Skip to main content

Full text of "Zeitschrift für celtische Philologie"

See other formats


tz  I  LIBRARY 


^. 


nVT*^ 


ZEITSCHRIFT 

FÜR 


CELTISCHE  PHILOLOGIE 


HERAUSGEGEBEN 


VOM 


KUNO  METER 


XTL  BAND 


HALLE  A.  S. 

MAX  I7ISM£Y£R 


LONDON  W,  C. 

WILLIAMS   &  NOSGATE 

U,  HENRI    TTA  STREET 
COVENT  GARDEN 


NEW  YORK 

G.  E.  STECHEET    &    CO 
151- IM  WEsT  25th  sTREET 


1918 


,1/1 


w*-^ 


Inhalt. 


Seite 

W.  Greiner,  Owein  — Ivain 5 

J.  Hopfner,  Verkleinerungsformen  altkeltischer  Flufsnamen     .    .    .  185 

J.  Pokorny,  Beiträge  zur  ältesten  Geschichte  Irlands 195 

K.  Meyer,  Das  Ende  von  Balle  in  Scäil 232 

R.  T hur neysen,  Tuirill  Bicrenn  und  seine  Kinder 239 

— ,  Tochmarc  Cruiun  ocus  Macha 251 

— ,  Neuir.  gäl.  niata 254 

J.  Pokorny,  Der  Priester-Mörder 255 

R.  Thur neysen,  Zur  keltischen  Literatur  und  Grammatik  .    .    .    .  271 

K.Meyer,  Mitteilungen  aus  irischen  Handschriften 290 

J.  Pokorny,  Vennischtes ^ 298 

K.  Meyer,  Eine  Auseinandersetzung 307 

J.  Pokorny,  Nachtrag  zum  Aufsatz :  Beiträge  zur  ältesten  Geschichte 

Irlands 308 

Carl  Marstrander,  Altir,  ^iWae 309 

J.  Pokorny,  Beiträge  zur  ältesten  Geschichte  Irlands  (3.  Erainn, 

Ddri(n)ne  und  die  Ivemi  und  Darini  des  Ptolomäus)    .    .    .  323 

K.  Meyer,  Mitteilungen  aus  irischen  Handschriften  (Fortsetzung)     .  358 

R.  Thurneysen,  Zu  irischen  Texten 398 

— ,  Miszellen   (1.  Ursprüngliches  dm  im  Altirischen;   2.  Ir.  alaile; 

3.  titacht  'kommen';  4.  Der  Übergang  von  v- in /"- im  Irischen; 

5.  Ogom  Svaqquci]  6.  cürsachad;  7.  Kymr.  y  aus  m;^ ;  8.  Kymr.  heb)  408 

K.  Meyer,  Altir.  imb-ad-ci- 414 

— ,  Altir.  tinds 414 

J.  Pokorny,  Zur  Chronologie  der  Umfärbung  der  Vokale  im  Altirischen  415 

K.  Meyer,  Mittelir.f ic  =  fuc •/*    *^^_     <5*. 

J.  Pokorny,  Die  Endungen  der  2.  Sing.  Präsentis  im  Altirische^^    ^  ^ 


(^  fiienARyl 


IV 

K  Meyer,  mac  toimfen 431 

— ,  Miszellen  (1.  Zar  Datierung  des  Gelben  Buchs  von  Lecan ;  2.  Altir. 
Gennaith;  3.  Drei  Menschenalter;  4.  Cü  Chorb  and  Echu  Find 
Füath  nAirt;  6.  Kymr.  nolff;  7.  Altir.  swirse ;  8.  Delbnae  Nödot; 
9.  Altir.  wöi  'mein';  10.  Altir.  daüA/enn ;  11.  Zu  O'Davorens 
Glossar;  12.  Bisher  unbelegte  altir.  Formen;  13.  Altir.  <o-/awc-)    432 

Carl  Marstrander,  Einige  Worte  an  Knno  Meyer 442 

Erschienene  Schriften: 

Revue  Celtique  XXXVI 3—4 445 

A.  G.  van  Hamel,  Inleiding  &c.   .    . 449 

K.  Meyer,  An  CrTnog 452 

K.  Meyer,  Noch  ein  Kriegskuriosum 453 

Nachträge  und  Berichtigungen 454 


OWEIN  —  IVAIN. 

Neue  Beiträge  zur  Frage  nach  der  Unabhängigkeit  der  cymriachen 
Mabinogion  von  den  Romanen  Chrestiens. 


Eiuleituug  und  Vorbemerkung. 

Die  vorliegende  Arbeit,  die  ihre  Entstehung  einer  Anregung 
meines  verehrten  Lehrers  Adolf  Birch- Hirschfeld  verdankt, 
spll  einen  Beitrag  liefern  zu  der  vielumstrittenen  sogenannten 
Mabinogionfrage,  zur  Klärung  des  Verhältnisses  der  Vers- 
romane Chrestiens  zu  den  entsprechenden  wälschen  Erzälilungen 
des  Llyfr  Goch  o  Bergest. 

Diese  Streitfrage  ist  nun  in  allerjüngster  Zeit  gerade 
wieder  in  den  Vordergrund  getreten,  nachdem  es  vorher  längere 
Zeit  hindurch  geschienen  hatte,  als  sei  die  Untersuchung 
darüber,  welche  Stellung  und  welchen  Wert  man  den  drei 
Erzählungen  von  Peredur,  Geraint  und  Owein  zugestehen 
müsse,  endgültig  und  unwiderruflich  abgeschlossen.  Die  in  den 
Einleitungen  der  trefflichen  Ausgaben  der  Werke  Chrestiens, 
die  uns  Wendel  in  Förster  geschenkt  hat,  von  ihm  und  in  der 
im  Jahre  1889  veröffentlichten  Abhandlung  von  Othmer  auf- 
ofestellten  Behauptungen  blieben  längere  Zeit  hindurch  fast 
unwidersprochen.  Man  schlofs  sich  im  allgemeinen  ihnen  an, 
und  so  wurde  die  Förstersche  Ansicht,  die  drei  cymrischen 
Erzählungen  seien  unmittelbar  von  Chrestien  abhängig,  lange 
Zeit  die  herrschende,  und  durch  sie  wurde  „der  Weg  zur 
richtigen  Erkenntnis  des  Ursprungs  der  Artusepik  ver- 
barrikadiert" (Zenker). 

Der  nun  gegenwärtig  mit  erbitterter  Schärfe  wieder- 
aufgenommene Streit  wurde  veranlafst  durch  eine  von  Richard 
Edens  vei-falste  Rostocker  Preisschrift  über: 

„Erec- Geraint.   Der  Chretiensche  Versroman  und  das 
,    wälsche  Mabinogi." 
Schon  in  den  vorhergehenden  Jahren  —  Edens  veröffentlichte 
seine  Schrift  im  Jahre  1910  —  hatten  sich  einzelne  Stimmen 

Zeitschrilt  f.  celt.  Plülolotfie  Xil,  l.  1 


2  WALTER    GREINKR. 

erhoben,  die  den  Förster -Othmerschen  Beweisführungen  die 
zwingende  Kraft  absprachen.  Doch  gelang  es  Förster  immer 
wieder  in  mehr  oder  minder  sachlichen  Entgegnungen  sowie 
anderen  Veröffentlichungen  seine  Ansicht,  die  er.  von  geringen 
Abweichungen  abgesehen,  im  Ganzen  unverändert  aufrecht 
erhieltj  zur  Geltung  zu  bringen. 

