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Full text of "Zeitschrift für ägyptische Sprache und Altertumskunde"

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ZEITSCHRIFT 


FÜR 


ÄGYPTISCHE  SPRACHE 


UND 


ALTERTUMSKUNDE 


VEIT  UNTERSTÜTZUNG  DER  DEUTSCHEN  MORGENLÄNDISCHEN  GESELLSCHAFT 


HERAUSGEGEBEN  VON 


A.  ERMAN  und  G.  STEINDORFF 


EINUND VIERZIGSTER  BAND 


MIT  55  ABBILDUNGEN  UND  1  TAFEL 


LEIPZIG 
J.  C.  HINRICHS'sche  BUCHHANDLUNG 

1904 


Inhalt  des  4L  Bandes. 


Seite 
BUsing,  Fr.  W.  v.    Ausradierungen  im  Tempel  Amenophis' III.  zu  El  Kab  (mit  1  Abbildung)      ....     126 

—  Ein  Skarabäus  mit  dem  Namen 


m£^j§Tj   (mit  4  Abbildungen) 70 

Borchardt,  L.    Sind  die  Neumondsdaten  der  IUahunpapyri  chronologisch  zu  verwerten? 34 

Brix,  W.    Bemerkungen  zu  dem  vorstehenden  Aufsatz 36 

—  Über  das   im  zweiten  Papyrusfund   von  Kahun   enthaltene   Sothisdatum   des   mittleren  Reiches   der 
ägyptischen  Geschichte 26 

Gardiner,  A.  H.    An  use  of  the  later  absolute  pronoun 135 

—  The  reading  of  j  f\    ^^ 73 

/WWVA     jr) 

—  The  word    ^^  \  Qh 13° 

Leipoldt,  J.  und  Violet,  B.    Ein  saidisches  Bruchstück  des  vierten  Esrabuches 137 

Madsen,  H.    Aus  dem  Holienpriestergrabe  zu  Memphis  (mit  1  Tafel) 110 

—  Zwei  Inschriften  in  Kopenhagen  (mit  1  Abbildung) 114 

Meyer,  Ed.    Die  Entwicklung   der  Kulte   von  Abydos  und   die   sogenannten  Schakalsgötter   (mit  4  Ab- 
bildungen)   97 

Oefele,  F.  v.    Astrologisches  in  der  altägyptischen  Medizin 117 

Rubensokn ,  0.  und  Knatz,  F.    Bericht  über  die  Ausgrabungen  bei  Abusir  el  Mäläq  im  Jahre  1903  (mit 

17  Abbildungen) 1 

Sehack-Schackenburg,  H.    Nr.  60  des  Mathematischen  Handbuchs 77 


-  J^tfT^^^Vfr   " 


Schäfer,  H.    Ägyptische  Worte  bei  Diodor 140 

—  Darstellung  einer  Beisetzung  im  alten  Reich  (mit  4  Abbildungen) 65 

—  Das  Osirisgrab  von  Abydos  und  der  Baum  phr  (mit  1  Abbildung) 107 

—  Der  Speer  des  Horus  als  Rückenbrett  von  Mumien  und  als  Amulett  (mit  8  Abbildungen)  ....  68 

—  Zauberpapyrus  Harris  VIII,  9 — IX,  14  und  Plutarchs  Erzählung  vom  Tode  des  Osiris      ....  81 

—  Zur  Geschichte  des  Uräus  am  Kopfschmucke  des  Königs  (mit  2  Abbildungen) 62 

Schweinfurth ,  G.    Ein  neuentdeckter  Tempel  in  Theben  (mit  9  Abbildungen) 22 

Sethe,  K.    Der  Name  Sesostris 43 

—  Koptische  Etymologien  II 142 

—  Schoinos  und  Dodekaschoinos 58 

—  Zur  zeitlichen  Festlegung  der  zwölften  Dynastie  und  zur  Benutzung  ägyptischer  Sothisdaten  überhaupt  38 
Miscellen: 

Bissing,  Fr.  W.  v.    Die  älteste  Darstellung  des  Königs  im   »Kriegshelm« 87 

—  Zu  Ägypt.  Zeitschr.  41,  85  ff. 145 

—  Zu  den  Kahunpapyri     . 147 

—  Zur  Lesung  von  JqTqT  ® 147 

—  Zu  Papyrus  Westcar  XI,  8 90 

Borchardt,  L.    Zwei  Kasteneinsätze 86 

—  Zwei  Sockel  (mit  2  Abbildungen) 85 

Calice,  F.  v.    Das  Zeichen  y^ggy 89 

—  Zu  Sethes  Verbuni  I,  §  357 90 


IV 

Miscellen : 

Capart,  «7.    Sur  le  pretre  'In-mwtf 88 

Flmders  Petrie,  W.  M.    Guiob  and  Dendereh 93 

Golenischeff,  W.    Die  Landschaft  v  ^    ^~  *■»  aww\         @ 92 

Je'quier,  G.    Supports  de  statues  royales  (mit  1  Abbildung) 145 

Leipoldt,  J.    Zu  Ägypt.  Zeitschr.  40,  135 148 

Meyer,  Ed.    Zu  dem  Nildatum  Sabatakas  (ÄZ.  40,  124  f.) 93 

Otto,  W.    Ägyptische  Flüssigkeitsmaße 91 

Schuck - Schackenburg ,  H.    Prisse  2,  6 90 

Schäfer,  H.    Der  Name  Takompso 147 

—  Die  Spitze  der  Pyramide  König  Amenemhets  III.  (mit  1  Abbildung) 84 

—  Zur  Geschichte  der  Königstitulatur 87 

Sethe,  K.    Die  endgültige  Lesung  für  den  Namen  der  Überschwemmungsjahreszeit 89 

Weil,  A.    ()  %  ff)  (1  $\  =  toXfc 148 


M 


Wreszinski,  W.    Sesonchis  II 146 

Erschienene  Schriften 94.  149 


Rubensohn  u.  Kxatz:  Ausgrabungen  bei  Abusir  el  Mäläq  (1903).     [41.  Band.   1904.]  1 


Bericht  über  die  Ausgrabungen  bei  Abusir  el  Mäläq  im  Jahre  1903. 

Von  0.  Rubensohn  und  F.  Knatz. 


Mit  17  Abbildungen. 


VJebel  Abusir  ist  der  Xame  des  niedrigen  Wüstenhügels,  der  in  einer  Längen- 
ausdehnung von  über  14  km  und  in  einer  durchschnittlichen  Breite  von  3 — 4  km 
dem  Eingang  in  das  Fajum  vorgelagert  ist.  Den  Namen  trägt  er  nach  dem  an 
seinem  Nordostende  gelegenen  Dorf  Abusir  el  Mäläq,  einer  Ortschaft  von  2000 
bis  3000  Einwohnern,  deren  Häuser  sich  malerisch  auf  und  an  einem  antiken 
Kom  hinziehen.  Weitere  antike  Korns  erheben  sich  am  Westabhang  des  Hügel- 
rückens, da  wo  man  unweit  des  Dorfes  El  Hamam  auf  der  Straße  von  Abusir 
nach  Illahun  in  das  Tal  des  Bahr  Jussuf  hinabsteigt,  und  etwa  8  km  südlich 
dieses  Dorfes,  unweit  der  Ortschaft  El  Haraga.  Die  Namen  der  im  Altertum 
an  der  Stätte  dieser  beiden  Korns  anzusetzenden  Orte  sind  unbekannt.  Daß 
Abusir  el  Mäläq  die  Stätte  einer  antiken  Ortschaft  einnimmt,  in  der  der  Osiris- 
dienst  eine  besondere  Rolle  gespielt  hat,  ist  eine  Annahme,  die  durch  den 
Namen  der  modernen  Ortschaft  nahegelegt  wird.  Eine  Bestätigung  derselben 
ergab  sich  aus  einer  großen  Anzahl  Aufschriften  auf  Särgen,  in  denen,  wie 
W.  Spiegelberg,  der  uns  in  der  Ausgrabung  eine  Zeitlang  unterstützte,  zuerst 
sah,  Osiris  als  Herr  des  nördlichen  Abydos  (^37?  J^^^Sjf 2)  angeredet  wird; 
wahrscheinlich  hieß  also  die  Stadt   »Abydos  des  Nordens«. 

Systematische  Ausgrabungen  sind  bisher  hier  nicht  veranstaltet  worden- 
Petrie  hat  in  seinem  »Illahun,  Kahun  and  Gurob«  1889/90  auf  Tafel  28  mehrere 
Sarkophage  aus  Abusir  veröffentlicht,  im  Text  geschieht  dieser  Sarkophage  aber 
keine  Erwähnung.  Eine  Art  Raubgrabung  soll  im  Jahre  1893  stattgefunden  haben; 
die  Funde  aus  dieser  Grabung  sind  in  den  Handel  gekommen,  über  ihren  Verbleib 
und  die  Resultate  jener  Grabung  im  übrigen  ist  aber  Näheres  nicht  bekannt  ge- 
worden. Das  Berliner  Museum  hat  nach  einer  Versuchsgrabung  im  Jahre  1902  im 
Februar  und  März  dieses  Jahres  hier  eine  Grabung  zur  Gewinnung  von  Papyrus- 
kartonnagen vornehmen  lassen,  deren  Leitung  in  den  Händen  der  Verfasser  lag. 
Bei  der  Verfolgung  unserer  Aufgabe  haben  wir  in  größerem  Umfange  Gräber 
aufgedeckt,  die  durchaus  dem  ägyptischen  Kulturkreis  angehören;  über  diese 
soll  hier  kurz  berichtet  werden,  von  den  Funden  an  Papyrus  wird  an  anderer 
Stelle  die  Rede  sein. 

Zeitschr.  f.  Ägypt.  Spr.,  41.  Band.     1904.  1 


Rubensohn  u.  Knatz:  Ausgrabungen  bei  Abusir  el  Mäläq  (1903). 


[4L  Band 


Der  untersuchte  Teil  des  Gräberfeldes  liegt  etwa  900  m  westlich  vom  Dorfe 
Abusir  auf  der  nördlichsten  Erhebung  des  Hügelrückens.  Der  Punkt  besitzt 
eine  beherrschende  Lage  und  erlaubt  eine  weite  Fernsicht  über  das  Niltal  nach 
Norden.  Süden  und  Osten  hin;  im  Westen  schließen  die  das  Fajum  vom  Niltal 
trennenden  Erhebungen  der  Libyschen  Wüste  den  Blick  ab.  Zwischen  diesen 
bergigen  Höhen,  genau  über  der  Durchbruchstelle  des  Bahr  Jussuf,  zeichnete 
sich  im  Westen  allabendlich  die  Pyramide  von  Illahun  scharf  im  Lichte  der  unter- 
gehenden Sonne  ab,  während  nördlich  des  Ausgrabungsfeldes  die  Spitze  der  etwa 
17  km  entfernten  Pyramide  von  Meidum  jederzeit  einen  bequemen  Orientierungs- 
punkt darbot. 

Das  Gestein  des  Wüstenhügels  ist  stark  tonhaltig  und  infolgedessen  sehr 
leicht  "  zu  bearbeiten.  Die  Anlage  von  tiefen  Schächten  und  Grabkammern  war 
daher  auch  bei  einem  geringen  Aufwand  von  Arbeitskräften  möglich.  Der  starke 
Feuchtigkeitsgehalt  des  Tons  bildet  aber  für  die  in  diesen  Grabkammern  bei- 
gesetzten Särge  mit  Inhalt  eine  große  Gefahr  und  hat  in  einer  großen  An- 
zahl von  Fällen  deren  völlige  Vernichtung  herbei- 
geführt. 

Der  erste  Typus  der  von  uns  aufgedeckten 
Schachtgräber  umfaßt  diejenigen,  welche  sich  durch 
besondere  Tiefe  von  den  übrigen  unterscheiden. 
Die  Schächte,  die  zu  diesen  Gräbern  hinabführen, 
sind  geräumig,  bis  zu  1.50  m  und  1,70  m  im 
Geviert,  ihre  Wandungen  sind  bei  der  Mehrzahl 
mit  Steinquadern  verkleidet,  die  in  unmittelbar 
neben  dem  Friedhof  gelegenen  Steinbrüchen  ge- 
brochen worden  sind;  bei  einer  Minderzahl  hatte 
man  sich  mit  einfacher  Glättung  der  Felswände 
begnügt.  Überall  finden  sich  sorgfältig  gearbeitete 
Einsteigelöcher;  in  zwei  Schächten  waren  in  ge- 
wissen Abständen  Steinpflaster  aus  zum  Teil  sehr 
mächtigen  Kalksteinquadern  gelegt  zur  Verhinderung  von  räuberischen  Einbrüchen 
in  die  Gräber.  In  dem  einen  Falle  fanden  wir  vier  solche  Steinpflaster  über- 
einander in  einem  Abstand  von  etwa   1  m  voneinander. 

An  der  Sohle  dieser  Schächte  öffnen  sich  in  der  Regel  an  zwei  Seiten  — 
meistens  an  der  Nord-  und  Südseite  —  die  Eingänge  zu  den  Grabkammern. 
Alle  Gräber  dieser  Periode,  die  wir  aufgedeckt  haben,  waren  —  zum  Teil  ge- 
wiß schon  im  Altertum  —  ausgeraubt.  Die  antiken  Grabesräuber  sind  wahr- 
scheinlich bei  der  Anlage  der  späteren  Gräber  in  die  alten  Grabanlagen  einge- 
drungen. Von  dem  ersten  Schacht  dieser  Art,  den  wir  untersuchten,  gelangten 
wir  in  eine  ganze  Flucht  von  Kammern,  die  zum  Teil  in  zwei  Stockwerken 
übereinander  angelegt  waren;  wir  haben  mehr  als  30  Einzelräume  gezählt.  Die 
Kammern    waren    notdürftig    aus   dem  in   dieser  Tiefe  schon  sehr  festen  Felsen 


Abb.  1. 


1904.]  Rlbensohn  u.  Knatz:  Ausgrabungen  bei  Abusir  el  Mäläq  (1903).  3 

herausgehauen,  die  Wände  nur  oberflächlich  geglättet,  die  Höhe  so  gering,  daß 
wir  nicht  immer  aufrecht  in  denselben  stehen  konnten.  Bei  der  Untersuchung 
ergab  sich,  daß  die  ausgedehnte  Kammernflucht  ursprünglich  nicht  zusammen- 
hängend gewesen  ist.  Die  Räuber  sind  in  einige  dieser  Gräber  von  oben  her- 
unter eingedrungen  und  haben  sich  dann  den  Weg  zu  den  benachbarten  Gräbern 
durch  Durchschlagen  der  Wände  gebahnt.  Die  zu  den  letzten  Gräbern  führenden 
Schächte  fanden  wir  unberührt.  Außer  Knochen  und  Fragmenten  von  zerbroche- 
nen Holzsärgen  und  Tongefäßen  bargen  diese  Kammern  nichts.  Für  die  Datierung 
dieser  Grabanlagen  fehlt  daher  jeder  Anhalt;  daß  sie  älter  sind  als  die  gleich 
zu  betrachtenden,  ergibt  sich  aus  der  Wiederbenutzung  der  alten  Schächte  für 
die  späteren  Gräber,   die  sich  mehrfach  nachweisen  ließ. 

Die  für  diese  jüngeren  Gräber  angelegten  Schächte  sind  durchgängig  von 
geringerer  Tiefe  und  stehen  auch  im  Rauminhalt  hinter  denen  der  älteren  Gräber 
zurück.  Ausmauerung  mit  Quadern  wurde  nur  bei  einigen  wenigen  beobachtet, 
in  der  Regel  war  der  obere  Teil  der  Schächte  mit  Mauerwerk  aus  Luftziegeln 
verkleidet,  während  in  dem  unteren  Teil  der  gewachsene  Fels  zutage  lag. 
Der  Eingang  zum  Grabe  liegt  bei  der  Mehrzahl  dieser  Schächte  an  deren  Ost- 
oder Südseite,  so  daß  also  die  Grabespforte  ägyptischem  Glauben  gemäß  nach 
Norden  oder  Westen  blickte.  Indessen  sind  eine  ganze  Reihe  Abweichungen 
von  dieser  Regel  zu  verzeichnen,  Schächte,  in  denen  man  ohne  äußeren  erkenn- 
baren Grund  den  Eingang  zu  den  Grabkammern  auf  die  Nord-  oder  Westseite 
verlegt  hat.  Es  ist  offenbar  bei  der  Anlage  der  Gräber  eine  feste  Regel  in 
diesem  Punkt  nicht  mehr  innegehalten  worden.  Noch  viel  weniger  scheint  in 
dieser  Spätzeit  —  was  hier  gleich  vorweggenommen  sei  —  eine  Norm  für  die 
Orientierung  des  Sarges  bestanden  zu  haben.  In  den  Schachtgräbern  hat  man 
in  der  Regel  den  Toten  so  beigesetzt,  daß  der  Kopf  dem  Eingang  der  Grab- 
kammer zugewandt  lag,  ohne  daß  sich  jedoch  auch  hierfür  eine  feste  Regel 
ausgebildet  hätte.  Bei  den  Beisetzungen  in  Flachgräbern  trat  die  Regellosig- 
keit in  dieser  Beziehung  noch  auffälliger  in  die  Erscheinung;  es  herrschte  hier 
ein  wirres  Durcheinander. 

Die  Gräber  des  zweiten  Typus  weisen  eine  beinahe  ermüdende  Einheitlich- 
keit in  Anlage  und  Ausstattung  auf.  Wir  können  uns  deshalb  damit  begnügen, 
einige  besonders  gut  erhaltene  Grabanlagen  als  Beispiele  hier  vorzuführen. 

1.  Schacht  mit  Verkleidung  aus  Ziegelmauerwerk,  an  der  Mündung  95X72  cm, 
etwa  3  m  tief.  Der  Eingang  zu  der  einfach  in  den  Felsen  eingewühlten  Grab- 
kammer öffnet  sich  an  der  Südseite  des  Schachtes;  ein  besonderer  Verschluß 
fand  sich  nicht  (vgl.  Abb.  1). 

In  dem  schmalen  Vorraum  b,  der  direkt  an  den  Schacht  a  stößt,  lagen  neben- 
einander zwei  Särge  in  Mumienform  mit  inneren  Särgen.  Nach  Wegräumung 
derselben  und  des  auf  ihnen  liegenden  Schuttes  stellte  sich  die  Hauptkammer  c 
des  Grabes  so  dar,  wie  sie  die  nach  meiner  Skizze  von  E.  Rexhausen  ausge- 
führte  Zeichnung    wiedergibt   (Abb.  2).      Auf   dem    Boden    standen    zwei   Särge 

l* 


Rubensohn  u.  Knatz:  Ausgrabungen  bei  Abusir  el  Mäläq  (1903). 


[41.  Band. 


0,5 

Abb.  2. 


mit  Eckpfosten  und  gewölbten  Deckeln,  und  auf  diese  waren  in  sehr  wenig 
sorgfältiger  Weise  aufgepackt  drei  Holzsärge  in  Mumienform,  von  denen  zwei 
auf  der  Seite  lagen,   einer  aufrecht  stand;   der  Deckel  des  mittleren  Sarges  hatte 

sich  von  dem  zugehörigen  Kasten 
gelöst.  In  der  niedrigen  Neben- 
kammer d  lagen  vier  Holzsärge 
in  Mumienform,  je  zwei  überein- 
ander in  der  rücksichtslosesten 
Weise  zusammengepfercht.  Die 
Leichen  lagen  sämtlich  mit  dem 
Kopf  nach  dem  Schachte  hin,  also 
in  der  Hauptkammer  nach  Nor- 
den, in  der  Nebenkammer  nach 
Westen  gerichtet.  Das  Grab  war 
offenbar  ursprünglich  nur  für  die 
beiden  Pfostensärge  bestimmt,  ist 
dann  aber  wohl  von  Familien- 
mitgliedern —  Fremde  hätten  die 
älteren  Särge  schwerlich  geschont 
—  weiterbenutzt  worden. 
2.  Verwandte,  nur  etwas  umfangreichere  Grabanlage.  In  einem  bis  zur 
Sohle  mit  Ziegeln  ausgemauerten  Schacht  von  über  9  m  Tiefe,  der  zu  einer 
der  geplünderten  Grabanlagen  führt,  zeigte  sich  etwa  3  m  unter  dem  Erdboden 
an  der  Ostseite  des  Schachtes  eine  ver- 
mauerte Tür.  Diese  bildete  den  Eingang 
zu  der  Grabkammer,  deren  Skizze  die  Ab- 
bildung 3   veranschaulicht. 

Das  Grab  besteht,  wie  man  sieht,  aus 
einer  Haupt-  und  drei  Nebenkammern.  Be- 
merkenswert erscheinen  in  der  Herrich- 
tung der  1,25  m  hohen  Hauptkammer  die 
Nische  in  der  Westwand  und  eine  zweite 
Tür  in  der  Nordwand,  die  durch  Mauer- 
werk fest  geschlossen  war.  Letztere  öff- 
nete sich  auf  einen  später  von  uns  auf- 
gedeckten Schacht  (b)  an  der  Nordseite 
des  Grabes,  der  aber  eingebrochen  war 
und  nicht  mehr  untersucht  werden  konnte. 
Die   Nische   an  der  Westwand  (c)  fanden 

wir  leer;  sie  hat  nicht  etwa  eine  kultliche  Bedeutung,  sondern  verdankt  ihre 
Entstehung  dem  Versuch  der  Anlegung  einer  weiteren  Grabkammer;  von  einem 
gleichen  Versuch  rührt  offenbar  auch  die  leichte  Einbuchtung  in  der  Südwand 


I 


Abb.  3. 


1904. 


Rubensohn  u.  Knatz:  Ausgrabungen  bei  Abusir  el  Mäläq  (1903). 


des  Grabes  {d)  gegenüber  dem  Eingang  her.  In  der  Hauptkammer  standen 
nebeneinander  vier  Pfostensärge,  deren  innere  Särge  —  Schreine  in  Mumienform 
—  mit  dem  Kopf  nach  Westen  aufgestellt  waren;  nach  dem,  was  wir  oben 
gesagt  haben,  ist  also  anzunehmen,  daß  sie  durch  den  Westschacht  herein- 
gebracht worden  sind.  Die  Tür  in  der  Nordwand  ist  demnach  der  ältere  der 
beiden  Zugänge :  sie  ist  zugemauert  und  bei  den  späteren  Bestattungen  verstellt 
worden.  Daß  die  Kammer  in  verschiedenen  Perioden  zu  Beisetzungen  benutzt 
worden  ist,  war  auf  den  ersten  Blick  klar.  In  die  schmalen  Zwischenräume 
zwischen  den  vier  Särgen  war  eine  ganze  Anzahl  vollständig  vermoderter,  nur  in 
Leinwandbinden  gehüllter  Mumien  hineingestopft.  Sie  stammen  offenbar  aus  einer 
jüngeren  Epoche  als  die  vier  Hauptsärge.  Unter  den  drei  nördlichen  Pfosten- 
särgen lagen  —  in  der  Zeichnung  durch  umschriebene  Recht-ecke  angedeutet  — 
in  gleicher  Weise  orientiert  wie  diese,  aber  vollständig  vermodert  und  zerstört, 
drei  Särge  in  Mumienform.  Diese  rühren  also  von  einer  älteren,  auch  durch 
den  Westschacht  hereingebrachten  Beisetzung  her.    Die  Hauptsärge  (vgl.  Abb.  4) 


Abb.  4. 

und  deren  innere  Särge  waren  zum  Teil  wohlerhaltene  Exemplare  dieser  ja  sehr 
häufig  begegnenden  Sarggattung  der  Spätzeit.  Erwähnung  verdient  von  dem 
Gesamtinhalt  der  Kammer  nur  der  Deckel  des  nördlichsten  der  drei  älteren 
Mumienschreine,  auf  dem  das  125.  Kapitel  des  Totenbuches  (negatives  Be- 
kenntnis) und  auf  der  Brust  an  einer  Halskette  getragen  das  Bild  der  Wahr- 
heitsgöttin angegeben  ist.  Von  der  Schonungslosigkeit,  mit  der  man  gegen 
die  früheren  Besitzer  des  Grabes  verfahren  ist,  legte  der  Zustand  der  drei 
schmalen  und  niedrigen  Nebenkammern  Zeugnis  ab.  In  diese  ursprünglich  nur 
für  einen  Sarg  bestimmten  Räume  hat  man  je  vier  bzw.  zwei  Särge  hinein- 
gepackt; offenbar  sind  es  die  Särge  der  ursprünglichen  Besitzer  der  Haupt- 
kammer, die  hier  untergebracht  wurden,  um  ihren  Nachfolgern  Platz  zu  machen1. 

Beigaben  fanden  sich  in  diesem  Grab  ebensowenig  wie  in  dem  zuerst  be- 
schriebenen. 

3.  Etwas  ergiebiger  in  dieser  Hinsicht  erwies  sich  diejenige  Klasse  von 
Gräbern,   die  in  einer  besonders  großen  Anzahl  auf  dem  untersuchten  Teil  des 


*)  Die  Anordnung  der  Särge  der  Nebenkammern  in  der  Zeichnung  ist  durchaus  schematisch. 
Von  Zwischenräumen  zwischen  den  einzelnen  Särgen  konnte  überhaupt  keine  Rede  sein;  die  Särge 
lagen  aufeinandergehäuft  auf  der  Seite   übereinander. 


Rubensohn  u.  Knatz:  Ausgrabungen  bei  Abusir  el  Mäläq  (1903). 


[41.  Band. 


Friedhofes  vertreten  war.  Ihre  ein  wenig  kompliziertere  Anlage  wird  durch  das 
in  der  Skizze  veranschaulichte  Beispiel  gut  erläutert  (Abb.  5).  Der  wesentliche 
Unterschied  gegen  die  vorher  betrachteten  Gräber  besteht  in  dem  Vorhanden- 
sein von  mehreren  Schächten.  Das  Zentrum  der  Anlage  bildet  ein  niedriger, 
gewölbter  Raum,  auf  den  der  Hauptschacht  a  direkt  stößt.  Von  Schacht  b 
führt  ein  niedriger,  in  den  Felsen  getriebener  Gang  zu  ihm  hin.  An  den  Mittel- 
raum stößt  im  Norden  und  Westen  strahlenförmig  je  eine  Grabkammer  an ;  nach 
Süden  hin  ist  nur  eine  kurze  Verlängerung  an  den  Mittelraum  angeschlossen, 
die  eigentlich  nicht  den  Namen  Kammer  verdient.  Sie  mündet  im  Süden  auf 
den  dritten  zu  der  Grabanlage  gehörigen  Schacht  c,  der  etwas  kleiner  ist  als 
die   beiden    anderen.    Von   den   in    den   drei    Grabräumen    beigesetzten   Särgen, 


>.j  2  Mtter 


Abb.  5. 


Pfostensärgen  wie  die  bisher  erwähnten,  standen  die  der  Nord-  und  Westkammer 
auf  einem  um  etwa  50  cm  höheren  Niveau  als  der  des  Mittelraumes.  Der  Sarg 
der  Nordkammer  zeigte  genau  nördliche  Orientierung.  Um  seinen  südwestlichen 
Eckpfosten  herum  war  eine  Anzahl  von  Beigaben  so  gruppiert,  wie  es  in  der 
Skizze  angegeben  ist.  d  ist  eine  Osirisfigur  aus  Holz  mit  Atefkrone  und  langem 
Fußbrett;  vor  ihr,  neben  der  Längsseite  des  Sarges,  saß  ein  Schakal  der  be- 
kannten Form  mit  langem  Schwanz  (e).  Das  Gestell,  das  ihm  zur  Stütze  diente, 
war  zerstört.  Osiris  sowohl  wie  Schakal  blickten  nach  Norden.  Südlich  des 
Eckpfostens  standen  dicht  nebeneinander  zwei  einfache  rechteckige  Holzkasten 
mit  Holzstiften  zusammengehalten,  auf  dem  Deckel  ein  kleiner  Obelisk  (//). 
In  diesem  Fall  waren  die  Kasten  vollständig  leer,  in  anderen  Gräbern  fanden 
wir  sie  mit  kleinen  schlechten  Uschebtis,   die  aus  lufttrockenem  Lehm  geknetet 


1904.]  Rubensohx  u.  Knatz:  Ausgrabungen  bei  Abusir  el  Mäläq  (1903).  i 

waren,  gefüllt.  Das  Fußbrett  der  Osirisfigur  bildete  ein  einfacher  Klotz,  bei 
anderen  Exemplaren  fand  sich  in  kleiner,  durch  schiebbaren  Deckel  verschlosse- 
ner Lade,  die  auf  der  Oberseite  des  Fußbrettes  angebracht  war,  der  in  Leinen- 
hüllen gewickelte  Penis  des  Verstorbenen,  der  bekanntlich  auf  diese  Weise  unter 
den  besonderen  Schutz  des  Osiris  gestellt  wurde.  Im  Inneren  des  Sarges  und 
des  von  ihm  umschlossenen  Mumienschreins  fanden  sich  keine  Beigaben.  Der 
Tote  lag  mit  dem  Kopf  nach  Norden. 

Der  Sarg  des  Mittelraums  samt  Inhalt  war  —  wohl  schon  bei  Gelegenheit 
der  Beisetzung  der  Särge  in  der  Nord-  und  Westkammer  —  zerstört  worden ; 
er  ist  deshalb  in  der  Zeichnung  nur  durch  punktierte  Linien  angedeutet.  Neben 
dem  Sarg  der  Westkammer  stand  an  dem  aus  der  Skizze  ersichtlichen  Platz 
ebenfalls  eine  Osirisfigur  {g),  diesmal  aber  nicht  den  Sarg  entlang  blickend, 
sondern  das  Gesicht  dem  Grabeingang  zugewandt.  Der  Pfostensarg  barg  einen 
Holzsarg  in  Mumienform,  bei  dem  das  Fehlen  des  Bartes  in  dem  für  ihn  be- 
stimmten Kinnloch  beweist,  daß  ein  alter,  und  zwar  für  eine  männliche  Person 
gebrauchter  Sarg  für  eine  Leiche  weiblichen  Geschlechts  wieder  benutzt  worden 
ist.  Daß  die  Begrabene  eine  Frau  war,  bezeugt  ein  Schleier,  der  in  dem  Sarg 
neben  dem  Kopf  der  ganz  zerfallenen  3Iumie  lag:  die  Wiederbenutzung  des 
Sarges  erhellt  auch  aus  den  unter  dem  Stuck  des  Sarges  aufgedeckten  Resten 
einer  unteren  Stucklage  mit  Schriftzeichen. 

In  der  Mehrzahl  der  zu  dieser  Gattung  gehörigen  Gräber  traten  dieselben 
oder  ähnliche  Beigaben  zutage  wie  in  dem  beschriebenen  Grab,  leider  meist 
arg  zerstört  und  nicht  mehr  in  situ.  Zu  den  Uschebtikasten  gesellten  sich  des 
öfteren  noch  Eingeweidekasten,  bald  in  der  Form  eines  Naos,  gekrönt  von  einem 
Sperber  mit  Atefkrone,  bald  solche  in  Form  einer  abgestumpften  Pyramide. 
Die  Uschebtikasten  selbst  kamen  auch  in  der  Gestalt  von  kleinen  Särgen  vor, 
bei  mehreren  Bestattungen  waren  die  Osirisfiguren ,  einmal  auch  die  Schakale, 
in  zwei  oder  drei  Exemplaren  aufgestellt.  Die  Mumien  waren  meist  einfach  in 
Binden  gehüllt,  hin  und  wieder  wurde  diese  Hülle  noch  ergänzt  durch  Masken, 
Brust-  und  Beinbelag  aus  Pappe;  Papyruskartonnage  war  nur  in  einem  einzigen 
Grab  dieser  Epoche,   und  zwar  einem  des  Typus  I,  zur  Verwendung  gekommen. 

Sehr  häufig  lag  über  den  Hüllen  in  der  der  Spätzeit  geläufigen  Weise  ein 
Perlennetz  ausgebreitet,  durchgängig  in  der  einfachsten  Weise  aus  kleinen  Fayence- 
perlen  hergestellt:  nur  einmal  fanden  wir  es  in  prunkvollerer  Ausführung  bei 
einer  auch  sonst  vornehm  mit  reich  vergoldeter  Maske,  Brust-  und  Beinbelag 
ausgestatteten  Frauenleiche,  die  vielleicht  schon  der  ptolemäischen  Epoche  an- 
gehört. Das  Muster  des  Netzes  bildeten  Rhomben,  bei  denen  je  zwei  Seiten 
immer  von  zwei  hellblauen,  die  beiden  anderen  von  zwei  dunkelblauen  Exem- 
plaren der  länglichen  Perlen  gebildet  waren.  Auf  der  Brust  dieser  Mumie  wurde 
außerdem  noch  teilweise  in  der  Anordnung,  in  der  sie  einst  aufgereiht  waren, 
die  aus  vortrefflicher  blauer  Fayence  sorgfältig  gefertigten  Bestandteile  des  Brust- 
behanges,   bestehend    aus   geflügeltem  Skarabäus,  Figuren  der  Totengottheiten, 


8 


Rubensohn  u.  Knatz:  Ausgrabungen  bei  Abusir  el  Mäläq  (1903). 


[41.  Band. 


Sperbern  mit  Sonnenscheiben  usw. ,  vorgefunden.  Sonst  waren  diese  Bestand- 
teile des  Totenschmuckes  bei  diesen  Mumien,  wenn  überhaupt  vorhanden,  ent- 
weder als  Muster  in  das  Perlennetz  eingestickt  oder  aus  Pappe  geschnitten. 
Uschebtis  traten  in  einigen  dieser  Gräber  in  geradezu  erstaunlicher  Menge  auf; 
sie  lagen  immer  im  Schutt,  entbehrten  zum  größeren  Teil  der  Inschriften,  auch 
die  beschriebenen  Exemplare  sind  durchaus  unansehnlich  und  bis  auf  einige 
wenige,   die  unten  zu  erwähnen  sind,  ohne  Interesse. 

Neben  der  einheitlichen  Klasse  von  Grabanlagen  haben  wir  nur  wenige 
Schachtgräben  zu  verzeichnen,   die  einen  abweichenden  Typus  darstellen. 

Die  Abweichungen  zeigen  sich  nicht  in  der  Anordnung  der  Grabräume, 
in  dieser  gliedern  sich  sämtliche  im  folgenden  zu  beschreibenden  Gräber  durchaus 
in  die  Reihe  der  betrachteten  ein;  wir  brauchen  deshalb  auch  weiterhin  keine 
eingehende  Schilderung  der  Grabanlage  zu  geben. 

1.  Schacht  von  etwas  mehr  als  5  m  Tiefe.  An  seiner  Sohle  öffnet  sich 
an  der  Nordseite  der  Eingang  zum  Grab,   das  aus  einem  kleinen  Vorraum  und 

drei  rechtwinklig  von  ihm  nach  Norden,  Osten, 
Westen  sich  abzweigenden  Kammern  besteht.  Die 
nördliche  Kammer  war  ganz  leer,  die  Sarkophage 
der  Ostkammer  waren  vermodert.  Die  Südkammer 
war  durch  eine  Ziegelmauer  abgesperrt  und  da- 
durch vor  dem  Eindringen  des  Schutts  geschützt 
worden.  In  der  über  3  m  langen,  1,27  m  breiten 
und  etwas  mehr  als  1  m  hohen  Grabkammer  stand 
ein  durch  einen  Deckel  in  Form  eines  Satteldachs 
fest  verschlossener  mächtiger  Kalksteinsarkophag, 
der  Form,  wie  ihn  der  nebenstehende  Schnitt  durch 
die  Grabkammer  zeigt  (Abb.  6).  Auf  dem  Ostende  des  Sargdeckels  lag  eine 
Ibismumie.  In  dem  schmalen  Raum  zwischen  der  Westwand  der  Kammer  und 
dem  —  2,36  m  langen  —  Sarg  standen  am  Boden  hart  neben  dem  Sarg  zwei 
oben  offene  Kasten  mit  6  cm  hohem  Rand,  gefüllt  mit  Sand,  und  darin  steckten 
in  Reihen  von  etwa  14X13  aufgestellt  genau  365  kleine  Uschebtifiguren ,  alle 
Front  nach  Osten,  also  nach  dem  Sarg  hin.  Die  Uschebtis  sind  unansehnlich 
und  ohne  Inschrift,  die  Kasten  waren  vermodert  und  zerfielen  beim  Anfassen. 
Auf  dem  nördlichen  lag  eine  kleine  als  Mumienschrein  mit  Deckel  und  Kasten 
gebildete  Osirisfigur  mit  Atefkrone.  Sie  hatte  ursprünglich  an  der  Westwand  der 
Grabkammer  gestanden,  war  aber  ganz  zerfallen;  die  staubartige  Masse,  die  ihr 
Inneres  erfüllte,  ist  vermutlich  der  Rest  des  in  ihr  aufbewahrten  mumifizierten 
Penis.  Neben  ihr  muß  an  der  Wand  ein  kleiner  rechteckiger  Kasten  mit  einer 
jetzt  undefinierbaren  Masse  als  Inhalt  aufgestellt  gewesen  sein,  Holzteile  von 
einem  solchen  mit  sorgfältigem  Stucküberzug  und  feiner  Bemalung  darauf  lagen 
noch  an  Ort  und  Stelle.  In  dem  Steinsarg,  der  sich  an  einer  nur  mit  Mörtel 
verschmierten    alten  Bruchstelle    leicht    öffnen    ließ,  war   in    einem  Holzsarg  in 


•-U7 — 
Abb.  6. 


1904. 


Rlbensohn  u.  Knatz:  Ausgrabungen  bei  Abusir  el  Mäläq  (1903). 


9 


Mumienform  der  mumifizierte  Tote  beigesetzt;  der  Kopf  lag  nach  Osten,  also 
dem  Eingang  der  Grabkammer  zugewendet.  Sarg  und  Mumie  waren  völlig  ver- 
modert.     Beigaben  fehlten  vollständig. 

25  cm  oberhalb  des  Eingangs  zur  Grabkammer  zeigte  sich  im  Schacht  eine 
vermauerte  Öffnung.  Sie  führte  zu  einer  etwa  3  m  tiefen,  1,20  m  hohen  und 
fast  ebenso  breiten  Kammer,  die  nichts  barg  als  drei  mit  Gänseeiern  gefüllte  Ton- 
gefaße,  von  denen  das  eine  noch  den  alten  Gipsverschluß  unversehrt  aufwies. 
Die  Kammer  ist  auf  das  genaueste  untersucht  worden.  Es  steht  fest,  daß  sie 
keine  Spur  einer  Beisetzung  enthielt.  Sie  war  also  offenbar  oberhalb  des  eigent- 
lichen Grabes  als  Opferraum  oder  Gabenkammer  angelegt. 
Die  Beigaben  sind  in  der  Form,  in  der  sie  in  diesem  Grab 
gefunden  wurden,  singulär,  an  sich  aber  ohne  weiteres  ver- 
ständlich. Die  Zahl  der  kleinen  Totenfiguren  entspricht  den 
Tagen  des  Jahres;  der  Ibis,  der  heilige  Vogel  des  Thot,  be- 
darf bei  der  großen  Rolle,  die  dieser  Gott  im  Totenkult  spielt, 
keiner  weiteren  Deutung. 

Fehlt  uns  bei  diesem  Grabe  ein  Anhalt  für  einen  genauen 
zeitlichen  Ansatz,  so  kommen  wir  mit  den  weiterhin  zu  be- 
trachtenden sicher  in  die  griechischrömische  Epoche.  Beim 
ersten  derselben  ist  einer  jener  großen  Schachte  wiederbenutzt 
worden,  von  denen  oben  die  Rede  war.  Die  ältere  umfang- 
reichere Grabanlage  lag  in  einer  Tiefe  von  über  6  m  und 
bestand  aus  einem  Komplex  von  Kammern,  zu  denen  sich 
an  Nord-,  Süd-  und  Westseite  des  Schachtes  die  Eingänge 
öffneten;  sie  sind  sämtlich  im  Altertum  schon  geplündert  wor- 
den. Das  jüngere  Grab  liegt  etwa  3  m  oberhalb  der  Schacht- 
sohle. Es  besteht  aus  zwei  Kammern  von  rechtwinkliger  Form, 
die  einander  gegenüber  an  der  Nord-  und  Südseite  des  Schach- 
tes angelegt  sind.  Beide  waren  durch  Ziegelmauerwerk  ver- 
schlossen und  infolgedessen  absolut  frei  von  Schutt.  In  der 
nördlichen  Kammerlagen  unordentlich  aufeinandergehäuft  ihrer 
Hüllen  beraubte  Leichen.  Einen  ganz  anderen  Anblick  bot  die  südliche  Kammer. 
Drei  dicht  nebeneinandergestellte  Kastensärge,  die  Schmalseite  dem  Eingang 
der  Kammer  zugewandt,  füllten  das  Innere  des  Grabes  so  genau  aus,  daß  ihre 
flachen  Holzdeckel  sich  zunächst  wie  ein  großer  Boden  aus  Holzdielen  präsen- 
tierten. Quer  über  den  drei  Särgen  lag  an  der  Rückwand  der  Kammer  eine 
Mumie  mit  sorgfältig  bemalter  Maske,  Brust-  und  Beinhülle  aus  Pappe.  Die 
Holzsärge  sind  einfache  rechteckige  Kasten,  deren  Wände  aus  je  drei  Brettern, 
zwei  unteren  aus  Suntholz  (Akazie)  und  darüber  einem  aus  dunkelm,  beinahe 
schwarzem  Sykomorenholz  bestehen;  den  oberen  Abschluß  bildet  eine  aus 
einem  besonderen  Stücke  sehr  dürftig  gearbeitete  Hohlkehle.  Rings  um  den 
Sarg   läuft    am   oberen    Rande   des    Brettes   aus  Sykomorenholz  eine  Reihe  eng 

Zeitschr.  f.  Ägypt.  Spr.,  41.  Band.     1904.  2 


Abb.  7. 


10 


Rubensohn  u.  Knatz:  Ausgrabungen  bei  Abusir  el  Mäläq  (1903). 


[41.  Band. 


gesetzter,  sorgfältig  gebohrter  runder  Löcher.  Deckel  und  Böden  sind  einfach 
aus  fünf  glatten  Brettern,  die  durch  Querhölzer  zusammengehalten  werden,  ge- 
fertigt. Innen  sind  die  Kasten  mit  Stuck  überzogen  und  weiß  getüncht.  Jeder 
der  drei  Särge  barg  eine  weibliche  Leiche;  die  des  mittleren  und  des  östlichen 
Sarges  lagen  mit  dem  Kopf  nach  Norden,  die  des  Sarges  an  der  Westwand  mit 
dem  Kopf  nach  Süden.  Von  den  inneren  Särgen  der  beiden  östlichen  Sarkophage, 
zwei  fast  identischen  Exemplaren  aus  Pappe,  wird  der  eine  durch  Abb.  7  ver- 
anschaulicht. Am  Fußende  waren  neben  die  inneren  Särge  in  beiden  Sarkophagen 
zwei  ganz  kleine  Kindermumien  verpackt;  in  dem  östlichen  Sarg  lagen  sie  zu 
beiden  Seiten  des  Mumienschreins,  die  eine  mit  dem  Kopf  nach  Norden,  die 
andere  mit  dem  Kopf  nach  Süden;  in  dem  anderen  Sarko- 
phag lag  die  eine  etwas  größere  Kindermumie  quer  über  dem 
Sarg,  die  zweite  Kopf  nach  Norden  neben  ihm.  Den  inne- 
ren Sarg  des  dritten  Sarkophages  zeigt  Abb.  8.  Er  gibt  die 
Formen  des  menschlichen  Körpers  in  allerdings  sehr  geringer 
Durchbildung  wieder  und  zeigt  uns  die  Verstorbene  in  der 
Tracht  des  Lebens.  Das  Gesicht  und  die  Brustwarzen  sind 
vergoldet,  die  Haare  schwarz,  das  Gewand  rotbraun,  an  den 
Armen  trägt  sie  Armringe,  an  den  Füßen  Sandalen,  deren 
Riemenzeug  sorgfältig  angegeben  ist.  Auf  dem  Körper  liegt 
ein  Scepter.  Links  neben  dem  Mumienschrein  lagen  zwei 
Katzenmumien  und  eine  ganz  vermoderte  Masse,  vielleicht 
Brot;  rechts  lag  eine  kleine  Katzenmumie  mit  vergoldetem 
Kopf  und  angesetzten  Ohren.  Keine  Inschrift  belehrt  uns  über 
die  Besitzerinnen  des  Grabes;  für  die  Zeit  läßt  sich  aus  der 
Gestalt  und  Ausstattung  der  Särge  und  aus  der  Inschrift  auf 
?■  der  Hülle    der  quer  über  den  Särgen  liegend  aufgefundenen 

^  Mumie  nur  ein  allgemeiner  Ansatz,  wie  es  der  Begriff  ptole- 

mäische  Periode  ist,   entnehmen. 

Unter  den  drei  Holzsärgen  fanden  sich  Reste  von  Knochen 
und  von  Pfosten-  sargen,  ein  Zeichen,  daß  die  Grabkammer 
nicht  erst  für  die  in  ihr  gefundenen  drei  Särge  angelegt  ist.  In  der  Epoche,  in 
der  die  Pfostensärge  Brauch  waren,  hat  man  in  dem  Schacht  des  alten  Grabes 
die  beiden  neuen  Kammern  angelegt  und  darin  bestattet;  in  der  ptolemäischen 
Epoche  hat  man  dann  zum  dritten  Mal  den  alten  Schacht  geöffnet,  hat  die  eine 
der  späteren  Kammern  ausgeräumt,  die  Leichen  in  die  gegenüberliegende  Kammer 
gepackt  und  die  südliche  Kammer  zur  Beisetzung  der  drei  Särge  benutzt,  die 
wir  darin  gefunden  haben  —  ein  schönes  Beispiel  für  das  auf  ägyptischen 
Friedhöfen  gebräuchliche  Verfahren. 

In  ähnlicher  Weise  zeigte  sich  die  Wiederbenutzung  einer  älteren  Grab- 
anlage bei  demjenigen  Grab,  das  für  uns  durch  seinen  Inhalt  besonders  wichtig 
geworden  ist.     Der  Schacht  gehört  zu  den  wenigen  unter  den  von  uns  aufge- 


Abb.  8. 


1904.]  RnsENSOHN  u.  Knatz:  Ausgrabungen  bei  Abusir  el  ]\Iälä(i  (1903).  11 

deckten,  die  eine  besondere  Sorgfalt  der  Herrichtung  zeigten.  Unterhalb  der 
nur  Y2  m  in  die  Tiefe  reichenden  Einfassung  aus  Ziegelmauerwerk  waren  die 
Wände  des  Schachts  sorgfältig  geglättet,  mit  Stuck  verkleidet  und  zeigten  noch 
Spuren  eines  rötlichen  Anstrichs.  An  der  Westwand  waren  Einsteigelöcher  ein- 
gearbeitet. In  einer  Tiefe  von  4  m  unter  dem  heutigen  Boden  lag  ein  Platten- 
pflaster, und  in  der  Höhe  desselben  öffnete  sich  nach  Osten  und  Westen  je  eine 
geräumige  Kammer,  die  östliche  ziemlich  regelmäßig  rechteckig  und  mit  ge- 
ebnetem Boden,  die  westliche  wenig  sorgfältig  hergerichtet.  In  beiden  Kammern, 
die  eines  besonderen  Verschlusses  entbehrten  und  infolgedessen  sehr  stark  ver- 
schüttet waren,  lagen  regellos  neben-  und  übereinander  geschichtet  die  eigen- 
tümlichen Särge,  von  denen  der  nebenstehend  abgebildete  einen  guten  Begriff 
gibt  (Abb.  9). 

Es  sind  eigentlich  Käfige,  deren  Wände  aus  einem  überaus  schwachen 
Gitterwerk  von  dünnen  Stäben  (Palmrippen),  die  durch  Papyrusbast  und  Hanf- 
fäden zusammengehalten  sind,  bestehen.    Deckel  und  Boden  bilden  Matten  aus 


Abb.  9. 

gespaltenen  und  breitgelegten  Papyrusstauden,  die  in  feuchtem  Zustand  anein- 
andergepreßt  und  durch  Hanffaden  zusammengeschnürt  sind.  Die  Oberfläche 
der  Matten  zeigt  die  glatte  Außenseite,  die  Unterseite  das  Mark  des  Inneren 
der  Papyrusstauden.  Die  durchgehenden  Längsstreben  der  Särge,  an  denen  die 
Palmrippen  befestigt  sind,  sind  mit  Bast  umwickelte  Papyrusstengel.  Starke 
Bastbänder  stellen  die  Verbindung  zwischen  den  Matten  und  Gittern  her.  Um 
dem  gebrechlichen  Bau  etwas  Halt  zu  geben,  sind  im  Inneren  am  Fußende 
eine  Anzahl  Querstreben  angebracht.  Von  den  Särgen  war  nur  der  abgebildete 
einigermaßen  erhalten,  alle  übrigen  waren  mehr  oder  weniger  zerstört.  In  der 
Westkammer  waren  17,  in  der  Ostkammer  11  solcher  Särge  beigesetzt.  Die 
mumifizierten  Toten,  die  in  diesen  Särgen  ihre  letzte  Ruhe  gefunden  hatten, 
steckten  von  Kopf  bis  zu  Füßen  in  Hüllen  aus  Papyruskartonnage ;  auf  dem  Haupt 
und  um  den  Hals  trugen  die  meisten  von  ihnen  Kränze,  deren  Bestandteile  Agraffen 
aus  bündelförmig  zusammengefügtem  geschältem  Papyrus  und  in  diese  strahlen- 
förmig eingesteckte  Akazienblüten  bildeten.    Eine  der  Leichen  trug  statt  dieses 


12 


Rubensohn  u.  Knatz:  Ausgrabungen  bei  Abusir  el  Mäläq  (1903). 


[41 .  Band. 


einfachen  Kranzes  auf  dem  Kopf  einen  Kranz  von  Weinlaub,  um  den  Hals  ein 
Gewinde  von  gefalteten  und  an  Bast  angereihten  Perseablättern ,  große  Zweige 

derselben  Pflanze  lagen  ausgebreitet  über  dem 
übrigen  Körper1. 

An  der  Nordwand  der  Westkammer  hatte 
man  bei  der  Einebnung  des  Bodens  eine 
niedere  Felsbank  stehen  lassen.  Auf  dieser 
stand,  höher  als  die  anderen  Särge,  ein  kleiner 
Gittersarg.  Er  enthielt  den  hierneben  abge- 
bildeten kleinen  Pappsarg  eines  Mädchens, 
dessen  Deckel  die  Verstorbene  in  der  Tracht 
des  Lebens  wiedergibt  (Abb.  10).  Der  Kopf 
hat  reiches  Lockenhaar,  das  Gewand  besteht 
aus  rotem  Chiton  mit  goldener  Borte  am  Hals- 
ausschnitt und  weißem  Mantel,  der  auf  der 
Brust  durch  eine  goldene  Schnur  zusammen- 
gehalten wird.  Armbänder  an  Ober-  und 
Unterarmen  und  Sandalen  vervollständigen  die 
Bekleidung.  Nach  W'egräumung  der  Särge  mit 
den  Papyrusmumien  zeigte  sich,  daß  im  Hinter- 
grunde der  Westkammer,  etwa  50  cm  von 
deren  Rückwand  entfernt,  einer  jener  Pfosten- 
särge, nach  Norden  orientiert,  stand,  wie  wir 
sie  in  den  zuerst  betrachteten  Gräbern  ge- 
funden haben.  Im  Inneren  barg  er  einen  Holz- 
sarg in  Mumienform  mit  Stuckverzierung  auf 
dem  Deckel  und  reicher  Vergoldung.  In  den 
schmalen  Raum  zwischen  Pfostensarg  und 
Rückwand  des  Grabes  waren  noch  vier  Kinder- 
mumien in  Gittersärgen  hineingepackt,  drei 
davon  ohne  andere  Hülle  als  die  Mumienbin- 
den, über  die  vierte  Leiche  hatte  man  den 
Deckel  eines  Sarges  von  der  Art  des  eben  be- 
schriebenen Mädchensarges  gelegt  —  das 
Sargunterteil  war  nicht  vorhanden.  Abb.  11 
veranschaulicht  die  erstaunlich  mißratenen 
Proportionen  der  nur  75  cm  hohen  Gestalt. 
Das  Grab  ist  wohl  eines  jener  Massengräber,  die  von  Unternehmern  an- 
gelegt wurden.  Darauf  läßt  die  große  Anzahl  der  Bestatteten  —  über  30  — , 
die  rücksichtslose  Art  des  Übereinanderhäufens  der  Leichen  und  auch  die  gleich- 


Abb.  10. 


*)    So    nach    der  Bestimmung   des  Hrn.  Prof.  Schweinfurth,   dem  wir   auch   sonst   für  viel- 
fache freundliche  Belehrung  zu  lebhaftem  Dank  verpflichtet  sind. 


1904.] 


Rubensohn  u.  Knatz  :  Ausgrabungen  bei  Abusir  el  Mäläq  (1903). 


13 


förmige  und  ärmliche  Ausstattung  der  großen  Mehrheit  derselben  schließen. 
Fremdartig  inmitten  der  Gittersärge  nimmt  sich  der  Pfostensarg  der  Westkammer 
aus.  Der  Schluß  ist  erlaubt,  daß  dieser  Sarg  aus  einer  früheren  Epoche  stammt 
und  von  einer  älteren  Beisetzung  herrührt.  Auch  dieses  Grab  ist  wiederholt 
benutzt  worden.  Der  Schacht,  in  dem  beide  Kammern  liegen,  führt  unterhalb 
des  Plattenpflasters  noch  tiefer  hinab,  er  ist  einer  der  Zugänge  zu  jener  Flucht 
von  Grabkammern,  die  wir  zu  Anfang  besprochen  haben.  In  der  Epoche  der 
Pfostensärge  sind  die  beiden  oberen  Kammern  angelegt  worden,  die  damals  in 
ihnen  beigesetzten  Särge  sind  bis  auf  den  einen  stehen  gebliebenen  beseitigt 
worden,  als  die  Unternehmer  den  Schacht  wieder  öffneten 
und  die  beiden  Kammern  für  das  Massengrab  in  Gebrauch 
nahmen.  Der  Fall  liegt  also  hier  genau  wie  bei  der  zuletzt 
betrachteten  Grabanlage.  Der  Zeitansatz  für  das  Massen- 
grab wird  durch  die  beiden  kleinen  Mädchensärge  bedingt, 
die  derselben  Periode  zuzusprechen  sind,  wie  die  zahlreichen 
verwandten  Stücke,  beispielsweise  wie  die  aus  Hawara  in 
das  Berliner  Museum  gelangten  Särge  und  Masken,  die  dem 
zweiten  nachchristlichen  Jahrhundert  entstammen.  Die  zu 
den  Kartonnagen  verwandten  Papyrusblätter  gehören,  soweit 
bei  der  Auffindung  erkennbar  war,  dem  Ausgange  der  ptole- 
mäischen  oder  dem  Anfange  der  Kaiserzeit  an.  Ein  ab- 
schließendes Urteil  wird  man  aber  erst  dann  aussprechen 
können,  wenn  die  in  Berlin  befindlichen  Kartonnagen  ge- 
nauer untersucht  sind. 

Als  Fundstätte  von  Papyruskartonnage  hat  sich  noch 
eine  andere  Klasse  von  Gräbern  erwiesen,  die  als  eigent- 
liche Schachtgräber  nicht  mehr  betrachtet  werden  können. 
Es  waren  dies  etwa  200  m  nördlich  von  der  bisher  be- 
trachteten Ausgrabungsstätte  aufgedeckte  Gruben,  zu  denen 
runde  Einsteigelöcher  von  höchstens  2  m  Tiefe  hinabführten. 
Die  Gräber  bestehen  aus  niedrigen,  unregelmäßig  in  den  Erdboden  eingewühlten 
Höhlungen,  für  die  man  den  Namen  Kammer  kaum  in  Anwendung  bringen  kann. 
Der  Erdboden  zeigt  hier  eine  ganz  andere  Formation  als  auf  dem  südlichen 
Ausgrabungsplatz;  unter  einer  1 — 2  m  dicken  sehr  festen  Kieselschicht  liegt 
reiner  feiner  Wüstensand,  dessen  absolute  Trockenheit  dem  Inhalt  der  in  ihm 
angelegten  Gräber  sehr  zustatten  gekommen  ist.  Ausnahmslos  waren  die  Gräber 
geplündert,  die  Leichen  entfernt.  An  Ort  und  Stelle  fanden  sich  nur  die  mehr 
oder  weniger  zerstörten  Särge  aus  Papyruskartonnage,  die  von  den  Grabes- 
räubern als  wertlos  zurückgelassen  waren,  uns  aber  eine  willkommene  Ausbeute 
lieferten.  Unter  den  bisher  auseinandergelösten  und  untersuchten  Papyrus  findet 
sich  ein  Stück  aus  dem  Jahre  19  des  Augustus.  Die  Sarkophage  rühren  also 
auch  aus  der  Kaiserzeit  her  und  dürften  unter  Anrechnung  der  ungefähren  Zeit, 


Abb.  11. 


14 


Rubensohn  u.  Knatz:  Ausgrabungen  bei  Abusir  el  Mäläq  (1903). 


[41.  Band. 


deren  es  bedurfte,  um  eine  unter  Augustus  geschriebene  Urkunde  zur  Makulatur 
werden  zu  lassen,  in  das  Ende  des  1.  oder  den  Anfang  des  2.  Jahrhunderts 
n.  Chr.  zu  setzen  sein. 

Über  das  ganze  Ausgrabungsgebiet  zerstreut  fanden  sieh  zwischen  den 
Schachtgräbern  eine  große  Anzahl  Flachgräber  der  verschiedensten  Art.  Wir 
können  uns  bei  ihrer  Beschreibung  kurz  fassen.  In  der  Mehrzahl  waren  dies 
Gräber  von  Armen,  deren  Leichen  man  oft  nur  oberflächlich  mumifiziert  und 
ohne  Sarg  einfach  in  den  Sand  eingescharrt  hatte,  höchstens  daß  man  den  mit 
dürftigen  Lumpen  umwickelten  Körper,  um  ihm  einigen  Halt  zu  verleihen,  an 
ein  paar  Palmrippen  befestigt  hatte.  Besonders  häufig  fanden  sich  solche  Leichen 
in  den  Mündungen  der  alten  Schächte,  und  da  diese  oft  nicht  Raum  genug 
boten  für  eine  ausgestreckte  Leiche,  so  hat  man  diese  im  Hüftgelenk  gebeugt, 
Kopf  und  Beine  zusammengebunden  und  so  bestattet.  Die  Mündungen  der 
Schächte  sind  auch  benutzt  worden  zur  Beisetzung  von  Toten,  die  in  den  der 
Spätzeit  geläufigen  primitiven  Holzsärgen  in  Mumienform  bestattet  waren.  Da 
man  diese  nicht  horizontal  in  den  Schächten  bergen  konnte,  stellte  man  sie 
senkrecht  hinein,  in  einem  Fall  fanden  wir  zwei  mächtige  Mumienschreine  dieser 
Art  in  einem  Schacht  einander  gegenüber  aufgestellt,  beide  Särge  blau  bemalt, 
der  eine  mit  weißem,  der  andere  mit  dunklem  Gesicht,  also  wohl  die  Särge 
von  Mann  und  Frau.  Rings  um  das  Fußende  dieser  so  primitiv  verscharrten 
Särge  lagen  zahlreiche  kleine  Totenfiguren. 

Von  einer  besonderen  Herrichtung  des  Grabes  konnte  bei  der  Mehrzahl 
der  sonstigen  Flachgräber  nicht  die  Rede  sein;  nur  in  zwei  Fällen  wurde  eine 
Einfriedigung  des  Grabes  durch  kümmerliche  Ziegelmauern  beobachtet,  sonst 
hat  man  sich  damit  begnügt,  in  den  leicht  zu  bearbeitenden  Wüstenboden  mäßig 
tiefe  Gruben  zu  graben  und  die  Särge  in  diesen  zu  verscharren;  sie  lagen  oft 
nur  wenige  Zentimeter  unter  der  modernen  Oberfläche.  Vorherrschend  waren 
die  Beisetzungen  in  den  primitiven  Holzschreinen  in  Mumienform,  meistens 
wiederbenutzten  alten  Exemplaren;  einigen  fehlte  sogar  der  Deckel,  er  war  in 
einem  Fall  ersetzt  durch  drei  Bretter  eines  alten  Kanopenkastens. 

Eine  ganze  Anzahl  der  in  diesen  Holzschreinen  beigesetzten  Mumien  war 
mit  Hüllen  aus  Papyruskartonnage  bekleidet.  Die  Särge  standen  oft  in  größeren 
Gruppen  dicht  gedrängt  beieinander.  So  lagen  in  einem  solchen  Nest  von  Pa- 
pyrusmumien sieben  Leichen,  abwechselnd  immer  eine  Mumie  mit  dem  Kopf 
nach  Westen,  eine  mit  dem  Kopf  nach  Osten.  Neben  den  Holzschreinen  traten 
auch  Tonsarkophage  auf  und  zwar  von  zwei  Formen,  einmal  Tonröhren,  die 
am  Fußende  geschlossen  sind  und  am  oberen  Ende  einen  rechtwinkligen  Aus- 
schnitt von  der  Tiefe  von  etwa  2/3  des  Durchmessers  der  Röhre  haben.  Der 
Leichnam  mußte  in  den  »Sarg«  durch  diese  Öffnung  hineingesteckt  werden, 
letztere  wurde  dann  durch  eine  als  Gesichtsmaske  gestaltete  Kappe  geschlossen. 
Die  andere  Gattung  sind  längliche  Wonnen  mit  Deckeln,  auf  denen  in  Nach- 
ahmung  der  Holzschreine   in  Mumienform    ein   Gesicht   und  öfters  auch  Hände 


1904.] 


RfBENsoHN  u.  Knatz:  Ausgrabungen  bei  Abusir  el  Mäläq  (1903). 


15 


angebracht  waren;    von  dieser  Sorte  wurden  aber  nur  ganz  rohe  und  schlecht 
erhaltene  Exemplare  gefunden. 

Neben  diesen  ärmlichen  Gräbern  traten  nur  vereinzelt  etwas  reicher  aus- 
gestattete auf.  Zu  diesen  gehören  Beisetzungen  in  Steinsärgen,  einfachen  läng- 
lichovalen Kisten  aus  Kalkstein,  ganz  roh  bearbeitet  und  ungeglättet,  die  mit 
großen  rohen  Kalksteinplatten  abgedeckt  waren.  In  ihnen  standen  Holzsärge 
in  Mumienform  mit  sorgfältiger  Bemalung  —  auf  den  Deckeln  die  geläufigen 
Darstellungen,  an  den  Wänden  des  Schreins  die  Unterweltsgottheiten  — ,  die 
darin  bestatteten  Mumien  trugen  vergoldete  Masken  aus  Pappe.  Als  Zeichen 
von  größerem  Wohlstand  ist  es  auch  anzusehen,  daß  einer  der  in  den  gewöhn- 
lichen Holzschreinen  Bestatteten  ein  lanzettliches  Goldblättchen  auf  der  Zunge 
hatte  und  auf  dem  einen  Auge  ein  kleines  quadratisches  Stück  Goldblech  mit 


Abb.  12. 


einem  runden  Loch  in  der  Mitte  für  die  Pupille.  Das  entsprechende  Blättchen 
auf  dem  anderen  Auge  fehlte,  im  Schutt  eines  geplünderten  Grabes  hat  sich 
ein  ganz  gleichartiges  Goldblättchen  gefunden,  so  daß  also  dieser  Brauch  nicht 
vereinzelt  dasteht. 

Beigaben  der  Art,  wie  sie  die  Schachtgräber  geliefert  haben,  fanden  sich 
nur  in  einem  einzigen  Flachgrabe  (Abb.  12).  Nur  wenige  Zentimeter  unter  dem 
modernen  Boden  lag  ein  mächtiger  Mumienschrein,  Kopf  nach  Westen,  mit  ver- 
goldetem Gesicht,  mit  den  geläufigen  Darstellungen  in  blauer  und  weißer  Farbe 
bemalt.  Rechts  neben  dem  Kopf  stand  nach  Osten  blickend  eine  Holzfigur  des 
Osiris  mit  der  Atef kröne,  links  ein  Eingeweidekasten  in  Form  eines  Naos,  ge- 


Iß 


Rubensohn  u.  Knatz:  Ausgrabungen  bei  Abusir  el  Mäläq  (1903). 


[41.  Band. 


krönt  von  einem  Sperber  mit  Federdiadem.  Das  Grab  gehört  in  dieselbe  Zeit 
wie  die  Schachtgräber  und  zeigt,  daß  beide  Bestattungsarten  nebeneinander  ge- 
pflegt wurden. 

Zwischen  den  Gräbern  fanden  sich  zahlreiche  leere  Sarkophage,  zum  großen 
Teil  in  Trümmern,  und  verworfene  Leichen  —  Zeugen  der  Plünderungen,  die 
der  Friedhof  in  alter  wie  in  neuer  Zeit  erfahren  hat.  Eine  dieser  verworfenen 
Leichen  hat  uns  wohl  den  wertvollsten  ägyptologischen  Fund  beschert,  den  die 
diesjährige  Kampagne  aufzuweisen  hat.   In  unmittelbarer  Nähe  des  oben  erwähn- 


Abb.  13. 


ten  Nestes  von  Papyrusmumien  wurde  dicht  unter  dem  Boden  die  Mumie  einer 
Frau  gefunden,  die  ganz  unscheinbar  in  Mumienbinden  eingewickelt  und  mit 
Palmrippen  zusammengebunden  war.  Die  Hände  waren  auf  der  Brust  gekreuzt. 
Am  vierten  und  am  kleinen  Finger  der  rechten  Hand  trug  die  Tote  Ringe,  an 
dem  einen  einen  goldenen  Doppelsiegelring,  die  beiden  ziemlich  abgenutzten 
Platten  mit  der  Darstellung  eines  Sistrums  auf  dem  Zeichen  F^l  (Abb.  13),  an 
dem  anderen  einen  Ring  aus  dunklem  Gold  —  vielleicht  ist  es  auch  ein  Misch- 
metall — ■  von  sehr  feiner  Arbeit,  in  zwei  Lilien  ausgehend,  die  eine  Platte 
einfassen,  auf  der  in  durchbrochener  Arbeit  zwei  Uräen  mit  Sonnenscheiben 
auf  den  Köpfen  wiedergegeben  sind  (Abb.  13).  Auf  der  Brust  der  Frau  lag, 
offenbar   ursprünglich  von   der  linken  Hand   gehalten,    die   in   mehrere  Stücke 


1904.] 


Rubensohn  u.  Knatz:   Ausgrabungen  bei  Abusir  el  Mäläq  (1903). 


17 


zerbrochene  weibliche  Figur,  die  Abb.  14  vorfuhrt.  Bei  der  Auffindung  war 
der  Kopf  der  Länge  nach  auseinandergeplatzt;  der  vordere  Teil  mit  dem  völlig 
unbeschädigten  Gesicht  lag  im  Schutt  neben  der  Leiche  und  hat  sich  leicht 
wieder  ansetzen  lassen.  Der  Kopf  war  gesprungen,  da  sich  um  einen  einge- 
setzten Metallteil  ein  Oxyd  gebildet  hatte.  Abgebrochen  war  auch  der  rechte 
Fuß,  er  steckte  in  dem  ebenfalls  getrennt  von  der  Figur  gefundenen  Fußbrett. 
Es  fehlt  nur  der  rechte  Unterarm.  Dargestellt  ist 
ein  schlankes,  etwa  vierzehnjähriges  unbekleidetes 
Mädchen.  Auf  dem  von  einer  Modefrisur  des  neuen 
Reiches  umgebenen  Kopf  sitzt  ein  »Salbkegel«,  in 
dessen  Schlitz,  gehalten  durch  einen  Bolzen,  eine 
Spiegelplatte  von  Bronze  gesessen  hat,  wie  die 
Spuren  des  Oxyds  im  Innern  des  Schlitzes  deutlich 
zeigen.  Die  Figur  ist  also  ein  Spiegelgriff,  der 
Spiegel  selbst  ist  jedoch  nicht  gefunden  worden. 
Auf  dem  vor  der  Brust  liegenden  linken  Arm  trägt 
das  Mädchen  seinen  Spielgefährten,  ein  Kätzchen, 
mit  der  rechten  Hand  hat  es  die  schwere  Haarmasse 
zurückgeschoben  und  spielt  mit  dem  großen  Ohr- 
gehänge1. Das  feine  Körperchen  ist  mit  viel  Liebe 
gearbeitet,  nur  die  Beine  sind  etwas  mißglückt,  wenn 
sie  auch  nicht  ganz  so  formlos  ausgefallen  sind,  wie 
sie  die  Vorderansicht  der  Figur  in  unserer  Abbildung 
zeigt.  Auch  die  Durchbildung  des  Rückens  ist  dem 
Künstler  nicht  besonders  gelungen,  doch  sieht  man 
wenigstens  das  Bestreben,  die  weichen  Formen  wieder- 
zugeben. Zwei  Grübchen  über  dem  Kreuz  zeugen  von 
Naturbeobachtung,  sind  aber  doch  etwas  leblos  aus- 
gefallen2. Im  Haar  sieht  man  Reste  schwarzer  Farbe, 
an  den  Ohrgehängen  und  am  linken  Handgelenk 
Spuren  von  Vergoldung.  Die  sorgfältige  Politur  des 
Figürchens  ist  so  vortrefflich  erhalten,  daß  uns  die 
Statuette  noch  heute  in  unmittelbarer  Frische  ent- 
gegentritt, obwohl  sie  an  der  Fundstelle  nicht  so 
unbedingt  gegen  jeden  Einfluß  der  atmosphärischen  Luft  geschützt  gewesen 
sein  kann. 

Neben  dem  Kopf  der  Mumie  lag  der  geschnitzte  Holzkamm  mit  dem  Kranz- 
ornament (Abb.  13)  und  daneben  ein  hölzerner  Haarpfeil  oder  Griffel  (Abb.  13) 
mit  einem  einfachen  Ornament.     Die  Vertiefungen  der  Schnitzereien  an  Kamm 


Abb.  14. 


x)  Dasselbe  Motiv  zeigt  ein  allerdings  viel  schlechter  gearbeiteter  Spiegelgriff  in  Turin 
(Masp.,  Hist.  anc.  II  533).  —  2)  Sie  finden  sich  ganz  ähnlich  auch  an  dem  zierlichen  Holzfigürchen 
Berlin  14389. 


Zeitschr.  f.  Ägypt.  Spr.,  41.  Band.     1904. 


18  Rubensohn  ii.  Knatz:  Ausgrabungen  bei  Abusir  el  Mäläq  (1903).  [41.  Band. 

und  Griffel  sind  mit  blauer  Paste  gefüllt.  Der  Schmuck  der  Leiche  wurde  ver- 
vollständigt durch  ein  Kollier,  das  aus  Fayenceperlen,  Augen  aus  Halbedel- 
steinen (Abb.  13,  Kornalm,  Smaragd,  Lapislazuli.  Amethyst),  Schiebern  und 
verschiedenen  anderen  Kettengliedern  bestand.  Bemerkenswert  ist  darunter  ein 
Stück  Bernstein.  Dazu  gehörte  auch  sicher  ein  neben  der  Leiche  im  Schutt 
gefundener  Skarabäus  mit  dem  Namen  Thutmosis'  III.,  der  die  Datierung  des 
Fundes,  die  aus  dem  Stil  der  Statuette  schon  erschlossen  werden  konnte,  sicher- 
stellt. In  Stoff  eingewickelt  fand  sich  schließlich  neben  der  rechten  Hüfte  der 
Frau  das  für  eine  ägyptische  Dame  notwendige  Toilettenrequisit,  eine  Büchse 
für  Augenschminke  mit  Schminkstiften  (Abb.  15). 

Die  Leiche  ist  wohl  bei  einer  jener  Grabplünderungen  aus  ihrem  Grab  ge- 
rissen und,  ohne  untersucht  zu  werden,  an  dem  Ort,  an  dem  wir  sie  gefunden, 
verscharrt  worden.    Vielleicht   entstammt    sie    einer  jener   tiefen  Grabkammern, 

von  denen  wir  an  er 
ijffrrffr  ster  Stelle  gesprochen 
haben;  für  diese  wäre 
dann  eine  ungefähre 
Datierung  gegeben. 
Abb  15  In   eine   noch   ältere 

Epoche  versetzt  uns  ein 
vereinzelt   im  Schutt  gefundener  Skarabäus  des  mittleren  Reiches  mit  Spiralen 

und  der   Inschrift  r£^f/WWNA      ^ T ^-^  V  V* 

Mit  kurzen  Worten  muß  schließlich  noch  eines  Fundes  Erwähnung  getan 
werden,  den  wir  durchaus  nicht  auf  dem  Totenfeld  erwartet  hatten.  Mitten 
zwischen  den  Gräbern  der  Spätzeit,  oberhalb  eines  tiefen  ausgeraubten  Grab- 
schachtes, fanden  sich  dicht  unter  der  Boden  Oberfläche  vergraben  vier  zum  Teil 
wohl  erhaltene  Bronzegefäße  aus  der  byzantinischen  Epoche:  zwei  runde  Kessel, 
jeder  auf  drei  angelöteten  Kugelfüßen  ruhend  mit  Bügelhenkel,  eine  schlanke 
Kanne,  deren  Bauch  durch  sechs  leicht  vertiefte  Kanneluren  mit  scharfen  Kanten 
gegliedert  ist,  mit  scharf  abgesetzter  Schulter  und  Hals,  hohem  Henkel,  auf 
dem  ein  Knopf  als  Aufsatz-  sitzt,  drei  Füßen  und  röhrenartigem  Ausguß,  und 
das  Hauptstück  des  Fundes:  eine  45  cm  hohe  vollständig  intakte  Bronzekanne 
mit  kugelförmigem,  weitem  Bauch,  scharf  abgesetztem  Hals,  durchbrochenem 
Rand  und  hohem,  steil  aufsteigendem  Henkel,  der  mit  einer  kurzen,  in  eine 
Blüte  endigen  Volute  am  Hals  und  mit  reich  ausgeführter  Palmette  am  Bauch 
der  Kanne  ansitzt,  gekrönt  von  einem  kleinen  Aufsatz  in  Form  eines  Altärchens 
(Abb.  16).  Der  Ausguß  ist  in  Gestalt  eines  krähenden  Hahns  gebildet;  Bauch, 
Schulter,  Hals,  Mündung  und  Henkel  sind  reich  verziert  mit  plastischen  und 
gravierten  Ornamenten ,  von  denen  besonders  die  schlank  emporsteigenden  Ranken 
am  Henkel  ein  hohes  Formgefühl  verraten,  das  in  einem  merkwürdigen  Gegen- 
satz steht  zu  Stillosigkeiten,   die  sich  an  der  Dekoration  von  Bauch  und  Hals 


1904. 


RriiKNsoHN  u.  Kitatz:  Ausgrabungen  bei  Abusir  el  Mäläq  (1903). 


19 


bemerkbar  machen.  In  den  Ornamenten  an  Mündung  und  Bauch  haben  sich 
noch  Reste  einer  eingelegten  Masse  —  vielleicht  Silber  —  erhalten.  Die  Zeit 
der  Entstehung  dieses  Prachtstückes  haßt  sich  aus  einzelnen  Dekorationsmotiven, 


Abb.  16. 


wie  z.  B.  den  gekuppelten  Säulen  mit  gewundenen  Schäften ,  die  die  auffallend 
ungeschickt  gezeichneten  Arkadenbögen  tragen,  und  den  noch  ganz  antiken  Ge- 
schmack verratenden  Ranken   des  Henkels  etwa  im   Beginn  der  byzantinischen 

3* 


20 


Rubensohn  u.  Kitatz:  Ausgrabungen  bei  Abusir  el  Mäläq  (1903). 


[41.  Band. 


Epoche  ansetzen.     Wie  die  Gefäße  an  den  Fundort  geraten  sind,  wird  immer 
unaufgeklärt  bleiben. 

