem
fürsten loV ich drum singt der chor) macht gebrauch davon,
schon während des Helenaactes wird Faust zum tätigen manne,
Goethe hat dies deutlich genug ausgesprochen, durch Helena
glaubt sich Faust der natur verbunden, glaubt er in arkadischer
weit sein ziel erreicht zu haben:
Denn, wo natur im reinen kreise waltet,
Ergreifen aUe weiten sich (ru 1073).
doch Faust muss zu seinem tiefsten schmerze erfahren dass auch
das einzigste glUdt nur ein augenblick ist; alles verschwindet,
abermals geteuscht bleibt nur er zurück — auch im volksbucbe
verschwindet Helena mit ihrem söhne Faustus Justus spurlos — ,
aber ihm wurde die tatkrafl wider erregt, die kOrperschOnheit
ist dahin, die seelenschOnheit steigert sich: nicht durch wissen-
schaftliche beschäfligung mit der erde, nicht durch den genuss
wird er dahin gelangen, wonach sein sinn steht, nur die tat selbst,
deren süfsigkeit er gekostet, wird ihn fordern, und so wird der
mann des Wortes zum mann der tat. es kann hier nicht der
ort sein, diese frage eingehender zu behandeln, nur so viel sollen
diese flüchtigen bemerkungen zeigen, dass der Übergang Fausts
doch nicht so unverständlich sei, als man glauben machen mochte.
Man sollte nicht für möglich halten dass die ansichten über
scheinbar einfache dinge so weit aus einander gehen können. K.
stofst sich daran dass Faust kein mittel finde, Gretchen zu retten,
obwol ihm alle mittel zur Verfügung stehen, dem ist jedoch nicht
so. teufelsmacht hilH nicht gegen den willen des menschen, der
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398 KERN GBAEAGTEBBfLDBR AUS GOBTHES FAUST
leufel kann nur yorbandene neigongen unterstotzen, er kana
bilder vorgaukeln und dadurch wQnsche erregen, aber gegen den
willen kann er nicht ankämpfen, so ist es im einklang mit der
ansieht ton der Selbstbestimmung des mensehen im volksboehe,
in der scene mit den warnenden nacbbarn, so ist es im volks«
Schauspiel in der scene mit dem Hanswurst; Calderon lässt so Ae
macht des dämons an Justioens willen scheitern und Justine sagt
ausdrücklich: Um den 9ieg mir %u erringen Steht mir freier
Wille bei (Obersetzung von JDGries, Berlin 1840, n 310). aoch
der Goethesche Hephislopheles kann dagegen nichts ausrichten,
-darum endet die kerkerscene eben nicht anders.
Höchst sonderbar ist K.s ansieht Ober naivetxt und reinheil
8. 35. er glaubt, in Gretchens kreisen worden, wie die briMnen-
scene beweise, gesprSche Ober dinge geführt, toeicke ihre fhm^
taeie auf eekr bäenkliehe bahnen $su leil$n geeignet eini. reinbeit
dem wissen zum trotz ist naivetut und die ^manchen erkbirer'
tun sehr gut daran von Gretchens naivetat zu sprechen, ein
Gretchen nach K.s auffassung ist undenkbar, wer wird daran
zweifeln dass KIfirchen, trotzdem sie Egmonts war, naiv, selbst
rein genannt werden müsse. Egmont sagt selbst: Du darfei die
äugen anfeehlagen und spricht von ihrer jongfrilnlichkeit wie
von Klärchen, ebenso, ja noch in höherem mafse gilt dies von
Gretdien. K. denkt an ein längeres leben Pausis und Gretditns
in ehelicher gemeinschaft und glaubt Gretchen schon gefallen vor
der Schlaftrunkgeschichte, das heifst dodä dem diditer nngeachiok*
ficbkeit zutrauen, wozu wftre denn die ganze erfindung mit der
teuschung von Gretchens mutter. K. legt den ton auC das ruhig
in dem verse: Ach, kann ich nie ein Stündchen ruhig dir am
bueen hängen, eine rohe und unpoetiscbe auffassung. er wird
hoffentlich wenige anhjfnger für seine construction der Gretchen-
figur finden, dagegen verdient seine auffassung des Wagner etn
eifriger gelArter voll von begeisterung für das ätertum und etwar
nicht bloft für dessen schale, voU interesse ßr pkiloMphisdie fragen,
bescheiden gegen Faust, aber zufrieden mi/ dem bereis gdemten,
ohne interesse ßr die natur und frisdhere lebenslmt, ohne poeTi-
sdketi Schwung, ohne leidenschaften , die ihn vom Studium abziehen
könnten, linkisch und unbeholfen, ohne mensehenkenntnis, aber
zuverlässig und versehwiegen und erfüUt von dem veriangen, ekut
mit seinem teissen der menschheit zu niUzen (s. 69) vollste bil«
ligung. das heft zeugt von eifrigem bemühen, wenn es sich auch
von widerholungen nicht frei halt.
Graz 31 i 83. R. M. Werner.
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00BTBI8 6IDI€HTE ED. LQKREB 899
Goetb^ werke, erster band, gedichte, erster teil, mit eioleitong and an-
merkungen von GvLoeper. zweite ausgäbe. Berlin, Gustav Hempel
(Bernstein & Frank), 1882. ix and 484 sa. gr. 8^
Darttber teuBcben wir uns nicht daaa m unter die schwie-t
rigfilen und nndankbarelen aufgaben gebort, dam grorsen deut-
ndben pubUcum eine comneDtierte ausgäbe seiner lieblingsdicbter
so liefern, dem einen sind die anmerkungen überhaupt odios,
der andere kann ihrer nicht genug haben, ein dritter bekrittelt
wenigstens die auawabl und isl leichl der unangendimste Ton
allen, wir beftndeii uns in der angenehmen läge, hier in be-
treff aller dieser fragen nicht partei nehmen au müssen: wir lassen
es dahin gestellt, ob in den anmerkungen überall das rechte mafa
und der richtige tact eingehalten worden ist, und prüfen diese
neue ausgäbe der Goetbesehen gedicble (welche keineswegs eine
bistoriseh-kritiaehe nach dem inuster des Goedekescben SchiUeri
sondern eine neue redaction der Goetbeacben werke für den
allgemeinen gebrauch sein will) auf ihre wissenschaftliche Tolt-
atSndigkeit, genauigkeit und Verwendbarkeit hin. und in dieser
hinsieht bedeutet sie ohne zweifei ein wesentliches fördenings«
mittel der gerade seit dem erscheinen der ersten Hempeischen
ausgäbe mflchtig aufgeachoaeenen Goethelitteratur. nach so vielen
Zersplitterungen im kleinen liegt uns hier wider eine zusammea-»
fassende arbeit vor, welche das detail dem ganaen dienstbar zu
machen bestrebt ist. mit den grundsätaen, welche der heraus«
geber in der einleitung in bezug auf die anordnuog der gedichte
aiibte^t, kann man sich bei der populären tendenz derselben wol
zufrieden geben und auch der text lässt, so viel uns rekhliohe
Stichproben belehrt haben, nichta zu wünschen übrig, die an*