Von  Edens  an  kann  man  nun  von  einem  gewissen  „Um- 
schwung der  Lage"  reden.  An  seine  Schrift  schlössen  sich 
zahlreiche  Veröffentlichungen  an,  die  sich  teils  mit  dem  engeren 
Gebiete  des  Erec.  teils  aber  auch  mit  der  allgemeineren  Frage 
befafsten.  Ich  erinnere  hier  nur  an  die  Fehde  zwischen 
Förster  und  Zenker- Edens  im  Literarischen  Zentralblatt  1912, 
an  Försters  Entgegnung  in  der  Behrensschen  Zeitschrift 
(XXXVIIL  149—195),  der  Zenkers  „Antikritik"  folgte  und 
endlich  an  Browns  Abhandlung:  On  the  independent  character 
of  the  Welsh  Owein.  Windischs  umfassende  Schrift  über  das 
keltische  Britannien  und  Zenkers  Entgegnung  im  Literatur- 
blatt (1913,  Nr.  5)  fanden,  da  die  Vollendung  der  Arbeit  schon 
zu  weit  gefördert  war,  nur  in  den  Hauptsachen  Berück- 
sichtigung. 

Es  kann  hier  nicht  der  Zweck  dieser  Zeilen  sein,  all  die 
Zahl  der  einschlägigen  Werke  und  Aufsätze  anzuführen. 
Eine  „Geschichte  der  Mabinogionfrage",  wenn  man  es  so 
nennen  will,  findet  sich  kurz  bei  Förster  im  ersten  Aufsatz 
aus  dem  oben  erwähnten  Streit  (Spalte  1120).  Libezug  auf 
die  früheren  und  frühesten  Forschungen  auf  unserem  Gebiete 
sei  verwiesen  auf  die  Zusammenstellungen  bei  Rauch  und 
Othmer;  einen  Überblick  über  die  Ergebnisse  namentlich  de  ■ 
neueren  und  neuesten  Arbeiten  gibt  Windisch  in  dem  Ab- 
schnitt LH  seiner  Abhandlung,  den  er  ., Gaston  Paris, 
W.  Förster  und  H.  Zimmer"  überschreibt  (Seite  250  f.). 


Der  eigentlichen  Behandlung  der  Grundfrage  nach  dem 
Verhältnis  Ivain  —  Owein  seien  einige  Worte  über  die  so- 
genannten Mabinogion  an  sich  vorausgeschickt. 

Die  Handschrift  befindet  sich  im  Jesus  College  zu  Oxford 
und  enthält  nach  den  Angaben  der  Lady  Guest,  die  zum 
ersten  Male  eine  vollständige  englische  Übertragung  im  Jahre 


owEiN  —  ivAiN.  ;; 

1849  veröifentlichte,  720  Folioseiteii.  Die  ihren  Tnlialt  bildenden 
wälscheu  Erzählungen  sind  ilirem  Stoffe  nach  wesentlich 
verschieden. 

Man  hatte  sich  nun  daran  gewöhnt,  die  zunächst  nur 
den  sogenannten  „four  branches"  zukommende  Bezeichnung 
mabinogi  auch  auf  die  drei  Erzählungen  von  Owein,  Peredur 
und  Geraint  zu  übertragen,  sie  über  sämtliche  Geschichten 
der  Sammlung  auszudehnen  und  so  den  Inhalt  des  Koten 
Buches  von  Hergest  als  die  Mabinogion  schlechthin  zu  be- 
zeichnen. Dagegen  wandte  man  sich  mehrfach,  zuletzt  Wendelin 
Förster  in  dem  schon  oben  erwähnten  Aufsatz  in  der  Zeit- 
sjihrift  für  rom.  Phil.  Sicherlich  ist  dem  zuzustimmen,  dafs 
sich  hier  eine  ursprünglich  unrichtige  Bezeichnung  eingebürgert 
hat.  Wenn  ich  aber  trotzdem  im  Folgenden  für  die  uns 
besonders  naheliegende  Erzählung  Jarlles  y  Ffynnawn  (die 
Dame  von  der  Quelle)  den  Namen  ]V[abinogi  gebrauche,  .so 
geschieht  dies  lediglich  in  der  Absiclit,  mich  mit  der  Mehr- 
zahl der  einschlägigen  Arbeiten  in  dieser  Beziehung  in  Über- 
einstimmung zu  setzen.  Betreffs  alles  Weiteren  kann  ich  auf 
Zenkers  Anmerkung  zu  Seite  1  seiner  „Antikritik''  verweisen. 
Das  Wort  mabinogi  selbst  ist  nun  auch  Gegenstand  mehr- 
facher Erörterungen  gewesen.  Die  einen  —  Hughes  und  Rhys, 
auch  Loth  und  Zimmer  —  verdeutschen  es  mit  ^Lernstoft"  des 
Barden"  (mabinog  =  literary  apprentice!).  während  Evans  das 
AV'ort  etwa  mit  dem  uns  aus  der  altfranzösischen  Literatur- 
geschichte geläufigen  enfances  (Enfances  Ogier.  enfances  Roland 
u.  a.  m.)  aus  dem  lat.  infantia  bedeutungsgleich  ansetzt.  Ich 
möchte  —  im  Hinblick  auf  die  späteren  Ergebnisse  der  Unter- 
suchung —  in  diesem  Zusammenhange  nicht  verfehlen,  auf 
den  einen  möglicherweise  bestehenden  Zusammenhang  des 
Wortes  mit  Frau  Mab,  der  Feenkönigin,  hinzuweisen,  die  uns 
durch  Shelleys  Dichtung  bekannt  und  durch  Shakespeares 
berühmte  Schilderung  in  Romeo  und  Julia  vertraut  geworden 
ist.    Dort  heilst  es  I,  4: 

„Sie  ist  der  Feen  Traum -Entbinderin: 

Sie  kommt,  nicht  gröfser  als  der  Edelstein 

Am  Zeigefinger  eines  Aldermanns, 

Und  fährt  mit  einem  Spann  von  Sonnenstäubchen 

Den  Schlafenden  quer  auf  der  Nase  hin. 


WALTER   GREINER. 


—    —    —     —     ich  rede 
Von  Träumen,  Kindern  eines  müfs'gen  Hirns, 
Von  nichts  als  eitler  Phantasie  erzeugt, 
Die  aus  so  dünnem  Stoff  als  Luft  besteht 
Und  flücht'ger  wechselt,  als  der  Wind,  der  bald 
Um  die  erfrorne  Brust  des  Nordens  buhlt. 
Und  schnell  erzürnt,  hinweg  von  dannen  schnaubend. 
Die  Stirn  zum  taubeträuften  Süden  kehrt." 
Die  walisische  Sammlung,  das  in  der  vorliegenden  Gestalt 
und  Fassung  aus  dem  14.  Jahrhundert  stammende  Red  Book 
of  Hergest  (Llyfr  Codi  o  Hergest),    auf   dessen  Text  —  in 
der   trefflichen   französischen  Übersetzung  von  Loth  —  die 
folgende   Untersuchung    ruht,    ist   nun   keinesfalls   die   erste 
Niederschrift  der  cymrischen  Erzählungen.  Von  Evans  wurde 
1909  der  Text  des  White  Book  lierausgegeben,  einer  Hand- 
schrift, die,  wie  uns  Windisch  in  seiner  Abhandlung  Seite  231 
berichtet,  bis  nahe  an  die  Zeit  Chrestiens  heranreicht. 