Zum  Schluß  haben  wir  dann  noch  einiger  Baureste  zu  gedenken,  die  die  Gra- 
bungen auf  der  Nekropole  festgestellt  haben.  Die  nebenstehende  Skizze  (Abb.  17) 
veranschaulicht  einen  Teil  des  südlichen  Ausgrabungsfeldes  der  verflossenen  Kam- 
pagne.     Eingetragen    sind    in    ihr    die  hauptsächlichen  Schacht gräber,    darunter 


*    ■ 


Abb.  17. 


ist  Nr.  6  das  Papyrusgrab,  Nr.  7  das  oben  unter  Nr.  1  beschriebene  Grab.  Weiter 
nach  Osten  hin  schließt  sich  die  Hauptfundstätte  der  Flachgräber,  insbesondere 
derer  mit  Papyruskartonnage,  an;  hier  ist  auch  die  verworfene  Mumie  mit  der 
Holzstatuette  gefunden  worden.  Im  Osten  wird  dieser  Platz,  wie  man  sieht, 
durch  eine  Mauer  von  1,70  m  Breite  abgeschlossen.  Die  im  Norden  und  Westen 
an  sie  anstoßenden  Schenkelmauern  waren  in  ihrer  Fortsetzung  nach  Westen  hin 
gänzlich  zerstört,  so  daß  wir  über  ihren  Verlauf  hier  nichts  sagen  können. 
Erhalten  sind  nur  die  knapp  70  cm  hohen  Fundamente  der  Mauer,  die  in  der 
ganzen  aufgedeckten  Länge  genau  in  gleicher  Höhe  abschließen.  Sie  bestehen 
aus  lufttrockenen  Ziegeln.  Was  sich  für  ein  Aufbau  auf  ihnen  erhob,  muß 
ganz  dahingestellt  bleiben,  wie  wir  auch  über  die  Bedeutung  der  mit  mannig- 
fachen Vorsprüngen  und  Einziehungen  versehenen  Mauer  keinen  Aufschluß  geben 
können.  Die  beiden  großen  Vorsprünge  in  der  Mitte  der  Ostmauer  muten  wie 
Pfeiler  an,  die  ein  großes  Tor  flankieren  —  für  die  Annahme,  daß  es  sich 
nur  um  eine  Einfriedigung  eines  Teiles  der  Nekropole  handele,  ist  die  Mauer 
zu  dick.     Die  neben  der  Mauer  aufgedeckten  Schachtgräber  nehmen  Rücksicht 


1904.]  Rubensohn  u.  Knatz:  Ausgrabungen  bei  Abusir  el  Mäläq  (1903).  21 

auf  sie,  insbesondere  auch  Grab  18,  das  eine  Anzahl  der  länglichen  Tongefäße 
geliefert  hat,   die  für  den  Ausgang  des  neuen  Reiches   charakteristisch  sind. 

Ebensowenig  haben  wir  eine  Aufklärung  über  die  Mauerzüge  erhalten,  die 
sich  in  der  Xordostecke  an  die  Mauer  anschließen.  Es  ist  hier  alles  außer- 
ordentlich zerstört. 

Die  Ausgrabungen  haben  sich  bis  jetzt  nur  auf  einen  ganz  beschränkten 
Bezirk  des  ausgedehnten  Totenfeldes  erstreckt,  und  zwar  haben  wir  offenbar 
bisher  nur  den  Friedhof  der  mittleren  Stände  aufgedeckt.  Es  wird  sich,  auch 
von  rein  ägyptologischem  Standpunkt  aus,  verlohnen,  die  Untersuchungen  fort- 
zusetzen, um  festzustellen,  ob  der  Name  »nördliches  Abydos«  nur  ein  zufälliges 
Zusammentreffen  ist,  oder  ob  dem  Friedhof  in  irgend  einer  Beziehung  —  sei 
es  auch  nur  in  zeitlicher  oder  in  örtlicher  Beschränkung  —  eine  Bedeutung 
zukommt  wie  dem  Abydos  des  Südens. 

Mit  Rücksicht  auf  solche  Erwägungen  muß  aber  noch  eine  andere  Möglich- 
keit in  Betracht  gezogen  werden.  Während  in  der  einen  von  Petrie  in  der 
oben  zitierten  Schrift  publizierten  Sarkophaginschrift  ein  Priester  des  Harbes 
im  nördlichen  Abydos  genannt  wird,  nennt  die  Inschrift  des  anderen  Sarkophags 
als  Besitzerin  desselben  eine  Sistrumspielerin  des  Harsaphes  von  Herakleopolis. 
Auch  bei  unserer  Grabung  haben  wir  den  (jetzt  in  Straßburg  befindlichen)  Sar- 
kophag eines  Herakleopoliten  gefunden,  dessen  Namen  und  Titel  die  folgende 
Inschrift  enthält:   Stn  di  htp  LH    Ö  1A11$)^~>^\     XX     (Var.  *%<?' 

'  /wvvvn  -<2>-  I  V  I  TiT    Q    ©  is/w*a  _£^  *^_  i/>5H 


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^      __dL\^    AAAAA/N 

\\  _CTV^  I    V  _l±    <£_1'  /wvn^    — /-J      *5^-        1  /ww^  II     ■""  /www      I     <C >  'K^^       B        L  cü 


-(D-     |       flg^T^?-^      kS^I  =9=|\      ftff^ft      D  X  ^\   |||s«!Ö  O 

L7Z)    I     _A  1 /www //TT*.   _ß^  Ol  O    D-B* 


AAAAAA 


*  '  usw.  Auch  unter  den  Besitzern  der  zahlreichen  kleinen  Totenfiguren,  die 
die  Schachtgräber  der  Spätzeit  geliefert  haben,  fanden  sich  Leute  mit  dem  Titel 
Ig^        ,   der  ja  bekanntlich  auf  den  Tempel  des  Harsaphes  in  Ehnas  hinweist. 

Diese  drei  Zeugnisse  würden  uns  vielleicht  zu  der  Annahme  berechtigen, 
daß  wir  in  dem  Totenfeld  von  Abusir  el  Mäläq  eine  zweite  Nekropole  von  Ehnas 
außer  der  schon  bekannten  bei  Sedment  el-gäbäl  zu  sehen  hätten,  doch  stehen 
dem  wohl  die  20  km  in  der  Luftlinie  entgegen,  die  unser  Ausgrabungsfeld  von 
Ehnasje  trennen.  Man  tut  vorläufig  noch  besser,  die  weitere  Untersuchung  des 
Platzes  abzuwarten1. 


')  Nicht  unerwähnt  soll  bleiben,  daß  die  älteste  Erwähnung  unseres  »nördlichen  Abydos« 
in  einem  Papyrus  aus  der  Zeit  Amenophis'  III.  vorzukommen  scheint.  Griffith,  The  Petrie  Papyri 
S.  93  —  94,  zitiert  aus  einem  Papyrus  aus  Gurob  aus  der  Regierungszeit  des  genannten  Königs  einen 
Ort  Per  Usir,  der  in  der  Nähe  von  Gurob  gelegen  haben  muß,  da  Leute  aus  Gurob  eine  Rechts- 
handlung vor  dem  Gerichtshof  von  Per  Usir  vornehmen.  Griffith  hat  dies  Per  Usir  wohl  mit 
Recht  mit  unserem  nördlichen  Abydos  identifiziert.  Wir  verdanken  den  Hinweis  auf  dieses  Zitat 
W.  Spiegelberg,  dem  wir  auch  sonst  für  vielfache  Hilfe  in  ägyptologischen  Fragen  zu  Danke  ver- 
pflichtet sind.  In  gleicher  Weise  sind  wir  L.  Borchardt,  G.  Möller  und  H.  Schäfer  Dank  schuldig, 
die  uns  jederzeit  ihre  sachkundige  Unterstützung  geliehen  haben. 


22 


Georg  Schweinfurth:    Ein  neuentdeckter  Tempel  in  Theben. 


[41.  Band. 


Ein  neuentdeckter  Tempel  in  Theben. 

Von  Georg  Schweinfurth. 
Mit  9  Abbildungen. 


A.m  16.  Januar  d.  J.  erstieg  ich  bei  meinen  paläolithischen  Nachforschungen  eine 
ungefähr  400  m  über  dem  Nil  gelegene  Höhe  des  obersten  Gebirgsabfalls  auf 
der  Westseite  von  Theben,  die  als  weit  nach  Osten  vorspringende  Ecke  gekenn- 
zeichnet sich  überall  den  Blicken  aufdrängt  und  die  wiederholt  meine  Neugierde 
wachgerufen  hatte,  weil  dort  alte  Baureste  sichtbar  waren,  über  deren  Bedeu- 
tung niemand  Aufschluß  zu  geben  wußte.  Die  Ortlichkeit,  die  in  der  Luftlinie 
2V-2  km  in  Nordnordost  von  der  Felsklause  Bab  el  Melük  im  Tale  der  Königs- 
gräber  entfernt  liegt,  ist  auf  meiner  dem  Aufsatze  von  Dr.  M.  Blanckenhorn  über 
die  Geschichte  des  Nils  beigegebenen  »Skizze  des  Gebirges  bei  Theben«  (Zeitschr. 
d.  Ges.  f.  Erdk.  1902,  Taf.  11)  mit   »Ruine«   bezeichnet  worden. 

Ein  in  alten  Zeiten  wohlbetretener  Pfad,  der,  weil  seit  Jahrhunderten  nicht 
mehr  benutzt,  nur  undeutlich  ausgeprägt  erscheint,  dagegen  von  der  Höhe  aus 
gesehen  sich  als  breites  Band  sehr  scharf  markiert,  führt  von  der  am  Fuße  der 
Vorhügel  sich  bis  zum  Nil  ausdehnenden,  leichtgewellten  Fläche  aus  anfänglich 
in  westsüdwestlicher  Richtung  auf  dem  Rücken  einer  zwischen  zwei  Rinnsalen 

verlaufenden  Rampe,  bis  unge- 
fähr die  halbe  Berghöhe  erreicht 
ist.  Alsdann  erklimmt  der  Pfad, 
über  steil  abstürzende  Schutt- 
und  Kiesgehänge  und  über  meh- 
rere jähe  Felswände  setzend,  die 
hohe  Bergecke  geradezu  in  Nord. 
Das  Bauwerk  auf  der  Höhe 
erwies  sich  als  ein  kleines  Heilig- 
tum des  neuen  Reichs.  Es  war 
von  einer  Umfassungsmauer  aus 
Luftziegeln,  imViereck2lX24m 
messend,  umgeben  und  machte 
mit  dem  nach  Südost  gerichteten 
Eingangstor  zum  Absturz  und  zum  Niltal  Front.  Auf  dieser  Seite  hat  die  Um- 
fassungsmauer eine  Dicke  von  etwas  über  2  m,  und  sie  ragt  daselbst  noch  heute 
bis  zu  4  m  über  dem  Boden  empor.  Von  den  übrigen  nur  l/2  m  dicken  Mauerseiten 
sind  allein  die  unteren  Ziegellager  erhalten,  in  einer  Höhe  von  wenig  über  1  m. 
Die  aus  Nilton  geformten  Luftziegel  messen  30X15  cm.  Der  Toreingang  ist  gänzlich 


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Ansicht  des  Tempels  von  Osten. 


1904.1 


Georg  Schweinfurth:    Ein  neuentdeckter  Tempel  in  Theben. 


23 


Nr.  1. 


Nr.  2. 


Nr.  3. 


Nr.  5. 


Nr.  6. 


Bruchstücke  der  Türeinfassung  aus  weißem  Kalkstein. 

Etwa  5  u  natürlicher  Große. 


zerstört  und  etwaige  Reste  desselben  wohl  noch  unter  dem  daselbst  angehäuften 
Schutt  erhalten.  Vermutlich  war  das  Tor  aus  Sandsteinblöcken  gebildet,  die  nebst 
dem  Kalkstein  und  den  Nilziegeln  aus  dem  Niltal  herbeigeschafft  werden  mußten. 


24 


Georg  Schweinfurth  :    Ein  neuentdeckter  Tempel  in  Theben. 


[41.  Band. 


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Grundriß. 


Der  innere  Bau  mißt  10X8m  und  an  ihm  weist,  wie  an  der  Umfassungs- 
mauer, die  östliche  Frontseite  gleichfalls  eine  vermehrte  Dicke  auf,  hier  die  von 

1,3  m.  Das  Eingangstor  war  aus  feinbearbeiteten  Kalk- 
steinblöcken gefügt,  von  denen  sich  unter  den  dort  ange- 
häuften Trümmern  noch  einige  Stücke  vorfanden.  Im 
Innern  des  Baues  ist  der  Boden  durchwühlt  und  von 
Schutthaufen  und  Gruben  erfüllt.  Auf  der  Westseite  des 
inneren  Heiligtums  sind  drei  innen  2  Xl,8  m  messende 
Kammern  mit  ihren  untersten  Mauern  sichtbar1. 

Die  mit  Inschriften  versehenen  Kalksteinblöcke  der 
Türeinfassung  des  inneren  Baues  sind  von  den  Zer- 
störern in  kleine,  kaum  handgroße  Stücke  zerschlagen 
worden  und  von  diesen  Bruchstücken,  die  ich  dem 
Museum  zu  Kairo  übergeben  habe,  lege  ich  hier  sechs 
nach  Abklatschen  ausgeführte  Zeichnungen  bei.  Die 
erhaltenen  Zeichen  sowie  der  Stil  der  Weihinschrift  werden  die  Zeit  der  Erbauung 
des  Heiligtums  bestimmen  lassen.  Wahrscheinlich  (nach  Prof.  Sayce)  wird  dasselbe 
der  Königin  Makere  Hatschepsowet  zuzuschreiben  sein2.  Die  von  mir  oberflächlich 
aufgelesenen  Trümmer  werden  bei  Nachgrabung  im  Schutt  sich  gewiß  noch  ver- 
vollständigen, vielleicht  schließlich  die  ganze  Inschrift  zusammenstellen  lassen. 
Von  der  Bedeutung  des  Heiligtums  legen  große  Sandsteinblöcke  Zeugnis  ab, 
die  gewiß  mit  vieler  Mühe  zu  dieser  bedeutenden  Höhe  hinaufgeschleppt  worden 

sind.    Es  liegen  deren  eine  ganze  Anzahl  auf  der  Ost- 
seite, außerhalb  der  Umfassungsmauer,  zwei  derselben 
auf  der  Westseite  außerhalb  des  inneren  Baues.    Einige 
dieser  Sandsteinblöcke  haben  eine  eigentümlich  gebogene 
Gestaltung  und  messen  bei  14  cm  Dicke  80X50  cm. 
Sie  erinnern  in  ihrer  Form  an  dicke  Panzerplatten.    An 
einigen  der  Sandsteinblöcke  finden  sich  spätere  Inschrif- 
ten eingekritzelt,  es  sind  daselbst  koptische  Kreuze  und 
griechische  Initialen   sichtbar.     Eine   andere  aus  acht 
Zeichen  bestehende  deutlich  eingemeißelte  Inschrift,  von 
der  ich  Abklatsche  und  Kopien  herstellte,  hat  bisher  noch  nicht  gedeutet  werden 
können.    Die  Vermutungen  verschiedener  Kenner,  denen  ich  die  Schriftprobe  vor- 
legte, gingen  weit  auseinander.     Jedenfalls  ist  sie  eine  semitische. 


Bruchstück  einer  Trommel. 

(Von  der  Türeinfassung?) 

Weißer  Kalkstein. 


x)  Auf  dem  beigegebenen  Grundriß  ist  der  Innenbau  zu  weit  auf  die  linke,  südliche  Seite 
geraten.  Derselbe  nimmt  auf  der  Westseite  des  von  der  Umfassungsmauer  eingefriedigten  Raumes 
genau  die  Mitte  ein. 

2)    Auf  dem  Bruchstück  Nr.  5    ist  man  geneigt   den  Namen    liT  ^^     zu  erkennen,   den 

König  S-cnh-7c;-rc  Mentu-hotep,  der  letzte  König  der  11. Dynastie,  als  Horus-  und  «6{/-Namen  führte. 
Der  auf  Nr.  4  genannte  in  den  Ring  eingeschlossene  Königsname,  der  in  der  Tat  mit  |_J  zu  endigen 

scheint,  wäre  dann  zu  (  ©fi-rU  ]  zu  ergänzen.  Sethe. 


1904.]  Georg  Schweinflrth:    Ein  neuentdeckter  Tempel  in  Theben.  2o 

Nachschrift. 

Am  80.  Januar  1904  war  mir  die  Freude  zuteil,  den  Generaldirektor  der 
ägyptischen  Altertümer  M.  Maspero  selbst  zu  der  Stelle  zu  geleiten,  damit  der- 
selbe durch  eigenes  Anschauen  darüber  entscheiden  möchte,  ob  es  sich  wirklich 
um  einen  Tempel  handelte  oder  nicht.  Er  hatte  auch  einige  Arbeiter  mitge- 
nommen, um  an  den  zertrümmerten  Toreingängen  nach  weiteren  Resten  von 
Inschriften  zu  suchen.  Es  fand  sich  indes  nichts,  was  unbedingt  ausschlag- 
gebend gewesen  wäre  für  die  Zeitbestimmung.  Nach  Maspero  berechtigten  die 
erhalten  gebliebenen  Zeichen  indes  zu  der  Annahme,  daß  diese  Kultstätte  ihre 
Gründung  bzw.  Wiederherstellung  unter  der  Regierung  Nechos ,  Sohns  des  Psame- 
tich,  also   um   die  Wende   des   7.  zum  6.  Jahrhunderts  v.  Chr.,    erfahren   habe. 

Gelegentlich  des  letzten  Besuchs  fanden  sich  auch  Trümmerstücke  zweier 
aus  Kalkstein  gehauener  Thotpaviane  mit  menschlich  geformten  Fingern  und 
Penis.  Unter  den  von  ehemaligen  Tempeldarbringungen  herstammenden  Holz- 
stücken wurde  das  Schwanzstück  eines  jener  Sperber  aufgelesen,  wie  solche  auf 
den  Salben-  und  Spezereikasten  angebracht  zu  werden  pflegten,  die  man  als  Opfer- 
gabe niederlegte.  Es  fanden  sich  ferner  Scherben  von  Alabaster-  und  von  Ton- 
gefäßen verschiedener  Art. 

Von  dem  Sandsteinblock  mit  der  unentzifferten  semitischen  Inschrift  ließ 
M.  Maspero  das  betreffende  Stück  absprengen  und  dem  Kairiner  Museum  ein- 
verleiben. 

Der  in  alten  Texten  gebräuchliche  Ausdruck  »Stirn  des  Westens«  soll  nach 
Maspero  fär  diesen  kleinen  Tempel  oder  für  die  Höhe,  die  ihn  trägt,  nicht 
anwendbar  sein,  da  die  bekannten  Beispiele  diese  topographische  Bezeichnung 
nicht  für  dominierende  Höhen,  sondern  eher  für  Vorwerke  und  Vorsprünge  am 
Fuß  des  Gebirges  in  Anwendung  bringen.  Als  Typen  dafür  könnten  u.  a.  die 
bei  Theben  sichtbaren  Vorhügel  von  Schech  Abd-el-Qurna  und  von  Qurnet- 
Murrai  dienen,  die  man  in  der  geologischen  Ausdrucksweise  als  »abgesunkene 
Schollen«   bezeichnet. 

Inzwischen  hat  auch  Maspero  selbst  einen  Bericht  über  unseren  gemein- 
schaftlich unternommenen  Ausflug  auf  die  Höhe  des  Tempels  erstattet  in  einem 
»Chez  le  dieu  Thot«  überschriebenen  Artikel  des  »Temps«  vom  15.  August  d.  J. 
Maspero  bestätigt  in  demselben  die  oben  erwähnten  Fundumstände.  Die  hier 
verehrte  Gottheit  war  Thot,  und  das  Tempelchen,  das  wahrscheinlich  die  Rolle 
eines  volkstümlichen  Orakels  gespielt  hat,  wird  wahrscheinlich  nur  an  bestimmten 
Festtagen  von  Priestern  besucht  worden  sein.  Es  enthielt  indes  mindestens  zwei 
Naos  von  verschiedener  Größe.  Die  eine  Thotfigur  hat  ungefähr  60  cm  ge- 
messen. Auf  einem  von  der  Außenwand  des  einen  Naos  herstammenden  Bruch- 
stück erkennt  man  einen  Teil  von  der  Figur  des  Opfer  darbringenden  Königs. 


Zeitschr.  f.  Ägypt.  Spr.,  41.  Band.     1904. 


26  Brix:   Das  im  zweiten  Papyrusfund  von  Kahun  enthaltene  Sothisdatum.  [41.  Band. 


Über  das  im  zweiten  Papyrusfund  von  Kahun  enthaltene  Sothisdatum 
des  mittleren  Reiches  der  ägyptischen  Geschichte. 

Von  W.  Brix. 


Im  XXXVII.  Band  dieser  Zeitschrift  hat  L.  Borchardt  (S.  99)  eine  Notiz  aus 
dem  zweiten  Papyrusfund  von  Kahun  mitgeteilt,  nach  der  der  Fürst  und  Tempel- 
vorsteher Nb-faw-rc  im  Jahr  7  an  den  ersten  Vorlesepriester  der  Stadt  »Der  selige 
Senwosret  ist  mächtig«  schreibt:  »Du  sollst  wissen,  daß  der  Aufgang  des  Sirius 
am  16.  des  4.  Wintermonats  stattfindet  usw.«.  Es  entstand  die  Frage,  wie 
dieses  an  sich  sehr  bestimmte  Datum  für  die  Chronologie  des  mittleren  Reiches 
nutzbar  zu  machen  wäre.  Die  Beantwortung  dieser  Frage  ist  erstens  davon 
abhängig,  von  wann  ab  man  das  Jahr  7  rechnen  will,  und  zweitens  davon, 
wie  man  den  heliakischen  Aufgang  des  Sirius  deutet. 

Hinsichtlich  des  ersten  Momentes  hat  L.  Borchardt  es  wahrscheinlich  ge- 
macht, daß  es  sich  um  die  Regierungszeit  Senwosrets  III.  handelt  und  daß  als 
erstes  Jahr  seiner  Regierung  das  mit  dem  1 .  Thoth  nach  dem  Tode  Senwosrets  II. 
beginnende  Jahr  gezählt  wird.  Für  das  zweite  Moment  hat  Oppolzer  (Sitzungs- 
berichte der  Wiener  Akademie  der  Wissenschaften  Bd.  90,  II.  Abteilung,  S.  557 
bis  584)  eine  Spezialuntersuchung  angestellt.  Oppolzer  geht  dabei  von  der 
Ansicht  aus,  daß  der  Sothisperiode  eine  chronologische  Bedeutung  überhaupt 
nicht  zukomme,  was  bei  ihrer  viele  Menschenalter  umfassenden  Dauer  ja  auch 
tatsächlich  zweifelhaft  erscheint,  sondern  daß  nur  das  Wiederkehren  des  helia- 
kischen Siriusaufganges  am  1.  Thoth  als  eine  astronomisch  interessante  Kon- 
stellation rituell  entsprechend  gefeiert  wurde.  Darin  liegt  zugleich  die  Annahme, 
daß  die  verschiedenen  Sothisdaten  nicht  festen  Tabellen  entnommen,  sondern 
durch  direkte  Beobachtung  am  Himmel  ermittelt  wurden.  Hieraus  ergibt  sich 
dann  wieder  wegen  der  allmählichen  Veränderung  der  Sternörter,  daß  diese 
astronomische  Sothisperiode  nicht  konstant  4>  365  =  1460  julianische  oder 
1461  bewegliche  ägyptische  Jahre  betragen  kann,  wie  es  der  rein  chronologischen 
Berechnung  zufolge  sein  müßte,  sondern  in  ihrer  Länge  variabel  und  in  ihrem 
Beginn  von  der  geographischen  Breite  und  der  persönlichen  Übung  des  Beo- 
bachters —  den  Himmel  immer  als  gleichmäßig  klar  vorausgesetzt  —  abhängig 
ist.  Oppolzer  untersucht  dann  die  astronomischen  Bedingungen,  die  für  den  Sirius- 
aufgang des  von  Censorinus  beglaubigten  Sothisperiodenanfangs  im  Jahre  139 
n.  Chr.  in  der  geographischen  Breite  von  30°  (etwa  Memphis)  stattfanden,  und 
gibt   im  Anschluß    hieran  Formeln    zur  Berechnung   der  Daten  aller  unter  den 


1904.]  Brix:    Das  im  zweiten  Papyrusfund  von  Kahun  enthaltene  Sothisdatum.  2< 

gleichen  Bedingungen  (in  derselben  Breite)  beobachteten  Siriusaufgänge  (a.  a.  0. 
S.  576  u.  577).     Wendet  man  diese  Formeln   auf  die   Berechnung   des    obigen 

Siriusdatums  an,   so  kommt  man  auf  die  Jahre  — 1875 1872  =  1876  — 1873 

v.  Chr.,  da  ja  im  allgemeinen  der  heliakische  Siriusaufgang  viermal  hintereinander 
auf  denselben  Tag  fallen  muß,  wozu  man,  da  der  maßgebende  Beobachter  den 
ersten  der  vier  heliakischen  Aufgänge  leicht  um  ein  Jahr  zu  spät  beobachtet 
haben  kann,  noch  ein  Jahr  nach  unten,  nämlich  1872  v.  Chr.,  schlagen  kann. 
Diese  Zahlen  sind  auch  von  L.  Borchardt  (a.a.O.   S.101)  mitgeteilt. 

E.  Mahler  hat  nun  (diese  Zeitschrift  XL.  Band  S.  78 — 92)  eine  etwas 
andere  Berechnungsart  gewählt,  die  insofern  nicht  ganz  konsequent  ist,  als  sie 
zwar  von  dem  OppoLZERSchen ,  astronomisch  berechneten  Anfang  der  zweiten 
Sothisperiode :  — 1317  =  1318  v.  Chr.,  ausgeht  (der  Anfang  nach  chronologischer 
Rechnung  würde  auf  139  —  1460  =  —1321  =  1322  v.  Chr.  anzusetzen  sein), 
dann  aber  die  astronomische  Rechnung  verläßt  und  rein  chronologisch,  also  mit 
einer  konstanten  Sothisperiode  von  1460  julianischen  Jahren  weiter  zurückrechnet. 
Er    kommt    damit    auf   die   Jahre    -1877 1874    oder    1878— 1875  v.  Chr. 

Würde  man  ganz  chronologisch,  d.  h.  mit  einer  konstanten  Sothisperiode 
von  1460  julianischen  =  1461  beweglichen  ägyptischen  Jahren,  rechnen,  so  käme 
man  auf  die  Jahre  -1881 1878  =  1882—1879  v.  Chr. 

Für  den  chronologischen  Wert  der  gedachten  Papyrusnotiz  sind  diese  ge- 
ringen Jahresdifferenzen  natürlich  vollkommen  gleichgültig.  Nimmt  man  wirklich 
mit  Oppolzer  an,  daß  die  Siriusaufgänge  nicht  nach  Tabellen,  sondern  durch 
direkte  Beobachtung  gefunden  wurden,  wenigstens  in  dem  Sinne,  daß  etwaige 
extrapolierte  Tabellen  von  Zeit  zu  Zeit  am  Himmel  kontrolliert  und  gegebenen- 
falls berichtigt  wurden,  so  würden  Beobachtungsfehler  der  mit  der  Kontrolle 
betrauten  Priester  noch  ganz  andere  Differenzen  zu  erklären  imstande  sein. 
An  sich  kann  man  aber  auch  die  OppoLZERsche  Hypothese  keineswegs  als  sehr  wahr- 
scheinlich ansehen.  Denn  die  Differenz  zwischen  der  astronomischen  und  der 
chronologischen  Sothisperiode  beträgt  für  die  hier  in  Betracht  kommende  Periode 
nur  zwei  bis  drei  Jahre  auf  1460  Jahre,  d.  h.  es  fällt  zwei-  oder  dreimal  im 
Laufe  von  1460  julianischen  =  1461  beweglichen  ägyptischen  Jahren  der  Sirius- 
aufgang nur  in  drei  aufeinander  folgenden  Jahren  auf  dasselbe  Datum  statt 
viermal  hintereinander.  Die  fraglichen  Jahre,  auf  die  solche  Anomalien  fallen, 
würden  sich  ja  durch  astronomische  Berechnung  leicht  finden  lassen.  Für  eine 
solche  reichten  aber  die  Kenntnisse  der  alten  Ägypter  bei  weitem  nicht  aus. 
Ihre  Festlegung  durch  Beobachtung  würde  andererseits  die  ganzen  Kräfte  eines 
außerordentlich  geschulten  Beobachters  erfordern.  Bedenkt  man  nun,  daß  in 
dieser  Beziehung  nach  allen  Erfahrungen  den  alten  Ägyptern  nicht  allzu  große 
Fähigkeiten  zugeschrieben  werden  dürfen  und  daß  der  von  ihnen  zur  Beobach- 
tung ausgewählte  Moment,  der  heliakische  Aufgang,  unter  allen  astronomisch 
auszuwählenden  Konstellationen  die  für  die  direkte  Beobachtung  denkbar  un- 
günstigsten Bedingungen  vereinigt,   so  kann  man  nicht  zweifelhaft  darüber  sein, 


28  Brix:   Das  im  zweiten  Papyrusfund  von  Kahun  enthaltene  Sothisdatum.  [41.  Band. 

wie  gering  die  Aussichten  für  die  Festlegung  eines  Siriusaufganges  durch  Beo- 
bachtung im  Sinne  der  OppoLZERschen  Annahme  selbst  bei  dauernd  konstanten 
atmosphärischen  Bedingungen  sein  mußten.  Da  aber  eine  für  solche  Beobach- 
tungen ausreichend  konstante  Durchsichtigkeit  der  Luft  selbst  in  Ägypten  nicht 
angenommen  werden  kann,  so  ergibt  sich,  daß  ein  historisch  beglaubigter  Sirius- 
aufgang niemals  zu  einer  exakten  Festlegung  der  etwa  in  Betracht  kommenden 
vier  Jahre  benutzt  werden  darf,  sondern  nur  zu  einer  ungefähren  Festlegung 
der  Epoche,  wenn  man  sich  auf  den  Boden  der  OppoLZERschen  Annahme  stellt, 
die  die  Sichtbarkeitsbedingungen  eines  heliakischen  Siriusaufganges  aus  einem 
einzigen  historischen  Datum  ableitet.  Dagegen  würde  eine  solche  exakte  Fest- 
legung wohl  möglich  sein,  wenn  man  die  chronologische  Sothisperiode  von  1460 
julianischen  =  1461  ägyptischen  Sonnenjahren  annähme.  Daß  diese  bestanden 
habe,  kann  man  aber  ebensowenig  mit  Sicherheit  behaupten  wie  das  Gegenteil. 

Für  denjenigen,  der  sich  allein  auf  den  Boden  des  wirklich  zu  Beweisenden 
stellen  will,  kann  daher  das  von  L.  Borchardt  gefundene  Sothisdatum  nur  die 
Bedeutung  haben,  daß  es  das  fragliche  Jahr  etwa  auf  1875  v.Chr.  bestimmt, 
wobei  ein  Spielraum  von  10  oder  selbst  20  Jahren  nach  beiden  Seiten  nicht 
ausgeschlossen  erscheint. 

E.  Mahler  hat  nun  (a.  a.  0.  S.  82  u.  83)  mit  Hilfe  von  Wahrscheinlichkeits 
erwägungen  eine  eindeutige  Fixierung  des  gedachten  Jahres  versucht.  Im  wesent- 
lichen auf  dem  Boden  der  OppoLZERschen  Hypothese  stehend,  wonach  wenigstens 
der  Anfang  einer  Sothisperiode  durch  direkte  Beobachtung  ermittelt  worden 
wäre,  nimmt  er  an,  daß  mit  dem  fraglichen  Siriusdatum  ein  solches  gemeint 
sei,  das  mit  einem  Neumond  zusammengefallen  sei.  Die  Gründe,  die  ihn  hierfür 
bestimmen,  sind  einmal  die  anerkannte  Wichtigkeit  beider  Konstellationen  für 
das  Feiern  von  Festen  und  zweitens  die  Tatsache,  daß  in  den  Tempelrechnungen 
Feste  vorkommen,  die  mit  einiger  Wahrscheinlichkeit  als  Neumonde  angesprochen 
werden  können.  Die  Anwendung  derartiger  Erwägungen  auf  eine  exakte  Fixie- 
rung des   Sothisdatums  ist  geeignet,   schwere  Bedenken  zu  erwecken. 

Man  wird  zwar  ohne  weiteres  zugeben  können,  daß  die  rechtzeitige  Kenntnis 
einer  so  wichtigen  Koinzidenz  als  eines  dankbaren  Mittels,  dem  gläubigen  Volke 
möglichst  reichliche  Opfer  zu  entlocken,  den  Priestern  der  Stadt  »Der  selige 
Usertesen  ist  mächtig «  von  nicht  geringem  Wert  sein  mußte.  Hieraus  folgt  aber 
noch  nicht,  daß  die  Notiz  nun  wirklich  auch  eine  solche  Koinzidenz  betrifft. 
In  der  BoRCHARDTSchen  Lesung  (a.  a.  0.  S.  99)  lautet  sie  einfach  » Du  sollst 
wissen,  daß  der  Aufgang  des  Sirius  am  16.  des  4.  Wintermonats  stattfindet 
usw.«.  Diese  Fassung  enthält  weder  eine  Andeutung  eines  Neumondsdatums, 
noch  würde  sie  irgendwie  zu  ändern  sein ,  wenn  es  sich  zweifellos  um  einen 
nicht  mit  einem  Neumondsdatum  zusammenfallenden  Siriusaufgang  handelte. 
Sie  ist  in  dieser  Beziehung  völlig  nichtssagend.  Aus  der  Fassung  der  Notiz 
schließt  E.  Mahler  allerdings  auch  nicht,  daß  es  sich  um  ein  Neumondsdatum 
gehandelt  habe,   sondern  nur  aus  der  Tatsache  der  Erwähnung  überhaupt.     Es 


1904.]  Brix:   Das  im  zweiten  Papyrusfund  von  Kahun  enthaltene  Sothisdatum.  29 

hindert  aber  nichts,  anzunehmen,  daß  schon  ein  gewöhnlicher  Sothisaufgang 
den  Anlaß  zu  einem  Fest  gab.  Ja  man  könnte,  wenn  die  gedachte  Koinzidenz 
wirklich  als  so  wichtig  angesehen  werden  mußte,  gerade  aus  der  Unterlassung 
jeder  diesbezüglichen  Hindeutung  im  Brief  schließen,  daß  das  fragliche  Sirius- 
datum sicher  nicht  mit  einem  Neumond  zusammenfiel.  Ebenso  könnte  man 
z.  B.  aus  der  Tatsache,  daß  der  Fürst  und  Tempelvorsteher  Nb-klw-rc  überhaupt 
eine  Benachrichtigung  der  Priester  in  der  Stadt  »Der  selige  Senwosret  ist  mächtig« 
für  erforderlich  hielt,  schließen,  daß  es  sich  um  das  erste  oder  das  letzte  der 
vier  in  Betracht  kommenden  Jahre  handelte,  oder  gerade  aus  der  Tatsache,  daß 
auch  jede  diesbezügliche  Andeutung  fehlt,  umgekehrt  folgern,  daß  eins  der 
beiden  andern  Jahre  gemeint  sein  müßte.  Man  wird  jedenfalls  bei  unbefangener 
Prüfung  nicht  behaupten  können,  daß  irgendeiner  dieser  Hypothesen  der  Vor- 
zug von  den  übrigen  gebühre,  woraus  hervorgeht,  daß  aus  der  Notiz  nichts 
weiter  geschlossen  werden  darf,   als  ihr  Wortlaut  direkt  besagt. 

Aber  ganz  abgesehen  hiervon  ist  auch  das  Zusammenfallen  des  Sirius- 
aufgangs mit  dem  Neumond  auf  denselben  ägyptischen  Tag  in  dem  Sinne, 
wie  es  die  MAHLERsche  Hypothese  voraussetzen  würde,  in  Wirklichkeit  gar  nicht 
reell.  Rechnet  man  nämlich  das  fragliche  Neumondsdatum  des  19.  Juli  1876 
v.  Chr.  =  —1875  Juli  19  julianisch  auf  die  ägyptische  Ära  des  beweglichen 
Sonnenjahres  mit  Hilfe  der  von  Schräm  gegebenen  Tabellen  um,  so  ergibt  sich 
als  entsprechendes  ägyptisches  Datum  der  17.  Pharmuthi  des  Jahres  907  der 
ersten  Hundsternperiode  (Schräm  rechnet  chronologisch  mit  der  konstanten  Sothis- 
periode  von  1460  julianischen  =  1461  ägyptischen  Jahren,  die  er  von  139  ab 
rückwärts  zählt).  E.  Mahler  gibt  statt  dessen  (a.  a.  0.  S.  80)  den  16.  Pharmuthi 
an,  also  einen  Tag  früher.  Dies  rührt  daher,  daß  er  den  Beginn  der  zweiten 
Hundsternperiode  nicht  mit  dem  Jahre  1322  v.Chr.  angenommen  hat,  wie  es 
die  für  die  Datumvergleichung  allein  zu  benutzende  chronologische  Hundstern- 
periode erfordert,  sondern  ihn  vom  Beginn  der  OppoLZERSchen  astronomischen 
Periode  1318  v.  Chr.  ab  zählt.  Der  vierjährige  Unterschied  beider  Perioden 
bewirkt ,  daß  alle  seine  julianischen  Daten  gegen  die  entsprechenden  ägyptischen 
Daten  um  einen  Tag  zu  spät,  alle  ägyptischen  Daten  dementsprechend  gegen 
die  julianischen  Daten  um  einen  Tag  zu  früh  angegeben  sind.  Durch  einfache 
Nachrechnung  einiger  Daten  mit  Hilfe  der  ScHRAMschen  Tafeln  kann  man 
sich  hiervon  leicht  überzeugen. 

Trotzdem  muß  man  gerade  im  vorliegenden  Fall ,  sobald  man  sich  auf  den 
Boden  der  astronomischen  Rechnung  stellt,  die  Zeit  des  Siriusaufgangs  vom 
16.  Pharmuthi  nicht  mit  dem  18.  Juli  1876  v.  Chr.,  sondern  mit  dem  19.  Juli 
desselben  Jahres  gleichzusetzen,  da  die  ganzen  Rechnungen  Oppolzers  auf 
der  LDELERschen  Hypothese  beruhen,  daß  der  ägyptische  Tag  nicht  mit  Mitter- 
nacht, sondern  mit  Sonnenaufgang  begann.  Diese  Annahme  ist  erforderlich,  wenn 
man  die  Censorinusangabe  ohne  Schreibfehler  erklären  will  (Oppolzer  a.  a.  O. 
S.558  u.  559).    Hiernach  würde  der  19.  Juli  1876  v.  Chr.  nur  für  etwa  drei  Viertel 


30  Brix:   Das  im  zweiten  Papyrusfund  von  Kahun  enthaltene  Sothisdatum.  [41.  Band. 

seiner  Dauer  mit  dem  17.  Pharmuthi  (so  sind  die  ScHRAMschen  Tafeln  gerech- 
net), für  das  erste  Viertel  aber  mit  dem  Ende  des  16.  Pharmuthi  zusammen- 
fallen, d.  h.  gerade  für  die  Zeit  zwischen  Mitternacht  und  Sonnenaufgang,  in 
die  der  heliakische  Siriusaufgang  fällt.  Rechnet  man  nun  aber  ebenfalls  mit 
Hilfe  der  ScHRAMschen  Tafeln  den  Neumond,  so  ergibt  sich,  daß  dieser  auf  etwa 
728h  morgens  Greenwicher  =  rund  1/2i-0h  morgens  Memphiser  Zeit  fällt  (E.  Mahler 
gibt  anscheinend  infolge  eines  Schreibfehlers  die  gleiche  Abendzeit  an),  also  jeden- 
falls auf  denjenigen  Teil  des  19.  Juli  — 1875  julianisch  =  1876  v.  Chr.,  der  sicher 
mit  dem  17.  Pharmuthi  zusammenfällt.  Die  beiden  astronomischen  Vorgänge 
fallen  daher  nach  der  OppoLZERSchen ,  von  E.  Mahler  implicite  übernommenen 
Hypothese  über  den  Anfang  des  ägyptischen  Tages  zwar  auf  denselben  Tag 
der  julianischen  Rechnung,  aber  auf  zwei  verschiedene  Tage  der  ägyptischen 
Rechnung.  Hiernach  dürfte  gerade  E.  Mahler  dieser  Koinzidenz  am  wenigsten 
Bedeutung  beilegen.  Es  stände  allerdings  nichts  im  Wege,  falls  nur  sonst  die 
Betonung  der  Koinzidenz  irgend  etwas  für  sich  hätte,  eine  mangelhafte  Kennt- 
nis des  Neumondes  bei  dem  maßgebenden  Beobachter  vorauszusetzen,  die  einen 
Irrtum  von  einem  Tage  ohne  weiteres  erklären  könnte  (vgl.  auch  unten);  man 
brauchte  dann  aber  immer  noch  eine  Hypothese  mehr,  um  zu  den  MAHLERschen 
Resultaten  zu  gelangen. 

Auf  festerem  Boden,  als  ihn  bloße  Wahrscheinlichkeitserwägungen  geben 
können,  würde  man  sich  bewegen,  wenn  es  gelänge,  diejenigen  Daten  mit  dem 
Sothisdatum  in  Verbindung  zu  bringen,  die  von  L.  Borchardt  als  Neumonds- 
daten angesprochen  sind  (welcher  Deutung  sich  auch  E.  Mahler  anschließt).  Da 
die  Frage  der  genauen  chronologischen  Fixierung  von  E.  Mahler  nun  einmal 
aufgeworfen  ist,  so  sei  auch  über  die  gedachten  Daten  an  dieser  Stelle  das 
Nötige  mitgeteilt.  Die  Daten  selbst  (Borchardt  a.  a.  0.  S.  93;  Mahler  a.  a.  0. 
S.  78)  sind:  Jahr  30:  Payni  26,  Epiphi25,  Mesori25;  Jahr  31:  Thoth  ?,  Pao- 
phi  ?,  Athyr  19,  Choiak  ?,  Tybi  18,  Mechir  18,  Phamenot  17,  Pharmuthi  17, 
Pachon  16. 

Bezieht  man  die  Jahre  30  und  31  auf  die  Regierungszeit  Amenemhets  III., 
so  kann  man  zwei  ägyptische  Jahre  ermitteln,  auf  die  die  Neumondsdaten 
wenigstens  annähernd  (vgl.  unten)  zutreffen:  nämlich  in  der  Rechnungsweise 
der  ScHRAMschen  Tafeln  die  Jahre  956  und  957  der  ersten  (chronologisch  ge- 
rechneten) Hundsternperiode.  Nach  den  ScHRAMschen  Tafeln  fällt  nun  der  1.  Thoth 
des  Jahres  956  der  ersten  Hundsternperiode  auf —1827  November  23  julianisch, 
d.  h.  auf  den  23.  November  1828  v.  Chr.  Das  erste  Jahr  dieses  Königs  würde 
demnach  mit  dem  1.  Thoth  927  der  1.  Hundsternperiode  =  —1856  Novem- 
ber 30  =  30.  November  1857  v.  Chr.  beginnen.  Das  Todesjahr  dieses  Königs 
muß  nach  der  von  L.  Borchardt  (a.  a.  O.  S.  92)  festgestellten  Rechnungsweise 
der  Tempelpriester  das  vorhergehende  Jahr  gewesen  sein,  das  als  letztes  Jahr 
Senwosrets  III.  gerechnet  wurde.  Nach  dem  Turiner  Papyrus  wäre  dies  als 
26.  zu  rechnen,    falls   man   nämlich  annimmt,    daß  die  Rechnungsweise  dieses 


1904.]  Brix:   Das  im  zweiten  Papynisfund  von  Kahun  enthaltene  Sothisdatum.  öl 

Papyrus  mit  derjenigen  der  Priester  in  der  Stadt  »Der  selige  Senwosret  ist 
mächtig«  übereinstimmt.  Bei  dieser  Annahme  würde  das  erste  Jahr  Senwosrets  III. 
mit  dem  l.Thoth  des  Jahres  901  des  1.  Hundsternperiode  und  das  7.  Jahr  seiner 
Regierung,  d.  h.  also  das  Jahr  des  fraglichen  Siriusaufgangs  mit  dem  1.  Thoth 
des  Jahres  907  der  1.  Hundsternperiode  =  —1876  Dezember  5  =  5.  Dezember 
1877  v.  Chr.  beginnen.  Der  Sothisaufgang  vom  16.  Pharmuthi  würde  daher  in 
das  Jahr  —1875  julianisch  =  1876  v.  Chr.  fallen.  Das  ist  also  genau  dasselbe 
Jahr,   auf  das  E.  Mahler  kommt. 

Wer  optimistisch  veranlagt  ist,  könnte  hierin  eine  Bestätigung  der  Mahler- 
schen  Hypothese  erblicken.  Dem  stehen  aber  doch  ernste  Bedenken  entgegen. 
Zuvörderst  ist  nicht  erwiesen,  daß  die  Rechnungsweise  des  Turiner  Papyrus 
der  Rechnungsweise  der  Kahuner  Papyrusfragmente,  oder  richtiger  des  einen 
von  L.  Borchardt  mitgeteilten,  auf  den  Wechsel  der  Regierungen  Senwosrets  II. 
und  Senwosrets  III.  gedeuteten  Fragments  entspricht.  Ist  dies  nicht  der  Fall, 
so  ist  ein  Unterschied  von  einem  Jahre  ohne  weiteres  denkbar.  Denn  wenn 
die  Regierungszeit  eines  Königs  etwa  am  Ende  des  Thoth  begonnen  hat,  so 
rechnen  die  Kahuner  Fragmente  dies  Jahr  noch  als  letztes  des  verstorbenen 
Königs,  während  der  Turiner  Papyrus,  der  nur  Gesamtregierungszeiten  gibt, 
es  wahrscheinlich  dem  neuen  König  geben  wird.  Wenn  die  in  Frage  kommen- 
den Könige  immer  gerade  oder  wenigstens  ungefähr  eine  runde  Reihe  von  Jahren 
regiert  haben,  so  wäre  das  zwar  bedeutungslos.  Wenn  die  Überschüsse  ihrer 
Regierungszeiten  über  die  vollen  Jahre  aber  sehr  verschieden  waren,  so  kann 
eine  Jahresdifferenz  zwischen  beiden  Rechnungsweisen  leicht  in  das  Resultat 
eingehen. 

Ein  zweites,  schwereres  Bedenken  folgt  aus  der  Natur  der  angenommenen 
Neumondsdaten  selbst.  Berechnet  man  diese  Daten  mit  Hilfe  der  ScHRAMschen 
Tafeln,  so  ergibt  sich  der  wirkliche  Eintritt  des  astronomischen  Neumonds  gegen 
den  Anfang  des  Tages  der  Papyrusdaten  nach  später  verschoben  um: 

+  1,35  +2.03  +1,67  .  .  .  +1,08  .  .  .  +0.76  +0,11  +0,52  +0,03  +0,64 Tage. 

Dabei  ist  noch  der  ägyptische  Tag  mit  dem  julianischen  gleichlaufend,  d.  h. 
mit  Mitternacht  beginnend,  angenommen.  Wären  die  Beobachtungen  richtig,  so 
müßten  alle  Differenzen  zwischen  0  und  1  liegen.  Man  sieht  sofort,  daß  nur 
die  letzten  fünf  dieser  Bedingung  genügen.  Die  zweite  enthält  sogar  einen 
Fehler  von  über  einem  Tag.  Wäre  die  OppoLZERsche  Annahme,  wonach  der  Tag 
mit  Sonnenaufgang  begonnen  hätte,  richtig,  so  müßten  die  Differenzen  etwa 
zwischen  0,25  und  1.25  liegen  (eine  genauere  Rechnung  ist  zwecklos).  Es  würde 
dann  zwar  der  starke  Fehler  der  zweiten  Beobachtung  etwas  vermindert  werden 
und  der  geringe  Fehler  der  vierten  Beobachtung  verschwinden.  Dafür  würden 
aber  die  sechste  und  die  achte  Beobachtung  nach  der  anderen  Seite  heraus- 
fallen, wenn  auch  nicht  um  ganz  so  viel,  wie  es  hiernach  den  Anschein  hat, 
weil    man    für  die   in   Frage    kommende   Zeit   hohen   nördlichen   Sonnenstandes 


32  Brix:    Das  im  zweiten  Papyrusfund  von  Kahun  enthaltene  Sothisdatum.  [41.  Band 


etwa  0,20 — 1,20  statt  0,25—1,25  Spielraum  rechnen  muß.  In  jedem  Falle 
überschreiten  die  Fehler  die  Grenze  des  astronomisch  Zulässigen,  beim  zweiten 
und  dritten  Datum  sogar  um  ein  Bedeutendes.  Die  Abweichungen  sind  sogar 
geeignet,  die  Annahme,  daß  es  sich  überhaupt  um  Neumondsdaten  handelt  — 
was  ja  ebenfalls  nur  Hypothese  ist  — ,  zu  erschüttern.  Hält  man  diese  Annahme 
aber  dennoch  fest,  so  bleibt  nur  der  Ausweg  übrig,  daß  man  die  Daten  nicht 
als  aus  Beobachtungen  errechnet,  sondern  als  taxiert  ansieht.  Denkbar  wäre  es 
z.  B.,  daß  sie  aus  einem  festen  Kanon  abgelesen  worden,  der  an  irgend  einer 
Zentrale  festgestellt  und  nur  von  Zeit  zu  Zeit  kontrolliert  und  berichtigt  wurde. 
Da  man  die  astronomischen  Kenntnisse  der  Ägypter  nach  manchen  Erfahrungen 
im  Gegensatz  zu  denen  der  Babylonier  nicht  allzuhoch  einschätzen  darf,  so 
würde  eine  solche  Annahme  nichts  Befremdendes  haben.  Um  so  weniger  können 
aber  derartig  ermittelte  Daten  als  eine  genügende  Grundlage  für  eine  exakte 
Datierung  dienen. 

Der  Vollständigkeit  halber  soll  hier  auch  noch  die  Möglichkeit  erörtert 
werden,  die  Jahre  30  und  31  auf  die  Regierungszeit  Amenemhets  II.  zu  be- 
ziehen. Auch  für  diese  Hypothese  ergeben  sich  zwei  Jahre,  auf  die  die  Neu- 
mondsdaten annähernd  zutreffen  würden.  Es  sind  das  in  der  Rechnungsweise 
der  ScHRAMschen  Tafeln  die  Jahre  881  und  882  der  1.  Hundsternperiode. 
Nach  diesen  Tafeln  fällt  nun  der  1.  Thoth  des  Jahres  881  der  1.  Hundstern- 
periode auf  —1902  Dezember  12  julianisch,  d.  h.  auf  den  12.  Dezember  1903 
v.  Chr.  Rechnet  man  genau  so  weiter  wie  oben,  so  würde  das  1.  Jahr  Sen- 
wosrets  II.  mit  dem  1.  Thoth  des  Jahres  884  der  1.  Hundsternperiode  be- 
ginnen, der  mit  —1899  Dezember  11  julianisch  oder  dem  11.  Dezember  1900 
v.  Chr.  zusammenfällt,  und  dementsprechend  das  1.  Jahr  Senwosrets  III.  mit  dem 
1.  Thoth  des  Jahres  903  der  1.  Hundsternperiode.  Das  7.  Jahr  dieses  Königs 
würde  also  vom  1.  Thoth  des  Jahres  909  der  1.  Hundsternperiode  ab  zu  rech- 
nen sein,  der  mit  —1874  Dezember  5  julianisch  oder  dem  5.  Dezember  1875 
v.  Chr.  gleichzusetzen  ist.  Der  Siriusaufgang  vom  16.  Pharmuthi  würde  hier- 
nach in  das  Jahr  1874  v.  Chr.  fallen,  d.h.  zwei  Jahre  später  als  E.  Mahler 
ansetzt. 

Natürlich  lassen  sich  gegen  diese  Rechnung,  soweit  sie  die  Zählweise  der 
Königsjahre  betreffen,  genau  dieselben  Bedenken  geltend  machen  wie  gegen 
die  oben  mitgeteilte.  Auch  die  übrigbleibenden  Fehler  sind  ziemlich  von  der- 
selben Größenordnung.  Es  ergibt  sich  nämlich  der  wirkliche  Eintritt  des  astro- 
nomischen Neumonds  gegen  den  Anfang  des  Tages  der  Papyrusdaten  nach  später 
verschoben  um: 

+  0,92  +1,45  +1,06  .  .  .  +1,17  .  .  .  +1,44  +0,96  +1,38  +0,77  +l,15Tage. 

Nimmt  man  den  ägyptischen  Tag  mit  dem  julianischen  gleichlaufend,  also  von 
Mitternacht  zu  Mitternacht,  an,  so  müßten  die  Differenzen  zwischen  0  und  1 
liegen,   welche  Bedingung  allerdings   sechs  Werte  nicht  erfüllen.     Rechnet  man 


: 


1904.]  Brix:    Das  im  zweiten  Papyrusfund  von  Kahun  enthaltene  Sothisdatuin.  60 

ihn  aber  mit  Oppolzer  und  Ideler  von  Sonnenaufgang  zu  Sonnenaufgang  laufend, 
so  daß  die  Differenzen  etwa  zwischen  0,25  und  1,25  liegen  müßten,  so  würden 
nur  noch  drei  Werte   die  Fehlergrenze  überschreiten. 

Wägt  man  die  beiden  Hypothesen,  wonach  die  präsumptiven  Neumonds- 
daten entweder  auf  die  Regierungszeit  Amenemhets  III.  oder  Amenemhets  II. 
zu  beziehen  wären,  gegeneinander  ab,  so  muß  man  anerkennen,  daß  beide  die 
wirklich  gegebenen  Daten  ungefähr  gleich  gut  oder  richtiger  gleich  schlecht 
darstellen.  Für  die  zweite  Hypothese  würde  außerdem  noch  sprechen,  daß  sie 
einen  erheblich  geringeren  Zeitraum  für  die  Papyrusnotizen  voraussetzt  als  die 
erste.    Irgendwelche  exakten  Schlüsse  erlaubt  aber  keine  von  beiden  Hypothesen. 

Es  verdient  indessen  bemerkt  zu  werden,  daß  beide  Hypothesen  auf  Jahre 
führen,  die  nur  mit  der  OppoLZERschen  astronomischen  Berechnungsweise  des 
Siriusaufgangs  zu  vereinbaren  sind,  und  daß  es  unmöglich  ist,  solche  Jahre  für 
die  Neumonde  zu  finden,  die  das  Jahr  des  Siriusaufgangs  mit  einem  der  aus 
der  chronologischen  Rechnung  folgenden  Jahre  1882  bis  1879  v.  Chr.  identifizie- 
ren würden.  Hieraus  folgt  immerhin  ein  Argument  für  die  OppoLZERsche ,  die 
chronologische  Bedeutung  der  Sothisperiode  leugnende  Auffassung,  wenn  diesem 
Argument  auch  beweisende  Kraft  nicht  zuzuerkennen  ist. 

Erwägt  man  alles  hier  Vorgetragene,  so  kommt  man  zu  dem  Schluß,  daß 
als  einzig  wissenschaftlich  erweisbare  Tatsache  die  von  L.  Borchardt  (a.  a.  0. 
S.  101)  mitgeteilte  Angabe  gelten  kann,  wonach  das  T.Jahr  der  Regierung 
Senwosrets  III.  etwa  in  das  Jahr  1875  v.  Chr.  zu  setzen  ist,  wobei  ein  Spiel- 
raum von  10  und  selbst  20  Jahren  nach  jeder  Seite  nicht  als  ausgeschlossen 
gelten  darf.  Alles  was  darüber  hinausgeht,  ist  Hypothese.  Damit  sollen  natür- 
lich die  MAHLERschen  Zahlen  nicht  als  falsch  bezeichnet  werden.  Der  Zweck 
dieser  Zeilen  war  nur,  klarzustellen,  wieviel  Annahmen  man  braucht,  wenn  man 
zu  den  MAHLERschen  Resultaten  gelangen  will.  Die  Frage,  ob  man  die  MAHLER- 
schen Zahlen  (abgesehen  von  der  in  ihnen  enthaltenen  Unrichtigkeit  um  einen 
Tag,  vgl.  oben)  annehmen  will  oder  nicht,  oder  ob  überhaupt  die  Aufstellung 
so  spezieller  Datierungen  bei  dem  Mangel  einer  exakten  Grundlage  als  ein  Ge- 
winn anzusehen  ist,  hängt  nur  von  Wahrscheinlichkeits-  und  Zweckmäßigkeits- 
erwägungen ab.     Die  Entscheidung  muß  daher  jeder  Interessent  selbst  treffen. 


Zeitschr.  f.  Ägypt.  Spr.,  41.  Band.     1904. 


34  Ludwig  Borchardt:    Die  Neumondsdateu  der  Ulahunpapyri.  [41.  Band. 


Sind  die  Neumondsdaten  der  Ulahunpapyri  chronologisch 

zu  verwerten? 

Von  Ludwig  Borchardt. 


Im  vorstehenden  Aufsatze  hat  Brix  vom  astronomischen  Standpunkte  aus  klar 
gezeigt,  was  von  der  MAHLERSchen  Hypothese,  das  Siriusdatum  des  zweiten 
Papyrusfundes  von  Illahun  sei  gleichzeitig  das  Datum  eines  Neumondes,  zu 
halten  ist.  Von  ägyptologischer  Seite  war  es  von  vornherein  klar,  daß  für  die 
MAHLERsche  willkürliche  Annahme  auch  nicht  der  Schein  eines  Grundes  vor- 
handen war. 

Ich  möchte  aber  noch  weiter  gehen  und  auch  davor  warnen,  die  anderen 
bisher  für  Neumonde  angesehenen  Daten  der  Tempelpapiere  chronologisch  zu 
verwerten.  Aus  dem  Hauptstück  dieser  Art1,  in  welchem  Tempeleinkünfte  in 
Daten  mit  Intervallen  von  29  bis  30  Tagen  abgerechnet  werden,  hatte  ich  da- 
mals sogleich  geschlossen,  daß  wir  es  hier  mit  einer  neben  dem  Sonnenjahre 
hergehenden  für  Kultzwecke  gebräuchlichen  Rechnung  nach  Mondmonaten  zu 
tun  hätten.  Alle,  die  sich  ernsthaft  mit  diesen  Fragen  beschäftigt  haben,  sind 
mir  auch  darin  gefolgt2.  Wir  können  aber  nichts  weiter  aus  dieser  Aufstellung 
schließen,  als  daß  die  Tempelbeamten  neben  dem  Sonnenjahre  von  365  Tagen, 
nach  dem  sie  datierten,  auch  nach  dem  leicht  zu  beobachtenden  Mondumlauf 
rechneten,  ohne  aber  danach  offiziell  zu  datieren.  Von  einem  eigentlichen  Mond- 
jahre ist  nicht  die  Rede,  nur  von  Mondmonaten.  Daß  aber  auch  diese  Mond- 
monate —  von  Neulicht  zu  Neulicht  —  nicht  beobachtet,  sondern  nur  nach 
Taxat  bestimmt  waren,  hatte  Brix  schon  damals3  berechnet  und  in  vorstehen- 
dem Aufsatz  nochmals  gründlich  dargetan.  Für  chronologische  Berechnungen  ist 
also  jenes  Dokument  nicht  zu  gebrauchen,  selbst  wenn  es  sich  bestimmen  ließe, 
unter  welchem  Könige  es  geschrieben  worden  ist. 

Daß  aber  auch  solche  Neumondsdaten  der  Ulahunpapyri,  die  in  einer  be- 
stimmten Regierung  untergebracht  werden  können,  zu  chronologischen  Bestim- 
mungen nicht  verwandt  werden  können,  werden  leider  die  beiden  hier  folgen- 
den Beispiele    zeigen.      Sie    sind    den    aus    den  Jahren  5  bis   9   Senwosrets  III.4 

')    ÄZ.  1899,  S.  92  u.  93. 

2)  Eine  neuere  populäre  Geschichte  Ägyptens  will  —  wenn  anders  ich  recht  gelesen  habe 
—  auf  Grund  desselben  Dokuments  das  Vorkommen  eines  Sonnenjahres  für  die  Zeit  des  mittleren 
Reiches  in  Frage  stellen.  Hoffentlich  genügen  die  oben  über  diesen  Papyrus  gesagten  Sätze,  die 
weitere  Verbreitung  solcher  Konfusion  einzuschränken. 

3)  ÄZ.  1899,  S.  93  u.  94.  —  4)  ÄZ.  1899,  S.  101. 


1904.]  Ludwig  Borchardt:    Die  Neumondsdaten  der  Ulahunpapyri.  o5 

stammenden  Fragmenten  des  Tempeltagebuchs1  entnommen,  deren  Zusammen- 
gehörigkeit schon  durch   die  einheitliche  Handschrift  bewiesen  wird. 

Beim  Suchen  nach  solchen  Neumonds-  oder  besser  Neulichtdaten  ging  ich 
von  dem  aus  dem  oben  besprochenen  Dokument  abgeleiteten  Gedanken  aus, 
daß  die  Priesterabteilungen,  deren  Vorsteher2  nach  Mondmonaten  abgelohnt 
werden,  ihren  Dienst  auch  nach  Mondmonaten  täten  und  ihn  bei  Neulicht  der 
nächsten  Abteilung  übergäben.  An  den  Daten,  unter  welchen  der  Antritt  einer 
neuen  Abteilung  verzeichnet  wäre,  wäre  also  Neulicht  anzunehmen,  wenn  man 
nicht  annehmen  will,  daß  diese  Mondmonate  mit  irgendeiner  anderen  Mond- 
phase begonnen  hätten. 

Unter  den  Fragmenten  von  Jahr  5  bis  9  Senwosrets  III.  haben  wir  nun 
zwei  datierte  Notizen  über  Antritte  von  Abteilungen.  Die  eine  ist  zum  größten 
Teile  bereits  publiziert3;  die  für  uns  wesentliche  Stelle  daraus,  die  auf  die  In- 
ventaraufnahme und  die  Übergabeprotokolle  folgt,  lautet: 


z-s  1 1 1 1  LJ         Oll V\  8  D^= AAAAAA 

O  II II  i    i    i         q -ffi^A   o       _£r    o 

oqn  q     o    AAAAAA  &      H_ a 


f: 


L^J    AAAAAA    O   O    _B^    ü         J \      JcJ^       7<  O 


ife^^    !\^i\f\%.  n= 


usw. 

»Jahr  9,    3.  Monat   der  Prt- Jahreszeit,  Tag  10 Hr-htp,  Sohn  des 

Mnt-nht. 

Liste  der  Abteilung  der  Laienpriesterschaft  dieses  Tempels,  welche  in  diesem 
Monat  antritt: 

.  .  .  der  Großen,  Iiy,  Sohn  des  Imny-snb.« 

usw. 

Die  4.  Abteilung  hat  also  der  1.  Abteilung^  am  10.  Tage  des  3.  Prt- Monats 
des  Jahres  9  ihr  Amt  abgetreten,  falls  wir  nicht  annehmen  wollen,  die  Notizen 
seien  nicht  unter  dem  Tage  eingeschrieben,  an  dem  die  in  ihnen  berichteten 
Tatsachen  eintraten.  Am  10.  des  3.  Prt- Monats  des  9.  Jahres  müßte  also  ver- 
mutlich Neulicht  gewesen  sein.  Ob  das  möglich  oder  wahrscheinlich  ist,  das 
wird  die  Rechnung  zeigen. 

Die  zweite  datierte  Notierung  eines  Abteilungswechsels  aus  derselben  Reihe 
von  Fragmenten  aber  zeigt  uns  schon ,  daß  wir  uns  nicht  zu  sehr  darauf  ver- 
lassen dürfen,   hier  überhaupt  richtige  Mondmonate  zu  finden.      Sie  lautet: 

~|       \\       |  AAAAAA 

©•••• 


I       I      I 


^"=-\  <^>  AAAAAA    gl  r\  .1111111.  _ 

IUP      O      00\\jklAAAlv,Äj  '  I 


AAAAAA  AAAAAA 


USW. 


Der   Name    eines    solchen    Tagebuchs   ist,    wie    als    Titel    auf    einem    Bruchstück   steht: 
Danach  ist  Lesung  und  Übersetzung  der  Sothisdatierung  (ÄZ.  1899,  S.99)  zu  ändern. 


Es   muß   anstatt:    »Und   lasse   diesen  Brief  an   (das  Anzeigebrett?)   des  Tempels   machen«    heißen: 
»Und  lasse  diesen  Brief  in  das  Tempeltagebuch  eintragen.« 

2)   ÄZ.  1899,  S.  93.  —  3)  ÄZ.  1899,  S.  97  u.  98  (jetzt  P  10003).  —  4)  ÄZ.  1899,  S.  97. 


^O  Ludwig  Borchardt:    Die  Neamondsdaten  der  Illahunpapyri.  [41.  Band. 


GIN    i 


AAAAAA    AAAAAA  /\       rfCN 


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A    I      I      I      I    I  O        AWM      -Zl         I     I 


USW. 

»Es  berichtet  &  Abteilung  des  4.  Prt- Monats,  welche  in  diesem  Monat  ab- 
tritt, der  Abteilung  des  1.  Smw- Monats  ....  usw.  (folgen  die  Übergabeprotokolle). 

Jahr  6;   1.  Smw? -Monat,   Tag  1,   .  .  .  -htp,  Sohn   des  .... 

Liste  der  Abteilung,  welche  in  diesem  Monat  antritt  .  .  . 

Der  Abteilungsvorsteher  Senwosret,  Sohn  des  Senwosret« 
usw.   (folgt  Liste  der  Abteilung). 

Also  hier  findet  der  Abteilungswechsel  plötzlich  am  1.  eines  Kalender- 
monats statt,  auch  werden  die  Abteilungen  nicht,  wie  bisher,  mit  den  Zahlen 
von   1   bis  4  bezeichnet,  sondern  nach  den  Kalendermonaten  benannt. 

Es  scheint  demnach  vorläufig  aussichtslos,  hier  nach  Neumondsdaten  zu 
suchen  und  sie  chronologisch  verwerten  zu  wollen.  Das  einzig  verwendbare 
ist  bisher  das  Sothisdatum. 


Bemerkungen  zu  dem  vorstehenden  Aufsatz. 
Von  W.  Brix. 


In  den  vorstehenden  Ausführungen  hat  zwar  Borchardt  die  Annahme,  daß  die 
von  ihm  aufgefundenen  Opferabrechnungen  sich  auf  Neumondsdaten  beziehen 
müßten,  selbst  bereits  erschüttert;  es  soll  aber  hier,  da  diese  Frage  einmal 
aufgetaucht  ist,  zur  Ergänzung  meiner  früheren  Mitteilung,  noch  kurz  mitgeteilt 
werden,  was  aus  den  neugefundenen,  vorstehend  von  Borchardt  publizierten 
Daten  dieser  Art  in  astronomischer  Beziehung  gefolgert  werden  kann.  Da  das 
eine  Datum  als  Neumondsdatum  sicher  ausscheidet,  so  bleibt  nur  das  Datum 
Jahr  9  Phamenoth  10  (Senwosrets  III.).  Dieses  Datum  führt,  als  Neumonds- 
datum aufgefaßt,  auf  zwei  denkbare  Jahre,  nämlich  auf  die  Jahre  902  und  905 
der  1.  Hundssternperiode  in  der  ScHRAMschen  Bezeichnungsweise.  Für  diese 
Daten  wäre  der  wirkliche  Eintritt  des  astronomischen  Neumonds  gegen  den 
Anfang  des  Tages  Phamenot  10  nach  später  verschoben  um  +2,10,  bzw. 
—  0,59  Tage,  während  bei  genauem  Eintreffen  diese  Abweichungen  (vgl.  den 
Aufsatz)  entweder  zwischen  0  und  +  1  oder  zwischen  +  0,25  und  +1,25 
liegen  müßten.  Beide  Zahlen  fallen  also  erheblich  jenseits  der  zulässigen  Grenzen. 
Sie  überschreiten  sogar  noch  die  Grenzwerte,  die  für  die  früher  gefundenen 
Daten  dieser  Art  ermittelt  sind.     Denn  die  äußersten  dieser  Werke  (vgl.  meinen 


1904.]  W.  Brix:    Bemerkungen  zu  dein  vorstehenden  Aufsatz.  37 

vorstehenden  Aufsatz)  liegen  zwischen  +  2,03  und  +  0,03  Tagen.  Wesentlich 
schlechter  als  diese  Abweichungen  (deren  erste  freilich  kaum  noch  diskutabel 
ist)  sind  aber  die  neuen  Abweichungen  auch  nicht.  Ein  Novum  bringt  aller- 
dings die  zweite  Abweichung  insofern,  als  sie  negativ  ist.  Dieser  bisher  noch 
nicht  vorgekommene  Fall  würde  bedeuten,  daß  auch  bei  der  Annahme  des  Be- 
ginnes des  ägyptischen  Tages  um  Mitternacht  der  wirkliche  Neumondsmoment 
über  einen  halben  Tag  vor  den  Wechsel  der  Priesterphylen  fiel.  Es  würde 
sich  dann  für  diese  nicht  um  ein  eigentliches  Neumondsdatum,  sondern  um  ein 
Neulichtdatum  handeln,  was  Borchardt  allerdings  überhaupt  für  wahrschein 
lieber  hält.  Für  die  Datierung  des  Sothisdatums  auf  Grund  einer  dieser  beiden 
Annahmen  (Jahr  9  =  902  oder  905)  ergeben  sich  nun  die  folgenden  Resultate: 
Der  1.  Thoth  des  Jahres  902  der  1.  Hundssternperiode  fiel  auf  —1881 
Dezember  7  julianisch,  d.  h.  auf  den  7.  Dezember  1882  v.Chr.  Der  1.  Thoth 
des  Jahres  905  der  1.  Hundssternperiode  fiel  auf  —1878  Dezember  6,  d.  h. 
auf  den  6.  Dezember  1879  v.  Chr.  Da  dieses  mit  dem  1.  Thoth  beginnende 
Jahr  das  9.  Jahr  Senwosrets  III.  ist,  so  müßte  das  7.  Jahr,  d.  h.  das  Jahr  des 
Sothisdatums,  mit  dem  1.  Thoth  des  Jahres  900  oder  903  der  1.  Hundsstern- 
periode, d.  h.  mit  —  1883  Dezember  7  oder  mit  —  1880  Dezember  6  bzw. 
mit  dem  7.  Dezember  1884  oder  dem  6.  Dezember  1881  v.Chr.  beginnen.  Das 
viel  später  ins  ägyptische  Jahr  fallende  Sothisdatum  würde  hiernach  entweder 
in  das  Jahr  1883  oder  in  das  Jahr  1880  v.  Chr.  zu  setzen  sein  (=  —1882 
oder  —  1879  julianisch).  Von  diesen  beiden  Jahren  fällt  das  erste  überhaupt 
noch  vor  die  Grenzen  der  chronologischen  Siriusperiodenrechnung  von  1460 
julianischen  =  1461  ägyptischen  Jahren,  und  soll  deshalb  weggelassen  werden. 
Das  zweite,  1880  v.  Chr.,  fällt  in  die  für  die  chronologische  Rechnung  der 
Sothisperiode  in  Betracht  kommenden  Jahre,  während  die  in  meinem  vor- 
stehenden Aufsatz  erwähnten  Daten  immer  nur  auf  Jahre  der  astronomischen 
Sothisperiode,  nämlich  auf  die  Jahre  1876  und  1874  v.  Chr.  führten.  Rechne- 
risch stimmen  alle  Jahre  ungefähr  gleich  gut  oder  richtiger  gleich  schlecht. 
Von  diesem  Standpunkt  aus  kann  man  also  keinem  von  ihnen  den  Vorrang 
geben.  Auf  Grund  anderer  Erwägungen  kann  man  natürlich  eines  für  wahr- 
scheinlicher halten  als  die  andern,  z.  B.  das  Jahr  1880  v.Chr.,  das  aus  dem 
gut  gesicherten,  dem  Sothisdatum  sehr  naheliegenden  Datum  Jahr  9  Phame- 
noth  10  folgt;  es  ist  aber  dann  unmöglich,  die  früher  gefundenen  Daten 
mit  Neumondsdaten  zu  identifizieren.  Nimmt  man  umgekehrt  an,  daß  die 
früher  gefundenen  Daten  Neumondsdaten  sind,  so  kann  das  neugefundene  sicher 
kein  Neumondsdatum  sein.  Damit  ist  aber  die  Grundlage  der  Hypothese 
eigentlich  schon  in  sich  negiert.  Man  wird  daher,  falls  nicht  neue  Funde  in 
dieses  geheimnisvolle  Dunkel  etwas  Licht  bringen,  auch  vom  astronomischen 
Standpunkt  aus,  endgültig  die  Hoffnung  aufgeben  müssen,  aus  der  Neumonds- 
oder Neulichthypothese  für  die  Daten  der  Phylenwechsel  irgendwelche  Anhalts- 
punkte für  eine  exakte  Datierung  des  Sothisjahrs  zu  gewinnen. 


38 


Kurt  Sethe:    Zur  zeitlichen  Festlegung  der  zwölften  Dynastie. 


[41.  Band. 


Zur  zeitlichen  Festlegung  der  zwölften  Dynastie  und  zur  Benutzung 
ägyptischer  Sothisdaten  überhaupt. 


Von  Kurt  Sethe. 


J_7a  Eduard  Mahlers  Bestimmung  der  Zeit  der  12.  Dynastie  hier  durch  Hrn. 
Dr.  Brix  vom  astronomischen  Standpunkte  aus  besprochen  wird,  dürfte  es  nicht 
unangebracht  sein,  zu  gleicher  Zeit  auch  einige  Bemerkungen  auszusprechen, 
die  vom  Standpunkt  des  Historikers  zu  demselben  Gegenstande  zu  machen  sind. 

1. 

Wenn  Mahler  die  Zeit  vom  Anfange  Amenemmes'  I.  bis  zum  Ende  Se- 
sostris'II.  auf  113  Jahre  annimmt,  so  befindet  er  sich  vollständig  im  Einklang 
mit  den  Denkmälern,  die  uns  die  Regierungsdauer  der  ersten  vier  Könige  der 
Dynastie  durch  die  zahlreichen  Doppeldaten  aus  den  Zusammenregierungen  von 
Vater  und  Sohn  genau  kennen  gelehrt  haben.  Dagegen  steht  Mahlers  Be- 
rechnung der  zweiten  Hälfte  der  Dynastie  vom  Anfange  Sesostris'  III.  bis  zum 
Ende  der  Skemiophris  auf  nur  81  Jahre  im  Widerspruch  mit  den  Denkmälern. 
Zunächst  gibt  schon  der  Turiner  Königspapyrus  als  Gesamtdauer  der  Dynastie 
213  Jahre  1  Monat  17  Tage  statt  der  191  Jahre,  die  ihr  Mahler  zuerkennt. 
Diese  Summierung  des  Papyrus  ist  ja  von  Eduard  Meyer1  seinerzeit  als  un- 
richtig verworfen  worden,  doch  stellt  sich  bei  näherem  Zusehen  heraus,  daß 
hierzu  tatsächlich  kein  Grund  vorliegt.  Ed.  Meyers  Behauptung,  der  Papyrus 
habe  die  absoluten  Regierungszahlen  der  einzelnen  Könige  einfach  zusammen- 
gezählt, ohne  die  Doppelregierungen  zu  berücksichtigen,  erweist  sich  schon  als 
irrig,  wenn  man  nur  die  Zahlen,  die  im  Papyrus  noch  erhalten  sind,  resp.  die 
höchsten  Jahreszahlen,  die  zur  Zeit,  als  Meyer  schrieb,  für  die  einzelnen  Könige 
auf  den  Denkmälern  belegt  waren,   zusammenzählt.      Es  sind  dies  für: 


Die  Könige 

Im  Turiner 

£ünigspapyrus 

Auf  den 
Denkmälern 

Nach  Meyer  zu  addieren 

Jahre 

Monate 

Tage 

Jahr 

Jahre 

Monate 

Tage 

Amenemmes  I.  . 

1  [2]9 

X 

X 

30 

29 

Sesostris  I.  .    .   . 

45 

7 

X 

45 

45 

7 

Amenemmes  II.  . 

l[3]0  +  x 

X 

X 

35 

34 

Sesostris  II.     .    . 

19 

X 

X 

11 

19 

Sesostris  III.    .    . 

302+x 

X 

X 

26 

30+x 

Amenemmes  III. 

40 +  x 

X 

X 

44 

43 +  x 

Amenemmes  IV. 
Skemiophris    .   . 

9 
3 

3 
10 

27 
24 

5 

i» 

2 

21 

Summe  .   .   . 

— 

— 

— 

213 +  2x 

9  +  5x 

21-f  6x 

*)    Gesch.  d.  Altert.  I,  §  101  a.  E.  —  2)  So,  nicht  20,  wie  Ed.  Meyer  annahm. 


1904.]  Kurt  Sethe:    Zur  zeitlichen  Festlegung  der  zwölften  Dynastie.  39 

Wie  man  sieht,  übersteigt  die  Endsumme,  die  wir  so  erhalten,  schon 
ohne  die  unbekannten  Jahre,  Monate  und  Tage  um  ganze  8  Monate  und  4  Tage 
die  Summe,   die  der  Papyrus  gibt. 