merkungen habe ich mit meinen, im vergleich zu dem Loeper*
sehen citatenschatze allerdings nur ärmlichen und erst seit dem
erscheinen der ersten Hempeischen aufläge gesammelten aufzeich-
nungen verglichen und sie mit wenig ausnahmen überall in Über-
einstimmung gefunden, die art des citierens betreffend ist mir
aufgefallen dass Loeper die aus dem nachlasse der frau von Stein
stammende hs. der Goetheschen gedichte und das tagebuch der
schlesiscben reise wol citiert, den leser aber nirgends auf den
ort verweist, an welchem er sich über dieselben orientieren kann :
dh. auf den 6 band des Archivs für lilteraturgeschichte und den
2 band des Goethe -Jahrbuches, auch bei der Herderschen ab-
Schrift werden abwechselnd die Suphanschen aufaätze im 7 bände
der Zeitschrift für deidscbe phitologie und im 2 bände des Goethe«'
Jahrbuches citiert und auch wider nicht citiert. da nun für den
leser der hinweis auf zugängliche drucke in der regel weit wich-
tiger, als der auf schwer zugängliche hss. ist, so meine ich hätten
die hslichen Sammlungen mit angäbe der orte, wo man sieh über
dieselben orientieren kann , ebenso wie die gedruckten ausgaben,
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400 60STHBS GEDICHTE ED. LOKPEB
den aamerkungen übersichüicb vorausgeschickt werden sollen. —
zu dem Heidenröslein (s. 271) hätte Suphans aufsatz im Archiv
für litteraturgescbichte (v 84 ff), wenn auch in seinem resultate
widerlegt, nicht übergangen werden sollen. — zu den liedern
Die spröde und Die bekehrte (s. 274) verweist ASehroeter Der
entwickelungsgang der deutschen lyrik im 18 jh. s. 51 auf Gel«
lerts Damötas und Phyllis. — zu Mit einem goldenen halskettehea
(s. 303 f) vgl. jetzt Scherer im Goethe* jahrhuche iv 57. — zu
Wonne der wehmut vgl. jetzt Zs. 24, 280. •*- zu JXgers abend-
lied vgl. jetzt Scherer im Goethe -Jahrbuch iv 59. — zum Stif-
tungslied (s. 330 f) vgl. jetzt WvBiedermann Goethes Cour d' amour
und Stiftungslied in der WissenschaftUchen beilage d^ Leipziger
Zeitung 1882 nr 102 vom 21 dec. s. 621—623. ~ zu VaniUs
vanitatum vanitas (s. 339) vgl. Erich Schmidt Goethe -jahrb. ni
323, welcher auf die von Loeper citierte, aber in der hsliehen
Sammlung schwer zugängliche arie hingewiesen hat. — zu Philo-
mde (s. 394) vgl. Herbst Voss a 1, 29. — zu (s. 445) den stdleo,
in denen sich Goethe abfällig über die deutsche spräche äufsert,
vgl. den brief vom 8 September 1780 an die frau von Stein: dann
las i€h zur abwaschung und reinigung einiges grieMseks, doMm gtb'
ieh Ihnen in einer unmelodisekeren und unausdrücken-
deren spräche wenigstens durch meinen mund und feder, auch
Ihr teil (i 266 der neuen ausgäbe).
Es wäre ttberflüssig, der neuen ausgäbe von Goethes werken,
welche mit dem vorliegenden bände eingeleitet wird und über
deren fortgang wir gern näheres erfahren hätten , giftck auf den
weg zu wünschen, dergleichen versteht sich wol von selbst, und
wie der sorgsame herausgeber haben auch die Verleger, welche
die leser der ersten aufläge nicht eben verwohnt hatten, das
ihrige getan, um das unternehmen würdig vor das publicum
zu bringen.
Prag, 8 juli 1883. J. Minor.
Geschichte der gemeinde Horgen nebst Hirzel und Oberrieden, festgabe zur
hunderyährigen kirchweihfeier. von dr Jon. Strickleb, a. staats-
archivar. Horgen 1S82 (Zürich, in comm. bei Orell Füfsli & cc, 1883).
xn und 547 ss. gr. 8^. mit tafeln. — 7,50 m.
Da in dieser Schwmzer dorfgeschichte nur das erste hundert
seiteD dem mittelalter, dagegen beinahe die häifte des ganzen dem
19 jh. gewidmet ist, so darf die deutsche altertumskunde nicht
allzu viel neue aufschlüsse und tatsachen erwarten, gegenober
den uralten pfablbaudörfern von Obermeilen an einer sumpfigen
stelle des linken ufers des Zürcher sees wahrscheinlich im 5 oder
6jh. begründet und wol nach dieser bodenbeschaffettheit (ahd.
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STEICKLEB GB6CB1CBTB DBR GEMBmDB HORCBM 401
Koro kot) benannt, kam das alemannisehe dorf Borgen nach dem
abgang der Zähringer 1218 an die hänser Eschenbacb und später
Haliwyt, bis die in folge des Sempacher krieges erstarkte Stadt
Zürich, welche nach der leitung des durch das Oberland und die
Bündner passe laufenden wtflschen Verkehrs und demgemSlfs nach
der seeherscbafl trachtete, es um 1400 sich unterwarf, seitdem
wurde Borgen trotz manigfacbem widerstreben der seegemeinden
gegen den oft gewalttätigen vorort Zürich mit in die Schicksale
dieser Stadt hineingezogen, bekämpfte früh und, wie es scheint,
ohne erhebUche mühe die geistliche herschaft, die aufserbalb Zu-
richs an beiden seeufern durch kein irgendwie bedeutendes kloster
gestützt wurde, machte den unglückUcben Zürichkrieg gegen die
eidgenosaen mit, die aufrühre und die bündnisse mit auswärtigen
mächten; und folgte ihm in die reformation. in ansprecbender
weise und mit wachsender aasführlicbkeit werden uns diese und
die nachfolgenden zeitläufte von dem Verfasser geschildert, dem
wir nur, insbesondere für die mittelalteriichen Jahrhunderte, die
Verfügung über einen reicheren urkundensehatz gewünscht hätten,
dennoch gewinnen wir manche dankenswerte einblicke sowol in
die Politik wie in das culturleben auch der älteren zeit, im
15 jh. sehen wir den von der obrigkeit begünstigten ackerbau
im kämpf mit der altbeliebten Viehzucht; der weinbau, anfangs
in kümmerlichen beeten geübt, dehnt sich im 12 jb. am see hin
mächtig aus und verdrängt trotz mäfsigen erzeugnissen den genuss
des bieres, bis im 16 jh. wenigstens in den höheren strichen die
Obstbäume die reben ersetzen und das ausseben der landscbaft
am stärksten verändern, die Waldungen, der sihlwald und der
forst, werden auch hier schmählich mishandelt, eichen und junge
eschen schon früh weggeholt, um bogen, spiefsstangen und reifen
daraus zu fertigen, sodass bereits 1545 holzmangel sich sehr
fühlbar macht und grofser schade für die lebenden und nach-
kommen befürchtet wird, doch galt das gebiet der gemeinde
Borgen seit dem ende des 18 jhs. als das bestbestellte des landes.