Noch  nicht  allzulange  ist  es  her,  dafs  man  über  die  Ent- 
stehung des  Red  Book  auch  nur  mit  einiger  Sicherheit  ein 
klares  Bild  hatte.  War  man  früher  geneigt,  aus  den  un- 
verkennbaren Spuren  älterer  Fassungen,  mit  denen  wir  uns 
im  Verlauf  der  Untersuchung  mehrfach  zu  beschäftigen  haben 
werden,  den  Schlufs  zu  ziehen,  dafs  die  cymrischen  Erzählungen 
in  der  uns  überlieferten  Form  älter  seien  als  Chrestiens  Werke, 
so  gibt  heute  jeder  Keltist  zu,  dafs  die  Handschrift  des  Roten 
Buches  in  der  Zeit  nach  Chrestien  entstanden  ist.  Auch 
Browns  Untersuchung  ,,0n  the  independent  character  of  the 
Welsh  Owein"  fulst  auf  dieser  Tatsache. 

Das  Verhältnis  des  Red  Book  zum  White  Book  gestaltet 
sich  nun  nach  Mary  Rh.  Williams,  der  auch  Windisch  zu- 
stimmt, so,  dafs  für  beide  Handschriften  eine  gemeinsame 
Quelle  aus  dem  Jahrhundert  Chrestiens  anzusetzen  ist. 

Die  Niederschrift  der  den  französischen  Romanen  ent- 
sprechenden cymrischen  Erzählungen  zeitlich  genau  fest- 
zusetzen, ist  bis  jetzt  noch  nicht  gelungen.  Nach  der  einen 
Seite  hin  ergibt  sich  ja  eine  Begrenzung  des  Spielraumes  mit 
voller  Sicherheit:  dafs  die  Erzählungen  ihre  gegenwärtige  Form 
in  der  romanischen  Zeit  —  also  nach  1066  —  erhalten  haben. 


OWEIN  —  IVAIN.  5 

dafür  zeugen  die  französischen  Lehnwörter,  deren  Unter- 
suchung Windisch  einen  besonderen  Abschnitt  widmet.  Die 
(Frenze  nach  der  anderen  Seite  hin  ist  weniger  scharf  zu 
ziehen,  obwohl  der  geistvollen  und  mühereichen  Versuche,  sie 
zu  finden,  —  es  sei  nur  erinnert  an  Evans,  der  eine  Nieder- 
schrift der  Mabinogion  aus  der  ersten  Hcälfte  des  12.  Jahr- 
hunderts, also  aus  der  Zeit  vor  Chrestien  erschiiefsen  wollte 
—  viele  gemacht  Avurden.  Bestehen  bleibt  jedenfalls  als  grund- 
legend, dafs.  wie  Windisch,  dem  ich  in  diesen  rein  keltischen 
Fragen  hauptsächlich  gefolgt  bin,  feststellt  (Seite  233)  „die 
handschriftliche  Aufzeichnung  der  cymrischen  Erzählungen 
nicht  mit  voller  Sicherheit  bis  in  die  Zeit  vor  Chrestien 
zurück  verfolgt  werden  kann".  Folgen  wir  Evans  und  Loth 
(Revue  Celtique  XXXII,  430),  so  haben  sie  ihre  gegen- 
wärtige Gestalt  in  der  ersten  Hälfte  des  13.  Jahrhunderts 
erhalten. 

So  mag  es  denn  auf  den  ersten  Blick  am  einfachsten  er- 
scheinen, die  ganze  Mabinogionfrage  oder  vielmehr  die  Kette 
von  E]inzelf ragen,  die  noch  mehr  oder  minder  der  Klärung 
harren,  damit  als  gelöst  zu  betrachten,  dafs  man  die  den 
französischen  Versromanen  entsprechenden,  uns  in  einer  nach- 
weislich jüngeren  Xiederschiift  erhaltenen  cj'mrischen  Er- 
zählungen als  von  den  ersteren  abhängig,  als  stark  gekürzte 
Wiedergaben  der  Werke  Chrestiens  ansieht.  Dabei  würden 
natürlich  die  zahlreichen  echt  keltischen  Bestandteile,  deren 
Vorhandensein  niemand  eigentlich  geleugnet  hat,  lediglich  als 
„Beiwerk"  (Förster)  zu  gelten  haben,  oder,  wie  Othmer  sich 
minder  geschmackvoll  ausdrückt,  den  Zweck  verfolgen,  „den 
Schmuggel  der  unechten  Ware  zu  decken". 

„So  gibt  es  denn  keinen  Forscher  (!)  mehr,  der  die 
französische  Abstammung  dieser  drei  Erzählungen  leugnete", 
lälst  sich  Ph.  Aug.  Becker  im  Januarheft  1913  des  Literatur- 
blattes vernehmen.  Man  sieht,  die  Ansicht  von  der  Ab- 
hängigkeit der  Mabinogion  wird  heute  mit  einer  Bestimmtheit 
geäufsert,  die  es  dem  L'nbefangenen  redlich  schwer  macht, 
vorurteilsfrei  an  die  ganze  Frage  heranzutreten  und  die 
keinesfalls  so  unerschütterlich  fest  gegründeten  Ergebnisse 
dei'  Forschungen  auf  gegnerischer  Seite  einer  Prüfung  zu 
unterziehen. 


6  WALTER    GREINER, 

Försters  gesamte  Behauptungen  und  Beweisführungen 
gipfeln  immer  und  immer  wieder  in  dem  einen  Satze: 

„Kristian  ist  eben  und  bleibt  der  grofse  Meister,  dessen 
Ruhm  die  Nachwelt  nicht  schmälern  kann."  (Einleitung  zum 
Lancelot  XCVIIT). 

Chrestiens  Dichterrulim  —  das  ist  der  Anfang  und  das 
Ende,  der  eigentliche  Hauptgrund  der  Veröffentlichungen 
Wendelin  Försters.  Und  über  einen  jeden,  der  au  des  Franzosen 
Stellung  in  der  Literatur  und  zu  seinen  Werken  zu  rütteln 
wagt,  giefst  er  die  volle  Schale  seines  Grimmes  aus. 

Es  wird  im  Folgenden  gezeigt  werden,  dafs  auch  bei  der 
Annahme  der  Unabhängigkeit  der  cymrischen  P>zählungen 
Chrestiens  Gestalt  keinesfalls  von  ihrem  Glänze,  von  ihrer 
Bedeutung  verliert.  Fern  liegt  es  uns,  ihn  zu  verkleinern; 
bleibt  doch  auch  auf  dem  Boden  unserer  Ansicht  Grund  genug, 
ihm  für  Proben  hoher  dichterischer  Gestaltungskraft  und 
reichster  Ausdrucksfähigkeit  dankbar  zu  sein, 

„Ehrliche  Anerkennung  dem  Franzosen,  der  uns 
Kunstwerke  hohen,  unvergänglichen  Wertes  schuf  — 
Ehre  aber  auch  dem  Kymren,  der  uns  Kunde  gab 
von  alten,  längst  verschollenen   Formen  der   Sage!-' 

Und  so  mögen  diese  Zeilen  zu  einer  gerechteren  Würdigung 
des  Verdienstes  beider  beitragen. 


Erster  Abschnitt. 
Eine  Gegenüberstellung  der  beiden  Fassungen. 

Texte: 

Wendelin  Försters  Teitau.sgabe  des  Löwenritters  (Romanische  Biblio- 
thek V).    i.  Aufl..  1912. 

Les  Mabinogion  tradnits  eu  francais  etc.  par  .1.  Loth.  Tome  II,  p.  1—45- 
Edition  euti^rement  revne,  corrigee  et  angmentee.    Paris  1913. 