Es  sind  uns  nun  aber  inzwischen  durch  den  von  Griffith  herausgegebenen 
ersten  Papyrusfund  von  Kahun  noch  Daten  vom  33.  Jahre  Sesostris'  III.  und 
vom  46.  Jahre  Amenemmes' III.  bekannt  geworden1,  die  Meyers  frühere  Beur- 
teilung der  Dynastiensumme  vollends  widerlegen  und  zugleich  auch  Mahlers 
ganze  Berechnung  für  die  zweite  Hälfte  der  Dynastie  umstürzen.  Statt  der 
26  +  42  =  68  Jahre,  die  er  den  ebengenannten  beiden  Königen  gibt,  sind 
uns  nun  schon  mindestens  32  +  45  =  77,  wenn  nicht  33  +  46  =  79  bezeugt. 
Mit  den  etwa  13  Jahren  Amenemmes'  IV.  und  der  Skemiophris  zusammen 
würde  das  etwa  90  resp.  92  Jahre  für  den  Zeitraum  ergeben,  den  Mahler 
auf  nur  81,  der  Turiner  Königspapyrus  aber  auf  etwa  100  Jahre  angesetzt 
hat.  Mit  diesen  92  Jahren  kommen  wir  den  100  Jahren  des  Papyrus  aber 
so  nahe,  daß  eine  Übereinstimmung  zwischen  dem  Papyrus  und  den  Denk- 
mälern sehr  wohl  denkbar  erscheinen  muß.  Um  diese  herbeizuführen,  hätten 
wir  die  8  Jahre,  die  an  den  100  Jahren  noch  fehlten,  auf  die  beiden  Könige 
Sesostris  III.  und  Amenemmes  III.  zu  verteilen.  Wie  das  aber  zu  geschehen  hätte, 
läßt  uns  der  Turiner  Königspapyrus,  trotz  aller  seiner  Verstümmelung,  wohl 
noch  mit  Sicherheit  entscheiden. 

Geben  wir  nämlich  Amenemmes  III.  zu  seinen  46  inschriftlich  belegten 
Jahren  nur  noch  ein  volles  Jahr  von  den  8  zu  verteilenden  Jahren,  so  daß  er 
47  Jahre  x  Monate  regiert  hätte,  so  würde  Sesostris  III.  also  noch  mindestens  6 
volle  Jahre  sowie  eine  unbekannte  Zahl  von  Monaten  von  dem  siebenten  zu  erhal- 
ten haben.  Er  würde  somit  auf  39  Jahre  x  Monate  kommen.  Das  stimmt  nun  aber 
nicht  zu  dem  Turiner  Papyrus;  denn  dort  erscheint  unter  der  deutlichen  30  auf 
dem  wohlerhaltenen  Papyrus  keine  Spur  von  dem  langen  Schwanz  der  Zahl  9, 
der  sich  bei  den  19  Jahren  Sesostris'  IL  und  den  29  Jahren  Amenemmes'  I. 
und  auch  sonst  in  ähnlichen  Fällen  in  dem  Papyrus  stets  unter  der  Zehnerzahl 
hinzieht.  Es  läßt  sich  daher  mit  Bestimmtheit  sagen,  daß  die  Jahreszahl  nicht 
39,  sondern  höchstens  38  gewesen  sein  kann.  Weniger  als  38  volle  Jahre  können 
wir  dem  Könige  nun  aber  auch  nicht  geben,  da  auch  Amenemmes  III.  aus  dem 
nämlichen  Grunde  nicht  49  volle  Jahre  in  dem  Turiner  Papyrus  gehabt  haben 
kann.  Denn  auch  bei  ihm  zeigt  sich  unter  der  erhaltenen  40  keine  Spur  von 
dem  notwendig  zu  erwartenden  Schwänze  der  9.  So  bleibt  denn  bloß  die 
Möglichkeit,  jedem  der  beiden  Könige  die  Zahl  8  als  Einerzahl  zu  der  erhalte- 
nen Zehnerzahl  (30  und  40)  zu  geben.  Die  oben  abgedruckte  Tabelle  würde 
sich  damit  nunmehr  so  gestalten: 


l)    Griffith,  Hieratic  papyri  from  Kahun  and  Gurob,  Text  S.  85  und  86. 


40 


Kurt  Sethe:    Zur  zeitlichen  Festlegung  der  zwölften  Dynastie. 


[41.  Band. 


Turiner 

Königspapyi 

'US 

Denkmäler 

Zu  verrechnen 

Jahre 

Monate 

Tage 

Jahr 

Jahre 

Monate 

Tage 

Amenemmes  I.    .   .   . 

[2]9 

X 

X 

30 

19  oder  20 

X 

x1 

Sesostris  I.   .   .   . 

45 

7 

X 

45 

42 

0 

0 

Amenemmes  II.  . 

3[4]  + 

X             X 

X 

35 

32 

0 

0 

Sesostris  II.  .    .    . 

19 

X 

X 

19 

19 

0 

0 

Sesostris  III.     .   . 

3[8] 

X 

X 

33 

38  oder  39 

0 

o2 

Amenemmes  Hl. 

4[8] 

X 

X 

46 

48     .     49 

0 

02 

Amenemmes  IV. 

9 

3 

27 

5(10?) 

9     »       8 

0 

o3 

Skemiophris    .    . 

3 

10 

24 

—  (3?) 

3 

X 

x4 

213 

1 

17 

— 

[212 

13 

17] 

Durch  die  Tatsache,  daß  Sesostris  III.  nachweislich  mindestens  32  Jahre 
regiert  hat,  wird  aber  auch  Mahlers  Erörterung  über  die  Daten  des  30.  und 
31.  Jahres  in  einem  der  Berliner  Kahunpapyrus  hinfällig.  Amenemmes'  III. 
30.  Jahr  fiel  nun  ja  nicht  2  X  25  =  50  Jahre  später  als  das  Sothisdatum  vom 
7.  Jahre  Sesostris'  III.,  sondern  sicher  mindestens  56,  wahrscheinlich  61  oder 
62  Jahre.  Und  es  stände  wenigstens  in  historischer  Hinsicht  nichts  im  Wege, 
diese  Daten,  wie  es  am  nächsten  liegt,  auf  die  Regierung  Sesostris'  III.  zu 
beziehen.  Ob  die  Neumondsdaten,  die  der  betreffende  Papyrus  für  die  ge- 
nannten beiden  Jahre  mitteilt,  dazu  stimmen,  muß  von  astronomischer  Seite 
untersucht  werden.  Nach  Mahlers  Ermittlungen  würden  sie  es  nicht  tun,  da 
sie  mit  den  Neumondsdaten,  die  er  für  das  7.  Jahr  Sesostris'  III.  =  1877/76 
v.  Chr.    findet,    übereinstimmten,    anstatt,   wie    es    sein   müßte,   mit   denen    des 


x)  Bei  Amenemmes  I.  als  Dynastiehaupt  ist  es  ungewiß,  wann  er  seine  Regierungsjahre  zu 
zählen  begonnen  hat,  ob  mit  seinem  Thronbesteigungstage  oder  erst  mit  dem  nächstfolgenden 
Kalenderneujahr. 

2)  Die  Zahl  der  zu  verrechnenden  vollen  Jahre  ist  bei  Sesostris  III.  und  Amenemmes  III. 
ungewiß,  weil  ihr  Thronbesteigungstag  nicht  bekannt  ist;  von  diesem  hängt  es  ja  ab,  wieviel 
Monate  des  einen  Königs  im  letzten  Jahre  seines  Vorgängers  oder  im  ersten  seines  Nachfolgers 
mit  zu  verrechnen  sind.  Z.B.  Sesostris  IL  starb,  wie  wir  wissen,  am  14.  Tage  des  8.  Kalender- 
monats. Geschah  das  in  dem  Jahre,  das  als  sein  »Jahr  19«  bezeichnet  wird,  so  nahm  dieses  Jahr 
von  den,  nehmen  wir  einmal  an,  38  Jahren  10  Monaten  26  Tagen,  die  sein  Nachfolger  Sesostris  III. 
im  ganzen  vielleicht  regierte,  4  Monate  21  Tage  fort,  so  daß  diesem  Könige  noch  38  volle  Jahre 
sowie  6  Monate  und  5  Tage  blieben,  die  mit  den  ersten  6  Monaten  seines  Nachfolgers  Amenemmes  III. 
sein  »39.  Jahr«   bildeten. 

3)  Bei  Amenemmes  IV.  wissen  wir  nicht,  wie  lange  er  mit  seinem  Vater  Amenemmes  III. 
zusammen  regierte,  und  wieviel  von  seiner  Gesamtregierungsdauer  also  etwa  schon  bei  diesem  mit- 
verrechnet ist.  Zu  dem  unsicheren  Datum  seines  10.  Jahres  s.  Griffith,  Hieratic  papyri  of  Kahun 
and  Gurob,  Text  S.  87. 

4)  Das  4.  Jahr  der  Skemiophris  kann  bei  der  Summierung  nur  als  Bruchteil  in  Monaten 
und  Tagen  berücksichtigt  gewesen  sein,  da  sein  Komplementteil  zur  13.  Dynastie  gehörte.  Zu 
dem  unsicheren  Datum  des  3.  Jahres  s.  Griffith  a.  a.  O. 


1904.]  Kurt  Sethe:    Zur  zeitlichen  Festlegung  der  zwölften   Dynastie.  41 

5.  und  6.  Jahres,  die  25  Jahre  von  dem  30.  und  31.  entfernt  sind.  Vielleicht 
ist  dieser  scheinbare  Widerspruch  aber  nur  eine  Folge  der  MAHLERSchen  Be- 
stimmung des  7.  Jahres  =  1877/76  v.  Chr.  Diese  beruht  nämlich  auf  der 
OppoLZERschen  Methode  der  Berechnung  der  wahren  Siriusfrühaufgänge  und  be- 
rücksichtigt also  nicht  den  von  Heinrich  Brandes  (Abhandlungen  zur  Geschichte 
des  Orients  im  Altertum,  Halle  1874,  S.  127  und  128)  erbrachten  Nachweis,  daß 
nach  Ptolemäus  (synt.  IV,  cap.  5)  der  1.  Thoth  des  883.  und  des  880.  Jahres 
der  Ära  des  Nabonassar  (135  und  132  n.  Chr.)  beide  auf  den  21.  Juli  jul. 
fielen  und  daß  demnach  das  Jahr  139  n.  Chr.,  das  Censorinus  als  Jahr  der 
Apokatastasis  der  Sothisperiode  nennt,  nicht,  wie  Oppolzer  voraussetzte,  das 
erste,  sondern  das  4.  Jahr  der  Tetraeteris  war,  in  der  der  Siriusfrühaufgang 
wieder  auf  den  1.  Thoth  des  ägyptischen  Kalenderjahres  fallen  sollte.  Es  ist 
klar,  daß  angesichts  dieses  Zeugnisses  des  Ptolemäus,  der,  selbst  ein  Ägypter, 
kurz  nach  der  Apokastastasis  von  139  n.  Chr.  zu  Alexandria  lebte,  die  nach 
Oppolzers  Angaben  gewonnenen  Bestimmungen  ägyptischer  Kalenderdaten  nicht 
fehlerlos  sein  können. 

Mahlers  Berechnungen  (nicht  nur  die  der  12.  Dynastie,  sondern  auch  die 
älteren  für  das  neue  Reich)  leiden  nun  aber  möglicherweise  noch  an  einem  an- 
deren Fehler;  sie  setzen  nämlich,  was  Oppolzer  selbst  ausdrücklich  noch  offen 
gelassen  hat,  voraus,  daß  es  sich  bei  den  Sothisdaten  um  die  wahren  astrono- 
mischen Siriusfrüh  auf gänge  handle  und  daß  die  »Sothisperiode«  also  nicht  eine 
unveränderliche  Dauer  von  1460  ägyptischen  Kalenderjahren  gehabt  habe,  son- 
dern sich  1318  v.  Chr.  nach  nur  1458,  139  n.  Chr.  nach  nur  1456  solchen 
Jahren  wieder  erneuert  habe.  Das  scheint  mir  aber  allen  antiken  Zeugnissen 
und  vor  allem  auch  den  Worten  des  Dekrets  von  Kanopus  zu  widersprechen. 
Nach  diesen  will  es  vielmehr  scheinen,  daß  die  Sothisperiode  in  der  Tat  eine  kon- 
stante Größe  von  1460  ägyptischen  Kalenderjahren  hatte  und  daß  man  das  Fest 


der  <=>A  ,  des  »Siriusauf^angs«.  ohne  Rücksicht  auf  das  wahre  astronomische 
Datum  dieses  Ereignisses,  das  ja  in  den  verschiedenen  Teilen  Ägyptens  zu  ver- 
schiedener Zeit  eintrat,  rein  konventionell  alle  vier  Jahre  einen  Kalendertag 
später,  und  zwar  im  ganzen  Lande  gleich,  ansetzte,  wie  das  von  Lepsitjs  ver- 
schiedentlich, zuletzt  noch  in  der  Einleitung  seiner  Ausgabe  des  Dekrets  von 
Kanopus  (S.  14),  meines  Erachtens  ganz  zutreffend  hervorgehoben  worden  ist. 
Nach  Oppolzers  Berechnungen  hatte  die  erste  in  Betracht  kommende  Sothis- 
periode (4245  42  bis  2785,82  v.  Chr.  nach  Brandes)  tatsächlich  genau  1460 
ägyptische  Kalenderjahre  umfaßt.  In  dieser  Form  wird  sie  dem  ägyptischen 
Kalender,  dessen  Regelung  ja  etwa  mit  ihrem  Anfange  zusammenfallen  wird, 
zugrunde  gelegt  sein.  Erst  in  der  zweiten  Periode  (2785/82  bis  1325/22  v.  Chr.) 
stellte  sich  ein  Fehler  ein,  indem  sich  der  wahre  Siriusfrühaufgang  allmählich 
so  verschob,  daß  er  schon  zwei  Jahre  vor  dem  Ablauf  der  1460  Jahre,  also 
nach  1458  Jahren  wieder  auf  denselben  Tag  des  ägyptischen  Kalenderjahres 
(1.  Thoth)  angelangt  war,   auf  den  er  am  Anfang  der  Periode  gefallen  war.     Er 

Zeitsclir.  f.  Ägvpt.  Spr.,  41.  Band.    1904.  6 


42  Kurt  Sethe:    Zur  zeitlichen  Festlegung  der  zwölften  Dynastie.  [41.  Band. 

ging  damals  also  stets  zwei,  im  Laufe  der  nächsten  dritten  Periode  (1325/22 
v.  Chr.  bis  136/39  n.  Chr.)  schließlich  gar  vier  Jahre  früher  auf  den  nächsten 
Kalendertag  über,  als  die  Ägypter  selbst  annahmen,  wenn  sie  ihn  konventionell 
gleichmäßig  alle  vier  Jahre  einen  Tag  wandern  ließen.  Der  Fehler,  den  die 
Ägypter  im  Falle  einer  solchen  konventionellen  Ansetzung  machten,  trat  am 
Ende  der  zweiten  Sothisperiode  (um  1325/22  v.  Chr.),  also  überhaupt  nur  in 
je  zwei  Jahren  jeder  Tetraeteris,  am  Ende  der  dritten  Periode  dagegen  in  allen 
vier  Jahren  jeder  Tetraeteris  hervor  und  machte  in  beiden  Fällen  nie  mehr  als 
einen  Tag  aus.  Der  Fehler  ist  also  so  gering,  daß  ihn  die  Ägypter  möglicher- 
weise überhaupt  gar  nicht  bemerkt  haben  werden,  zumal  die  genaue  Beobach- 
tung des  Frühaufgangs  des  Sirius  bei  den  Dämmerungsverhältnissen  in  Ägypten 
ohne  feinere  Instrumente  recht  schwierig  sein  soll.  Und  wenn  sie  den  Fehler 
wirklich  erkannt  haben  sollten,  so  lag  für  sie  gar  kein  Anlaß  vor,  ihn  zu  korri- 
gieren; denn  feierte  man  das  Fest  in  Memphis  wirklich  einen  Tag  zu  früh,  so 
feierte  man  es  in  Herakleopolis  gerade  recht,  in  Theben  aber  drei  Tage  und 
in  Syene  gar  fünf  Tage  zu  spät,  in  Alexandrien  dagegen  zwei  Tage  zu  früh. 
Voraussetzung  ist  dabei,  daß  man  es  im  ganzen  Lande  am  gleichen  Tage  feierte; 
und  das  ist  nach  den  Worten  des  Censorinus  und  Theon  sowie  des  Dekrets  von 
Kanopus  doch  wohl  anzunehmen.  Sie  alle  reden  schlechthin  vom  Zusammen- 
treffen des  Siriusfrüh aufgangs  mit  einem  bestimmten  Kalendertage,  ohne  anzu- 
geben,  daß   sich  das  nur  auf  einen  bestimmten  Teil  Ägyptens  beziehen  soll. 

Es  wäre  nun  von  hohem  Interesse,  wenn  sich  die  oben  erwähnten  Mond- 
daten der  Jahre  30  und  31  Sesostris' III.  zuverlässig  berechnen  ließen,  und 
wenn  sich  mit  ihrer  Hilfe  feststellen  ließe,  ob  die  vorstehenden  Ausführungen 
zugunsten  einer  konventionellen,  nicht  astronomischen  Ansetzung  der  Sirius- 
daten zutrifft  oder  nicht.  Natürlich  wird  man  dabei,  was  bisher  bei  den  astro- 
nomischen Berechnungen  unterlassen  worden  ist,  den  BitANDEsschen  Nachweis 
zu  berücksichtigen  haben,  auf  den  hiermit  nochmals  hingewiesen  werden  möge1. 


J)  Erwähnen  möchte  ich  hier  zum  Schluß  nur  noch,  daß  ich  aus  dem  Deckenbild  des 
Ramesseums  weder  herauslesen  kann,  daß  damals  die  Erneuerung  der  Sothisperiode  eingetreten 
sei,  noch  auch,  daß  das  Regierungsjubiläum  Ramses'  II.,  das  er  in  seinem  30.  Jahre  feierte,  ge- 
rade in  jenem  Bilde  verewigt  werden  sollte.  Was  in  den  Darstellungen  gegen  die  erstere  Auf- 
fassung spricht,  ist  bereits  von  Brugsch  und  Mahler  selbst  ÄZ.  28,  32 —  33  hervorgehoben 
worden.  Die  Sothis  erscheint  in  dem  Bilde  im  Monat  Thoth  mit  demselben  Recht  wie  der  »Sothis- 
aufgang«  im  Kalender  von  Medinet  Habu  am  1.  dieses  Monats,  d.h.  einfach  deshalb,  weil  der 
Siriusfrühaufgang  ursprünglich  auf  diesen  Tag  gefallen  war  und  dadurch  ideell  mit  ihm  für  alle 
Zeiten  als  »Tag  des  Neujahrs«  verknüpft  war.  Ebenso  enthalten  die  Worte  der  Randinschrift, 
»du  erglänzest  wie  Isis -Sothis  am  Himmel  am  Morgen  des  Neujahrstages,  sie  spendet  dir  Jahre, 
Jubiläen  und  Nile  ohne  Zahl«,  ganz  allgemeine  mythologische  Anspielungen  auf  die  Rolle,  die  der 
Siriusfrühaufgang  als  Eröffner  des  natürlichen  Jahres  und  Bringer  der  Überschwemmung  spielte, 
aber  nicht  Andeutungen  auf  spezielle  aktuelle  Ereignisse  aus  der  Entstehungszeit  des  Bildes. 


1904.1  Kurt  Sethe:    Der  Name  Sesostris.  -±6 


Der  Name  Sesostris. 

Von  Kurt  Sethe. 


In  meiner  Arbeit  über  »Sesostris«1  habe  ich  zu  zeigen  versucht,  daß  wir  keinen 
Grund  haben,  die  manethonische  Gleichsetzung  der  Heldengestalt  Sesostris  (Se- 
sonchösis)  mit  den  Königen  der  12.  Dynastie,  die  wir  unter  dem  Namen  »User- 
tesen«  kannten,  für  falsch  zu  halten.  Ich  suchte  zunächst  zu  erweisen,  daß 
dieser  ägyptische  Name  in  Wahrheit  mit  Umstellung  seiner  Bestandteile  Sn-wsrt 
zu  lesen  sei  und  den  griechischen  Namensformen  Sesostris  (Sesoösis,  Sesonchösis) 
tatsächlich   wohl  entsprechen  könnte. 

Hiervon  ausgehend  besprach  ich  alsdann  die  mehr  oder  weniger  sagenhaften 
Nachrichten,  die  uns  die  griechischen  Schriftsteller  über  den  ägyptischen  Helden- 
könig Sesostris  geben,  und  kam  zu  dem  Schlüsse,  daß  wir  trotz  aller  sagenhaften 
Ausschmückungen  darin  noch  manches  finden,  was  zu  Manethos'  Identifikation 
gut  stimmte,  während  andererseits  so  gut  wie  nichts  zu  finden  war,  was  zu  der 
von  den  Ägyptologen  bisher  angenommenen  Identifikation  des  Sesostris  mit 
Ramses  II.  nötigte.  Bei  der  Lückenhaftigkeit  unserer  Kenntnis  der  ägyptischen 
Geschichte  hat  ein  solches  Ergebnis  natürlich  nur  einen  recht  problematischen 
Wert.  Was  heute  nicht  auf  Ramses  II.  zu  passen  scheint,  kann  in  ein  paar 
Jahren  vortrefflich  auf  ihn  passen.  Aber  auch  umgekehrt  wird  sich  im  Laufe 
der  Zeit  bei  fortschreitender  Erkenntnis  der  ägyptischen  Geschichte  manches 
dermaleinst  als  geschichtlich  erweisen,  was  heute  auf  die  Könige  der  12.  Dyna- 
stie gar  nicht  zu  passen  scheint  und  bei  Annahme  der  manethonischen  Identifi- 
kation also  der  Sage  oder  Dichtung  angehören  müßte.  Schon  in  der  kurzen 
Zeit,  die  seit  dem  Erscheinen  meiner  Arbeit  verstrichen  ist,  hat  sich  die  Sach- 
lage so  geändert,  daß  ein  wesentlicher  Punkt,  der  früher  gegen  die  mane- 
thonische Identifikation  des  Sesostris  zu  sprechen  schien,  der  asiatische  Feld- 
zug des  Königs  nunmehr  als  sehr  wohl  möglich  erscheinen  muß.  Haben  wir 
doch  ganz  wider  Erwarten  durch  die  von  Garstang  aufgefundene  Inschrift  des 
Hw-sbk'2  mit  einem  Male  von  kriegerischen  Unternehmungen  des  Königs  Sn- 
wsrt  III.  gegen  das  »elende  Rtnw«  und  die  -»Mnljw  von  Asien«  Kunde  erhalten, 
und  lassen  uns  doch  auch  die  Worte,  mit  denen  der  Kahunhymnus  von  dem- 
selben König  und  die  Sinuheerzählung  von  Sn-wsrt  I.  in  Beziehung  zum  Aus- 
lande sprechen,  jetzt  für  diese  beiden  Könige  eine  weltgeschichtliche  Rolle, 
wie  sie  dem  Sesostris  zugeschrieben  wird,  in  verkleinertem  Maßstab  wohl  im 
Bereich  der  Möglichkeit  erscheinen. 


')    Untersuchungen  zur  Geschichte  und  Altertumskunde  Ägyptens  II,  1  ff.  —  2)  Garstang,  El 
Araba  pl.  5. 


44  Kurt  Sethe:    Der  Name  Sesostris.  [41.  Band. 

Müssen  wir  demnach  die  genaue  Scheidung  von  Sage  und  Geschichte1  in 
den  Sesostrislegenden  nun  auch  der  Zukunft  überlassen,  so  dürfen  wir  die  Grund- 
frage, aus  welcher  geschichtlichen  Persönlichkeit  die  Gestalt  des  Sesostris  er- 
wachsen ist,  doch  wohl  schon  heute  in  Übereinstimmung  mit  Manethos  dahin 
beantworten:  es  sind  die  Könige  Sn-wsrt  L,  den  Manethos  Sesonchosis  nennt, 
und  Sn-wsrt  III.,  den  er  Sesostris  nennt,  in  denen  wir  die  Urbilder  des  sagen- 
haften Königs  Sesostris- Sesonchosis -Sesoosis  zu  erkennen  haben.  Diese  Frage 
hängt  im  wesentlichen  davon  ab,  ob  sich  der  Name  Sesostris  und  seine  Neben- 
formen auf  den  ägyptischen  Namen,  den  ich  Sn-wsrt  lese  und  den  man  bisher 
Wsrtsn  las,  zurückführen  läßt.  Da  dies  von  verschiedenen  Seiten  bezweifelt 
und  zuletzt  noch  von  Maspero  in  seiner  geistvollen,  aber,  wie  mir  scheint,  von 
falschen  Voraussetzungen  ausgehenden  Abhandlung  »La  geste  de  Sesostris«2  ganz 
entschieden  verneint  worden  ist,  so  will  ich  hier  in  Kürze  noch  einmal  darauf 
eingehen. 

1.    Einwände  gegen  die  Lesung  Sn-wsrt. 

Gegen  die  von  mir  vorgeschlagene  Lesung  Sn-wsrt  des  Namens  ~j  I 
ist  sowohl  von  Wiedemann  als  von  Griffith  geltend  gemacht  worden,   daß  das 
Wort    I  I  wsrt,    in    dem    ich   den  Namen    der  Göttin    Wosret   erkennen  will, 

niemals  mit  einem  Götterdeterminativ  versehen  werde.  Es  ist  darauf  zu  er- 
widern, daß  es  im  m.  R.  überhaupt  nicht  Sitte  ist,  die  in  Personennamen  vor- 
kommenden Götternamen  zu  determinieren.  Man  schreibt  zwar  solche  Götter- 
namen, die  seit  alters  mit  dem  Bilde  ihres  heiligen  Tieres  oder  ihres  Fetisches 
geschrieben  zu  werden  pflegen,  auch  in  den  Personennamen  mit  diesem  Bilde, 
also  z.  B.  [\J^M^  Sbk-htp,  ~*2$\\a  Nt-vjtj,  Ql^^  Hnm-htp  usw. 
Aber  daß  man  Götternamen,  für  die  es  solche  Schreibungen  nicht  gibt,  in 
Eigennamen  etwa  mit  dem  allgemeinen  Götterdeterminativ  jk,  3,  |T,  ^  ver- 
sehen müßte,  das  fällt  niemandem  ein.  Man  schreibt  stets  (1         l^v^^  Imn-m-hlt, 

S^\=^=  Mntw-htp, ^^-^  djjt-enkt,   D  §  <>"=*  Vj-pth,  [^1^1  Sl-hthr-    So 

mußte  man  denn  auch  die  Göttin  ~|[1         in  den  Eigennamen  ~]  I  c!j-wsrt, 

\v        ^bS  oder  ^^  \\\         Stt-wirt  und  II  Sn-wsrt  ohne  Determinativ 

schreiben. 

Stichhaltiger  als  der  hier  widerlegte  Einwand  scheint  auf  den  ersten  Blick 
ein  anderer  zu  sein,  der  von  derselben  Seite  gegen  meine  Lesung  Sn-wsrt 
vorgebracht  worden  ist,    nämlich  die  Tatsache,    daß  das  Wort  j  I  niemals 

hinter  dem  erscheint,  daß  man  niemals  j|l         geschrieben  findet,  während 

AAAAAA  /WWW.      I    !  C^ 

doch  neben  "m         (^  für  SU-wsrt  auch  die  Schreibung  *^£  ||l         mit  richtiger 


')  Oder  von  »histoire  litteraire«  und  »histoire  veritable«,  um  mit  Maspero  zu  reden.  —  2)  Jour- 
nal des  Savants  1901,  593  ff.  665  ff. 


1904.]  Kurt  Sethe:    Der  Name  Sesostris.  45 

Stellung  des  Namens  Wsrt  zu  belegen  war.     Als  ein  ernstliches  Bedenken  gegen 

meine  Lesung  kann  aber  wohl  auch  das  nicht  angesehen  werden.     Da  der  Name 

vor  der   12.  Dynastie  selten  ist  und  augenscheinlich  erst  durch  die 

bedeutenden  Könige  dieser  Dynastie,  die  ihn  getragen,  zu  seiner  außerordent- 
lichen Beliebtheit  gelangt  ist,  so  erscheint  es  wohl  begreiflich,  daß  er  auch 
stets  in  derselben  offiziellen,  für  den  Königsnamen  einmal  üblichen  Schreibung 
geschrieben  wird,  d.  h.  mit  Voranstellung  des  Gottesnamens,  die  ja  bekanntlich 
gerade  bei  Königsnamen  durchaus  die  Regel  ist. 

2.    Schreibungen  von  Sn-wsrt  im  neuen  Reich. 
Daß  man  die  im  m.  R.   allgemein  übliche  Schreibung    |  I  auch  im 

n.  R.,  wo  der  Name  namentlich  in  älterer  Zeit  noch  öfters  in  Gebrauch  vor- 
kommt, beibehält,  ist  durchaus  natürlich.  Die  Zufügung  des  Götterdeterminativs 
zu  Götternamen,  wo  sie  in  Personennamen  enthalten  sind,  kommt  in  dieser  Zeit 
namentlich  in  hieratischen  Handschriften  schon  öfter  vor  ( (j        3  v\    =^  Imn- 

m-htt,  9  Jn  (n  I  Pth-ms);  im  allgemeinen  überwiegen  aber  die  Schreibungen 
der  alten  Art  ohne  Determinativ  ( (1  Imn-htp,    5  j^  m   I  Dhwtj-ms)  auch 

in  dieser  Zeit  selbst  in  hieratischen  Handschriften  noch  weitaus,  so  daß  aus 
dem  Vorkommen  der  Schreibung    ]   I  (als  Königsname  z.B.  ÄZ.  12,  Taf.l. 

Kairo,  Sinuheostrakon)  in  dieser  Zeit  nichts  gegen  meine  Auffassung  des  Namens 
Sn-wsrt  geschlossen  werden  kann. 

Um  so  bedeutsamer  ist  für  die  Lesung  und  Deutung  des  Namens  die  Variante, 
die  uns  in  einer  hieratischen  Handschrift  des  n.R.,  im  Papyrus  SallierII  (3,  3),  der 
bekannten  Handschrift  der  Unterweisung  Am enemmes'L  an  seinen  Sohn  SesostrisL, 

begegnet:  (o~]P; g     "    j1.    Sieht  man  von  dem  ungehörigen  O  ab,  das  hier  wie 

so  oft  in  hieratischen  Handschriften  des  n.  R.  mißbräuchlich  den  Königsnamen 
einleitet  (s.  dazu  Abschn.  8),  so  unterscheidet  sich  diese  Variante  von  der  gewöhn- 
lichen Schreibung    ]  I  nur  darin ,    daß  sie  das  Wort  icsrt  ohne  die  Fe- 

mininalendung  und  mit  dem  Determinativ  %=£  des  Wortstammes  wsr  »mächtig 
sein«  schreibt.  Es  ist  daraus  einerseits  vielleicht  zu  schließen,  daß  man  da- 
mals in  dem  wsrt  des  alten  Namens  II  in   der  Tat   nicht  den  Namen 

I  I        CH      /www 

der  Göttin  Wosret,  sondern  die  Form  des  Adjektivs  wsr  »mächtig«  erkannte, 
die  jenem  Namen  ja  offenbar  zugrunde  lag;  andererseits  geht  aus  der  Schrei- 
bung aber  deutlich  hervor,  daß  eben  dieses  Wort  wsrt  in  dem  Namen  seine 
Femininalendung  eingebüßt  hatte  und  also  nach  menschlichem  Ermessen  am 
Ende  des  Namens  gestanden  haben  wird,  gerade  wie  es  die  griechische  Form 
Sesostris  (für  *Sesosre)  erwarten  ließ.  Wir  kennen  übrigens  ein  genaues  Gegen- 
stück zu  der  obigen  Variante  des  Namens  II  .     Der  Name  der  Königin 


*)    Die  Stelle,  an  der  der  Name  vorkommt,  ist  in  allen  anderen  Handschriften  des  Buches  verloren. 


46  Kurt  Sethe:    Der  Name  Sesostris.  [41.  Band. 

TS-wsrt  aus  der  19.  Dynastie  wird  in  ihrem  Grabe  bald  korrekt  o"v\    |  I        aJO  , 

seiner  Bedeutung  «die  Mächtige«  entsprechend,  bald  aber  ^\^||'e  jftj)  ge- 
schrieben1. Er  wird  etwa  T-wösre  gelautet  und  in  seinem  Endbestandteil  wosre 
mit  dem  Namen  Sn-wsrt  gleichgeklungen  haben. 

Über  eine    andere  Variante  aus  dem  n.  R.,   der  gleichfalls  das  o  fehlt,   s. 
unten  Abschn.  6. 

3.    Gründe  für  die  Lesung  Sn-wsrt. 
Daß  das    Element    ]  fl  des  Namens    |  R  in   der  Tat  ein  Götter- 

O  f     I  O        AAAAAA 

name  sein  wird,  machten  die  analog  mit  dem  Elemente  ~    ~  sn  gebildeten  Namen 

?  <^j  aa/wv\  *— ' 

g — »%s         und  <=2=^  einerseits  und  die  Namen    j   I  ,  ~T|l         "6^  , 

fr  aaaaaa  ',   \       r\  n  I         r\        Ttt 

AAAAAA  II     AAAAAA  I     I  (— i  'I  I     I  <— -*  — '— ' 

die  ebenfalls  den  Namen  der  Göttin  Wosret  enthalten,  andererseits  mehr  als 
wahrscheinlich.  Daß  dieser  mutmaßliche  Göttername  Wosret,  wie  so  oft,  nur  der 
Ehrfurcht  halber  in  der  Schrift  vorangestellt  und  in  Wahrheit  nach  dem  Element 
sn  zu  lesen  sein  müsse,  ergab  sich  dagegen  aus  dem  Umstand,  daß  sich  nur 
so  dieses  Wort  sn  mit  dem  weiblichen  wsrt  grammatisch  verbinden  ließe,  da 
es  keine  Spur  einer  femininalen  Flexionsform  (tj  des  Pseudopartizips ,  t  der  nomi- 
nalen Formen,  s  des  Suffixes)  zeigt.  Der  einzige  Ausweg,  der  den  Anhängern 
der  früheren  Lesung  Wsrt-sn  blieb,  war  der,  daß  das  Element  sn,  obgleich  es 
stets  mit  H  geschrieben  wird,  nichtsdestoweniger  das  Pronomen  3  plur.  I  aaaw  sn 
darstelle,  und  daß  der  Name  Wsrt-sn  entweder  »ihre  (der  Eltern)  Macht«  oder 
»die,  welche  mächtig  sein  werden«  (Adjektiv  verb.  plur.)  bedeuten  könne.  Gegen 
diese  letztere  Deutung  spricht  schon,  daß  sie  einen  sinnlosen  Namen  ergäbe, 
gegen  die  erstere,  daß  das  Wort  »Macht«,  »Reichtum«  sonst,  soviel  bekannt, 
stets  in  der  maskulinen  Form  wir  auftritt2.  Beiden  Deutungen  wird  nun  wohl 
durch  die  oben  besprochene  Variante  Co "]  p  <2i  /W1AAJ  vollends  der  Boden  ent- 
zogen; denn  in  beiden  Fällen  hätte  das  t  doch  wohl  kaum  so  früh  wegfallen 
können,  das  Suffix  sn  oder  das  /,  das  ihm  im  Adjektiv  verbale  folgte,  hätten 
es  gewiß  vor  der  Verschiffung  bewahrt. 

4.    S-n-wsrt  »Mann  der  Wosret«. 
Für  die  Deutung  des  Elementes   J^  sn  kam   zunächst  eine  alte  Variante 
des  Namens  "ffl  ^    in  Betracht,    nach    der  der  Name   »Mann  der  Wosret« 

1    '  C^         AAAAAA 

x)    Lepsius,  Königsb.  485. 

2)    So  z.  B.  in  dem  Namen  (    °    i(]<=> 1  N-wsr-rc  »die  Macht  gehört  dem  Ret«  (wie  N- 

'  \   AAAAAA      I J\ 


sw-tmn    »er   gehört   dem    Amon«),    der   nach   der  griechischen  Wiedergabe    des   analogen   Namens 
I      Q        4^ '  |   N-mXt-rc    »die  Wahrheit    gehört   dem  Re<«    Aopuem«    und    angesichts    der   alten 

\^  AAAAAA ^  Ci        J\ 

Variante  (    °    Wjjj  N-wsj-rc  (im  Grabe  des  Ptah-hotep,  Dum.,  Res.  I  8)    etwa  *La-usi-rec  zu 
vokalisieren  sein  wird. 


1904.]  Kurt  Sethe:    Der  Name  Sesostris.  47 

bedeuten  würde.  Andererseits  ließ  sich  eine  Reihe  von  weiblichen  Eigennamen 
belegen,  die  analog  gebildet  zu  sein  schienen  und  die  statt  des  /w^  sn  ein  weib- 
liches AAAAAA  oder  sn-t   zeigten.     Mein  Bedenken  gegen  eine  Anwendung 

C^l  AAAAAA    C  3 

des  Wortes    vk    s  »Mann«,  wie  sie  in  II  ^    vorläge,    hat  sich    inzwischen 

£ü  C±        /WW\A 

als  unbegründet  herausgestellt.  Nicht  nur  kommt  im  m.  R.  öfter  eine  ganz 
analog   gebildete  Bezeichnung    vft  -ww«^  »Mann    der  Wahrheit«    vor1,    es 

ist   mir    inzwischen    auch  ein    anderer  Personenname    der    gleichen  Bildung  be- 
kannt  geworden,    in    dem   das    dem   Gottesnamen   folgende  Element   sn   ebenso 
^    wie   in    der   obigen   alten   Variante    des    Namens    Sn-wsrt  geschrieben   ist. 

AA/WVV 

fi  ^    S-n-pth  »Mann  des  Ptah«   ist  der  Name  eines  Mannes  auf  einem  Relief, 

das  Bokchardt  im  Winter  1901/02  bei  den  Grabungen  der  Deutschen  Orient- 
Gesellschaft  bei  Abusir  gefunden  hat  und  das  seinem  Stile  nach  in  die  Zeit 
zwischen  dem  a.  R.  und  dem  m.  R.  gehören  wird,  also  etwa  in  dieselbe  Zeit, 
aus  der  die  obige  Variante  des  Namens  Sn-wsrt  belegt  war. 

Angesichts  dieses  Namens  S-n-pth  muß  jeder  Zweifel  an  der  Lesung  und 
Deutung  des  Namens    j  I  verstummen.     Er  ist  wirklich,   wie  es  nach  der 

alten  Variante    |   I  ^     scheinen   mußte,    S-n-wsrt  zu   lesen    und   bedeutete 

I  I        Ol      /wvw\ 

»Mann  der  Wosret«2.  Damit  wird  dann  aber  auch  Maspero  recht  haben, 
wenn    er    den   Namen   Sanwosret   anstatt   Senwosret   vokalisiert;    denn    C&.R-   ist 

bekanntlich    die    Form,    unter    der    sich    die  Verbindung    ^     »Mann    von«    im 

AAAAAA 

Koptischen  in  einer  Reihe  von  Ausdrücken  erhalten  zu  haben  scheint3. 

5.    Sa-n-wosret  und  Sesostris. 

Wie    stimmt    nun   zu    dieser    mutmaßlichen  Vokalisation    Sa-n-wosret    des 

ägyptischen  Namens   j  I  die  griechische  Namensform  Sesostris  mit  ihren 

1 1     d   /wvw\ 

verschiedenen  Varianten?  Bei  der  von  mir  angenommenen  Vokalisation  Sen- 
wosret ließen  sich  die  Abweichungen  der  griechischen  Form  Sesostris  fast  alle 
aus  den  lautlichen  Verhältnissen  befriedigend  erklären.  Es  blieb  als  Unter- 
schied eigentlich  nur  das  Fehlen  des  n  und  das  unorganische  s  an  seiner  Stelle. 
Auch  für  dieses  unorganische  s  zwischen  dem  e  und  dem  folgenden  o-Laut 
(o  oder  w)  ließen  sich  Parallelen  anführen,  in  denen  sich  ein  solches  s  zwischen 
einen  Vokal  und  die  griechische  Endung  ig  eingeschoben  fand.  Zu  den  in  meiner 
Arbeit  hierfür  zitierten  Beispielen  ist  nunmehr  noch  das  griechische  Vcurig,  Oavig, 

»)   LD.,  Text  IV,  54.     Mar.,  Abyd.  II,  24,  4. 

2)  Dieses  Ergebnis  wird,  wie  mir  mein  Freund  Reisner  mitteilt,  auch  dadurch  bestätigt, 
daß  er  bei  seinen  Ausgrabungen  bei  Naga-ed-der  einen  genau  entsprechenden  weiblichen  Namen 
St-nt-inhrt  »Frau  des  Onuris«,  ebenfalls  geschrieben  mit  Voranstellung  des  Gottesnamens  In-hrt, 
und  auch  aus  der  Zeit  zwischen  a.  R.  und  m.  R.  stammend,  gefunden  hat. 

3)  Stern,  Kopt.  Gramm.  §  174. 


48  Kurt  Sethe:    Der  Name  Sesostris.  [41.  Band. 

AvoKTig  nachzutragen,  das  das  ägyptische  Y »  f^o  w?h  mask.1,  kopt.  oys%.$€. 
»Oase«  anStelle  eines  zu  erwartenden  * Uais  wiedergibt.  Etwas  anstößig  blieb 
dagegen  der  Wegfall  des  n,  auf  dem  die  Einschiebung  dieses  er  beruhen  konnte. 
Wenn  der  Wegfall  eines  ägyptischen  n  auch  keineswegs  so  unerhört  ist,  wie 
es  Maspero2  hinstellt  (vgl.  Sethe,  Verbum  I  §  223  ff.  und  den  Namen  Thut- 
mosis'  LI.  M.i<T(ppYig  =  Mesphres  =  Men-cheper-rec),  so  ist  er  doch  immerhin  etwas 
Ungewöhnliches,  namentlich  wenn  dem  n  ein  halbvokalischer  Laut  folgte,  wie 
das  w  von  wosret,  das  in  den  griechischen  Formen  teils  durch  o  wiedergegeben, 
teils  mit  dem  folgenden  o-Laut  kontrahiert  zu  sein  schien3. 

Zu  dem  Fehlen  des  n,  um  dessentwillen  allein  schon  Maspero  jeden  wirk- 
lichen Zusammenhang  zwischen  Sesostris  und  Sn-wsrt  auf  das  entschiedenste 
leugnet,  scheint  nunmehr  bei  der  Vokalisation  Sa-n-iuosret  noch  ein  anderer 
Unterschied  zu  treten,  der  Vokal  a  statt  des  e,  das  die  griechischen  Formen 
haben.  In  Wahrheit  haben  wir  es  hier  aber  wohl  nicht  mit  einem  neuen 
Unterschiede  zu  tun,  der  die  Bedenken  Masperos  verstärken  könnte,  sondern 
mit  einer  Erscheinung,  die  mit  dem  Fehlen  des  n  eng  zusammenhängt  und  die 
uns  die  Erklärung  dafür  gibt.  Denn  wenn  in  Sa-n- wosret  das  Wort  &  s  mit 
dem  Vokal  a  und  gefolgt  von  dem  Genitivexponenten  n  erscheint,  in  Sesostris 
dagegen  dieses  n  fehlt  und  das  vorhergehende  Wort  statt  des  Vokals  a  den 
kurzen  Vokal  e  der  unbetonten  Nebensilben  aufweist,  so  liegt  es  auf  der  Hand, 
daß  sich  hier  die  beiden  Arten  der  ägyptischen  Genitivverbindung  gegenüber- 
stehen werden:  der  Genitiv  mit  n,  bei  dem  das  Nomen  regens  in  der  Regel 
unverkürzt  erscheint  (in  unserem  Falle  sa  »Mann«),  und  der  Genitiv  ohne  Ex- 
ponenten, bei  dem  das  Nomen  regens  im  Status  construetus  stehen  muß  (in 
unserem  Falle  se-).  Ist  das  richtig,  so  müßte  also  Sesostris  auf  eine  Namens- 
form *Se-wösre(t)  zurückgehen,  die  sich  zu  der  vollen  Form  Sa-n-wosre{t)  ver- 
hielte wie  z.  B.   im  Koptischen  ^TO^-uje   »400«    zu  qToo*y  Soge. 

6.  Nebenformen  von  Sa-n-wosret  ohne  n. 
Eine  Nebenform  des  Namens  Sa-n-wosret  ohne  n,  wie  wir  sie  hier  für 
die  griechische  Form  Sesostris  verlangten,  läßt  sich  nun  in  der  Tat  schon  recht 
früh  nachweisen.  In  einem  hieratischen  Papyrus  zu  Turin,  der  aus  der  Zeit  der 
20.  Dynastie  etwa  stammen  wird,  findet  sich  der  Name  König  Sa-n-wosrets  L, 
kenntlich  an  dem  Namen  Hpr-fa-rc,    so  geschrieben: 


4^£  flfo  (Leps-'  Ausw-  14)  oder  ßti^fllo 


(Pleyte-Rossi,  Papyrus  de  Turin  12) 


l)    LD.  Text  IV,  45.  —  2)  Journal  des  Savants  1901,  600. 

3)  Infolge  eines  seltsamen  Mißverständnisses  schreibt  mir  Maspero  die  unhaltbare  Behauptung 
zu,  das  n  sei  unter  dem  Einfluß  des  folgenden  w  weggefallen,  vor  dem  es  sich  nicht  halten  könne. 
Etwas  Derartiges  kann  aus  meinen  Worten  (Sesostris,  S.  8  Zeile  13)  schlechterdings  nicht  heraus- 
gelesen werden,  auch  wenn  daselbst  ein  Semikolon  versetzt  ist.  Es  sind  also  nicht  meine  Aus- 
führungen, auf  die  Masperos  Wort  »Ce  n'est  lä  qu'une  assertion  gratuite*   zutrifft. 


1904.]  Kürt  Seihe:    Der  Name  Sesostris.  4J 

das  ist  offenbar  Hp<=>v^  ,  J  ,  eine  Schreibung,  die  nicht  nur  wegen  des  Fehlens 
des  Genitivexponenten  n  von  Interesse  ist,  sondern  auch  als  neues  Beispiel  für 
die  oben  besprochenen  Schreibungen  von  wsr  ohne  die  Femininalendung  t  (Ab- 
schnitt 2)  und  von  s  »Mann«  mit  dem  Zeichen  n£  (Abschnitt  4)  bemerkenswert  ist. 
Ein  bedeutend  älteres  Beispiel  dieser  kürzeren  Namensform  ohne  n,  das 
noch  aus  der  Zeit  des  Königs  Sa-n-wosret  I.  selbst  stammt,  begegnet  uns  in 
einer  hieratischen  Inschrift  in  den  Alabasterbrüchen  von  Hat-nub,  datiert  vom 
31.  Jahre  Sa-n-wosrets  I.1  In  dieser  Inschrift  beschwört  der  Erzählende  die 
Wahrheit  seiner  Aussagen  mit  den  Worten: 

»so  wahr  mir  S-wsr  lebt,  ich  spreche  wahr«. 

Bei  diesem  Beispiel  ist  zunächst  bemerkenswert  das  Fehlen  des  femininalen 
o  i,  das  demnach  schon  zur  Zeit  König  Sa-n-wosrets  I.  wenigstens  in  der 
kürzeren  Form  ohne  n  nicht  mehr  gesprochen  worden  zu  sein  scheint  (s.  hier- 
zu unten  Abschnitt  7).  Besondere  Beachtung  verdient  außerdem  für  uns  hier 
der  Zusammenhang,  in  dem  die  Form  ohne  n  S-wsr  hier  gebraucht  erscheint, 
im  Schwur,  ohne  jeden  Königstitel  und  ohne  die  üblichen  Ehrenprädikate  wie 
•¥•  ZI  o.  ä.  Das  läßt  uns  die  Namensform  wohl  deutlich  als  eine  inoffizielle, 
aber  im  täglichen  Leben  gebräuchliche  Form  des  Königsnamens  erkennen. 

Dieser  Schluß  wird  auf  das  schönste  bestätigt  durch  einen  weiteren  Fall, 
in  dem  wir  den  kürzeren  Namen  ohne  n  genau  in  dem  gleichen  Zusammen- 
hang, aber  mit  Bezug  auf  König  Sa-n-wosret  III.  angewendet  finden.  In  der 
oben  bereits  einmal  zitierten  Inschrift  des  Hw-sbk,  die  zum  ersten  Male  von 
einem  asiatischen  Feldzuge  dieses  Königs  berichtet,  schließt  Hw-sbk  die  Er- 
zählung seiner  Kriegstaten  mit  denselben  Worten  wie  oben: 


f 


Q  |)  /W^VVA 


»so  wahr  mir  S-wsrt  lebt,   ich  spreche  wahr«. 

Im  Unterschied  zu  der  obigen  Stelle  ist  hier  das  femininale  t  des  W  ortes 
Wosret  wieder  bezeichnet  (s.  dazu  unten  Abschnitt  7).  Zu  den  Umständen, 
die  uns  oben  den  inoffiziellen  Charakter  der  Namensform  ohne  n  zu  erkennen 
gaben,  tritt  hier  noch  ein  neues  Moment:  der  Name  entbehrt  nicht  nur  gleich- 
falls der  Königstitel  und  der  königlichen  Ehrenprädikate ,  sondern  er  ist  außer 
dem  auch  ohne  den  Königsring  geschrieben. 

7.   Ableitung  von  Xecrwcrpig  und  Xe<roüo<rig  aus  den  Kurzformen  von 

Sa-n-wosret. 
Wir   haben   hier   in   drei  Beispielen   eine   kürzere  Nebenform   des  Namens 
Sa-n-wosret  kennen  gelernt,   der  der  Grenitivexponent  n  fehlte  und  die  sich  in 

*)    Blackden  -  Fräser  ,  Hieratic  graffiti  X.    —    2)  Garstang,   El  Araba  pl.  5,  vorletzte  wage- 
rechte Zeile.     Das  sie  rührt  von  Garstang  her. 

Zeitschr.  f.  Ägypt.  Spr.,  41.  Band.     1904.  7 


50  Kurt  Sethe:    Der  Name  Sesostris.  [41.  Band. 

den  beiden  letzten  Beispielen  deutlich  durch  ihren  Gebrauch  als  eine  vulgäre  Form 
erwies.  Derartige  vulgäre  Kurzformen  sind  uns  ja  auch  von  anderen  ägypti- 
schen Königen  bekannt  (mit  einer  werden  wir  uns  in  Abschnitt  8  noch  näher 
zu  beschäftigen  haben).  Und  es  ist  gewiß  kein  Zufall,  daß  gerade  sie  sich  oft 
bis  in  die  spätesten  Zeiten  lebendig  erhalten  haben,  während  die  vollen  Namens- 
formen längst  vergessen  waren.  So  tritt  uns  König  Pjöpej  I.1  in  den  hieroglyphi- 
schen Inschriften  der  Ptolemäerzeit2,  bei  Manethos  und  bei  Plinius  nicht  unter 
seinem  vollen  Namen   entgegen,   den  Manethos  für  seinen  Sohn  Pjöpej  II.  richtig 

als  i&twd/  gibt,  sondern  konsequent  unter  dem  Kurznamen  (o{j[jjL  $icg,  Phius3. 

So  erscheint  Thutmosis  III.  bei  Manethos  als  Mxr<ppv\g,  Mtc^ca-T^oLi^axrw,  bei 
Plinius  als  Mesphres,  d.  h.  unter  einer  Kurzform  Meschpre^  seines  Namens  Men- 
cheper-rec\  ähnlich  wird  Psammetich  II.  mit  einer  Kurzform  ^cc\x\xtg  bei  Herodot, 
Psemet-nepherphreus  bei  Plinius  genannt;  endlich  ist  es  wohl  der  aus  den  Amarna- 
Briefen  bekannte  Kurzname  Amenophis'  IV.  ]Iuria,  unter  dem  uns  der  König  bei 
Manethos  als  *Qfog  begegnet. 

So  muß  man  es  denn  wohl  auch  als  ganz  natürlich  bezeichnen,  wenn  die 
großen  Könige  der  12.  Dynastie  nicht  unter  ihrem  vollen  Namen  Sa-n-wosret  im 
Munde  der  Nachwelt  fortlebten,  sondern  unter  einem  Kurznamen  wie  Se-wosre. 
Der  Name  'Xecröocrrpig ,  den  Herodot  dem  ägyptischen  Heldenkönig  gibt  und  den 
auch  Manethos,  so  ablehnend  er  sich  sonst  gegen  herodoteische  Namensformen 
verhielt,  für  Sa-n-wosret  II.  und  III.  annahm,  darf  nun  in  der  Tat  wohl  als 
eine  gute  griechische  Wiedergabe  eines  ägyptischen  Se-wosre  gelten,  nachdem 
sich  das  eingeschobene  er  durch  das  neue  Beispiel  Oacig  als  griechische  Eigen- 
tümlichkeit bei  der  Wiedergabe  des  Hiatus  in  ägyptischen  Wörtern  bestätigt  hat. 

Schwieriger  liegt  die  Sache  bei  der  Namensform  ohne  r  'Xzvouxng,  die  wir 
namentlich  bei  Diodor  finden,  und  der  offenbar  daraus  unter  Verwechslung  mit 
1,e<juoyyjg  (Zecroy/jOürng)  entstandenen  Form  XsG-oyy^uxng ,  die  wir  bei  Dikaiarch  und 
Pseudo-Kallisthenes  finden  und  die  Manethos  für  Sa-n-wosret  I.  angenommen 
hat.  Das  Fehlen  des  r  in  diesen  Namensformen  wollte  ich  aus  dem  gewöhn- 
lichen Übergang  des  ägyptischen  <=>  r  in  (1  j,  den  wir  bei  dem  Wortstamme 

wsr  schon  sehr  früh  beobachten  können,  erklären.  Ich  nahm  an,  daß  es  neben 
der  Form  mit  *wosret  vielleicht  eine  Nebenform  mit  *wosjet  gegeben  habe,  die 
dann  nach  dem  Wegfall  der  Femininalendung  und  dem  (in  der  Nebensilbe  not- 
wendigen) Wegfall  des  j  *wöse  gelautet  haben  müßte.  Maspero  wendet  dagegen 
ein,  in  einer  Form  von  der  Bildung  wie  wosret  könne  das  r  niemals  in  j  übergehen 
und  verschwinden;  wie  es  zwar  tio^qe,  aber  noqpe  heiße,  so  könne  es  wohl  ein 
Maskulinum  wöse  geben,  nicht  aber  ein  Femininum  wösje,  dieses  müsse  vielmehr 


1)  So  ist,  wie  Steindorff  gewiß  richtig  vermutet,  der  Name  (r-iDD  J    zu  lesen. 

2)  So   stets   im  Tempel  von    Dendera  und  auf  der  späten  Statue  des  Gottes  Amon ,  ÄZ.  23 

(1885),  78.  —  3)  Siehe  Sethe,  Unters.  III  6. 


1904.]  Krirr  Seihe:    Der  Name  Sesostris.  51 

notwendig  wösre  lauten1.  Dieser  Schluß  ist  nicht  zwingend;  wir  können  den 
Übergang  eines  r  in  j  in  einem  ganz  analogen  Falle  gut  belegen.  Zu  \\  "%=*> 
srj  «klein«,  kopt.  ujipe.  und  »Sohn«,  kopt.  ujHpe,  die  beide  für  *Mrer  und  *  serer 
vom   Stamme   II  gem.    irr  stehen,    heißen   die   Femininalformen  [1  ^^  irj-t 

»klein«,  kopt.  uj^ipe  (aus  *särjet  entstanden  durch  Metathesis)  und  »Tochter«, 
kopt.  ujeepe  (aus  *serjet  entstanden  wie  ceene  aus  *sepjet);  es  ist  hier  also  das 
zweite  r  der  alten  Formen  *särret  und  *serret,  die  den  Formen  *wösret  und  noqpe 
entsprechen,   ebenso  in  (1  j  übergegangen  wie  bei  *sirer  und  *  serer,  die  der  Form 

no'yqe  entsprechen.  Auch  &fme:&em  »Dattelpalme«,  das  aus  *benret,  *benjet 
entstanden  ist,  hat  den  Übergang  des  r  in  /  unter  denselben  Umständen  er- 
litten, wie  es  eine  Form  *wösret,  *wösjet  haben  würde.  Ist  demnach  die  Ent- 
stehung einer  Form  *wösjet  aus  *wösret  an  sich  sehr  wohl  möglich,  so  hat  Maspeeo, 
wenn  er  sich  gegen  die  Annahme  einer  solchen  Form  ausspricht,  doch  vielleicht 
insofern  Recht,  als  die  Koexistenz  einer  Form  *wösjet  neben  der  guten  Form 
*wösret,  die  zu  Secwt/ms  stimmt,  recht  wenig  wahrscheinlich  ist.  Zudem  reicht 
die  Annahme  einer  Form  *wösjet  wohl  auch  nicht  zur  Erklärung  der  griechischen 
Formen  aus.  Denn  ein  *wösjet  müßte  nach  den  Lautgesetzen  *wöse  mit  kurzem 
ö  ergeben;  und  ob  ein  solches,  in  offener  Silbe  stehendes  ö  von  den  Griechen 
ebenso,  wie  das  in  geschlossener  Silbe  stehende,  durch  w  wiedergegeben  worden 
wäre,  ist  auch  mir  einigermaßen  zweifelhaft.  Ich  glaube,  es  läßt  sich  aber  für 
die  r-losen  Formen  2e<ro'w<ns  und  Xe<roy%wcrig  auch  ohne  die  Annahme  einer 
Nebenform  *wösjet  für  *wösret  eine  Erklärung  vorstellen,  die  vielleicht  einigen 
Anspruch  auf  Glaubwürdigkeit  erheben  darf.  Wenn  Manethos  die  Form  Xe- 
(TiJüG-Tpig  nur  für  Sa-n-wosret  II.  und  III.  anwendet,  für  Sa-n-wosret  I.  dagegen 
die  abweichende  Form  %ecroy%<jü<rig ,  so  tut  er  das,  wie  in  verschiedenen  anderen 
Fällen,  offenbar  absichtlich,  um  die  gleichnamigen  Könige  zu  unterscheiden. 
Selbstverständlich  wird  Manethos  sich  diese  unterscheidenden  Namen  aber  nicht 
ad  hoc  ausgedacht  haben,  sondern  er  wird  dabei  Namensformen  benutzt  haben, 
die  tatsächlich  speziell  zur  Bezeichnung  des  betreffenden  Königs  üblich  waren. 
So  hatte  er  ja,  wie  wir  oben  sahen,  die  beiden  Könige  der  6.  Dynastie  namens 
CnTO  s0  unterscnie^en ,  daß  er  den  bekannteren  Pjöpej  I.  mit  einem  Kurznamen 
anführte,  unter  dem  er  uns  auch  in  den  hieroglyphischen  Inschriften  der 
griechisch-römischen  Zeit  begegnet,  Pf  =  $>iog,  während  er  den  unbekannteren 
Pjöpej  IL  (Nefer-ke-ref)  mit  seinem  offiziellen  unverkürzten  Namen  $iw\!/  nannte. 
So  kommt  man  denn  notwendig  auch  zu  dem  Schluß,  daß  wenn  Xeo-warpig  auf 
einen  Kurznamen  *Se-wosre  zurückging,  der  Name  2ecro7%wcrt?  oder  seine  kor- 
rektere Form  Xe<Tou)(7ig  wahrscheinlich  auf  eine  andere  Kurzform  oder  Vulgärform 
zurückgehen  wird,  die  speziell  für  Sa-n-wosret  I.  in  Gebrauch  war.  Daß  die 
Griechen,  für  die   es  nur  einen  König  Sesostris  gab,  die  beiden  Namensformen 


x)   Journ.  des  Savants  1901,  674. 

7* 


52  Kurt  Sethe:    Der  Name  Sesostris.  [4L  Band. 

im  allgemeinen  promiscue  füreinander  brauchen,  spricht  nicht  dagegen.  Es 
verdient  vielmehr  hervorgehoben  zu  werden,  daß  wir  trotzdem  der  Form  Xe- 
<7oy%u)<7ig,  XecouHTis ,  Sesosis  verschiedentlich  gerade  da  statt  der  gebräuchlicheren 
Form  XecoüG-rpig  begegnen,  wo  in  der  Tat  Sa-n-wosret  I.   gemeint  sein  dürfte. 

Wie  könnte  nun  diese  mutmaßliche  besondere  Vulgärnamensform  für  Sa- 
n-wosret  I.  gelautet  haben?  Gehen  wir  dabei  von  den  griechischen  Formen 
aus,  so  wird  man  zunächst  aus  dem  Anfange  Xec-  wie  bei  der  mutmaßlichen 
Grundform  zu  XecuJCTpig  schließen  müssen,  daß  die  zu  suchende  Namensform  den 
Genitivexponenten  nicht  enthielt  und  das  Wort  s  »Mann«  daher  im  Stat.  constr. 
zeigte.  Aus  dem  übrigbleibenden  Bestandteil  -ouxrig  (-oy%uxrig)  wird  man  da- 
gegen, wenn  man  mit  Maspero  die  Annahme  einer  Nebenform  *wösjet  nicht  zu- 
geben will,  nur  schließen  können,  daß  dieses  ow<rig  nicht  auf  die  weibliche  Form 
*wosret  zurückgehen  kann.  Eine  Form  des  Stammes  wsr,  auf  die  es  zurück- 
geführt werden  könnte,  wäre  dagegen  die  zu  *wosret  gehörige  maskuline  Ad- 
jektivform *wöser,  die  nach  den  Lautgesetzen  *iuösej,  *wöse  ergeben  mußte1.  Man 
würde  als  Grundform  zu  Xetrowcrtg  und  seiner  Entstellung  Xeaoyy^uig  also  eine 
Namensform  *Se-wöser  erwarten  können.  Ein  solcher  Name  würde  »mächtiger 
Mann«  bedeuten,  und  ich  könnte  mir  wohl  denken,  daß  das  ägyptische  Volk 
bei  seiner  bekannten  Neigung,  Namen  etymologisch  aus  Ereignissen  oder  Aus- 
sprüchen zu  erklären,  den  Namen  seines  großen,  vielleicht  größten  Königs 
Sa-n-wosret  oder  Se-wosret  »Mann  der  Mächtigen«  in  Se-wöser  »mächtiger  Mann« 
verwandelt  haben  könnte. 

Sollte  sich  diese  Erklärung  des  Namens  XecouxTig ,  —  die,  wie  ich  aus- 
drücklich hervorheben  möchte,  aber  nur  als  eine  eventuell  in  Betracht  zu  ziehende 
Vermutung  hingestellt  werden  soll  —  etwa  bestätigen,  so  könnte  man  die 
anzunehmende   Kurzform  *  Se-wöser  auch    schon  in  den  oben  besprochenen  bei- 


den Namensvarianten  Mp^f^J   und  H[]<=>^  ,j  erkennen,  die  nicht  nur  ohne 


das  genitivische  n,  sondern  auch  ohne  Femininalendung  geschrieben  waren  und 
sich  beide  auf  Sa-n-wosret  L,  den  Xe<roy%u)(rig  des  Manethos,  bezogen.  In  der 
Tat  ist  das  Fehlen  der  Femininalendung  in  dem  ersten  Beispiel,  das  noch  aus 
der  Zeit  des  Königs  Sa-n-wosret  I.  selbst  stammte,  immerhin  auffällig;  denn 
in  dieser  Zeit  pflegte  die  Femininalendung  auch  da,  wo  sie  vermutlich  in  Wahr- 
heit bereits  weggefallen  war,  noch  bezeichnet  zu  werden.  So  erschien  sie  denn  ja 
auch  in  dem  dritten  Beispiel,  wo  sich  die  Kurzform  auf  Sa-n-wosret  III.  bezog, 
regelrecht  wieder  ausgeschrieben :  |  (1  o  .  Da  Manethos  gerade  diesem  König 
im  Unterschied  zu  Sa-n-wosret  I.  den  Namen  XevooG-Tpig  gibt,  der  auf  eine  Kurz- 
form Se-wosret  zurückzuführen  ist,  so  wird  die  Verführung  noch  größer,  in  dem 
entsprechenden    Mp^"fj    für  den   König,    den  Manethos   Xe<roy%u)<Tig  (d.i.   ver- 


x)  An  den  Infinitiv  ist  wohl  nicht  zu  denken,  da  dieser  die  Vokalisation  der  intransitiven 
Eigenschaftsverben  haben  und  also  nach  dem  Muster  von  gno  für  *'ehkör,  Tgo  für  *'edhör,  *uso 
für  *'ewsor  lauten  maßte. 


bung   "jp 
des  IR' 


1904.]  Kurt  Sethe:    Der  Name  Sesostris.  53 

derbtes  Xsvouxyig)  nennt,    eben  das  eventuell  dafür  zu  vermutende  Se-wöser  zu 
erkennen.    Das  Wort     j  '<=>  wir  »mächtig«  (*wöser)  würde  dann  freilich  in  beiden 

Beispielen   zu  Unrecht   dem  Worte      „      oder  vÄ   (  s  »Mann«  (*se-)'in  der  Schrift 
vorangestellt  sein;  und  dies  müßte  schon  unter  dem  Einfluß  der  offiziellen  Schrei- 
Sn-wsrt  (Sa-n-wosret)  geschehen  sein,  bei  der  die  Voranstellung 

Wsrt  (*Wosret)  als  Gottesnamen  gerechtfertigt  war. 

Mag  man  nun  aber  über  diesen  Vorschlag  zur  Erklärung  der  Nebenform 
des  Namens  Sesostris  ohne  r  denken  wie  man  will,  so  wird  man  doch  ohne 
weiteres  zugeben  müssen,  daß  diese  Namensform  demselben  ägyptischen  Königs- 
namen entsprechen  muß  wie  die  gewöhnlichere  Form  Sesostris,  für  die  wir  sie 
eintreten  sehen  und  neben  der  sie  ja  auch  bei  Manethos  als  Äquivalent  für  das 
ägyptische  Sa-n-wosret  erscheint.  Daß  diese  ihre  Bruderform  Sesostris  aber  sehr 
gut  aus  dem  ägyptischen  Sa-n-wosret  hergeleitet  werden  kann  und  daß  wir  daher 
keinen  Grund  haben,  an  Manethos'  Identifikation  der  beiden  Namen  zu  deuteln, 
dürften  die  vorstehenden  Ausführungen  hinreichend  dargetan  haben. 

8.    Der  Kurzname  Ramses'  IL 

Nachdem  hiermit  der  positive  Teil  meiner  Aufgabe  erledigt  ist,  bleibt  mir 
nunmehr  noch  der  negative,  zu  zeigen,  daß  die  Herleitung  des  Namens  Sesostris 
und  seiner  Nebenformen  aus  dem  Kurznamen  Ramses'  IL  (PP^l^jL  an  der  Mas- 
pero  festhält,   ein  Ding  der  Unmöglichkeit  ist. 

Wenn  Maspero  meint,  in  diesem  Kurznamen  habe  man  denjenigen  Königs- 
namen zu  suchen,  den  Herodots  Gewährsmann  auf  den  Kolossalstatuen  des 
Sesostris  im  Ptahtempel  von  Memphis  las  und  der  ihn  zu  seinen  Mitteilungen 
über  den  Heldenkönig  veranlaßte1,  so  übersieht  er  dabei  ganz,  daß  ein  derartiger 
Kurzname  eines  Königs  auf  einem  offiziellen  Denkmal  desselben  überhaupt  nie- 
mals erscheinen  könnte.  Wir  kennen  den  obigen  Namen  Ramses'  IL  denn  auch 
nur  aus  zwei  literarischen  Papyrus  (Anastasi  I.  II),  wo  er  verschiedentlich  in 
Orts-  und  Gebäudebezeichnungen,  die  nach  dem  Könige  benannt  waren,  vor- 
kommt und  dabei  offenbar  einen  der  offiziellen  Namen  des  Königs  vertritt.  Daß 
aber  der  König  selbst  sich  auf  seinem  Statuenkoloß  mit  diesem  volkstümlichen 
Namen  genannt  haben  sollte,  vermag  ich  mir  ebensowenig  vorzustellen,  wie 
etwa,  daß  Friedrich  der  Große  sich  auf  einem  offiziellen  Denkmal  als  der  »alte 
Fritz«  bezeichnet  haben  sollte.  Man  könnte  also  nur  annehmen,  daß  Herodots 
schriftkundiger  Führer  auf  dem  Denkmal  den  offiziellen  Namen  Ramses'  IL  las 
und  durch  den  volkstümlichen  Namen,  der  mit  8s  anfing,  ersetzte.  Das  setzte 
aber  voraus,  daß  dieser  Name  zu  Herodots  Zeit  nicht  nur  noch  in  Gebrauch, 
sondern  auch  gebräuchlicher  war  als  der  Name  Ramses.  Dafür  spricht  aber 
nicht  das  geringste.     Ramses,  Rampsinitos,   Osymandyas  sind  Namen,    die  bei 


l)    Journal  des  Savants  1901,  600.  601. 


54  Kurt  Seihe:    Der  Name  Sesostris.  [41.  Band. 

den  griechischen  Schriftstellern  oft  genug  vorkommen;  und  wenn  Sesostris  wirk- 
lich einen  Namen  Ramses'  IL  wiedergäbe,  der  in  späterer  Zeit  gebräuchlicher 
als  diese  Namensformen  gewesen  wäre,  warum  hat  Manethos  davon  nichts  ge- 
wußt, warum  hat  er  den  Namen  Sesostris  einem  anderen  König  zugeschrieben? 
Viel  einfacher  scheint  es  mir,  wenn  Herodots  Führer  auf  den  Statuen  den  Namen 

M]  J  las,   den  er  Se-wosre  aussprach,  was  Herodot  dann,   so  gut  er  es 


verstanden  und  behalten  hatte,  und  so  gut  er  es  griechisch  wiedergeben  konnte, 
mit  Sesostris  wiedergab. 

Und  nun  zu  der  Form  jenes  Kurznamens  Ramses'  II.  Stimmt  sie  wirklich, 
wie  uns  Maspero  glauben  machen  will,  so  gut  mit  der  griechischen  Namensform 
Sesostris  und  ihren  Nebenformen  überein?  Der  Name  (\\\\  legi  kommt  dreimal 
im  Papyrus  Anastasi  I  (18,  8.  27,  3.  5)  selbständig  vor,  einmal  ebendaselbst  (12,  3) 
mit  dem  Beinamen  Mi-amun  verbunden  in  der  Schreibung    (q\\\\     1  <2 \ \\ i~~~1  S\  ] 

mit  vorgesetztem  O.  Maspero  erkennt  in  dieser  letzteren,  vereinzelt  dastehen- 
den Schreibung  die  korrekte  Form  des  Namens,  den  er  Sstsw-rc  liest  und  mit 
XsvüöGTpig   identifiziert.      In    der    dreimal  so    häufig   belegten  Form    II    1@,    die 

ihm  dementsprechend  das  Vorbild  zu  der  Form  Xe(Tooo<ng  abgibt,  sieht  er  da- 
gegen eine  Variante  jenes  Namens  Sstsw-rt  mit  Wegfall  des  endenden  O,  wie  das 
bei  Königsnamen  öfter  vorkomme.  Als  Beispiele  für  einen  solchen  angeblichen 
Wegfall  des  O  führt  Maspero  in  seinen  Etud.  de  mythol.  et  d'archeol.  III,  410, 
auf  die  er  verweist,  Wsr-m^t  für  Wsr-mm-rc  bei  Ramses  II.  und  Dsr-k!  statt 
Dsr-ltf-rc  bei  Amenophis  I.  an.  Es  ist  zu  bedauern,  daß  Maspero  nicht  mit- 
geteilt hat,  wo  er  diese  Zeugen  gefunden  haben  will.  Lepsius  hat  in  seinem 
Königsbuch  weder  den  einen  noch  den  anderen  Namen  ohne  O  belegt.  Ver- 
mutlich schwebte  Maspero  etwas  anderes  vor,  das  aber  gerade  das  Gegenteil 
von  dem  zeigt,  was  er  behaupten  will.  Es  ist  nämlich  eine  in  hieratischen 
Handschriften  oft  zu  beobachtende  Unsitte  der  Schreiber  des  n.  R.,  Königs- 
namen mit  O  anfangen  zu  lassen,  auch  wenn  sie  tatsächlich  nicht  auf  K  aus- 
gingen.   So  findet  man  (q^®   \]  im  Pap.  Westcar  für  f©^*^^1^]  Hwfw  (X£o\|/, 

^ovept,),  QMiQ im  Pap-  Sallier  l  für  QMS]  tppj  ca™>4  HpSjüI 


(s.  ob.  Abschn.  2)  für  ( "Ip*^"^  _H_  1  Sa-n-wosret  usw.    Zu  diesen  Beispielen  mit  Zu- 
fügung  eines  ungehörigen  O  würde  sich  nun  auch  das  vereinzelte  (  o  ]  ]ol<5M  ^^S\  1 


gesellen ,  wenn  dort  nicht  das  O  von  dem  Schreiber  der  Handschrift  selbst  wieder 
weggewischt  worden  wäre.  Das  ist  nämlich,  wie  ich  bei  einer  Kollation  des  Pa- 
pyrus in  London  festgestellt  habe,  tatsächlich  geschehen,  und  der  Name  Sstsw-rc, 
Masperos  Vorbild  des  Namens  Sesostris,  besteht  also  nicht  einmal  als  irrige  Schrei- 
bung mit  bedeutungslosem  O  mehr  zu  Recht. 

Aber  nicht  nur  das  charakteristische  r  der  Namensform  Xscruxrrpig  fehlt  so- 
mit dem  Kurznamen  Ramses'  IL;   auch  das  dritte  s,  das  diese  Form  (Xecoücrrpig) 


1904.]  Kurt  Seihe:    Der  Name  Sesostris.  55 

mit  ihren  r- losen  Nebenformen  Zecrotacrig,  XearcyXiu<[p  gemein  hat.  fehlt  ihm. 
Die  oben  erörterte  Schreibung  II  I  (5  ist  uns,  wie  gesagt,  nur  aus  einer  einzigen 
hieratischen  Handschrift  bekannt.  Die  entsprechende  hieroglyphische  Schreibung 
lautet  einfach   (    l  I  ^--  J   und  zeigt  nichts  weiter  als   die  beiden  Konsonanten  Ss. 

Ich  hatte  in  meiner  Arbeit  für  diese  Schreibung  nur  ein  Beispiel  beigebracht, 
das  man  früher  irrig  auch  auf  Ramses  II.  bezogen  hatte,  das  sich  in  Wahrheit 
aber  auf  Ramses  III.  bezieht1.  Da  Ramses  III.  aber  bekanntlich  dieselben  offi- 
ziellen Namen  wie  sein  Ahn  Ramses  II.  führte,  nur  in  anderer  Anordnung, 
so  war  es  wahrscheinlich .  daß  auch  die  mit  denselben  Lauten  beginnenden  in- 
offiziellen Kurznamenformen  beider  Könige  identisch  waren.  Das  bestätigt  sich 
nun  in  der  Tat.    Eine  hieroglyphische  Variante  zu  dem  oben  besprochenen  Namen 

Ramses*  II.   |i jl    1@M         Jj  findet  sich  auf  einem  Stück  der  Sammlung  Weede- 

manx.  von  dem  Wiedemakn,  was  ich  übersehen  hatte,  schon  in  seiner  Geschichte 
Mitteilung  gemacht  hat2.  Der  Name  erscheint  hier  nach  Wiedemanns  Umschrei- 
bung als  Amen-meri-Ses,  er  zeigt  also  die  Vorausstellung  des  Beinamens  Miamun, 
wie  sie  sich  auch  bei  den  hieroglyphischen  Schreibungen  des  offiziellen  Namens 
Ramses  Miamun  stets  findet,  der  dagegen  im  Hieratischen  in  seiner  richtigen 
Folge  zu  erscheinen  pflegt. 

Wie  läßt  sich  nun  diese  hieroglyphische  Schreibung  11^  mit  der  oben 
erörterten  hieratischen  Schreibung  II  1(5  vereinigen?  Ich  wollte  das  1(5  als 
bedeutungslosen  Zusatz,  wie  wir  ihn  in  hieratischen  Handschriften  des  n.  R. 
öfters  nach  einem  s  am  Ende  der  Worte  finden  ( (5  rrj  ^\    I -^^  I  (5  für  ichs. 

A^  1(5  für  hms),  erklären  und  in  dem  I  .  das  ihm  vorangeht,  eine  Bezeichnung 
für  s  sehen,  wie  wir  sie  ebenfalls  in  neuägyptischer  Orthographie  nicht  selten 
belegen  können.  Maspero  wendet  dagegen  ein.  daß  zwar  H  +  l^  und  M  4-  q 
Bezeichnungen  für  einfaches  s  seien,  nicht  aber  1  +  ^+1(5.  Er  schließt  aus 
dem  cy,  das  das  I  vom  1(5  trennt,  daß  zwei  s  bezeichnet  werden  sollen.  Wenn 
prinzipiell  auch  gegen  die  Bezeichnung  eines  einfach  gesprochenen  s  durch 
1(5    wohl    nicht    mehr    einzuwenden    wäre,    als    gegen    eine    Schreibung   wie 

^  1@Ü  (Abbott  4.  12.  7.  2.  3)  für    ^     fl  N-s-imn  (ib.  5, 13).  alt 

— m —         1      W      i     T  I     /WVNAA  — N U       I     AAA/VAA 

N-sw-imn,  so  mag  Maspero  im  vorliegenden  Falle  doch  möglicherweise  recht 
haben.  Wir  kennen  nämlich  außer  der  oben  besprochenen  Schreibung  II  1(5 
des  Pap.  Anast.  I  noch  eine  andere  hieratische  Variante  aus  einem  Papyrus  der 
Zeit  des  Menephthah:  ((^^1  (Anast.  II.  5.  5).  In  dieser  Schreibung  entspricht 
offenbar   das    1(5  allein   dem  zweiten     I  der  hieroglyphischen  Schreibung 

x)    LD.  111.  208  e.  —  2)  Ägypt.  Gesch.  408. 