mit dem holzmangel und ziemlich frühen rückgang des kornbaus
mag es zusammenhängen dass schon seit dem 17 jh. die schindel-
ünd Strohdächer in abgang kamen, die meisten gewerbe scheinen
fremde, * Schwaben', die insbesondere nach dem pestjahre 1634
der in Deutschland wütende krieg in die Schweiz trieb, nach
Borgen gebracht zu haben; das wichtigste gewerbe, die auf der
altheimischen hanf- und flachsbearbeitung beruhende Spinnerei
und Weberei, hob sich seit dem 17 jh., als einzelne bürger den
Italienern in der baumwollen- und seidenmanufactur die stirn
boten, allmählich zu dem weitruf, den die seidenindustrie von
Borgen, ^klein-Lyon', gegenwärtig besitzt, von Borgen wanderten
aber im 17 jh. auch viele aus, besonders nach den durch den
ffrofsen krieg vorzugsweise verwüsteten ländern, wie Böhmen,
aem Elsass und der Pfalz, hier guten dienst oder leichten guter-
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402 STUrCKLER GfiSCBIGHTK DBR «BlfBIlfDB UOWOn
erwerb hoffend, oder nach Mtthren, wo die widertflufer mehr
Sicherheit für ihren glauben erwarteten, trotzdem worden gerade
in dieser zeit, wo hunderte von Ortem in I^eutschland verscheilea,
am Zfirichsee Wftdensweil, Stäfa, Wald und endlioh 1639 auch
Horgen ra marktflecken erhoben, aus den übrigen mittettangen
mag hervorgehoben werden dass noch 1463 und 1506etfiesifi^(fen
kib auch nach entrichtung der bufse an die sladt den vinvanim
erlaubt wiri, die den toten naek der etat reeht xu rächen haben.
gotteslftsterung wird nodi 1613 mit dem herdkuee, dh. durch
küssen der erde gebttfst. der hexenTerfolgongswabnsinn tauclM
auch hier zu anfang des 15 jhs. auf mit der höchst alterlttm*
liehen Vorstellung vom wolfsritt der hexe, wie er in altnordischea
sagen der zauberfrau und in Wittenweilers Ring der hexe Bachd
zugeschrieben wird (Grimm Myth/ % 880. 3, 306); noch 172S
forscht man gewissen warzen als teufelsroerkmalen am leibe ven
delinquenünnen nach, der name Teil flofst bereits 1663 der
strengen obrigkeit bedenken ein, wenn Untertanen, in ihren rechten
bedroht, an des beiden tat erinnern, von den alten haus« und
ortsfesten erfahren wir nicht viel mehr, als dass man in der fast-
nacht mit böggen und buizen sich vermummte und mär%enfeuer
entzündete, sollte nicht davon mehr zu finden sein?
Freiburg i/B., 28 november 1S82. Elard Hogo Meyer.
Jfidischdeutsche Chrestomathie, zugleich ein beitrag zur künde der hebräi-
schen lilteratur. von dr Max Gbüitbaum. Leipzig, Brockhana, 1SS2.
XII und 587 sa. 8«. — 14 m.»
Grünbaums Jüdischdeutsche Chrestomathie berücksichtigt nicht
die gesammte jüdischdeutsche litteratur, sondern nur den aller-
dings grösten teil derselben, der aus Übersetzungen hebräischer
bücber besteht oder seinen inbalt vorzugsweise hebräischen
bücbern entnommen hat, nicht aber die Übersetzungen und be-
arbeitungen nicblhebraischer bücher und Stoffe.^ aus der jüdisch«
deutschen lilteratur in der angegebenen beschränkung gibt die
Chrestomathie zahlreiche, bald mehr^ bald weniger umfängliche
bruchstücke und auszüge, und zwar sind die texte nicht in jüdisch-
deutscher Schrift, sondern — mit ausnähme der zahlreich vorkom-
[* Tgl. Litt, centralbl. 1882 nr 20.]
* die flbertragnng nicbthebratacher achriften in die jadisehdeotaehe
aprache, eowie die jödiachdentache umgangaapracbe, die jftdischdeotsche lil-
teratur in den slavischen lindern und 'aoderea mehr' hat der verf., wie
er 8. ixf sagt, in einem besonderen buche behandelt, dessen früheres oder
späteres erscheinen von der aufnähme der Chrestomathie abhängen wird,
hoffentlich erscheint es recht bald!
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GRfllfBAUH JÖDISCillMIOTSGBB CHBBSTaMATHIB 403
menden hebiüisehen worte, die bebriteeh gedracki siDd, denea
aber immer oder doch fast immer die deotsche Qbergetzung bei*
gefugt ist -^ in lateinischer Bohrift gedruckt, far den germa«
nisten ist die Chrestomathie Torzugsweise in sprachlicher be->
Ziehung von grqfser bedeutung, indem sie ihm gelegenbeit gibt,
sich lof die bequemste weise von der jodisehdeutseheo spräche
eine nflhere kenntnis zu verschaffen als bisher ohne selbstXndiges
Studium der jadischdeutsehen litleratur möglich war; abgesehen
von dem sprachlichen interesse, auf das ntiier einzug^en ich
andern besser itberlasse, bieten die mitgeteilten teste und aus«
Züge audi inhaltlich viel anziehendes und belehrendes, und ins-
besondere ist ihre lectOre allen denen zu empfehlen, die sich für
märchen und^niblungen, parabeln und fabeln, Sprichwörter und
Wider und deren geschichte nnd-verbreitung interessieren, zu
einer anzahl derartiger texte und auszQge möge es mir gestattet
sein hier einige bemerkungen mitzuteilen, die zum teil be«
merkungen des verf.s der Chrestomathie ergänzen.
8. 184. za der a«s dem Hidrasch Abchir übersetzten sage
von Noah, dem der Satan beim pflanzen des weinstocks hilft, in-
dem er ein schaf, einen lowen und ein schwein Ober dem wein-
at^ck sehlachtet, bemerkt der verf., sie finde sich ähnlich in
Arnolds Arabischer Chrestomathie s. 53 (nach Damiri). es war
aber vor allem zu erinnern dass in anderen rabbinischen quellen,
die JAFabridus Cod. psendepigr. vet. test. 1, 275 anfibrt, der
Satan auch noch einen äffen schlachtet, und es war darauf hin*
zuweisen dass die sage audi unter den Christen weite Verbreitung
gefunden hat. man sehe die nachweise HÖsterleye zu Gesta Ro-
manorum cap. 159, wo Heidelb. jahrb. 1864 (statt 1862) zu lesen
ist, und denei^ ich noch hinzufüge Altd. blstter 1, 412 nr 18
(weinsegen), JScheiUe Die fliegenden bfäKter des xvt und xvn jhs.
s. 135—42 (Ein korzweiKg gedieht von den vier unterschied-
lichen weintrinkern), Job. Martin Usteri Dichtungen, Berlin 1831,
s. 33 (Briamel vom wyo) , GBrunet zu seiner ausgäbe des Violier
des histoires romaines, Paris 1858, s. 371, Victor Hugo Les mi-
serables, livre VI cbap. ix, AWesselofsky in der Russischen revue
13, 188 f.
S. 201 bemerkt der verf., eine mitgeteilte geschichte erinnere
an ^das urteil des Schemjaka' bei Cbamisso und Ihnliche sagen
bei Benfey Pantschatantra 1, 394 f. ich benutze diese gelegenbeit,
um auf einen aufsatz 'o conto do Justo juizo' von FAdolpho Coelho
in seiner Revista d'ethnologia e de glottologia, fasc. ii — iii, Lisboa
1881, s. 108 — 38, hinzuweisen, in welchen der ausgezeichnete
portugiesische gelehrte zahlreiche Versionen des mSrchens mit-
geteilt und in ihrem Verhältnis zu einander untersucht hat. einige
nachtrage wird ein späteres heft der Revista bringen.
S. 215 — 18. Variante der von Geliert in seinem gedieht
Das Schicksal behandelten geschichte. der verf. verweist dazu
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406 «BÖNIAUM JVDiSCHDBUreCBB GBRS»T01UTaiS
KBrugmaa Litauisohe mlircben nr 2 und WWoUnera anmer»
kuDg dazu.