Zum  ersten  Male  wird  auf  den  folgenden  Seiten  der 
Versuch  gemacht,  die  französische  und  die  cymrische  Be- 
arbeitung des  Ivainstoffes  ihrem  ganzen  Vei-lauf  nach  Zeile 
für  Zeile  einander  gegenüberzustellen.  Es  geschieht  dies  vor 
allem  deshalb,  um  für  die  dann  folgenden  zusammenfassenden 


OWEIN  —  IVAIN.  7 

Ausführungen  eine  sichere  Grundlage  zu  schaffen,  dann  auch 
zu  dem  Zwecke,  einmal  eine  übersichtliche  Darstellung  des 
Gemeinsamen  und  des  Trennenden,  das  beiden  Werken  eigen 
ist.  zu  geben.') 

Chrestiens  Roman  beginnt  mit  der  Schilderung  des  glän- 
zenden Hoftages  zu  Carduel.  Für  die  Handlung  selbst  von 
keinerlei  Bedeutung,  läfst  sicli  dieses  Stück  völlig  als  ein- 
leitende Episode  loslösen.  Die  Art  dieser  Eingangszeilen 
erscheint  mir  jedoch  zu  formelhaft,'-)  —  es  war  eben  eine  der 
durch  die  Mode  und  den  literarischen  Gesclimack  des  Publikums 
gebotenen  Einführungen,  wie  wir  sie  in  gleichzeitigen  Werken 
mehrfach  finden,  —  als  dal's  es  sich  der  Mühe  lohnte,  den 
Quellen  für  das  sich  so  völlig  in  den  gewohnten  Bahnen  be- 
wegende Treiben  der  Ritter  und  Damen  nachzugehen,  wie 
liies  Holland  in  seiner  Ivainausgabe  und  San  Marte  (eben- 
dort  angeführt)  tun.  Zudem  erscheint  es  arg  seltsam,  das 
Vorhandensein  einer  derartigen  Quelle  für  Chrestien  notwendig 
vorauszusetzen;  er,  der  ein  echtes  Kind  seiner  ritterlich 
galanten  Zeit  war,  dessen  „Sinnesart  die  der  höfischen  Zeit- 
genossen" war,  dessen  ..sittliche  Anschauungen  die  seiner 
adligen  Hörer"  (Gröber)  sind,  er,  der  die  Höfe  von  Champagne 
und  Flandern  aus  eigner  Anschauung  kannte,  war  in  dieser 
Hinsicht  doch  wirklich  nicht  auf  fremde  Vorbilder  an- 
gewiesen. "» 

Als  beliebtes  Modethema  darf  man  wohl  auch  die  Klage 
über  den  Verfall  der  „guten  alten  Zeit"  auffassen  (v.  17— 28), 
die  uns  zu  wiederholten  Malen  in  Dichtungen  des  gleichen 
Zeitabschnitts  begegnet.  Mit  leiser  Verachtung,  die  Chrestien 
wieder  als   echten,   meisterhaften   Interpreten   höfischer  An- 


•)  Zu  der  im  Folgenden  —  auch  in  zitierten  Stellen  —  durchgeführten 
Schreibung  des  Namens  Ivain  vergleiche  man  W.  Förster.  Der  Löwenritter, 
4.  Aufl.,  1912.    S.  V,  Anm.  2. 

»)  Wolfram  von  Escheubach  macht  sich  sogar  schon  über  diese 
stereotype  Art  der  Eomaneiuleitung  lustig: 

Parz.  281.  16:    „Artus,  der  meienbaere  mau. 

Swaz  man  von  dem  ie  gesprach. 
Zeinen  ptinxten  daz  geschach. 
Odr  in  des  meien  bluomenzit." 
Man  vergleiche  auch  Försters  Anmerkung  zu  V.  6  des  Ivain. 


8  WALTEli    GKEINER. 

scliauuiigen.  höfischer  Minneideen')  zeigt,  wendet  er  j»ich  von 
den  Minneverächtern,  den  Minneunkundigen,  ab: 

(25)  ,,cil  qui  rien  n'an  santent, 

Dient  qu'il  aimment,  mes  il  mantent 

Et  eil  fable  et  mansonge  an  fönt, 

Qui  s'an  vantent  et  droit  n'i  ont." 
„Lafst  uns  lieber  von  einer  Zeit  reden,  da  es  noch  proesce 
und  corteisie,  da  es  noch  höfische  Tugenden  gab!"  fährt  er 
fort  und  wendet  sich  dann  über  ein  kurzes  Loblied  auf  den 
..unsterblichen  —  darin  stimme  er  völlig  mit  den  Bretonen 
überein  —  Artus",  dem  eigentlichen  Thema  des  ersten  Teiles 
zu:  der  Erzählung  des  Calogrenant. 

Bei  den  nun  folgenden  Versen,  die  bei  Chrestien  etwa  als 
Überleitung  zu  der  Erzählung  der  abenteuerlichen  Fahrt  zu 
gelten  haben,  setzt  auch  der  Bericht  des  Kymren  ein.  Da  der 
Beginn  beider  Fassungen  bemerkenswerte  Abweichungen  zeigt, 
folgen  hier  ('hrestiens  und  des  Kymren  Bericht  übersichtlich 
nebeneinandergestellt,  und  zwar  links  Chrestien  (die  Zitate 
nach  Försters  kleiner  Ausgabe),  und  rechts  das  Mabinogi,  das 
in  der  französischen  Übersetzung  von  J.  Loth  angeführt  wird. 

Chrestien.  Mabinogi. 

Gegenüber  der  leuchtenden 
Farbenpracht  in  der  Schilde- 
rung des  Franzosen  fällt  hier 
die  patriarchalische   Einfach- 
heit des  Königshofes  sofort  ins 
Auge:  „L'empereur  Arthur  se 
trouvait    ä    Kaer    Llion    sur 
Wysc.    Or    un    jour    il   etait 
assis    dans    sa    chambre    en 
compagnie.  .  ." 
.Vor  der  Tür  des  Gemachs.        Die   nun   genannten  Ritter 
in    welches    sich    der    König     entsprechen  den  bei  ('hrestien 
zurückzieht,    stehen    Dodinel,     aufgeführten,     nur     Gauvain 

')  So  heilst's  im  Perceval:  „Amors  qui  est  si  haute  cliose 
Et  <le  si  grant  doucenr  auclose 
Et  precieuse  chose  et  sainte.  .  .'• 


OWEIN 


IVAIN. 


Sagremors,  Ken,  Gauvain  und 
Ivain. 