56  Kurt  Sethe:    Der  Name  Sesostris.  [41.  Band. 

während  das  erste  I  dieser  Schreibung  durch  1  bezeichnet  erscheint,  genau 
wie  in  den  neuägyptischen  hieratischen  Handschriften  das  hieroglyphische  [1  s 
als  Suffix  3  fem.  sing,  wiedergegeben  zu  werden  pflegt.  Wenn  wir  in  der  an- 
deren Variante  I  I  I  @  statt  dieses  hieratischen  I  für  hieroglyphisches  I  die 
Gruppe  II  zu  haben  scheinen,  so  ist  damit  die  in  neuägyptischen  Hand- 
schriften so  häufige  Schreibung  — h—  I  für  das  eben  genannte  Suffix  s  (hie- 
rogl.  I,  hierat.  I  )  und  für  den  Radikal  s  des  Stammes  psj  »kochen«  I 
I     (Jl  I   zu  vergleichen. 

Was  sich  aus  der  Vergleichung  der  Varianten  des  Kurznamens  Ramses'  II. 
für  einen  vorurteilslosen  Beobachter  meines  Erachtens  jedenfalls  ergeben  muß, 
daß  dieser  Name  SS  gelautet  hat,  nicht  Sstsw  oder  Stsw,  das  stimmt  nun  auch 
zu  der  einfachen  Erwägung,  daß  der  Name  doch  vermutlich  eine  Abkürzung 
des  Familiennamens  Rc-ms-s  darstellen  wird,  der  aus  Rc-ms-sw  »Rec  ist  es, 
der  ihn  erzeugt  hat«  entstanden,  unverkürzt  etwa  *RaC-mes-se  (Ycl\jlz<t<ty\<;,  'Fa- 
IxevcrYi)  gelautet  haben  wird.  In  der  Tat  entsprechen  die  hieroglyphischen  und 
hieratischen  Schreibungen  des  Kurznamens  den  gewöhnlichen  hieroglyphischen  und 
hieratischen  Schreibungen  des  vollen  Königsnamens  in  sehr  auffallender  Weise : 


hierogl.  m|14J|  und  hierogl.  © 

»         »Amen-meri-Ses«      »  »         (1a/ww,o|T| 

hierat.     H     ]<a.   RH     1@      und  hierat.     O(f|01@ 

•     PLHCJ   ■      ■     °iHQ 

Die  Übereinstimmung  wird  noch  auffälliger,  wenn  man  dieser  Gegenüber- 
stellung   noch    zwei    seltenere    hieratische   Varianten    ©  ffi  I     1  @  r  U         ^\     und 

sie 

Offlrri^  zufügt,  von  denen  die  eine  zwischen  dem  |l  und  l@  dasselbe  be- 
deutungslose a  zeigt,  das  die  hieratischen  Varianten  des  Namens  Ss  charak- 
terisiert, die  andere  vor  dem  historischen  1<2  statt  des  einfachen  I  ein  doppeltes 
[in  zeigt,   das  dem  II  fl     der  Form  [1  I    1@  entspricht. 

Angesichts    der    auffälligen   Übereinstimmung,    die    sich    zwischen    beiden 
Namen  zeigt,   in  der  Bezeichnung  des  zweiten  s  durch    I   im  Hieroglyphischen, 

durch  1(3  im  Hieratischen,  sowie  in  der  Verbindung  der  beiden  Namen  mit  dem 
Beinamen  Miamun,   kann  es  wohl  schlechterdings  nicht  mehr  zweifelhaft  sein, 


*)    Leps.,  Königsbuch  Nr.  420 s'".  —  2)  Pleyte-Rossi,  Papyrus  de  Turin  22,  5. 


1904.]  Kurt  Sethe:   Der  Name  Sesostris.  5< 

daß  der  Name  Ss  in  der  Tat  als  eine  Abkürzung  des  Namens  Rc-ms-s,  historisch 
geschrieben  Rc-ms-sw,  empfunden  wurde.  Und  zwar  sah  man  in  dem  abge- 
kürzten Namen  Ss,  so  scheint  es,  wohl  einfach  das  Ende  des  vollen  Namens. 
Da  dieser  nach  den  griechischen  Wiedergaben  etwa  Ra^-mes-se  gelautet  haben 
dürfte,  so  wird  man  sich  den  abgekürzten  Namen  demnach  vielleicht  etwa  Esse 
gesprochen  vorzustellen  haben.     Bei  einer  solchen  Vokalisation  würde  sich  denn 

wohl  auch  das  immerhin  seltsame    II     oder    I      am  Anfange  des  Namens  eher 

verstehen  lassen  (als  Bezeichnung  für  es  mit  auslautendem  s),  als  wenn  man  sich 
den  Namen  Söse  o.  ä.  vokalisiert  denkt,  wie  ich  es  in  meiner  Arbeit  vorge- 
schlagen hatte. 

Daß  der  Kurzname  Ramses'  IL,  mit  dem  wir  uns  hier  beschäftigt  haben, 
mit  dem  Namen  Sesostris  und  seinen  Nebenformen  nichts  zu  tun  haben  kann, 
liegt  wohl  auf  der  Hand.  So  bleibt  denn  der  Name  Sa-n-wosret  mit  seiner 
Nebenform  Se-wosret  o.  ä.  der  einzige  Bewerber  um  die  Gleichsetzung  mit  Se- 
sostris, die  wir  nicht  nur  bei  Manethos  direkt  bezeugt  finden,  auf  die  auch 
manche  Spuren  in  den  Nachrichten  über  den  Heldenkönig  Sesostris  noch  deut- 
lich hinzuweisen  schienen  und  die  endlich  lautlich,  wie  oben  auseinandergesetzt 
wurde,   wohl  durchaus   einwandfrei  genannt  werden  darf. 

Nachschrift. 

Der  oben  S.  49  und  S.  52  besprochene  Kurzname  S-wsrt  scheint  sich  auch 
in   der  Inschrift   LD.  II,  137  f.    aus    dem  41.  Jahre  Amenemmes' III.   zu   finden, 

wo  ein  Mann  namens    r-a-,  Mn<~>  j    Htp-Swsrt    »zufrieden   ist   Se-wosret«    ge- 

so 

nannt  ist.  Auch  in  diesem  Falle  bezieht  sich  die  Kurznamenform  mit  dem 
weiblichen  wsrt,  der  die  griechische  Form  Xe<roo(Trpig  entspricht,  augenscheinlich 
wieder  auf  Sa-n-wosret  III.,  dem  Manethos  gerade  im  Unterschied  zu  Sa-n- 
wosret  I.  (XeToyxüotTig)  diesen  Namen  {Xsuooo-rptg)  gibt.  Wir  hätten  also  die  fol- 
genden Kurznamenformen: 

H[l^rl  und  Mp<r=>^  |     S-wsr  für  Sa-n-wosret  I.  —  Xz<jo<yyjjo<Tig  (ZecroctHng), 


]  1  ^     und  Mp<=z=>  J   S-wsrt  für  Sa-n-wosret  III.   —  XzvuxjTpig. 

Nov.  1903. 


Zeitschr.  f.  Ägypt.  Spr.,  41.  Band.     1904. 


58  Kurt  Sethe:    Schoinos  und  Dodekaschoinos.  [41.  Band. 


Schoinos  und  Dodekaschoinos. 

Von  Kurt  Sethe. 


Im  7.  Bande  der  »Sphinx«1  hat  Loret,  an  meine  Arbeit  über  die  Dodekaschoinos 
anknüpfend,   zu  erweisen  gesucht, 

1.  daß  im  Gegensatz  zu  meinem  Ergebnisse  die  Dodekaschoinos  nach  wie 
vor  in  der  Strecke  von  Hierasykaminos  bis  Syene,  nicht  in  dem  kurzen  Kata- 
raktengebiet zwischen  Assuan  und  Philä,   wiederzuerkennen  sei; 

2.  daß  das  ägyptische  Wegemaß  des  itr  =  <7%6ivog  eine  Grundlänge  von 
10000  ägyptischen  Ellen  gehabt  habe  und  daß  demgemäß  die  ca.  125  km 
lange  Dodekaschoinos  nach  einem  Doppel-<7r  von  20000  ägyptischen  Ellen  be- 
nannt worden  sei,  der  dem  von  Herodot  angenommenen  Schoinos  von  60  Stadien 
entspräche. 

Was  Loret  im  ersten  Teile  seiner  Arbeit  als  Gründe  gegen  meine  Identifi- 
kation der  Dodekaschoinos  geltend  macht,  enthält  im  wesentlichen  nur  die  Ein- 
wände, die  ich  bereits  voraussehen  konnte  und  daher  in  meiner  Arbeit  selbst 
schon  zu  entkräften  versucht  habe.  Die  Unfruchtbarkeit  des  Kataraktengebietes, 
die  Erwähnung  der  Dodekaschoinosschenkung  in  Dakke  und  Maharaka,  die  In- 
schrift von  Kalabsche,  die  die  Vertreibung  der  Schweine  aus  Talmis  anordnet, 
der  überlieferte  verderbte  Wortlaut  des  Ptolemäus  usw.  Auf  diese  Einwände 
hier  nochmals  einzugehen,  wäre  schon  an  und  für  sich  zwecklos  und  erübrigt 
sich  durch  das  weiter  unten  mitzuteilende  neue  Material,  das  wenigstens  gegen 
einen  Teil  meiner  Ergebnisse  entscheidet  und  der  ganzen  Frage  eine  neue  Wen- 
dung gibt. 

Bringen  Lorets  Ausführungen  in  diesem  Teile  seiner  Arbeit  nichts  tat- 
sächlich Neues  zur  Sache,  so  enthält  der  zweite  Teil,  der  die  Ermittelung  eines 
Grundwertes  des  Wegemaßes  itr  bezweckt,  eine  Reihe  von  neuen  Gesichtspunkten, 
die  ein  Eingehen   erfordern. 

1. 

Außer  den  auch  von  mir  besprochenen  Angaben  der  Grenzstelen  von  El 
Amarna  und  jener  leider  noch  immer  nicht  ganz  klaren  Inschrift  von  Edfu, 
die  die  Dimensionen  Ägyptens  auf  106  und  14  itr  anzugeben  scheint,  zieht 
Loret  noch  sechs  andere  Stellen  heran,   die  für  die  Größe  des  itr  von  Bedeu- 


l)  Da  mir  diese  Zeitschrift  nur  selten  zu  Gesicht  kommt,  bin  ich  Hrn.  Prof.  Loret  doppelt 
zu  Dank  verpflichtet,  daß  er  mir  in  liebenswürdigster  Weise  von  seiner  Arbeit  noch  während  des 
Druckes  Kenntnis  gab  und  daß  er  dann  in  eine  briefliche  Diskussion  der  dabei  angeregten  Fragen 
eintrat,  die  wesentlich  zur  Klärung  unserer  Standpunkte  beigetragen  hat. 


1904.]  Klrt  Sethe:    Schoinos  und  Dodekaschoinos.  o9 

tung  sein  könnten.  Drei  davon  erweisen  sich  leider  als  unergiebig,  da  wir  die 
Endpunkte  der  in  itr  angegebenen  Distanzen  nicht  kennen.  Es  sind  die  An- 
gabe von  8  itr  in  den  Kanalinschriften  des  Darius  von  Teil  el  Maschuta  und 
Schaluf,  von  8  Ur  in  dem  Siegesbericht  Ramses'  III.  in  Medinet  Habu  und  von 
52  itr  Fahrt  zwischen  zwei  nubischen  Orten  auf  der  Londoner  Semne- Stele 
AmenopmV  III. 

Die  drei  anderen  Stellen,  aus  denen  Loret  einen  Anhalt  zur  Bestimmung 
des   itr  zu  finden  meint,   sind  diese: 

1.  Im  Papyrus  Anastasi  I,  27,  7.8  soll  nach  Loret  die  Entfernung  von 
Raphia  bis  Gaza,  die  nach  ihm  etwa  37  km  betragen  soll,  auf  7  itr  angegeben 
sein,  woraus  sich  für  den  itr  eine  Länge  von  5285  m  ergäbe,  d.  i.  fast  genau 
10000  Ellen  (5250  m).    So  schön  diese  Rechnung  aber  auch  zu  stimmen  scheint, 

sie    ist    doch   falsch.     Das  Zeichen    »&$L  >    das  Loret   für   die  Zahl  7    erklären 

will  und  das  einem  von  ihm  ganz  unerklärt  gelassenen  ^^  folgt,  ist  nie 
und  nimmer  diese  Zahl,  die  in  unserem  Papyrus  vielmehr  ganz  ordnungs- 
mäßig ^^^t  gemacht  ist  (Axast.  I,  6,  4)\  Es  ist  vielmehr  trotz  Lorets 
Gegenargumentation  ganz  deutlich  das  Zeichen  der  Buchrolle  ■-w-.,  das  diese  hiera- 
tische Form    ^*}    ,  wie  Loret    treffend    ausführt,    nur    da    erhält,   wo    es    über 

einem  anderen  Zeichen  steht.  Im  vorliegenden  Falle  steht  es  in  der  Tat  über 
dem  genitivischen  /www  .  Wenn  Loret  gegen  diese  Deutung  des  Zeichens  ein- 
wendet, daß  das  Adjektiv  vor  »groß«  überall  ohne  Determinativ  geschrieben 
werde,  so  hat  das,  selbst  wenn  es  sich  als  so  allgemein  gültig  für  das  Hiera- 
tische erweisen   sollte   (hieroglyphisch  kommt  ^^ ;     »groß«  ja  oft  genug  vor), 

im  vorliegenden  Falle  doch  nichts  zu  besagen.  Denn  hier  handelt  es  sich  gar 
nicht  um  das  Adjektiv  »groß«,  sondern,  wie  schon  Maspero  richtig  gesehen 
hat,  um  das  Fragewort  o^Hp  »wieviel«,  das,  wie  die  Zahlworte,  mit  dem  Genitiv 
verbunden  wird.  Es  steht  also  nicht,  wie  Loret  lesen  will,  da:  »Raphia,  wie 
ist  seine  Befestigung,  es  macht  wr  7  itr  im  Gehen  bis  Gaza?«,  sondern  »Ra- 
phia, wie  ist  seine  Befestigung?,  wieviel  itr  sind  es  (von  dort)  zu  gehen  bis 
Gaza?«. 

2.  Einen  Beweis  für  eine  gewisse  Mindestlänge  des  itr  erkennt  Loret  in 
der  Tatsache,  daß  ein  Text  von  Koni  el  ahmar  die  Länge  eines  Weges  auf 
21  sennoh  angibt,  ohne  das  är-Maß  anzuwenden,  das,  so  schließt  Loret,  demnach 
größer  als   21  sennoh  gewesen  sein  müsse.     Dies  dürfte  jedoch  ein  Trugschluß 


-o  ^y  rf]  /www   I  | 

l)   In  dem  Ausdruck   a^\    \s\  ...    pl  nti  7  »der  siebente«,  dem  ebenda  in  Zeile  3  ein 

si  AA/WW    I    I    I 

\s\  V?  nti  6  »der   sechste«  vorangeht.     Es   liegen    hierin   zwei   neue  Belege   für  die 

Ä-pWllM      J  °  °  ° 

von  mir  (AZ.  38,  144)  besprochene  neuägyptische  Bildung  der  Ordinalzahhvorte  vor. 


60  Kurt  Sethe:    Schoinos  und  Dodekaschoinos.  [41.  Band. 

sein.  Denn  gerade  wie  wir  lieber  »21  Millimeter«  sagen  als  »2  Zentimeter  und 
1  Millimeter«  oder  »150  Pfund«  statt  »1  Zentner  und  50  Pfund«,  gerade  so 
gut  würde  gewiß  auch  der  Ägypter  21  sennoh  haben  sagen  können,  auch  wenn 
beispielsweise  schon  20  sennoh  oder  gar   10  sennoh  1  itr  gemacht  hätten. 

3.  Ähnlich  steht  es  auch  mit  dem  dritten  Punkt,  dem  Loret  ganz  be- 
sonders große  Beweiskraft  beimißt.  Auf  einem  Ostrakon  des  Turiner  Museums 
hat  sich  ein  Beamter  notiert,  daß  3  Seiler  480  Ellen,  40  Seiler  3200  Ellen 
Tau  (man  beachte  die  Angabe  in  Ellen,  nicht  in  sennohl)  angefertigt  hätten, 
»zusammen  3680  Ellen,  macht  36x/2  sennoh  und  30  Ellen«.  Wie  im  vorigen 
Falle  schließt  auch  hier  Loret  daraus,  daß  der  itr  hier  nicht  angewendet  sei, 
er  müsse  mehr  als  3680  Ellen  betragen  haben.  Dabei  hat  er  aber  ganz  über- 
sehen, daß  es  sich  bei  dem  itr,  wie  sein  Name  {itr-w  »Fluß«),  seine  Schrei- 
bung   (mit  m«m  oder  J\)  und  seine  Anwendung  (nur  in  Entfernungsangaben  zu 

belegen)  lehren,  um  ein  Wegemaß  handelt.  Ebensowenig  wie  wir  ein  Ge- 
spinst nach  Kilometern  oder  Meilen  oder  wie  ein  Grieche  es  nach  Stadien,  ein 
Perser  nach  Parasangen  gemessen  haben  wird,  wird  auch  ein  Ägypter  Taue 
nach  itr  gemessen  haben. 

Ist  somit  auch  aus  diesen  drei  von  Loret  neu  angezogenen  Stellen  wohl 
nichts  für  die  Länge  des  itr  zu  entnehmen,  so  steht  Lorets  Annahme,  daß  der  itr 
von  Haus  aus  10000  ägyptischen  Ellen  entsprochen  habe  und  das  nächst  höhere 
Vielfache  zu  dem  sennoh  =  100  Ellen  gewesen  sei,  aber  auch  im  Widerspruch 
mit  der  Angabe  Artemidors,  daß  man  in  Ägypten  <t%oivoi  von  30,  40,  60  und 
120  Stadien  gehabt  habe.  Dieses  Zeugnis  allein  scheint  klar  und  deutlich  zu 
zeigen,  daß  der  (T%)o7vog  eben  kein  bestimmtes  Vielfaches  der  Elle  war.  Das 
wird  denn  ja  auch  durch  die  Angabe  der  Grenzstelen  von  El  Amarna  bestätigt. 
Denn  selbst  wenn  man  die  dort  angegebene  Entfernung  von  »6  itr  und  179  Ellen«, 
wie  Loret  gewiß  mit  Recht  betont,  nicht  auf  die  Ausdehnung  der  Stadt  Amen- 
ophis'  IV.,  sondern  des  ganzen  Stadtgebietes  zu  beziehen  hat,  so  beträgt  die 
Entfernung  der  nördlichsten  bekannten  Grenzstele  dieses  Gebietes  auf  dem  West- 
ufer (bei  Gebel  Tuna)  von  dem  anzunehmenden  Visavis  der  südlichsten  be- 
kannten Grenzstele  auf  dem  Ostufer  (südlich  von  Hauata)  doch  nur  etwa  23y2  km, 
so  daß  auf  jeden  der  6  itr  noch  nicht  4  km  kommen  würden.  Der  itr  würde 
hier  also  jedenfalls  hinter  dem  von  Loret  postulierten  Maß  von  10000  Ellen  = 
5250  m  recht  wesentlich  zurückbleiben. 

2. 

Kann  ich  somit  in  Lorets  Ausführungen  nichts  erkennen,  das  die  Frage 
nach  dem  Werte  des  Schoinos  und  damit  auch  die  Frage  nach  der  Ausdehnung 
der  Dodekaschoinos  auf  neuen  Boden  stellte,  so  bin  ich  selbst  in  der  Lage,  ein 
bisher  unbekanntes  Beweisstück  zur  Dodekaschoinosfrage  mitzuteilen.  In  den 
Aufzeichnungen  der  preußischen  Expedition  finden  sich  von  der  Hand  des  Zeich- 


1904.]  Kort  Sethe:    Schoinos  und  Dodekaschoinos.  61 

ners  Max  Weidenbach  auf  Anordnung  von  Lepsius  abgeschrieben  einige  kurze 
Inschriften  aus  einem  Tempel  der  griechisch-römischen  Zeit  zwischen  Uffedina 
und  Maharaka  in  Nubien,  also  von  der  Stätte  des  alten  Hierasykaminos.  In 
diesen  Inschriften,  die  man  im  5.  Textbande  zu  Lepsius'  Denkmälern  finden  wird, 
werden   »Osiris,  der  Herr  von  Abaton«,  und  »Isis,  die  Herrin  von  Philä«  wieder- 


holentlich  als  XslFsQ^i  oder  T^=  ^  »wohnend  inTakompso«  bezeichnet. 

Vs«  Üo  ©(££<£©  r 

Es  scheint  daraus  hervorzugehen,  daß  Takompso  der  Name  des  Ortes  war, 
zu  dem  der  betreffende  Tempel  gehörte.  Denn,  wie  allbekannt,  pflegen  die 
Götter  ¥  von  einem  Orte  in  der  Regel  ebenda  genannt  zu  werden,  wo  sie  als 
Gäste  verehrt  werden.  Im  vorliegenden  Falle  sind  es  die  Götter  von  Philä, 
die  in  Takompso  als   Gäste,   d.i.   als  T  von  Takompso ,   verehrt  wurden1. 

Wird  durch  dieses  erste  ägyptische  Zeugnis,  das  wir  über  die  Lage  von 
Takompso  erhalten,  einwandfrei  erwiesen,  daß  dieser  Ort  zur  Zeit  der  Er- 
bauung des  Tempels  von  Uffedina  wenigstens  in  der  Nähe  desselben  lag,  so 
wird  damit  zugleich  auch  die  Frage  nach  der  Ausdehnung  der  Dodekaschoinos 
für  dieselbe  Zeit  im  Sinne  der  früheren  Auffassung  entschieden.  Es  kann  da- 
nach wohl  kein  Zweifel  sein,  daß  sich  die  Dodekaschoinos  in  römischer  Zeit 
(aus  dieser  soll  nach  Baedeker  der  Tempel  stammen)  in  der  Tat,  wie  es  noch 
kürzlich  Wilcken  auf  Grund  der  Inschrift  von  Kalabsche  forderte,  bis  Hiera- 
sykaminos erstreckte  uud  somit  den  Teil  von  Nubien,  den  man  in  römischer 
Zeit  zu  Ägypten  rechnete,  umfaßte. 

Ist  somit  die  Dodekaschoinosfrage  für  die  römische  Zeit  entschieden,  so 
fragt  es  sich  nur  noch,  ob  diese  Entscheidung  auch  für  die  früheren  Zeiten 
Geltung  hat  oder  ob  die  Dodekaschoinos  etwa  ursprünglich  doch  nur  das  Kata- 
raktenland umfaßt  haben  und  erst  später  bis  nach  Hierasykaminos  ausgedehnt 
worden  sein  könnte.  Dieser  Ausweg,  den  u.  a.  Wilcken  vorgeschlagen  hat, 
würde  aber  nur  möglich  sein,  wenn  man  annähme,  daß  mit  der  Ausdehnung 
des  Zwölfmeilenlandes  auch  der  Name  Takompso.  von  einem  Ort  in  der  Nähe 
von  Philä,  der  die  Grenze  der  alten  Dodekaschoinos  bezeichnete,  auf  den  Ort, 
bei  dem  die  neue  größere  Dodekaschoinos  endete,  übertragen  worden  sei.  Wir 
Avürden  damit  zu  einem  Ergebnis  ähnlich  dem  von  Isidore  Lew  gelangen.  Ich 
muß  gestehen,  daß  mir  dieser  Ausweg  nach  wie  vor  recht  wenig  wahrscheinlich 
ist.  Die  Erwähnung  der  Dodekaschoinosschenkung  in  Dakke  und  3Taharaka  zur 
Ptolemäerzeit  scheint  mir  im  Lichte  des  neuen  Zeugnisses,  das  wir  für  die  Lage 
von  Takompso  bekommen  haben,  doch  dafür  zu  sprechen,  daß  wenigstens  bereits 


l)    "Wenn,  wie  mir  Hr.  Junker  mitteilt,  in  Dendera  auch  Götter,  welche  1F  „    heißen 

und  also  nach  Edfu  gehörten,  verehrt  werden,  so  hängt  das  augenscheinlich  mit  den  eigentümlichen 
Beziehungen  zwischen  Dendera  und  Edfu  zusammen,  die  sich  in  den  gegenseitigen  Besuchen  der 
Hathor  von  Dendera  und  des  Horus  von  Edfu  äußern.  Die  in  Edfu  als  Gäste  verehrten  Götter 
werden  als  solche  mit  dem  Horus  von  Edfu,  ihrem  Wirt,  weiter  als  Gäste  auch  in  Dendera  auf- 
genommen. 


62  Kurt  Sethe:    Schoinos  und  Dodekaschoinos.  [41.  Band. 

damals  die  Dodekaschoinos  sich  bis  nach  Maharaka  erstreckte1.  Schließlich 
sind  auch  die  älteren  griechischen  Nachrichten  über  die  Lage  von  Takompso, 
die  auf  die  Identifikation  der  Dodekaschoinos  mit  dem  Kataraktenlande  von  Ele- 
phantine  zu  führen  schienen,  nicht  derart,  daß  sich  ihre  Widersprüche  gegen 
das  obige  Ergebnis  nicht  durch  leichte  Mißverständnisse  und  kleine  Ungenauig- 
keiten  des  Ausdrucks  erklären  ließen.  Schwerer  würde  es  dagegen  wohl  halten, 
die  Angaben  der  »Inschrift  von  den  sieben  Jahren  der  Hungersnot«  damit  in 
Einklang  zu  bringen;  sie  scheinen  nach  wie  vor  deutlich  auf  das  Katarakten- 
gebiet von  Assuan  zu  weisen. 

So  wird  denn  die  Frage  nach  der  Ausdehnung  der  Dodekaschoinos  für  die 
griechisch-römische  Zeit  wohl  definitiv  im  Sinne  der  alten  Auffassung  entschieden 
sein,    für  die   älteren    Zeiten  aber  bis  auf  weiteres  noch  offen  bleiben  müssen. 


Zur  Geschichte  des  Uräus  am  Kopfschmucke  des  Königs. 

Von  Heinrich  Schäfer. 
Mit  2  Abbildungen. 


a)    Zum  Vorkommen  des  Uräus. 

Wir  haben  uns  gewöhnt,  die  Uräusschlange  als  einen  untrennbaren  Bestand- 
teil all  der  zahlreichen  Kopfschmücke  anzusehen,  die  die  ägyptischen  Könige  zu 
tragen  pflegen,  also  als  »das  eigentliche  Symbol  des  Königtums«.  Doch  ist  diese 
Anschauung,   so  allgemein  und  unbedingt  ausgesprochen,   gewiß  nicht  richtig. 

Soviel  ich  weiß,  ist  es  bisher  niemand  aufgefallen,  daß  gerade  die  beiden 
wichtigsten  Kronen  des  »Herrn  der  beiden  Länder«,  die  rote  unterägyptische 
und  die  weiße  oberägyptische  Krone,  in  älterer  Zeit  niemals  die  Uräusschlange 
aufweisen2.  In  der  ganzen  Zeit  des  alten  Reichs  finden  wir  den  Uräus  nur  an 
dem  Stirnreif,  den  der  König  auf  seiner  reichgekräuselten  Frisur  trägt,  sowie 
an  dem  bekannten  Königskopftuch  in  seinen  verschiedenen  Formen.  Erst  im 
mittleren  Reiche   bringt  man   die  Schlange   auch  manchmal   an  der  Stirnfläche 


1)  Wie  ich  in  meiner  Arbeit  gezeigt  habe,  ward  die  Dodekaschoinos  damals  nicht  zum  »Bogen- 
lande«  (Nubien)  gerechnet,  sondern  als  Grenzbezirk  gegen  Nubien  bezeichnet.  Mit  dem  »Bogen- 
land«,  das  nach  einer  von  mir  besprochenen  Stelle  dem  Könige  Ptolemäus  Philadelphus  ebenso 
gehören  sollte  »bis  zum  Lande  Kns«-  wie  im  Norden  das  Meer  »bis  zum  Himmel«,  müßte  also  das 
oberhalb  von  Hierasykaminos  gelegene  Obernubien  gemeint  sein.  Dazu  stimmte  denn  auch  gut 
die  ebenda  von  mir  erwähnte  Darstellung,  in  der  unter  demselben  Könige  die  Gaue  dieses  Landes, 
einschließlich  des  ph-Kns  »Endes  von  Kns«-  im  Süden,  ihre  Abgaben  nach  Philä  bringen. 

2)  Wenn  Erman  in  seinem  Ägypten  S.  94  von  dem  Kopftuch  sagt:  »Nie  fehlt  an  diesem 
Kopftuch  das  Symbol  der  Königswürde,  die  heilige  Uräusschlange,«  so  folgt  aus  diesen  Worten, 
daß  ihm  das  häufige  Fehlen    der  Schlange   an    den  beiden  Kronen   aufgefallen  sein  muß. 


1904.]  H.  Schafer:  Zur  Geschichte  des  Uräus  am  Kopfschmucke  des  Königs.  63 

der  roten  und  der  weißen  Krone  an.  Erst  von  da  an  besteht  die  Bezeichnung 
des  Uräus  als  das  Abzeichen  des  Königs  zu  Recht. 

Bis  vor  kurzem  wäre  es,  bei  der  Dürftigkeit  des  damals  vorhandenen  Ma- 
terials aus  dem  alten  Reiche,  gewagt  gewesen,  diese  Behauptung  aufzustellen. 
Inzwischen  aber  haben  uns  die  Grabungen  in  Hierakonpolis ,  Abydos  und  Abusir 
mit  einer  Menge  von  Königsdarstellungen  überrascht,  die  sämtlich  die  Beob- 
achtung bestätigen. 

Die  Masse  des  Beweismaterials  ist  jetzt  so  groß,  daß  dagegen  zwei  Zeich- 
nungen in  einer  älteren  Publikation  kaum  aufkommen  können.  LD.  II,  152a 
trägt  König  Ne-user-rec  den  Uräus  an  der  weißen  Krone  und  LD.  II,  1166 
König  Mer-en-rec  ihn  an  der  roten.  Aber  jeder  dieser  beiden  Ausnahmen 
stehen  viele  Darstellungen  aus  derselben  Zeit  gegenüber,  die  die  Regel  bestätigen, 
und  vor  allem  handelt  es  sich  beide  Male  um  schlecht  erhaltene  oder  flüchtig 
gearbeitete  Darstellungen  auf  hartem,  natürlichem  Fels,  bei  denen  es  sehr  nahe 
liegt,  daß  der  moderne  Zeichner  in  zufällige  Unebenheiten  mehr  hineingelegt 
hat,  als  er  gedurft  hätte.  Wir  können  also  wohl  diese  beiden  Zeichnungen  als 
verdächtig  aus  dem  Spiel  lassen. 

Es  ist  überraschend,  zu  sehen,  daß  der  König  gerade  da,  wo  er  am  deut- 
lichsten als  der  König  der  beiden  früher  selbständigen,  dann  vereinigten  Reiche 
auftritt,  die  Uräusschlange  nicht  anlegt,  und  man  möchte  nun  wohl  wissen, 
in  welcher  seiner  verschiedenen  Eigenschaften  ihm  ursprünglich  der  Schlangen- 
schmuck zukommt.  Aber  das  entzieht  sich  noch,  wie  so  vieles  in  dieser  Symbolik, 
unserer  Kenntnis. 

b)    Zur  Form  des  Uräus. 

Der  Königskopf,  den  die  beigefügten  Abbildungen  wiedergeben,  befindet 
sich  seit  dem  Jahre  1899  in  den  Kgl.  Museen  zu  Berlin  unter  der  Nr.  14396. 
Er  ist  bei  einem  Händler  im  Dorfe  Gise  gekauft,  ist  etwa  13  cm  hoch  und  aus 
einem  kalksteinartigen,  aber  harten  Material  gearbeitet.  Trotzdem  er  jetzt  arg 
bestoßen  ist,  zeigt  er  doch  noch  die  Spuren  sorgfältiger  und  auch  künstlerisch 
tüchtiger  Arbeit,  die  offenbar  der  Zeit  des  alten  Reichs  angehört.  Dieser  erste 
Eindruck  hält  auch  bei  näherer  Betrachtung  stand. 

Das  bartlose  und  rundliche,  aber  doch  gut  durchgearbeitete  Gesicht  kenn- 
zeichnet sich  so  deutlich  als  ein  Porträt  aus  der  Zeit  des  alten  Reichs,  daß 
wohl  ein  jeder,  auch  wenn  nichts  weiter  als  das  eigentliche  Gesicht  erhalten 
wäre,  die  Arbeit  der  Zeit  der  4.  oder  5.  Dynastie,  doch  eher  der  ersteren,  zu- 
schreiben würde. 

Die  Augen  haben  keine  Schminkstreifen,  d.  h.  die  eigentümliche  Verlänge- 
rung des  äußeren  Augenwinkels  durch  einen  schmalen  Reliefstreifen.  Das  ent- 
spricht  dem   Befunde    an    der  Mehrzahl   der   Statuen   des   alten   Reichs1,    wenn 


l)   Borchardt,    Über   das  Alter   des  Sphinx  bei  Giseh.     Sitzungsber.  der  Kgl.  Preuß.  Akad. 
d.  Wiss.  1897  S.  754. 


64 


H.  Schäfer:  Zur  Geschichte  des  Uräus  am  Kopfschmucke  des  Königs.  [41.  Band. 


auch  die  neusten  Funde  gezeigt  haben,  daß  das  Vorhandensein  oder  Fehlen  dieser 
Schminkstreifen  nicht  als  Kriterium  zur  Datierung  benutzt  werden  darf.  Unserem 
Kopfe  eigentümlich  ist  die  Ausziehung  der  inneren  Augenwinkel  durch  einen 
scharf  geritzten  Strich. 

Der  König  trägt  eine  Art  der  halblangen,  die  Ohren  bedeckenden  Frisur, 
die  sich  auch  an  Privatstatuen ,  und  zwar  gerade  solchen  des  alten  Reichs,  oft 
findet.  Charakteristisch  ist  bei  ihr  in  der  Profilansicht  die  ziemlich  steil  fallende, 
der  Schädelform  nach  unten  nicht  folgende  Linie  der  Hinterseite  sowie  der  untere 
Schnitt.  Dieser  geht  von  dem  runden  Gesichtsausschnitt  etwa  in  der  Höhe  der 
Backzähne  aus  und  läuft  schräg  abwärts  zum  Nacken  in  die  Gegend  des  ersten 
Brustwirbels.    Die  ganze  Frisur  besteht  aus  unzähligen,   sorgfältig  ausgeführten 


Königskopf  aus  dem  alten  Reiche.     Berlin  14396. 

Löckchen.  Sie  bilden  an  der  Stelle  des  natürlichen  Haarwirbels  eine  zierliche 
Rosette,  deren  Radius  etwa  drei  sonstigen  Löckchenlängen  entspricht,  und  um 
diese  Rosette  herum  konzentrische  Ringe,  die  dem  schrägen  unteren  Haarschnitt 

parallel  liegen. 

Die  Masse  der  Haare  ist  durch  ein  schmales  glattes  Diadem  zusammen- 
gehalten, das,  den  Ringen  der  Haarlöckchen  folgend,  hinten  tiefer  herunter- 
gedrückt ist  als  vorn.  Ein  Verschluß  am  Hinterkopf  oder  herabhängende 
Enden  des  Bandes  sind  nicht  vorhanden.  An  der  Stirnseite  ist  ein  Uräus  be- 
festigt, oder  eigentlich  nur  der  vordere  Teil,  Brust  und  Kopf,  eines  solchen;  denn 
von  seinem  übrigen  Körper,  der  sich  sonst  oft  um  das  Diadem  zu  winden  oder 
vom  Scheitel  herabzuringeln  pflegt,  ist  nichts  zu  sehen. 

Der  Uräus  unseres  Königskopfes  ist  nun  nicht,  wie  wir  es  von  späteren 
Königsporträten  her  kennen,  in  starkem  Relief  stolz  senkrecht  aufgerichtet,  son- 


1904.] 


H.  Schäfkr:  Zur  Geschichte  des  Uräus  am  Kopfschmucke  des  Königs. 


65 


dem  er  liegt  in  merkwürdiger  Weise  zurückgelehnt  ganz  flach  auf  den  Haaren 
der  Perücke  auf.  Diese  auffallende  Eigentümlichkeit  ist  sehr  beachtenswert.  Denn 
wir  finden  ganz  dieselbe  Erscheinung  auch  an  den  berühmten  Statuen  der  Chefren 
und  am  großen  Sphinx  von  Gise1.  Bei  diesen  hat  man  die  flache  Form  des 
Uräus  benutzt,  um  ihr  Alter  anzuzweifeln2.  Da  unser  Kopf  sicher  dem  alten 
Reich  angehört,  fällt  also  wieder  einer  der  Gründe,  auf  die  man  diese  Zweifel 
gestützt  hat.  Es  sieht  vielmehr  nun  gerade  so  aus,  als  ob  diese  flache  zurück- 
liegende Form  des  Uräus  an  Statuen  dem  alten  Reich  eigentümlich  sei. 


Darstellung  einer  Beisetzung  im  alten  Reich. 

Von  Heinrich  Schäfer. 

Hierzu  4  Abbildungen. 


In  vielen  Gräbern  des  neuen  Reichs  und  auf  Totenpapyrus  findet  sich  eine  Dar- 
stellung, deren  Inhalt  die  folgende  Beschreibung  nach  dem  Bilde  im  Grabe  des 
Roi  mit  Ergänzung  der  nicht  dargestellten  Vorgänge  wiedergeben  mag  (s.  u.  a. 
Erman,  Aeg.  II  Taf.  nach  S.432). 

Wir  sehen,  wie  der  Sarg  mit  der  Mumie  auf  einem  Ochsenschlitten  vom 
Flußufer  hinauf  zur  Totenstadt   gezogen  wird,    begleitet  von  den  Angehörigen 


Abb.  l. 


Abb.  2. 


des  Toten  und  einigen  Totenpriestern.  Dahinter  folgt  der  lange  Zug  der  Diener, 
die  die  Grabausrüstung  tragen  und  die  Statuen  zum  Grabe  ziehen.  An  der  Grab- 
pyramide, die  dicht  am  felsigen  Abhang  des  westlichen  Gebirgsrandes  liegt,  an- 
gekommen, wird  die  Mumie  aus  dem  Sarge  herausgenommen  und  aufrecht  vor 
den  Grabstein  gestellt.  Die  Verwandten  nehmen  den  letzten  Abschied  von  der 
Leiche,  die  die  Priester  zu  ihrer  langen  Reise  vorbereiten,  und  dann  haben  wir 
uns  zu  denken,  daß  der  Sarg  die  paar  Schritte  zur  Mündung  des  Grabschachtes, 


*)    Nur  daß  diese  das  Kopftuch  tragen.  —  2)  Borchardt,  ÄZ.  1898  S.  4. 

Zeitschr.  f.  Ägypt.  Spr.,  41.  Band.     1904. 


66 


Heinrich  Schäfer:    Darstellung  einer  Beisetzung  im  alten  Reich. 


[41.  Band. 


die  (wie  vielleicht  auch  schon  der  Grabstein?)  in  der  Opferkammer  liegt,  getragen 
und  an  langen  Stricken  in  die  Tiefe  hinabgelassen  wird  (Abb.  1).  Drunten  nehmen 
ihn  die  Totengräber  in  Empfang,  rücken  ihn  zurecht,  legen  alle  die  Speisen  und 
Geräte  an  ihre  richtige  Stelle,  steigen  wieder  hinauf,  und  dann  werden,  gewiß 
noch  im  Beisein  der  Angehörigen ,  die  Deckplatten  auf  die  Mündung  des  Schachtes 
gelegt.  Darauf  kehrt  der  Trauerzug  nach  der  Stadt  zurück  und  überläßt  den 
Totengräbern  das  Grab   zur  Ausführung  der  letzten  Arbeiten. 

Bei  einem  Grabe  des  neuen  Reichs,  bei  dem  die  Mündung  des  Schachtes 
zu  ebener  Erde  liegt,  ist  es  offenbar,  daß  sich  der  ganze  Vorgang  ohne  besondere 
Schwierigkeiten,  nicht  sehr  viel  anders  als  heute  in  Ägypten,  abgespielt  hat. 
Auch  bei  der  Klasse  von  Gräbern  des  alten  Reichs,  bei  der  die  Mündung  des 
Grabschachtes  in  einer  zugänglichen  Kammer  liegt,  ist  dasselbe  der  Fall  (Abb.  2). 
Ganz  anders  liegt  die  Sache  bei  den  Mastabas,  deren  Grabschacht  vom  Dach 
aus,   ohne  Vermittelung  eines  zugänglichen  Zimmers  zur  Sargkammer  unten  im 

Felsen  führt.  Ich  habe  oft  versucht,  mir  eine 
einigermaßen  würdige  Form  für  eine  Beisetzung 
in  einem  Grabe  dieser  Art  vorzustellen,  bin  aber 
immer  an  dem  unwürdigen  Bilde  gescheitert,  wie 
der  Sarg  und  die  Geräte  in  Gegenwart  der  An- 
gehörigen mit  Stricken  an  der  Wand  auf  das  Dach 
gezogen  werden  (Abb.  8).  Bei  dem  einfachen 
Hinablassen  des  Sarges  in  einen  Schacht  ist  ja 
das  Bild  bei  weitem  würdiger.  Daß  die  Leidtragenden  so  lange  am  Grabe 
weilen,  bis  sie  ihren  Verwandten  in  seiner  ewigen  Wohnung  geborgen  wissen, 
ist  eine,   wie  mir  scheint,   selbstverständliche  Voraussetzung. 

Eine  Darstellung  im  Grabe  des  Debehni  zu  Giseh  (Leps.,  Grab  90;  LD.II,  35) 
erspart  es  uns  vielleicht,  die  Beisetzungen  uns  in  dieser  wenig  schönen  Form 
vorstellen  zu  müssen. 

Wir  haben  im  Bilde  (Abb.  4)  wohl  eine  Mastaba  von  jenem  alten  Typus  vor 
uns,  der  noch  keine  Kultkammer  enthält1.  Außen  an  der  einen  Wand,  der  Ostwand, 
ist  die  übliche  Nische  in  Form  einer  Scheintür  angebracht.  Neben  ihr  sind  lange 
Reihen  von  Speisen  aufgebaut,  und  vor  ihr  steht  ein  hölzerner  mit  Speisen  be- 
deckter Tisch.  Die  Frauen  des  Toten  führen  vor  dem  Grabe  einen  jener  Tänze 
auf2,  die  immer  einen  wesentlichen  Teil  der  Trauerfeier  gebildet  zu  haben 
scheinen.  Hier  stehen  vier  Tänzerinnen  nebeneinander3  und  ihnen  gegenüber 
die  drei  Sängerinnen,    hinter  diesen  männliche  Anverwandte  des  Verstorbenen. 


Abb.  3. 


x)  Das  Grab  des  Debehni  (ein  Felsengrab)  gehört  dem  ersten  unserer  beiden  Typen  (Abb.  2) 
an,  nicht  dein,  den  das  Bild  im  Grabe  voraussetzt.  Der  Maler  scheint  also  eine  ältere  Komposition 
zu  wiederholen.  —  2)  Der  Tisch  und  die  Tanzszene  ist  in  unserer  Abbildung,  um  Raum  zu  sparen, 
weggelassen.  —  3)  Gewiß  nicht,  wie  man  gewöhnlich  annimmt,  hintereinander.  Ich  erinnere  mich 
auch  heutzutage,  bei  einer  Trauerfeier  in  Elinas,  einen  eigentümlichen  Tanz  der  weiblichen  Ver- 
wandten des  Toten  gesehen  zu  haben. 


1904.] 


Heinrich  Schäfer:    Darstellung  einer  Beisetzung  im  alten  Reich. 


67 


Auf  unserem  Bilde  ist  die  eigentliche  Beisetzung  schon  geschehen1,  der  Sarg 
mit  der3Iumie  ruht  schon  tief  unten  in  der  Erde.  Eben  hat  man  auf  einem  Schlitten 
eine  Statue  zum  Grabe  gebracht,  und  die  Totenpriester  und  die  Angehörigen  des 
Verstorbenen  sind  eben  damit  beschäftigt,  vor  ihr  die  nötigen  Zeremonien  zu  ver- 
richten und  ihr  Speisen  darzubringen.  Wo  steht  nun  diese  Statue?  Oben  auf  dem 
Dache  der  Mastaba,  offenbar  also  dicht  neben  der  Mündung  des  Schachtes,  in 
den  sie  bald  versenkt  werden  soll.  Und  wie  ist  sie  dort  oben  hingekommen? 
Nun,  gewiß  auf  demselben  Wege,  den  wir  die  Diener  mit  den  Speisen  gehen 
sehen.    Diese  steigen  eine,  ohne  Zweifel  aus  Ziegeln  gebaute  Rampe  empor,  die 


Abb.  4. 

Nach  Leps..  Denkm.  II  35. 


bis  zur  Kante  des  Daches  führt  und  nicht  nur  dem  Schlitten  mit  der  Statuen- 
kapelle, sondern  auch  vorher  dem  Schlitten  mit  dem  Sarge  eine  bequeme  Bahn 
gewährt  hat. 

Auch  die  Statue  wird  hinabgesenkt  werden,  die  Mündung  des  Schachtes 
wird  durch  Steinplatten  verschlossen  werden,  und  dann  verläßt  der  Trauerzug 
die  Stätte.  Eifrigst  werden  sich  nun  die  Maurer  an  die  Arbeit  machen,  um  die 
Ziegelrampe,  die  übrigens  gewiß  dieselbe  ist,  die  bei  der  Erbauung  des  Grab- 
gebäudes als  Gerüst  gedient  hat,  abzutragen  und  die  letzte  Hand  an  die  Voll- 
endung des  Grabes  zu  legen. 


*)    Diese  ist,  soviel  ich  weiß,  im  a.  R.  nie  dargestellt,  immer  erst  der  Moment,  in  dem  die 
Statuen  zum  Grabe  gezogen  und  die  Speisen  gebracht  werden. 


68 


Heinrich  Schäfer:    Der  Speer  des  Horus. 


[41.  Band. 


Der  Speer  des  Horus 

als  Rückenbrett  von  Mumien  und  als  Amulett. 

Von  Heinrich  Schäfer. 

Hierzu  8  Abbildungen. 


Im  späteren  ägyptischen  Bestattungswesen  kommt  die  Sitte  auf,  den  Mumien 
dadurch  mehr  Halt  zu  geben,  daß  man  sie  mit  dem  Rücken  auf  ein  Brett  schnürt. 
Solche  Bretter  finden  sich  wohl  in  allen  Sammlungen.  Sie  sind  ge- 
wöhnlich dem  Umriß  der  Mumie  entsprechend  zugeschnitten  und  oft 
mit  Totentexten  beschrieben. 

Aber  auch  das  hier  veröffentlichte  merkwürdige  Brett  (Abb.  1) 
soll  nach  der  Angabe  von  L.  Boechakdt,  der  es  in  Theben  1897  für 
das  Berliner  Museum  erworben  hat,  zu  dem  gleichen  Zwecke  ge- 
dient haben.  Das  Brett  trägt  die  Nummer  13889  und  ist  jetzt,  wo 
es  am  unteren  Ende  beschädigt  ist,  93  cm  lang.  Die  Formen  der 
roh  ausgesägten  Verzierungen  zeigen,  daß  es  der  römischen  Zeit 
angehört. 

Das  Ganze  bildet  offenbar  einen  Speer  mit  drei  Spitzen,  von 
denen  die  große  mittlere  mit  ihren  Flügeln  die  beiden  äußeren  voll- 
ständig deckt   (vgl.  die  schematische  Skizze  in  Abb.  2).    Der  Schaft 


z=5=* 


Abb.  2. 


Abb.  3. 


des  mittleren  Eisens  zeigt  einen  Auswuchs,  der  gewiß  dem  ähnlichen 
Auswuchs  an  den  Harpunenspitzen  (Abb.  3)  entsprechen  soll,  aber  an 
der  falschen  Stelle  sitzt,  viel  zu  nah  der  Spitze. 

Man  darf  natürlich  von  dieser  Schnitzerei  keine  Aufschlüsse  über 
den  Bau  ägyptischer  Speere  erwarten.  Jedenfalls  aber  hat,  wie  der 
besprochene  merkwürdige,  der  Harpune  eigentümliche  Ansatz  zeigt, 
dem  Verfertiger  diese  Waffe  der  Nilpferd-  und  Krokodiljäger1  vor- 
geschwebt. Nun  zeigen  schon  die  beiden  Uräen,  die  rechts  und 
links  neben  den  beiden  seitlichen  Spitzen  angebracht  sind,  daß  wir 
es  nicht  einfach  mit  der  Nachbildung  eines  menschlichen  Gerätes 
zu  tun   haben.    Das  Brett  soll  vielmehr  eine  Götterwaffe  darstellen, 


Abb.l. 


*)    Sehr  gute  und  lehrreiche  Beschreibungen  des  Harpunierens  von  Nilpferden 
und  Krokodilen  in  Nubien  finden  sich  bei  Rüppell,  Reisen  in  Nubien  usw.  S.  94  ff. 


1904.1 


Heinrich  Schäfer:    Der  Speer  des  Horus. 


69 


Abb.  4. 


also  gewiß  die  mächtige  Waffe,  mit  der  der  Gott  Horus  seinen  in  Krokodil- 
oder Nilpferdgestalt  erscheinenden  Gegner  bezwungen  hat.  Daß  wir  mit  dieser 
Vermutung  recht  haben,  zeigt  ein  Blick  auf  die  Verzierungen  des  Schaftes,  die 
ja  den  siegreichen  Kampf  des  Horus  vorführen:  wir  sehen  Falken,  die  die  Doppel- 
krone tragen  und  in  deren  Fängen  sich  Krokodile  winden.  Wir  werden  nicht  fehl- 
gehen, wenn  wir  annehmen,  daß  unser  Brett  aus  der  Nekropole  von  Edfu  stammt. 

Wir  dürfen  uns  nicht  darüber  wundern,  daß  der  Tischler  oder  Sargfabrikant, 
der  wohl  nie  eine  Harpune  in  der  Hand  gehabt  hat,  der  Götterwaffe  eine  recht 
phantastische  aber  ganz  unbrauchbare  Konstruktion  gegeben 
hat.  Die  beiden  seitlichen  Spitzen  sind  durch  ihre  Anordnung 
jeder  Wirkung  beraubt,  ob  man  sich  ihre  Flächen  parallel  oder 
senkrecht  zu  denen  der  großen  Spitze  denken  will.  Im  gün- 
stigsten Falle  könnten  sie  dasselbe  wirken  wie  einfache  Wider- 
haken. Ganz  und  gar  widersinnig  sind  sie  vor  allem  bei  einer 
Harpune,  die  ja,  wie  wir  gesehen  haben,  dieses  Brett  vorstellen 
soll.    So  kann  also  keine  brauchbare  Waffe  ausgesehen  haben. 

Eher  verständlich   als    die  Anordnung   der  drei    Spitzen    Nach  Berlin 

15125. 

wird  uns,  warum  der  Speer  eben  gerade  drei  Spitzen  be- 
kommen hat.  Denn  wenn  wir  uns  in  der  Literatur  über  die 
Kämpfe  des  Horus  umsehen,  so  finden  wir  als  Waffe  des 
Gottes    oft    einen  Speer  namens  <=$  —  \  genannt.      Brugsch1 

übersetzt  das  Wort  wirklich  mit  »Dreizack«.  Ich  halte  das, 
aus  Gründen,  die  aus  dem  Zweck  der  Waffe  folgen,  mit 
Goodwin2  nicht  für  richtig,  kann  aber  auch  nur  wieder- 
holen, was  dieser  sagt:  »What  the  real  connexion  between 
these  objects  and  the  groups  used  to  express  their  names, 
if  indeed  it  was  anything  niore  than  an  accidental  similarity 
of  sound,  it  is  not  easy  to  say. «  Speere  mit  mehreren  Spitzen 
nebeneinander  sind  Fischerwerkzeuge  und  als  solche  haben 
sie  auch  die  Ägypter  gebraucht.  Dagegen  zur  Jagd  auf  Nil- 
pferde und  Krokodile  sind  sie  durchaus  ungeeignet.  Jedenfalls 
aber  sehen  wir  aus  unserem  Speerbild,  daß  schon  die  späteren  Ägypter,  gewiß  mit 
Unrecht,  geglaubt  haben,  der  Speer  (<=$— \  habe  seinen  Namen  von  drei  Spitzen. 

Daß  man  die  starke  Waffe  des  siegreichen  Rächers  des  Osiris  dem  zum 
Osiris  gewordenen  Toten  als  Schutz  mitgibt,  ist  recht  begreiflich.  Der  Speer 
des  Horus  findet  sich  ja  auch  öfter  als  kleines  Amulett,  wo  er  dann  meist  etwa 
nebenstehende  Form  (Abb.  4)  hat.  Die  eigentümliche  Abrundung  der  Spitze  unse- 
res Brettes  findet  ihr  Gegenstück  in  den  erhaltenen  Harpunenspitzen  (Abb.  3)  so- 
wie den  sonstigen  Nachbildungen  des  Horusspeeres  (Abb.  6).  Man  gestaltet  solche 
runde   Schneiden  gern   zum  Kopf,   die  Widerhaken  zu  den  Flügeln  des   Götter- 


Abb.  6. 

Nach  Petrif, 
Koptos  21.  5. 


(O) 

Abi).  7. 

Relief  in 
Dendera. 


')    AZ.  1868  S.  17. 


2)  ÄZ.  1868  S.107. 


tO  Heinrich  Schäfer:    Der  Speer  des  Horus.  [41.  Band. 

vogels  (Abb.  4  und  5).  Ich  will  jedoch  nicht  sämtliche  erhaltene  Darstellungen  des 
Horusspeeres  hier  anführen,  die  übrigens  niemals  drei  Spitzen  aufweisen,  sondern 
nur  noch  eine  abbilden  (Abb.  7),  die  sich  in  Dendera  findet  und  jüngst  von  Spiegel- 
berg im  Rec.  de  trav.  25  S.  186  besprochen  ist.  Sie  zeigt,  ebenso  wie  das  in 
Abb.  4  wiedergegebene  Amulett,  am  unteren  Ende  die  bekannte  eigentümliche  Ga- 
bel. Daß  diese  nicht  eine  bloße  Verzierung  ist,  sondern  zuweilen  auch  ihren  prak- 
tischen Zweck  hat,  zeigen  Bilder  wie  Wilkinson  1878,  LI  S.  128/129,  nach  denen 
das  Seil,  an  dem  das  Harpuneneisen  befestigt  ist,  über  die  Gabel  läuft  (Abb.  8). 


2= 


Abb.  8. 

Nilpferdharpune  nach  Wilkinson. 


Ein  Skarabäus  mit  dem  Namen  (on1 
Von  Fr.  W.  v.  Bissing. 

Mit  4  Abbildungen. 


Im  vergangenen  Winter  erwarb  ich  im  Kunsthandel  einen  Skarabäus,  hoch  0,019, 
breit   0,013,  aus  Steatit  mit  feiner,  dunkelgrüner  Glasur. 

A.  Rücken  des  Käfers  wie  beistehend.  An  den  frei  gearbeiteten 
Beinen  sind  die  schwarzen  Fransen  angegeben,  der  Kopf  hat  sechs- 
zähnigen  Vorderrand;  die  beiden  Augen  sind  angedeutet,  zwei  kleine 
Striche  gehen  von  der  Stirn  aus,  an  den  Flügeldecken  bemerkt  man 
oben  in  den  Ecken  zwei  kleine  Dreiecke;  die  Teilungslinie  der  Flügel 
ist  einfach,  die  äußere  Umrißlinie  endet  frei,  der  Abschluß  gegen  den  Steiß 
besteht  aus  zwei  kleinen  Halbbogen. 

R.  Ein  Stier,  dessen  Leib  durch  zwei  senkrechte  Bänder  geteilt  wird, 
während  ein  ebensolches  Band  den  Kopfansatz  bezeichnet,  steht  nach 
rechts  über  einem  liegenden  Mann.  Das  eine  Vorderbein  des  Stiers 
trampelt  auf  dem  Kopf.  Über  dem  Stier  steht  O  d±^±±i  w  in  dem 
liegenden  Königsring,  dessen  oberer  Rand  durch  die  Einfassung  des 
Bildes  gegeben  wird.  Vor  dem  Stier  steht  v\^  ,  zwischen  dem  Kopf 
des  Stiers  und  des  Gefangenen  '^x.. 

Dem  Stück  verleiht  der  Umstand  ein  besonderes  Interesse,  daß 
ein  Skarabäus  mit  genau  dem  gleichen  Bilde  (ganz  unwesentliche  Abweichungen  be- 
stehen freilich)  in  der  Sammlung  Fräser  Nr.  252  den  Namen  Amenophis  III.  trägt1. 


1)    Ein  dem  meinigen  sehr  ähnliches,  aber  weniger  feines  Stück,  das  auch  seine  Glasur  ver- 
loren hat,  im  British  Museum  Nr.  4000  =  Petrie,  hist.  scarabs  XVIII  993. 


1904. J  Fr.  W.  v.  Bissing:    Ein  Skarabäus  mit  dein  Namen  f  O  üILLÜJj  j£] 


71 


Verschiedene  Erklärungen  sind  möglich.  Das  Naheliegendste  ist  natürlich, 
daß  Amenophis  III.  einen  Skarabäus  Tuthmoses'  III.  kopiert  habe,  oder  wenig- 
stens das  beiden  Skarabäen  gemeinsame  Vorbild  —  denn  viele  der  Darstellungen 
auf  den  Skarabäen  sind  gewiß  nicht  für  diese  erfunden. 

Man  könnte  auch  den  Skarabäus  in  die  Zahl  der  in  später  Zeit  wieder  auf 
Tuthmoses'  III.  Namen  ausgebrachten  verweisen.  Aber  dagegen  spricht  die  vortreff- 
liche Technik,  deren  Glasur  mit  den  dunklen  Tönen  in  den  vertieften  Stellen, 
dem  zarten,  gleichmäßigen  Farbton,  wo  sie,  wie  auf  dem  Rücken,  dünn  aufge- 
tragen ist,  in  der  Fräsers chen  Sammlung  am  nächsten  dem  wundervollen  Siegel- 
stein der  Gemahlin  Tuthmoses'  IV.  Nr.  246  steht.  Unter  den  übrigen  Skara- 
bäen   und  Siegelsteinen   meiner  Sammlung   lassen    sich    am  besten  vergleichen: 

n  ea 
ein  Igel  mit  dem  Namen     TAi  —  nach  den  Schriftformen  und  der  flachen  Form 

^  anm 
wohl  sicher  Amenophis  I.  (vgl.  Petrie,  Historical  scarabs  XVIII  832  —  833),   ein 

Skarabäus  mit  Tuthmoses  IV.  in  der  Barke  sitzend,  hoch  0,018,  breit  0,012. 
endlich  eine  »Kauriperle«  mit  dem  Namen  ä^h,  also  wohl  gleichfalls  aus  Tuth- 
moses' III.   Zeit.  1$ 

Da  nun  die  Ausbringung  von  Skarabäen  mit  Tuthmoses'  III.  Namen  nach 
seinem  Tode,  aber  doch  noch  in  der  18.  Dynastie,  durch  nichts  erwiesen 
wird,  vielmehr  alle  solche  »Nachprägungen«  der  Spätzeit  anzugehören  scheinen 
und  einen  rohen  oder  mindestens  derben  Stil  aufweisen,  so  müssen  wir  unser 
Stück  (und  das  gleichartige  im  Britischen  Museum)  der  Regierungszeit  Tuth- 
moses' III.  zuweisen;  von  ihm  ist  dann,  direkt  oder  indirekt,  der  Skarabäus 
Amenophis'   III.   abhängig. 

Dieses  Resultat  ist  wertvoller,   als  es  auf  den  ersten  Blick  scheint. 

Nicht  zu  allen  Zeiten  hat  man  den  Inschriften  der  Skarabäen  auch  Dar- 
stellungen beigegeben:  in  der  Spätzeit,  nach  der  22.  Dynastie,  finden  sie  sich 
selten,  und  dann  sind  es  symbolische  Figuren,  Götter,  heilige  Tiere.  Ebenso 
steht  es  im  mittleren  Reich  bis  in  die  13.  Dynastie.  Die  Bedeutung  der  mensch- 
lichen^) Figuren  auf  dem  Skarabäus  Fräser  73,  dessen  Lesung,  d.h.  die  Deutung 
der  Zeichen,  nicht  einmal  ganz  feststeht,  der  Sitzenden  und  Stehenden  auf  den 
Zylindern  Fräser  152 — 153  ist  nicht  gesichert,  aber  der  Zylinder  Petrie,  Histo- 
rical scarabs  XIII — XVI  577  läßt  keinen  Zweifel  darüber  zu,  daß  hier  ein  histo- 
rischer Vorgang  dargestellt  ist.  Gleich  zu  Anfang  der  18.  Dynastie  werden  nun 
solche  historisch -symbolische  Bilder  häufig  (Petrie,  Historical  scarabs,  Taf.  27 
bis  28;  Fräser,  Nr.  190,  193),  seit  der  Tuthmosidenzeit  bis  ins  Ende  des  neuen 
Reichs  etwas  ganz  Gewöhnliches.  Auch  hier  wieder  liegen  die  Quellen  der  Kunst 
der  18.  Dynastie  in  der  zweiten  Hälfte  des  mittleren  Reichs,  auch  hier  wieder, 
wie  im  Begräbniswesen,  in  der  Architektur,  in  den  Formeln  der  Usebtius,  in 
Schrift  und  Sprache,  ist  der  Bruch  mit  der  Vergangenheit  in  der  langen  Zeit 
des  mittleren  Reichs  nach  der  12.  Dynastie  erfolgt,  der  vielleicht  schöpferischsten 
Zeit  Ägyptens. 


72  Fr.  W.  v.  Bissing  :    Ein  Skarabäus  mit  dem  Namen   fOCÜSHJj.  [41.  Band. 

Auch  die  Vorderseite  des  Skarabäus  hat  in  diesem  Zusammenhang  ihre 
Wichtigkeit.  Die  Zeichnung  des  Rückens  stellt  gegenüber  der  schematischen 
älteren  Art  eine  völlig  naturalistische  Wiedergabe  des  Käfers  dar  —  auch  die 
Haare  an  den  Beinen  fehlen  ja  nicht1.  Die  ersten  Ansätze  mag  man  bei  Skara- 
bäen  des  späteren  mittleren  Reichs  (wie  Ward  Collection  238,  227,  10)2  finden, 
auch  die  feinen  Stücke  von  Daschur3  gehen  über  das  Gewöhnliche  hinaus.  Die 
Vollendung  in  dieser  Richtung  bezeichnet  wohl  der  bei  der  Königin  Aahhotep 
gefundene  große  Skarabäus4  mit  völlig  frei  gearbeiteten  Beinen,  der  nicht  als 
Petschaft  diente.  Ihnen  allen  fehlen  aber  noch  jene  Dreiecke  an  den  Flügelecken 
und  der  eigentümlich  geschwungene  Umriß  der  Flügel.  Ihm  begegnen  wir  an- 
scheinend nicht  vor  der  Tuthmosidenzeit:  Ward  217  (Kamarec)  395,  427  (Tuth- 
moses  III.).  Da  aber  zeigen  ihn  auch  geringere  Stücke,  namentlich  die  Drei- 
ecke fehlen  nicht  oft.  Man  behält  sie  noch  in  der  19.  Dynastie  bei  (Ward  498 
Ramesses  IL),  ja  bis  hinab  in  die  22.  (Fräser  352  —  353).  Reich  stilisiert  zeigt 
sie  der  eigentümliche  Stein  Fräser  385,  während  keins  der  saitischen  Stücke 
meiner  Sammlung  etwas  davon  sehen  läßt.  Der  geschwungene  und  geteilte 
Flügelumriß  scheint  nach   der  18.  Dynastie  nicht  mehr  vorzukommen. 

Das  Lehrreiche  ist  auch  hier  wieder,  daß  die  Kunsttypen,  die  unter  Tuth- 
moses  IV.  und  seinen  Nachfolgern  voll  entwickelt  sind,  sich  mindestens  auf 
Tuthmoses  III.,  mit  dem  die  18.  Dynastie  erst  beginnt5,  zurückführen  lassen. 
Entstanden  sind  sie  vorher.  Die  künstlerische  Reaktion,  die,  von  oben  be- 
günstigt, in  den  Tagen  der  letzten  Herrscher  der  17.  Dynastie  bis  auf  die 
Königin  Kamarec  in  der  Großkunst  fast  ausschließlich  herrscht6,  ist  in  der  deko- 
rativen Kunst  nie  so  ausschließlich  durchgedrungen.  Parallelen  aus  der  Neuzeit 
fehlen  ja  nicht.  Tuthmoses  III.  ist  der  neuen  Richtung  offenbar  günstiger  ge- 
wesen, unter  Tuthmoses  IV.  scheint  sie  voll  zur  Entfaltung  zu  kommen,  wie 
die  Funde  in  seinem  Grab,  die  Stele  in  Kairo,  in  gewisser  Beziehung  auch  die 
Funde  im  Grab  Amenophis'  IL  lehren.  Unter  Amenophis  EL  findet  sie  schüchtern 
Eingang  auch  in  den  Königspalast  und  auf  den  Stelen  des  Königs ,  unter  Amen- 
ophis IV.,  außerhalb  Thebens,  von  den  ehrwürdigen  Traditionen  der  großen  Zeit 
der  12.  Dynastie  und  ihrer  Nacheiferer  nicht  mehr  beeinflußt,  entfaltet  sie  sich 
frei.  Aber  damals  war  dieser  »Jugendstil«  schon  innerlich  überwunden.  Mit  der 
Rückkehr  nach  Theben  entwickelt  sich  die  Kunst  der  Ramessiden,  eine  wirkliche 
Erneuerung  der  monumentalen  Kunst  der   18.  Dynastie. 


l)  Vgl.  das  nebenstehende,  nach  Brehm,  Tierleben,  Insekten  1884,  S.  78 
hergestellte  Bild.  —  2)  Proceedings  B.  A.  S.  18,  Taf.  I— VI  Auch  in  des  Be- 
sitzers Buch,  the  »sacered  beetle«.  —  3)  Fouilles  ä  Dahchour  Mai  1894,  Taf.  XV, 
XVI,  XIX,  XX.  —  4)  v.  Bissing,  Grabfund  des  neuen  Reichs,  Taf.  VI  und  VII. 
5)  Das  hat  Manetho  gewußt.  Vgl.  Sethe  ,  Untersuchungen  zur  Geschichte  Ägyp- 
tens I,  57  f.,  Lepsius,  Königsbuch  S.  31  ff.  62  ff.  —  6)  Vgl.  Athen.  Mitt.  1898, 
250  f.  255  f.  Ferner  meine  Geschichte  Ägyptens  S.  47.  Auch  Spiegelberg,  Ge- 
Heiliger  Pillendreher     schichte  der  ägyptischen  Kunst  S.  38  f.  scheint  die  Tatsache  beobachtet  zu  haben, 

(Aleuchus  sacer).  , 

Va  natürlicher  Größe,     nhne  aber  die  Konsequenzen  für  die  Kunstgeschichte  gezogen  zu  haben. 


h  GL        f>m«0  ,_ 

1904.]  Alan   II.  Gardiner:    The  reading  of   I  k0\  .  io 

n  _£H^  o   o   o 


The  reading  of|^^. 

By  Alan  H.  Gardinek. 


JL  he  phonetic  value  wfsm  (or  wsm)  usually  assigned  to  the  name  of  the  metal 
1  \kk.  rests    upon    a  very  insecure    basis    of  evidence.     It   originated   from 

o  _cr^  o    o   o 

Brugsch,   whose   arguments   must   be   considered,  before  a  better  alternative  is 
proposed. 

In  the  Zeitschrift  for  1864  (pp.  68  and  69)  Brugsch  drew  attention  to  the 
variants  of  a  passage  in  the  Saitic  Totenbuch  (Lepsius,  Totenbuch  15,  9),  which  runs: 


I 


^m  i        j^  i  i  i  i 

aha    n n o >  i  i 


The  second  of  the  three  clauses  presents  the  following  various  readings: 


a)    Berlin  Pap.  16   (now  =  3003) 

AAAAAA         W        Jtä=»__    V_ 


/WW\A        W        JC=a —    \Z.  0   _CT^   O  III 

b)   Berlin  Pap.  23  (now  =  3039)  'JL*<T>|^P1lx    ^ 

/www        <SS'         U  ^    I       0  . 


c)    Berlin  Pap.  25   (now  =  3151; 


i   i   i 


This   is    the   comment   of  Brugsch:    » d.  h.  a)  und  b):  sem,  c)  äsem,  mit 

einem  (1  prostheticum.     Es  erhellt  hieraus ,  daß  in  diesem  Fall  1  die  Aussprache 
sem  oder  stwz  hatte,  also  syllab  arisch  er  Natur  war.« 

Brugsch  would  doubtless  have  seen  a  confirmation  of  his  thesis  in  a  far 
earlier  version  of  the  same  passage,  given  by  a  stele  in  the  British  Museum 
(No.  826  =  Trans.  SBA.  VIII  p\  151,   18.  dyn.): 


l] 


im 


These  words  form  part  of  an  address  to  the  Sungod,  and  may  be  freely  ren- 
dered  thus.  »When  thy  rays  are  in  the  sight  of  men,  gold  is  not  discerned: 
it  is  not  the  equal  of  thy  beams.« 

Zeitschr.  f.  Ägypt.  Spr.,  41.  Band.     1904.  10 


Alan  H.  Gardineu:    The  reading  of   I  V\  .  [41.  Band. 

o  _cr^  o    o    o 

The  conclusions  of  Brugsch  were  plausible  enough  at  the  date  when  he 
drew  them,  but  will  hardly  meet  with  acceptance  now-a-days.    The  stele  shows 

that  v*-n-~       q  vi    *s  an   ancien*  reading,  and  the  variations  of  the  Saite  texts 

seem  to  prove  that  its   difficulty  was  feit  by  their  writers.    The  scribe  of  the 

Turin  papyrus  obtained  an  intelligible  text  by  omitting  the  superfluous    I .    The 

Berlin  variant  c  solves  the  problem,  whether  by  emendation  or  by  reviving  an 

old  tradition:  for  there  can  be  little  doubt  that  ^n^,        J  °  V^l    l^v  '  wit^ 

the  enclitic  particle  is,  was  the  original  reading. 

In  the  Wörterbuch  (p.  351)  Brugsch  cites  his  earlier  article,  but  now  reads 
the   group    üasem;    the    change  was    of  course    due    to    the  consideration  that  1 

possessed  a  well-known  value  -jf  (^^l'- 

Lepsius  (Die  Metalle,  p.  44)  recognised  that,  in  view  of  the  polyphony  of 
1 .   its  value  -jlfll^P  could  not  be  applied  without  further  discussion  to  j  t\ 

n55! :  however,  he  regarded  the  variants  quoted  by  Brugsch  as  decisive,  and 
consequently  assented  to  his  reading  äsumu.  Renouf  (Proc.  SBA.  XII  (1890), 
p.  346)  criticises  Brugsch's  later  position  in  a  similar  manner:  »There  is  just 
the  same  kind  of  mistake  here  as  when  the  metal    \  |\  fö^°  is  called  uasem. 

The  sign  j  is  polyphonous,   one  of  its  values  is  uas,  another  is  sem.« 

Lepsius  and  Renouf  thus  rightly  contend  that  there  must  be  no  confusing 
of  the  different  readings  (1)  sem  or  äsumu  and  (2)  Uasem.  With  (1)  we  have 
already  dealt,  and  must  now  reckon  with  the  possibility  that  1  ^\  '  '  is  to 
be  read  wlsm  (üasem).  The  sole  ground  for  this  supposition  consists  of  the  facts 
that  \   is  occasionally  wls  and  that  t\     is  m ;  1  f\    '       '  accordingly  wlsm.   But 

b  WvV  o     rnYV  o    o    o 

three  weighty  reasons  teil  against  this  phonetic  value. 

1.  |  IV  l^1*!,    if  it    should   be    read   wfsm,  would   be    a  quadriliteral   sub- 

stantive,  which  is  highly  improbable.  This  difficulty  seems  to  have  given  rise 
to  the  modified  reading  wsm,  which  assumes  an  unlikely  Entwertung  of  wts  to 
ws  at  an  early  date:  the  spelling  1  f^H*5^  occurs  already  in  the  3.  dynasty 
(Petrie,  Medum,  XIII). 

2.  Some  such  variants  ^IPt^f5*^  or  l^kP^.^5^  might  be  expected 
to  occur:   no  such   spellings  exist. 

3.  The  main  objection  consists  in  the  variants  1f5»V  and  r^bn  °  which  are 

frequently  found  in  the  New  Kingdom.  The  variant  j  occurs  at  least  once  in 
the  Middle  Kingdom:  Coffin  of  Mntwhtp  (Mitt.  Or.  Samml.  VIII,  16  and  17)  ^ 
P®1,  where  the  coffin  of  Sebko  (ibid.  IX,  7)  has  ,  aw^||\  f>^.  But  if  j  in 
the  name   of  the   metal  is  a  syllabic  sign  wjs,  then  the  variant  1 '       '  can  only 

n  o    o   o 


1904.]  Alan  H.  Gardiner:    The  readin»'  of   I   s>\  .  75 

be  read  icts,  not  wtsm.  It  is  true  that  medial  m  is  omitted  in  several  words, 
as  g&,  ,*-*&,  q^4  :    and    initial   m    too,    occasionally,   when    it   is   a 

flexional  dement,  as  in  f  nm  ,  <-^,  >=c^ :  but  no  similar  Omission  of  final  m 
has  yet  been  placed  on  record. 

The  variant  V       '   is    explicable    only  if  the    sceptre    here    has    a    syllabic 

n    o     O    O 

value,  and  if  the  last  radical  letter  thereof  is  m.  Now  one  name  of  the  sceptre 
is  "^  lj\  ]>  a  word  of  frequent  occurrence  in  the  earliest  religious  texts.  As 
represented  on  M.  K.  sarcophagi  this  sceptre  has  a  spiral  handle1,  while  the 
handle  of  the  w!s  sceptre  is  straight.  But  as  hieroglyphs,  these  two  sceptres 
are  not  distinguished.  Applying  the  phonetic  value  dfm  to  the  name  of  the 
metal,  we  obtain  a  reading  free  from  all  the  above  objections.     Until  another 

name  of  a  sceptre  ending  in  m  is  discovered,  we  can  rest  assured  that  j  f\ 
'       '  is   to   be   read   dcm.    This  obvious  conclusion  is  not  new.     It  was  known 

o    o    o 

to  Birch,  who  long  ago  (Bunsen,  Egypt's  Place  vol.  I  2nd  ed.  p.  576)  assigned 
to  the  name  of  the  metal  the  phonetic  value  tarn  (=  dfm). 

If  the  view  be  accepted,  that  j  v\  '  '  is  to  be  read  d^m,  then  the  fre- 
quently  upheld  identification2  of  this  metal  with   the  Greek  ä<rv\\xog  is  false. 

The  discussion  of  the  phonetic  value  of  1 1\  '  '  cannot  be  dismissed 
without  some  consideration  of  the  very  similarly  written  verb  j  ^j\  "^=&  ,  »to  be 
ruined«,  »to  perish«,  used  of  men  or  of  monuments.  This  word  is  habitually 
read  wtsm;  but  the  variants    \  v\   ^    ,    \  \\  ^   3  show  no  trace  of  an  s:  there 

is  therefore  as  little  reason  for  this  reading  here  as  in  the  case  of  the  metal. 
The  obvious  alternative  is  to  read  the  verb  dcm\  but  a  more  plausible  Solution 
suggests  itself.  ]  fs\  ^^s  is  (in  this  form)  of  comparatively  recent  date,  being 
found  first  under  the  18.  dynasty.  In  earlier  times,  »the  decay«  of  monuments 
was  expressed  by  means  of  the  verb  ^*K^ In  -^.  {4ae  infirmae),  which,  in  its 
most  abbreviated  writing  1  ^=s,   differs  from  its  later  synonym  only  by  the  ab- 

sence  of  the  m.  The  following  examples  will  show  the  similarity  in  the  em- 
ployment  of  the  two  words. 

1.  Wlst:  LD.ll,  U2e,  1135,  ^^i/^^^^^^f1  ^^fl/^g 
¥^(]  ü  ^  "jfl^v  '1  »restoring  what  was  found  decayed,  renovating  what  was 
found  ruined«. 


x)    See  Wiedemann,  Rec.  de  Trav.  18   p.  128.  —  2)  See  Pleyte,  Asemos  in  Mededeelinyen  der 
KoninMijke  Akademie  van  Wetenschappen,  Afdeeling  LetterJcunde,  3de  Reeks,  Deel  III  (1886). 