S. 421. erzahluDg von einem vteekOnigisobii aus Portugal
und seiner gemablin, die in folge einer wette ilires gemafals in
den verdacht der untreue gerSt usw. zu Grünbauois vergleichen-
den bemerkungen (s. 424 ff) wäre viel nacbzutragen. vgl. meine
anzeige der dissertation von ARocbs Ober den veilehen-romaD
und die Wanderung der Euriaut-sage im LitteraturMatt für germ.
und rom. philo!. 1883 nr 7.
S. 428. in bezug auf die eigentümliche Verteilung eines
bubne$, die in vielen mSrchen und erzflblungen als zeichen einer
besonderen klugheit oder Weisheit vorkommt» vgl. man .meine mit-
teilungen im Orient und occident 1, 444 ff, zu LGonzenbach aao.
nr 1, in der Germania 21« 18 und in der Rivista dl letteratura
popolare, dirella da GPitr^, FSabatinif vol. i, fasc. hi, Roma 1878,
s. 216, GFinamore, Tradizioni popolari abruzzesi vol. i, Lan*
ciano 1882, nr 7 und 36, und ein nUirchen aus Mentone in der
Romania 11, 415.
S. 430. zu der hier aus dem Haase*buch nur sehr kurz
ausgezogenen version der Creacentia^-sage war vor allem auf AMua-
safias Untersuchungen über diese sage in den Sitzungsberichten
der phil«-hist. classe der kais. academie der Wissenschaften 1865,
dec., zu verweisen, vgl. auch Liebrecht in den Götting. gelehrten
anzeigen 1867 s. 1798, Anecdotes historiques, Inendes et apo-
logues, tir^s du recueil inödit d'^^tienne de Bourbon , dominicain
du iiiisi^cle, publi^s par ALecoy de laMarche, Paris 1877, s. 115
nr 136, und Archiv für litteraturgeschichte 12, 132 f.
S. 431 (vgl. auch s. 447). zu der erzahlnng von dem er-
mordeten Juden und den vOgeln, die den mord verraten, vgl.
meine nachweise in den GOttingischen gelehrten anzeigen 1869
s. 768 (zu nr 33).
S. 446. das hier nur in ganz kurzem auszug gegebene
jüdischdeutscbe mdrcben von den sieben kOnigssOhnen habe ich
vollständig und wörtlich — nach einer von Moritz Steinschneider
gemachten und mir freundlichst zur Verfügung gestellten abschrift
— in dem Jahrbuch für romanische und englische litteratnr 7, 33 ff
mitgeteilt.
S. 449. ein mSrchen von Musüus mit dem titel ^der ge-
spenstige barbier' gibt es nicht, gemeint ist sein mftrchen
'stumme liebe.'
S. 450. die erzahlung des Maase-bucha von dem kOnig,
der seinen falken, als dieser einst einen adler getödtet hatte,
erwürgt, wird in der alten italienischen novellensammiung 11 no-
vellino (nov. 90) vom kaiser Friedrich erzählt. AD'Ancona hat
in seiner abhandlung Le fonti del Novellino in seinen Studj di
critica e storia letteraria, Bologna 1880, s. 338 (vorher in der
Romania 2, 183) nach einer mitteilung von mir auf AMTendlau
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6RÜ^BAUM iÜBISCHBEOTSGHB GHR£SVOMATHI£ 407
Fellmeiere abende, Fraokf. a/M. 1856, verwiesen, wo unter orLv
-« nicht 'p. 25', wie bei D'Ancona verdruckt ist — eine erzählung
'der junge könig und sein falke' sich findet, die Tendlau wahr*
seheinlich auch dem Maase- buche entnommen bat.
S. 450. die erzählung von den elf jüdischen weisen ^ denen
ein christlicher kOnig die wähl lässt , entweder von seinem wein
zu trinken, oder Schweinefleisch zu essen, oder bei fremden frauen
zu schlafen, und die sich zu dem ersten als dem unbedeutend«*
sten entschliefsen, aber trunken werden und nun auch die beiden
anderen Sünden begehen, ist eine Variante der bekannten mittel-
alterlichen geschichte von dem einsiedler, dem der teufel die wähl
zwischen einem rausch, einem ehebruch und einem mord lässt.
vgl. österley zu Paulis Schimpf und ernst nr 243, zu dessen
nachweisen ich noch manches nachtragen könnte.
Weimar. Reinhold Kobler«
Tracht and bewaffnong des römlBchcn beeres wahrend der kaiserseit mit
besooderer berflcksichtigung der rheioischeo denkmale und fund-
stücke, dargestellt in zwölf Ufeln und erläutert von Ludwig Lindek-
scHMir. Braunschweig , druck und verlag von Friedrich Vieweg und
söhn, 1882. 4^ 29 88. «ii taf. — 6 m.*
Wenn in neuerer zeit das Studium der romischen heeresaus-
rüstung eine so realistische basis gewonnen bat, dass man es wagen
durfte, formliche modeile gerüsteter Soldaten der kaiserzeit auf-
zustellen, so verdanken wir diese forderung vornehmlich dem
grofseren eifer und geschick, mit dem denkmale und fundstücke
untersucht und für die forschung verwendet worden sind, viele
Verdienste hat sich in dieser hinsieht herr Lindenschmit in Mainz
erworben , weshalb wir den vorliegenden neuen beitrag desselben
^zur kenntnis der römischen bewaffnung sowie zur kuode unserer
vaterlandischen altertümer' nicht ohne freudige erwartung be-
grüfsten.
Die Schrift ist einerseits bestimmt, dem wünsche nach einer
umfassenden Zusammenstellung des monumentalen materials ent-
gegenzukommen, andererseits als ^Unterrichtsmittel für höhere
leluranstalten' zu dienen, sie zerfällt in zwei teile, der erste gibt,
nachdem mit etwas kargen Worten auf die bewaffnung der könig-
lichen und republikanischen beere hingewiesen ist, einen über-
blick über die einzelnen rüststücke der römischen armee wahrend
der kaiserzeit; es werden heim, panzer, cingulum, schwert und
dolchy pilum und hasta, schild und beinschienen besprochen und
beschrieben teils unter bezugnahme auf schriftstellerische Zeug-
nisse teils auf grund von fundstücken und Soldatendarstellungen
[♦ Tgl. DLZ 1883 nrll (WDittenberger).]
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408 LINDENSCHMIT TBACHT OND BEWArPNONG OBS ROM. HEBRES
auf grabsteinen. die tracht im engerea sione oder kleidung der
militia (tunica, sagum und paeaula« focale und caligae) flndel-
gelegenlliche besprechuog im zweiten teil.
Dieser, mögiichBt unabhttngig vom ersten durdigefohrt, ent»
halt eine besondere erläuterung der xii beigegebenen tafeln, auf
tafel I — Till ist zunächst eine anzahl von grabmonumenten ab-
gebildet , die meisten rheinisehen fundorts , zwei aus Verona (die
beiden Sertorii), eines (centurio) aus Graz, die übrigen tafeln geben
fundstücke: ix und x sehen wir verschiedene belme zusaaunen*
gestellt, XI und xii ein militärisches allerlei, pila, Schwerter, dolche«
Pfeilspitzen, schleuderbleie, helmstücke, panzerreste, eine caliga
und schliefslich noch einige brustbilder von Soldaten aus den
reliefs der Trajanssäule.