Das  auffallende  Verhalten 
des  Königs  nach  der  Festtafel 
—  der  Ton  liegt  in  y.  45  auf 
a  si  grant  feste,  wie  Kölbing 


wird    an   diesei-  Stelle   nicht 
erwähnt;  weiter  befindet  sich 
die  Königin  mit  ihren  Zofen 
im   Gemach,    alle   mit  Hand- 
arbeiten   beschäftigt.     Wohl 
sind  Binsen  gestreut,  wie  es 
bei  festlicher  Gelegenheit  und 
auch  sonst  alt  vertrauter  Brauch 
war,    aber   von    Pracht    und 
Luxus,  von  dem  märchenhaften 
Glänze   der  andere   Schlösser 
—  auch  im  späteren  Verlaufe 
der  Erzählung  —  umgibt,  fehlt 
jede  Spur.  Anstelle  der  reichen 
Folge  köstlicher  Speisen,  die 
wir    aus    den    Schilderungen 
festlicher  Mahle  bei  den  alt- 
französischen Dichtern  kennen, 
die  auch  in  unserem  Texte  an 
späterer  Stelle  zu  wiederholten 
Malen  erwähnt  werden,   sind 
hier  recht  einfache,  fast  rohe 
Sitten  dargestellt:   „des  tratt-> 
dies  de  viande,    port^es  par 
le  Chevalier  Kei  et  des  cru- 
chons  d"hydromel  sont  pour  lui 
(den  Kymren )  ce  qu'il  y  a  de 
plus  delicat",sagt  Piquet  a.a.O 
S.  122.   Diese  —  fast  gesucht, 
erscheinende  —  Einfachheit  am 
Königshofe   im  Gegensatz   zu 
der  feenhaften  Schilderung  an- 
derer Schlösser  im  Owein  wird 
in    einem   späteren   Abschnitt 
zu  beleuchten  sein. 

Das  Fehlen  des  Pförtners, 
wird  (nach  Lady  Guest  als  ein 
Zeichen  der  gröfsten  Gast- 
lichkeit) besonders  erwähnt. 


10 


WALTER   GREINER, 


herA'orgehoben  hat.  [man  ver- 
gleiche hierzu  Char.  36  .,apres 
mangier  ne  se  remut  Li  rois 
d'antre  ses  conpeignons"]  — 
bietet  den  ängstlich  mit  Wah- 
rung des  Hof  Zeremoniells  be- 
dachten Rittern  —  ihre  Namen 
sind  oben  genannt  —  Gelegen- 
heit zu  ausgiebigen  Erörte- 
i'ungen: 
(44)  „S'i  ot  de  teus.  cui  mout 

greva, 
Et  qui  mout  grant  parole  an 

firent 
Por  ce,   que  onques  mes  nel 

virent 
A  si  gi-ant  feste  an   chanbre 

antrer" 
Die  vor  der  Tür  des  könig- 
lichen Gemachs  stehenden  Rit- 
ter lauschen  einer  —  allerdings 
wenig  rühmlichen  —  Erzäh- 
lung: 

(59)  ...  „un  conte, 

Non  de  s'enor  mes  de  sa  honte^', 
wie  Chrestien  bezeichnender- 
weise gleich  hinzusetzt,  die 
Calogrenant  begonnen  hat. 

Es  folgt  sodann  der  uner- 
wartete Eintritt  der  Königin, 
die  vom  Gemache  aus  die 
Unterhaltung  verfolgt  hat, 
weiter  ihr  plötzlicher,  etwas 
seltsam  anmutender  Fall  (den 
übrigens  Hartmann  von  Aue 
wörtlich  übernommen  hat;  bei 
ihm  heilst  es  v.  104  „und  viel 
enmitten  under  si.")  Calogre- 
nant benutzt  die  Gelegenheit, 


Der  König  selbst  führt  sich 
herzlich  wenig  vorteilhaft  ein 
mit  den  Worten:  „Hommes.  si 
vous  ne  vous  moquiez  pas  de 
moi,  je  dormirais  volontiers  en 
attendant  mon  repas."  Loth4,7. 

„Et  l'empereur  s'endormif, 
heifst  es  weiter;  kein  Mensch 
kümmert  sich  darum;  die  Rit- 
ter lassen  sich  von  Kei  be- 
wirten, und  nach  einigem  Hin 
und  Her  beginnt  Kynon  (Calo- 
grenant) seinen  abenteuer- 
lichen Bericht,  dem  die  Worte 
vorausgehen: 

4,  17  ...  „ensuite  nous  te 
dirons  le  meiUeur  recit  que 
nous  pouvous  savoir.'^ 


•v: 


OWETN 


IVAIN. 


11 


der  Königin  ritterliche  Hilfe 
zu  leisten,  was  ihm  aber  gar 
seltsamen  Lohn  einträgt.  Mit 
vollem  Bezug  auf  die  eben  be- 
gonnene und  doch  wohl  fast 
beendete  F^rzählung  spottet 
Ken  über  des  (^efährten  gegen- 
wärtig so  grofsen  Mut  und 
feine  corteisie  und  wird  von 
der  Königin  sogleich  in  die 
Schranken  zurückgewiesen, 
worauf  ein  längeres  Wort- 
gefecht zwischen  der  Königin, 
Ken  und  rjalogrenant  anhebt. 
Der  letztere  wird  schliefslich 
veranlafst,  seine  Erzählung 
noch  einmal  zu  beginnen.  Er 
folgt  dem  Wunsche  und  läfst 
der  Bitte  um  Gehör  —  ganz 
im  Stile  der  kunstmäfsigen 
Sänger  —  einen  Exkurs  über 
die  Aufmerksamkeit  folgen. 

Als  Probe  eines  solchen 
Chrestienschcn  Exkurses  seien 
die  in  Frage  kommenden  Verse 
(150—174)  in  deutscher  Über- 
tragung wiedergegeben. 

„Leiht  mir  nun  Ohren  und 
auch  das  Herz!  Denn  was  ihr 
hört,  ist  wertlos,  wenn  es  nicht 
zugleich  auch  mit  dem  Herzen 
aufgenommen  wird.  Es  gibt 
zwar  Menschen,  die  das  Gehörte 
nicht  eigentlich  innerlich  in 
sich  aufnehmen,  es  aber  doch 
loben;  diese  haben  davon  doch 
nichts  als  den  Schall,  solange 
das  Herz  nicht  mit  dabei  ist. 
Das  Wort   gelangt    zum   Ohr 


12 


WALTER    GKEINER. 


wie  der  Wind,  der  dahin  fliegt; 
aber  es  bleibt  dort  nicht  und 
hält  sich  nicht  auf,  sondern 
eilt  schon  nach  sehr  kurzer 
Zeit  weiter,  wenn  das  Herz 
nämlich  nicht  gerüstet  und 
geneigt  ist,  den  Sinn  auf- 
zunehmen, indem  es  das  Ctc- 
sprochene  bei  seinem  Heran- 
kommen an  sich  zieht,  ein- 
schliefst und  bei  sich  zurück- 
behält. 

Die  Ohren  bilden  lediglich 
den  Weg,  gleichsam  den  Kanal, 
auf  dem  die  Stimme  zum 
Herzen  gelangt,  und  das  Herz 
nimmt  dann  im  Leibe  die 
Stimme,  die  durch  die  Ohren 
eingetreten  ist,  an  sich. 

Darum  muls  der,  welcher 
mir  jetzt  zuhören  will,  Ohren 
und  Herz  mir  zur  Verfügung 
stellen,  denn  ich  will  nicht 
etwa  von  etwas  reden,  das 
mir  im  Traume  erschienen  ist, 
noch  will  ich  Märchen  oder 
bewufsteUnwahrheiten  weiter- 
verbreiten, womit  euch  ja  leider 
so  viele  andere  immer  abge- 
speist haben,  —  sondern  ich 
werde  euch  berichten,  was  ich 
in  Wirklichkeit  gesehen  und 
erlebt  habe.'*  | 

Ks   folgt   nun   in    beiden   Fassungen   die   abenteuerliche 
Erzählung  des  Zugs  nach  der  r-rewitterquelle. 

Der  wälsche  Text  beginnt 
mW  dem  Versuch  einer  Cha-* 
rakteristik  des  Helden: 


OWEIX 


IVAIN. 