3)    Once  Max.   d'Anii  4,  10      „  V\     \^  ^^  *  a  curiosity  which    can  have  no  weicht  in  the 

h&  _B^_2f  i    i   i 

determination  of  the  reading.     Cf.  ÄZ.  38  (1900)  p.144. 

10* 


<0  Alan  H.  Gardiner:    The  reading  of   I  ks\  .  [41.  Band. 

o  _cr^  o   o   o 

2.  N,™Y,  El  BerM  II,  p.  25  ^f^T^k^-kUIII 

~^öl  W$k    IhH    wd-om&  more  tnan  he  found  in -ing  what  was  ruined«.1 

3.  Petrie,  Koptos  12  (temp.  R^htp)  *  i  i  1 2=5^  <=>/l --^L  »[its]  gates 
and  its  doors  being  gone  to  ruin«. 

4.  LB.  III,  38 J  (femp.  Zytrim.  HI)  (IR  A§  |  ^f] *5* ^=> j  ^  »His  Ma- 
jesty  had  found  (it)  gone  to  ruin«. 

5.  1  ^\  ^s>  Mar.,  Kam.  40  11. 1 — 2  »I  found  this  /]q  pure  Chamber 

of  the  high  priests  of  Amon X|  V\     £^3  s==> <r^>  1 -^^   gone  to  ruin«. 

6.  Annales  du  Service  IV,  p.  179  {temp.  Tirhaka)  M    A§  jj  J  ^^  -jf] %% 

£^<rr>]l\  ^&    »His  Majesty  had  found  (it)  gone  to  ruin«. 

Anyone  who  reads  these  instances,  which  could  easily  be  multiplied,  can 
hardly  avoid  the  conclusion  that  they  contain,  one  and  all,  the  same  word:  the 
comparison  of  4  with  6  is  especially  convincing.  But  if  j^.  ^^  is  to  be 
read  wfst,  w!sy,  how  to  account  for  the  m?    Analogous  spellings  dissipate  this 

is  written  for  f\  (f  a   because 


seemingly  insurmoun table  objection.   J|n^         ([: 

\  is  frequently  the  determinative  of         ([;    »to  flourish«:    and  similarly  c    3  I 

C     r      ^3  LI  AAAAAA    I 

\  dns  and  {\  «««  M.     Just  so   \  \\  "%?==>  wist  will  have  borrowed  its  m  from 

1  ¥k.  •  —  ^he  chronology  of  the  spellings  confirms  this  conclusion.     Wfst 

without  m  is  common  in  the  earlier  periods,  is  found  side  by  side  with  j  lj\  ^ä> 
in   the   18.  dynasty,    and   occurs   only  sporadically  later:  from  the  18.  dynasty 
onwards  the  writing  1  1\  "^~&  predominates.  — The  variants  l^.^^,»   \  ^. 
<-^  seem  to  preserve  the  last  trace  of  the  weak  radical  of  wlst. 

To  sum  up  our  results :    1.1  1\   '      '   is   not   to   be   read  wtsm,  wsm,  but 

o  _cr^  000 

rather  dcm.      2.  1  1\  ^^>   is  a  variant  of  the  verb  w!st  (4ae  infirmae)  »to  decay«, 
»to  be  ruined«. 

l)  1  and  2  exhibit  a  grammatical  peculiarity  which  I  believe  to  be  unknown.  The  pseudo- 
participles  wst,  wlsjj,  though  following,  and  referring  to  the  same  antecedent  as,  the  feminine  par- 
ticiples  gmiit,  wnt,  are  themselves  of  the  masculine  gender.  —  2)  But,  so  far  as  I  know,  not  in  the 
same  document. 


1904.1  H.  Schack-Schackenburg:    Nr.  60  des  Mathematischen  Handbuchs.  77 


Nr.  60  des  Mathematischen  Handbuchs. 
Von  H.  Schack-Schackenburg. 


INeuerdings  hat  v.  Calice1  diese  Rechnung  einer  erneuten  Besprechung  unter- 
worfen. Würde  seine  Auffassung,  <:q>i  w  bezeichne  die  Höhe,  in  der  die  Seiten- 
fläche um  eine  Elle  vom  Lot  zurücktritt,  sich  als  richtig  erweisen,  so  wäre  da- 
mit ein  interessanter  neuer  terminus  technicus  gefunden.  Bis  auf  weiteres  scheint 
indessen  die  Auffassung  Borchardts2,  daß  eine  Entstellung  des  Textes  vorliegt, 
die  einzig  mögliche  zu  bleiben. 
Der  Satz  lautet: 

Ein  n    '     von   15  Ellen  Grundkante  und  30  Ellen  Höhe. 


Gib  mir  seine  Böschung  ( [I  ^    ö    )    an. 


Die  Hälfte  der  Grundkante  ist  l1^.  Vj2  muß  mit  4  multipliziert  werden, 
um   30   zu  erhalten. 

Zunächst  hat  man  an  der  4  Anstoß  genommen,  die  statt  des  richtigen 
Resultats  */4  Elle,  oder  iya  !/4  Spannen  dasteht,  und  darüber  die  sprachlichen 
Schwierigkeiten  der  vorhergehenden  Worte  übersehen. 

Das  das  Resultat  angebende  >rf  tritt  in  den  verschiedenen  Zeiten  in  ver- 
schiedenen Formen  auf: 

Der  Kahuner  Papyrus   (Taf.  8)  schreibt: 

D 


(Jl\       n    das  Ergebnis  ist  n. 


Der    etwas   jüngere    Berliner   Pap.  6619    ersetzt    die    Nominalsätze    durch 
Verbalsätze : 

M         n  oder  m  1\  n     das  ergibt  n. 

Das  Mathem.  Handb.   hat  daneben3  sehr  oft: 

n  oder     ™  *^_  V\   n, 


*)   AZ.  40,  147.  —  2)  ÄZ.  31,  13. 

3)  0  ^s^.       n  ^a*  ^as  Mathem.  Handb.  nur  zweimal  (Nr.  76  und  78). 


78  H.  Schack-Schackenburr:    Nr.  60  des  Mathematischen  Handbuchs.  [41.  Band. 

aber  immer  mit  *^  ':    m  I     kommt    niemals  vor,    also  wird   auch    in  der 

Nr.  60   das    I     zum  Folgenden  gehören,  und  in  der  Tat  kommt    I  '    x^.    qq 

dreimal  im  Mathem.  Handb.   vor: 

\\ 


Nr.  46   ®j         3^^1x5  00   [l  '    k^_d<S    das  ergibt  500_,  das  ist  sein  Inhalt, 

und  im    i^=^1|}\  derselben  Aufgabe  wird,  nachdem  die  Zahl  500  gefunden 

ist,   wieder  hinzugefügt: 

In  dem  zuletzt  genannten  Zusammenhange  finden  sich  die  gleichen  Worte 
auch  in  Nr.  45. 

Sind  wir  nun  so  zu  der  Erkenntnis  gelangt,  daß  nach  <Jt>  eine  Zahl  mit 
oder  ohne  t\    stehen   muß    —    daß   es  eine  4  sein  muß,   ergibt  sich  aus  dem 

Zusammenhange    — ,    liegt   es    sehr  nahe,    anzunehmen,  daß  die  Worte  [l 

I  o  ü 

*^    per  nefas  aus  der  nebenstehenden  Aufgabe  hier  zwischen  und  v^ 


eingeschoben  sind,  ist  doch  in  allen  Aufgaben  der  vorhergehenden  Spalte  von 
Flächeninhalten  die  Rede.  Dann  haben  wir  keine  Veranlassung  für  den  unend- 
lich häufigen  terminus  technicus  oder  i 2  Inhalt  (der  Fläche  oder 

des  Körpers),  Gehalt  (eines  Brots  an  Mehl,  eines  Schmuckes  an  Gold)  eine  ganz 
neue  Bedeutung  anzunehmen. 

Wenn  wir  nun  die  Nr.  60  mit  der  ganz  analogen  Nr.  58  vergleichen,  so 
sehen  wir  sofort,  daß  bei  Nr.  60  ein  Fehler  untergelaufen  ist.  Der  Verfasser 
hat  30   durch   lxf2  dividiert,   anstatt  71/.2  durch   30   zu  teilen. 

Daß  das  Resultat  der  (richtigen)  Division  den    1^    ö     die  Böschung  ergab, 

wußte  er  —  hier  war  nicht  einmal  eine  Umrechnung  in  Spannen  erforderlich, 
um    das   Resultat   auf  der  Elle   ablesen    zu    können  — ,    also  meinte  er  getrost 

hinter  die  4    sein   ^x<f  \^     \\\    ö  H¥k.^H  ^as  ^  ^e  dazugehörige  Böschung 

hinschreiben  zu  können. 

Die  Einfügung  des    I  x  *^_  fällt  nicht  ihm,  sondern  einem  späteren 

Abschreiber  zur  Last.  Vielleicht  hat  das  Nachdenken  über  diese  nicht  herpassen- 
den  Worte    diesen    daran  gehindert   den  naheliegenden  Rechenfehler  zu  finden. 


1)  Das    einmal  vorkommende  v. — -o  ist  ein  bei  dem  häufigen  -<s>-         v__^6  usw.  leicht  ver- 
ständlicher Schreibfehler. 

2)  Daß  diese  Wortformen  einander  vertreten  können,    ergibt  sich  aus  genauer  Prüfung  der 
Nr.  43  —  46.     Über  das   grammatikalische  Verhältnis   derselben    soll  damit  aber  nichts  gesagt  sein. 


1904.1  H.  Schack-Schackenburg:    7\W  ^M  79 


Von  H.  Schack-Schackenburg. 


JUiese  Worte  der  Aufgaben  Nr.  35  —  38  des  Mathematischen  Handbuchs  sind  bis- 
her nicht  in  einer  zugleich  der  Grammatik  und  dem  Zusammenhange,  in  dem 
sie  stehen,   genügenden  Weise  erklärt  worden. 

Die  redend  eingeführte  Unbekannte  sagt:  Ich  bin  so  und  so  viele  Male  in 
das  Fruchtmaß  hineingegangen,  dann  fülle  ich  es. 

Als  ich  1882  diese  Übersetzung  vorschlug1,  hätte  mir  eigentlich  schon 
die  Wiedergabe  von  ^^  vSf  durch  transitives    »ich  fülle«    auf  Grund  von 


Ermans  Neuägyptischer  Grammatik  §  256  ff.  bedenklich  erscheinen  müssen,  doch 
scheint  der  Zusammenhang  diese  Übersetzung  so  apodiktisch  zu  fordern,  daß 
auch  Geiffith  noch,  als  er  den  Text  1894  einer  erneuten  Prüfung  unterwarf2, 
zu  demselben  Resultat  kam.  Es  sagt:  it  is  the  heqat  measure  not  the  x-measure, 
that  is  filled,   and  ■kzzx  V^r   usuaUy  a  passive  form  is  here  perhaps  active 


»I  have  filled  (the  heqat)«.     Für  diese  Auffassung  kann  auch  geltend  gemacht 
werden,  daß  die  in  denselben  Aufgaben  vorkommende  Form  [~rj  ^^7\^3^v\w 

mit  geminiertem    *£\    nach  Sethe,  VerbumII116  zu  bezeugen  scheint,   daß  für 

die  Formulierung  dieser  Aufgaben   ein  sehr  früher  Zeitpunkt  anzusetzen  ist. 

Unter  diesen  Umständen  mußte  es  auf  den  ersten  Blick  recht  auffällig  er- 
scheinen, daß  Erman  auch  in  der  2.  Auflage  seiner  Altägyptischen  Grammatik3 
die  betreffenden  Worte  durch  »so  (oder  da)  bin  ich  voll«  übersetzt;  und  doch  ist 
diese  seine  Übersetzung,  wie  sich  aus  dem  Folgenden  ergeben  dürfte,  wenigstens 
im  Wesentlichen  wahrscheinlich  richtig. 

Die  Aufgaben  24  —  27  und  31 — 38   entsprechen  allgemein  der  modernen 

Gleichung 

ax-\-  \hx  =  c. 

Ist  c  dabei  von  der  Einheit  Abschieden,   so  lautet  die  Aufgabe  etwa  so: 


(1) 

X  +   ljbx  =  c. 


In  den  Aufgaben  35  —  38,   die  zwischen  den  anderen,  vor   33  und  34,   stehen, 
ist  c  dagegen    gleich  der  Einheit,    nämlich   t 
maße.     In  diesem  Falle  lautet  die  Aufgabe: 


ist  c  dagegen    gleich  der  Einheit,    nämlich   dem  ,•'"'     .    der  Einheit  der  Frucht 


l)    Rec.  de  trav.  III  S.  153.    Auch  Eisenlohr  hatte  schon  im  Textbande  »ich  fülle«  übersetzt. 
2)  Proc.  Soc.  Bibl.  Arch.  1894  S.  234.  —  3)  §  252  und  §  415.     Die  Stelle  wird  zweimal  zitiert. 


80 


H.  Schack-Schackenburg:    J\   y^r     w     v — -^  y>  i 


[41.  Band. 


.A 


01+  7s  s   =   1   (NB.!) 


M^ 


D  ^ 


(2) 


Die  abweichende  Form  ist  augenscheinlich  deshalb  gewählt,  weil  hier  das  Wesent- 
liche darin  besteht,  daß  die  Unbekannte  durch  Multiplikation  zur  Einheit  ergänzt 
wird.  Diese  Ergänzung  spielt  in  der  ägyptischen  Mathematik  eine  umfassende 
Rolle.  Auch  die  zahlreichen  R^  if\  ^  -Rechnungen  (Nr.  7 — 23)  dienen  diesem 
Zwecke,   nur  daß  er  bei  letzteren  durch  Addition  erreicht  wird,   z.  B. : 

^^     Pa.kÄ   %   2/3    V15^l  (3) 

Dir  wird  gesagt:  Was  ergänzt  n/i5  zu  1?  Antwort  4/is-  Ergänzung  durch  Addition 
wird  also  durch   R^ — 1|\  h-^,  ,  Ergänzung  durch  Multiplikation  dagegen  durch 

^   ausgedrückt,  und  die  Worte  J\  y^ffi ^^  ^^'vNVffi   bedeuten:    dann  bin  ich 

komplettiert,  eigentlich  voll  gemacht,  nämlich  <=>.■""       zur  vollen  Einheit. 

Für  die  Richtigkeit  dieser  Erklärung  sprechen  noch  zwei  Umstände:    1.  das 
fehlende  Objekt  nach      ^^^y\^£  und  2.,  daß  nach  [Xn^-A  (wenigstens  in 


den  Pyramiden)    der   geschlossene  Raum,    in   den   eingestiegen  wird,  z.  B.  das 
Schiff  oder  Tal,  mit   1\    angefügt  wird;  das  mit  «=>  eingeleitete  Wort  scheint 

dagegen  die  Richtung  oder  das  Ziel  der  Bewegung  anzugeben.    Wäre  das  .•'" 
als    ein    zu   füllender  Topf  oder   ähnliches    gedacht,    müßte    die  Aufgabe   wohl 

lauten:  \\$     K%X^ Mkit' 

Als  Endresultat  ergibt  sich  also  nachstehende  Übersetzung  der  betreffenden 
Aufgaben,   z.B.  der  35.:   (j  ^v|  m^^^^  D^"  %  ' ' ' 


I    I 


I      I      I 


Ich  bin   dreimal  genommen3,  um  die  Maßeinheit  zu  erreichen,   ein  Drittel 
von  mir  zu  mir  hinzu,   dann  bin  ich   (zur  Einheit)  komplettiert. 


l)   In  Nr.  36   fehlen  die  Worte 


...Ö 


2)  Daß  a  in  den  Aufgaben  der  Form  (1)  immer  gleich  1,  und  in  denen  der  Form  (2)  immer 
gleich  3  gewählt  ist,  wird  auf  Zufall  beruhen. 

3)  Einen   dem  rn  v\     entsprechenden  deutschen  Ausdruck  dürfte  es  kaum  geben.    Auch  in 

der   verwandten   Aufgabe   Nr.  28    werden    v\   J\  und   ^\   ^  kaum    anders    als   durch   »addiert« 
und  »subtrahiert«   oder  ähnliches  wiedergegeben  werden  können. 


1904.1 


Heinrich  Schäfer:    Zauberpapyrus  Harris  VIII,  9  —  IX,  14. 


81 


Zauberpapyrus  Harris  VIII,  9 — IX,  14  und  Plutarchs 
Erzählung  vom  Tode  des  Osiris. 

Von  Heinrich  Schäfer. 


Jriutarch  erzählt  bekanntlich  in  seiner  Abhandlung  über  Isis  und  Osiris  (Kap.  13) 
den  Tod  des  Osiris  etwa  so:  »Der  hinterlistige  Typhon  veranlaßt  den  Osiris  sich 
zum  Scherz  in  einen  Sarg  zu  legen.  Kaum  liegt  der  Gott  darin,  so  stürzt  Typhon 
mit  seinen  Verschworenen  herzu,  sie  verschließen  den  Sarg  und  werfen  ihn  in  den 
Fluß.«  Es  ist  bisher  nicht  gelungen,  auch  nur  eine  Anspielung  auf  diese  Erzäh- 
lung in  einem  ägyptischen  Texte  nachzuweisen.  Maspero  sagt  zwar1  »l'episode 
du  coffre  oü  Sit  enferma  Osiris  est  mentionne  d'une  facon  sommaire,  mais  par- 
faitement  intelligible,  dans  une  formule  du  Grand  Papyrus  magique  Harris«.  Aber 
ich  glaube,   daß  dieser  Gedanke  einer  näheren  Prüfung  nicht  standhält. 

Die  Stelle,  auf  die  Maspero  anspielt,  kommt  in  verschiedenem  Zusammenhang 
in  zwei  Sprüchen  des  Papyrus  vor,  die  ich  in  den  folgenden  Übersetzungsver- 
suchen  so  anordne,  daß  die  uns  interessierenden  parallelen  Sätze  nebeneinander 
zu  stehen  kommen.  Nur  das  Mittelstück  gibt  einen  geschlossenen  Gedanken- 
gang, die  Anfänge  haben  nichts  mit  der  Mitte  zu  tun  und  sind  recht  verworren. 

Harr.  mag.  VIII,  9— IX,  5. 
|:  0  du  Verwachsener  des  Himmels.:] 
Du   Verwachsener    mit   großem   Ange- 
sicht, 
mit  hohem  Rücken  und  krummen  Beinen 
Du  große  Stütze,   die  vom  Himmel  bis 

zur  Unterwelt  reicht, 
Du  Herr  des  großen  Leichnams,   der  in 

Heliopolis  ruht, 
Du   großer   Herr    des   Lebens,    der   in 

Mendes(?)  ruht, 
Dir  (anbefohlen   sei?)  N.  N. ,    der  Sohn 

der  N.  N., 
Behüte  ihn  am  Tage, 
bewache  ihn  des  Nachts, 
schütze    ihn,     wie   du   den  Osiris     vor 
dem    mit    verborgenem    Namen    ge- 
schützt hast 
an  jenem  Tage  des  Begräbnisses  in  He- 
liopolis. 


Harr.  mag.  IX,  5 — IX,  11. 
0  Ihr  (?),  die  ihr  in  der  Mhnt  seid, 
in  der  Halle  des  Gerichts 
Ihr  Herren  der  Rsnt  und  der  Mhnt 


')    Hist.  Les  orig.,  S.  175  Anm.  2. 

Zeitschr.  f.  Ägypt.  Spr.,  41.  Band.     1904. 


11 


82 


Heinrich  Schäfer:    Zauberpapyrus  Harris  VIII,  9 — IX,  14. 


[41.  Band. 


Ich   bin  der  Löwe  in Haus 

des  Phönix. 
Deine  Gestalt   ist   die    einer  Meerkatze 


du  zu  mir  schicktest 

als  man  in  Memphis  saß 

und  ließest  sagen:  »Man  soll  mir  eine 
Kapelle  von  8  Ellen  machen«, 

wo  du  doch  ein  Riese  von  7  Ellen  bist. 

Ich  sagte  dir:  »Du  kannst  nicht  hin- 
eingehen in  die  Kapelle  von  8  Ellen ; 

wo  du  doch  ein  Riese  von  7  Ellen  bist. « 

Doch  du  gingst  hinein  und  du  ließest 
dich  nieder  in  ihr. 


I:  Die  Kapelle  wird  geöffnet. 


Ihr  Insasse  hat  ein  Meerkatzengesicht. 

|:  Wehe,  :|  I:  Feuer.  :| 
Du  Sohn  der  Repit, 
Du  Pavian! 


kommt  (?) ,  wendet  euer  Antlitz  zu  dem, 

der  im  Wasser  ist. 
Osiris    schwimmt  auf  dem  Wasser,    das 

Horusauge  bei  ihm. 

du  zu  mir  schicktest 

als  man  in  Memphis  saß 

und  ließest  sagen:     »Man  soll  mir  eine 

Kapelle  von  8  Ellen  machen«. 
Man  sagte  dir:    »Du  Mann  von  772  Ellen, 
wie  willst  du  in  sie  hineingehen?« 


Doch  man  machte  sie  dir  und  du  ließest 
dich  nieder  in  ihr. 


Magai,  der  Sohn  des  Set  kam  und  öff- 
nete sie 

und  erblickte  ihren  Insassen 

als  einen  mit  einem  Meerkatzengesicht 
und  einer  Pavianmähne. 

|:|:  Wehe,  :|:|   1:1:  Feuer.  :|:| 

Nicht  ich  sage  es,  nicht  ich  plaudre  es 
aus, 

Magai  sagt  es,  Magai  plaudert  es  aus. 
usw. 


Betrachten  wir  zuerst  das  beiden  Sprüchen  gemeinsame  Stück,  in  dem 
ja  die  Anspielung  auf  Plutarchs  Erzählung  sich  finden  soll.  Ich  habe  in  der 
Übersetzung  absichtlich  die  Ellenzahl  der  Kapelle  so  stehen  lassen,  wie  sie 
Chabas  und  Brugsch1  lesen.  Ihnen  folgt  offenbar  auch  Maspero,  denn  nur 
dadurch  wird  es  verständlich,  daß  er  zwischen  dieser  Stelle  und  Plutarch  über- 
haupt eine  gewisse  Ähnlichkeit  empfunden  hat.  Merkwürdigerweise  hat  aber 
keiner  der  Bearbeiter  gemerkt,  daß  die  Geschichte  in  dieser  Form  einen  Unsinn 
enthält,  der  auch  über  das  in  Zaubertexten  erlaubte  Maß  hinausgeht.  Jemand 
bestellt  für  sich  eine  Kapelle  von  bestimmter  Höhe,  um  darin  zu  wohnen.  Der 
Handwerker  fragt  verwundert:  »wie  willst  du  bei  deiner  Länge  denn  da  hinein- 
gehen?« Wenn  etwas  klar  ist,  so  ist  es  doch  das,  daß  der  Besteller  größer  sein 
muß  als  das  Kapellenmaß.  Ist  es  denn  so  wunderbar,  daß  ein  Mann  von  7 
(oder  7*/2)  Ellen  in  eine  Kapelle  von  8  Ellen  hineingeht?  Sehen  wir  genauer 
zu,  so  finden  wir,   daß  nicht  der  alte  Schreiber  den  Fehler  auf  dem  Gewissen 


l)   Religion  und  Myth.,  S.726  u.  727. 


1904.]  Heinrich  Schäfer:    Zaaberpapyrus  Harris  VIII.  9 —  IX.  14.  83 

hat.     Im  Papyrus   steht   da.  wo  man   die  Zahl  8  gelesen  hat,  klar  und  deutlich 

das    Zeichen   t .    also  l/a.     Nun  ist  es   allerdings  ein  Wunder,   das  geschieht: 

ein  Riese  von  7  Ellen  geht  in  ein  Kapellchen  von  l/9  Elle  hinein !  Durch  diese 
Veränderung  in  der  Lesung  ist  aber  die  scheinbare  Ähnlichkeit  mit  der  Plutarch- 
stelle  hinfällig. 

Sie  schwindet  ganz,  wenn  wir  den  Zusammenhang  mit  den  folgenden 
Worten  beachten.  Der  Sohn  und  Abgesandte  des  Set,  ein  Unhold  namens 
Magai,  kommt  und  öffnet  die  Kapelle,  offenbar  weil  er  jemand,  dem  er  Böses 
antun  will,  darin  vermutet.  Aber,  so  müssen  wir  doch  wohl  interpretieren, 
er  wendet  sich  enttäuscht  wieder  ab ,  denn  der  Insasse  der  Kapelle  sieht  ja 
ganz  anders  aus.  als  der,  den  er  sucht.  Der  Besteller  der  Kapelle  wußte  sich 
also  verfolgt.  Er  wollte  sich  darum  eine  Zuflucht  schaffen,  wo  niemand  ihn 
vermutet.  Daher  wählt  er  eine  so  winzige  Kapelle  von  25  cm  Höhe,  und  ver- 
wandelt sich   noch   dazu,   und  wirklich,   die  List  gelingt. 

Sieht  das  alles  nun  aus,  wie  eine  Anspielung  auf  die  Ermordung  des  Osiris? 
Ganz  gewiß  nicht.  Aber  wir  brauchen  uns  nicht  mit  diesem  negativen  Re- 
sultat zu  begnügen,  sondern  können  auch  etwas  Positives  aus  den  beiden 
Zaubersprüchen  gewinnen.  Die  Episode  mit  der  Kapelle  paßt  nämlich  ganz 
vortrefflich  an  eine  andere  Stelle  des  Osirismythos  in  seiner  erweiterten  Form. 
Nach  der  Geburt  des  Horus  in  den  Sümpfen  des  Delta  läßt  ihm  ja  Set  auf 
alle  mögliche  Weise  nachstellen,  da  er  in  ihm  den  Rächer  des  Osiris  ahnt. 
Wir  haben  eine  Menge  kleiner  Geschichten  über  die  Gefahren,  die  der  kleine 
Horus  glücklich  überstanden  hat.  Zu  diesen  wird  die  besprochene  Geschichte 
aus  dem  Papyrus  Harris  als  eine  neue  zu  rechnen  sein.  Der  Zauberer,  auf  den 
die  zweite  Fassung  zurückgeht,  ist  sich  übrigens  wohl  bewußt,  daß  er  Dinge 
aus  der  Göttergeschichte  ausplaudert.  Denn  mit  seinen  Schlußworten  will  er 
gewiß  Göttern,  die  etwa  diesen  Spruch  hören  sollten,  Aveismachen,  nicht  er, 
der  Zauberer,  sondern  der  böse  Magai  sei  es,  der  in  diesem  Augenblick  so 
heilige  Dinge  ausplaudere. 

Auf  die  wüsten  Anfänge  der  beiden  Sprüche  will  ich  hier  nicht  näher  ein- 
gehen, aber  doch  wenigstens  auf  die  Stelle  im  Anfang  des  zweiten  hinweisen, 
nach  der  die  Leiche  des  ermordeten  Osiris  eine  Zeitlang  auf  dem  Wasser  ge- 
trieben hat.  Dieser  Zug  wird  mehrmals  in  ägyptischen  Texten  erwähnt,  aber 
auch  er  beweist  an  sich  nicht  die  Existenz  der  Plutarchischen  Sarggeschichte, 
sondern  nur,  daß  Osiris  oder  sein  Leichnam  ins  Wasser  geworfen  worden  ist. 
Plutarchs  Erzählung  liegt  ja  gewiß  eine  auch  in  diesem  Punkt  zuverlässige  Quelle 
zugrunde.  Auch  in  Ägypten  wird  man  zu  irgend  einer  Zeit  den  Mittelpunkt 
des  Dramas  in  dieser  anekdotenhaften  Form  erzählt  haben.  Worauf  es  mir  an- 
kommt, ist  nur,  zu  zeigen,  daß  sich  bisher  diese  Geschichte  in  keinem  ägypti- 
schen Text  hat  nachweisen  lassen. 


w 


84  Miscellen.  [41.  Band. 


Miscellen. 

JUie  Spitze  der  Pyramide  König  Amenemhets  III.  —  In  den  Annales 
du  Service  III,  S.  206  hat  Maspero  ein  prächtiges  Pyramidion  aus  schwarzgrauem 
Granit  von  1,40  m  Höhe  und  1,85  m  Basislänge  veröffentlicht,  das  dicht  an  der 
Ostseite  der  Pyramide  Amenemhets  III.  in  Dahschur  gefunden  ist,  und  sich  jetzt 
im  Museum  von  Kairo  befindet.  Ich  habe  Gelegenheit  gehabt,  das  wundervolle 
Stück  bald  nach  der  Auffindung  zu  sehen  und  möchte  daher  hier  eine  seiner 
Eigentümlichkeiten  hervorheben,   die  in  Masperos  Publikation  nicht  erkennbar, 

aber  doch  für  das  Verständnis  entscheidend  ist.  Schnitte 
durch  das  Pyramidion  würden  nämlich  nicht,  wie  es  nach 
Masperos  Tafel  scheint,  einfache  Dreiecke,  sondern  neben- 
stehende Figur  geben.  Während  die  vier  oberen  Flächen 
der  Pyramide  in  spiegelblanker  Politur  glänzen ,  sind  die 
unteren  Flächen  nur  soweit  geglättet,  als  es  für  Fugen 
nötig  ist.  Dieser  Zuschnitt  der  Unterseite  scheint  mir 
deutlich  zu  zeigen,  daß  es  sich  hier  nicht  um  eins  der 
üblichen  kleinen  Pyramidien  handelt,  sondern  daß  dieser  gewaltige  Block  den 
Abschluß  eines  Bauwerkes  gebildet  hat,  auf  dem  er  unverrückbar  festgehalten 
werden  sollte.  Und  was  kann  dieses  Bauwerk  anders  gewesen  sein  als  eben 
die  Pyramide  des  Königs,  neben  der  der  Block  gefunden  ist?  Es  ist,  soviel 
ich  weiß,  die  einzige  wirklich  erhaltene  Spitze  einer  Pyramide.  Wir  sehen  hier 
bestätigt,  was  wir  alle  aus  Abbildungen  schon  vermutet  haben,  daß  man  nämlich 
die  Spitze  nicht  aus  leicht  verwitterndem  Kalkstein ,  sondern  gern  aus  unverwüst- 
lichem Basalt  anfertigte.  Die  Pyramide  Amenemhets  III.  besteht  sonst  aus  Zie- 
geln, die  mit  Kalkstein  verkleidet  sind. 

Hat  uns  so  das  Äußere  des  Blockes  seinen  früheren  Platz  gewiesen,  so 
sehen  wir  nun  auch  die  Inschriften,  die  ihn  bedecken,  anders  an.  Auf  der  Seite, 
die  nach  Osten,  nach  Sonnenaufgang,  gewendet  war,  steht:  »Amenemhet  III. 
schaut  die  Schönheit  der  Sonne«,  und  die  Inschrift  darunter  beginnt:  «Geöffnet  ist 
das  Gesicht  König  Amenemhets j  er  schaut  den  Herrn  des  Horizonts  {den  Sonnengott^ 
wie  er  den  Himmel  durchfährt«.  Die  Anfangsworte  der  Inschrift  auf  der  Nord- 
seite lauten:  «Höher  ist  die  Seele  (Bl)  König  Amenemhets  als  die  Höhe  des  Orion 
und  sie  vereinigt  sich  mit  der   Unterwelt  (DwH)«. 

Es  ist  etwas  anderes,  ob  solche  Worte  auf  einem  kleinen  im  Tempel  oder 
im  Grabe  verborgenen  Pyramidion  stehen  und  in  irgendeinem  Totentext  vor- 
kommen, oder  ob  die  von  der  Morgensonne  zuerst  vergoldete  Spitze  einer  hoch- 
gelegenen Pyramide  sie  trägt,   die  Spitze  eines  Bauwerks,  das  wie  ein  Berg  im 


1904.] 


Miscellen. 


85 


Innern  der  Erde  seine  Wurzeln,  die  die  Grabkammer  bergen,  hat  und  das  in 
die  Wolken  hineinzuragen  scheint.  Jetzt  sind  diese  Worte  keine  abgebrauchten 
Phrasen  mehr,  sondern  bekommen  wieder  ihre  eigene  stolze  Schönheit,  die  eines 
Bauwerks,  wie  eine  solche  Königspyramide,  würdig  sind.  Daß  die  Buchstaben 
der  Inschriften  für  die  Höhe,  in  der  sie  standen,  verhcältnismäßig  klein  sind, 
spricht  nicht  gegen  meine  Deutung.  Für  Menschenaugen  sind  sie  nie  bestimmt 
gewesen.  H.  Schäfer. 

Zwei  Sockel.  —  I.  Dem  merkwürdigen  Alabasterblock1  mit  Lisenenver- 
zierung  an  den  Seiten,  der  zu  Grebauts  Zeit  bei  Nachgrabungen  im  Tempel  von 
Mitrahineh  gefunden  wurde  (Abb.  1),  möchte  ich  jetzt  auf  Grund  der  Kenntnis 
eines  kleinen  Monuments  der  ältesten  Zeit  eine  ganz  bestimmte  Deutung  geben. 
Bisher    hatte    ich    angenommen,    es    sei    die  Basis    etwa  eines  Sphinx  gewesen. 


Abb.  1. 


Jetzt  glaube  ich  eher,  daß  ein  sitzender  Falke  darauf  zu  ergänzen  ist.  Petrie 
hat  nämlich  bei  Abydos  eine  Schieferplatte2  gefunden,  die  einen  Sockel  mit 
gleicher  architektonischer  Verzierung  und  darauf  den  liegenden  Sperber  darstellt - 
(Abb.  2).  Die  Übereinstimmung  der  beiden  Sockel  ist  frappant,  sogar  die  kleinen 
Vertiefungen  auf  dem  oberen  Teile  des  Alabastersockels  sind  auf  der  Schiefer- 
platte schematisch  wiedergegeben.  Nur  zeigt  das  abydenische  Stück  in  den 
Türen  oben  noch  die  runden  Balken.  Aus  dem  Fehlen  dieser  Türstürze  möchte 
ich  schließen,  daß  unserem  Alabastersockel  kein  so  hohes  Alter  zukommt,  wie 
man  ihm  gewöhnlich   gibt3. 


»)  Le  Musee  egyptien,  Taf.  7,  2  und  S.  9;  frz.  Guide,  Nr.  7  S.  16;  engl.  Guide,  Nr.  56  S.  38. 
»Sorte  de  table  ä  libations«;  die  obere  Vertiefung  ist  rauh  gelassen  und  der  vermeintliche  Aus- 
guß deutlich  später  eingeschnitten,  also  ist  die  Erklärung  als  Opfertafel  nicht  angängig.  —  2)  Kairo, 
Saal  Dl,  Vitrine  ohne  Nummer  in  der  Nordostecke;  Petrie,  Abydos  II  Taf.  9  Nr.  205.  —  3)  Die 
Fundumstände  lassen  jede  Datierung  zu. 


86 


.Miscellen. 


[41.  Band. 


Zu  vergleichen  sind  hierzu  zwei  Sockel  von  Königssärgen  des  mittleren 
Reiches,  vom  Sarge  Ameneinhets  III.1  und  von  dem  Sen-wosrets  III.2,  welche 
ganz  ähnliche  Lisenenarchitektur3  zeigen.  Sollte  hier  vielleicht  der  tote  König 
als  Horusfalke  gedacht  und  ihm  daher  der  bei  Falkenstatuen  übliche  Sockel 
gegeben  worden  sein? 

IL  Die  früher  von  mir  ausgesprochene  Vermutung,  daß  der  vermeintliche 
Sarg  Psammetichs  II.  in  Kairo4  ein  Statuensockel  sei,  und  zwar  der  einer  Nil- 
pferdstatue, möchte  ich  hier  im  Anschluß  an  Vorstehendes  zu  begründen  ver- 
suchen. Die  Schmalseiten  des  Sand- 
steinblocks sind  nicht  skulpiert;  sie 
scheinen  Fugenflächen  zu  sein;  auf 
den  Längsseiten  ist  der  König  vor 
verschiedenen  Gottheiten  opfernd 
dargestellt.  Die  Darstellungen  gin- 
gen nach  den  Seiten  über  die  Flä- 
chen hinaus,  griffen  also  auf  die 
angrenzenden  Blöcke  über.  Die 
obere  Aushöhlung  des  Blockes  ist 
zur  Aufnahme  einer  Leiche  zu  klein; 
sie  ist  außerdem  rauh  und  ungleich. 
Viel  eher  paßt  der  untere  rohe  Zapfen 
einer  Statue  von  einer  gewissen  Län- 
genausdehnung hinein.  Eine  Sta- 
tue der  Art  ist  nun  an  dem  Block 

selbst  abgebildet.  Wir  sehen  den  König  opfernd  (  t\     X  )  vor  dem  Bilde 

eines  Nilpferdes  I  J  7^^        /J]  auf  massivem  Sockel  mit  hoher  Hinterwand.  Ich 

vermute  daher,  daß  unser  Sandsteinblock  eben  der  Sockel  der  hier  dargestellten 
Nilpferdstatue  sei.  Im  Tempel  von  Damanhur  werden  vielleicht  eine  Reihe  von 
Dämonenbildern  hintereinander  auf  einem  Sandsteinsockel  gestanden  haben,  und 
an  diesem  Sockel  waren  die  Szenen  der  Verehrung  dieser  Dämonen  abgebildet. 
Der    uns    erhaltene  Ausschnitt   aus    dem   Reihensockel    trug   die   Nilpferdgöttin. 

Ludwig  Borchardt. 

Zwei  Kasteneinsätze.  —  I.  Das  jüngst  von  Strzygowski5  abgebildete 
und  beschriebene  «Farbenkästchen«  ist,  wie  das  Einlagebrettchen  deutlich  zeigt, 
ein  Wagekasten.  Die  Ausschnitte  lassen  Platz  für  den  Wagebalken,  die  Zunge 
und    die   beiden    runden  Wiegeschalen;    die   übrigen  Vertiefungen  des  Einsatzes 

l)  Petrie,  Kahun  Taf.  4.  —  2)  de  Morgan,  Dahchour  II  S.  88  Abb.  121.  Zeichnung  leider 
unvollständig.  —  3)  Die  Kairener  Särge,  Cat.  Gen.  Nr.  28029,  28099  u.a.  (Lacau,  Taf.10  und  15) 
zeigen  übrigens  auch  ähnliches  Ornament,  das  vielleicht  wieder  Ableitung  von  diesem  Sockel- 
ornament der  Königssärge  sein  könnte.  —  4)  Frz.  Guide  1902,  Nr.  241  S.108;  engl.  Guide,  Nr.  682 
S.180;  an  letzterer  Stelle  ist  bereits  vermutet  worden,  daß  es  ein  »pedestal  for  a  monument«  sein 
könnte.  —  5)    Cat.  gen.  Nr.  8815. 


Abb.  2. 


1904.]  Miscellen.  87 

und  im  Boden  des  Kästchens  sind  für  die  vermutlich  kleinen  Gewichte,  etwa 
in  Form  von  Metallblättchen.  Bei  Goldschmieden  sind  heute  noch  ähnliche 
Kasten  im  Gebrauch. 

II.  Kasteneinsätze,  in  denen  durch  einfache  Vertiefungen  die  hineinzulegen- 
den Gegenstände  fest  gelagert  wurden,  sind  natürlich  schon  älter.  Ein  Beispiel 
aus  dem  m.  R.1  —  das  Stück  stammt  aus  dem  Grabe  des  Hofschreibers  Nefer- 
hotep  in  Drah  Abul  Negga,  wo  es  zusammen  mit  dem  bekannten  Rechnungs- 
papyrus gefunden  wurde2  —  zeigt  ausgehöhlt  die  Formen  eines  Spiegelgriffes 
und  zweier  Näpfchen.  Der  Einsatz  stammt  also  aus  einem  Toilettenkasten,  in 
dem  Spiegel  und  Schminkgefäße  ihre  festen  Plätze  hatten.  Borchardt. 

Die  älteste  Darstellung  des  Königs  im  »Kriegshelm«.  —  Bekannt- 
lich findet  sich  der  sogenannte  Kriegshelm  des  Königs  nicht  vor  dem  neuen 
Reich ,  und  zwar  im  allgemeinen  nicht  vor  Amenophis  II.  (Cat.  gener.  du  musee 
du  Caire  24136,  24142,  24635).  Es  ist  nun  interessant,  im  Hinblick  auf  die 
Frage,  wann  die  wichtigsten  Umwälzungen  auf  dem  Gebiet  der  ägyptischen 
Kulturgeschichte  stattgefunden  haben,  festzustellen,  daß  der  Kriegshelm  bereits 
von  König  Kamose  auf  dem  Grabfund  des  neuen  Reichs,  Taf.  IV  8a,  b  veröffent- 
lichten Wedel  getragen  wird.     Der  König  steht  da  vor  dem   Gotte  Chons. 

Auch  in  diesem  Fall  ist  das  Fehlen  des  »Kriegshelms«  auf  den  Denk- 
mälern der  Zeit  von  Amosis  I.  bis  auf  Thutmosis  III.  durch  das  künstliche  Zu- 
rückgreifen auf  die  große  Zeit  der  12.  Dynastie  zu  erklären.  Dafür,  daß  Deir 
el  Bahri,  wie  ich  stets  durch  den  Vergleich  mit  den  Grabanlagen  von  Beni- 
Hasan  angenommen  habe,  den  Typus  der  Totentempel  des  mittleren  Reichs 
darstellt,  haben  ja  die  Ausgrabungen  Navilles  und  Halls  den  Beweis  gebracht. 
Der  Kriegshelm  aber  ist,  wie  der  ganze  »neue  Stil«  in  der  Zeit  zwischen  der 
13.   und   17.  Dynastie  in  Aufnahme  gekommen.  Fr.  W.  v.  Bissing. 

Zur  Geschichte  der  Königstitulatur.  —  Aus  den  Aufschriften  der 
Chephrenstatuen  im  Museum  von  Kairo  ergibt  sich  als  Titulatur  des  Chephren 
die  folgende  Reihe: 

Die  Form,  die  der  n&ft'-Name4  des  Königs  hat,  wsr  m,  ist  schon  an  sich  recht 
auffällig,  und  wenn  man  die  Titulatur  des  Cheops  ansieht,  in  der  der  Horus- 
und  der  nbti-~Name  gleich  sind: 


!)  Kairo,  frz.  Guide  Nr.  936  S.  175  »on  y  coulait  de  la  cire!«  —  2)  Mariette,  Pap.  Boul.  II 
S.7  Nr. 7:  »Planchette  en  trois  morceaux  qui  se  rajustent.  Elle  a  d'une  cote  deux  trous  en  creux  et 
parait  avoir  ete  destinee  ä  contenir  un  objet  en  forme  de  manche  de  poignard.«  —  3)  Vgl.  Bor- 
chardts  Aufsatz  ÄZ.  1898  S.  1  ff.  —  4)  Er  ist  auf  dem  Bruchstück  Nr.  16  (bei  Borchardt)  erhalten. 
ÄZ.  1898  S.U. 


88  Miscellen.  [41.  Band. 

so  könnte  man  in  der  Tat  geneigt  sein,  in  dem  wsr  m  des  Chephrennamens  einen 
Schreibfehler  für  wir  ib  anzunehmen.  So  konnte  denn  auch  seinerzeit  dieser 
anscheinende  Schreibfehler  Borchardt  einen  seiner  Beweise  gegen  das  Alter 
der  Statuen  geben:  »Dieser  Irrtum,  bei  dem  der  Horusname  des  Königs  ver- 
kehrt wiedergegeben  ist,  wäre  für  ein  Denkmal  aus  der  Zeit  des  Chephren  un- 
erhört.« In  Wirklichkeit  ist,  wie  wir  jetzt  wissen,  der  Name  vollkommen  in 
Ordnung.      Er  findet  sein  Gegenstück  in  der  Titulatur  des  Unas: 


W 


Man  darf  also  das  wir  m  der  Chephrenstatue  durchaus  als  berechtigt  ansehen. 
Es  liegt  wohl  nur  an  unserem  mangelhaften  Material  für  die  Königsnamen  des 
alten  Reichs,  wenn  wir  diese  merkwürdige  Namensform  nicht  noch  bei  anderen 
Königen  finden.  Eine  ähnliche  Bildung  mit  1\  läßt  sich  noch  im  m.  R.  nach- 
weisen. Der  V-Name  Amenemhets  IL  lautet  nämlich  zwar  gewöhnlich  ||,  da- 
neben  findet  sich  aber  auch   die  Form  /==Jv\  2. 

Gewiß  sind  so  gebildete  Namen  nach  dem  Schema  wsr  m  nbtj  »stark  als 
Nbti«,  wld  m  nbtj  »frisch  als  nbti«   usw.   zu  lesen.  Heinrich  Schäfer. 

Sur  le  pretre  'In-mwtf.  —  Avant  d'entreprendre  une  etude  aussi  complete 
que  possible  du  röle  et  du  caractere  du  pretre  'In-mwtf,  je  tiens  ä  publier 
quelques  rapides  notes  preliminaires.  Dans  mon  travail  »La  fete  de  frapper  les 
Anou«  j'ai  fait  remarquer  dejä  la  place  bizarre  occupee  par  ce  pretre.  Au 
Livre  des  morts,  chap.  CXLII,  7  Osiris  est  designe  par  un  nom  et  un  titre  qui 
se  retrouvent  au  dessus  de  la  representation  d'un  'In-?nwtf;  LD.  III  19,  la.  2  a. 
Dans  la  tombe  de  Ramses  I,  LD.  III  123a  le  roi  est  conduit  devant  Osiris  par 
les  dieux  Harsiesis,  Atum  et  Neit.  Dans  cette  scene  nous  voyons  le  pretre  'In- 
mwtf,  debout,  sur  la  marche  du  trone  d'Osiris,  et  il  accueille  le  roi  avec  des 
paroles  que  Ton  trouve  ordinairement  dans  la  bouche  des  dieux.  Remarquons 
que  la  scene  se  passe  dans  le  monde  des   morts. 

Dans  les  textes  des  Pyramides  (Pepi  II.  1.772)  on  trouve  cite  Y'In-mwtf 
comme  un  dieu,   et  son  nom   est  suivi  du  determinatif  des  dieux. 

Ainsi  donc,  pour  abreger,  il  semble  que  le  pretre  In-mwtf  soit  parfois  re- 
garde  comme  un  dieu. 

Lushington  (Transactions  of  the  Society  of  biblical  Archaeology  VI,  1879 
p.  527  sq.)  a  dejä  constate  ce  fait  bizarre  qui  a  frappe  egalement  M.  Crum  (Pro- 
ceedings  of  the  Society  of  biblical  Archaeology  XVI,  1894,  p.  137  note  2).  Crum 
rapproche  de  ce  titre  'In-mwtf  le  titre  sl-mr-f  ^\  et  M.  le  professeur  Sethe 

me  Signale  egalement  le  titre  -^ . 


l)    Ann.  d.  serv.  II,  254.  —  2)  Lepsius,  Königsbuch  180  c. 


1904.1  Miscellen.  89 

Cette  maniere  de  voir  est  confirmee  par  un  titre  que  je  releve  dans  le 
Catalogue  des  sarcophages  anterieurs  au  nouvel  empire  par  M.  Lacau.  En  deux 
endroits  (p.17  et  19)  se  trouve  mentionnee  une 

Le  pretre  'ln-mwtf  avait  donc  comme  les  grands  dieux,  Amon,  Anhour,  par 
ex.?  un  harem  de  concubines   sacrees.  Jean  Capart. 

Das  Zeichen  sg>.  —  Auf  den  im  Kairiner  Museum,  Raum  F,  ausgestellten 
Reliefs  aus  dem  Grabe  des  ©1\  nr  sind  einige  ober-  und  unterägyptische  Gaue 
in  üblicher  Weise  dargestellt.  Unter  den  Abzeichen  der  letzteren  figuriert  neben 
y^  und  Jxf  auch  das  nebenstehend  abgebildete.  Ich  glaube, 
niemand  wird  zweifeln,  daß  wir  hier  das  Prototyp  des  späteren, 
bisher  unerklärten  Symbols  >^sy  vor  uns  haben.  Es  stellt  dieses 
demnach  ein  Boot  mit  niedergelegter  Takelage  vor.  Franz  v.  Calice. 

Die  endgültige  Lesung  für  den  Namen  der  Überschwemmungs- 
jahreszeit.  —  Als  ich  in  dieser  Zeitschrift  (38,  103)  zeigte,  daß  der  Name 
der  Uberschwemmungsjahreszeit  den  Konsonanten  ®  k  enthielt,  und  vermutete, 
daß  er  mit  dem  Verbum  -Jf)  0  ¥  w!hj  oder  (1  ¥\®  TtTtT  ifhj  zusammenhängen 
werde,  ahnte  ich  nicht,  wie  bald  sich  diese  Vermutung  bestätigen  sollte.  In 
den  von  Fräser  kürzlich  veröffentlichten  und  von  Maspero  besprochenen  merk- 
würdigen Grabinschriften  von  Tehne  (Ann.  du  serv.  III,  122  ff.)  finden  sich  zwei- 
mal wiederholt  die  Namen  der  drei  Jahreszeiten  des  ägyptischen  Kalenderjahres. 
Während  dabei  nun  die  beiden  letzten  in  ihrer  gewöhnlichen  Schreibung  <=> 

I— TT— 1  0 

un(i  %%£  >  nach  der  Sitte  der  Zeit  ohne  Deutzeichen,  erscheinen,  zeigt  der  Name 

AAAAAA 

der  ersten  Jahreszeit  vor  dem  Ideogramm  der  Überschwemmung  JcTtT ,  mit  dem 
er  sonst  zu  beginnen  pflegt,  noch  ein  v\:  "v\  TtTtT  l.  Er  ist  also  augen- 
scheinlich, wie  ich  bereits  als  möglich  in  Betracht  gezogen  habe,  fy-t  (ohne 
den  ersten  Radikal  \\   oder  ^\ )  zu  lesen. 

Eine  andere  Variante,  die  auf  dieselbe  Lesung  hinführt,  findet  sich  auf 
dem  Ostrakon  Leiden  J  429  (Leemanns,  Monum.  II  228,  1).  Dort  liest  man  in 
hieratischer  Schrift  des  a.  R.   das  folgende  Datum: 


»Jahr  des  zehnten  Males  der  Zählung.  Monat  3  der  Überschwemmungs- 
jahreszeit, Tag  24.« 

*)  Maspero  hat  das  V\  seltsamerweise  übersehen;  er  liest,  ohne  Rücksicht  darauf  und 
trotz  meiner  Feststellungen,  nach  wie  vor  shait. 

2)  Die  unregelmäßigen  Zeichenreste,  die  man  hinter  dem  T?UT  sieht,  werden,  nach  dem  mir 
von  Hrn.  Dr.  Boeser  freundlichst  angefertigten  Faksimile  zu  urteilen,  wohl  nur  zufällig  sein. 

Zeitschr.  f.  Ägypt.  Spr.,  41.  Band.     1904.  12 


90  Miscellen.  [41.  Band. 

In  der  seltsamen  Schreibung,  die  das  Wort  ih-t  hier  hat,  erkennt  man 
unschwer  ein  neues  Beispiel  für  die  von  Lacau  kürzlich  so  treffend  erklärten 
scheinbaren  Umstellungen  der  Zeichen,   die  Vögel  darstellen.  Sethe. 

Prisse  2,  6.  —  Welche  Stellung  der  alte  Ägypter  beim  Lesen  einnahm, 
kann  uns  nicht  zweifelhaft  sein,  er  setzte  sich  hin  mit  untergeschlagenen  Beinen, 
wie  der  bekannte  Schreiber  im  Louvre,  und  legte  das  Buch  so  auf  seinen  Schoß, 
daß  die  Unterkante  desselben  auf  den  Leib  gestützt  war.  Diese  Stellung  des 
Buches   wird   es   sein,    die    durch  - — flY  ausgedrückt  wurde,    das   uns   aus 

Prisse   2 ,  6   bekannt  ist. 

Die  Kinder  eines  Weisen  haben  von  ihm  ein  Buch  erhalten,  -^»    (j    R 

(WW\A    Aft/WVA    I       I        I        I 

"f ü  fl    *?       *  n  ^aaaa  Ä«    I)    n         y  c  ^  o  gß  Fl  o    »da   legten  sie   es   auf  ihren 

r\         |      O     I        C^L     IUI  /WW\A    AAAAAA    I       I         I        I       I       V  3  C— 1'    I 

Schoß  und  lasen  es«. 

Hierauf  hinzuweisen  schien  deshalb  nicht  überflüssig,  weil  eine  richtige  Über- 
setzung der  Stelle  bisher  nicht  gegeben  ist.  H.  Schack-Schackenburg. 

Zu  Papyrus  Westcar  XI,  8.  —  Die  Stelle  Westcar  XI,  8  umschreibt 
Erman  so:  "      mja^/wwva  ^    1  "v\  <cr>  ?     (  v\    Vi      und  übersetzt  S.  65 

des  Kommentars:    »Damit  Ihr  sie  Euch  zum  Lohn nehmt.«     In  »r  nmu«- 

vermutet  er  dann  mit  Recht  den  Ort,  wohin  die  Gerste  gebracht  werden  soll. 

Vergleicht  man  das  Faksimile,  so  ergibt  sich  zunächst,  daß  das  von  Erman 
O  umschriebene  Determinativ  eine  höchst  ungewöhnliche  Form  hat  (vgl.  XI,  5 

Auf  dem   Original   4  *J    ♦  3  3 

steds  gütig  übermittelter  Zeichnung  wiedergegeben  wird,  ist  der  Unterschied 
noch  deutlicher.  Mir  fielen  bei  der  WESTCARstelle  schon  vor  Jahren  die  Worte 
der  Statistischen  Tafel  Thutmosis'  III.   (Zeile  5;  Kommentar  S.16   meiner  Aus- 

gäbe)  ein :   es  wurden  ihre  Weine  gefunden  in  ihren    (  v\    v\ .    i ,  was   ich   als 

»Becken«,  »Behälter«,  erklärt  habe.  Die  WESTCARstelle  hieße  also  »damit  Ihr 
sie  Euch  zum  Lohn  zu  den  Behältern  nehmt«,  wo  das  Getreide  aufbewahrt  wurde. 
Wie  freilich  zu  umschreiben  ist,  weiß  ich  nicht.  Am  ähnlichsten  will  mir  noch 
das  Determinativ  ü  hinter  ö       und  c       ,  VI,  18 ff.,    erscheinen,  wenn  auch  nie- 

A   Cl  H 

mals  der  Kreis,  wie  in  unserem  Fall,  geschlossen  zu  sein  scheint.        v.  Bissing. 

Zu  Sethes  Verbum  I,  §  357.  —  Ein  bisher  übersehenes1  Beispiel  der  von 
Sethe   a.a.O.    behandelten    »niphcal- artigen«    Reduplikationen   bietet   das  Wort 

/ww\a       . — ^.  ,, 

n-i    rr\  l /l  (Pianchi  14,  21  —  vgl.  ÄZ.  1887,  124,  wo  dasselbe  auch  schon  auf 


^Z^5 


das   hier  nach   Prof.  Brea- 


*)    Das  Verbum  figuriert,  nach  der  irrtümlichen  Angabe  ÄZ.  1891,  35  als    •  U  |~[]   zitiert,  bei 
Sethe  I,  §  338,  wo  es  hiernach  zu  streichen  ist. 


1904.]  Miscellen.  91 

den  Stamm  hd  zurückgeführt  wird).  Es  ist  offenbar  aus  r— .  <=f^>  '  u  \_j]  ver- 
stümmelt, was  zur  Analogie  von  Rkotk  (Sethe  II,  §  687)  vorzüglich  stimmt  und 
eine  Vokalisation  *mhodhe(d)  annehmen  läßt.  Das  Wort  dürfte  übrigens  bei  Pianchi 
der  lebenden  Sprache  entnommen  und  keine  gelehrt-altägyptische  Reminiszenz  sein, 
da  im  letzteren  Falle  der  Auslaut  wohl  erhalten  geblieben  wäre.  v.  Calice. 

Ägyptische  Flüssigkeitsmaße.  —  Im  Koptischen  begegnet  uns  öfters 
(s.  z.  B.  Zoega,  Apophthegmata  patrum  Aegyptiorum  p.  291)  ein  Weinmaß, 
Namens  «vielem  (rmpn),  das  bisher,  soviel  ich  weiß,  eine  Erklärung  nicht  ge- 
funden hat.  Da  es  in  alter  koptischer  Literatur  belegt  ist,  so  darf  man  an- 
nehmen, daß  wir  es  hier  mit  einem  Maße  zu  tun  haben,  das  im  hellenistischen 
Ägypten  gebräuchlich  gewesen  ist.  Damals  sind  nun,  wie  Wilcken  (Ostraka  I, 
S.  764 ff.)  zuerst  nachgewiesen  hat,  vielfach  Flüssigkeitsmaße  im  Gebrauch  ge- 
wesen, die  nach  Städten  und  ähnlichem  ihren  Namen  führten  (s.  z.  B.  KoAo- 
(p'Jviovy  ePe<W,  Kvßiov,  'Atticv  usw.).  Der  Anklang  des  Wortes  c&.i^.icm  an  den 
Namen  der  alten  ägyptischen  Stadt  Sais  legt  die  Vermutung  nahe,  daß  es  sich 
auch  hier  um  ein  derartiges  Maß  handelt  und  daß  man  c^i-xio«  als  das  »Wein- 
maß von  Sais«  zu  deuten  habe.  Diese  Vermutung  wird  aufs  beste  dadurch 
bestätigt,  daß  sich  aus  dem  Griechischen  ein  in  Ägypten  im  4.  Jahrhundert 
n.  Chr.  übliches  Weinmaß  (s.  Palladius,  Historia  Lausiaca  c.  22)  nachweisen 
läßt,  das  als  Xatnov  bzw.  als  Zccityis  bezeichnet  worden  ist1;  die  Erklärung 
dieses  als  das  »saitische  Maß«  wird  durch  die  angeführten  ähnlichen  griechi- 
schen Maße  gesichert. 

Hultsch  (Griechische  und  römische  Metrologie2  S.  542)  hat  allerdings  den 
XctiTYig  auf  Grund  der  Angaben  des  Epiphanius  als  ein  thebanisches  Maß  ge- 
deutet, ohne  den  Namen  selbst  zu  erklären;  seine  Auffassung  der  Epiphanius- 
stelle  ist  jedoch  verfehlt.  In  dem  betreffenden  Abschnitt  handelt  Epiphanius 
von  orientalischen,  vornehmlich  von  ägyptischen  Maßen;  so  spricht  er  auch 
von  dem  alexandrinischen  £eGT*js  und  fährt  dann  fort:  anropavyia,  $e  7rotpoi  fxövoig 
Qvißocioig  fj-erpeiTar  %fM<rv  yotp  rov  (Tciitov  etrriv  ktX.     In  dem  hier  genannten  Theben 

—  das  ixovoi  des  Textes  des  Epiphanius  verbindet  es  eng  mit  dem  vorher  ge- 
nannten Alexandrien  —  hat  man  eben  nicht  das  böotische,  sondern  das  ägyp- 
tische zu  sehen:  mithin  ist  das  oiTropcvfAot,  ebenso  wie  der  %ourv\g  als  ein  ägypti- 
sches Maß2  zu  fassen.  Der  Xcrfrvp  ist  nach  der  Angabe  des  Epiphanius  ein 
Maß  von  22  Je'orou,  d.  h.  römischen  Sextarien  (=  12,04  Liter),  das  otTroppvfxet, 
halb  so  groß  gewesen3. 

l)  Die  Belege  bei  du  Cange,  Glossar,  med.  et  infim.  Graec.  sub  vocibus,  s.  außerdem 
Epiphanius,  De  mens,  et  pond.  in  MetroL  scriptores  ed.  Hultsch  I  p.  264,  3  und  278,7;  die  Form 
XdiTtcv  ist  uns  durch  den  Bischof  Johannes  von  Carpathus  für  das  8.  Jahrhundert  n.  Chr.  bezeugt. 

—  2)  Als  ägyptisches  Maß  wird  uns  der  Saites  auch  durch  die  griechischen  Apophthegm.  patr.  de 
Poimene  Nr.  4  belegt.  —  .*)  Nachträglich  finde  ich,  daß  auch  im  Stephanus,  Thesaurus  s.  v.  cmoyniyM 
allerdings  ohne  nähere  Begründung  das  airo^/jux  als  ägyptisches  Maß  gedeutet  ist.  Einen  Grund 
für  die  eigenartige  Benennung  dieses  Maßes  vermag  ich  nicht  anzugeben. 

12* 


92  Miscellen.  [41.  Band. 

Bei  der  Angabe  der  Größe  des  Saites  spricht  Epiphanius  von  dem  dX^ivog 
Xölitv\q.  Schon  diese  Ausdrucksweise  legt  es  nahe,  daß  neben  ihm  noch  eine 
andere  Form  des  saitischen  Maßes  bestanden  hat.  In  der  Tat  läßt  sich  auch 
ein  vypo<Tot'iTYi<;  nachweisen,  d.  h.  neben  dem  saitischen  Weinmaß  hat  noch  ein 
besonderes  allgemeines  Flüssigkeitsmaß  von  Sais  bestanden;  es  hat  50  ^sgtcu 
gefaßt1.  Ganz  bemerkenswert  ist  es,  daß  als  die  Hälfte  des  vypcxroiiTYis  das 
xöXXaSov  bezeichnet  wird2;  eine  griechische  Urkunde  des  Berliner  Museums  aus 
byzantinischer  Zeit  (B.  G.  U.  II  377,  3  und  4:  xcX?f  =  ^oAA[^]S-[ov])  und  kop- 
tische Urkunden  hatten  uns  schon  gezeigt,  daß  dieses  ursprünglich  syrische 
Maß  auch  in  Ägypten  gebraucht  worden  ist  (s.  RoW^eion,  Ro\X^ei,  Ro^es, 
KoX^^e^,   koit?V.ä.^€)3.  Walter  Otto. 

TT     (p    (3  /www  t=£ 

Die  Landschaft  J^-  »~™  .  @ .  —  Als  Nachtrag  zu  meinem  in  der 
ÄZ.  40,  S.  101  ff.  abgedruckten  Brief,  möchte  ich  die  Aufmerksamkeit  auf  eine 
Pariser  Stele   lenken,    die,  wenn   auch   nicht  die  Lage  der  Landschaft  J~L 

.  ©  des  großen  Papyrus  Harris  ,  so  wenigstens  die  in  derselben  verehr- 
ten Gottheiten  zu  bestimmen  erlaubt.  Ich  meine  die  Stele  C  121  des  Louvre, 
die  de  Rouge  in  seinem  Kataloge  (Ausgabe  von  1872)  folgendermaßen  be- 
schreibt : 

»121.  —  Stele   en   granit   noir.    —   Haut.  0,40.   —  Larg.  0,32. 

Un  roi,  dont  le  cartouches  n'ont  point  ete  graves,  fait  offrande  de  la  deesse 
Ma  (la  Justice)  a  la  triade  thebaine,  composee  d' Ammon-ra,  de  la  grande  mere 
Maut  et  de  Khons,  lern*  enfant. « 

Die  den  drei  sitzenden  Gottheiten  und  dem  König  (wohl  einem  Ptolemäer) 
beigegebenen  Inschriften  lauten  wie  folgt4: 


AWAAA 
/WVW\ 


1)  Über  dieses  Maß  s.  Euchologion  ed.  J.  Goar  (Paris  1647),  p.  833.  Auch  das  Etymologium 
Gudianum  s.  v.  tutov  nennt  es;  man  muß  hier  allerdings  tutov  in  tui'tiov  emendieren  (bzw.  tuItiov  in 
die  Lücke  des  sehr  korrupten  Textes  einfügen).  Die  Maßangaben  stimmen  durchaus  zu  dem  stiti- 
schen  Maß,  und  ferner  zeigt  der  in  Glosse  sich  nach  diesen  Maßangaben  findende  Ausdruck  'xctt 
«AXoy?«,  mit  dem  das  nun  folgende  hebräische  Trockenmaß  tutov  eingeleitet  wird,  daß  im  vor- 
hergehenden von  etwas  anderem  die  Rede  war.  Die  Emendation  wird  auch  dadurch  gesichert, 
daß  im  Etymologium  Gudianum  s.  v.  u7roovßu,  in  gleicher  Weise  tuitiov  in  tutov  verderbt  ist; 
vgl.  hierzu  auch  die  ähnliche  Verderbnis  in  Metrol.  scriptores  ed.  Hultsch  II,  p.  103,  8  ff .  (vgl. 
zu  dieser  Stelle  I,  p.  261,  16,  wo  ausdrücklich  für  das  hebräische  tutov  das  neutrale  Geschlecht 
angegeben  wird,  während  p.103,  8ff.  das  Maskulinum  steht).  Hultsch,  Metrologie2,  S.587,  der  die 
Angaben  des  Euchologions  nicht  berücksichtigt  hat,  hat  fälschlich  ein  vyoov  tutov  konstruiert, 
wobei  er  annehmen  muß,  daß  das  sonst  stets  als  Getreidemaß  gebrauchte  tutov  zu  einem  Flüssig- 
keitsmaß von  ganz  anderer  Größe  geworden  ist! 

2)  Siehe  a.a.O.  des  Euchologions;  hiernach  ist  Metrol.  script.  ed.  Hultsch  I,  p.  264,  21,22 
zu  berichtigen.  —  3)  Belege  in  Mitteil,  aus  der  Samml.  d.  Pap.  Erzh.  Rainer  V,  S.  32;  bei  Crum, 
Coptic  manuscripts  brought  from  the  Fayyum  S.  81;  Corpus  Papyr.  Raineri  II,  1  Nr.  CCXXXIV. 
Siehe  auch  Wilcken,  Ostraka  I  S.764.  —  4)  Im  Original  sind  die  Inschriften  über  dem  Könige 
von  links  nach  rechts  und  die  über  den  Gottheiten  von  rechts  nach  links  zu  lesen. 


1904.] 


Miscellen. 


93 


§Os     Q,   O      ü 


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Der  König,  mit  dem  Königssehurz  bekleidet,  trägt  die  Doppelkrone  auf 
dem  Haupte.  Amon-Re  hat  die  zwei  langen  Federn,  Maut  die  Doppelkrone 
und  Honsu  den  aus   drei  Ate/-  Kronen  bestehenden  Kopfschmuck. 

Leider  ist  nichts  über  den  Fundort  der  Stele  bekannt,  da  sie,  wie  mir 
Hr.  Bexedite  in  Paris  gütigst  mitteilte,  durch  Ankauf  ins  Louvremuseum  ge- 
langt   ist.  W.   GOLENISCHEEF. 

Gurob  and  Dendereh.  —  As  it  is  assumed  (ÄZ.  XL,  105  and  106)  that  I 
have  made  a  mistake  in  spelling  these  names,  allow  me  to  say  that  when  at 
Gurob  recently  I  inquired  particularly  about  the  sound  of  the  name.  There  is 
no  doubt  that  the  raven  is  locally  pronounced  Gurob,  and  when  I  asked  if  it 
was  not  Ghorab  I  was  told  no,  it  was  Gurob.  This  local  pronounciation  is  im- 
portant,  as  it  might  the  more  easily  be  confounded  with  Karobana.  Again. 
regarding  Dendereh,  I  carefully  adopted  that  spelling  in  order  to  point  clearly 
that  the  final  letter  was  not  aleph  but  he:  and  the  local  sound  of  the  name 
agrees  to  this. 

It  is  very  desirable  not  to  let  theory  obliterate  facts.  And  in  the  great 
collection  of  place-names  in  the  Egyptian  Survey  I  am  glad  to  say  that  the 
exact  local  sound  of  names  is  recorded,  rather  than  the  official  spelling  which 
is  often  wrong.  W.  M.  Flinders  Petrie. 

Zu  dem  Nildatum  Sabatakas  (ÄZ.  40,  124f.).  —  Bei  der  Umsetzung 
der  julianischen  Daten  in  gregorianische  auf  S.  125  habe  ich  einen  elementaren 
Fehler  begangen ,  vor  dem  ich  selbst  Anfänger  oft  genug  gewarnt  habe.  Der 
16.  Oktober  jul.  700  v.  Chr.  ist  natürlich  =  8.  Oktober  greg.,  der  19.  Oktober  jul. 
=  11.  Oktober  greg.    Wieviel  besser  das  paßt,  bedarf  keiner  Ausführung. 

Eduard  3Ieyer. 


94  Erschienene  Schriften.  [41.  Band. 


Erschienene  Schriften. 

Ägyptische  Grabsteine  und  Denksteine  aus  süddeutschen  Sammlungen.  Herausgegeben  von 
Willi.  Spiegelberg.  II.  München.  Bearbeitet  von  DD.  Privatdozent  K.  Dyroff  und  Divisions- 
pfarrer H.  Poertner.    4.  VII  und  33  SS.    Mit  38  Abb.  auf  25  Lichtdrucktafeln.    Straßburg  1904. 

Ägyptische  Inschriften  aus  den  Königlichen  Museen  zu  Berlin.  Herausgegeben  von  der 
Generalverwaltung.     III.    Inschriften  des  Mittleren  Reichs.    4.    S.  137 — 209.     Leipzig  1904. 

Ägyptische  Urkunden  aus  den  Königlichen  Museen  zu  Berlin.  Herausgegeben  von  der  General- 
verwaltung. Koptische  Urkunden.  Erster  Band,  fünftes  Heft.  4.  S.  131 — 162  (Literarische 
Fragmente).     Berlin  1904. 

Lady  Amherst  of  Hackney,  A  Sketch  of  Egyptian  history  from  the  earliest  times  to  the  present 
day.     Mit  Abbildungen  und  Karten.     8.    XP7  und  474  SS.     London  1904. 

P.  J.  Bales tri,  Sacrorum  Bibliorum  fragmenta  Copto-Sahidica  Musei  Borgiani.  Vol.  III.  Novum 
Testamentum.     4.    LXVIII,  509  SS.,  40  Taff.     Rom  1904. 

Georges  Benedite,  Un  Guerrier  Libyen ;  figurine  egyptienne  en  bronze  incruste  d'argent,  con- 
servee  au  Musee  du  Louvre  (Monuments  et  Memoires  publies  par  l'Academie  des  Iuscriptions 
et  Beiles  -Lettres.    Tome  IX,  IP).     Paris  1903. 

,  Une  nouvelle  Palette  en  Schiste  (ebenda,  Tome  X,  IIe).     Paris  1904. 

—  — ,  Une  nouvelle  representation  d'Horus  Legionnaire  (Revue  archeologique  1904,  I,  p.  111 — 118). 
F.  W.  von  Bissing,    Geschichte  Ägyptens   im   Umriß   von   den   ältesten   Zeiten   bis   auf  die   Er- 
oberung durch  die  Araber.     8.    VIII  und  188  SS.     Berlin  1904. 

Ludwig  Borchardt,   Ausgrabungen    der    Deutschen    Orient -Gesellschaft   bei   Abusir   im   Winter 

1903/4.    8.    26  SS.  (Mitteilungen  der  D.  O.  G.  Nr.  24.    September  1904). 
Jean  Capart,    Les  Debüts    de  l'Art    en  Egypte  (Wiederabdruck   aus   den  Annales   de   la  Societe 

d'Archeologie  de  Bruxelles,  tome  XVII  1903  und  tome  XVIII  1904).    8.    316  SS.  mit  191  Abb. 

Brüssel  1904. 
Catalogue  General  des  Antiquites  Egyptiennes  du  Musee  du  Caire.    Vol.  XII.    Nos  7001 — 7394 

und  8742  —  9200.    Koptische  Kunst  von  Josef  Strzygowski.    4.    XXIV  und  362  SS.,  40  Taff. 

Wien  1904. 
,  Vol.  XIV.   Nos  28079  —  28086.     Sarcophages  anterieures   au  Nouvel  Empire   par  M.Pierre 

Lacau.     2^me  fasc.    4.    S.  169  — 238;  Taf.  31— 57.     Cairo  1904. 
Catalogus  van    het  Rijksmuseum  van    oudheden    te  Leiden.     Egyptische  Afdeeling.     le  deel.    8. 

8  und  75  SS.    1904. 
W.  E.  Cr  Tim,    Inscriptions   from   Shenoute's   Monastary    (Journal   of  Theological   Studies   Vol.  V 

p.  552  — 569). 

—  — ,  A  study  in  the  history  of  Egyptian  Monasticism  (Besprechung  von  Leipoldts  Schenute  von 

Atripe;  Journal  of  Theological  Studies  Vol.  V  p.  129 — 133). 

N.  de  G.  Davies,  The  rock  tombs  of  El  Amarna.  Part  I.  —  The  tomb  of  Meryra  (Archaeological 
Survey  of  Egypt,  edited  by  F.  LI.  Griffith.  13*  Memoir).  4.  VIII  und  56  SS.,  42  Taff. 
London  1903. 

Theodore  M.  Davis'  Excavations:  Bibän  el  Molük.  The  tomb  of  Thoutmosis  IV,  by  Howard 
Carter  and  Percy  E.  Newberry;  with  an  essay  on  the  king's  life  and  monuments  by  Gaston 
Maspero,  and  a  paper  on  the  physical  characters  of  the  mummy  of  Thoutmosis  IV,  by  G.  Elliot 
Smith.    4.    XLV,  150  SS.,  28  (30)  Taff.  und  vielen  Textabb.    Westminster  1904. 

Adolf  Erman.  Ägyptische  Chrestomathie  zum  Gebrauch  auf  Universitäten  und  zum  Selbstunter- 
richt (Porta  linguarum  orientalium  Pars  XIX).     8.    XXII,   156  und  78  SS.     Berlin  1904. 

—  — ,  Ägyptisches  Glossar.    Die  häufigen  Worte  der  ägyptischen  Sprache.     8.    VIII  und  160  SS. 

Berlin  1904. 

,   Die   Sphinxstele   (aus   Sitzungsber.  d.  Kgl.  Preuß.  Akad.  d.  Wiss.   1904.    XI).     8.     17  SS. 

Berlin   1904. 

—  — ,  Ein  neues  Denkmal  von  der  großen  Sphinx  (ebenda).     2  SS.     Berlin  1904. 


1904.]  Erschienene  Schriften.  95 

F.  LI.  Griffith  and  Herbert  Thompson,  The  Demotic  Magical  Papyrus  of  London  and  Leiden. 

8.    VIII,  205  SS.      London  1904. 
H.  R.  Hall,  Greek  Ostraka  in  the  British  Museum,  including  a  Ptolemaic  Fragment  of  the  Phoe- 

nissae  (Classical  Review,  vol.  18,  No.  1.  February  1904).  —  Mit  Bemerkungen  über  die  griechische 

Wiedergabe  einiger  ägyptischer  Personennamen.    • 
—  — ,  Discovery   of  an  XIth  Dynasty  Temple   at  Deir  el-Bahari,  Egypt  (Man,   1904  No.  43,  mit 

1  Taf.). 
Alfred    Jeremias,    Das    Alte  Testament   im  Lichte   des    alten    Orients.     Handbuch   zur  biblisch- 
orientalischen Altertumskunde.     8.    XIV,  383  SS.  mit  145  Abb.  und  2  Karten.    Leipzig  1904. 
Dr.  Alfred  Koeppen    und   Carl  Breuer,    Geschichte   des   Möbels    unter   Berücksichtigung   der 

architektonischen  und  tektonischen  Formen.    4.    VIII  und  309  SS.,  423  Abb.    Berlin  und  New 

York  1904.   —   Darin  S.  47 — 83:  Das  Mobiliar  der  alten  Ägypter. 
J.  Krall,  Ausführliche  Besprechung  von  W.  Spiegelberg's  Demotischen  Papyrus   aus  den  Königl. 

Museen    zu    Berlin    (Leipzig  1902)    in    der    »Wiener   Zeitschr.    für   d.  Kunde   d.  Morgenlands« 

Band  XVIII. 
Johannes    Leipoldt,    Saudische    Auszüge   aus   dem    8.  Buche    der   Apostolischen    Konstitutionen 

(Texte  und  Untersuchungen  zur  Geschichte  der  altchristlichen  Literatur.     Herausgegeben  von 

v.  Gebhardt  und  Harnack.     Neue  Folge,  XL  Band,  Heft  lb).     8.    61  SS.     Leipzig  1904. 

G.  Lindau,  Über  das  Vorkommen  des  Pilzes  des  Taumellolchs  in  altägyptischen  Samen  (Sitzungs- 

ber.  d.  Kgl.  Preuß.  Akad.  d.  Wiss.    1904.    XXXV). 
G.  Maspero,    Histoire   ancienne   des   Peuples   de   l'Orient.     6.  völlig   umgearbeitete   Auflage.     8. 

912  SS.  mit  175  Abb.,  3  Karten  usw.     Paris  1904. 
W.  Max  Müller,    Neue  Darstellungen   »mykenischer«   Gesandter  und  phönizischer  Schiffe  in  alt- 
ägyptischen Wandgemälden  (Mitteilungen  der  Vorderasiatischen  Gesellschaft  1904.  2).   8.   68  SS. 

und  5  TafF. 
W.  L.  Nash,   A  General  Index   to    the  Transactions   of  the    Society    of  Biblical  Archaeology.     8. 