Die auswabl der abbildungen , an welcher bei der doppelten
tendenz der schrift viel gelegen war, verdient eine glückliche
genannt zu werden, man erlangt durch dieselben in der tat ein
ziemlich vollständiges bild von dem costüm, den insignien, den
schütz- und angriffswaffen der kaiserlichen beere am Rhein,
rechten liefse sich dagegen mit dem herausgeber über die art
der widergabe der grabmonumente. die originale sind nämlich
nicht getreu, nicht ihrem wUrklichen zustande entsprechend re-
produciert, sondern erscheinen, ganz abgesehen von ergänzungen
und willkürlichen Umrahmungen, im detail vielfach verbessert
und namentlich schärfer ausgeprägt als in würklichkeit der fall
ist. es ist eine editio emendata, die uns geboten wird, dass
eine solche für Unterrichtszwecke gewisse vorteile bringt und
vielleicht den vorzug verdient vor schlichter widergabe des vor-
handenen, soll nicht geläugnet werden; weniger gewinn zieht
jedesfalls die Wissenschaft.
In dem beschreibenden text haben alle dinge von wert ver-
ständige berücksichtigung gefunden, im einzelnen ist mir fol-
gendes aufgefallen, mit welchem recht hr L. den phalerae just
den character eines zauberabwehrenden Schutzmittels vi ndicieren
will , sehe ich nicht ein , selbst wenn er den ganzen ausdruck aus
OJahn (Lauersforter phalerae s. 23) entlehnt haben sollte, ein
IOwenkopf soll zauber abwehren? nein, die feinde soll er
schrecken. — jene 2 ringe mit schlussknOpfen , die in dem bilde
des M. Caelius, analog anderen darstellungen , an schleifen vom
halse auf die brüst hinabhängen, erklärt L. seiner früheren an-
sieht getreu (vgl. Altertümer unserer heidnischen vorzeit zu vi 5fir)
für armillae. der platz, an dem sie getragen werden, hätte nicht
ungeeigneter gewählt werden können, um so mehr als an den
armen räum genug für sie wäre, weit ansprechender ist aus
diesem und anderen gründen (vgl. Ann. d. inst. 1860 s. 177 ff)
die auch von anderen gebilligte erklärung Heins , dass nicht armil-
lae, sondern torques gemeint sind, die an gleicher stelle in
ähnlicher weise aufgehängten ringe in dem bilde des Q. Sertorius
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UI^DEXSCHlirr TRACHT UIHO BEWAFFISOIVG DES EÜH. HEERES 409
(taf. 1 2) bezeichnet ja L., wenn ich ihn recht verstehe Oder um
den hals gelegte torques fehlt hier, dagegen hängen zwei solcher
schmuckringe unterhalb des halses' usw.), selbst als torques. —
bei M. Caelius ist das sagum unerwähnt geblieben. — die dar-
Stellung der mittleren schmuckseheibe in der oberen reihe auf
dem steine des Q. Sertorius (i 6) ist nach anderen abbildungen
eine deutlich erkennbare pelta. *- bei Q. Petelius (iv 2) wird ein
'lederwamms', bei P. Flavoiejus (v 1) eine 4orica' angeführt, beide
stttcke beruhen lediglich auf Vermutung^ zu sehen ist nichts da-
von. — während in den abbildungen Annaius wie Licaius (vi 1
und 2) halbstiefeln tragen , soll nach dem text die fufsbekleidung
des ersteren in halbstiefeln, die des zweiten in Sandalen be-
stehen. — der taillebänder an dem brustbilde des Soldaten von
der cohimna Trajana (xii 5) sind nicht 4, sondern 5.
Das unerfreulichste in diesem teile sind die inschrifteo, deren
zwteck bei der systemlosigkeit, mit der sie gegeben werden, nicht
ersichtlich ist. bald treten sie mit, bald ohne ergänzungen auf,
bald sind die letzteren nicht richtig gesondert, ja in einer und
derselben Inschrift (v 2) wechselt das verfahren, derselbe heraus-
geber, den es nicht verdriefst, Q. zu Quintus, T. zu Titw, F. zo
filius zu vervollständigen , hält es an anderer stelle (zu ii 2) für
Qberflassig die abkarzongen zu ergänzen , in denen die soldatische
laufbabn des dargestellten erwähnt wird, auch an falschen und
ungenauen lesnngen fehlt es nicht (H. Caelius, zeile 1 und 2).
In dem allgemeinen teile beschränkt sich L. auf wesentliches
und anerkanntes , controversen werden mehr angedeutet als zum
anstrag gebracht, dass die crista nur in der schlacht ge-
tragen worden sei (s. 6), beweist die von L. angeführte stelle
(Caesar De bell. gall. ii 21 : temporis tanta fuit eoHguitas hostium-^
fue tarn paratus ad dimicandMin animust ut rnni modo ad insignia
accofnmodanda, sed etiam ad galeas induendas 8cuii9pie tegimenta
detrudenda tempus defnerit) jedesfalls nicht, selbst wenn hier
unter den insignia accommodanda notwendig helmbttsche zu ver-
stehen wären, was keineswegs der fall, so wäre damit ein tragen
derselben auch bei anderen gelegenheiten noch nicht ausge-
schlossen, die centurionen waren nach Vegetius nicht blofs durch
quer gestellte cristae (s. 6) kenntlich , sondern auch dadurch , dass
diese versilbert waren, vgl ii 16 galeas ferreas, sed transversis
et argmtatis cristis, ut celerius agnoscerentur a suis, — wenig
beweiskraft kann der s. 8 gegen die Zusammensetzung der sog.
lorica segmentata aas metallschienen vorgebrachte einwand be-
enspruchen. der umstand, dass unter den am Rhein entdeckten
armaturstücken keine spur einer solchen schiene gefunden worden
sei, ist bedeutungslos, da diese art von lorica auch auf den rhei-
nischen grabsteinen fehlt, dagegen sprechen darstellungen auf
der Trajanssäule untrüglich für metallbeschlag. -* seine be-
scbreibung des pilum läset L. von der bekannten stelle bei Po-
A. F. D. A. IX. 27
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410 LDIDniSClIinT TKIGHT USD BIWAFFI^OIfG DAS ROM.
lybiofl Ti 23 ausgehen, za deren Interpretation reste von speer>
klingen und der grabatein des C. Valerius Crispus benutzt werden,
ich glaube nicht blofs dass es hrn L. zuerst gelungen ist, uns
kiarheit über die gestalt dieser speciflsch römischen wafle za
verschaffen , sondern halte auch seine ebenfalls schon fr Ober ge-
gebene erkiarung der Polybianischen angaben für richtig, ua*
methodischer aber, als dies von hrn L. an der betreffenden stelle
seiner neuen schrift geschehen ist, liefs sich kaum rorgehen.
*nach des Polybios bescbreibung, heilst es, haben schall und
speereisen gleiche länge und zwar jeder Ukl 3 cubiti »t 41/t fab.
das speereisen besteht aus einer schlanken usw.' wird hier Bicht
der ieser zu glauben terfahrt, auch der zweite satz fufse auf
Polybius? gleich darauf aber teilt L. wider mit dass Polybius runde
und vierkantige pila unterscheide und den runden im durchmesser
eine palmbreite «» 3 zoll, den vierkantigen aber eine ebenso grofse
seitenflache gebe, ^dieses mab auf das speereisen oder die ganze
schafUange angewendet, ergibt eine durch ihr gewicht völlig un*
brauchbare . . . waffe/ gut, was kann dann Polybius meinen?