IB 


Vor  sieben  Jahren  (die  Zeit- 
angabe läfst  sich  nach  Förster 
nicht  mit  v.  2089  vereinen,  wo 
es  heifst,  dafs  Laiidine  ihren 
Gemahl  vor  noch  nicht  ganz 
sieben  Jahren  geheiratet  liat. 
Man  tut  am  besten,  den  Wider- 
sprüchen in  zeitlichen  und  geo- 
graphischen Angaben,  die  sich 
bei  Chrestien  finden,  keinerlei 
Bedeutung  beizumessen)  ist 
Calogrenant  allein  auf  Aben- 
teuer ausgezogen;  ohne  ein 
bestimmtes  Ziel  zu  haben, 
schlägt  er  auf  gut  Glück  einen 
beliebigen  Weg  ein: 
(180)  „Et  trovai  un  chemin  a 

destre 
Parmi  une  forest  espesse." 


[Loth  II,  5,  9]  J'etais  fils 
unique  de  pere  et  de  mere; 
j'etais  fougueux,  d'une  grande  . 
presomption;  je  ne  croyais  pas 
qu'il  y  eüt  au  monde  personne 
capable  de  me  surpasser  en 
n'importe  quelle  prouesse. 
Apres  etre  venu  ä  bout  de 
toutes  Celles  que  presentait  mon 
pays,  je  fis  mes  preparatifs  et 
me  mis  en  marche  vers  les 
extremites  du  monde  et  les 
deserts." 

Diese  letzte  Wendung  des 
Hinausziehens  in  weiteste 
Fernen  findet  sich  in  unserem 
Texte  noch  mehrmals;  sie  wird 
in  dem  der  Stilistik  des  Mabi- 
nogi  gewidmeten  Abschnitt 
näher  betrachtet  werden. 

Auf  seinem  Ritt  geriet  (tom- 
bai)  auch  er  zu  der  Burg,  die 
ihm  gastliches  Obdach  ge- 
währt. 


u 


WALTER    GREINER. 


Auf  mühsamen  Pfaden 
(182)  .,Mout  i  ot  voie  feienesse, 
De  ronces  es  d'espines  plainne". 
reitet  Calogrenaiit  bis  zum 
Abend  weiter,  bis  der  Wald 
—  sein  Name  ist  Broceliande, 
heifst  es  v.  189  —  sich  lichtet 
und  er  vor  sich  in  der  Ebene 
eine  Bui-g  sieht. 

Er  reitet  näher  heran  und 
grüfst  den  Schlofslierrn,  der 
ihn  sogleich  bei  der  Hand  er- 
greift und  zum  Bleiben  und 
Übernachten  einlädt. 


Bemerkenswert  sind  im  wäl- 
sclien  Text  die  allgemein  über- 
gangenen Worte:  ä  la  iin,  je 
tombai.  .  .  (L  II,  5,  16),  sie 
sollen  an  späterer  Stelle  zur 
Untersuchung  herangezogen 
werden.  Zunächst  gelangt  der 
Ritter  in  ein  paradiesisch 
schönes  Tal: 

.....  un  vallon  le  plus  beau 
du  monde,  couvert  d'arbres 
d'egale  taille.  .  .  (L  II,  5,  16). 
Ein  Fluls  (une  riviere  aux 
eaux  rapides)  durcheilt  das 
Tal,  ein  Pfad  zieht  sich  am 
Ufer  hin.  Diesen  verfolgt 
Kynon  bis  zum  Mittag  und 
reitet  sodann  am  anderen  Ufer 
des  Flusses,  den  er  durchreitet, 
weiter:  ,,je  le  suivis  jusqu'au 
milieu  du  jour  et  je  continuai 
de  l'autre  cöte  de  la  riviere 
jusqu'ä  nones."  [L.  II,  5, 19  f.]. 

Er  gelangt  in  die  Ebene, 
an  deren  Ende  (extremite 
[L  II,  5,  22])  sich  das  prächtige 
funkelnde  Schlofs,  wohl  eine 
Wasserburg  (baigne  par  les 
flots  5,  23),  erhebt. 

Während  nun  die  Erzählung 
von  der  Aufnahme  im  Schlofs 
bei  Chrestien  rein  nichts  des 
Wunderbaren  enthält,  ist  die 
entsprechende  Stelle  des  Ma- 
binogi  gekennzeichnet  durch 
all  jene  wunderbaren  Bestand- 
teile, die  uns  als  reine  Märchen- 
züge und  als  echt  keltische 
älteste   Sagenbestandteile    in 


OWEIN  —  IVAIN.  1') 

den  späteren  Abschnitten  der 
Untersuchung  wieder  begegnen 
werden.  Darum  soll  auf  die 
hier  überaus  bezeichnenden 
Schilderungen  auch  schon  an 
dieser  Stelle  etwas  genauer 
eingegangen  werden.  Beim 
Nähei'kommen  bemerkt  K3-non 
zw^ei  Jünglinge  mit  blondem 
Lockenhaar, 

„deux  jeunes  gens  aux  che- 

veux  blonds  frises,  (5,  25),  die 

überaus  kostbar  und  prächtig 

gekleidet  und  ausgerüstet  sind: 

„portant   chacun   un  diademe 

d'or;  leur  robe  etait  de  paile 

jaune;  des  fermoirs  d'or  ser- 

\  raieut  leurs  cous-de-pied;   ils 

I  avaient    ä    la    main    un    arc 

d'ivoire;  les  cordes  en  etaient 

de  nerfs  de  cerf,  leurs  fleches 

!  dont  les  hampes  etaient  d'os 

1  de  cetaces  avaient  des  barbes 

i  de  plumes  de    paon;    la  tete 

I  des   hampes   etait   en  or;    la 

\  lame  de  leurs  couteaux  etait 

\  aussi  en  or  et  le  manche  d'os 

de  cetace"  (6, 11). 

Sie  sind  mit  Messerwerfen 

\  beschäftigt.  Bei  ihnen  befindet 

;  sich  ein   Mann,   dessen  Aus- 

I  sehen  und  Kleidung  ebenfalls 

i  von     märchenhaftem    Glänze 

umstrahlt  ist: 

„un    homme    aux    cheveux 

1  blonds  frises,   dans   toute   sa 

1  force,    la    barbe    fraichement 

I  rasee.  II  6tait  vetu  d'une  robe 

;  et  d'un  manteau  de  paile  jaune; 


16 


WALTER   GREINER. 


Mit  einem  im  Schlofsliofe 
aufgehängten  Gong  ruft  der 
Gastgeber  die  Schlofsbewohner 
herbei,  den  Gast  zu  bedienen : 
(211)  „  Anmi  la  cort  au  vavassor 

(2U)  Pandoit  une  table.  Je  cuit 
Qu'il  n'i  avoit  ne  fer  ne  fiist 
Ne  rien,  qui  de  cuivre  ne  fust". 

Etwas  merkwürdig  nimmt 
sich  in  diesem  Zusammeniiange 
in  V.  220  das  Wort  anclos  aus: 
„Cil  qui  amont  ierent  anclos 
Oirent  la  voiz  et  le  son.  ,  ." 

Die  Schlofsbewohner,  von 
denen  wir  nichts  Näheres  er- 
fahren, gewähren  nun  dem 
ritterlichen  Gaste  all  die  Hand- 
reichungen und  Bequemlich- 
keiten, die  aus  den  höfischen 
Romanen  geläufig  sind. 