208  SS.     London  (Offices  of  the  Society)  1903. 
Percy  E.  Newberry  and  John  Garstang,  A  short  History  of  Ancient  Egypt.    8.    111  SS.  mit 

4  Karten.     London  1904. 
Oskar  Nuoffer,    Der   Rennwagen    im    Altertum.      Erster   Teil.      Leipziger   Inauguraldissertation. 

1904.  —  S.  10 — 30:  Ägypten  und  Syrien  nach  den  ägyptischen  Denkmälern  des  neuen  Reiches. 
Charles  Palanque,    Le  Nil  ä  l'epoque   pharaonique,   son  role  et  sont  culte  en  Egypte    (Biblio- 

theque  de  l'ecole  des  hautes  etudes,  sciences  historiques  et  philologiques,  fasc.  144).    8.    XIV, 

132  SS.     Paris  1903. 
W.  M.  Flinders  Petrie,   Methods  and  aims  in  archaeology.    8.    XVII  und  208  SS.  mit  66  Abb. 

London  1904. 
E.  Revillout,   Le  premier  et   le   dernier  des   moralistes   de  l'ancienne  Egypte  (Bessarione  1904, 

Heft  79). 
Günther  Roeder,   Die   Präposition  r  in    der   Entwicklung   der   ägyptischen   Sprache.     Berliner 

Inauguraldissertation.     4.    50  SS.     1904. 
Heinrich  Schäfer,  Die  Lieder  eines  ägyptischen  Bauern;  gesammelt  und  übersetzt.    8.    149  SS. 

mit   Abbildungen.      Leipzig   1903.  —  Dasselbe    auch    in   englischer  Übersetzung    von   Francis 

Hart  Breasted  unter  dem  Titel:    Songs  of  an  Egyptian  Peasant.     Leipzig  1904. 
,  Die  Auswanderung  der  Krieger  unter  Psammetich  I.  und  der  Söldneraufstand  in  Elephantine 

unter  Apries  (Beiträge  zur  alten  Geschichte,  herausgegeben  von  Lehmann  u.  Kornemann  Bd.  IV 

Heft  2). 
,   Die  Mysterien  des  Osiris  in  Abydos  unter  König  Sesostris  III.     Nach  dem  Denkstein  des 

Oberschatzmeisters  I-cher-nofret   im   Berliner  Museum   (Untersuchungen   zur  Geschichte   und 

Altertumskunde  Ägyptens,   herausgegeben   von   Kurt  Sethe,  IV  2).    4.    IV  und  42  SS.,   mit 

einer  Doppeltafel.     Leipzig  1904. 
—  — ,  Wissenschaftlicher   Jahresbericht   über   die   Ägyptologie   in   der   Zeitschrift   der   Deutschen 

Morgenländischen  Gesellschaft.    Bd.  58.     Leipzig  1904. 


96  Erschienene  Schriften.  [41.  Band.   1904.] 

Wilhelm  Schencke,  Amon-Re.  En  Studie  over  forholdet  mellem  enhed  og  mangfoldighed  under 
udviklingen  af  det  aegyptiske  gudsbegreb.     4.    367  SS.     Christiania  1904. 

Carl  Schmidt,  Acta  Pauli.  Aus  der  Heidelberger  koptischen  Papyrushandschrift  Nr.  1  herausge- 
geben. Übersetzung,  Untersuchungen  und  koptischer  Text.  Quartband  XII  S.  und  40  doppel- 
seitige Lichtdrucktafeln.     Oktavband  VIII,  240  und  80  SS.     Leipzig  1904. 

G.  Schweinfurth,  Steinzeitliche  Forschungen  in  Oberägypten  (Zeitschrift  für  Ethnologie  1903, 
Heft  5  S.  798  — 822,  Taf.  XIII  und  XIV). 

,  Ägyptische  Tierbilder  als  Kieselartefakte  (Umschau  VH  Nr.  41). 

Kurt  Sethe,  Hieroglyphische  Urkunden  der  griechisch-römischen  Zeit  I.  und  H.  (Urkunden  des 
ägyptischen  Altertums,  herausgegeben  von  Georg  Steindorff.  Zweiter  Band  Heft  I.  und  II). 
8.    158  SS.     Leipzig  1904. 

Wilhelm  Spiegelberg,  Der  Aufenthalt  Israels  in  Ägypten  im  Lichte  der  ägyptischen  Monu- 
mente.    8.    55  SS.  mit  12  Abb.     Straßburg   1904. 

Georg  Steindorff,  Koptische  Grammatik  mit  Chrestomathie,  Wörterverzeichnis  und  Literatur 
(Porta  Linguarum  orientalium  Pars  XIV).  2.  gänzlich  umgearbeitete  Auflage.  8.  XX,  242 
und  104  SS.     Berlin  1904. 

—  — ,  Eine  archäologische  Reise  durch  die  Libysche  Wüste  zur  Amonsoase  Siwe.    Mit  einer  Karte 

von  Dr.  B.  Hassenstein  (Petermanns  Geogr.  Mitteilungen  1904,  Heft  VIII). 
Friedrich  Vogelsang,   Die  Klagen   des  Bauern   (aus  Papyrus  3023  und  3025  der  Königlichen 

Museen  zu  Berlin).     Berliner  Inauguraldissertation.    4.    36  SS.  autogr.    1904. 
Raymond  Weill,    Le  vase  de  Phaestos,    un    document   de   Fhistoire  du    monde  creto  -  asianique 

(Revue  archeologique  1904  I  p.  52 — 73). 
,  Recueil  des  Inscriptions  Egyptiennes  du  Sinai".    Bibliographie,  Texte,  Traduction  et  Commen- 

taire.     Premiere  Partie:  Geographie,  Histoire,  Bibliographie.    4.    96  SS.     Paris  1904. 
A.Wiedemann,  Die  Rassen  im  alten  Ägypten  (Umschau  VIII,  Nr.  4  und  5). 

—  — ,  Ägyptische  Religion  (Bericht  im  »Archiv  für  Religionswissenschaft«  Band  VII  S.  471 — 486). 

Leipzig  1904. 
Ulrich  Wilcken,  Sarapis  und  Osiris-Apis  (Archiv  für  Papyrusforschung  III,  2,  S.  249  —  251). 
Walter  Wreszinski,   Die  Hohenpriester  des  Amon.     Berliner  Inauguraldissertation.     4.    62  SS. 

(nebst  einem  Nachtrag  von  5  SS.)  1904. 


Leipzig,  J.  C.  Hinrichs'sche  Buchhandlung.  —  Verantwortl.  Redakteur  Prof.  Dr.  G.  Steindorff,  Leipzig,  Waldstr.  52. 

Berlin,  gedruckt  in  der  Reichsdruckerei. 


E.  Meyer:    Ent Wickelung  d.  Kulte  v.  Abydoa  u.  d.  Schakalsgötter.     [41.  Band.  1904.]        97 


Die  Entwickelung  der  Kulte  von  Abydos  und  die  sogenannten 

Schakalsgötter. 

Von  Eduard  Meyer. 
Mit  4  Abbildungen. 


Im  Gegensatz  zu  der  früher  herrschenden  Auffassung,  zu  der  auch  ich  mich 
bisher  bekannt  habe,  welche  den  Ausgangspunkt  des  Osiriskultus  in  Abydos 
sucht,  hat  Maspero1  wiederholt  mit  vollem  Recht  hervorgehoben,  daß  seine  ur- 
sprüngliche Heimat  nur  das  Delta  gewesen  sein  kann.  Osiris  ist  der  Gott  von 
Busiris  (Dedu)2:  ,;^7n©^K  oder  fljffm "v\©  ist  ursprünglich  das  einzige  Epitheton, 

das  ihm  zusteht,  und  ist,  auch  als  dann  die  Beziehung  zu  Abydos  hinzutrat, 
noch  lange  das  erste  und  wichtigste  Beiwort  des  Gottes  geblieben. 

Masperos  These  ist  durch  die  Ergebnisse  der  Ausgrabungen  Petries  in 
Abydos  durchaus  bestätigt  worden.  Petrie  konstatiert  seine  »Überraschung,  daß 
Osiris  in  der  älteren  Geschichte  des  Tempels  nicht  mehr  hervortritt«  (Abydos  II, 
47);  in  den  aus  dem  Alten  Reich  stammenden  Funden  kommt  er  überhaupt 
nicht  vor.  Petrie  vermutet,  der  älteste  Gott  des  Tempels  sei  Upuaut  gewesen; 
seit  Dynastie  6  sei  dann  Chonti  Amentiu  der  Herr  des  Tem- 
pels geworden,  und  erst  seit  der  12.  Dynastie  werde  dieser 
mit  Osiris  verschmolzen. 

Diese  Annahmen  bedürfen  zwar,  wie  wir  sehen  werden, 
im  einzelnen  der  Berichtigung;  aber  der  Grundgedanke  ist 
richtig.  Das  entscheidende  Dokument  hat  Petrie  selbst  publi- 
ziert, aber  seltsamerweise  nicht  richtig  verstanden.  Es  ist 
das  beistehend  abgebildete  Bruchstück  eines  Tempelgefäßes 
aus  Kalkstein  aus  den  Kammern  des  ältesten  Tempels,  welches  in  der  schönen, 
sauber  eingeritzten  Schrift,  die  wir  von  den  besten  Exemplaren  der  Königsvasen 

*)  Etudes  de  mythologie  et  d'archeologie  egyptiennes  II,  S.10.  359  u.  a.  Ebenso  in  seiner 
Histoire  ancienne. 

2)  Masperos  Annahme,  daß  er  auch  nach  Mendes  (Dedet)  gehöre  und  der  Bock  von  Mendes 
eine  Gestalt  des  Osiris  sei,  kann  ich  nicht  für  richtig  halten  —  Dagegen  sucht  er  mit  Recht  die 
Heimat  der  Mythen  von  Isis  und  Horus  gleichfalls  im  Delta,  wenn  auch  Horus  in  Oberägypten 
ebensogut  heimisch  gewesen  ist  wie  im  Nordland. 

Zeitschr.  f.  Ägypt.  Spr.,  41.  Band.     1904.  13 


98  E.  Meter:    Entwickelung  d.  Kulte  v.  Abydos  u.  d.  Schakalsgötter.  [41.  Band. 

der  1.  Dynastie  kennen,  die  Aufschrift    (ffll  J^\   trägt1.      Daß  rffl^C^i  nur  eine 
archaische  Schreibung   des    im  Alten  Reich  gebräuchlichen   |$J)  *C\  2    Chonti 


£}       AAAWA 


Amentiu  ist,  bedarf  kaum  der  Bemerkung;  das  ist  also  der  offizielle  Name  des 
Gottes,  dem  der  Tempel  von  Abydos  (bei  Qöm  es  sultän)  unter  den  Thiniten 
gehörte.  Dieser  Gott  aber  wurde  verehrt  in  der  Gestalt,  die  sonst  dem  Anubis 
eignet  [nicht  dem  Upuaut,  wie  Petrie  meint],  der  eines  liegenden  sogenannten 
Schakals.  Daraus  folgt  ohne  weiteres,  daß  der  Totengott  Chonti  Amentiu,  der 
«Erste  der  Bewohner  des  Westreichs«,  damals  noch  nicht  Osiris  gewesen  ist, 
sondern  dieser  in  dem  alten  Heiligtum  von  Abydos  ein  späterer  Eindringling 
ist.  Der  Tempel  des  Osiris  ist  in  Abydos  ebenso  sekundär  wie  sein  Grab;  beide 
haben  ursprünglich   einem  anderen  Herrn  gehört. 

Bekanntlich  stehen  im  alten  Ägypten  zwei  scharf  geschiedene  Typen  von 
»Schakal« -Göttern  nebeneinander,   der  stehende    q£\    Upuaut  und  der  liegende 

^— >  t  3^  u.  a.  Anubis.    Während  des  Alten  Reichs  werden  die  beiden  Typen 

nie  miteinander  vertauscht3,  und  auch  noch  im  Mittleren  Reich  herrscht  die 
korrekte  Scheidung  durchaus  vor,  z.  B.  in  den  Inschriften  von  Siut  bei  dem 
»Upuaut  von  Saiut«  und  dem  »Anubis  von  Rokereret«.  Dem  entspricht  in  der 
Pepipyramide  (I        <?   c±     »Anubis  auf  seinem  Bauch«  (Z.  534);  ferner  Teti  356 

=  Neferkere«:  176.  819  rD^—  N.  N.  ^"\  J^\  J^IP^lEj  >>derTote 
kommt  als  Schakal  des  Südens,  das  ist  Anubis  auf  seinem  Bauche«.  Wenn  es 
dagegen  Pepi  542  heißt  ^  V^g^pJ^]  l^^i^ff^IJJ 
»du  bist  ja  Upuaut,  bist  ja  der  auf  seinem  Gestell,  Anubis  in  der  Gotteshalle«, 
so  wird  der  Tote  hier  mit  den  beiden  verwandten  Göttern  identifiziert. 

Nun  kennen  die  Griechen  an  Stelle  des  Tieres,  das  wir  konventionell  Schakal 
nennen  und  das  von  den  Ägyptern  in  beiden  Fällen,  abgesehen  von  der  Stellung, 
völlig  gleich  gebildet  wird,  zwei  heilige  Tiere,  den  Wolf  und  den  Hund.  Der 
Hund  ist  nach  ihren  Angaben  das  Tier  des  Anubis  und  wird  speziell  im  kyno- 
politischen  Gau,  dem  von  den  Ägyptern  als  »Gau  des  Anubis«  bezeichneten 
17.  Oberägyptens,  verehrt4;   und  hier  haben  sich  bei  Schech  el  Fadl  denn  auch 


J)    Abydos  II,  pl.  12,278;  Text  S.  29.    Petrie  liest  den  Namen  »Khenti  men  Upuat« ;  darauf 
beruht  seine  Behauptung,   Upuat  sei  der  älteste  Herr  des  Tempels. 

2)    Auch  das  o  fehlt  mitunter;  das  anlautende  (1  wird  nur  selten  geschrieben;  daneben  findet 
sich  bekanntlich  (IMTW  V\  •     Bei  Unas  Z.  422  ist  noch   ßjjf)  geschrieben,  also  das  Suffix  -tiw 


d       AAAAAA 


ebenso  weggelassen,  wie  auf  unserer  Scherbe. 

s)  Diese  Tatsache,  die  jede  sorgfältige  Publikation  lehrt,  wird  durch  die  reichen  Samm- 
lungen des  Berliner  Wörterbuchs  bestätigt.  Auch  Pyr.  Merenre  781,  wo  in  Masperos  Ausgabe 
Upuaut  mit  dem  liegenden  Schakal  determiniert  ist,  hat  das  Original  den  stehenden  (mit  Uräus 
und  dem  wulstartigen  Aufsatz  an  dem  Gestell,  sowie  der  über  die  Tragstange  gelegten  Keule). 

4)    Strabo  XVII,    1,40   KvvSv  rrdXig,   Iv  r)   o  Avovßie  riuärat  xat  to<?   xvti  t«h>j  hui  ctititi?  te- 

TCCHTCtl    TIS    ISSU.       Iv    §2     TV)  TTSOCUU    'O^OSt/y^O?    7T0/.IQ  Hat  VOfAOS    OIJMVVUOQ.       Steph.   ByZ.   S.   V.   K.VVUUV  7TC?.«?. 


1904.]  E.Meyer:    Entwickelung  d.  Kulte  v.  Abydoa  u.  d.  Schakalsgötter.  99 

zahlreiche  Hundemumien  gefunden1.  Das  liegt  gegenüber  von  Oxyrynchos;  die 
Angabe  Plutarchs2,  daß  zu  seiner  Zeit  zwischen  beiden  Gauen  ein  förmlicher 
Krieg  ausgebrochen  sei,  weil  die  Oxyrynchiten ,  um  ihre  den  Oxyrynchosfisch 
essenden  Nachbarn  aus  Kynopolis  zu  ärgern,  mehrere  Hunde  einfingen,  opfer- 
ten und  verzehrten,  ist  also  völlig  korrekt.  Der  Kultus  des  Wolfs  hat  dagegen 
seinen  Sitz  im  lykopolitischen  Gau,  d.  h.  in  Siut3.  Danach  ist  klar,  daß  der 
stehende  »Schakal«  des  Upuaut  von  Siut  den  Wolf,  der  liegende  des  Anubis 
den  Hund  der  Griechen  darstellt.  Ich  glaube  nun  nicht,  daß,  wie  die  Neueren 
allgemein  annehmen,  die  Griechen  dasselbe  Tier  das  eine  Mal  für  einen  Hund, 
das  andere  Mal  für  einen  Wolf  erklärt  haben;  denn  in  solchen  Dingen  haben 
sie  sehr  sorgfältig  beobachtet,  und  ihre  Angaben  haben  sich  immer  als  stich- 
haltig erwiesen.  Auch  ist  es  ja  gar  nicht  denkbar,  daß  sie  nicht  gewußt 
haben  sollten,  welches  Tier  dem  allbekannten  und  überall  verehrten  Anubis 
heilig  war,  und  nie  nennen  sie  ihn  anders  als  Hund4,  und  oft  erwähnen 
sie,  daß,  der  Verbreitung  des  Anubiskults  entsprechend,  der  Hund  in  ganz 
Ägypten  heilig  war5,  während  die  Heiligkeit  des  Wolfs  auf  den  Lokalkult  von 
Siut  (Lykopolis)  beschränkt  ist.  Somit  ist  vielmehr  umgekehrt  anzunehmen, 
daß  die  Ägypter  in  der  bildlichen  Darstellung  die  beiden  verwandten  Tiere 
nicht  geschieden  haben,  obwohl  sie  im  Kultus  durchaus  geschieden  waren6: 
ihnen  genügte  die  äußerliche  Unterscheidung  durch  das  stehende  und  das  liegende 
Tier.  Und  nun  bedarf  es  kaum  der  Erwähnung,  wie  gut  die  liegende  Stellung 
zum  Hund,  die  stehende  zum  Wolf  paßt.  Ich  glaube  daher,  daß  wir  unbedenklich 
aufhören  können  von  einem  »Schakal«  zu  reden7,   sondern  zu  scheiden  haben: 


x)  Bädeker,  Ägypten5  198.  —  2)  De  Is.  72.  Entstellt  Aelian  hist.  anim.  XI,  27  Qrßaiot  o\ 
i\>  Aiyvnrw  ngcs  Pwucctovs  V7rsg  xvvos  tvo\sixyi<tcci  XtyovTctt.  —  3)  Strabo  XVII,  1,  40  tmwti  ...  7.vxov 
Avxc-rroXtTcct.  Plut.  de  Is.  72  \xovoi  AlyinrTtwv  Auxo7to?.?t«j  TvgcßaTov  itStiovitw ,  inet  tccei  "KuHog,  ov  9"sov 
vcuigovTtv.  Clem.  Alex,  protrept.  2 ,  39  Avxo7toXitcu  \vxov,  Kwo7ro?.7-cci  xvva.  —  4)  Z.B.  Apuieius 
met.  11,  11;  Lucian  vit.  auct.  16;    Firmicus  de  err.  prof.  rel.  2,  2  und  oft. 

5)  Z.B.  Herodot  II,  67;  Strabo  XVII,  1,40.  Daher  die  ätiologische  Erzählung,  Anubis, 
der  Sohn  des  Osiris  von  Nephthys,  sei  von  Isis  durch  Hunde  aufgespürt  und  dann  zu  ihrem 
Wächter  und  schützenden  Begleiter  aufgezogen  worden;  daher  werde  er  als  Hund  dargestellt 
(>.syqxsvou  to\j$  Ssovs  (p^ovosiv  wtttsq  o\  y.vvsg  tovs  uvSpümovs):  Plut.  de  Is.  14.  44;  Diodor  I,  87,  2 f. 
in  etwas  anderer  Fassung. 

6)  Das  hat  gar  nichts  Auffallendes.    So  vertritt  die  Wespe  XJkL  in  der  Schreibung  des  Wortes 

|^,Q   j     »Honig«   offenbar  die  Biene.    Noch  bezeichnender  ist,  daß  der  Bock  von  Mendes  immer 


mit  der  Hieroglyphe  des  Widders  ^^>  geschrieben  wird,  obwohl  er  zweifellos  ein  Ziegenbock 
Tgctyoq  war;  so  selbst  in  der  bildlichen  Darstellung  auf  der  Mendesstele  Mariexte,  Mon.  div.  43 
[wie  wenig  man  versucht  hat,  hier  wirklich  das  heilige  Tier  nachzubilden,  geht  daraus  hervor, 
daß  er  hier  vier  Hörner  hat,  die  beiden  nach  unten  gekrümmten  sogenannten  Ammonshörner  und 
die  beiden  sich  horizontal  windenden  des  Chnumu].  Die  einzige  bildliche  Darstellung,  welche 
wirklich    den  heiligen  Bock  nachbildet,  findet  sich  bei  Ledrain,  Mon.  eg.  de  la  bibl.  nation.  pl.  2; 

aber  die  Beischrift  lautet  auch  hier  ^>£3>  |  i j| 

Ml   \\  I  I  li@   III 

7)  Welcher  Spezies  das  dargestellte  Tier  zoologisch  angehört,  ist  eine  Frage  für  sich.  Es 
ist  sehr  wohl  möglich,  daß  die  Ägypter  den  Schakal  zu  den  Hunden  (oder  auch  zu  den  Wölfen) 
gerechnet  haben. 

13* 


V 


\ 


100  E.  Meter:    Entwickelung  d.  Kulte  v.  Abydos  u.  d.  Schakalsgötter.  [41.  Band. 

^a   =  Hund  =  Anubis, 
ojp^  =  Wolf  =  Upuaut. 

Von  hier  aus  fällt  noch  auf  einige  andere  bisher  nicht  verstandene  An- 
gaben der  Griechen  ein  helles  Licht.  Bei  Diodor  I,  18  erscheinen  die  beiden 
Götter  nebeneinander  als  Anubis  und  Makedon,  zwei  kriegerische  Söhne  des 
Osiris,  die  ihn  auf  seinen  Feldzügen  begleiten:  Anubis  setzt  sich  eine  Hunds- 
kappe (xwyJ)  auf,  Makedon  den  Vorderteil  eines  Wolfs  \  Es  ist  klar,  daß  Makedon 
nur  Upuaut  sein  kann;  wie  er  zu  seinem  seltsamen  Namen  gekommen  ist,  für 
den  mir  ein  weiterer  Beleg  nicht  bekannt  ist,  vermag  ich  nicht  zu  sagen.  Bei 
Diodor  I,  88,  6  kommt  Osiris  der  Isis  und  dem  Horus  im  Kampf  gegen  Typhon 
aus  dem  Hades  zu  Hilfe,  und  zwar  in  W^olfsgestalt ,  also  als  Upuaut;  daher 
wird  der  Wolf  verehrt2.  Nach  Herodot  II,  122  wird  beim  Isisfest  (das  an  den 
Besuch  des  Rhampsinit  im  Hades  und  sein  Würfelspiel  mit  Demeter  =  Isis  an- 
geknüpft wird)  ein  Priester,  der  den  der  Göttin  gewebten  Mantel  überbringen 
soll,  mit  verbundenen  Augen  auf  den  Weg  zum  Isistempel  geführt  und  allein 
gelassen:  alsdann,  so  erzählen  die  Ägypter,  «wird  er  von  zwei  Wölfen  in  das 
20  Stadien  von  der  Stadt  entfernte  Isis- (Demeter-) Heiligtum  geführt,  und  ebenso 
führen  die  W^ölfe  ihn  zurück « .  Das  sind  also  die  in  den  Inschriften  oft  erwähnten 
beiden  Upuaut,   die   »Pfadfuhrer«   des  Südens  und  des  Nordens. 

W^enn  wir  jetzt  das  aus  dem  Alten  Reich  erhaltene  Material  überblicken, 
so  werden  unsere  bisherigen  Ergebnisse  durchweg  bestätigt  und  ergänzt.  In 
den  Pyramideninschriften  erscheint  bekanntlich  der  Gott  Chonti  Amentiu  sehr 
oft;  aber  niemals  wird  er  mit  Osiris  identifiziert.  W^ohl  aber  erhält  er  Merenrec  166 
=  Neferkerec  654  das  Determinativ  des  liegenden  Hundes:  »in  deinem  Namen 
fW]       ^S\.I&=a.  «3,    genau  wie   auf  der  Vase  von  Abydos,   von   der   wir   ausge- 

gangen  sind.    Und  Unas  70 f.  =  N.  331    heißt  es:    »du  führst  seinen  Pfad  unter 
den  Geistern,    (daß  er)  dasteht  unter  den  Geistern  als  Anubis  Chonti  Amentiu 

(_ ol^^ry^^^^^  dieselbe  Formel  ^=a  is  hnti  imntiw  steht 

U.  288  =  T.  146  =  M.  199  =  N.  542,  und  T.  387  =  M.  403  gibt  Anubis  Chonti 
Amentiu  das  Totenopfer,   wie  sonst  (Pepi  82)   Anubis  ohne  Zusatz. 

Wie  in  den  Pyramidentexten  ist  Chonti  Amentiu  auch  in  den  Grabinschriften 
zunächst   ein   selbständiger  Gott.     Bekanntlich   ist  der  Gott,    der  zunächst  und 


1)  cti/.(port(}ovQ  de.  ry^QY}jmocT3,at  Toig  ImTyiixoTaroig  OTrXoig  coro  rtvwv  ^wwv  ovx  ecvotxetwv  ty\  tzs^i 
civtovs  svToXtMcc  tov  jxsu  yug  Xvovßtv  neatSzoS'ai  xvvvjv,  rou  8s  MctxeSovcc  Xvxov  tzqqto\xyiV  cctp  vjg 
a'iTictg  hui  tu  ^ou«  ravrcc  rifXYi^Yjvat  itctpct  roig  Atyv7rrioig. 

2)  Daneben  steht  88,  7  die  andere  Erzählung,  als  die  Äthiopen  Ägypten  angriffen,  hätten 
Scharen  von  Wölfen  sie  »oberhalb  Elephantines«  aus  dem  Lande  verjagt;  deshalb  heiße  »dieser 
Gau«  (rou  voixov  in£ivov)  Lykopolites,  und  würden  die  Wölfe  hier  verehrt.  Das  ist  durch  Kürzung 
entstellt,  wird  aber  auf  eine  echt  ägyptische  Sage  zurückgehen:  die  Wölfe  von  Lykopolis,  die 
Ägypten  »bis  nach  Elephantine  hin«  von  den  aus  dem  Süden  eingedrungenen  Feinden  befreien, 
sind  hier  die  Vorkämpfer  und  göttlichen  Schutzmächte  Ägyptens. 

3)  An  den  Parallelstellen  Teti  183  =  Pepi  531   fehlt  das  Determinativ. 


1904.]  E.  Meter:    Entwickelung  d.  Kalte  v.  Abydos  u.  d.  Schakalsgötter.  101 

sehr  häufig  allein  in  der  Totenformel  angerufen  wird,  Anubis  »der  in  der  Gottes- 
halle« IfMl  |L|  I,  der"  »Herr  der  Nekropole«  V=^-  der  die  Bestattung  und  die 
Opfergaben  im  Jenseits  vermittelt.  Meist  erhält  er  noch  weitere  Epitheta  nach 
seinen  Hauptkultusstätten:  »der  auf  dem  Schlangenberge «  ^^,  d.i.  der  Gaugott 

des  12.  Gaues  (Hierakonpolis) ,   »der  von  Wif«  -jU "y^^1  und,  wesentlich  seltener'2, 

»der  Herr  des  Gaues  von  Sepa«-  (Hipponon,  der  18.  Gau).  Viele  Gräber  begnügen 
sich  mit  seiner  Anrufung;  werden  weitere  Götter  hinzugefügt,  so  erscheint  ge- 
wöhnlich eine  Trias3:  1.  Anubis  (mit  den  eben  angeführten  Titeln);  2.  Osiris 
mit  dem  ständigen  Zusatz  »der  von  Busiris«   \(W\  oder  vj7|v\©   .   gelegentlich 

auch  »der  große  Gott,  der  Herr  des  Rechts«4;  3.  Chonti  Amentiu,  mehrfach 
mit  dem  Zusatz  » der  Herr  des  westlichen  Friedhofs  nb  smjt  imntjt« 5.  Dieser 
Gott  Chonti  Amentiu  wird  nun  bereits  sehr  oft  als  »Herr  von  Abydos«  bezeich- 
net6. Vereinzelt  wird  er  wie  in  den  Pyramidentexten  so  auch  in  den  Toten- 
formeln schon  früh  dem  Anubis  gleichgesetzt7,  und  diese  Gleichung,  Anubis  Chonti 
Amentiu,  hat  sich  gelegentlich  bis  ins  Neue  Reich  erhalten8. 

Abydos  kommt  in  den  Pyramidentexten  nach  Ausweis  des  Wörterbuchs 
überhaupt  nur  in  zwei  Texten  vor,  die  insgesamt  an  sieben  Stellen  erhalten 
sind.  Öfter  (insgesamt  in  8  Kapiteln)  wird  der  thinitische  Gau  ===>-*&,  :ffffP  ge- 
nannt, mehrfach  in  Verbindung  mit  den  Osirissagen  —  man  sieht,  wie  diese 
hier  allmählich  festen  Fuß  fassen.  Dagegen  kann  der  Chonti  Amentiu  der  Py- 
ramidentexte nicht  der  lokale  Tempelgott  von  Abydos  sein,  sondern  ist  ein  ver- 
mutlich   in    ganz  Ägypten  bekannter  Totengott,   den  man  sich  wohl  überall  in 

1)  Die  Lage  dieses  Ortes  ist  bekanntlich  noch  nicht  ermittelt.  Eigentlich  kann  er,  zwischen 
dem  12.  und  18.  Gau,  kaum  etwas  anderes  sein,  als  die  Gaustadt  des  17.  Gaues,  des  Kynopolites, 
der  wenigstens  den  Griechen  für  den  Hauptsitz  des  Anubis  galt  und  dessen  Fehlen  man  kaum  be- 
greifen würde. 

2)  Z.B.  Mariette,  Mastabas  D  69.  F2,  und  aus  der  Zeit  zwischen  Dynastie  6  und  12  z.B. 
Ägypt.  Inschriften  aus  dem  Berl.  Mus.  S.  125.  130.  133.  134bis. 

3)  Ich  habe  für  die  Triade  aus  Mariettes  Mastabas  notiert  C  10.  19,  D  19.  28,  E  1.  2;  LD.  II, 
112  c?  (Dynastie  6),  aber  keineswegs  alle  Stellen  gesammelt.  —  Anubis  und  Osiris  allein  finden  sich 
Mariette,  Mastabas  C  4,  D  1.  6.  39.  60  u.  a.  —  Die  Götter  werden,  wenn  nicht  die  ganze  Formel 

wiederholt  wird,  immer  durch  Wiederholung  der  Worte  A   geschieden. 

£}  D  LA 

4)  Mariette,  Mastabas  C  10,  E  1.  2.  Übrigens  ist  Osiris  mit  dem  »großen  Gott«  nicht  durch- 
weg identisch;  vgl.  z.  B.  imhw  hr  ntr  U  hr  Osiri  nb  Ddw  Mariette,  Mastabas  D  39  u.  a.,  wo  die 
Wiederholung  von  hr  beweist,  daß  die  beiden  Götter  unterschieden  werden.  Ebenso  Ägypt.  In- 
schriften des  Berl.  Mus.  S.  120. 

5)  Mariette,  Mastabas  C  18,  D  19.  —  6)  Mariette,  Mastabas  C  10,  D  28.  60,  E  1.  2;  »Herr 
des  thinitischen  Gaues«  LD.  II,  112c?  (Dynastie  6). 

7)  Mariette,  Mastabas  C  11,  D  59;  LD.  II,  48.  101.  Im  Grabe  des  Ptahhotep  in  Sakkara 
(Eg.  Research  Account  1896:  The  Ramesseum  cet.  pl.  33  +  31)  werden  »der  große  Gott«  und  Osiris 

ausdrücklich  von  Anubis  Chonti  Amentiu  geschieden:  imshw  $r    |  \ .  hr  Osiri,  hr  J^.  |j$j)  W*  xs\  • 

s)   Aus  den  Sammlungen  für  das  Wörterbuch  notiere  ich  aus  dem  Neuen  Reich  die  Stele  V  1 2 

aus  Leiden,  auf  der  Anubis  die  Beinamen  iHr      ^}*^    j  \  fWlf  ^irt- 


102  E.  Meyer:    Etitwickelung  d.  Kulte  v.  Abydos  u.  d.  Schakalsgötter.  [41.  Band. 

Hundsgestalt  vorstellte,  dem  Anubis  sehr  ähnlich,  so  daß  er  leicht  mit  diesem 
verschmelzen  konnte1. 

Aber  Abydos  hat  schon  unter  der  1.  Dynastie  als  Grabstätte  der  Könige 
und  des  Hofes  eine  exceptionelle  Bedeutung  für  alle  mit  Tod  und  Grab  ver- 
bundenen Vorstellungen  gewonnen;  es  ist  ja  offenbar  schon  damals  die  eigent- 
liche Gräberstadt  des  Reiches  gewesen,  wenigstens  unter  den  meisten  Königen 
der  1.  Dynastie  und  unter  Perjebsen  und  Chac  sechemui  aus  der  2.,  während  im 
Leben  König  und  Hof  in  den  in  den  Denkmälern  so  oft  erwähnten  Königsstädten 
residierten,  die  jeder  Herrscher  sich  erbaute  und  mit  einem  besonderen  Namen 
belegte.  So  begreift  es  sich,  daß  man  Abydos  früh  als  den  Hauptsitz  des  Chonti 
Amentiu  betrachtet  hat,  da  ihm  der  Tempel  der  Stadt  gehörte  und  er  ohne 
Zweifel  auch  der  Schutzherr  ihrer  Nekropole  gewesen  ist.  Daher  sehen  wir  den 
Zusatz  »der  Herr  von  Abydos«  in  den  Totenformeln  der  Mastabas  aufkommen, 
während  zugleich  auch  die  Gleichsetzung  mit  dem  in  seiner  äußeren  Gestalt 
identischen  Anubis  Verbreitung  gewinnt. 

Es  ist  höchst  wahrscheinlich,  daß  die  Zauberformeln  der  Totentexte,  die 
der  Cherheb  rezitierte,  mit  ihren  der  Osirisreligion  entnommenen  Bestandteilen 
schon  unter  den  Thiniten  bei  der  Bestattung  des  Königs  und  seiner  Hofbeamten 
regelmäßig  verwendet  worden  sind.  So  kam  es ,  daß  auch  Osiris  mit  Abydos  in 
Verbindung  trat  und  diese  Verbindung  bestehen  blieb,  ja  sich  nur  noch  weiter 
entwickelte,  als  Abydos  aufhörte,  die  Grabstätte  des  Hofs  zu  sein,  und  das  Ge- 
biet von  Memphis  an  seine  Stelle  trat2.  Daher  finden  wir  gelegentlich  schon  in 
alten  Mastabas  bei  »Osiris  in  Dedu«  den  weiteren  Zusatz  »Herr  des  thinitischen 
Gaues«3.  Zu  Ende  des  Alten  Reichs  kommt  dann  seine  Gleichsetzung  mit  Chonti 
Amentiu  von  Abydos  auf,  in  der  Formel  n^f^U  ^  ^(W)  t  w^^TJ  &  *' 
die  dann  im  Mittleren  Reich  die  herrschende  wird  und  die  ältere  Gleichung 
Chonti  Amentiu  =  Anubis  schließlich  völlig  verdrängt  hat.  Spätestens  damals, 
vielleicht  aber  schon  unter  der  6.  Dynastie,  muß  Osiris  der  Herr  des  alten  Tem- 
pels des  Chonti  Amentiu  in  Abydos   geworden    sein   —   unter  der  6.  Dynastie 


')  Ursprünglich  identisch  mit  ihm  kann  er  nicht  sein,  denn  dann  würde  er  nicht  in  den 
Formeln  der  Mastabas  neben  ihm  als  selbständiger  Gott  stehen.  Aber  es  ist  sehr  denkbar,  daß 
man  in  manchen  Teilen  Ägyptens,  speziell  in  der  Heimat  der  Osirissage,  den  Götterhund,  unter 
dessen  Schutz  die  Gräber  und  die  Toten  standen,  Anubis,  in  anderen,  z.  B.  in  Abydos,  »den  im 
Westen«  genannt  hat.  Ebenso  möglich  ist  freilich,  daß  beide  von  Anfang  an  nebeneinander  standen, 
wie  die  beiden  Upuaut. 

2)  Hier  sind  dann  in  gleicher  Weise  Sokar  und  Ptah  mit  dem  Totenkult  und  mit  Osiris 
in  Verbindung  getreten.  —  3)  Mariette,  Mastabas  C  19;  D  69  nur  »Osiris  Herr  des  thinitischen 
Gaues«   und  daneben   »Osiris  Herr  von  Dedu  Chonti  Amentiu  Herr  von  Abydos«. 

4)  Mariette,  Mastabas  D  69,  F  2;  LD.  II,  113a  (Dynastie  6);  Ägypt.  Inschriften  des  Berl. 
Mus.  S.  52  (Dynastie  6);  dann  aus  der  Zeit  zwischen  Dynastie  6  und  12  S.  121.  126.  127.  131.  133. 

134bis;    ferner   Petrie,    Denderah   pl.  2.  3.  8.  15    (Dynastie  6  — 10).      HJlWlW'^N^  allein,  ohne 

weiteren  Zusatz,  unter  Dynastie  6:  Ägypt.  Inschriften  des  Berl.  Mus.  S.  45.  46.    Die  Hauptvariante 
sit  »Osiris  Herr  von  Dedu,   der  große  Gott,  Herr  von  Abydos«. 


1904.]  E.  Meter:    Entwickelung  d.  Kulte  v.  Abydos  u.  d.  Schakalsgötter.  103 


beginnt  ja  die  Beisetzung  der  Toten  aus  allen  Teilen  Ägyptens  in  Abydos, 
welche  zur  Voraussetzung  hat,  daß  hier  Osiris  begraben  ist  — ,  und  um  die- 
selbe Zeit  hat  man  auch  sein  «Grab  in  Peqer«  in  dem  alten  Königsgrabe  des 
Zer  in  Umm  el  Gacäb  entdeckt1.  — 

Neben  dem  hundegestaltigen ,  dem  Anubis  gleichenden  Chonti  Amentiu  ist  in 
Abydos  seit  alters  auch  der  Wolfsgott  Upuaut  heimisch.  In  den  Totenformeln 
des  Mittleren  Reichs  wird  er  sehr  oft  neben  Osiris  erwähnt,  oft  mit  dem  Zusatz 
»in  Abydos«  oder  »der  große  Gott  in  Abydos«,  vielfach  auch  als  »Herr  der 
Nekropole«  (to  doser).  Genaueres  über  diese  lehrt  das  von  Neferhotep  usurpierte 
Dekret  aus  dem  Mittleren  Reich  (El  Amrah  and  Abydos  pl.  29,  vgl.  Griffiths 
Übersetzung  S.  93),  wonach  sie  im  Süden  von  Abydos  lag;  der  König  befiehlt, 
»sie  für  seinen  Vater  Upuaut,  den  Herrn  der  Nekropolis,  zu  beschirmen,  wie 
es  Horus  für  seinen  Vater  Osiris  Unnofre  tat«,  und  läßt  sie  durch  vier  Grenz- 
stelen einfrieden;  wer  auf  ihr  gefunden  wird  oder  ein  Grab  auf  ihr  anlegt,  soll 
mit  dem  Tode  bestraft  werden.  Daß  Upuaut  jetzt  auch  im  Kultus  eng  mit  Osiris 
verbunden  war,  lehrt  die  von  Schäfer  vortrefflich  behandelte  Inschrift  des  Icher- 
nofret  (aus  der  Zeit  Sesostris'  III.),  nach  der  dieser  »den  Auszug  des  Upuaut  ver- 
anstaltete, als  er  ging,  um  seinem  A^ater  zu  helfen«2.  Upuaut  ist  also  der  Sohn 
des  Osiris,  der  ihm  auf  seinen  Zügen  beisteht  und  ihm  »die  Wege  öffnet  (bahnt)« 
—  genau  wie  Diodor  von  dem  Wolfsgott  Makedon  berichtet  (s.  o.  S.100).  —  Die 

beiden  Upuaut,  der  des  Südens  und  der  des  Nordens  ( ?Vy  i  o£\  1  \V /j  /l  und 
j^it^yX  <w>-y==x.(](] ),   finden  sich  in  der  Titulatur  eines  Königs  der  13.  Dynastie, 

der  seinen  Namen  auf  einen  Steinblock  (Treppenstufe?)  Sesostris'  I.  im  Tempel 
von  Abydos  geschrieben  hat;  außerdem  nennt  er  sich  »geliebt  von  [Osiris] 
Chonti  Amentiu«    (Petrie,   Abydos  I  58,   Text  S.  29). 

In  den  Grabinschriften  und  Totentexten  erscheinen  Anubis  und  Upuaut 
(oder  die  beiden  Upuaut)  durchaus  als  Totengötter,  und  wir  sind  gewöhnt,  sie 
ausschließlich  unter  diesem  Gesichtspunkt  zu  betrachten.  Aber  so  wichtig  diese 
Funktionen  geworden  sind,  sie  können  nicht  die  einzigen  und  noch  weniger  die 
ursprünglichen  dieser  Götter  gewesen  sein.  Anubis  ist  der  Schutzgott,  der  »Herr« 
von  drei  mittelägyptischen  Gauen,  außerdem  wahrscheinlich  auch  im  Delta  heimisch, 
Upuaut  der  Gott  des  wichtigen  Gaues  von  Siut.  Die  Sorge  für  die  Bestattung, 
der  Schutz  der  Toten  und  die  dem  verstorbenen  Osiris  ehemals  geleistete  Hilfe, 
die  alljährlich  bei  den  Festspielen  wieder  zur  Darstellung  gebracht  wird,  sind 
für  diejenigen,  die  sie  als  ihren  »Stadtgott«  verehren  —  und  das  sind  die, 
welche  für  den  Kultus  und  das  ursprüngliche  Wesen  des  Kultgottes  allein 
in    Betracht    kommen   — ,    immer    nur   Nebensache    gewesen :    sie    fordern    von 


')  Mit  Recht  postuliert  Schäfer  (Die  Mysterien  des  Osiris,  Unters,  zur  Gesch.  Ägyptens  IV, 
S.  28f.),  daß  das  Grab  des  Osiris  unter  der  12.  Dynastie  schon  hier  lokalisiert  gewesen  sein  muß. 
—  2)  Z.  17,  s.  Schäfer,  Die  Mysterien  des  Osiris  S.  21  f.,  der  die  Parallelstellen  anfuhrt,  an  denen 
von  den  Auszügen  des  Upuaut  die  Rede  ist. 


104 


E.  Meyer:    Entwickelung  d.  Kulte  v.  Abydos  u.  d.  Schakalsgötter. 


[41.  Band. 


ihnen  wohl  auch  eine  korrekte  Bestattung  und  Schutz  im  Grabe  und  auf  den 
Gefilden  des  Westens,  aber  vor  allem  Schutz  im  Leben.  So  erklärt  es  sich, 
daß  sich  von  dem  dem  Kultus  der  Lebenden  angehörenden  Hundsgott  Anubis 
der  Hundsgott  Chonti  Amentiu  »der  im  Westen«  abgezweigt  hat,  als  der  Gott, 
dem  die  Sorge  um  die  Toten  zusteht.  Daß  dieser  in  Abydos  einen  Tempel  hat 
und  hier  der  alte  Stadtgott  ist,  ist  begreiflich  genug;  denn  Abydos  ist  nicht  das 
politische  Zentrum  des  Gaues  gewesen,  sondern  Thinis  mit  dem  Gott  Anhur  (von 
dessen  Wesen  wir  leider  sehr  wenig  wissen):  Abydos  war  immer  nur  die  Toten- 
stadt1 und  verehrt  daher  einen  Totengott. 

Was  wir  aus  den  Tatsachen  des  Kultus  postulieren  müssen,  tritt  uns  in 
den  ältesten  Denkmälern  in  vollem  Leben  entgegen,  vor  allem  in  den  Dar- 
stellungen der  Schminktafeln  und  Scepter  von  Hierakonpolis ,  welche  uns,  so 
wenig  wir  alles  einzelne  sicher  deuten  können,  doch  noch  in  das  lebendige 
Sonderleben  der  Gaue  in  der  Zeit  des  Oberägyptischen  Reichs  Einblick  gewäh- 
ren. Für  den  Wolfsgott  finden  wir  verschiedene  Typen,  von  denen  die  wich- 
tigsten hier  gegeben  werden: 


Sie  alle  stellen  nicht  das  lebende  Tier  des  Gottes  dar,  sondern  das  Emblem, 
das  man  als  sein  Abbild  bei  Festen  und  Kämpfen  mitnimmt  und  das  wohl 
aus  Holz  geschnitzt  war;  daher  hat  der  Wolf  hier  bekanntlich  immer  nur  zwei 
Beine2.  Die  beiden  ersten  stehen  zu  Anfang  der  fünf  mit  Götteremblemen  ge- 
schmückten Standarten  auf  der  Stierpalette3,  deren  in  Hände  auslaufende  Stangen 
einen  Strick  packen  (es  folgen  der  Ibis,  der  Horussperber  und  das  Emblem  des 
Minu  von  Koptos).     Auf  der  Palette  und  dem  Scepter  des  Narmer4  stehen  vor 


1)  Außerdem  werden  hier  mehrere  der  oben  erwähnten   » Königsstädte «   gelegen  haben,  von 
deren  Mauern  noch  Überreste  in  den   »Forts«   bei  Abydos  erhalten  zu  sein  scheinen. 

2)  Den    seltsamen  Wulst   in  Nr.  1  und  3    an    dem   Brett,    auf  dem   der  Wolf  steht,    erklärt 
Seihe  bei  Garstang,  Bet  Khallaf  S.  19,  aus  den  Angaben  der  Tetipyramide  31.  32,  wonach  er  &d&d 

hieß    und   dem   Gott  (Hr  \|^         Ami-upt   gehört,    der   also  wohl    eine  Variation  von  Upuaut   ist 

(ebenso   vermutlich   die   beiden     y^V^/ö  y^   Pepi  42,   neben  Upuaut;  Teti  357  =  Neferkere<  176, 

in   Heliopolis,  neben  Anubis);  sicher  ist  indessen  Sethes  Erklärung  keineswegs. 

3)  Bull.  corr.  hell.  XVI  pl.  I;  Steindorff  in  den  Aegyptiaca  S.  129;  Legge,  PSBA.  22,  pl.  4; 
Ca  part,  L'art  egyptien  S.  235. 

4)  Hierakonpolis  pl.  26  B.  29. 


1904.]  K.Meyer:    Entwickelung  d.  Kulte  v.  Abydos  u.  d.  Schakalsgötter.  105 

dem  König  vier  Standarten,  zuerst  der  Upuaut  Nr.  1 ,  dann  ein  seltsamer  Wulst 
<-0.  den  ieh  nicht  erklären  kann,  darauf  zwei  Sperber.  Auf  Siegeln  aus  Abydos 
steht  die  Upuautstandarte  Nr.  1  vor  König  Zer1,  und  ebenso  auf  der  Tafel  des 
Usaphais,  welche  den  Kampf  auf  der  Sinaihalbinsel  darstellt",  und  auf  den  gleich- 
artigen Siegestafeln  des  Cheops  (LL).  II,  26)  und  Sahurec  (LD.  IL  39)  in  Wadi 
Maghara.  Vielleicht  noch  häufiger  kommt  Nr.  3  mit  der  über  die  Stange 
gelegten  Kriegskeule  vor.  Sie  findet  sich  vor  dem  Bilde  des  Usaphais3.  auf 
einem  Siegel  Zosers  aus  Betchallaf  (pl.  8,  1)  und  in  den  Pyramidentexten4.  Sie 
charakterisiert  den  Gott  als  Kriegsgott:  dem  entspricht  es.  daß,  wie  Sethe 
hervorgehoben  hat5,  in  dem  Pyramidentexte,  der  P.  175.  462.  M.  518.  N.  047 
vorliegt,  die  »Horusverehrer«  mit  dem  Bilde  des  Upuaut  (M.  518  mit  Keule, 
sonst  ohne   dieselbe)   und   dahinter  Bogen   und  Wurf  holz  (?)  determiniert  werden: 

^-"1  V^1'^'  Upuaut  ist  also  für  die  alte  Zeit  nicht  ein  Gott  der  Toten, 
sondern  der  Lebenden,  und  zwar,  genau  wie  Diodor  angibt,  der  Kriegsgott. 
Sein  Bild  zieht  an  der  Spitze  der  Truppen  ins  Feld  und  öffnet  dem  Könige 
den  Weg  ins  Feindesland.  Das  besagt  sein  Name  der  »Pfadöffner«  oder  »Pfad- 
führer« :  daß  er  auch  den  Toten  den  Weg  ins  Geisterland  öffnet,  ist  daraus 
erst  abgeleitet. 

Daß  Upuaut  Kriegsgott  ist,  wird  aufs  schönste  dadurch  bestätigt,  daß  die 
große  Kriegsgöttin  Unterägyptens,  Neit  von  Sais  —  über  ihr  Wesen  läßt  die 
Schreibung  ihres  Namens  mit  Schild  und  Pfeilen  keinen  Zweifel  — .  denselben 
Beinamen  upt  uaut  »die  Pfadöffherin«  trägt6.  Auch  Upuaut  ist  ja  kein  Eigen- 
name, sondern  nur  ein  Beiname  des  Gottes:  unmöglich  wäre  es  nicht,  daß  der 
Wolfsgott  von  Siut  so  wenig  einen  Eigennamen  gehabt  hat  wie  z.  B.  »der  von 
Tonent«,  möglich  auch,  daß  sein  wahrer  Name  in  dem  seltsamen  Makedon 
Diodors    steckt.      Aber  zweimal    führt    der  Wolfsgott    (mit   der  Keule)    in    alten 

Texten  wirklich  einen  Eigennamen  Iczs^ciö^  Sd,  auf  dem  Palermostein  3.  11, 
wo  sein  Geburtsfest  gefeiert  wird,  und  in  dem  Grabe  Mariette,  Mastabas  D19, 


l)  Petrie,  Royal  Tombs  II,  15,  108.  109.  —  2)  Spiegelberg,  ÄZ.  35,  7.  —  3)  Royal 
Tombsl.  10,14  =  14,9  (nur  teilweise  erhalten);  32,  39.  —  4)  Vgl.  S.  1)8  Anm.  3.  —  Beim  Sed- 
fest des  Newoserrec  finden  sich  alle  Formen  der  Standarten  verwendet. 

5)  Beitr.  zur  ältesten  Gesch.  Ägyptens  (Unters.  III)  S.  16;  für  die  Beziehungen  der  Semsu 
tlor  zu  Upuaut  vgl.  auch  die  von  Sethe  ebenda  und  S.  8  herangezogenen  Stellen  aus  dem  Grabe 
des    Hapzefa  von    Siut   (Griffith,  Tomb  I    Z.  173.  238),    wo  die  Semsu  llor  als  Wölfe  bezeichnet 

|^^\    j_j|l  Q  Vs\  |  <^\     >ji  j    un(j  überdies  mit  den  »Seelen  von  Nechen«  in  Beziehung  gesetzt  werden. 

Bogen  und  Wurfholz  findet  sich  hinter  der  Standarte  des  Upuaut  (ohne  Keule)  auch  in  den  Fest- 
darstellungen im  Tempel  des  Newoserrec. 

6)  LD.  10.  100b.  Mariette,  Mast.  C  26.  Besonders  charakteristisch  de  Morgan,  Fouilles 
ä  Dahchour  II  (1903)  S.  23,  wo  die  Gemahlin  eines  Sohnes  Snofrus  wie  gewöhnlich  die  Priester- 

tümer  der  Hathor  und  Neit  bekleidet.     Letztere  ist  geschrieben    ^  ?  i  ?    iXl  1  P    lim  Norden 

von    Memphis]     |y;  das   Epitheton  der  Neit  steht  hier  also  vor  ihrem   Eigennamen. 

Zeitschr.  f.  Ägypt.  Spr.,  41.  Band.     1904.  14 


' 


106 


E.  Meyer:    Entwickelang  d.  Kulte  v.  Abydos   u.  d.  Schakalsgötter. 


[41.  Band. 


wo  sein  Priestertum  erwähnt  wird1.  Da  indessen  das  Alte  Reich,  wie  wir  ge- 
sehen haben,  mehrere  Wolfsgötter  kennt,  und  da  der  Palermostein  unter  Schepses- 
kaf,  wo  das  Geburtsfest  der  beiden  Upuaut  verzeichnet  ist,  ihren  Namen  Upuaut 
schreibt  (fÜ  ?  ?  Q*r^  c^^  >  geschrieben  mit  Wulst  und  Uräus,  aber  ohne  Keule), 
so  wird  der  angesehenste  der  Wolfsgötter,  der  Gott  von  Siut,  schwerlich  den 
Namen  Sd  geführt  haben. 

Auch  der  Kultus  des  Anubis  »von  Wt«.  (bzw.  des  Wtj- Priesters)  oder  des 
»Grabesgottes«  findet  sich  schon  in  der  ältesten  Zeit  mehrfach2.  Daß  seine 
Standarte  je  in  ähnlicher  Weise  verwertet  wurde  wie  die  des  Upuaut,  ist  mir 
nicht  bekannt;  aber  seine  Bedeutung  für  das  Leben  geht  daraus  hervor,  daß 
das  Fest  seiner  Geburt  unter  Menes  und  anderen  Königen  der  1.  Dynastie  mehr- 
fach  gefeiert   wird3. 

Noch  weiter  führt  die  bekannte  Schiefertafel  mit  der  Darstellung  der  zur 
Jagd  ausziehenden  Krieger4.  Diese  tragen  um  die  Lenden  gebunden  den  Balg 
eines  »Schakals«  (Wolfs)  mit  dicht  behaartem  Schwanz;  Kraft  und  Schnelligkeit 
des  Tieres  und  damit  des  in  seiner  Gestalt  erscheinenden  Gottes  sollen  dadurch 
in  der  aus  vielen  Parallelen  bekannten  magischen  Weise  auf  die  Krieger  seines 
Stammes  übertragen  werden.  Das  stimmt  aufs  beste  zu  der  Angabe  Diodors, 
daß  die  Wölfe  von  Lykopolis  einstmals  die  Äthiopen  aus  dem  Lande  geschlagen 
haben  (S.  100  Anm.  2). 

Schließlich  möchte  ich  noch  daraufhinweisen,  daß  die  drei  Gaue  18  (Sepa), 
17  (Kynopolis)  und  12  (Schlangenberg),  deren  Gaugott  Anubis  ist,  ein  großes, 
nur  durch  den  vom  linken  Ufer  herübergreifenden  Ziegengau  (16)  unterbrochenes 
Gebiet  auf  dem  rechten  Nilufer  bilden.  Dem  Schlangenberg  gegenüber  liegt 
der  Wolfsgau  von  Siut.  Beide  Götter,  der  Wolf  und  der  Hund,  haben  weiter 
oben  im  Gebiet  von  Abydos  eine  Kultusstätte  gefunden.  Das  weist,  ebenso 
wie  die  Verbreitung  des  Setkults,   des  Horus5  u.  a.,  auf  uralte  Stammesverhält- 


M    S.  229  =  230  (hier  ist  C     S  wohl    nur   Kopierfehler   für    R  c^ü  S.  229);    vgl.  Sethe  hei 

o  u   / 

Schäfer,  Bruchstück  altägypt.  Annalen  S.  21,  der  den  Eigennamen     I  ~V  heranzieht. 

I     /wwv\  t*^  d 

2)  Betchallaf  pl.8,  2;  Royal  Tombs  I,  29,  86.  30  (Inschrift  des  Sabef);  II,  12,  5,  vgl. 
Abydos  I,  4,  8. 

3)  Royal    Tombs  II,  3,2  =  11,  1.     Palermostein    Z.  2,   1.  10.    —    Wenn    sich    auf  anderen 

Tafeln  des  Menes  (Royal  Tombs  II,  3,  4.  3a,  5  =  10,  2.  3a,  6  =  11,  2)  die  »Geburt  des  C<  findet, 
so  kann  das  hier  unmöglich  den  Anubis  [imi  Wt)  bezeichnen,  wie  allgemein  angenommen  wird, 
sondern  muß  ein  neben  diesem  stehender  Sondergott  sein,  dessen  Namen  wir  nicht  kennen. 

4)  Steindorff  in  den  Aegyptiaca  S.  126;  Legge  PSBA.  22,  pl.  II;  Capart,  L'art  egyptien 
pl.  I  zu  S.  222. 

5)  Horus  ist  zwar  ein  uralter  Lichtgott ,  der  im  Mythos  eine  große  Rolle  spielt  und  im  west- 
lichen Delta,  in  Letopolis,  in  Edfu  und  sonst  einen  gewiß  in  die  ältesten  Zeiten  zurückreichenden 
Lokalkult  hat;  aber  seine  dominierende  Stellung  in  der  ägyptischen  Reichsreligion  (und  damit  zu- 
gleich zahlreiche  Filialen  seines  Kultus)  hat  er  erst  durch  das  Königtum  des  Oberägyptischen  Reichs 
von  Nechen  und  ebenso  in  Unterägypten  durch  das  Königtum  von  Buto  erhalten:  er  ist  in  erster  Linie 
der  Königsgott  der  Herrscher  der  beiden  Reiche,  d.h.  der  Dynastien  der  »Horus Verehrer«  Semsu  Hör. 


1904.]  E.  Meyer:    Entwickelung  d.  Kulte  v.  Abydos  u.  d.  Schakalsgötter.  107 

nisse  und  Stammesverschiebungen  hin,  in  einer  Zeit,  da  das  ägyptische  Volk1 
noch  in  selbständige  Stämme  mit  gesonderten  Kulten  zerfiel,  die  später,  zu  lo- 
kalen Kultverbänden  geworden,  noch  in  den  Gauen  fortleben.  Ein  vollständiges 
Bild  dieser  »vorhistorischen«  Epochen  werden  wir  nie  gewinnen  können:  aber 
beträchtlich  weiter,  als  wir  bisher  gekommen  sind,  können  wir  mit  dem  jetzt 
erschlossenen  Material  gelangen.  Die  äußeren  kulturgeschichtlichen  Tatsachen, 
welche  die  »prähistorischen«  Funde  lehren,  helfen  für  diese  Fragen  nicht  viel: 
die  Hauptquelle  der  Erkenntnis,  die  überall  die  reichsten  Aufschlüsse  verspricht, 
muß  eine  sorgfältige,  von  unten  aufsteigende  Analyse  der  lokalen  Kulte  und 
der  Mythen  der  Göttergeschichte  bilden.  Es  scheint  an  der  Zeit,  diese  Aufgabe 
ernstlicher  anzufassen,  als  es  bisher  (außer  von  Maspero)  geschehen  ist,  und  zwar 
in  monographischen  Untersuchungen,  zu  denen  die  Sethes  über  Imhotep  und 
die  Schäfers  über  die  Mysterien  des  Osiris  in  Abydos  einen  willkommenen  An- 
fang bilden;   an  reichen  Ergebnissen  wird  es  nirgends  fehlen. 


Das  Osirisgrab  von  Abydos  und  der  Baum  pkr. 

Von  Heinrich  Schäfer. 

Mit  einer  Abbildung. 


J3ei  der  Bearbeitung2  der  Inschrift  des  I-cher-nofret  (Berlin  1204)  habe  ich 
gezeigt,  wie  der  Ort  Pkr  bei  Abydos  seine  Bedeutung  in  der  religiösen  Lite- 
ratur dadurch  erhalten  hat,  daß  er  das  Grab  des  Osiris  trug3.  Daß  die  Kon- 
sonanten des  Namens  p,  k  und  r  sind,  steht  fest4,  alle  abweichenden  Schrei- 
bungen sind  aus  dieser  ältesten  Form  durch  Abschleifung  des  Schluß -r  und 
Veränderung  des  ^-Lautes  entstanden.  Determiniert  wird  der  Name  gewöhnlich 
durch  eins  der  Ortszeichen  r^^i  oder  ©.  Am  auffälligsten  ist  es,  daß  sich  weit- 
aus an  den  meisten  Stellen  außerdem  noch  das  Determinativ  ^?-^  findet5. 

Das  hatte  mich  schon  bei  der  Behandlung  jener  Inschrift  auf  den  Gedanken 
gebracht,  daß  der  Name  etwas  mit  einem  Baumnamen  zu  tun  hätte.  Diese  Ver- 
mutung, die  ich  damals  nicht  auszusprechen  wagte,  ist  mir  jetzt  zur  Gewißheit 
geworden,  da  ich  sehe,  daß  da,  wo  eine  Berliner  Stele  des  mittleren  Reichs 
(Berlin  1191)  |^^ Xfnjs  l-^^^        v-=^"  hat?  das  Duplikat  dieser  Inschrift  in  Leiden 

l)  An  fremde  Eroberer  und  Rassenmischung  vermag  ich  nicht  zu  glauben,  wenigstens  nicht 
in  einer  geschichtlicher  Erkenntnis  noch  zugänglichen  Zeit.  —  2)  Die  Mysterien  des  Osiris  in  Abydos 
unter  König  Sesostris  III.  (in  Sethes  Untersuchungen  Bd.  IV,  2).  —  3)  A.  a.  0.  S.  29.  —  *)  A.  a.  0. 
S.  27.  —  5)  Einige  der  vielen  Stellen  a.  a.  O. 

14* 


108  Heinrich  Schäfer:    Das  Osirisgrab  von  Abydos  und  der  Bauin  pkr.  [41.  Band. 


(V  79)       v\  n°<  1  A^       schreibt.    Da  der  Name  des  Ortes  gelegentlich 

auch  ü^-^-  geschrieben  wird,  so  wird  die  freundliche  Mitteilung  Boesers.  daß 

"wirklich  sicher  der  Baum  (j  und  kein  (1  dasteht«,  die  Ausflucht  abschneiden, 
daß  ein  Fehler  des  modernen  Kopisten  vorliegt.  Ein  Versehen  des  alten  Stein- 
metzen anzunehmen,  liegt  absolut  kein  Grund  vor.  So  dürfen  wir  wohl  mit  Fug 
und  Recht  aus  den  Schreibungen  mit  dem  Baumast  und  dem  Baum  fürs  erste 
folgern ,    daß  es  einen   Baumnamen  "  h   gegeben  hat. 

In   der  Tat  kommt  noch,  in  ptolemäischen  Texten  ein  Wort  o? 

vor,  das  nach  Brugsch1  »eine  besondere  Pflanzenart  bezeichnet,  deren  Frucht 
mit  zu  den  Ingredienzien  bei  der  Zubereitung  des  Kyphi  gehörte«.  Es  liegt  auf 
der  Hand,   daß  diese  Pflanze  eben  der  von  uns  geforderte  Baum  ist. 

Aber  noch  weitere  Folgerungen  ergeben  sich.  Es  gibt  zwei  Möglichkeiten, 
das  (\  und  ^^-  in  dem  Ortsnamen  zu  erklären.  Entweder  sind  die  Zeichen  von 
dem  Baumnamen  auf  den  vielleicht  etymologisch  ganz  verschiedenen  Ortsnamen 
nur  darum  übertragen  worden,  weil  beide  die  gleichen  Radikale  haben,  oder  aber 
die  beiden  Worte  hängen  wirklich  etymologisch  zusammen.  Im  zweiten  Falle 
bedeutete  also  der  Ortsname  »der  mit  dem  Pkr- Baume«2.  Bei  anderen  Worten 
ist  es  oft  unmöglich,  sich  zwischen  diesen  beiden  Möglichkeiten  zu  entscheiden. 
Hier  aber  wird  es  kaum  zweifelhaft  sein,  daß  nur  die  zweite  Annahme  gelten 
kann,  da  sie  in  überraschender  Weise  zu  einigen  uns  sonst  bekannten  Tatsachen 
stimmt.  Wenn  der  Ort  des  Osirisgrabes  von  Abydos  nämlich  nach  dem  pkr- 
Baume  genannt  ist,  so  bleibt  nichts  anderes  übrig,  als  anzunehmen,  daß  die 
Baumart  pkr  in  einem  oder  in  mehreren  Exemplaren  an  diesem  Osirisgrabe  ge- 
pflegt wurde. 

Nun  habe   ich   schon3  darauf  hingewiesen,   daß   es   nach  einer  Inschrift  aus 

saitischer  Zeit  am  Osirisgrabe  von  Abydos,  im  vSttCI^].  d.  i.  w-Pkr,  Bäume  ge- 
geben hat.  Heute  kann  ich  dieser  Angabe  noch  die  wichtigen  Stellen  aus  dem 
Berliner  demotischen  Papyrus  P.  8B51  hinzufügen,  die  nach  Spiegelbergs  Über- 
setzung4 lauten  (Seite  5  Zeile  9):  »Man  spendet  dir  Wasser  auf  jenen  365  Opfer- 
tafeln, welche  unter  den  großen  Bäumen  von  Wpk  sind«  und  (Seite  3  Zeile  15): 
»Deine  Seele  wandelt  mit  (so  Sp.)  den  großen  Bäumen  von  Wpk. «  Wir  besitzen 
vielleicht  sogar  eine  schematische  Abbildung  des  abydenischen  Grabes  mit  den 
Bäumen  in  einer  Darstellung  auf  einem  saitischen  Sarge  in  Marseille,  auf  die 
Laxzone  (Dizion.  Taf.  304.   Text  S.  802)    und  Maspero   (Cat.  d.  mus.  eg.  d.  Mar- 


')    Wörterb.  S.  518.  —  2)  Er  ist  dann  etwa  pkrj  o.  ä.  zu  lesen.  —  3)  Osirismysterien  S.  29. 

4)  Die  demot.  Pap.  ans  den  Kgl.  Mus.  zu  Berlin.  S.  27.  Spiegelberg  ist  natürlich  die  Ähn- 
lichkeit der  ersten  Stelle  mit  Diodor  1 .  22  aufgefallen:  »Auf  der  Nilinsel  bei  Philä .,  die  'teqcv  mhlov 
heißt,  zeigt  man  das  noch  heute  vorhandene  Grab  des  Osiris  ...  und  die  360  Opfertafeln,  die  es 
rings  umgeben.  Diese  füllen  die  dazu  angestellten  Priester  täglich  mit  Milch  und  rufen  unter 
Klagen   die  Namen  der  Götter  (Osiris   und  Isis).« 


1904.]  Heinrich  Schäfer:    Das  Osirisgrab  von  Abydos  und  der  Baum  •plsr.  109 

seille,  S.  52)  aufmerksam  gemacht  haben.  Wir  sehen  den  Hügel,  der  die  Grab- 
kammer birgt  und  aus  dem  vier  Bäume  herauswachsen.  Die  ganze  Darstellung 
mit  den  Beischriften  verdiente  eine  bessere  Publikation  als  die  Skizze  bei  Lanzone. 

Aber  auch  an  einigen  Kultstätten  des  Osiris  außerhalb  von  Abydos  ist  ein 
Baum  am  Grabe  des  Gottes  sicher  nachzuweisen.  So  wird  nach  Plutarch1  das 
Osirisgrab  von  Abaton  bei  Philae  »von  einem  Baume  überschattet,  der  an  Höhe 
jeden  Ölbaum  übertrifft«.  Ein  bekanntes  Bild  aus  einem  Grabe  bei  Höu2  zeigt 
einen  Sarg,  der  von  einem  schlanken  Baume  beschattet  wird.  Auf  dessen  Ästen 
sitzt  ein  als  »Seele  des  Osiris«  bezeichneter  Reiher.  Ähnliche  Darstellungen  finden 
sieh  in  Dendera  usw.  Endlich  wissen  wir  aus  Plutarch3,  daß  für  seine  Zeit 
ein  Baum  sehr  eng  mit  dem  Sarge  des  Osiris  auch  im  Mythus  verbunden  war: 
der  Sarg  wird  von  den  Meereswellen  bei  Byblos  ans  Land  gespült  und  sanft 
an  einer  ipetXY\  (Erica  arborea)  abgesetzt.  Der  Baum  schießt  schnell  zu  einem 
schönen,  mächtigen  Stamme  empor,  umschließt  den  Sarg  des  Gottes  und  ver- 
birgt ihn,  bis  Isis  ihn  findet  und  herauslöst. 

Das  Zusammentreffen  dieser  Tatsachen  mit  der  von  uns  gewonnenen  Ety- 
mologie von  Pkr,  dem  Namen  des  abydenischen  Osirisgrabes ,  kann  nicht  bloßer 
Zufall  sein.  Wir  dürfen,  denke  ich,  unser  Ergebnis  als  ge- 
sichert betrachten. 

Für  die  Geschichte  des  Mythus  und  des  Kultus  ist  es 
gleich  wichtig,  daß  wir  die  Verbindung  des  Osiris  mit  dem 
Baume,  die  wir  bisher  nur  anderswoher  und  aus  späterer  Zeit 
kannten,  nun  auch  nach  Abydos,  und  zwar  schon  in  das 
mittlere  Reich,  übertragen  können.  Zu  vermuten  ist  ja  schon 
an  sich,  daß  das  mittlere  Reich  nicht  die  Entstehungszeit 
dieses  Gedankens  ist,  und  in  der  Tat  findet  sich  in  den  Pyramidentexten  ein 
Spruch4,  der,  wie  Sethe  in  seiner  Bearbeitung  der  Texte  für  das  Wörterbuch 
gesehen  hat,  die  Existenz  der  Anschauung,  daß  zum  Osirisgrabe  ein  Baum  ge- 
hört, voraussetzt.  Ist  aber  die  Verbindung  des  in  der  Erde  ruhenden  Osiris  mit 
dem  Baum  so  alt,  so  wird  man  nicht  umhin  können,  diesem  Zuge  bei  dem  For- 
sehen nach  dem  Wesen  des  Gottes  mehr  Gewicht  beizulegen,  als  man  es  bisher 
getan  hat.  Ist  er  ursprünglich  ein  Erd-  und  Vegetationsgott0,  so  dürften  sich 
am   ehesten   die   Grundzüge  seines  Wirkens   erklären  lassen. 

Durch  die  Etymologie  des  Namens  wäre  denn  auch  bewiesen,  was  ich  bisher 
nur  vermutet  habe6,  daß  Pkr  nicht  schon  ursprünglich  der  weltliche  Name  des 
Platzes  bei  Abydos  gewesen  ist,   auf  dem  das  dortige  Osirisgrab  Platz  gefunden 


l)  De  Ts.  et  Osir.  cap.  20.  Der  Baumname  ist  in  der  Überlieferung  verderbt.  Er  lautet  jetzt 
^rS-i'Svj,  iAYi8t&Yi  o.a.,  ein  Baumname,  der  sonst  bekannt  ist.  —  2)  Vgl.  Wilkinson,  Manners  1841, 
V,  S.  262  (reproduziert  u.a.  bei  Erman,  Ägypten  S.368).  —  Vgl.  zur  Sache  auch  Brugsch,  Ägypt. 
S.  309  und  Religion  und  Myth.  S.  621.  —  3)  De  Is.  et  Osir.  cap.  15.  —  4)  Kap.  340  (P.  682ff.,  be- 
sonders 683).  —  5)  Vgl.  auch  die  wichtigen  Texte  bei  Erman,  ÄZ.  38  (1900)  S.  30.  —  6)  Osiris- 
mysterien    S.  28  Anm.  1. 


110  Heinrich  Schäfer:    Das  Osirisgrab  von  Abydos  und  der  Baum  pjer.  [41.  Band. 

hat,   sondern  daß  die  Stelle  den  Namen  erst  erhalten    hat.   als    das  Gottesgrab 
dort  eingerichtet  wurde. 

Ferner    wird    die    von   Maspero    vertretene    Übersetzung1    »Spalt«    und    die 
daraus  gesponnene  Theorie"  nun  ganz  hinfällig. 


Aus  dem  Hohenpriestergrabe  zu  Memphis. 

Von  Henry  Mausen. 

Hierzu  Tafel  I. 


Im  Jahre  1895  wurden  für  das  Berliner  Museum  die  zwei  schönen  Reliefs  12410 
und  12411  erworben,  die,  wie  Erman  nachgewiesen  hat3,  sicher  aus  dem  Grabe 
eines  Hohenpriesters  zu  Memphis  stammen;  1897  wurde  noch  ein  anderes  Bruch- 
stück, 13297,  aus  demselben  Grabe  erworben.  Die  Reliefs  sind  an  den  Rändern 
roh  zurechtgehauen  und  tragen  Reste  von  Kalkbewurf;  wahrscheinlich  wurden 
sie  beim  Abbrechen  eines  Fellachenhauses  in  Sakkarah  ans  Licht  befördert1. 

Die  Zeichnung  (Taf.  I)  zeigt  nun  ein  neues  Bruchstück ,  das  sich  in  der 
Sammlung  Dr.  C.  Jacobsens  in  Kopenhagen  befindet4.  Es  ist  gegen  Ende  der 
neunziger  Jahre  in  Giseh  gekauft  und  hatte,  wie  mir  Prof.  Valdemar  Schmidt 
mitteilt,  als  Treppenstein  in  einem  arabischen  Hause  gedient.  Leider  wurde 
dadurch  die  Oberfläche  so  abgeschliffen,  daß  eine  gute  photographische  Auf- 
nahme nicht  mehr  möglich  ist.  Obwohl  der  Stein  keine  Inschriften  trägt,  kann 
es  keinem  Zweifel  unterliegen,  daß  wir  eine  Darstellung  aus  demselben  Hohen- 
priestergrabe vor  uns  haben,  dem  die  Berliner  Reliefs  entstammen.  Die  leider 
stark  zerstörte  Szene  oben  deckt  sich  ziemlich  genau  mit  der  Darstellung  der 
Laubenerrichtung  auf  dem  Berliner  Relief  12411;  die  Diener  kommen  in  den- 
selben Stellungen  vor.  Das  Trauergeleit  unten  rechts  scheint  aus  denselben 
hohen  Würdenträgern  zu  bestehen;  dieselbe  feine  und  humorvolle  Charakteri- 
sierung ihrer  Trauer  begegnet  uns  auch  hier.  Vor  allem  ist  die  Art  der  Be- 
arbeitung so  ähnlich,  daß  z.  B.  auch  Prof.  Erman  dem  Relief  gegenüber  die 
Zusammengehörigkeit  mit  den  Berliner  Fragmenten  sofort  vermutete.     Die  Dar- 

')    Etudes  eg.  I,  121   und  sonst,  z.B.  noch  Les  Origines  S.  197. 

2)  Vgl.  Osirismysterien  S.  29.  Den  Beweis,  daß  pkr  »Spalt«  heißt,  ist  Maspero  stets  schuldig 
geblieben.  Der  Beweis  müßte,  wenn  er  geliefert  werden  soll,  streng  bei  der  Urform  pkr  bleiben 
und  sich  nicht  mit  entarteten  Formen  des  Ortsnamens  befassen ,  die  sich  mehr  oder  weniger  dem 

Worte    tt^\X  nähern  (s.  Maspero,  Biblioth.  eg.  I,  S.  401). 

3)  ÄZ.  1895,  S.  18.  —  4)  Nummer  der  Sammlung:  A,  83.  Aus  zwei  Blöcken  bestehend. 
Höhe  0,48  m,  Breite  1,52  m.  —  Vgl.  Valdemar  Schmidt,  Ny  Carlsberg  Glyptothek,  den  aegyptiske 
Sämling,  S.  115. 


1904.]  Henry  Mausen:    Aus   dein    Hohen  priestergrabe   ZU   Memphis.  111 

Stellungen  zeugen  alle  für  dieselbe  tüchtige  Künstlerhand;  sie  sind  aber  teils 
in  kleinerem  Maßstabe  ausgeführt,  teils  stark  beschädigt.  Besonders  hübsch 
sind  die  Blumenbeete  am  Ufer  des  kleinen  Sees;  in  lebenswahrer  Darstellung 
werden  sie  wohl  nur  von  den  Teil -el- Amarna -Pflanzen  übertroffen.  Etwas  be- 
fremdend wirkt  zunächst  der  Leichtsinn,  womit  der  Künstler  die  Größenver- 
hältnisse behandelt.  Sind  doch  die  Fische  und  Enten,  die  im  Teiche  herum- 
schwimmen, oder  die  Wasserpflanzen,  die  dort  wachsen,  beinahe  ebenso  groß 
wie  die  Insel  selbst.  Und  die  Kisten  und  Tische  auf  der  Insel  sind  im  Ver- 
gleich mit  denen  im  Garten  nur  winzig1.  In  dieser  Hinsicht  steht  der  Bild- 
hauer also  nicht  über  seinen  Kollegen. 