'Polybius gibt aber zwei verschiedene mafse für den unteren teil
des eisens' fllhrt L. mit auffallender kbrheit der beziebung fort
und nennt zunächst ein neues mafs aus Polybius, dann ein zweites,
welches mit dem schon erwähnten zu identiücieren einstweilen
dem gütigen Ieser überlassen bleibt, geradezu wunderlich voll*
ends ist dass der Wortlaut des Polybius nicht in anmerkung wenig-
stens beigesetzt und dadurch ein überblick über die stelle gegeben
wird, doch wozu sich wundern? bei betrachlung des sculum
(s. 15) wird zwar die länge des ^vQBog zu Polybius Zeiten er-
wähnt, keineswegs aber die breite, werden ferner Vermutungen
über die form dieses ^vQBog aufgestellt, und doch stehen sowol
über seine breite als seine gestalt ganz bestimmte angaben bei
dem Schriftsteller selbst.
Das citieren ist. überhaupt nicht L.s starke seile, griechisch
schreibende schriftsteiler werden, obschon es an mehreren stellen
im Interesse des Verständnisses geboten ist, nirgends wi^rtlich
angeführt; dagegen machen ganz unnütze römische angaben
wie umbo scuti pars media est, quaei umbilicue (s. 15) oder ihi-
gina appeUata ab eo, quod in ea tnucro vd gladius baiuhtw
(s. 9) parade. citate wie Caesar ap. Sali. — Dio Cassius ilix
bei bescbreibung der testudo — Anmiianus zxiv von den Parthern
— Liv. xzi — sind an der tagesordnung. den Caesar läast L.
in der nicht näher bezeichneten stelle bei Sallust sagen: arma
aique tela militaria a Samnitibus sumpsimus, während doch
majores nostri subject ist, das freilich einen salz früher siebt.
s. 8 \^ird unter lorica und cingulom auf Varro verwiesen, ein
mal ist die betreffende stelle mit Varro, 1. c. 113 citiert, das
andere mal mit Varro, I. c. v 116, ohne dass vorher sei es Varro
überhaupt sei es Varro De 1. 1. insbesondere irgendwo angeführt
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LINDENSCHMIT TRÄGST UI>iD BEWAFFmJIS'G DES ROM. HEERES 411
worden wXre. drackfehler sind leider über beide teile ausgestreut,
aurser den am Schlüsse verzeichneten wird der leser noch manche
zu berichtigen finden , wie s. 2 anm. 1 Philolog. xzx statt min;
••15 anm. 9 in dem schlecht interpungierten satze aus Li?, ix 40
fastigio equali; s. 16 Apotropeion; s. 16 anm. 4 Lanersforter
phalerae; s. 25 nr 1*, 2', 3* statt 1*, l^ V und nr4 stoUnr4
und 5. nicht vorteilhaft für den gebrauch des buches in lehr*
anstalten ist auch die oft flQchtige diction. s. 4 liest man in
einem satze: 'der clipeus, die ocrea und das xaQdiog>vXa^.'
eine art starrer bewunderung aber hat mir folgendes kunststück
von einem satz eingeflofst (s. 5): 'die wangenbflnder (buccnlae)
bedecken das ohr und werden durch einen am ende des einen
aurgenieteten stift verbunden, welcher durch eine Öffnung eines
dritten , an dem anderen wangenbande in charnieren hangenden,
der form des kinnes entsprechenden metallstückes gesteckt wird.'
Erlangen. A. Flasch.
Praktisches handboeb der bUtorUcheo Chronologie alUr Zeiten und Völker,
eine hiBtorisch-dlplomatisch-cbronologiscbe anweisong, nach welcher
sich alle und jede data und epochen der verschiedenen schriflsteller
und Urkunden aller zelten und ISnder leicht und sicher bestimmen
und nach jeder anderen aere oder kalenderform ausdrflcken lassen,
mit besonderer berdeksicbtigung des mittelalters nach eigenen for-
scbungen und den besten quellen bearbeitet, mit erläuterangen , aus-
führlichen tabellen, berechnungen und diplomatischen hinweisungen
zur prüfung, bestimmung und reduction der daten historischer ereig-
nisse, Urkunden, diplome, Chroniken, schrjftsteller usw. von den
frfthesteD daten der beglaubigten gescbiehte an, von dr Eduard
Brinckneier. 2 vollständig umgearbeitete und vermehrte aufläge.
Berlin, Gustav Hempel, 18S2. xxiv und 504 ss. 8^ — 12 m.
Der volle zwei Seiten umfassende titel, zu dem noch zehn
enggedruckte Zeilen mit sflmmtlichen titulaturen des herrn verf.s
kommen, erspart uns in dankenswerterweise eine characteristik
des Werkes, es will ^das eigentliche Studium der Chronologie für
alle, die sich mit gescbiehte beschäftigen oder liebbaber derselben
sind, aberflOssig oder doch erlasslich machen' (s. vi), und gibt
sich der boffnung hin, dass es ^dem quellen- und Urkunden-
Studium den grösten teil seiner Schwierigkeiten nehmen wird'
(s. XVI). ZU alle dem aber hat die neubearbeitung ^immerhin eine
zeit von 7 — 8 monaten in anspruch genommen' (s. xvi).
Ober die notwendigkeit eines kurzen Übersichtlichen
Werkes dieser art ist kein wort zu verlieren, der beste beweis
dafür ist dass die im buchhandel vergriffene 1 aufläge dieses
buches ^antiquarisch unverbaltnismafsig hoch bezahlt' wird (s. xv).
wir glauben aber dass die aufgäbe, ein solches herzustellen, ebenso
schwierig sein und ebenso viel zeit in anspruch nehmen dürfte
wie die ausarbeitung eines der grofsen chronologischen werke,
27 ♦
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412 BRIiXCKHEICR HANDBUCH DEB GHBONOLOGIB
die anzuschaffen nicht jeder in der läge ist dass aber ein der«
artiges kurzes handbuch für den ersten nnmillelbaren bausbedarf
je ein grOfseres werk überflüssig machen könne, daran ist doch
im ernste nicht zu denken, indem wir hiermit die in der tal
grofsen Schwierigkeiten einer arbeit wie der vorliegenden bereit*
willig anerkennen, müssen wir gleichwol sagen dass dieselbe
ihrer aufgäbe nicht gerecht geworden ist nichts desto weniger
ist sie für jetzt nicht leicht entbehrlich, und erfüllt also immer-
hin ihren zweck, sie würde ihn aber ▼ollstSndig erfüllen, wenn
sie die notwendigkeit einer vollkommenen arbeit recht zum be-
wustsein brächte und bald den anstofs zn einer solchen gäbe.
Der hauptfehler des werkes ist der, dass sieh der verf. die
Sache gar zu leicht gemacht hat es ist das meiste so flüchtig, so
halb gearbeitet, dass es einen bald Terdriefet, strenge prüfend
den angaben nachzugehen, eigene forschungen liegen wol nur
dem abschnitte über die deutschen kOnige, vielleicht auch über
die französischen zu gründe, dieser ist denn auch für die zwecke
dieses buches viel zu breit, und enthalt vieles hier unnötige,
durch kürzung desselben lierse sich viel räum für notwendigeres
gewinnen, und dass dessen sehr viel fehlt, werden wir unten
zeigen, hier zunächst von der genauigkeit, die einem werke
dieser art unerlässlich ist. ganz entschieden ist das vorliegende
nach einer französischen quelle gearbeitet, und das ohne alle
prüfung der vorläge, vielleicht noch mit Vermehrung ihrer fehler,
schon dass s. 458 im Verzeichnis der concilien drei ^allgemeine
concilien von Frankreich' aufgeführt sind, kennzeichnet den ur»
Sprung der liste, s. 435 wird als zweck zweier concilien an-
gegeben 'bestätigung der tr^ve de Dieu.' ganz besonders unan-
genehm ist dies in dem Verzeichnis der päpste. wir führen einige
beispiele an. s. 367 ff lesen wir: Victor m (Didier, aus der
famitie des herzogs Ton Capua). warum nicht der allgemein
übliche name Desiderius, da er nicht einmal Franzose war?