Bei  Chrestien  tritt  besonders 
ein  iiübsches  Fräulein  hervor: 
(227)  ,,üne  pucele  bele  et  jante; 

(229)  Ele  fu  longue  et  gresle 
et  droite. 
De  moi  desarmer  fu  adroite". 
Als  beide  dann  allein  sind, 
gewährt  sie  ihm  auch  alsbald 
ein  trautes  Schäferstündchen: 


un  lisere  de  til  d'or  bordait  le 
manteau.  II  avait  aux  pieds 
deux  hauts  souliers  de  coi'dwal 
bigarre,  fermes  chacun  pai-  nn 
bouton  d'or"  (6,  10). 

Der  Kitter  ist  überaus  höflich 
und  lädt  Kynon  sogleich  ein, 
ihm  ins  Schlofs  zu  folgen. 

„II  n'y  avait  d'autres  habi- 
tants  que  ceuxquise  trouvaient 
dans  la  salle,"  heilst  es  ö,  20. 
Das  heilst  doch  nichts  anders, 
als  dafs  das  Schlofs  völlig  un- 
bewohnt schien,  bis  auf  die 
drei  Männer  vor  dem  Tor  und 
die  nun  näher  beschriebenen 
im  Saale  versammelten  Mäd- 
chen. Diese  sind  ohne  Aus- 
nahme von  berückender  Schön- 
heit und  Anmut: 

,,la  plus  laide  d'entre  elles 
etait  plus  belle  que  la  jeune 
tiUe  la  plus  belle  que  tu  aies 
Jamals  vue  dans  Tile  de  Bre- 
tagne;   la    moins    belle   etait 
plus  charmante  que  Gwenhwy- 
var,  femme   d'Arthur,   quand 
!  eile  est  la  plus  belle,  le  jour 
!  de  Noei  ou  le  jour  de  Päques. 
I  pour  la  messe"  (7,  3i? 
I      Bei  der  Ankunft  des  Ritteis 
I  legen  sie  ihre  Arbeit  —  Seiden- 
I  Stickerei  —  beiseite  und  leisten 
I  ihm  Willekommendienste.   Die 
!  einen  reinigen  und  putzen  die 
i  Waffen, 

I  „au  point  qu'on  ne  pouvait 
I  rien  voir  de  plus  blanc" 
i  (7.  12). 


OWBIN 


IVAIN. 


17 


(238)  .,ele  me  mena  seoir 
kl  plus  bei  praelet  del  munde. 
( 'los  de  bas  mur  a  la  reoude". 
,.Dem  Gliickliclieii  schlägt 
keine  Stunde"  —  sie  dehnen 
beide  das  ungestörte  Bei- 
sammensein, von  dem  der  Ritter 
ganz  entzückt  ist  (v.  241 — 246) 
so  lange  aus,  dals  der  Wirt 
um  die  Stunde  des  Nacht- 
mahles sich  höchst  eigenhändig 
auf  die  Suche  nach  seinem 
Gast  und  dem  schönen  Fräu- 
lein machen  mufs  und  sie  zu 
beider  lebhaftem  Unwillen  — 
(247)  „Mes  tant  me  fist  la  nuit 
de  guerre 
Li   vavassors,    qu'il   me   vint 

querre, 
Quant  de  soper  f  u  tans  et  ore"  — 
auch  an  dem  verschwiegenen 
Platze  findet.  Die  ganze  Epi- 
sode ist  ein  kleines  Meister- 
stück Chrestienscher  Erzäh- 
lungskunst, eine  köstliche 
Probe  seines  sonnigen  Humors. 
Und  dieser  Umstand  mag  es 
entschuldigen,  wenn  diesen 
Versen  an  dieser  Stelle  ein 
etwas  gröl'serer  Raum  zu- 
gesprochen wurde,  als  ihnen 
nach  ihrer  Bedeutung  für  den 
Fortgang  der  Handlung  zu- 
kommt. 


Die  andern  schirren  das 
Pferd  ab, 

„d'une  fagon  irreprochable, 
aussi  bien  que  les  meilleurs 
ecuyers  de  l'ile  de  Bretagne" 
(8,  1). 


Zeitschritt  f.  celt.  Philologie  XII,  1. 


Auf  das  Wechseln  der  Klei- 
der und  das  Waschen  —  sil- 
berne Schüsseln  und  kostbare 
Leinentücher  werden  gereicht 
8,  4  —  folgt  alsbald  .das  Mahl, 

o 


18 


WALTER   GREI3SER, 


Calogrenant  ist  ganz  ent- 
zückt von  dem  Mahle,  wobei 
allerdings  der  Umstand,  dafs 
die  pucele  an  der  Mahlzeit  teil- 
nimmt, ein  gewichtiges  Wort 
mitsprechen  mag: 
(253)  „. .  .  il  fu  del  tot  a  ma 

devise. 
Des  que  devant  moi  fu  assise 
La  pucele.  .  .*' 


So  kommt  auch  bald  eine 
angeregte  Unterhaltung  in 
Gang,  und  als  sich  der  Gast 
am  Abend  verabschiedet,  da 
er  noch  vor  Tagesanbruch 
weiterreiten  will,  muls  er  ver- 
sprechen, bei  der  Heimkehr 
wieder  im  Schlofs  des  gast- 
lichen Vasallen  einzukehren. 


„.  .  . 

boisson 


an  dem  die  Mädchen  teil- 
nehmen, soweit  sie  nicht  durch 
das  Servieren  in  Anspruch  ge- 
nommen .sind.  Sowohl  Geschirr 
als  Speise  und  Trank  sind  vor- 
züglich: 

„La  table  etait  d'argent.  et 
les  linges  de  table,  de  toile 
fine;  quant  aux  vases  qui  ser- 
vaient  ä  table,  pas  un  qui  ne 
füt  d'or,  d'argent  ou  de  corne 
de  boeuf  sau  vage  . . ." 

il  n'y  avait  pas  de 
ou  de  mets  ä  moi 
connu  qui  ne  füt  repreaente 
lä,  avec  cette  difference  que 
mets  et  boisson  etaieut  beau- 
coup  mieux  apipretes  que  par- 
tout ailleurs"  (8,  9  f.). 

Das  Mahl  wird  schwei- 
gend eingenommen: 

„Nous  arrivämes  a  la  moitie 
du  repas  sans  que  l'homme  ou 
les  pucelles  m'eussent  dit  un 
mot"  (8, 18). 

Auf  diesen  Unistand,  aus 
dem  sich  in  einem  späteren 
Abschnitt  immerhin  auch  für 
das  Ganze  wichtige  Schlüsse 
ziehen  lassen,  hat  meines  Wis- 
sens bisher  noch  niemand  hin- 
gewiesen. 

Kynon  äulsert  auch  noch 
während  des  Mahles  sein  Be- 
fremden über  die  Schweigsam- 
keit seiner  Tischgenossen,  wor- 
auf der  Schlofsherr  mit  einer 
ganz  faden  Ausrede  erwidert: 

„nous    aurions    cause    avec 


OVVEIN 


IVAIN. 


19 


toi  deja  saus  la  crainte  de  te 
troiibler  dans  ton  repas,  noius 
allons  le  faire  maintenant"'. 
(8,  25). 

Kynon  erzählt  nun  von  dem 
Zweck  und  Ziel  seines  Aus- 
zuges. Der  Schlofsherr  verrät, 
dafs  er  wohl  etwas  in  dieser 
Richtung  wisse,  es  aber  seine 
schweren  Bedenken  habe,  da- 
von zu  sprechen: 

„Si  je  ne  croyais  qu'il  düt 
t'en  arriver  trop  de  mal,  je 
tindiquerais  ce  que  tu  cher- 
ches"  (9,  4). 