Das  Relief  gibt  eine  Darstellung  aus  der  Totenfeier.  Die  Szenen  spielen 
sich  im  Garten  ab,  teils  in  der  Umgebung  eines  kleinen  Teiches,  wo  Fische 
und  Enten  zwischen  Wasserpflanzen  herumschwimmen,  und  an  dessen  Ufern 
blühende  Blumenbeete  angelegt  sind,  teils  auf  der  Insel  inmitten  des  Teiches, 
auf  der  früher  wohl  nur  einige  Pflanzen  standen  oder  ein  Schaduf2,  wo  man 
aber  jetzt  das  Totengut  aufgestellt  hat.  Dieses  steht  in  mehreren  Reihen  ge- 
ordnet (vermutlich  in  fünf),  von  denen  aber  nur  vier  erhalten  sind3.  Da  die 
Klageweiber  und  die  Freunde  alle  zu  der  Insel  herüberblicken,  ist  anzunehmen, 
daß  sich  der  Verstorbene  dort  befindet,  und  es  ist  wohl  sein  Sarg,  der,  von 
-[Isis  und]  Nephthys  bewacht,  in  der  obersten  Reihe  steht.  An  seinem  Kopf- 
und  Fußende  befinden  sich  Tische  mit  Opfergaben,  Weinkrügen,  Broten  von 
verschiedener  Form  und  Blumensträußen4.  In  der  zweiten  Reihe  steht  zwi- 
schen vier  ähnlichen  Tischen  ein  Altärchen,  zu  dem  eine  Treppe  hinauf- 
führt0. In  der  dritten  Reihe  stehen  vier  Kisten  mit  Totengut,  zwei  davon  in 
Sargform,  von  Isis  und  Nephthys  geschützt;  in  der  letzten  Reihe  endlich  drei 
Tische  mit  Opfergaben  und  zwei  kleine  Kapellen  (?) ,  wohl  mit  Statuen  des  Ver- 
storbenen, beide  von  zwei  heiligen  Schlangen  bewacht6.  An  den  beiden  Ufern 
der  Insel  hat  man  noch  zwei  längliche  Kasten  (?)  hingestellt,  für  die  in  der 
eigentlichen  Aufstellung  des  Totenguts  kein  Platz  war.  Auch  sie  werden  von 
je  zwei  Schlangen  geschützt. 

Ein  Diener  setzt  in  einem  Boot  über  den  Teich  und  ist  im  Begriff,  auf 
der  Insel  zu  landen.  Augenscheinlich  soll  er  noch  in  letzter  Stunde  bringen, 
was  bei  der  Totenausstattung  vergessen  worden  war,  vor  allem  die  großen 
Blumensträuße,  mit  denen  man  den  Sarg  und  die  Kisten  des  Totenguts  so 
gern  ausschmückte. 


l)  Etwas  Ähnliches  kommt  allerdings  auch  auf  den  Berliner  Reliefs  vor:  13297  ist  der  Tür- 
hüter nur  halb  so  groß  wie  die  begleitenden  Freunde;  12411  sind  die  neun  Ptahpriester  ganz  klein 
dargestellt  im  Vergleich  mit  den  übrigen  Personen.  —  2)  Davies  ,  Rock  -  tombs  of  el  Amarna  I, 
pl.  5  und  32.  ■ —  3)  Der  Maßstab  ist  hier  sehr  klein,  die  Arbeit  ^ziemlich  flüchtig,  außerdem  ist 
beim  Bruch  mehreres  verschwunden.  Obige  Erklärung  gebe  ich  darum  nur  mit  Vorbehalt.  — 
4)  Größer  und  weniger  schematisch:  Berlin  13297.  —  5)  Meine  (symmetrische)  Rekonstruktion  ist 
hier  sicher  irrig.  Der  Altar  hat  nur  eine  Treppe.  —  Vgl.  die  üblichen  Darstellungen,  z.  B.  Davies, 
Rock  tombs  of  el  Amarna  I,  11.  25  usw.  —  6)  Für  Stelen    scheint  die  Form    nicht  zu  passen. 


12  Henry  Madsen:    Aus  dem  Hohenpriestergrabe  zu  Memphis.  [41.  Band. 

Das  Geleit,  die  Freunde  und  Kollegen  des  Verstorbenen,  hat  sich  am  Ufer 
des  Teiches  bei  der  Treppe  aufgestellt,  von  wo  das  Totenschift"  abgefahren  ist. 
Die  vorderen1  stehen  noch  würdevoll  da  und  blicken  mit  ernster  Miene  nach 
dem  Sarg,  der  ihren  toten  Freund  birgt.  Hinten  ist  man  schon  weniger  an- 
dächtig; einer  muß  seine  schöne  Frisur  in  Ordnung  bringen2;  ein  anderer,  viel- 
leicht wieder  der  Kabinettvorsteher3,  wendet  sich  nach  einem  Bekannten  um 
und  hat  ihm  viele  interessante  Dinge  zu  erzählen. 

Am  Ufer  haben  sich  auch  die  Klageweiber  versammelt,  vier  stehend  und 
zwei  sitzend.  Sie  haben  die  Totenklage  schon  begonnen  und  jammern  und 
heulen  nach   allen  Regeln   der  Kunst4. 

Von  den  Szenen,  die  sonst  im  Garten  vor  sich  gehen,  ist  nur  soviel  er- 
halten, daß  man  sieht,  es  waren  im  wesentlichen  dieselben  wie  in  der  ober- 
sten Reihe  des  Berliner  Fragments  12411.  Die  Diener  haben  Lauben  aufgebaut, 
Opfergaben  auf  die  Tische  gelegt  und  die  großen  Gefäße  auf  den  Boden  hin- 
gestellt, sind  aber  jetzt  so  von  Trauer  übermannt,  daß  sie  jammernd  sich  zur 
Erde  werfen  und  ihr  Gesicht  mit  den  Händen  bedecken;  nur  einer  ist  noch 
soweit  seiner  Gefühle  Herr,  daß  er  ruhig  vor  seinem  Tisch  steht  und  die 
Opfergaben  in  Ordnung  bringt. 

Ohne  Zweifel  ist  ja  auf  diesem  Kopenhagener  Relief  ein  Garten  dargestellt. 
Auf  dem  Berliner  Relief  12411  machen  es  schon  die  vielen  Lauben  wahrschein- 
lich (obwohl  nicht  unbedingt  nötig),   daß  auch  hier  die  Vorgänge  sich  im  Garten 

abspielen ;    unter  den    auftretenden  Personen    sind  ein  (]  ü  "Wf  >    ein   Gärtner, 

und  der  f==^  ^  t)  (1  "W\  der  Obergärtner.  Das  Relief  13297  zeigt  die  Außen- 
mauer eines  Landhauses  im  gewöhnlichen  Stil  des  n.  R.5.  Wir  können  daher 
wohl  annehmen ,  daß  das  Hohenpriestergrab  mit  der  ausführlichen  Schilderung 
einer  Totenfeier  im  Garten  geschmückt  war.  Am  Orte,  wo  der  Verstorbene  sich 
im  Leben  vielleicht  am  wohlsten  gefühlt  hatte,  sollte  er  noch  einen  Augenblick 
weilen,  ehe  er  die  Fahrt  über  den  Nil  zu  der  Totenstadt  antrat,  von  seinem 
Hause  zu  seinem  Grabe  ging,  wie  die  Grabsteine  sagen.  In  seinem  Sarge  ruhend 
nimmt  er  noch  einen  letzten  Abschied  von  seinem  schönen  Garten. 

Totenfeierlichkeiten  im  Hause  oder  im  Garten  des  Verstorbenen  werden 
meines  Wissens  nur  selten  dargestellt  oder  erwähnt. 

Im  a.  R.   und  m.  R.   ist  es  kaum  zu  belegen.     Zwar  wird  in  den  Verträgen 

des   ß  "^  s^^J   m^  senien  Totenpriestern  auch  bestimmt,    daß  j^, 


*)    An  den  zwei  ersten  Personen  eine  störende  Überarbeitung. 

2)  Vgl.  den   ~=^,  Berlin  12411. 

3)  ^\5$V   Berlin  12411. 

4)  Die  Frau,  Berlin  12411  oben  rechts,  ist  wohl  auch  ein  Klageweib  und  nicht  die  Frau 
des  Verstorbenen.  —  5)  Vgl.  z.  B.  LD.  III,  93.  96.  106  usw.  — •  Die  Angabe  Ptahtempel,  Ausführl. 
Verzeichn.  S.  152,  war  wohl  nur  eine  Vermutung. 


1904.]  Henry  Madskn:    Aus  dem   Hohenpriestergrabe  zu   Memphis.  113 


@flN-^       Q  |||  ihr   werdet  im  Gefolge  meiner 


Ks  X   o  %  &  w  _M*  o^ 

Statue  sein,  die  in  meinem  Garten  steht,  und  sie  begleiten,  wenn  .  .  .\  aber  die 
Bedeutung:  des  ist  ia  nicht  ganz  sicher.     Und  eine  Darstellung  des  a.  R.", 

die  als  eine  Totenfeier  auf  dem  Hausdach  erklärt  wurde3,  stellt  ganz  sicher, 
wie    schon  Ebman  vermutet    hat4,    eine  Feier   auf  dem    Dach    der  Mastaba  vor. 

In  Gräbern  des  n.  R.  finden  sich  dagegen  einige  Darstellungen,  die  sich 
hierauf  beziehen. 

Auf  einem  Grabrelief  im  Museum  in  Florenz3  sind  die  Särge  und  der  Grab- 
stein aufgestellt  vor  dem  Portal  des  Geflügelhofes  auf  einem  schmalen  Garten- 
weg, der  zwischen  den  Vorratsmagazinen  läuft.  Aus  einem  Grabe  in  Tell-el- 
Amarnar'  wissen  wir,  daß  eben  diese  Stelle  des  Gartens  besonders  beliebt  war. 
Oft  stand  hier  ein  Pavillon  mit  Pflanzensäulen  und  bunten  Uräusgesimsen :  in 
diesem  sitzend  konnte  der  Besitzer  gleichzeitig  die  Blumen  und  Bäume  seines 
Gartens,  die  Enten  und  Gänse  seines  Hofes  und  den  ganzen  Reichtum  seiner 
Vorratskammern  überbücken. 

Im  Grabe  des  Wesirs  iX  i  ^sl     wird   die  Statue   des  Verstorbenen  von 

sechs  Dienern  in  einem  Boote  über  den  Gartenteich  gezogen;  zwei  Totenpriester 
befinden  sich   im  Boote,   am  Ufer  stehen   die  Klageweiber. 

Im  Grabe  des    (yu  ^ ^p£ /i^j  in  Theben  *  ist  die  Villa  und  der  Garten 

des  Verstorbenen  abgebildet:  auf  dem  Gartensee  fährt  ein  Boot  mit  dem  Sarge. 
Ein  Totenpriester  steht  im  Boote,  während  zwei  andere  sich  im  Garten  aufhalten. 

Auf  anderen  Darstellungen  von  Totenfeiern  sind  zwar  Lauben  errichtet,  in 
denen  Opfergaben  für  den  Verstorbenen  aufgstellt  sind  und  vor  denen  Wasser 
gespendet  und  geräuchert  wird,  doch  ist  es  nicht  sicher  zu  entscheiden,  ob 
sie  in  einem  Garten  stehen  oder  nicht9.  Wahrscheinlich  bleibt  es  ja,  daß  es 
nur  weniger  ausgeführte  Darstellungen  von  Totenfeiern  im   Garten  sind. 

Es  ist  sehr  zu  bedauern,  daß  durch  die  Zerstörung  des  Hohenpriestergrabes 
zu  3Iemphis  uns  eine  große  und  künstlerisch  wertvolle  Darstellung  dieser  Toten- 
feier verloren  gegangen  ist. 


l)   Siut  I,  317.  —  2)  LD.  II,  35.  —  3)  Erman,  Ägypten  S.  434.  —  *)  Ibid.  Anm. 

5)  Bkrend.  Musee  de  Florence  S.  103  (vollständig  auf  den  Photographien  2312  und  3824 
des  Berliner  Museums).  Ich  verdanke  diesen  Hinweis  Hrn.  Prof.  Schäfer.  Der  Stein  stammt  sicher 
aus  einem  Grabe  in  Tell-el-Amarna.  —  Eine  ähnliche  Darstellung  (Opfertisch  und  zwei  Statuen 
des  Verstorbenen  in  einem  Säulenhofe  aufgestellt)  auf  dem  Relief  in  dem  University  College  in 
London  bei  Capart.  Rec.  de  mon..  pl.  49. 

6)  Davies,  Rock  tombs  of  el  Amarna  I,  pl.  31.  —  7)  Virey,  Tombeau  de  Rehkmara;  Miss, 
arch.  franc.  V,  pl.38.  —  Nicht  bei  Newberrv  abgebildet.  —  8)  Sept  tombeaux  thebains;  Miss.  arch. 
franc.  V,  S.  319  und  320. 

9)  Mariette,  Mon.  divers  pl.  60.  —  Berlin  12412.  2089  oben.  —  Grab  des  Jl^j  in  Theben 
(Recueil  1899,  S.  128).  —  Scheil,  Tombeau  des  graveurs.  pl.  VIII  (Miss,  arch   frang.  V). 


Zeitschr.  f.  Ägypt.  Spr..  41.  Band.     1904.  15 


114  Henry  Madsen:    Zwei  Inschriften  in  Kopenhagen.  [41.  Band. 


Zwei  Inschriften  in  Kopenhagen. 

Von  Henry  Madsen. 
Mit  einer  Abbildung;. 


In  der  Carlsberg -Glyptothek  in  Kopenhagen  befindet  sich  ein  kleiner  Denk- 
stein des  n.  R.  (vgl.  die  Abb.),  dessen  Inschrift,  so  kurz  sie  ist,  von  hohem 
Interesse  sein  dürfte1. 

Vor  einem  Opfertisch   steht   in  der  Tracht  des  n.  R.   der  Verstorbene 

■■■  IIMIIIü 

~~  v&  der  Türhüter  Rl-mc,  im  Begriff  eine  Libation  auszugießen.     Seine 


Frau  N^A^"      Qli^jJ]    die    Hausfrau   Ttmif    führt    eben    ein    Opfertier  vor. 

Hinter  ihr  steht  ^J— ^D|^=m   ihr   Sohn   Pth-mhb. 

Die  Gottheit,  die  von  .  ~~  ^  angebetet  wird,  ist  nicht 
dargestellt,  aber  ganz  oben  steht  in  einer  horizontalen  Zeile 
der  Name:  - — o  1  (1  .  T"v\  ,  nr^i  die  syrische  Astarte. 
In   einer  kurzen  Inschrift  wird   sie  so  angeredet:  ^^  J  T 

/WWW 

,  ,     .  Nimm  (o  Göttin)  Schönes  für  deinen  Ka! 

Unter  der  Darstellung  steht  —  in  zwei  Zeilen  —  die 
j,  ft  [\- Formel.  Die  kleine  Inschrift  ist  nur  flüchtig 
schwarz  aufgemalt;   zu  sehen  ist  noch: 

(_ji       1  q    I   I  ^  "  I  I   /ww/w  \J       i  i  /www    J— l  2%       I  >i  vy, 

Ein  Opfer,  das  die  syrische  Astarte  gibt,  die  Himmelskönigin,  die  Herrin  der 
beiden  Länder,  die  Herrscherin  der  Götter  [möge  sie  geben  (?)  .  .  .]  Freude,  Herzens- 
freude und  ein  schönes  Begräbnis  im  westlichen  Totenfeld  von  Memphis  —  dem  Tür- 
hüter Rl-m\ 

In  der  Form  des  Namens  o  Jl  (1  .  ohne  o  ist  vielleicht  der  alte  assyri- 
sche Name  Istar  zu  sehen.     Obwohl  Wrw  mit  czi  determiniert  ist,   nicht  mit 


:)    Yaldf.mar  Schmidt.    Ny  Carlsberg  Glyptothek:    A,  103.    —    Höhe    0,25.     Aus    Kalkstein. 

/WWW 

Die  hier  gegebene  Übersetzung  von  ,  .        (vgl.  die  Formel  n  ki-k,  ÄZ.  1898,  148)  verdanke  ich  Hrn. 
Prof.  Schäfer. 


t"^ 


1904.]  Senkt  Madsen:    Zwei  Inschriften  in  Kopenhagen.  llü 

(X),  ist  es  doch  unzweifelhaft,  daß  Syrien  gemeint  ist.  Vielleicht  liegt  eine  Ver- 
wechslung mit  dem  Worte  I  ^\     >     ^^>   Sallier  I,   9,   vor1. 

Der  Stein  ist  in  Memphis  gekauft,  und  in  der  Inschrift  wird  ausdrücklich 
A©  /\  erwähnt.  Wir  haben  also  die  ^sivyi  \<ppo&iT'/\  vor  uns,  »die  fremde 
Aphrodite«,  deren  Heiligtum  nach  Herodot'2  in  Memphis,  südlich  vom  Ptah- 
tempel,  in  der  tyrischen  Niederlassung  lag.    Die  |  (1  gA     ~ ^   s^jJ]    war  ^em 

Namen  nach  sicher  eine  Syrerin;  der  Stein  wurde  wohl  von  ihrem  Gatten  im 
Tempel  der  tyrischen  Aphrodite  als  ein  Zeichen  seiner  Dankbarkeit  und  Zu- 
friedenheit aufgestellt.  Dem  scheint  mir  nicht  zu  widersprechen,  daß  sich  unten 
auf  dem  Steine  die    I  A=^=- Formel  findet. 

Auf  einem  Grabstein  in  einer  Wiener  Privatsammlung3  ist  dieselbe  Göttin 
erwähnt.     Der  Besitzer  ist  ein  ^QA  *~^  ^^v\      8  jfl  Diener  des  Hohenpriesters  von 

Memphis,  Pth-ms,  und  die  Inschrift  sagt:  JA  I     llOuT^    ,     j/n 

nn.T,  ~t      ~      ° "" 


XI 


U    I  N.  N. 


A/\AAAf\ 


Außerdem    kennen   wir  die   Astarte  von  Memphis    aus  einer  von   Brügsch4 

in     dieser    Stadt    gefundenen    Inschrift,    wo    ein   pl -Priester  der  <=>      ■ , 

genannt  wird5. 

Dokumente  der  Ptolemäerzeit  erwähnen  mehrfach  den  Astarte -Tempel  in 
Memphis6. 

IL 

Zu  der  von  Hrn.  v.  Bissing  im  letzten  Band  dieser  Zeitschrift7  publizierten 
(W)  (1(1  J| -Inschrift  füge  ich  das  Relief  A  165  der  Glyptothek  in  Kopen- 

hagen8. 

Oben  knieen  zwei  Männer,  der  Verstorbene  T"\^  $>-cnh(?)  mit  seinem  Sohn 

%-Ji  Nht,  vor  dem  Gott   rffijp|        ^K^z^^-^-'l  j  .    Der  Gott  —  nur  als  Silhouette 

~t  tili 

dargestellt  —  sitzt  auf  seinem  Thron ;  er  ist  menschenköpfig  und  trägt  auf  dem 
Kopf  die  Sonnenscheibe.  Eigentümlich  ist  die  Art  wie  sein  Bart  vom  Gesicht 
getrennt  und  seine  Schenkel  durchgeschnitten  (?)  sind.  Über  den  zwei  knieenden 
Männern   steht  die  Beischrift: 


!)  Vgl.  ÄZ.  1899,  85.  —  2)  Herodot  II,  Kap.  II 2.  —  3)  Recueil  de  travauxVII,  196.  — 
Die  Erklärung  Bergmanns  ist  nicht  haltbar.  —  4)  Brugsch,  Recueil  de  monuments  I,  PI.  4.  Diese 
Inschrift  ist  vielleicht  in  Dynastie  20  zu  setzen.  Nach  dem  Stil  zu  urteilen  ist  die  Kopenhagener 
Stele  wesentlich  früher,  etwa  Dynastie  18. 

5)  Dagegen  hat  natürlich  die  bekannte    sic!   <^>  11  (I  17« 
nisvertrag  Z.  28 ,  nichts  hiermit  zu  tun. 

6)  Vgl.  die  Belege  bei  Wiedemann,  Herodots  zweites  Buch,  S.  433.  —  7)  ÄZ.  1902/3,  144 
—  8)  Kalkstein;  Höhe  0,50;  Ende  des  n.  R.  oder  Spätzeit. 

15* 


a^aaaa  ^    D   ,  W.  Max  Müller,  Bünd- 
en Q^D 


116  Henry  Madsen:    Zwei  Inschriften  in   Kopenhagen.  [41.  Band. 

Ein   Opfer,   das   TJnt-htw  gibt,  der  Herr  der  Wüste  (?),  ein  Totenopfer  für  Si- 
?nh,   den   Herrn  des  Lebe/is,   sowie  für  seinen  Sohn  Nht. 

Unten    steht  in  sieben  horizontalen  Zeilen  die   Inschrift: 


Ein  Opfer,  das  Osiris  gibt,  und  Unt-htw,  der  Horus  im  Gau  von  Athrü)is,  der 
große  Gewaltige  in  Athribis,  der  Herr  des  Lebens  im  Himmel  —  ein  Totenopfer  an 
Brot,  Bier  usw.,  an  allen  (schönen)  Dingen,  von  denen  der  Gott  lebt,  für  den  Priester 
des  Heiligtumes  S?-Cnh  sowie  für  seinen  Sohn  Nht,  geboren  von  der  Tl-gm-nr-lst. 

Durch  diese  Inschrift  in  Verbindung  mit  den  von  Bergmann1  angeführten 
Beispielen  bekommen  wir  eine  ziemlich  genaue  Kenntnis  der  Titel  und  Epitheta 
des   Gottes  für  die  Spätzeit.      Er  ist: 

1.   ^z^"— y  (Kopenhagen).  —   ^zz?  J^L  (Champollion,  Notices  descr.  I,  787). 


~HriT~ 


D^C 


(ÄZ.  1902/3, 146).  —  ^a|^Jf  (RecueilVn,  182).  —  |*H|?  (Lan- 
zone,  Dizionario  di  mitologia  570).  —  Hieraus  erklärt  sich  wohl  die  Schrei- 
bung seines  Namens  ^  *^  in  Personennamen  wie  [f[|]  *)fc^ ^g*  (Lieblein, 
Wörterb.  292). 

2-  U.I^T  (Kopenhagen). 

3-  ?°~?  ^  (ibid.)2. 

4.  ^37?  0  °     (Lanzone,   Dizionario  Taf.  17).   —   ^g   (Kopenhagen). 

5.  ^7f|s,     ^    (Kopenhagen). 


6.  "jl  (ibid.). 

Er  wurde  mit  Horus  identifiziert  (^\  "IM ,  Kap.  142  des  Totenbuches), 

vielleicht  auch  mit  Osiris  (d$T\  '  '  ~|()(|  ^,  Wien  Stele  65),  zuweilen  menschen- 
köpfig  dargestellt  (z.B.  Kopenhagen)  oder  sperberköpfig  (Naville,  Mythe  d'Horus 
Taf.  I),  am  häufigsten  aber  krokodilköpfig  (Lanzone,  621,  988;  Champollion, 
Mon.  II  130;  Pierret,  Inscr.  du  Louvre  I,  78.  —  Vgl.  die  Schreibung  ^  (](j<sss^ 
im  Personennamen   [ffll  ^^J  JL  [Rec.VII,  182]). 

1)  Recueil  de  travaux  VII,  182.  Nicht  von  Bissing  benutzt.  Im  letzten  Augenblick  werde 
ich  darauf  aufmerksam  gemacht,  daß  weiteres  Material  für  die  Titel  des  Gottes  in  den  Inschriften 
Berlin  8803  (Ägypt.  Inschr.,  S.147),   12800  (Obelisk)  und  Pap.  Kahun  31,  34  steckt. 

2)  Die  Femininform  ist  wohl  nur  irrtümlich.     Daß  die  große  Sechmet  gemeint  ist,    ist  kaum 

anzunehmen.  Vgl.  die  Bezeichnung  des  Osiris:  ^|^-[P^,  Kairo  20683;  jl^f©'  Berlin  1204- 
(H.  Schäfer.  Die  Osiris -Mysterien,  S.  14  und  15.) 


1904.]  F.  v.  Oefele:    Astrologisches  in  der  altägyptischen  Medizin.  117 


Astrologisches  in  der  altägyptischen  Medizin. 

Von  Felix  v.  Oefele. 


I.    Zum  Verständnis   der  Astrologie  in  Berlin  P.  8279. 

IMachdem  Sudhoff  im  Anschluß  an  seine  Paracelsusstudien  die  astrologische 
Medizin  des  Mittelalters  in  ihrer  Genese  näher  studiert  hat  und  seine  Ergebnisse 
als  Heft  II  der  Abhandlungen  zur  Geschichte  der  Medizin  vorliegen  (Iatromathe- 
matiker  vornehmlich  im  15.  und  16.  Jahrhundert,  Breslau  1902),  sah  ich  mich 
veranlaßt,  nochmals  die  altorientalische  Iatromathematik  nach  den  neuen  Ergeb- 
nissen von  Sudhoff  in  meinen  Notizensammlungen  nachzuprüfen  und  zu  ergänzen. 

Es  sei  zunächst  die  Definition  von  Sudhoff  S.  2  an  die  Spitze  gestellt: 
»Die  Iatromathematik  als  historisch -medizinischer  Terminus  bedeutet  die  An- 
wendung der   Astrologie  auf  die  Heilkunde.« 

Diese  mittelalterliche  Iatromathematik  beruft  sich  stets  auf  die  alten  Ägypter 
bez.  auch  Chaldäer  als  Lehrer;  und  in  dieser  Lehre  ist  das  Horoskop  mit  der  Posi- 
tion der  zwölf  Tierkreiszeichen  als  zwölf  aufeinanderfolgende  sogenannte  Häuser 
die  Grundlage  aller  Prognose.  In  diesen  Häusern  kommen  aber  nicht  die  Tierkreis- 
zeichen, sondern  die  Planeten  zur  Geltung,  wie  noch  in  Schillers  Wallenstein 
richtig  ausgesprochen  wird. 

Wer  für  eine  Geburtsstunde  oder  für  einen  Erkrankungstag  (xuToixXtG'ig, 
decubitus)  nachträglich  das  Horoskop  stellen  sollte,  mußte  für  die  einzelnen 
Planeten  als  Hilfstabelle  auf  Jahre  zurück  für  jeden  Tag  (oder  selbst  Stunde) 
die  Stellung  im  Tierkreis  zurückschlagen  können.  Für  solche  Tabelle  war  aber 
nur  der  Eintritt  jedes  Planeten  in  ein  neues  Zeichen  zu  vermerken.  Solange  der 
Planet  rechtläufig  ist,  tritt  er  von  dem  vorhergehenden  Zeichen  in  das  folgende, 
bei  der  scheinbaren  Rückläufigkeit  von  dem  folgenden  wieder  in  das  vorher- 
gehende zurück. 

Die  inneren  Planeten  Merkur  und  Venus  treten  ungefähr  in  jedem  Monate 
in  ein  neues  Zeichen,  und  zwar  bei  eintretender  Rückläufigkeit  unter  Umständen 
noch  öfter.  Die  äußeren  Planeten  treten  aber  je  nach  der  längeren  Dauer  ihres 
Umlaufes  um  die  Sonne,  also  auch  je  nach  der  Entfernung  von  letzterer,  von 
der  Erde  aus  betrachtet  in  größeren  Zwischenzeiten  in  ein  neues  Tierkreis- 
zeichen. Eine  astrologische  Hilfstabelle  für  den  jeweiligen  Planetenstand  inner- 
halb des  Tierkreises  wird  mit  Berücksichtigung  der  Rückläufigkeit  für  Saturn 
darum  jedes  Jahr  durchschnittlich  nur  eine  Positionsveränderung,  ein  bis  zwei 
für  Jupiter  und  noch  mehr  für  Mars  anzugeben  haben,  während  die  schon 
erwähnten  Höchstzahlen  die  beiden  inneren  Planeten  erreichen. 


118  F.  v.  Oefele:    Astrologisches  in  der  altägyptischen  Medizin.  [4L  Band. 

Genau  dieser  Anforderung  entspricht  der  Papyrus  8279  der  Handbücher 
der  Kgl.  Museen  zu  Berlin  in  der  mitgeteilten  Probe.  Daraus  sind  auch  die 
Elongationen  der  Planeten  zu  berechnen  und,  da  Venus  nur  bis  46y.20  und 
Merkur  nur  bis  23°  Elongation  erreichen  kann,  so  ist  auch  der  Sonnenstand 
bez.  der  Jahresanfang  auf  heutigen  Kalender  bezogen  zu  erhalten.  Die  5y4 
überschüssigen  Tage  sind  für  die  folgende  Betrachtung  einstweilen  vernachlässigt. 

Am  1.  Tage  des  1.  Monats  muß  zur  Ermöglichung  der  Sternstellungen 
(Elongationen)  die  Sonne  in  das  Zeichen  der  Jungfrau  treten,  was  einen  Jahres- 
anfang nach  unserem  Kalender  am  23.  August  ergeben  würde.  Am  20.  Tage 
des  1.  Monats  steht  dann  die  Sonne  20°  tief  in  der  Jungfrau.  An  diesem  Tag 
im  25.  Jahre  war  aber  nach  P.  8279  die  Venus  in  die  Wage  eingetreten  und 
war  somit  der  Sonne  um  10°  im  Laufe  vor,  da  natürlich  der  Eintritt  der  Venus 
am  Grenzpunkt  von  Jungfrau  und  Wage  erfolgt.  Am  *23.  Tage  des  2.  Monats 
ist  die  Sonne  dann  angeblich  *23°  in  der  Wage.  Die  Venus  trat  aber  angeblich 
an  diesem  Tage  in  den  Skorpion  ein  und  wäre  *7°  im  Laufe  vor.  Wie  sich 
aber  bei  genauer  Untersuchung  ergibt,  ist  hier  dem  Schreiber  des  Papyrus  ein 
menschlicher  Schreibfehler  untergelaufen,  und  es  muß  13.  Tag  des  2.  Monats 
lauten,   was   17°  vor  der  Sonne  ergibt. 

Modern  würden  wir  uns  hier  ausdrücken:  die  Venus  hat  im  letzten  Monat 
(bez.  den  Schalttagen)  des  Jahres  24  in  oberer  Konjunktion  mit  der  Sonne  ge- 
standen und  ist  kurz  darnach  nach  Sonnenuntergang  Abendstern  geworden. 
Mit  abnehmender  Schnelligkeit  vom  1.  bis  8.  Monat  durchläuft  die  Venus  in 
23,  24,  25,  25,  25,  26,  28,  29  Tagen  je  ein  Tierkreiszeichen  und  vergrößert 
dadurch  fortwährend  ihren  scheinbaren  Sonnenabstand  von  10°  zu  17°,  zu  23°, 
zu  28°,  zu  33°,  zu  38°,  zu  42°,  zu  44°  und  zu  45°  östlicher  Elongation.  Durch 
die  Fehlerquellen  der  Rechnung  mit  360  Tagen  entspricht  dies  wohl  der  größten 
Elongantion,  welche  modern  mit  461/2°  angegeben  wird.  Von  da  ab  näherte 
sich  die  Venus  immer  noch  rechtläufig  der  Sonne,  so  daß  die  Venus  am  23.  Tage 
des  9.  Monats  in  den  Krebs  eintrat  und  damit  nur  mehr  37°  östliche  Elongation 
besaß.  Im  Krebs  mußte  dann  die  Venus  bei  28°  östlicher  Elongation  stationär 
geworden  sein.  Danach  bewegte  sich  die  Venus  mit  zunehmender  scheinbar 
retrograder  Bewegung  auf  die  Sonne  zu.  Sie  passierte  dabei  mit  21°  östlicher 
Elongation  am  9.  Tage  des  10.  Monats  nochmals  den  gleichen  Himmelsmeridian 
wie  am  23.  Tage  des  9.  Monats.  Das  erstemal  war  die  Venus  in  diesem 
Meridian  rechtläufig  von  den  Zwillingen  zum  Krebs  übergetreten  und  das  zweite- 
mal rückläufig  vom  Krebs  in  die  Zwillinge.  (Zum  dritten  Male  inzwischen 
wieder  rechtläufig  geworden,  und  als  Morgenstern,  werden  wir  am  12.  Tage 
des  12.  Monats  die  Venus  nochmals  den  gleichen  Himmelsmeridian  wieder  von 
den  Zwillingen  zum  Krebs  überschreiten  sehen.)  Hier  in  den  Zwillingen  ist 
im  11.  Monat  die  Venus  bei  ihrer  unteren  Konjunktion  in  den  Strahlen  der 
Sonne  verschwunden  und  ist  mit  zunehmender  westlicher  Elongation  zum  Morgen- 
stern geworden.      Die  Sonne  trat  inzwischen  in  den  Krebs  im   12.  Monat,  und 


1904.]  F.  v.  Oefele:    Astrologisches  in  der  altägyptischen  Medizin.  119 

die  Venus  erreichte  die  westliche  Elongation  von  28°  und  wurde  dann  nach 
ihrem  westlichen  Stillstand  (wurde  stationär)  wieder  langsam  rechtläufig.  Am 
12.  Tage  des  12.  Monats  überschritt  die  Venus  innerhalb  eines  Vierteljahres 
jetzt  mit  42°  westlicher  Elongation  und  als  Morgenstern  zum  dritten  Male  den 
gleichen  Meridian  in   den  Krebs   eintretend. 

Nach  vorstehender  Betrachtung  entsprechen  die  Stellungen  der  Venus  im 
25.  Jahre  nach  P.  8279  einem  gut  verfolgbaren  Abschnitt  der  scheinbaren  Venus- 
bahn von  582  Tagen  innerhalb  eines  Jahres  und  innerhalb  feststellbarer  Ab- 
schnitte des  Tierkreises.  Es  ist  sogar  möglich  gewesen,  einen  Schreibfehler 
(23.  Tag  des  2.  Monats  an  Stelle  von  richtigem  13.  Tag  des  2.  Monats)  fest- 
zustellen. Der  Text  P.  8279  ist  darum  astronomisch  wichtig.  Allerdings  der 
Schreiber  des  alten  Textes  hat  sicherlich,  wie  schon  Erman  ausgesprochen  hat, 
diese  Listen  zu  astrologischen  Zwecken  benutzt.  Wir  können  heute  noch  mit 
Hilfe  dieser  Tafel  für  eine  beliebige  Stunde  in  diesem  Jahre  25  das  Horoskop 
(mit  einer  einzigen  Lücke)  stellen. 

Wir  wollen  annehmen,  am  6.  Tage  des  4.  Monats  in  diesem  25.  Jahre  hätte 
abends  7  Uhr  eine  Frau  ihren  ersten  Anfall  einer  Gallensteinkolik  gehabt  und 
würde  auch  im  zweiten  Jahre  des  Claudius  noch  an  solchen  Anfällen  leiden. 
Der  Schreiber  des  P.  8279  würde  nach  dem  allgemeinen  Kalender  feststellen, 
daß  die  Sonne  im  Skorpion  und  nach  der  Tabelle  Saturn  im  Widder,  Jupiter 
im  Widder,  Mars  in  der  Wage,  Venus  im  Steinbock  und  Merkur  im  Schützen 
stand.  Wenn  nun  die  Sonne  6  Tage  (d.  h.  Grade)  im  Skorpion  steht,  so  ist 
abends  7  Uhr  der  Skorpion  noch  nicht  ganz  untergegangen,  und  der  Stier  ist 
im  Aufgehen  begriffen.  Daher  muß  vom  Stier  aus  als  erstem  Haus ,  die  Zwillinge 
als  zweites  u.  s.  w.   gezählt  werden.      Horoskop: 

Im  6.  Haus  der  Gesundheit,   xcczvi  rv%y\:      Mars, 

im  7.  Haus  der  Ehe,  $u<rtg:  Sonne, 

im  8.  Haus  des  Todes,  oipyov:  Merkur, 

im   9.  Haus  des  Gottes,  Secg:  Venus, 

im  12.  Haus  der  Feindschaft,  xoLxoS&ifxwv:  Jupiter  und  Saturn 

in  Konjunktion. 

Schon  der  eine  Satz  des  späteren  Arnaldus  von  Villanova,  welcher  wohl 
nur  alte  Tradition  widerspiegelt,  daß  »mächtige  Herren«  im  6.  bis  8.  Hause 
schlecht  für  den  Kranken  sind,  müßte  für  solches  Horoskop  eine  schlechte 
Prognose  geben1.  Wenn  doch  wenigstens  im  4.  Hause  für  die  Arznei  (hier  Löwe) 
oder  im  10.  Hause  für  den  Arzt  (hier  WTassermann)  ein  günstiges  Zeichen 
stünde !  Da  könnte  noch  der  Mond  im  ersten  oder  letzten  Viertel  in  diesen 
Zeichen   helfen.     Aber    diese   Sterntafel   gibt   uns    scheinbar  keinen  Anhalt,   in 


J)  Insofern  traf  die  astrologische  Prognose  wirklich  meist  zu,  als  fieherhafte  Krankheiten 
meist  abends  beginnen  und  dann  die  Sonne  im  6.,  7.  oder  8.  Hause  steht  und  somit  die  Sonne 
als  mächtiger  Herr  meist  die  Erkrankung  mit  Fieber  und  Schüttelfrost  richtig  als  gefährlich  er- 
scheinen ließ. 


120  F.  v.  Oefele:    Astrologisches  in  der  altägyptischen  Medizin.  [41.  Band. 

welchem  Hause  der  Mond  steht.  Und  doch  wäre  nach  den  Tabellen  des  Hermes 
Trismegistos  der  Mond  in  den  einzelnen  Tierkreiszeichen  und  zugleich  in  Kon- 
junktion, Opposition  oder  Quadratur  mit  einem  der  Unglücksstifter  Saturn  oder 
Mars  von  entscheidendem  Einfluß  auf  den  Verlauf  der  Krankheit.  Im  orienta- 
lischen Kalender,  welcher  als  israelitischer  Kalender  noch  bis  heute  im  Gebrauch 
ist,  wäre  die  Mondstellung  schon  durch  das  Datum  gegeben.  Bei  gleichem 
Verfahren  für  das  gewählte  Beispiel  würde  das  Datum  als  Mond  gewählt  den 
Mond  in  das  9.  Haus  und  damit  in  Quadratur  sowohl  zu  Mars  wie  Saturn 
bringen.  Zwei  Tage  später  in  derselben  Tagesstunde  wäre  das  Horoskop  das 
gleiche,  nur  daß  dann  der  Mond  aus  seiner  Quadraturstellung  zu  den  Unglücks- 
planeten ausgetreten  und  im  10.  Haus  in  das  Haus  des  Arztes  getreten  wäre. 
Ein  tatsächliches  ägyptisches  Horoskop  hat  Spiegelberg  in  der  Orientali- 
stischen Literaturzeitung  1902  Nr.  6  von  einem  Ostrakon  publiziert.  Es  ist 
letzteres  ein  Horoskop  der  Mittagsstunde  des  13.  Epiphi  mit  umständlicher 
Orientierung  der  Tierkreiszeichen  für  die  Stunde  des  Horoskops.  Da  vielleicht 
noch  mehr  derartige  Texte  erhalten  sind  und  es  nicht  jedermanns  Sache  ist, 
sich  in  dieses  Gewirr  astrologischen  Aberglaubens  hineinzuarbeiten,  so  tragen 
vielleicht  vorstehende  Zeilen  zum  Verständnis  solcher  Texte  bei. 

Nachtrag. 
Vorstehendes  Manuskript  war  abgeliefert  und  dabei  absichtlich  zur  Ver- 
einfachung sowohl  der  Jahresrest  von  5J/4  Tagen  als  die  Schnelligkeitsdifferenz 
für  Sommer  und  Winter  außer  Betracht  gelassen,  als  ich  bei  meiner  geringen 
Fühlung  mit  der  ägyptologischen  Literatur  erfuhr,  daß  inzwischen  von  Spiegel- 
berg demotische  Papyri  aus  den  Kgl.  Museen  zu  Berlin  publiziert  waren.  Eine 
gleiche  Auffassung  von  dem  ägyptischen  Texte  läßt  sich  aus  dem  begleitenden 
Text  entnehmen,  soweit  Spiegelberg  mit  dem  Astronomen  Wislicenus  Rück- 
sprache genommen  hatte.  Wislicenus  hatte  sogar  die  5y4  Tage  Jahresrest  und 
die  Erdbeschleunigung  in  der  Sonnennähe  berücksichtigt.  Aber  Wislicenus 
war  bei  der  offensichtlichen  Fehlerhaftigkeit  mancher  Zahlen  nicht  näher  auf 
die  Kontrolle  der  Planetenbahnen  eingegangen.  Da  aber  nach  astrologischen 
Grundsätzen  das  Jahr  25  in  der  Conjunctio  maxima  die  Angabe  vom  biblischen 
Stern  der  Weisen  widerspiegelt,  so  halte  ich  meine  vorstehenden  sachlichen 
Mitteilungen  immer  noch  für  angebracht  und  möchte  an  die  umfangreichere 
Publikation  von  Spiegelberg  eine  Besprechung  anschließen,  in  welcher  ich 
Spiegelberg  glaube   wesentlich   ergänzen  zu  können. 

II.    Zu  Tafel  97   und  99  der  demotischen  Papyrus  aus  den  Kgl.  Museen 

zu  Berlin. 
Taf.    97    und    99    enthalten    astrologische   Texte,    und    Taf.    98    ist    eine 
Tafel  zur  Traumdeutung.      Da  dergleichen  Verirrungen  stark  in  die  Prognosen 
der    alten  Medizin    hineinspielen,    hat   sich    Schreiber   auch    mit    diesen   Dingen 


1904.]  F.  v.  Okiei.f. :    Astrologisches  in  der  altägyptischen  Medizin.  121 

beschäftigt.  Die  Verwendung  dieser  Art  die  Zukunft  zu  erforschen,  erstreckte 
sich  aber  auf  viel  weitere  Gebiete  als  die  Tätigkeit  des  Arztes,  welche  Gebiete 
dem  Schreiber  aber  ferner  liegen.  Wenn  Schreiber  daher  in  den  folgenden 
Auseinandersetzungen  etwas  viel  medizinische  Astrologie  betont,  so  sei  im  voraus 
bemerkt,  daß  sicli  die  Astrologie  auch  auf  alle  anderen  Lebensverhältnisse  in 
gleichem  Alaße  bezog. 

Die  Astrologie  war  die  konsequent  angewandte  Wissenschaft ,  aus  Stern- 
stellungen  Vorhersagungen  abzuleiten.  Die  Fixsterne  besitzen  stets  gleiche 
Stellung  zueinander  und  schieden  damit  als  Einzelsterne  aus.  Die  Kometen 
waren  zu  selten  und  ergaben  darum  nur  ausnahmsweise  Beobachtungsobjekte. 
Als  regelmäßige  Beobachtungsobjekte  der  alten  Astrologie  konnten  also  nur 
die  Planeten  (Mond ,  Merkur.  Venus ,  Sonne ,  Mars ,  Jupiter  und  Saturn)  in  ihrer 
St.lking  zu  den  Sternbildern  der  Fixsterne,  zum  Standpunkt  des  Beobachters 
und  untereinander  in  Betracht  kommen.  Diese  drei  Möglichkeiten  wurden  tat- 
sächlich kombiniert  und  in  allen  Kombinationen  ausgenutzt. 

Da  sich  alle  Planeten  nur  innerhalb  der  Tierkreisebene  am  Fixsternhimmel 
bewegen,  kommen  von  den  Sternbildern  nur  die  zwölf  Tierkreiszeichen  in  Be- 
tracht. Die  Stellung  der  Sonne  innerhalb  dieser  Zeichen  und  hinwiederum 
die  Stellung  zum  Beobachter  ergibt  unsere  Jahreszeiten  und  Tageszeiten  und 
damit  objektiv  unbestreitbar  Einflüsse  auf  Gesundheit  und  Krankheit.  Hiermit 
die  Stellung  des  Mondes  kombiniert,  ergibt  die  Mondphasen,  welche  in  der 
modernen  Wetterprognose  durch  Falb  neuerdings  rehabilitiert  wurden.  Bis 
hierher  kann  im  modernen  Sinne  noch  von  einer  Wissenschaft  gesprochen 
werden.  Die  Alten  suchten  aber  die  Konsequenzen  auch  auf  die  fünf  bekannten 
echten  Planeten  auszudehnen,  und  damit  beginnt  für  uns  die  Afterwissenschaft 
der  Astrologie. 

In  ihrer  Art  war  die  Astrologie  bei  allen  Veränderungen  in  Einzelheiten 
im  Grundschema  stets  unverändert,  und  dieses  Grundschema  soll  nach  konsequent 
wiederkehrender  Versicherung  altägyptisch  sein,  soweit  nicht  in  selteneren 
Fällen  die  Chaldäer  als  Gewährsmänner  aufgeführt  werden.  Die  Anwendung 
der  Astrologie  auf  die  Ausübung  der  Heilkunde  hieß  Iatromathematik.  Die 
Literaturnachweise  für  obige  Mitteilungen  können  darum  in  Sudhoff,  Iatro- 
mathematiker,  Breslau  1902,  nachgesehen  werden.  Bis  jetzt  fehlte  aber  der 
ägyptische  Beweis,  daß  die  Behauptung  der  ägyptischen  Quellen  für  das  Mittel- 
alter auf  Wahrheit  beruht.  Und  ein  Beitrag  zu  diesem  Beweise  sollen  zunächst 
die  nachfolgenden  Zeilen  sein. 

Für  den  beobachtenden  Astrologen  mußte  zuerst  das  Tierkreisgebiet  in 
eine  feste  Stellung  gebracht  werden.  Indem  Aufgang,  Untergang,  Kulmination 
und  Tiefpunkt  je  einen  Abschnitt  erhielten  und  die  Zwischenstücke  nochmals 
halbiert  wurden,  zerfiel  die  Tierkreisebene  des  Beschauers  in  zwölf  Teile.  Man 
zählte  dabei  vom  Aufgang  zum  Tiefpunkt,  zum  Untergang,  zur  Kulmination  und 
zurück   zum    Aufgang   und   bezeichnete    diese   zwölf  Abschnitte    als    »Häuser«, 

Zeitschr.  f.  Äcypt.  Spr..  41.  Band.     1904.  16 


122 


F.  v.  Oefei.e:    Astrologisches  in   der  altägyptischen  Medizin. 


[41.  Band. 


so  daß  also  am  Morgen  die  Sonne  im  1.  Hause,  um  Mitternacht  im  4.  Hause, 
am  Abend  im  7.  Hause  und  mittags  im  10.  Hause  stand.  Jedes  dieser  Häuser 
wurde  nun  nicht  mathematisch,  wenn  wir  den  Ostpunkt  0  nennen  wollen, 
mit  15,  45,  75,  105,  135,  165,  195,  225,  255,  285,  315  und  345°  abgegrenzt, 
sondern  stets  mit  den  Grenzen  eines  Sternbildes,  also  mit  bis  zu  14°  Fehler  aus 
praktischen  Gründen  abgeschlossen.  Diese  Häuser  hatten  in  der  Astrologie 
ihre  feste  Bedeutung,  welche  in  den  Aspekten,  d.h.  also  in  den  bezüglichen 
Planeten,  mit  dem  zugehörigen  Sternbild  ihre  Beeinflussung  fanden.  Man  gab 
daher  den  einzelnen  Häusern  feste  Namen,  worüber  jedes  Konversationslexikon 
Aufschluß  gibt,  so  daß  ich  von  speziellen  Literaturnachweisen  absehen  kann1. 
Das   Grundschema  eines  Horoskopes  wäre   somit: 


Kulmination 


Osten 


Westen 


Tiefpunkt 

1.  Haus  des  Lebens   oder  des  Kranken  (ortus,  mcctoXyj), 

2.  »  des  Reichtums  (porta  inferior), 

3.  »>  der  Brüder  (Dea), 

4.  »  der  Verwandtschaft  oder  der  Arznei  (imum  coelum,  vTroyeicv), 

5.  »  der  Kinder  (uyo&r,  tv%yj,  bona  fortuna), 

6.  »  der  Gesundheit  und  Krankheit  oder  der  Diener  (mala  fortuna), 

7.  »  der  Ehe  (occasus,   (k)<7is), 

8.  »  des  Todes   (porta  superna,  upyov) 

9.  »  der  Religion  (Deus), 

10.  »  des  Arztes  oder  der  Würden  (ixe<rovpctvv\fjLtt,,  medium  coelum), 

11.  »  der  Freundschaft  (oLyct$o$oüiJ.wv), 

12.  »  der  Feindschaft  (x#xo<W|Uwv). 


x)  Ein  kleines  bequemes  Hilfsbuch  ergibt:  Ernst  Mayer,  Handbuch  der  Astrologie,  Berlin  1891. 


1904.]  F.  v.  Oefele:    Astrologisches   in   der  altägyptischen  Medizin.  123 

Sehen  wir  uns  daraufhin  Tai'.  97  mit  P.  8345  an.  so  sind  für  Venus 
und  Merkur  die  Prognosen  verzeichnet,  je  nachdem  diese  Planeten  in  einem 
der  Häuser  stehen.  Dabei  sind  Haus  I  und  Haus  VII  S.  1  Z.  2,  S.  2  Z.  5, 
S.  3  Z.  11  und  S.  4  Z.  20  nur  als  Aufgang  und  Untergang  bezeichnet.  Daß 
die  Ägypter  in  gleicher  Reihenfolge  wie  die  mittelalterliche  Astrologie  gezählt 
haben,  ergibt  sich  daraus,  daß  auf  den  A'enusuntergang  =  Haus  V"II  in  S.  2 
.Z.  5  das  Haus  des  Todes  =  Haus  VIII  in  S.  2  Z.  10  und  das  Haus  des  Gottes  — 
Haus  IX  in  S.  2  Z.  14  folgen.  Das  Haus  der  Sait  in  S.  3  Z.  1  wäre  dann 
Haus  X  der  Würden  (?)  und  das  Haus  des  Ssr  vielleicht  Haus  XI.  Dann  würde 
aber  am  sichtbaren  Osthimmel  immer  noch  ein  Haus  fehlen.  Entweder  ist 
am  Ende  der  S.  2  oder  ungefähr  in  Z.  4  der  S.  3  ein  Haus  zerstört.  Mir  liegt 
leider  nur  der  Ubersetzungstext  und  Taf.  99,  nicht  aber  Taf.  98  vor,  so  daß  ich 
diese  Möglichkeiten  nicht  paläographisch  beurteilen  kann.  Auch  würde  ich  jeden- 
falls zu  geringe  ägyptologische  Kenntnisse  zu  solcher  Untersuchung  besitzen. 
Sachlich  würde  S.  3  Z.  1  bis  6  die  größte  Wahrscheinlichkeit  als  zusammen- 
gehörige Prognose  für  das  X.  Haus   ergeben. 

Als  Haus  VI  ergibt  sich  das  Haus  des  WTy  in  S.  2  Z.  1  und  S.  4  Z.  15. 
Auf  S.  1  gibt  Spiegelbekg  für  Z.  9  und  14  noch  zwei  nicht  mitgeteilte  Kon- 
stellationen an.  Es  muß  diese  Seite  aber  noch  überdies  zwei  weitere  Kon- 
stellationen enthalten  haben,  d.  h.  im  ganzen  Haus  II  bis  V.  Leider  gibt  für 
Z.  9  und  14  Splegelberg  nicht  einmal  die  Xarnen  der  Häuser.  S.  3  nach  Z.  14 
ist  dann  wohl  zum  zweiten  Male  die  Erwähnung  des  II.  Hauses  zu  erwarten. 
S.  4  Z.  1  wurde  dann  im  Hause  des  Si  das  Haus  III,  mit  Z.  6  im  Hause 
des  Sduat  das  Haus  IV  und  mit  Z.  10  im  Hause  der  Sepsit  das  Haus  V  er- 
geben. 

Diese  Häuserbenennung  ist  aber  wohl  kaum  altägyptisch,  sondern  wohl 
aus  babylonischer  Astrologie  entlehnt.  In  Leps.  Denkm.  III.  227,  welche  ich 
nach  Ekman,  Ägypten  S.  467  zitiere,  läßt  sich  aus  dem  Fortrücken  um  eine 
Stunde  im  halben  Monat  erkennen,  daß  diese  Astronomie  mit  Abschnitten  von 
15°  des  Tierkreises  im  Gegensatz  zu  den  Abschnitten  von  30c  im  einzelnen 
Haus  des  besprochenen  astrologischen  Textes  rechnete.  Aber  auch  dort  werden 
für  die  über  dem  Horizont  stehenden  Sterne  fünf  Positionen  unterschieden: 
linker  Ellenbogen,  linkes  Au<?e.  Herz,  rechtes  Au^e.  rechter  Ellenbogen,  welche 
somit  den  späteren  Häusern  VLTI — XII  entsprechen.  Ich  kann  aber  hier  auf 
diese  älteren  Sternlisten,  welche  ebenfalls  Hilfsmittel  zur  Stellung  des  Horoskops 
waren,  so  gut  wie  Taf.  99,  nicht  näher  eingehen.  Es  sei  nur  soviel  erwähnt, 
daß  diese  älteren  Tabellen  den  Zweck  hatten,  die  Tierkreisbilder  für  einzelne 
Tage  und  Stunden  in  die  astrologischen  Häuser  verteilen  zu  können,  und  daß 
auch  deshalb  nur  jeden  halben  Monat  eine  neue  Positionstabelle  gegeben  wird, 
weil  eben  gerade  nach  einem  halben  3Ionate  die  Sternpositionen  um  eine  Stunde 
verschoben  sind.  Die  ägyptischen  Namen  der  Tierkreisbilder  sind  darum  aus 
den  Tafeln  bei  Lepsius  III,   227  und  Ahnlichem  zu  entnehmen. 

16' 


124  F.  v.  Oefele:    Astrologisches  in  der  altägyptischen  Medizin.  [41. Band. 

Wenn  nun  der  Astrologe  die  zwölf  Häuser  und  in  ihnen  die  zwölf  Tier- 
kreiszeichen nach  Tabellen  ähnlich  denen  bei  Erman,  Ägypten,  S.  467  für  einen 
bestimmten  Tag  und  eine  bestimmte  Stunde  -  diese  Stellung  war  ja  in  jedem 
Jahr  zur  selben  Stunde  wieder  die  gleiche  —  festgelegt  hatte,  so  mußte  nun 
Sonne,  Mond  und  die  fünf  Planeten  in  das  richtige  Sternbild  und  somit  in 
das  astrologische  Haus  eingeschrieben  werden.  Für  die  Sonne  war  dies  wieder 
für  jede  Tagesstunde  die  gleiche  Position.  Auch  der  Mond  konnte  nach  erstem 
Viertel,  Vollmond,  letztem  Viertel  und  Neumond  und  den  Differenzen  in  richtige 
Lage  zur  Sonne  gebracht  werden.  Schwieriger  war  dies  für  die  übrigen  fünf 
Planeten  bei  ihrem  scheinbar  unregelmäßigen  Laufe,  der  manchmal  stationär 
und  rückläufig  wurde.  Hierfür  mußten  besondere  Tabellen  aufgestellt  werden 
und  in  Taf.  99  liegt  uns  eine  solche  Planetentafel  zu  astrologischen  Zwecken 
aus   den  Jahren   14  —  41    des  Kaisers  Augustus  vor. 

Der  Leser  kann  nun  fragen,  warum  diese  Sternstellungen  nicht  direkt 
vom  Himmel  abgelesen  wurden.  Denn  das  einfachste  und  sicher  auch  das  ur- 
sprüngliche war  es,  in  einer  bestimmten  Stunde  der  Nacht  direkt  und  am 
Tage  unter  Abbiendung  des  Tageslichtes  den  gestirnten  Himmel  im  Bereich  des 
Tierkreises  zu  betrachten  und  damit  festzustellen,  ob  die  Planeten  aufgingen 
oder  untergingen  oder  im  ersten  oder  zweiten  Drittel  am  Ost-  oder  Westhimmel 
der  Kulmination  nahe  standen.  P.  8345  zeigt  uns,  daß  dies  nicht  möglich  war. 
Denn  von  Einfluß  waren  die  Sternstellungen,  welche  zur  Zeit  der  Geburt  vor- 
handen waren.  Und  nach  diesem  Einfluß  fragte  gar  oft  der  erwachsene  Mann, 
bei  dessen  Geburt  ein  genaues  Horoskop  versäumt  worden  war.  Geburtstag 
und  Geburtsstunde  wußte  der  einzelne  Mann,  und  daraus  war  dann  gar  häufig 
der  Sterndeuter  gezwungen,  alle  Elemente  des  Horoskopes  zurückzurechnen.  Wie 
wir  heute  aber  unsere  Logarithmentafeln  zur  Vereinfachung  des  Rechnens  be- 
nutzen, so  rechnete  der  Astrologe  das  einzelne  Geburtshoroskop  nicht  zurück, 
sondern  bediente   sich  ein  für  allemal  gültiger  Tabellen. 

Die  Planetentabellen  konnten  sehr  stark  gekürzt  werden,  da  jeder  Planet 
meist  nahezu  einen  Monat  bis  zu  mehreren  Monaten  im  gleichen  Tierkreisbild 
verblieb.  Es  war  also  nur  nötig,  den  Eintritt  jedes  Planeten  in  jedes  neue 
Tierkreisbild  zu  verzeichnen.  Meist  erfolgte  dieser  Eintritt  in  der  bekannten 
Reihenfolge:  Sunt  Aries,  Taurus,  Gemini  usw.  Ausnahmsweise  trat  während 
der  scheinbaren  Rückläufigkeit  auch  wohl  ein  Planet  nochmals  in  das  vorher- 
gehende Zeichen,  um  danach  seinen  richtigen  Lauf  fortzusetzen.  Alles  dies 
ergab  sich  aber  von  selbst,  wenn  nur  die  Eintritte  in  neue  Zeichen  notiert 
waren.  Eine  Genauigkeit  der  Abgrenzung  der  Sternbilder  und  eine  Genauig- 
keit der  Beobachtung  oder  Berechnung  der  Planetenbahnen,  um  die  Stunde 
des  Eintritts  eines  Planeten  in  ein  neues  Tierkreiszeichen,  also  Bruchteile  von 
einem  Bogengrad,  zu  bestimmen,  war  der  alten  Astronomie  kaum  möglich.  Nach 
Tag  und  Monat  der  Eintritt  des  Planeten  in  ein  neues  Zeichen  war  also  alles, 
was  das   Altertum  leisten   und  erwarten    konnte.      Und    eine    solche  Tafel   liegt 


1904.]  F.  v.  Oefele:    Astrologisches  in  der  altägyptischen  Medizin.  L25 

in  P.  8279  tatsächlich  28  Jahre  umspannend  vor.  Nach  dieser  Tafel  wurde 
das   Geburtshoroskop  für  den  einzelnen  Klienten  des   Astrologen    rekonstruiert. 

War  solcher  Art  das  Horoskop  im  astronomischen  Teil  durch  Einsetzen 
der  Planeten  als  Aspekten  fertig,  so  hatte  die  Deutung  zu  beginnen.  Für  diese 
Deutungen  war  erstens  jeder  Planet  in  seinem  augenblicklichen  Hause  und  dann 
die  gegenseitige  Stellung  der  Planeten  nach  den  Winkeln  von  0,  90,  180  und  270° 
als  Konjunktion,  Quadratur  und  Opposition  usw.  zu  beachten.  Für  das  erstere 
Erfordernis  waren  für  jeden  der  sieben  Planeten  oder  wenigstens  der  fünf  echten 
Planeten  Tabellen  notwendig,  welche  die  Bedeutung  jedes  Planeten  in  jedem 
der  zwölf  Häuser  verzeichneten,  d.  h.  84  bzw.  60  einzelne  Positionen.  Davon 
1 9  Positionen ,  also  nicht  ganz  ein  Viertel  oder  Drittel ,  ist  uns  in  den  vier  Seiten 
von  P.  8345  auf  Taf.  97  erhalten.  Bei  Annahme  von  fünf  Planeten  sind  uns 
also  acht  Seiten  verloren  gegangen.  Ist  dies  wohl  kulturgeschichtlich  ein  un- 
ersetzlicher Verlust?  Ich  glaube  nicht.  Wer  sich  dafür  interessiert,  dem  kann 
es  nicht  schwerfallen,  die  60  Prognosen  in  mittelalterlicher  Version  aufzusuchen. 
Wer  aber  modernes  Deutsch  vorzieht,  der  kaufe  sich  die  nötigen  60  Los- 
briefe für  je  10  Pf.  auf  einem  ländlichen  Jahrmarkt.  Er  findet  darauf  allerdings 
nicht  Planeten  und  Häuser,  sondern  Planeten  und  Tierkreiszeichen,  also  eine 
Umrechnung  auf  eine  einheitliche  Tageszeit.  Auch  die  dritte  Person  Singularis 
von  P.  8345  ist  in  eine  höfliche  Anrede  verwandelt  und  der  Text  etwas  weit- 
schweifiger gestaltet.  Außerdem  wird  es  auf  dem  Jahrmarkt  dem  blinden  Zu- 
fall   überlassen,    ob    der  Spender  des  Groschens  das    richtige   Horoskop    zieht. 

Ich  glaube  damit  die  allgemeine  Betrachtung  der  interessanten  Tafeln  97 
und  99  erledigt  zu  haben.  Vor  einer  speziellen  Betrachtung  müssen  erst  eine 
ganze  Reihe  Fehler  in  P.  8279  auskorrigiert  werden.  Denn  P.  8279  ist  kein 
Original,  sondern  eine  Abschrift  und  der  Abschreiber  verwechselte  mehrere 
Zeichen  besonders  die  Zahlen  10  und  20  und  ließ  auch  wohl  hier  und  da  eine 
Zeile  aus.  Die  Zuverlässigkeit  unserer  modernen  Logarithmentafeln  haben  somit 
die  alten  astrologischen  Nachschlagetafeln  der  Ägypter  nicht  erreicht. 


126  v.  Bissing:    Ausradierungen  im  Tempel  Amenophis'  III.  zu  El  Kab.  [41.  Band. 


Ausradierungen  im  Tempel  Amenophis'  III.  zu  El  Kab1. 
Von  Fr.  W.  v.  Bissing. 


Mit  einer  Abbildung. 


Uer  Streit  über  die  Thronfolge  der  ersten  Tuthmosen  ist  heute  verstummt:  nur 
wenige  Fachgenossen  dürften  sich  völlig  einer  der  beiden  Parteien  angeschlossen 
haben.  Das  Material  ist  bis  auf  zwei  weiter  unten  zu  besprechende  Fälle  nicht 
vermehrt  worden  und  der  Streit  selbst  hat  gelehrt,  daß  das  Vorhandene  zu  seiner 
Entscheidung  nicht  ausreicht.  So  hatte  ich  als  notwendig  ins  Auge  gefaßt,  einen 
Fall  zu  finden,  bei  dem  ähnliche  Probleme  sich  boten  wie  in  Deir  el  Bahri,  bei 
dem  aber  die  Familie  der  Tuthmosiden  nicht  im  Spiele  war.  Da  bot  sich  mir 
bei  einem  gemeinsam  mit  Somers  Clarke  gemachten  Besuch  des  Tempels  Amen- 
ophis' III.  bei  El  Kab  die  erwünschte  Gelegenheit.  Ich  gebe  nach  meinen  No- 
tizen (soweit  ich  sie  noch  besitze)  zunächst  den  Tatbestand2.  Es  sind  hier 
zerstört:    die  Götter,    die    heiligen  Barken,    der  Name  (1         r-Q-. ,    aber    niemals 

1    AAAAftA 

oJ^37,  und  die   darauf  bezüglichen  Inschriften   in  vielen  Fällen. 

Diese  Zerstörungen  können  nur  auf  die  Zeit  Amenophis'  IV.  zurückgehen. 
Gegenüber  neueren  Versuchen,  die  religiöse  Reform  dieses  Königs  als  eine  Ver- 
drängung aller  Götter  darzustellen,  verdient  die  Verschonung  der  ^  hervorge- 
hoben  zu  werden. 

Nun  sind  aber  in  späterer  Zeit  die  Götter,  die  Namen  und  die  Inschriften 
—  wenigstens  teilweise  und  oft  ganz  ungenügend  —  hergestellt  worden.  Be- 
merkenswert ist  da  die  Rückwand,  wo  beide  Seiten,  mit  Ausnahme  der  opfern- 
den Könige,  völlig  weggenommen  worden  sind  und  dann  (und  zwar  an  den 
Wänden  nur  an  dieser  Stelle)  die  Kartuschen  Amenophis'  III.  in  die  Sethos'  I. 
geändert  worden  sind.     In   ihm  haben  wir  aber  den  Erneuerer  des  Tempelchens 


!)  Die  folgenden  Bemerkungen  habe  ich  vor  Jahren  mit  Somers  Clarke  an  Ort  und  Stelle 
gesammelt.  Der  Druck  verzögerte  sich,  und  durch  einen  unglücklichen  Zufall  ging  später  der 
Hauptteil  des  Manuskripts  verloren.  Einer  Aufforderung  der  Redaktion  nachkommend,  habe  ich 
versucht,  aus  meinen  Notizen  den  Text  neu  zu  schreiben.  Wenn  mir  dabei  kleinere  Irrtümer  zuge- 
stoßen sein  sollten,  so  werden  die  widrigen  Schicksale  als  Entschuldigung  gelten  dürfen;  die  Tat- 
sachen selbst  stehen  fest  und  erscheinen  mir  auch  heute  noch  wertvoll. 

2)  Vgl.  Tylor,  Wall  drawings  of  El  Kab:  the  temple  of  Amenophis  III.  Taf.  I  und  III,  VI 
und  XII.  Auf  Taf.  I  erscheint  an  unwesentlicher  Stelle  sogar  der  Name  Ramesses  II.  Vgl.  Text 
S.  6  und   19  über  Ausradierungen,  wodurch    aber  unsere  Ausführungen    nicht    überflüssig  werden. 


1904.]  v.  Bissing:    Ausradieningen  im  Tempel  Amenophis'  III.  zu  El  Kab.  127 

zu  erkennen.  Er  hat  denn  auch  in  der  Inschrift  auf  dem  Türsturz  (aber  nicht 
an  den  Laibungen)  seinen  Namen  an  Stelle  des  Amenophis   eingesetzt. 

Die  Restaurierungen,  die  zum  Teil  in  Stuck  ausgeführt  sind,  weisen  denn 
auch   deutlich   den  leidlich   guten  Stil  der   19.  Dynastie  auf. 

Aber  damit  war  die  Geschichte  des  Heiligtums  noch  nicht  zu  Ende:  die 
eine  Kartusche  Sethos'  I.  zeigt  die  auffallende  Variante  f  für  das  Bild  des  Gottes 
Seth:  sie  scheint  ebenso  wie  die  ganzen  Übermalungen  an  der  Rückwand  (und 
nur  hier  finden  sie  sich)  ptolemäischen  Ursprungs:  Inschriften  zweier  Ptolemäer 
bezeugen  denn  auch  die  Tätigkeit  dieser  Könige,  denen  Somers  Clarke  in  Tylors 
Buch    bereits    einen    größeren  Teil  der  Wiederherstellungen    zugeschrieben    hat. 

Es  ergibt  sich  also,  daß  1.  Amenophis  III.  den  Tempel  baut,  2.  Amen- 
ophis IV.  die  Götter,  Barken,  den  Namen  des  Amon  auskratzt,  3.  Sethos  I. 
das  Wesentlichste  herstellt,  4.  die  Ptolemäer  den  wohl  durch  allerlei  Schick- 
sale mitgenommenen  Tempel  wieder  auffrischen.  Im  allgemeinen  stellt  Sethos 
die  ausgekratzten  Schilde  des  ersten  Bauherrn   getreulich   wieder  her:   nur  über 


"\ 


der  Tür,  wo  er  dem  Eingetretenen  von  seiner  Arbeit  Kunde  geben  will,  und 
in  den  eigenen  Bauinschriften  der  Rückwand,  also  wo  die  Einsetzung  des  Namens 
an  sich  zu  erwarten  ist,  erscheint  statt  Amenophis  Sethos.  Die  Ptolemäer  stellten 
demgemäß  gleichfalls  Sethos  (und  Amenophis?)  an  der  Rückwand  wieder  her, 
ihre  eigenen  Namen   erscheinen  an  der  Decke. 

Es  hat  sich  hier  also  tatsächlich  zugetragen,  was  Sethe  leugnete  und  Na- 
ville  behauptete,  daß  ein  und  derselbe  König,  je  nach  den  Umständen,  seinen 
eigenen  Namen  oder  den  des  ursprünglichen  Bauherrn  wieder  einsetzte,  ja  so- 
gar das  ist  hier  geschehen,  daß  bei  der  Wiederherstellung  seltsame  (in  diesem 
Falle  durch  religiöse  Motive   erklärbare)  Varianten  auftreten. 

Es  ist  nun  genau  das  gleiche  auch  bei  Denkmälern  der  Kamarec  und  Tuth- 
mosis  EL  geschehen.    Vorstehend  ist  die  Spitze  des  einen  der  großen  Obelisken 


128  v.  Bissing:   Ausradierungen  im  Tempel  Amenophis' III.  zu  El  Kab.  [41.  Band. 

der  Königin  aus  Karnak  abgebildet,  die  dank  Legrains  Mühen  bald  wieder  zum 
Himmel  ragen   soll.      Der  Tatbestand  ist  hier  folgender1: 

1.  Jetzige  Westseite.     Pyramidion:   Die  Königin  und  die  Namen   (öA\    M 

und  (Oeüüfrf]  sind  unberührt,  in  ( (1         Q=3>'S]istU  (von  Amenophis  IV.) 

zerstört  und  später  wieder  eingesetzt.      Ebenso   die  Amonsfigur. 

In  den  fünf  Bildern  auf  der  Westfläche  des  Obelisken  (vom  Pyramidion 
abwärts)  ist  Amon  jedesmal  ausgekratzt  und  wiederhergestellt.  Die  Reliefober- 
tläche  des  Amon  ist  jedesmal  rauh,  die  der  ursprünglichen  Figuren  glatt,  z.B. 
bei  dem  Sperber  im  Horusnamen  der  Königin,  bei  dem  oberen  Teil  dieses  Na- 
mens selbst,  bei  Thutmosis  III.  im  zweiten  Bilde,  bei  der  Figur  der  Makere  im 
ersten  Bilde,  wo  der  Zerstörer  des  Amon  nach  Möglichkeit  vermieden  hat,  die 
Königin  mit  zu  verletzen.  Dieses  Verfahren  war  ein  äußerst  mühsames,  und 
unterhalb  des  zweiten  Bildes  bis  zur  Mitte  des  fünften  (hier  endigt  das  Bruch- 
stück) hat  man  das  uns  bereits  aus  dem  Amenophistempel  bekannte  Verfahren 
eingeschlagen:  die  ganze  Fläche  ist  abgemeißelt  worden.  Die  Abmeißelung  be- 
ginnt mit  j^ff  im  Titel  der  Königin,  wo  das  Bild  der  "a\  entfernt  werden 
sollte  und  endigt  mit  der  Krone  der  Figuren  im  fünften  Bilde,  dergestalt, 
daß  im  Namen  der  Königin  der  untere  Teil  des  Bildes  der  Göttin  Ä  nicht 
mehr  betroffen  wurde.  Daß  es  in  der  Tat  darauf  ankam,  das  Bild  der  Göttin 
A\    zu    entfernen,    lehrt    auch    der  Umstand,    daß    die  Ausmeißelung   von    der 

Mitte  aus  nach  unten  sich  verbreitert,  so  daß  die  Zeichen  des  Himmels  t=^i 
über  dem  dritten  Bilde  unberührt  geblieben  sind.  Der  opfernde  König  hat 
dann  bei  der  Erneuerung  der  Bilder  und  aller  zugehörigen  Inschriften  jedesmal 
den  Namen  Thutmosis  III.  erhalten,  der  ja  bereits  oben  auf  dem  Obelisken 
erschien.  Nur  in  der  mittleren  Inschrift,  wo  es  nicht  anders  anging,  ist  der 
Name  der  Königin  hergestellt  worden,  soweit  er  von  der  Zerstörung  betroffen 
worden  war.  Sowohl  die  Zerstörungsfläche  als  der  Stil  der  Erneuerungen  (die 
auch  hier  anscheinend  nicht  immer  genau  das  Ursprüngliche  herstellen)  ist 
einheitlich,   es  hat  nur  eine  Zerstörung  und  eine  Erneuerung  stattgefunden. 

2.  Jetzige  Oberseite,  wie  oben.  Beachte:  mit  Ausnahme  Thutmosis  III. 
und  des  oberen  Teils  des  v\ -Namens,  der  Zeichen  |  '  ^>  die  doch  gerade 
für  die  Königin  bezeichnend  sind,  ist  die  ganze  Fläche  weggemeißelt  und  wieder 
erneuert,  wobei  die  Figur  des  Menchepere  genau  im  Niveau  der  Amonsfigur 
liegt  und   im   Stil  völlig  mit  ihm  übereinstimmt. 

3.  Jetzige  Westseite,  wie  oben.  Doch  hat  Sethos  I.  hier  seine  Erneuerungs- 
inschrift  angebracht  und  demzufolge  alle  Namen  in  die  seinen  geändert.  Er 
setzt    also    genau    entsprechend    seinem    Verfahren    im    Tempel    Amenophis'  III. 

*)  Vgl.  LI).  III,  24a — c.  a  =  Ostseite,  b  =  Westseite,  c  =  Oberseite.  Die  Wiedererneue- 
rungen sind  hier  nicht  erkennbar,  der  unterste  Teil  fehlt.  Vgl.  auch  Lepsius,  Text  III,  S.  22  ff., 
mit  dessen  Angaben  meine  Beobachtungen,  die  vor  dem  Erscheinen  des  »Textes«  redigiert  sind, 
im  wesentlichen  genau  übereinstimmen.     Die  Photographie  verdanke  ich  Gardiner. 


190  l.|  v.  Bissing:   Ausradierungen  im  Tempel  Amenophis'  III.  zu  El  Kab.  129 


seine  eigenen  Namen  nur  da  ein,  wo  sie  im  Zusammenhang  mit  seinen  In- 
schriften stehen;  auf  den  Seiten,  wo  er  sich  nicht  als  Erneuerer  nennt,  setzt 
er  Könige  der  Zeit,  der  das  Monument  angehört,  in  diesem  Falle  also  Tuth- 
mosis  III.,  entsprechend  der  unverletzten  Inschrift  auf  dem  Obelisken,  ein.  Aus 
welchem  Grunde  er  in  Übereinstimmung  mit  den  Königslisten  des  neuen  Reichs 
Tuthmosis  III.   der  Königin  vorzieht,  bleibt  hier  gleichgültig. 

Die  Wegmeißelung  der  gesammten  Fläche  hört  hier  vor   a^aa   auf.     Soviel 

/www. 

wir  (d.  h.  Gardiner  und  ich)  vor  dem  Monument  zu  wiederholten  Malen  sehen 
konnten,  lassen  diese  Tatsachen  nur  die  eine  Deutung  zu,  daß  Amenophis  IV. 
der  Urheber  sämtlicher  Ausmeißelungen  und  Sethos  I.  der  Urheber  sämtlicher 
Erneuerungen  ist. 

Seit  dies  geschrieben,  ist  die  Publikation  der  Kamarefreliefs  (ich  halte  Na- 
villes  Lesung  für  einleuchtend)  in  Karnak  erschienen  (Annales  Guimet  XXX, 
S.  1  ff.).  Hier  liegt  umgekehrt  der  Fall  vor,  daß  Amon  gar  nicht  ausgekratzt 
ist,  aus  dem  einfachen  Grunde,  weil  die  Blöcke  zur  Zeit  Amenophis' IV.  den 
Blicken  bereits  entzogen  waren.  Hingegen  ist  die  Königin  an  drei  Stellen 
(Taf.  IX  A,  XI  B,  XIV  B)  weggemeißelt  worden,  an  den  meisten  Stellen  intakt 
geblieben.  Naville,  S.  21  und  S.  9,  ist  geneigt,  diese  Verfolgung  den  Ramessi- 
den  zuzuschreiben  und  anzunehmen ,  zur  Zeit  des  Baues  Ramesses'  III.  seien  nur 
die  Teile  sichtbar  gewesen,  an  denen  die  Königin  ausgemeißelt  ist.  Ich  halte, 
abgesehen  davon,  daß  nach  Legrains  Ausführungen,  S.  2,  das  Ramessidische 
Alter  des  Massivs  nicht  ganz  sicher  scheint,  eine  andere  Erklärung  für  erwägens- 
wert: danach  hätte  Thutmosis  III.  begonnen  die  Königin  ausmeißeln  zu  lassen, 
sich  dann  aber  entschlossen,  lieber  den  ganzen  Bau  abreißen  zu  lassen,  die 
Königin  also  aus  ähnlichem  Grund  nicht  weiter  zu  verfolgen,  der  ihr  eine  Ver- 
folgung auf  dem  Obelisken  ganz  erspart  hat. 

Wann  ist  das  gewesen?  Sicher  nach  dem  Jahre  16,  denn  Navilles  Be- 
ziehung des  Reliefs  XII  A  auf  die  großen  Obelisken  in  Karnak  (S.  13)  kann 
nicht  wohl  widerlegt  werden.  Und  wie  Naville  ebenda  Anm.  1  mit  Recht  be- 
merkt, wird  durch  den  Tenor  der  Inschrift  Sethes  Auffassung  des  Obelisken- 
textes von  Karnak  unmöglich,  1-^|  bezieht   sich    auch  auf  die  Königin,   wohl 

weil  der  Ägypter  kein  Femininum  zu    I     *   Jn  kannte ,  während  für  andere  Titel, 

I   AAAAAA  i I 


z.  B.  N-< ,  ein  solches  vorhanden  war.  Es  mag  das  mit  dem  ursprünglich  priester- 
lichen Charakter  des  Titels,  auf  den  Lepage  Renouf  so  oft  hingewiesen,  zusam- 
menhängen. Im  Jahre  16  war  also  Kamarec  wirklich  König  und  Tuthmosis  III. 
ihr  Mitregent. 