übrigens war sein vater Landutf v von Benevent Calixtus ii
heifst Guy erzbischof von Wien, mag das Guy statt Guido oder
Wido hingehen , was einem Burgunder jedesfalls besser zusteht
aber dafür hätte diesmal nicht das deutsche Wien statt des franzö-
sischen Vi enne stehen sollen, man sieht schon hieraus, wie
unzuverlässig diese notizen sind, so heifst es: ^Lucius in Abald*
statt Humbald oder Hubald Allucingolo, Honorius in ('Crescio
Savelli') st. Cencius, Innozenz iv (^Sinaldo deFiesco') st Sini-
bald Fieschi, Urban iv ^Panteleon' st. Pantaleon, Gregor x Thibaut
(Theobald), Cölestin v 'Pierre de Mouron' (Peter von Murrone),
Johann xxii ('Jakob von Ense') st Ossa, Pius v ('Ghibleri') st
Ghislieri; Sixtus v ('Felix Peritti') st Peretti, Gregor xfv ('Nie.
Sfondrata*) st Sfondrato, Gregor xv ('Alex. Ludovico') st Lu-
dovisi, Innozenz X ('Pamphila') stPamfili, Klemensxi ('Albano')
st Albani, Leo xn ('Cenga') st della Genga.
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BftlNCKMElBII HAMDBDGH DBR GRROIfOLOGIB 413
Einer noch viel undogeDebmeren nngenauigkeit begegDen wir
s. 166 ff in der so wichtigen tabelle über die im deutschen mittel-
alier üblichen benennungen der kirchenfeste, heiligentage usw.
wie wichtig ein solches Verzeichnis ist, wenn es anders Zuver-
lässigkeit bietet, begreift jedermann, so zeiht zb. Schröder in
seiner ausgäbe der Nonne von Engeltal die nonne eines Irrtums
(s. 64), weil es ^einen tag Johannis evangelistae nach ostern' nicht
gibt, wie sie doch zweimal sagt (27, 10. 28, 6). er meint, das
müsse Johann der taufer sein, und doch hat die nonne ganz
recht, es ist das fest ^Johannes ante portam latinam' (6 mai) ge*
meinte das erinuerungsfest an das martyrium des evangelisten in
Rom. aber wer will sich in vorliegendem werke mit Sicherheit
auf eine angäbe stutzen ? es ist eine kleinigkeit, aber doch schon
verdriefslich, dass sich in dieses Verzeichnis der kirchenfeste
namen verirren wie * Breziab — Breslau , Covelencze — Koblenz,
fronaltar — hauptaltar, Guthinberg — Guttenberg, Kuttenberg' usf.
dann ist alles so ungleich gearbeitet, s. 155 stehen ganz richtig zwei
feste des heil. Ambrosius, s. 169 nur eines, noch dazu das seltener
gefeierte, dasselbe gilt s. 212 von Petri stuhltag, vgl. s. 161.
s. 169 und 220 ist das 'allelujaniederiegen' auf den sonntag septua-
gesima verlegt ^ es ist aber eigentlich der vorausgehende samstag.
antlafswoche ist allerdings die *woche vor ostern', aber auch die
fronleichnamswocbe. die *aren' s. 170 ist natürlich nicht Mer
monat august', sondern die erntezeit, wie aus dem datum Me-
mtages vor sand Jacobs tage in der aren, also vor dem 25 juli,
von selbst klar ist. s. 173 hatte notwendig die form berhtag,
hrebentac für dreikOnigsfest (vgl. 212) angeführt werden sollen,
bei 'dreifsigste' ist zu bemerken dass das sehr oft kein datum
ist, sondern den gottesdienst bezeichnet, der fQr einen verstor-
benen (am tage des begrabnisses, am siebenten und) am dreifsig-
fiten tage nach dem begräbnis gehalten wurde, auch war
hier und bei den ^frauenfesten' der 'frauendreifsigst' zu
erwähnen, dh. die zeit zwischen dem ^grofsen und dem
kleinen frauentage', 15 august und 8 septemher (oder ur-
sprünglich wol dem octavtage davon, dem 15 September), s. 184
ist dominica de rosa, rosata ganz richtig der 4 fastensonntag
latare, so benannt von der weihe der 'goldenen rose.' bei engel-
weihe ist zu beachten dass, wenn es sich um angaben aus Ein-
siedeln handelt, dort sicher der 14 September, das kirchweihfest^
gemeint ist. dagegen sind angaben wie s. 214 'prediger kirch-
weichtag' für ein solches Verzeichnis absolut unnötig, ja schäd-
lich, in Wien, wovon an fraglicher stelle die rede ist, war eben
die predigerkirche am 'sonntag miserioordia' eingeweiht, an jedem
anderen orte fiel natürlich kirchweihe der prediger-, barfüfser-,
benedictioerkirchen auf andere tage, solche angaben könnten
schön irre führen, wenn man ihnen allgemeine Bedeutung bei-
legen wollte, unter krauter- oder krautweihe wird wol noeist
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414 BBIXCKMEIER HANDBUCH DER GHIIO!«OLOGIt
Maria himmelfahrt geroeint sein, doch wir mttaßeo gesteben dass
UD8 der iDut entfällt, hier weiter zu gehen, wir drObken nur
unser bedauern aus dass so bnufig vorkommende und populäre
Worte wie die 40 ritter, die gestrengen ritter, eismanner , rai>-
nUchte, mirtag udgl. ganz fehlen.
In dem eben berührten abschnitte rXcht es sieh ganz be-
sonders dass der verf. die litteratur, zumal die neuere, so gar
nicht berücksichtigt hat. hätte er doch nur eines der werke
über das kirchenjahr, wie zb. Weidenbach, oder auch nur den
anhang zu Ottos Kunstarchäologie des deutschen mittelalters zo
rate gehalten, so wäre die übersieht über das kirchenjahr s. 228 ff
nicht so vollständig unbenutzbar ausgefallen wie sie nun ist. da
sind von 6 sonntagen nach epiplianie nur Sangegeben, somitag
quinquagesima und 5 fastensonntage fehlen ganz, ebenso 6 Sonn-
tage nach ostern. hinterher werden dann einzelne wider id
buntem durcheinander nachgeholt, andere widerholt, soll das Ter-
zeichnis aber practischen zwecken dienen, so mnss es vollständig
und genau sein und dabei doppelt gegeben w^den, alpha-
betisch und chronologisch, auch philologische werke sind
nicht benutzt so sagt der verf. dass das 'häufig in England ge-
brauchte wort nndern', das ^keine kanonische stunde' ist, wahr-
scheinlich in keinem Wörterbuch zu finden sei (s. 231). es findet
sich aber sowol bei Lexer als bei Schmeller und in jedem engl, lexi-
con. *kanon. stunde' bedeutet es freilich keine, ist aber aech nicht
die 'tertia, also 9 uhr morgens.' sondern es bedeutet: etwas 'unter
der zeit nehmen', also einen imbis vormittags oder nachmittags
zu sich nehmen, das frz. dejeuner und goüter, das dsterr. jausen.
Ebenso schlimm steht es mit der litteratur bei den concilien.
nicht einmal Hefele ist hier citiert oder, wie man sich leicht
überzeugt, benutzt, warum mit dem concil von Trient auf m-
mal die liste abgebrochen wird, ist schwer zu begreifen, für
die jüdische Zeitrechnung ist ausnahmsweise ein werk citiert, das
1817 erschienene 'des herrn Bendavid', die neueren arbeiten von
I^vysohn und von Schwarz sind übergangen, sicher wäre in
diesem werke die Gaufssche methode, &s jüdische Osterfest un-
abhängig von aller kenntnis des jüdischen kalenders zu berechnen
(Gaufs Ges. werke vi 80 0 s«hr am platze gewesen, ganz un-
verzeihlich ist dass die Fasti consulares nach dem alten Alme-
loveen (1705) abgedruckt sind, 'dessen freilieh nicht gar grofse
Irrtümer zu heben stand nicht in meiner macht,' sagt der verf.
(s. 380). wie so? die neuen entdeckungen, die ausgaben und
bericktigungen von Laurent, Baiter, Henzen sind denn doch nicht
so unzugänglich 1 lieber also gar kein Verzeichnis als ein längst
unbrauchbar gewordenes nochmals abdrucken, zudem hat sich
der verf. bemüht, aus eigenem diesem Verzeichnis den mOglidist
hohen grad von unbrauchbarkeit zu verleihen , indem er bei den
consuln, die öfter das consulat bekleideten, sogar die bezeich-
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BRIISCKHEIER HAZ1DBUGU DER CflRONOLOGiE 415
nung 1. 2. 3 wegliefs. bei niänoera aber, die so oft consuln
waren wie Marius, Cäsar, Octavian ua., hOrt hiermit jede be*
oütibarkeit der liste auf. — überdies lesen wir hier wider namen
wie Popticola st. Poplicola , Henninius st. Herminius, Vetusius
st. Veturius, Alfinius st. Alfenius, Vinuc. st. Vinicius. tlber-
haupt sind die meisten namen so gekürzt, dass nur kenner sie
fehlerlos lesen können.
Merkwürdiger weise fehlt ein Verzeichnis der römischen kaiser
vollständig, desgleichen der griechischen kaiser. diese zwei
tabellen sind nun aber gewis in einem solchen werke unerläss-
lieh, ebenso, wie uns scheint, die Verzeichnisse der cbalifen,
der Sultane, und wenigstens der spanischen und Ägyptischen dy-
oastien , der könige von Jerusalem , der grofsmeister der grofsen
ritterorden und wol auch der generale der geistlichen orden, die im
ma. so oft erwähnt werden, ganz gewis vermisst auch die mehr-
zahl die listen der spanischen, portugiesischen, burgundischen,
proven^liscben , sicilianischen , schwedischen, dänischen, russi-
schen fürsten. wer soll sich ohne solche hilfsmittel in dem ge-
wirre der italienischen despoten zurecht finden? wir haben hier
noch viele fehlanzcigen auf dem herzen, doch lassen wir die
ausrede gelten ^ dass Verzeichnisse geringerer dynastien in ein
kurzes bandbuch nicht so notwendig gehören.
Aus alter zeit aber gehören hierher entschieden die Verzeich-
nisse der Sassaniden und Achämeniden , der Seleudden und Pto-
lemäer, der macedonischen forsten, der jüdischen könige und
faohenpriester. ob auch Verzeichnisse der ephoren und arcbonten,
der ägyptischen, assyrischen und babylonischen könige hier am
platze sind^ darüber wollen wir kein entscheidendes urteil abgeben,
sicher aber muste die olympiadenrechnung genauer behandelt
werden als es hier geschah.
Für ein solches werk ist es eine hauptaufgabe, die oster-
berech nung der Christen, von der die Chronologie des mittelalters
80 ganz bestimmt ist, möglichst zu erleichtern, dass dieselbe
nach der alten methode ziemlich verwickelt ist, weifs jeder, man
hat sich deshalb stets mühe gegeben, einen einfacheren weg zu
finden, der nicht von der berechnung des sonntagsbuchstaben, der
goUenen zahl usf. abhängt, der verf. teilt denn auch (s. 130 0
einen solchen mit, von dem übrigens er selbst sagt dass er so
compliciert ist, dass man sich jedesfalls lieber der tabellen be-
dienen wird, sonderbarer weise hat er aber auch hier die so
einfache Gaufssche methode (Gaufs Ges. werke vi 73 ff. 82 ff)
übergangen, um ihrer grofsen brauchbarkeit willen glauben wir
vielen einen dienst zu erweisen , und wäre es auch nur zu dem
zwecke, um die ostertabellen dieses Werkes jedes mal auf ihre
Zuverlässigkeit zu prüfen, eine gewis nicht unnötige vorsieht, wenn
wir sie hier folgen lassen, da sie noch immer zu wenig gebraucht
oder auch gekannt ist. sie lautet:
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416 BRLICKMEIEB HANDBUCH DfiR CHRONOLOGIE
Wenn die fragliche Jahreszahl mit n bezeichnet wird, so
erhält man
1) a als rest (denn nur der rest ^ommt in rechnang, auch
wenn er blofs 0 ist) aus der division von n durch 19;
2) b als rest aus der division von n durch 4;
3) C „ ., n yy n 99 Ö n * 9
4) d „ „ „ „ „ „ 19a + M durch 30;
5) e „ „ „ „ „ „ 2b+4c+6d+Ndurchz.
Dann ist der ostertag a» 22 mflrz + d + e
(oder auch «« d + e — 9 april).
M und N sind aber im Julianischen kalender stets uu*
veränderlich, M»b15, N — 6,
Im Gregorianischen kalender aber wechselt der wen
beider buchstaben. hier ist
von der einführung bis 1699 M — 22, iN»2. .
„ 1700—1799 M — 23, N=«3.
„ 1800—1899 M = 2», N«»4.
„ 1900—1999 M — 24, N — 5.
„ 2000—2099 M — 24, N — 5, usf.
Nur sind im Gregorian. kaleader zwei ausnahmen:
1) wenn dio recbnuog den 26 april gibt (was geschieht, wenn
d »» 29, e — 6 ist, so im jähre 1609, 1981), so wird daftlr
allemal der 19aprii, der vorausgehende sonntag genommen ;
2) wenn d«»28, e~6, und zugleich 11 M+U mit 30
dividiert einen rest gibt, der kleiner als 19 ist (zum ersten
male 1954), so wird statt des treffenden 25 april der
18 april genommen.
Graz, 6 Juli 1883. P. Fr. Albert Mabu Wkiss 0. P.
Zu s. 312 habe ich berichtigend nachzutragen dass professor
Erich Schmidt, wie er mir mitteilt, hm vBahder den inogra-
pfaischen nachlass JMWagners zum kauf angeboten hat. mein
Irrtum erklärt sich hinlänglich daraus, dass hr vBahder von *dem
gelehrten, dem der nachlass anvertraut war' redete (wobei an
Strobl gedacht werden muste, der auch seinerseits die notiz auf
sich bezog), während Schmidt nur mit der schliefelichen ver*
Wertung der geringen reste, welche in den bänden der witwe
¥ert>liebKBn waren, zu tun hatte. 6. 7. 83. St.
Prof. OBehaghel ist an die Universität Basel berufen, nach-
dem dr MRoediger abgelehnt halte; desgl. prof. ESievers an
die Universität Tübingen, die drr MRoediger, PhStrauch, FVogt,
RMWerner sind zu ao. proff. in Berlin, Tübingen, Greifswald,
Lemberg ernannt, habilitiert haben sich dr OErdmann in Königs-
berg, dr RKogel in Leipzig, dr EScbrOder in Göttingen, dr JStoscb
in Marburg.
Druck TOD J. ß. Hirse h fei d In Letpsig.
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