Hier  muß  man  aber,  glaube  ich,  einstweilen  stehen  bleiben.  Von  dem  Zu- 
sammenhang der  Karnakreliefs  mit  der  Totenfeier  der  Königin  habe  ich  mich 
noch  nicht  überzeugen  können.  Ich  möchte  vielmehr  glauben,  daß  wir  hier 
eine  mit  dem  Hb-sed  zusammenhängende  Feier  vor  uns  haben,  denn  dieses  be- 
zeichnete  bekanntlich    die  Aufnahme  des  Thronerben  und  dann  des  Königs  in 

Zeitschr.  f.  Ägypt.  Spr.,  41.  Band.     1904.  17 


130  v.  Bissing:   Ausradierungen  im  Tempel  Amenophis"  III.  zu  El  Kab.  [41.  Band. 

den  Kreis  der  Götter.  Zur  sicheren  Beurteilung  müßten  die  zahlreichen  ähn- 
lichen Darstellungen,  die  Naville  zum  Teil  schon  anführt,  gesammelt  und  unter- 
sucht werden. 

Noch  einen  weiteren  merkwürdigen  Beitrag  zu  der  Art,  wie  unter  Sethos 
und  Ramesses  alte,  von  Amenophis  IV.  zerstörte  Stelen  erneuert  worden  sind, 
haben  wir  in  der  Stele  Amenophis'  II.  aus  Karnak  erhalten:  auch  hier  erscheint 
Sethos'  Name  in  seiner  Inschrift,  sonst  der  Amenophis'  II.  Mehr  der  Art  hat 
Legrain  in  den  Annales  du  Musee  1903,  S.  126  f.  erwähnt.  Man  muß  sich 
hüten,  mit  solchem  Material  Geschichte  zu  machen1! 


The  word&A-^|[). 
By  Alan  H.  Gardiner. 


Very  diverse  opinions  have  been  held  as  to  the  meaning  of  j£^  ^k  QA ,  a  word 
that  occurs  not  uncommonly  in  New  Egyptian  texts.  Chabas2  proposed  the 
rendering  »authentique«,  and  seems  to  have  adhered  to  it  always.  Brugsch3 
preferred  to  regard  the  word  as  an  interrogative   »quis?«,  »quid?«,  derived  from 

the  verbal  root  °ZV-     Erman4,  on  the  other  hand,  ranked  it  among  the  inter- 

jections  and  translated  »wehe!«.  By  means  of  the  following  collection  of  ex- 
amples,  we  hope  to  show  1.  that  the  earliest  known  meaning  was  »indeed«, 
» certainly «  and  2.  that,  being  used  only  in  negative  sentences,  j£^  "ß\  ^7\  sur- 
vived  in  Coptic  as  the  post-negative  a^n. 

1.   The  most  instructive  example  occurs  in  the  midst  of  the  literary  con- 
troversy  of  the    papyrus    Anastasi  I.    The    rival   brings    in   11,  8    the  following 

V\   fip]^r:    thou    art    no    scribe,    thou 

art  no ,   thou  art  not  enrolled. «    The  writer  answers 5 :    » Thou 

art  a  scribe  of  the  king,  a  Commander  (?)  of  soldiers.  All  the  [gates(??)]  of 
heaven  are  opened  before  [thee].    Hasten  then  to  the  office  of  the  [custodians (?)] 


L)  Ich  glaube,  auch  die  Stütze,  die  Breastkd,  A  nevv  chapter  in  the  life  of  Thutmose  III. 
Sethes  Theorie  hat  bringen  wollen,  ist  unsicher.  Ich  habe  mit  P.  E.  Xewberry  und  A.  Gardiner 
den  ganzen  Text  sorgfältig  verglichen;  sie  bestätigen  mir,  daß  Z.  6  Breasteds  Ergänzung  [the  god} 
wohl   kaum   zutreffend  sein  kann,    da  die  Reste    auf  dem  Stein  die  Beine   eines  Vogels,    also  von 

sind.     Auch   von   der  Standarte   scheinen  Spuren   sichtbar.     Also    ist  K^   zu    ergänzen,    und 

was  dem  Gotte  zugeschrieben  wird,  tat  in  Wahrheit  der  König,  auf  den  auch  der  Ausdruck  phr 
uSzyt  (bzw.  ähnliche  Verbindungen)  nach  Breasted  selbst  (a.a.O.  S.  15)  gewöhnlich  angewendet 
wird.  Daß  damit  die  ganze  Situation  eine  andere  wird,  braucht  nicht  erst  bemerkt  zu  werden. 
2)  Mel.  Ey.  III,  tome  1  p.  98  —  99.  —  3)  Wörterb.  Suppl  p.  509  —  510.  —  4)  Neuäg.  Gramm. 
§  140.  —  5)  The  passage  is  so  interesting,  that.  at  the  risk  of  being  irrelevant,  I  translate  it  in  füll. 


1904. 


Alan   EL  Gardiner:    The  word  ^s\  ^, 


131 


of  books,   that  they  inay  show  thee  the  box  containing  [the  names]1  belonging 

to    the    tiw  htp  Nhrs;    he    opens    for  thee    [that   thou    mayest   learn 

my(?)]  fame.  Thou  findest  my  name  enrolled  as  .  .  .  .-officer  in  the  great  stable 
of   Rameses.      If   thou    consultest2    the    Commander  of   the    stable,    dlrtl   is    in- 

scribed    in    my    name.      So  I  have    acted  as -officer!     So  I  have  acted  as 

scribe!  No  stripling  of  thy  age  can  vie  with  me(?)3.  Let  a  man  inquire  of  his 
mother(?)!  Go4  to  my  Aiüft^-officers,  that  they  may  teil  thee  of  my  fame!« 
This  ironical  retort  did  not  silence  the  rival:  later  we  find  him  reiterating  the 

J^     Cd    es  yr~\        O  /ww\a     n 

thou  art  not 


charge  with  emphasis  (13,1 

A/SAAAA    £__l!    I  _ZI  *0 


AAftAAA 
AAAAAA    j 
AAAAAA 


»Thou  sayest  to  me 

really"  a  scribe.  (It  is)  an  empty  and  meaningless(P)  name.  Thou  takest  up  the 
palette  wrongly. «  The  writer  answers  by  challenging  his  accuser  to  a  comparison 
of  their  respective  writings,   with  the  god  Anouris  for  judge  (13,  3 — 4).   —  In 

AAAAAA     jj 

this  instance  ^^  1k   Q7\  is  appended  at  the  end  of  the  sentence  to  give  special 

emphasis  to  the  negation  which  precedes:  it  may  therefore  be  rendered  »raz%«, 
» certainly « ,    »indeed«-   or  the  like. 

2.  ABBOTT5.15-16:fl^V^^{|^jf^^1  k  ^^^,e°J„DVe 


w   v 


|  fl  [1   AAAAAA 

'4     Si   i   i. 


xi 


AAAAAA 
I         I         I 


ra 


w 


III 


AAAAAA  »  J\  S        tO 

I         I         I 


this  deputation  which  you  have  made  to-day,   it  is  certainly  no   deputation !    It 
is  your  jubilation6  that  you  have  made!« 


3.  Abbott  6.  8 — 9 


\\     C 


>£T 


J 


r^m 


441 


@ 


^_$ 


aaaaaa  ^    »This    prinee    of  the    town  said  to  him. 

ol  i 


Tt  is  of  the 


Read 


K 


\v 


>U=4oD^^ 


\\ 


The  very  attractive  emendation  is  due  to  Prof.  Erman. 

2)  Lit.  »art  present  with«   (mtrk  hr). 

3)  The   text  has     I  (Ja       ~~  q  nt  '  wh*eh  ^s    obviously  a  corruption  of    I 

I      AAAAAA      I    _/_i  < >  /\    AAAAAA     C— i- 


II  I 


(28,  2).    The  rendering  here  suggested  also  suits  AZ.  XXII  (1884)  p.  39  1.11 
(V^*  Qh  z=i  \i  jj^^  y  |    £1    .     »Who  can  vie  with  (or  liken  himself  to)  thy  Majesty?«     Sin  also 

\/      ii^M      r^l'    AAAAAA    JJ     AAAAAA  A     ^ZZ^ 

occurs  An.  I.  1,  6.   15,  1   in  obscure  passages. 

4)  The  rare  particle  th:  see  Spiegelberg,  JVoc.  SBA.  XXIV,  p.  46.  —  5)  Chabas  has  grasped 
the  meaning,  but  not  the  syntax,  with  his  translation   »de  nom  authentique«. 

6)  That  this  is  the  correct  literal  translation  of  ihy,  in  spite  of  the  second  determinative,  is 
proved  by  the  letter  of  Pnro  (5,  19foll.),  in  which  he  informs  the  Vizier  of  the  quarrel  between 
Paser  and  the  men  of  the  necropolis.  These  words  of  Paser  are  there  paraphrased  as  follows 
(6,1):   »You  have  exulted  over  me  (ir-tn  nhm  im-i)  at  the  door  of  my  house.« 

17» 


132 


Alan   H.  Gardiner:    The   word 


[41.  Band. 


great  things  that  thou  hast  done,   that  thou  speakest.'1     It  was  indeed  no  small 
matter  that  this  prince  of  the  town  said«. 


^  zs 


ZU   Jl  «  -iL*' 

I  V 


(v  n         AAAAAA 

4.  Abbott  6,  12:  (Je  J     ^-s 

1  AAAAAA     — H —    V 

5.  Mayer  B..    1:    Q  e  $  "^  7  '    Jl^Slfl^S 

A^i    cs>  \  ^--^      aaaaaa  T      _cr\s  U 


D 

vÄ     »I  said  to  him:   'It  is  not  right,    indeed,    the  share  which 
you  are  giving  to  me' « . 

6.   Salt  124,  1,  4:   Je  J    J    °  ^^^1T^-    Obscure;   but  cf.  1,17. 

aaaaaa  cü  I I     I      e±  y^il       (»>         .  ri^V  ££_Ai 


e 


7.  Salt  124,  Verso  2,1:     ®      J 

<:       ^>  aaaaaa  rrv>  i— ~ 

m  wo  zoay  befits  this  office«.  sic 

8.  Sallier  III,  4,  9:    J  ^^$!^T^!l 

AAAAAA  o '    I         I         I  _Ä^  Ci*   I 

»Surelt/3,  it  is  no  man  that  is  among  them«. 

9.  Anastasi  V,  26,  6:     J    t^J°[|j^()eß 


,V 


o\\ 


fö  /-^  aaaaaa 

ö' 


i  i  > 


QJin- 


A— 0 


k   qa   «Thou  wast  no  chief,  when  I(?)  brought  thee  from  another 
place  to  put  thee  here,  indeed«*. 


10.   Anastasi  IX,  2  —  3:  | p«. -^ 


/^.    AAAAAA 


|)(|w™qe^' 


3f  £f  SÜ  AAAAAA    A^\_ 

r— -        AAAAAA   5  '   III  t/    -/TS 

»The  things  which  you  write  to  me  concerning  them  are  (like)  [the  words] 
of  life  of  a  man's  father  to  his  son:  they  are  not  words  of  death(?)  indeed«. 
The  fragments  of  signs  suggest  mt  as  the  most  natural  reading. 


11.  Insc.  of  Mes  N.  24:     J  ,ifl°^ 


O  (0 


u-fl 


»It  is  indeed  not  true« 


12.  IW  44,15-16:  ^iJM^T^JWXWl^ 


13.  i™» i.  aw  &*8-»=  ^(j^^Mrr.I^JJ^ 

^ ^6?~l^v  (JA  /v^A  SQ**^»*^  Ik^u   B^or  *  am  &°°d  Howards  you,  I  am  ratfevil 
tow^ards  you«.      Emphatic  contradiction. 

14.    i_I.  369  Verso  14:  ^l^^M ÄMfr \Ä 
»I  am  indeed  not  in  my  (ordinary)  condition«. 


J)    This   sentence   seems  to  have   been    misunderstood    hitherto.     Literally  »that  which   thou 
doeät  of  big   thiugs  is   that  (ne)  which   thou   sayest«  -<s>-(](K «  as   relative  -  form   is    not  found 

elsewhere,  but  Abbott  has  the  similar  form 


aaaaaa.     Cf.  Sethe,    Verbum  II  §794,2. 
Ii    I    i 
2)    Spiegelberg's  Suggestion  that  bn  ns  st  is  written  for  bn  st  [Rec.  de  Trav.  XXI  p.  45)   does 

not   throw  much    light   on  this  obscure  sentence.  —  3)  7rc  is  omitted  in  the  corresponding  hiero- 

glyphic   text  (Brugsch,   Rec.  29,  9).    —    *)  The    position    of  in  is  stränge,  and  iw  ink  is  certainly 

defective.     Perhaps  the  whole  passage  is  out  of  order. 


1904.]  Alan  II.  Gardiner:    The  vvord  j£^J;  "^^Q-  ^?ß 

15.  I_I.  370  Zecto  10=  ^IT^lIflk  \  IHOES« 

AAIWVS       >-j 

■^3*    iK  g7s   »That  (s«7.  com)  which  lies  in  the does  not  indeed  make 

20,900  (?)■•. 

16.  Pap.  B,bl.Nat.  237,  Frag.  5'  feto  2:  |)ö ^ U^OK 

this    boy    and   this  villainous  (?)   old    man  who   received   5y2  mesures  of  barley 
without  executing  any  command  that  they  had«. 

17.  Pop.  Gol.  2,  22-23:  0<ä>$^|        ~f  VH^  J  %^       J^P% 

"Fl  Q*      jD  A«WW     yp     /WWW  <?     A   GL       <2  I 

S  \\   2i)g7\^^  1k  g|»^»QW U  «^ '   Ä*  sai(*  to  mm:  'False!  they  are  not  pitiful 


c  w 
journeys  in  which  I  am  engaged'«.    Wntmn  contradicts  the  preceding  aspersion 

of  the  Prince. 

J, /WWW    -g .1   I 1  <;  . 

^ ^      I     4ä    vÄ 


/WAAAA       (Ci         I         I         I 
A/WWV  < 

(emend  ^^  Ik     <&   ).      »It  is  not  your  house  indeed.« 

19.  Leps.,  Denkm.  III,  255z  =  Louvre  (without  number)  5:     J  o,  AW^ 

/WWW      /J 

ik  qa  »I   am   not  indeed  one  who   has    gone    down«.     The    sense  is   doubtful, 

but  the  construction  clear. 

20.  Pap.  Ns-hons,  6,7 — 8.  »All  good  things  of  which  men  speak  in  my 
presence,   saying:   'Do  them  to  Ns-hons,  the  child  of  Tl-hn-Dhwtf :  0@Jf 

I    M  Ol  J    I  (l(£^Äa  ik   Äjv  I  do  them  for  her,  although  they  be  not 

H I    C\        /WWW  ll     I     I   <=>     I  £  _M-  Hl» 

small  indeed«.     A  very  similar  instance  will  be  found  ibid.  6,  5. 

Besides  these  instances,  three  others  occur  in  the  Max.  d'Anii  (1,  18 —  2,  1, 
7,  11  and  8,  19;  in  the  two  former  cases  with  bri)2,  which  I  do  not  quote, 
as  they  are  impossible  to  understand. 

Aft/W/W     jr\ 

The  examples  show  that  f&^  ik  QTj  is  employed  only  in  the  nominal  sen- 
tence  with    Jj  3,   and  that  its  regulär  place  is  after  the  predicate,  towards  the 

AA/WW 

end  of  the  clause.  Not  only  these  syntactic  reasons,  but  also  the  phonetic 
composition  of  the  word4,  point  to  its  being  the  prototype  of  the  Coptic  *vii. 
This  conclusion  is  supported  by  the  Demotic  evidence,  a  note  on  which  I  owe 
to  the  kindness  of  Mr.  Griffith   »In  Demotic  it  is  written    \    ,  and  it  invariably 

A/WW\ 

occurs    after  bn  in  R ä».«.   sentences.     I  have  a  Psammetich   instance    even 

oi'    H    alone,    but  I  suspect  it  is   by   mistaken   Omission  of  R  (bn)   until  I  find 


l)  Spiegelberg,  Corresp.  p.  90.  Sisi  is  perhaps  the  same  word  as  occurs  Salt  124,  Verso  2,  3 
meaning  something  bad.  —  To  the  above-named  book,  I  owe  examples  13  to  16.  —  a)  The  know- 
ledge  of  these ,  and  also  of  no.  8  above ,  I  owe  to  the  Berlin  Dictionary.  —  3)  Brugsch  (l.  c.)  had 
already  noticed  this  fact.  —  4)  It  need  hardly  be  said  that  we  should  transcribe  the  word  in,  and 
not  iwni,  in  accordance  with  the  principle  of  Entwertung. 


134  Alan  H.  Gardiner:    The  word  j^J;  ^\  Q()-  [41.  Band. 

other  instances.  Published  examples  are  I  Kham.  3,  3;  5,9.19.25;  II  Kham. 
3,  10.« 

In  Coptic  a<n  is  found,  as  in  Egyptian,  in  the  nominal  sentence,  whether 
proper  or  improper1.  But  its  use  has  been  extended  also  to  verbal  sentences, 
though  only  in  the  case  of  the  seeond  Present,  and  the  Imperfect  (with  the 
Imperfectum  Futuri). 

The  often  noted  likeness  of  evii  to  the  French  pas,  point'2  is  now  seen  to 
be  no  superficial  resemblance.  These  words,  from  the  Latin  passum  and  punctum, 
were  originally  adverbial  accusatives  placed  at  the  end  of  negative  sentences3 
for  the  purpose  of  emphasis;  just  like  the  English    »not  a  jot«,    »not  a  straw«. 

AAAAAA     y-j 

The  etymology  of  ^^  Tk  g7\  is  unknown,  but  when  we  first  encounter  it,  it 
is  as  an  emphatic  adverb  in  negative  sentences.  Pas  and  point,  and  like  them 
the  Demotic    \\    ,   Coptic    ^n,    next   lose    their    emphasising   force,    and   become 

mere  adjuncts  of  the  negative  word  (French  ne,  Coptic  it).  Last  of  all,  they 
come  themselves  to  be  looked  upon  as  negative  words:  thus  pas  and  point  are 
used  in  poetry  and  in  the  vulgär  parlance  with  the  meaning  not;  and  likewise 
a.h.  is,  in  specific  cases,  employed  without  a  preceding  it4.  This  final  stage 
can  be  paralleled  also  in  Egyptian,  if  a  theory  of  Prof.  Sethe  be  correct:  ac- 
cording   to    this5,    the    negative   jPy^  is    none    other   than  the    Substantive    ]|\£> 

»place«,  which  from  a  frequent  employment  in  negative  sentence,  has  itself 
acquired  a  negative  significance. 

_rf  AAAAAA    jr\ 

Another  conclusion  may  be  adumbrated.  Wherever  S^  1k  ptk  has  en- 
countered   us,   we    have    found  it   in    Company  with     J    ,    and    similarly  ä.h   is 

aaa/w\ 

never  the  concomitant  of  any  other  negative  than  S.  This  Observation  would 
suffice  to  Warrant  an  identification  of    J    and  it,   were  it  not  for  the  apparent 

AAAAAA 

difficulty  of  accounting  for  the  loss  of  the  letter  J .  This  difficulty  is  however 
not  so  great  as  it   at   first   sight   appears.     Were    J    an  entirely  new  negative 

word,  appearing  first  in  New  Egyptian,  and  containing  a  real  b  (b-n,  ben,  or 
even  ebn-)  its  spelling  would  be  quite  anomalous:   we  might  expect  rather  the 

orthography  J  /£<  ^,  "^s,  or  the  like6.  It  will  be  found  a  helpful  hypothesis 
to  assume  that    J    sounded   approximately  emn  or  men  at  a  given   period:    its 


l)    Improper  nominal  sentences  are  the  Ist  Present,  the  Ist  Future  and  probably  the  2nd  Perfect. 

—  2)  Modern  Arabic  has  a  very  similar  particle  sh,  originally  L.».;»,  as  in  ma  shiribtish  »I  have  not 
drunk«.  —  3)  The  reason  why  such  emphasising  adverbs  are  found  chiefly  in  negative  sentences, 
lies  in  the  fact  that  every  negative  sentence  implies  an  affirmation  which  it  contradicts;  whereas 
the  reverse  is  not  the  case.  —  4)  Steindorff,  Koptische  Grammatik2  §  462.  —  5)  Verbum  II  §  991. 

6)    This  argument  is  not  to  be  met  by  a  reference  to  1  V\ .    Bw  is  probably  the  old  Egyptian 

word  for  »place«,  and  its  spelling  is  archaistic,  as  in  the  case  of  most  common  words  that  have 
survived  from  the  old  language. 


1904.] 


Alan  H.  Gardinek:    The  word 


**\: 


135 


spelling  can  then  be  paralleled,   cf.     J  *    ^^7  =  ^^7  =  auiot1.     By  this 

A/WW\        £ü  AAAAAA         £3 

assumption    J    would  be  related  to  ÄLwon  and  ÄüT;   and  on  tlie  other  hand,  it 

aaaaaa 

would  be  easy  to  account  for  its  passing  into  it.  First  of  all  emn  would  be- 
come  by  assimilation  enn,  a  stage  that  may  be  traced  in  the  Coptic  negative 
future  SiteqccoTM  (=   J  (1     "  <==>^1\   3  )2:   the  further  shortening  to  it  presents 

/ÜWW^    I  ^  > —  rr\V    U 

n  (1  EL  M/VW*  f\ 

no  difficulty.    I  hope  before  long  to  study  the  negatives  ,    J    and  1\ 

AAAAAA  AAAAAA  WVV  I         I         I  -<S>— 

statistically.  with  a  view  to  ascertaining  their  mutual  relations.  Meanwhile ,  the 
above  Suggestion  is  put  forward  under  the  füllest  reserves. 


An  use  of  the  later  absolute  pronoun. 
By  Alan  H.  Gardiner. 


In    ÄZ.  34   (1896)    p.  50    Prof.  Erman    drew    attention    to    the    employment    of 

AAAAAA      AAAAAA 

0^   ,   &c,   with  the  meaning   »belongs  to  thee«    »belongs  to  him«.     The 


following  examples    prove    that  this    idiom  was    not  extinct  in  the  New  King- 
dom,  and  the  isolated,  but  certain,  instance  of  (1    ^    yf  m  the  sense    »belongs 

to  me«    shows  that  we  have  here  to  do  with  the  later  absolute  pronoun,  not 
as  hitherto  supposed,  with  a  special  Compound  of  the  root  "^  +  a  suffix. 


1.    Pap.  Goz.L  U— 16: 

m^i 5fr5i;^ 


\aaaaa    n  n 


I    AAAAAA    i 1  i I       I 


£ 


(\;£\£) 


^1         I 


AAAAAA 


}«5«Pm* 


w 


'im  "%^  \  -^f     i    1 fvy>ur|  5   &"c.     Wnimn   addresses  the    prince  of  Dor. 

»The  silver  belongs   to  Amonre,  king  of  the  gods it  belongs  to  Smendes, 

it  belongs  to  Herhor  my  lord.    and   the  other   great  ones  of  Egypt:    it  belongs 
to  you,  it  belongs  to    Wrt,  it  belongs  to  Mkrnr,   &c.« 

»But   now  the    thief  who  has 


kz^si^y^j 


w 


robbed  you3  belongs  to  you,  he  belongs  to  your  ship.« 


x)    Cf.  Sethe,  Verbum  I  §  220.  2. 
2)    Side    by   side  with 


■^ 


(e.  g.  D'Orbiney  4,  1)    with   do    perceptible 


shade  of  meaning. 

3)    For  diy  »to  rob«   a  person  or  place,  cf.  Pap.  Harris  A  (=  Newberry.  Amherst  Pap.  8,  4) 
n!  idiy  egmy  iw  diy-w  ti  St  Nfrt  «the  thieves  who  were  found  to  have  robbed  the  \Beautiful  Place'«. 


136  Alan  H.  Gardiner:    An  use  of  the  later  absolute  pronoun.  [41.  Band 


3.7^.77,23-24.     %         tfn?L,-JeJ     — 1  fl  0 


/WWW     ^a    ^*   **\  r.     I\  ö  AftAA/W     I  I  «!&  D  AA/WW     .0    ^j  „rei  <; 

I    aaaaaa    -~      fö  <=^_^   A       7^  2   1 

"~lU  V^I'S  »There  is  no  vessel  afloat,  which  does  not  belong 
to  Amon.  To  A£ra  belongs  the  sea,  and  fo  Mm  belongs  the  Lebanon,  of  which  thou 
sayest  cIt  belongs  to  me! .«  In  this  case  it  is  impossible  to  translate  (1  Vjt|Q 
»I  am  it«  (namely  »the  Lebanon«),  for  the  prince  had  made  no  pretension  to 
be  identical  with  the  Lebanon:  he  had  merely  asserted  (II,  13 — 14)  that  at  his 
command,   the  heaven  would  open,   and  the  trees  lie  felled  upon  the  seashore. 

4.   Ibid.  II,  45-46  (le  D  (|s#^«H#(|efek~S:>^Ä;*T 

i    /wwwl /wwAA^i^_jii     eil  il^i  1     J¥^2^_T      o       e     J\ 


4  ">-^    »And  Pnimn,   a  butler  who  belonged  to  Mm,  stepped  between  me,  saying 
......    That  iw  mntf  sw  must  contain  a  closer  definition  of  the  words  »a  butler«, 

will  be  clear  from  a  comparison  of  II,  69  »Tentno,  a  female  singer  of  Egypt«. 


5.  Med.  Habu  =  Piehl.   Inscr.  I,  150,  16  o  v^  ^^  Y1  Ra- 

/www  ^Z^6       JS^  F=q  J2r  (S    I 

meses  III.   addresses  Amon:    »To  thee  belong  the  heaven  and  the  earth.« 

6.  Decree  of  Amon  for  Isimheb  =  Masp.,   Mom.  Roy.  704 — 706,  24 — 25 2 

lr»n<T     lnv*iir»n 


AA/WW 
@       III 


whether  it  be  the  sister  of  another  heir,  or  whether  he  belong  to  the  people 
who  gave  the  properties  to  Isiemheb,  and  there  comes  out  from  them  (someone) 
day  after  day,  saying:   'The  property  does  not  at  all  belong  to  you:  so  we  give 

it  to  another':   (then)  ye  shall  command  the  administrator and  every  ad- 

ministrator  of  the  town « 

Besides  these  examples,  it  seems  probable  that  the  later  absolute  pronoun 

in  such  phrases  as   "%& ^\  jjO@  ^  Q  ^  ^  ffi 3  is  to  ^e  simi^ar^y  explained. 

')    For  this   example   I  am  indebted  to  Prof.  Breasted.  —  2)  I  quote  from  my  collation  of 
the  inscription  with  a  Berlin  photograph.  —  3)  Erman,  Neuäg.  Gramm.  §  73. 


1904.1  Leipoldt  u.  Vioi.kt:   Ein  saidisches  Bruchstück  d.  vierten  Esrabuches.  13/ 


Ein  saidisches  Bruchstück  des  vierten  Esrabuches. 

Von  J.  Leipoldt  und  B.  Violet. 


In  der  ägyptischen  Abteilung  der  Kgl.  Museen  zu  Berlin1  wird  ein  leider  stark 
zerstörtes  Pergamentblatt  aufbewahrt,  das  Bruchstücke  einer  saidischen  Über- 
setzung des  vierten  Esrabuches  (Kap.  13)  enthält.  Heute  sind  nur  noch  die 
folgenden,  genau  nach  der  Anordnung  der  Handschrift  wiedergegebenen  Worte 

und  Buchstaben  zu  lesen. 

Recto. 

[ ]       .  t 1 

e[.]o<Yiien[ ]  [ ] 

it£HT  e[gjp^i   e]  [ ] 

^m\€T[o,YH£  £.w.n]  m[ ] 

KÄ.£'   €T[pe"Y  .  .  •]  5  [ ] 

[ .' ]  [ ] 

[ ]  [ ] 

[ ]  MO[ ] 

[ oT2e]  *A 1 

eiioc  Miiq[«y£€e-iioc]    io  [ ] 

[oJ'yÄüiTppo   [aik]  [ ] 

cyÄutTppo  •  c[«y]  [ ] 

uj^nujüme  •*.€  [n]  [ ] 

ffin.eiJM.[&.ein  ut&.i]  [ ]c[ ] 

«oo*y  n^K*  tot[€]         15  [.  .  .  .]ium[.  .  . .] 

eqecyongcj  eko\  [ ] 

tüyjndogHpe  •  npu>  *5^T[ ] 

Me  WT^Rndwy  e  h[ ] 

poq   eqiiH'Y  e^p^'i  $[ ] 

gReA.<V&.cc&.  •  ece  20  q«y[ ] 

ujtone  ^.e  e'yuj&.n  t[ ] 

[cw]tm    CTeqCMH*  *x[ ] 

[ns'ijfi^eoiioc   e  [ ] 

[p€no]«y&.  no<yÄ.  [m]  [ ] 

[a\.00«Y  IlivjKU)    S[cü>]      25  [ ] 

[<nr M — ]  [ ] 


*)  P.  9096.  Erworben  1899  durch  Dr.  Reinhardt.  Jetzige  Dimensionen :  Höhe  15  cm,  Breite 
13  cm.  Sechstes  bis  achtes  Jahrhundert  (alte  Form  des  ^  und  m).  Die  Seite  hat  zwei  Spalten, 
die  Spalte  mindestens  27  Zeilen ,  die  Zeile  etwa  elf  Buchstaben. 

Zeitschr.  f.  Ägypt.  Spr.,  41.  Band.     1904.  18 


138 


Leipoldt  u.  Violet:    Ein  .saidisches  Bruchstück  d.  vierten  Esrabuches.  [41.  Band. 


Verso. 

[ Jhtä.'Y  [•  O1*11  e[T]e^top^ 

[ ]  [eT^]^o,YIl•  nMix 

[ ]-rev  [eTejÄinecenoc 

[ ]«y  [npjcoMe  ujcone  R 

[ ]i  5    [^HTjq   eiie£*  -xe 

[ ]  [k^c   e]«Y€gd>.pe£  e 

[ ]w  [poo«Y  .  .  .]mc[.  .] 

[ Jene  [ ] 

[ 1  [ M-  •  •] 

[ 1  «>    [ M--] 

[ ]c  [.  .  .  .]lÄ.    CTS'H'y 

[.  . .  .torrrfe]  ty^efoc         [m]it€,y^pävThc 
[m^J'y'X.h  enggaw«Y  [jvjnevxoce  <^p 

[ma\.o]o,y  §Mn€«y         n    cmujnHpe*  ^q*. 

[mä.    gJii[lie]£00«Y  M^gT€    ÜÄtMO'Y 

[ ]pp°'  M€  Mniepo  uj&.u 

[ p]p°  To^^ioop*  1TWCR 

[ fc*^  ttTeglH  uj^qp 

[ ]«v  20    o*YpoAvne  o'ys'oc 

[ ]nie  ujdatTo*Y&OL>K  ? 

[ ]q"Y  go'yii  eTe^[o)pd.] 

[ ]  euj^*Mo[«YTe  e] 

[ ]  poc  «xecf ] 

[ ]  25   [-Jrer4 1 

Am   unteren  Rande  der  Vorder-  wie   der  Rückseite  fehlen  wahrscheinlich 
ein  paar  Zeilen. 

Verso  rechts  Z.  13 f.   könnte  man  vielleicht  auch  ergänzen: 

[njnevxoce  <7is.p 

[^qeipe]  n&y  it 

Übersetzung. 
[ ]  über  die.   die   [wohnen  auf  der]   Erde,   damit  (?)  [sie] 


[ein]  Volk  ([epvcg)  mit  einem  [Volke  (t&v.os)] ,  ein  Königreich  [mit]  einem  König- 

32  reiche.     Wenn   aber  (&')    geschehen  diese  Zeichen  (?),   [die  ich]    dir  sagte,  dann 

(tote)  soll  sich  offenbaren1  mein  Sohn,   der  Mensch,   den   du  sahst  kommen  auf 


l)  Oder:  soll  erscheinen. 


1904. |  Leipoldt  u.  Violet:    Ein  saidisches  Bruchstück  d.  vierten  Esrabuches.  139 

dem  Meere  (SttÄoicro"*)1.    Es  soll  aber  (&')  geschehen,   wenn  hören  seine  Stimme  33 

die  Völker  (e'S-voc),   [wird]  ein  jedes   [von  ihnen]  verlassen  (?) 

*  * 
* 

neun  und  ein  halb  Stämme  ([<p]uA>j),  die  man  gefangen  wegführte  ([ui%\ixci?MTi£eiv)  40 

von  ihrem  [Orte]  in   [den]  Tagen   [ ]  König  [ ]  König 

*  * 
* 

in  das  innere  (?)  Land  (%u)pa),  den  Ort,   an  dem  (noch)  nie  (ein)  Geschlecht  (ysvog)  a 

von  Menschen  war,   dafmit]  sie  bei  sich  (?)  bewahren 

*  * 
* 

eng  [ des]  Euphrat  (Yxxppür^g).  Denn  (ydp)  der  Höchste  [tat(?)]  ihnen  Wunder:  43.  44 

er  hielt  an  die  Quellen  des  Stromes,  bis  sie  übergesetzt  waren.    Die  Dauer  des  45 
Weges  beträgt  anderthalb  Jahr,  bis  man  kommt2  in  das  Land  (%[wpct]),  das  man 

nennt  [ ].      Dann   (röre)  (?)  J.  Leipoldt.  46 

Das  vorstehende  saidische  Fragment  des  sogenannten  vierten  Esra  ist  allein 
schon  durch  seine  Existenz  interessant.  Es  beweist  von  neuem,  welche  Ver- 
breitung jene  jüdische  Apokalypse  in  der  christlichen  Kirche  gehabt  hat.  Wir 
besitzen  das  Buch  nunmehr  ganz  oder  zum  Teil  in  sechs  Sprachen,  lateinisch, 
syrisch,  äthiopisch,  arabisch  (zweimal),  armenisch  und  koptisch.  Leider  ist  das 
saidische  Fragment  so  klein  und  noch  dazu  so  lückenhaft,  daß  man  ihm  keinen 
sicheren  Platz  in  der  Textgeschichte  anweisen  kann.  Fände  sich  das  ganze 
Buch  oder  ein  größerer  Teil  davon  in  dieser  Fassung,  dann  würde  es  gewiß 
ein  wertvoller  Textzeuge  sein;  denn  die  Übersetzung  ist  recht  genau  und  wort- 
getreu, soweit  man  das  nach  dieser  Probe  sagen  kann.  Das  Fragment  ist  wohl 
ohne  Zweifel  eine  unmittelbare  Übersetzung  aus  dem  Griechischen.  Weiter  wird 
man  schon  nach  diesem  Fragment  mit  Wahrscheinlichkeit  behaupten  können, 
daß  dem  saidischen  Texte  die  gleiche  griechische  Vorlage  zugrunde  liegt  wie 
dem  Lateiner,  Syrer,  Äthiopen  und  Araber  I  (ed.  Ewald),  nicht  etwa  diejenige, 
welche  dem  zweiten  arabischen  Texte  (ed.  Gildemeister)  zugrunde  gelegen  haben 
mag  (vgl.  Günkel  in  Kautzsch'  Apokryphen  und  Pseudepigraphen  des  Alten  Testa- 
ments, Tübingen  1900,  II,  S.  333);  dazu  steht  das  Fragment  jener  Hauptüber- 
lieferung zu  nahe.  Wichtig  erscheint  mir  in  dieser  Hinsicht  v.  32,  wo  der  Messias 
n^ujHpe  »mein  Sohn«  genannt  wird  wie  im  Lateiner  und  Syrer  —  Araber 
Ewald  ^bi  »mein  Knabe«,  der  Äthiope  fehlt  — ,  während  Araber  Gildemeister 
^Jl^c  »mein  Knecht«  liest.  Dort  hat  die  eine  griechische  Vorlage  also  höchst  wahr- 
scheinlich -JToug  geboten,  während  die  andere  das  Epitheton  TIS1  für  den  Messias  mit 


l)  Oder:  herauf  aus  dem  Meere  (S-«>.«Txa).  Eine  sichere  Entscheidung  ist  unmöglich,  da 
es  an  Vergleichsmaterial  fehlt,  mit  dessen  Hilfe  man  den  Sprachgebrauch  des  Textes  feststellen 
könnte  (doch  vgl.  Verso  links  Z.  15:  gÄureylAi*.]  »aus  ihrem  Orte«  [ohne  e&oA]).  —  2)  Oder:  sie 
kommen. 

18* 


140  Leipoldt  u.  Violet:    Ein  saidisches  Bruchstück  d.  vierten  Esrabuches.  [4L  Band. 

&ovXos  wiedergegeben  haben  mag1.  Leider  Läßt  uns  das  neue  Fragment  an  den 
Stellen  im  Stiche,  wo  wir  es  am  nötigsten  hätten,  so  bei  den  Namen  in  v.  40 
und  besonders  v.  45  bei  Arzareth,  dessen  Deutung  durch  Schiller -Szinessy  (s.  bei 
Gunkel  a.  a.  0.  S.  397)  als  rrns  yyt  doch  noch  keineswegs  über  jeden  Zweifel 
erhaben  ist,  da  sie  sich  nur  auf  die  Lesart  einer  der  beiden  lateinischen  Hand- 
schriftengruppen mit  Sicherheit  stützen  kann.  Die  neue  Bezeugung  der  Lesart  9x/2 
in  v.  40  ist  wertvoll.  In  v.  32  wird  man  e^p^'i  ^He^X^ccA.  mit  »aus  dem 
Meere«  (nicht:  »auf«)  zu  übersetzen  haben  gemäß  dem  äthiopischen  und  arabi- 
schen Texte  an  dieser  Stelle  und  den  Parallelstellen  cap.  XIII  v.  3  und  v.  25. 
Sonst  wird  sich  über  das  neue  Fragment  inhaltlich  nicht  viel  Wesentliches 
sagen  lassen.  Möge  der  ägyptische  Boden  uns  nicht  nur  diesen  saidischen  Text 
ganz,  sondern  auch  seine  griechische  Vorlage  bescheren!  Den  hebräischen 
(aramäischen?)  Urtext  von  ihm  zu  verlangen,   wäre  wohl  zu  unbescheiden. 

B.  Violet. 


Ägyptische  Worte  bei  Diodor. 

1.  Nwt  als  Name  für  Theben.  —  2.  Der  ägyptische  Name  des  "k&curov  bei  Philä. 

Von  Heinrich  Schäfer. 


1. 

J_Xwt  als  Name  für  Theben.  —  Bei  Diodor  findet  sich  im  l.Buch  Kap.  15 
(ed.  Vogel)  die  folgende  merkwürdige  Stelle:  »Osiris2,  sagt  man,  hat  in  der 
ägyptischen  Thebais  eine  hunderttorige  Stadt  gegründet,  die  er  nach  seiner 
Mutter  benannte.  Die  späteren  Geschlechter  nannten  sie  Diospolis  oder  auch 
Theben.«  Unmittelbar  auf  diese  Stelle  folgt  die  Angabe,  Osiris  habe  auch 
ein  großes  und  prächtiges  Heiligtum  seiner  Eltern  Zeus  und  Hera  gegründet. 
Daß  hier  Hera  als  Mutter  des  Osiris  genannt  wird,  ist  wohl  der  Grund, 
warum  man  die  interessante  Nachricht,  die  in  dem  ersten  Satze  steckt,  bisher 
nicht  erkannt  hat.  Ob  man  die  griechische  Form  Hera,  wie  es  Wiedemann3 
tut,  heranzieht  oder  auf  den  ägyptischen  Namen  der  Göttin  \\>  (Mcu9-) 
zurückgeht,  beides  hilft  nicht  zur  Erklärung  des  Stadtnamens. 

Blättern  wir  im  Diodor  zwei  Kapitel  zurück ,   so  stoßen  wir  auf  die  Notiz : 
»Darauf  kam  Kronos  zur  Regierung,  heiratete  seine  Schwester  Rhea  und  zeugte 


x)  Die  genauere  Untersuchung  dieser  nicht  nur  für  den  vierten  Esra  wichtigen  Frage  kann  ich 
erst  in  meiner  künftigen  Ausgabe  des  vierten  Esra  in  der  Berliner  Kirchenvätersammlung  bei- 
bringen. —  2)  Das  bedeutet  nach  dem  bekannten  Sprachgebrauch  der  späteren  griechischen  Schrift- 
steller ol  mgi  tov  Otiow.  Darum  steht  nachher  einfach  in ujfvij.cn  rrfi  wvjr^cs  ohne  tov  Ssov  o.  ä.  — 
3)  Wiedemann,   Herodot  S.  48. 


1904.]  Heinrich  Schäfer:    Ägyptische  Worte  bei  Diodor.  141 

nach  einigen  Mythologen  Osiris  und  Isis,  nach  den  meisten  jedoch  Zeus  und  Hera. 
Deren  an  je  einem  der  fünf  Anhängseltage  geborene  Kinder  seien  dann  Osiris, 
Isis,  Typhon,  Apollo  und  Aphrodite.«  Dem  Diodor  lagen  also  zwei  Angaben 
über  die  Herkunft  des  Osiris  vor,  nach  der  einen  sind  Osiris  und  Isis  die  Kinder, 
nach  der  anderen  die  Enkel  des  Kronos  und  der  Rhea.  Die  erste ,  von  ihm  nur 
kurz  abgetane,  ist  die  von  Plutarch1  als  einzige  überlieferte.    Sie  entspricht  genau 

der  verbreitetsten  ägyptischen  Anschauung,  nach  der  Osiris  der  Sohn  des  Ig^  j 

und  der  ist.     Es   ist  evident,   und  bei   einem  Manne  wie  Diodor  nicht  ver- 


wunderlich, daß  seine  Angabe  über  die  Benennung  von  Theben  gerade  mit  dieser 
von  ihm  nicht  rezipierten  Lehre  von  der  Abstammung  des  Osiris  aufs  engste 
zusammenhängt.  Denn  nur  wenn  der  Gott  die  von  ihm  gegründete  Stadt  nach 
seiner  Mutter  Nwt  ^  benannt  hat,  wird  die  sonderbare  Geschichte  verständlich. 


Nwt  ®  ,  d.  h.  »die  Stadt«,  ist  ja  die  allbekannte  Bezeichnung  für  Theben,  die 
alte  Hauptstadt  des  Landes,  wie  v\  woXtg  und  »urbs«  für  die  Hauptstädte  der 
lateinischen  und  griechischen  Welt. 

Diese  Notiz  ist  schon  an  sich,  durch  den  Ort,  an  dem  sie  sich  findet, 
interessant;  hübsch,  wenn  auch  nicht  weiter  auffällig,  ist  die  Tatsache,  daß 
Theben  diese  Bezeichnung  auch*  nachdem  es  längst  von  seiner  Größe  herab- 
gesunken war,  in  hellenistischer  Zeit,  aus  der  doch  die  Quelle  Diodors  stammt, 
noch  behalten  hat.  Am  bemerkenswertesten  ist  es  jedoch,  daß  wir  sehen,  der 
Name  der  Himmelsgöttin  muß  ganz  ähnlich  geklungen  haben  wie  das  Wort  für 
«Stadt«.  Ptolemäische  Schreibungen  wie  ^^2  weisen  zwar  auf  dasselbe,  doch 
könnte  man  in  ihnen  Produkte  gelehrter  Spielerei  sehen,  was  bei  der  Notiz 
Diodors  gewiß  ausgeschlossen  ist.  Sie  beruht  ohne  Zweifel  auf  der  üblichen 
Aussprache  beider  Worte.  Für  das  Wort  »Stadt«  wird  das  hebräische  X3  Nö 
ungefähr  die  richtige  Aussprache  geben.  Dazu  paßt  es  ja,  daß  die  Naukratis- 
stele  das  Wort  ©  zur  Schreibung  von  Natu-  in  Naukratis  benutzt.  Auch  die 
assyrische  Schreibung  entspricht  einem  a«.  Aus  dem  Namen  Psusennes  für 
P-sb-hc-m-nw(t)  ist  kein  Gewinn  für  die  Vokalisation  von  ®,  zu  erwarten,  da 
das  Wort  hier  am  Ende  steht  und  durch  die  Bildung  der  griechischen  Endung 
gewiß  stark  verschliffen  ist. 

2. 

Der  ägyptische  Name  des\ßoi,rov  bei  Philä.  —  Diodor  gibt  im  1.  Buch 
Kap.  22  für  den  ägyptischen  Namen  der  sonst  von  den  Griechen  "Aßocrov  genannten 
Insel  bei  Philä,  die  das  Osirisgrab  trug,  bekanntlich  die  wörtliche  Übersetzung 
iepov  7re&ov.  Der  hieroglyphische  Name  der  Insel  findet  sich  in  vielen  verschiedenen 
Schreibungen,  die  sich  nach  den  beiden  Typen  <^^f  I /wwvA^  und  kN^  I  ^^^ 
scheiden  lassen.     Nur  einer  von  beiden  kann  ursprünglich   berechtigt  sein.     Es 


J)    De  Iside  Kap.  12  (ed.  Parthey).  —  2)  Dümichen,  Gesch.  S.76;  Brugsch,  Wb.  S.773. 


142  Heinrich  Schäfer:    Ägyptische  Worte  bei  Diodor.  [4L  Band. 

ist  klar,  daß  Diodors  Übersetzung  »heiliges  Feld«  nur  auf  die  zweite  der  bei- 
den Formen  gehen  kann,  denn  warum  sollte  zur  Wiedergabe  der  ersten  nicht 
einfach  iepoi  vyj<tos  gesagt  worden  sein?    Trotzdem  bevorzugt  man  heutzutage  die 

jr+fO  AAAAAA   .— . 

erste  Form,  aber  gewiß  mit  Unrecht.  Die  Form  Gxx&f  |A/V/WSA^>  ist  nur  eine  An- 
näherung  an   den  Namen  von  Philä  <^^>        ©,   die  sehr  nahe  lag,  weil  ja  der 


Ort  mit  dem  Osirisgrab  in  der  Tat  eine  Insel  bildete  und  weil  die  Worte  (1  v\ 
»Insel«  und  0"k^  »Stätte«   längst  dem  Klange  nach  ganz  oder  fast  ganz  zu- 

sammengefallen  waren.    Der  ursprüngliche  Name  der  Insel  ist  gewiß  k-">if    I  /wvwv^ 

und  er  bezeichnet  den  Ort  ohne  Rücksicht  auf  seine  Insellage  als  das  »Aller- 
heiligste«.  Nach  einer  Stelle  im  Horusmythus  von  Edfu  hieß  ja  auch  das  Aller- 
heiligste  von  Oxyrhynchos  ebenso1,  und  auch  in  Abydos  wird  ein  rj    ^  ifJT=T 

genannt  (Loeet,  Fetes  d'Osiris,  Rec.  de  trav.  III,  44).  Hat  man  dies  erkannt, 
so  sieht  man,  daß  auch  der  gebräuchliche  griechische  Name  der  Insel  "AßotTov 
nicht  eine  Wiedergabe  der  Laute  oder  eine  bloße  Umschreibung  des  Sinnes  des 
ägyptischen  Namens  ist,  sondern  ebenfalls  eine  wirkliche  genaue  Übersetzung, 
allerdings  keine  schulmäßige  wie  das  iepov  7re$iov,  sondern  eine  sehr  glückliche  und 
lebensfähige.  Denn  auch  das  Wort  ccßuTov  ist  ja  im  griechischen  Kult  eine  häufig 
gebrauchte  Bezeichnung  für  das  »Aller heiligste«,  die  synonym  mit  u&vtov 
angewendet  wird.    So  bestätigt  also  der  Name  \ßocrov  wieder  die  Richtigkeit  der 

jrfiQ  AAAAAA   ^-^  j**iO 

Übersetzung  iepov  ttsMov  und  zeigt,  daß   \^^f    I  ~wwv  _   und   nicht   <&zzz>f  j 
der  eigentliche  Name  der  Insel  ist. 


A/VWVX      ^-v 

AAAAAA 


Koptische  Etymologien2. 
Von  Kurt  Sethe. 


4.    *.£€   »Nutzen«. 

In  der  sahidischen  Vita  des  Antonius  (Zoega  361)  lesen  wir,  daß  Antonius  das 
Martyrium  zu  erleiden  wünschte,  daß  Gott  ihn  aber  bewahrte: 

e-Tiioqpe  Äm-TÄ^e  ÜROo'ye   »zum  Nutzen  und  Vorteile  anderer«. 

Wir  haben  hier  parallel  zu  noqpe,  dem  neutrisch  gebrauchten  Femininum 
des  Adjektivs  no«yqe   »gut«,   ein  weibliches  Wort  &.£€.     Man  erkennt  darin  un- 

*)  Brugsch,  Dict.  geogr.  106.  Das  sonstige  Material  zu  der  Abatonfrage  findet  sich  bei 
Pauli -Wissowa  s.o.  ctßarov.  Letrotvne,  Recherches  p.  s.  ä  l'h.  del'Eg.  304 — 305.  Brugsch,  Dict. 
geogr,  106.  Brugsch,  Geographie.  Lepsius,  Briefe  8.111.  Wiedemann,  Herodot  S.  586.  Stern, 
AZ.  84,  51 — 54.  Auf  die  schwierige  Frage,  welche  der  Katarakteninseln  Aßccrou  ist,  will  ich 
hier  nicht  eingehen. 

2)    Fortsetzung  von  ÄZ.  38,   145  ff. 


1904.]  Kurt  Sethe:    Koptische  Etymologien.  143 

schwer  den  alten  Ausdruck  ^  i  llh-t  »das  Nützliche«,  der  gleichfalls  das  neu- 
trisch gebrauchte  und  deshalb  mit  den  Pluralstrichen  versehene  Femininum  des 

Adjektivs   ^b*  »vortrefflich«,    »nützlich«    darstellen  wird. 

i  w  ' 

Das  Wort  scheint,  nach  der  koptischen  Form  zu  urteilen,  dieselbe  Vokali- 
sation  gehabt  zu  haben  wie  das  Wort  7^^-^  »Horizont«,  das  nach  der  grie- 
chischen Wiedergabe  des  Namens  der  großen  Sphinx  V^.^   ~  Hr-m-üht,  Ap^yjg, 

auch  "'adle,  gelautet  haben  muß.  Beide  Wörter  werden  in  der  Tat  wohl  iden- 
tisch gewesen  sein.  t^>^  als  Name  für  den  »Horizont«  wird,  wie  so  viele 
Appellativa  im  Ägyptischen,  von  Haus  aus  nichts  als  ein  adjektivisches  Beiwort 
gewesen  sein,   das  dem  Horizonte  gegeben  wurde. 

5.    oine   »Scheffel«. 

Das  hebräische  Hohlmaß  ~S"S.  das  von  den  Masoreten  Epha  vokalisiert 
worden  ist,  wird  in  der  Septuaginta,  wo  es  allgemein  für  »Maß«  gebraucht  ist, 
durch  pterpov,  wo  es  ein  bestimmtes  Maß  bezeichnet,  dagegen  durch  cupi  oder 
ci(pu  wiedergegeben,  ein  Wort,  das  uns  auch  bei  Hesychius  als  Name  eines 
ägyptischen  Hohlmaßes  =  4  %o7vtjteg  bezeugt  wird.  Gewiß  mit  Recht  hat  man 
vermutet,  daß  die  in  ihrem  konsonantischen  Bestände  (\  j,  p)  übereinstimmenden 
Namen  tatsächlich  identisch  seien  und  daß  die  Hebräer  den  Namen  des  Maßes 
ebenso  wie  den   des  Hin  ("pil,    Sept.   siv,  iv,   w,  ägypt.     '^ÖV^  ^mc)  von  den 

/WNAAA  —ZI 

Ägyptern  übernommen  haben. 

Die  alexandrinische  Form  cupi  zeigt  zwei  charakteristische  Erscheinungen, 
die  bei  vielen  griechischen  Wiedergaben  ägyptischer  Wörter  zu  beobachten  sind, 
die  Endung  t,  die  der  koptischen  Endung  e:i  entspricht1,  und  eine  Aspiration 
des  letzten,  der  Endung  vorhergehenden  Konsonanten,  die  dem  Ägyptischen  in 
beiden  Hauptdialekten  fremd  ist2.  Wir  werden  für  das  alexandrinische  oupi  so- 
mit eine  sahidische  Form  oine  und  eine  boheirische  Form  oini  resp.  aiini  er- 
warten dürfen.     Und  in  der  Tat  lauten  die  koptischen  Formen  dementsprechend. 

Die  sahidische  Form  ome  ist  bereits  von  Bsciai  aus  drei  Bibelstellen,  an 
denen  es  allgemein  »Maß«  ixerpov  bedeutet  und  teils  dem  hebr.  ns*x  (Arnos  8.  5; 
Prov.  20, 10),  teils  tTPtttfn  (Lev.  19.  35)  entspricht,  belegt  worden.  Peyron  kannte 
das  Wort  noch  nicht.  Er  führt  statt  dessen  eine  Form  cr^oine  an.  die  er  gleich- 
falls mit  dem  hebr.  ns-s  und  dem  alexandrinischen  clQi  vergleicht.  Diese  Form 
verdankt  ihr  Dasein  aber  nur  einem  unbegreiflichen  Versehen  des  trefflichen 
Peyron.  An  der  Stelle  (Zoega  355),  der  er  das  W^ort  entnommen  hat,  sagt  näm- 
lich ein  Heiliger  zu  einem  Weib,  das  ihn  um  etwas  Weizen  bittet:  Ä.jii-o'yonie 
TA.ign-q  ne  »hol'  einen  Scheffel,  daß  ich  dir  ihn  (den  Weizen)  zumesse«.  Wie 
man   sieht,    liegt   hier  in  Wahrheit   statt    des  angeblichen  Wortes  o*yoin€  eben 


x)    Z.  B.    in   den  Monatsnamen  Tvßt,  Ylccucpt,  Ilctwt  usw.    —    2)  'Aixsvuöcptg ,  Tlauxpi,  ^ctsucZSi, 
Arajßry^ts ,   T zwcZ&tg ,  'iuouS"*]?  usw. 


144  Kurt  Sethe:    Koptische  Etymologien.  [41.  Band. 

unser  gutes  Wort  oine  mit  dem  unbestimmten  Artikel  o*y  vor.  Könnte  noch 
ein  Zweifel  daran  bestehen,  so  wird  er  durch  die  folgenden  Worte  der  Erzäh- 
lung ausgeschlossen:  Rtoc  •*€  ^cStc  *vqp-*j;pi&Hc  eq'xco  mmoc  äc  o-yitos'  Te 
Tome  »Sie  aber  holte  es.  Er  war  genau,  indem  er  (sich)  sagte:  'Groß  ist  der 
Scheffel'.«  Hier  tritt  uns,  was  Peyron  entgangen  sein  muß,  das  Wort  oine 
ohne  das  o«y  mit  dem  bestimmten  Artikel  entgegen.  Wir  lernen  dabei  zugleich 
sein  Geschlecht  kennen,   das  wie  beim  hebr.  ns^S  weiblich  war  (Tome  und  irre). 

Was  Peyron  zu  der  seltsamen  Auffassung,  daß  das  Wort  an  der  ersteren 
Stelle  o-yome  und  nicht  o«y  +  oine  zu  lesen  sei,  verleitet  hat,  scheint  einer- 
seits die  boheirische  Form  gewesen  zu  sein,  die  er  bei  Kircher  fand,  cyioim, 
andererseits  die  Form,  die  das  Wort  im  Arabischen  angenommen  hat:  weba 
(<C  j)  oder  wiba  CH.J).  In  der  arabischen  Form  wird  aber  das  Waw  lediglich 
das  koptische  o  wiedergeben,  und  was  die  boheirische  Form  o«yaiini  anlangt, 
so  wird  man  nach  den  vorstehenden  Ausführungen  wohl  kaum  noch  im  Zweifel 
sein  können,  daß  auch  bei  ihr  das  oy  den  unbestimmten  Artikel  darstellen  wird 
und  daß  die  sonst,  wie  es  scheint,  noch  nicht  belegte  boheirische  Form  unseres 
Wortes,  ganz  wie  zu  erwarten,   wim  lautete. 

Eine  den  Formen  oine  :  tonn  entsprechende  mittelägyptische  Form  a.ijii  hat 
Peyron  aus  Zoega  147  belegt  und  richtig  mit  seiner  unechten'  Form  cycine 
verglichen. 

Zu  dem  spätägyptischen  Worte  oine,  dessen  richtige  Formen  hier  festge- 
stellt worden  sind,  kennen  wir  nun  auch  die  alte  ägyptische  Form.  Es  ist 
das  Maß  (1     ^2=0  ip-t,    dem  wir  in   den  Inschriften   des  n.  R.   zuerst  begegnen, 

und  das  nach  Griefith'  Untersuchungen1  40  Hin  oder  4  hkl-t  entsprach.  Schon 
Brugsch2  hat  dieses  Maß  richtig  mit  dem  alexandrinischen  oupi  zusammengestellt, 
ohne  das  koptische  Äquivalent  oine  zu  kennen. 

Was    die    Herkunft  dieses  Wortes   (1     ^=o   ip-i    oine    angeht,    so    wird    es 

gewiß  von  dem  alten  Wortstamme  (1  ip    »zählen«    um,   hr  herzuleiten  sein 

und  also  ein  neues  Beispiel  für  jene  Nominalbildung  mit  innerem  j  sein,  die 
wir  so  häufig  gerade  bei  verhältnismäßig  alten  zweilautigen  Verbalstämmen  beob- 
achten können3. 


l)   Proceed.  1892,  432.  —  2)  Ägyptologie  381. 

3)    -xoeic   »Herr«   von  ^^  @    ts    (boh.  gase),    iiocik  »Ehebrecher«   von  C^£  f^u)  nk,   oeiK 

»Brot«   von    ^b^»  ^   ch,  noerr   »Mehl«  von    \r      »  nd  (no-yr),  M&.em  »Zeichen«  (ägypt.  mn-w) 

1       '  ■   w  j  mn  (Avoyn,  jw.hu)  usw. 


1904.] 


Miscellen. 


145 


Miscellen. 

k^upports  de  statues  royales.  —  M.  Borchardt  (AZ.  XL,  p.  142)  a  emis  l'idee 
que  les  consoles  du  pavillon  de  Medinet -Habou  representant  des  tetes  de  captifs 
n'etaient  autre  chose  que  des  socles  de  statues  royales.  J'ai  entre  les  mains  un 
petit  monument,  achete  ä  Louxor,  qui  confirme  cette  hypothese.  C'est  un  frag- 
ment  de  socle  de  Statuette,  en  porphyre  brun  soigneusement  sculpte  et  poli, 
mais  assez  mutile,  qui  ne  mesure  plus  actuellement  que  0™095  de  large  sur 
0T09  de  haut.  Au  dessus  du  socle  proprement  dit,  deux  pieds  nus  s'ap- 
puient,  poses  Tun  ä  cöte  de  V autre, 
sur  les  neuf  arcs  graves  en  creux, 
ce  qui  nous  montre  que  la  Statuette 
representait  un  roi  assis,  sans  doute 
Ramses  III  ou  un  souverain  de  la 
meme  periode. 

La  base  rectangulaire  repose, 
comme  ä  Medinet -Habou,  sur  les 
epaules  de  deux  captifs  qui  symbo- 
lisent  les  peuples  etrangers  du  Midi 
et  du  Nord.  Le  premier,  ä  gauche, 
dont  la  face  est  tres  mutilee,  a  la 
tete  petite  et  ronde,  la  chevelure  divisee  en  meches  regulieres  partant  du  sommet 
du  cräne;  on  y  reconnait  facilement  un  negre.  L'autre  figure,  mieux  conservee, 
car  il  ne  lui  manque  que  le  nez,  a  la  tete  rasee,  des  yeux  largement  ouverts, 
ä  tleur  de  tete,  la  bouche  grande  et  lippue,  et  un  collier  de  barbe.  Le  bras 
gauche  se  replie  pour  supporter  le  socle,  la  main  est  fermee  ä  la  heuteur  de 
l'epaule,  tandis  que  la  droite  se  presente  ouverte  de  meme  que  la  gauche  du 
negre.  C'est,  ä  n'en  pas  douter,  un  Syrien,  qui  rappelle  beaucoup  les  Rotennou 
figures  dans  les  tombeaux  du  Nouvel  Empire,  specialement  ceux  de  Rekhmara 
et  de  Hou'i.  G.  Jequier. 


Zu  Ägypt.  Zeitschr.  41,  85  ff.  —  Borchardts  Erklärung  des  Alabaster- 
monuments Musee  Egyptien  VII ,  2  als  Sockel  für  eine  Falkenstatue  hat  manches 
für  sich,  obwohl  der  Sockel  dann  später  als  Opferaltar  verwandt  sein  muß, 
denn  der  Einschnitt  am  Rand  ist  (vor  seiner  Verletzung)  sorgfältigst  gearbeitet 
worden.  Für  nachträglich  eingefügt  hatte  ihn  übrigens  schon  Wiedemann  (Or. 
Lit.-Zeit.  1904,  S.  287,  woselbst  ältere  Literatur)  angesprochen.     Daß  trotzdem 


Zeitschr.  f.  Ägypt.  Spr.,  41.  Band.     1904. 


19 


146  Miscellen.  [41.  Band. 

der  «Sockel«  die  Form  eines  alten  Königsgrabes  hat  (was  unabhängig  von  mir 
Wiedemann  erkannt  hat),  bleibt  bestehen,  und  auf  diese  Art  erklärt  sich  die 
Verwendung  solcher  Sockel  für  Königssärge  des  mittleren  Reichs  einfacher  als 
bei  Borchardts  Annahme. 

Ich  will  heute  nur  noch  ein  in  diesen  Zusammenhang  gehöriges  Monument 
beibringen,  das  Borchardt  übersehen  hat  und  doch  seine  Deutung  als  Sockel 
zu  unterstützen  scheint:  es  ist  das  in  Alexandrien  gefundene  sogenannte  Sar- 
kophagfragment wohl  saitischer  Zeit,  das  nach  Description  de  l'Egypte  V,  47 
bei  Perrot -Chipiez  I,  f.  394  abgebildet  ist  und  einen  knieenden  König  zeigt, 
der  vor  einem  jetzt  fehlenden  Götterbild  opferte.  Unten  zieht  sich  jenes  selbe 
Lisenenornament  hin1.  Fr.  W.  v.  Bissing. 

Sesonchis  II.  —  Über  die  Regierung  Sesonchis' II.  ist  bisher  wenig  be- 
kannt. Nur  zwei  Denkmäler  bewahren  sicher  seinen  Namen,  ein  in  einem  gol- 
denen Ring  gefaßter  Skarabäus  (London  2928)  und  ein  gleicher  in  Florenz. 
Außerdem  gibt  Berendt  in  seinen  »Florentiner  Inschriften  2577«  eine  Stele, 
auf  der  er  seinen  Namen  wiederherstellen  zu  können  glaubt;  im  Florentiner 
Catalogo  generale  Nr.  1634,  S.  371  ist  bei  dieser  Stele  eine  Kartusche  gar  nicht 
erwähnt. 

Daß  die  Regierung  Sesonchis'  IL  in  jedem  Falle  nur  ephemer  gewesen  ist, 
zeigt  außer  dem  Mangel  von  Darstellungen  auf  Baudenkmälern  auch  Manethos 
Angabe,  daß  er  nur  ein  Jahr  regiert  habe.  Wenn  ich  auch  die  Existenz  des 
Königs  Sesonchis  II.  nicht  bezweifele,  so  will  ich  doch  darauf  aufmerksam  machen, 
daß  er  nach  der  seit  Lepsius  beibehaltenen  Ordnung  der  22.  Dynastie  überhaupt 
nicht  selbständig  regiert  haben  kann.  Nach  dieser  ist  er  der  Nachfolger  Osor- 
kons  IL   und  der  Vorgänger  [seines  jüngeren  Bruders?]  Takelothis  IL 

In  den  von  Legrain,  Ägypt.  Zeitschr.  1896  S.  111  ff,  veröffentlichten  Daten 
der  Nilmessungen  findet  sich  unter  Nr.  13:    Ax_  fi    n  =n  ^  ., ... .  ..V  ^WuO 

i//5H  X     U  I  w  II  IIA  a/ww\  a    £i   >- 


JJ^ll^IfST^l  (cote  +  °>715)-  Der  Nil  ist  also  71,5  cm  über  das  Normalmaß 
gestiegen  »im  Jahre  28  Osorkons  IL,  d.  i.  im  Jahre  5  seines  Sohnes  Takelothis  II.«. 
Hieraus  ergibt  sich,  daß  Sesonchis  IL  schon  als  Mitregent  seines  Vaters  (?) 
gestorben  ist,  und  daß  nach  seinem  Tode  sein  Bruder  (?)  Takelothis  an  seine 
Stelle  trat.  Dieser  regierte  nach  Manetho  13  Jahre.  Sein  5.  Jahr  fällt  mit  dem 
28.  Jahre  Osorkons  IL  zusammen;  da  Osorkon  IL  mindestens  29,  vielleicht  so- 
gar 30  Jahre  regiert  hat  (vgl.  Legrain  14/15),  bleiben  für  Takelothis  IL  nur  7 
bzw.  6  Jahre  der  Alleinherrschaft  übrig.  Er  ist  wohl  früh  gestorben  und  hat 
seinem  Sohn  als  Kind  den  Thron  hinterlassen;  dessen  51jährige  Regierung  be- 
stätigt meine  Vermutung.  Walter  W^reszinski. 


Vgl.  übrigens  auch  Bologna  1870  =  Petrie,  Photographs  N.  399.  aus  Nektanebos' I.  Zeit. 


1904.]  Miscellen.  147 

Zu  den  Kahunpapyri.  —  In  dieser  Zeitschrift  ist  37,  S.  95  ein  Tempel- 
inventar publiziert,   in  dem  aufgeführt  werden: 

-Djlll      P     =  dhQ  -PI  Elektron:   Räuchergefäß    1 

Timmr(?)      >w__  ]J\  »  sein  Untersatz?    1 

Ich  glaube,  wir  kennen  das  Räuchergerät,  von  dem  hier  die  Rede  ist: 
es  sind  jene  »Lampen«  mit  den  dazugehörigen  halbkugelförmigen  Deckeln ,  die 
sich  in  Daschür  und  in  El  Bersche,  also  gerade  in  der  Zeit  der  12.  Dynastie, 
gefunden  haben:  Catalogue  general  du  musee  du  Caire,  Metallgefäße  Nr.  3430 
bis   3435,   3502  und   3503;  Einleitung  S.  IX  und  X. 

Ich  schlage  danach  vor,  den  obigen  Passus  wie  folgt  zu  übersetzen:  Elek- 
tron,   1  Räucherdeckel,   Elektron,    1  Räucherlampe.  Fr.  W.  v.  Bissing. 


Zur  Lesung  von  hlil^'.  —  Sethe  hat  in  dieser  Zeitschrift  38,  S. 103fr". 
für  den  Namen  der  Überschwemmungsjahreszeit  die  Lesung  (]"v\  vorgeschla- 
gen.  Ihm  war  damals  aber  kein  Fall  bekannt,  wo  diese  Lesung  auch  wirklich 
im  Namen  der  Jahreszeit  litteris  expressis  zu  finden  war.  Seitdem  hat  Gr.  W. 
Fräser  in    den  Annales  du  musee  III,  Taf.  4   aus    einem   Grabe    der   5.  Dynastie 

*TL       si<*    O 
einen  Kalender  publiziert,   der  zweimal  die  Orthographie    v\ JB^      bietet.     Es 

ist  dies  eine  schöne  Bestätigung  von  Sethes  Lesung,  die  mir  freilich  auch  da- 
für zu  sprechen  scheint,  daß  (1  von  dem  Schreiber  als  Vorschlagsvokal  ver- 
standen wurde. 

Übrigens  ist  der  alte  Kalender  auch  sonst  interessant:  er  beginnt  nämlich 
mit  den    ^  ^\jo,   dann  folgt   ^|j\  (ZI2)     .  o,  %%%  .     Es  ist  das  wohl  neben 

den  Pyramidentexten  die  älteste  Erwähnung  der  *  v\|^,  die  hier  am  Anfang 
des  Jahres  erscheinen,  leider  ohne  Angabe  der  Anzahl.  Fr.  W.  v.  Bissing. 

Der  Name  Takompso.  —  Der  Name  für  den  Grenzort  der  Dodekaschoinos, 
der  uns  bei  Griechen  und  Römern  in  Formen  wie  Tcc%ofx4'<io,  Tol%e\x-^/w,  Tccxo^og, 
Xoa^/w,  Koß4/oü,  Tacompson  (Akk.)  überliefert2  ist,   heißt  in  ägyptischen  Texten 

(toPtw)'       ^^QiW]'       °Ä   o    (?_££©'  ^©(^(S^^'       IfEELl  (£  (?_  £  © 

usw.2     Diese    Formen    weisen     ebenfalls    auf   eine    Aussprache    Takemso,    kemso 

o.  ä.      Nach  Schreibungen  wie  die  letzten  drei  ist  Sethe  in   seiner  Arbeit  über 

die   Dodekaschoinos   geneigt,    den   Namen   für   gut   ägyptisch    zu   halten3.     Der 

Schluß  scheint  mir  bedenklich,   und  diese  Schreibungen  sehen  mir  vielmehr  so 

aus,   als  bemühe  sich  die  ägyptische  Volksetymologie,   einen  fremden,   hier  also 

wohl  nubischen,  Namen  wiederzugeben.    Der  Hauptteil  des  Namens  Ta-kom(p)so 

hat  nun   eine   ganz   auffällige  Ähnlichkeit  mit   dem   nubischen  Zahlwort  vier, 


l)  Diese  Miszelle  war  der  Redaktion  zugegangen,  ehe  Sethes  Notiz  oben  S.  89  erschienen 
war.  Das  Wort  ist  wohl  zweiradikalig  geworden,  wie  npu)  zu  vokalisieren.  —  2)  Stellen  bei 
Sethe,  Untersuchungen  II,  3.  —  3)  A.a.O.  S.  5  Absatz  1   Ende  und  S.  6. 


148  Miscellen.  [41.  Band. 

das  Lepsius1  in  folgenden  Formen  gibt:  kamsu  (Kenus),  kemso  (Mahas),  kemsi, 
kemis  (Dongola).  Diese  Vergleichung  könnte  wie  reine  Spielerei  klingen,  und 
ich  würde  gewiß  nicht  ernsthaft  an  sie  denken,  wenn  nicht  gerade  in  der  ein- 
zigen ausführlicheren  Nachricht  aus  dem  Altertum  die  Zahl  vier  ebenfalls  mit 
dem  Ortsnamen  Takompso  verbunden  wäre2:  »Wenn  man  von  der  Stadt  Elephan- 
tine  an  aufwärts  fährt,  steigt  die  Gegend  sehr  steil  an.  Da  muß  man  auf  der 
Fahrt  das  Boot  wie  einen  Stier  mit  Stricken  von  beiden  Seiten  festhalten.  Reißen 
die  Stricke,  so  wird  das  Boot  von  der  gewaltigen  Strömung  fortgerissen.  Für 
diese  Gegend  braucht  man  vier  Tage  Fahrt  (^fj-spag  rs(7(Tocpocg  7rAoos),  und  der 
Nil  ist  hier  so  gewunden  wie  der  Mäander.  Zwölf  Schoinen  muß  man  auf  diese 
Art  zurücklegen.  Dann  kommt  man  in  eine  flache  Ebene,  in  der  der  Nil  eine 
Insel  umfließt.  Sie  heißt  Tachompso.«  Tachompso  ist  also  als  der  Endpunkt 
der  vierten  Tagereise  von  Elephantine  aus  gedacht.  Ob  dieses  Zusammentreffen 
nun  doch  nur  ein  sonderbarer  Zufall  ist  und  wie  die  Anfangssilbe  Ta-,  die  auch 
fehlen  kann,  etwa  nubisch  oder  sonstwie  zu  erklären  ist,  das  zu  entscheiden 
muß  ich  Berufeneren  überlassen.  H.  Schäfer. 

H  V  (Tl  Qf)  z=  t0-^#  —  Bei  Lagarde,  Aegyptiaea  »De  morte  Josephi«  Stück  16 
findet  sich  folgender  Satz: 

o«yoi  im&.M&.d.'xe,  *se  A/yMepe  RttjÄ/xe  Rk&.crc  mm  «uj&^te  THpcy  ÄintoMc 

Der  boheirische  Text  hat: 

o-yoi  im^Meog'x,  «xe  A/yMenpe  cxot€ai  emc&/xi  Set^Hcy 

Die  arabische  Übersetzung  hat: 

3**x^Ji  gU*  UyJ>l  ^\  J^  Jo^S 

»Wehe  den  Ohren,  welche  geliebt  haben,  Verleumdung  zu  hören.« 
Falls   nicht   schon  von  anderer  Seite  darauf  aufmerksam  gemacht  worden 
ist,  möchte  ich  vorschlagen,   das  Wort  toÄTc,   welches  in  der  Bedeutung   »sub- 

mergere«  hier  keinen  Sinn  ergibt,  mit  (j  yjfl  'SA  zu  identifizieren.  A.  Weil. 

Zu  Ägypt.  Zeitschr.  40, 135.  —  In  meinem  Aufsatze  »Berichte  Schenutes 
über  Einfälle  der  Nubier  in  Ägypten«  (ÄZ.  40)  ist  ein  Übersetzungsfehler  zu  be- 
richtigen. S.  135  Z.  4 — 6  des  deutschen  Textes  ist  statt  »Oder  (vf)  sollen  wir« 
bis  »vollbringen  können?«  zu  lesen  »Oder  (vf)  ist  das,  was  uns  gehört,  nicht  (w) 
größer  als  das   der  Witwe   {%v\pat)  in  Sarepta?«.     Anmerkung  5  ist  zu  streichen. 

J.  Leipoldt. 

*)  Nubische  Gr.  S.  47.  Die  Dialekte  folgen  bekanntlich  in  der  Reihenfolge  Kenus,  Mahas, 
Dongola  von  Norden  nach  Süden  aufeinander.  —  2)  Herodot  II,  cap.  29.  —  3)  iU^ijJI  in  der  Be- 
deutung »obtrectatio«  findet  sich  nach  einer  freundlichen  Mitteilung  des  Hrn.  Prof.  J.  Barth  bei 
Freitag,  Chrest.  S.101  Z. 7  v.  u.  v. ;  Dozy,  Supplem. 


1 904.]  Erschienene  Schriften.  149 


Erschienene  Schriften. 

Heinrich  Asmus,  Über  Fragmente  in  mittelägyptischem  Dialekt  (Leipziger  Inauguraldissertation). 

8.  70  SS.     Göttingen  1904. 
J.  Bai  11  et,  La   reunion   de   la  famille  dans  les  Enfers  egyptiens    (Journal  Asiatique  1904,   Sept.- 

Octobre). 

F.  W.  v.  Bis  sing,  Ein  Thebanischer  Grabfund  aus  dem  Anfang  des  Neuen  Reichs.    3.  und  4.  Lief. 

4  Farbentaff.  und  4  SS.  Text.     Berlin  1905. 

James  Henry  Breasted,  The  earliest  occurence  of  the  name  of  Abram  (American  Journal  of 
Semitic  Languages  and  Literatures,  Vol.  XXI,  No.  1,  p.  22  —  36). 

Catalogue  General  des  Antiquites  Egyptiennes  du  Musee  du  Caire.  Vol.XVII.  Nos  18065 — 18793. 
Steingefäße.    Von  F.  W.  v.  Bissing.    4.   173  SS.  mit  Abb.  und  10  Taff.    Wien  1904. 

Ernest  Chantre,  Recherches  anthropologiques  dans  l'Afrique  Orientale.  Egypte  (Recherches 
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Emil  Levy,  Über  die  theophoren  Personennamen  des  alten  Ägypten  zur  Zeit  des  neuen  Reiches 
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G.  Schweinfurth,  Die  Umgegend  von    Schaghab    und  El-Kab    (Oberägypten).     Mit  einer  Karte 

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Kurt  Sethe,  Beiträge  zur  ältesten  Geschichte  Ägyptens.  Mit  einem  Beitrag  von  Eduard  Meyer. 
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150  Erschienene  Schriften.  [4L  Band.   1904.] 

Raymond  Weil,  Recueil  des  Inscriptions  Egyptiennes  du  Sinai.  Bibliographie,  Texte,  Traduction 
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A.  Wiedemann,  Das  Pferd  im  alten  Ägypten  (Die  Umschau,  VIII.  Jahrg.,  Nr.  52). 

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Leipzig  1905. 


Leipzig,  J.  C.  Hinrichs'sclie  Buchhandlung.  —  Verantwortl.  Redakteur  Prof.  Dr.  G.  Steindorff,  Leipzig,  Waldstr.  52. 

Berlin,  gedruckt  in  der  Reichsdruckerei. 


Illil