Bemerkenswert  ist  auch  der 
Satz,  der  diesen  Worten  voran- 
geht: 

„II  me  regarda  et  sourW'. 

Die  Vorstellung  der  Gefahr 
reizt  natürlich  Kynon  un- 
gemein, und  der  Schlofsherr 
gibt  endlich  nach  und  berichtet 
folgendes : 

Die  Nacht  soll  Kynon  hier 
im  Schlosse  zubringen  und  am 
folgenden  Morgen  ganz  früh 
ausreiten.  Nun  folgt  die  Be- 
schreibung des  Weges  bis  zum 
Waldschrat,  die  Chrestien  be- 
kanntlich an  dieser  Stelle  nicht 
hat.  Sie  kehrt  im  Verlaufe 
der  cymrischen  Erzählung  noch 
mehrmals  in  dergleichen  Weise 
—  auch  das  ist  ein  nicht  zu 
unterschätzender  Zug  —wieder. 

Der  Weg  selbst  ist  nun 
nach  der  Angabe  des  Schlofs- 
herrn  folgender: 

2* 


20 


WALTER   GREINER, 


(180)  „Et  trovai  un  chemin  a 
destre!" 


„suis  le  chemin  sur  lequel 
tu  te  ti'ouves  tont  le  long  de 
cette  vallee  lä-bas  jusqu'ä  ce 
que  tu  arrives  au  bois  que 
tu  as  traverse!"  (9,  11). 

Der  Weg  führt  demnacli 
zunächst  wieder  ein  Stück 
zurück,  wenn  man  nicht  an- 
nehmen will,  was  später,  zu 
erörtern  sein  wird,  dafs  sich 
das  Schlofs  des  gastlichen 
Ritters  in  einer  rundgestaltigen 
weiten  Lichtung  des  Waldes 
befindet. 

Gar  bald  zweigt  dann  ein 
Pfad  zur  Rechten  ab,  der  zu 
einer  grofsen  Lichtung  führt 
(une  grande^  clairi^re  unie 
9,  15). 

Auf  dem  Hügel  (tertre),  der 
sich  inmitten  dieser  Lichtung 
erhebt,  wird  er  den  Wald- 
schrat finden.  Dieser  wird  nun 
beschrieben: 

„tu  verras  un  grand  homme 

noir,    aussi    grand   au   moins 

que  deux  hommes  de  ce  monde- 

ci;   il   n'a   qu'un   pied'  et  un 

seul  üeil  au  milieu  du  front; 

ä  la  main  il  porte  une  massue 

de  fer.  et  je  te  reponds  qu'il 

n'5'  a   pas    deux   hommes   au 

monde  qui  n'y  trouvassent  leur 

!  faix.  Ce  n'est  pas  que  ce  seit 

un  homme   mechant,  mais  il 

est  laid"  (9,  17  f.). 

Auch  über  die  Stellung  des 

j  Waldmenschen  weifs  der  Gast- 

I  geber  Genaueres: 


OWEIN 


IVAIN. 


?1 


„C'est  lui  qui  est  le  garde 
de  la  foret,  et  tu  verras  mille 
animaux  sauvages  paissant 
autour  de  lui''  (9,  21). 

Von  diesem  Waldhüter  wird 
dem  Ritter  weitere  Kunde  zu- 
teil werden.  Allerdings  darf 
er  sich  nicht  von  dem  Un- 
willen des  Eiesen  abschrecken 
lassen: 

„II  se  montrera  bourru  ä 
ton  egard.  .  . "  (9,  24).  wird 
aber  endlich  doch  das  erfahren, 
wonach  sein  ritterliches  Ver- 
langen geht. 

Am  andern  Morgen  in  aller  Frühe   erfolgt   nun  —   in 
beiden  Fassungen  —  der  Aufbruch. 

Chrestien,  der  Höfische,  hebt  j 
den  herzlichen  Abschied  von 
den  gastlichen  Freunden  noch 
besonders  hervor.  Bemerkens- 
wert für  die  folgende  Unter- 
suchung ist  V.  278: 

„L'ostel  gueires  esloigne  n'oi, 
Quant  je  trovai  an  uns  essarz 
Tors  sau  vages  et  espaarz". 

Es  ist  die  Lichtung,  in  der 
sich  der  Waldschrat  (vilain) 
aufhält.  Das  erschreckliche 
Lärmen,  das  durch  den  Wald 
schallt,  stammt  von  Stieren 
her,  die,  anscheinend  wild  und 
herrenlos,  einander  bekämpfen, 
weswegen  auch  Calogrenant 
vorzieht,  sich  in  Sicherheit  zu 
bringen : 

(285)    ...   ,,de  peor  me   tres 
arriere; 


Besonders  hinzuweisen  ist 
hier  auf  eine  mehrfach  wieder- 
kehrende Wendung: 

„mon  böte  m'avait  dit  qu'il 
etait  grand;  il  etait  bien  plus 
grand  que  cela.  La  massue  de 
fer  qui,  d'apres  lui,  aurait 
Charge  deux  hommes,  je  suis 
bien  sür,  Kei,  que  quatre 
hommes  de  guerre  y  eussent 
trouve  leur  faix"  (10,  7). 


22 


WALTER    fiKEINER, 


Qne  iiule  beste  n"est  tant  fiere 
Ne  plus  orgnellense  de  tor". 

Auf  einem  Baumstumpf  sieht 
er  den  Waldsclirat  sitzen,  der, 
als  ein  Ausbund  von  Häfs- 
lichkeit,  für  alle  späteren 
Schilderungen  typisch  g-ewor- 
den  ist.  Er  wird  genauer  be- 
schrieben als  in  der  cymrischen 
Fassung;  über  25  Verse  hin- 
weg erstreckt  sich  die  Auf- 
zählung seiner  „Reize"  (v.  288 
— 313).  Beim  Herannahen  des 
Ritters  springt  er  auf  und 
erwartet  ihn  schweigend, sodafs 
Calogrenant  zunächst  glaubt, 
dem  Riesen  —  denn  um  einen 
solchen  handelt  es  sich  zweifel- 
los, wie  aus  v.  322  hervorgeht, 
„S'ot  bieii  dis  et  set  piez  de 
lonc'  — 
sei  die  Gabe  der  Rede  versagt. 
Auf  die  Frage  des  Ritters 
stellt  er  sich  als  gewöhnlicher 
Sterblicher 

(330)      „Je  suis  uns  hon" 
und  als  Hüter  der  Stiere  vor. 

Als  Calogrenant  diesen  An- 
gaben starke  Zweifel  entgegen- 
setzt, gibt  der  -  Waldmensch 
alsbald  weiteren  Aufschlufs. 
Die  Tiere  stehen  völlig  unter 
seiner  (Tewalt,  der  sie  sich 
ganz  beugen: 

(344)     ,,N'i    a   cell,    qui   s'ost 
movoir. 
Des  qu'eles  me  voient  venir. 
Car  quant  j'an  puis  une  tenir, 
Si  la  destraing  par  les  deux  corz 


„Je  saluai  riionime  noir  qui 
ne  me  repondit  que  d'une  fagon 
bourrue"  heilst  es  10.  12. 


Auf  die  Frage  („quel  pouvoir 
il  avait  surces  aniniaux" [10,13] 
des  Kynon  hin  erbietet  er  sich 
alsbald,  eine  Probe  seiner 
Macht  zu  geben.  Seine  Anrede 
dem  ., Menschenkind"  gegen- 
über ist  „petit  homme"  (10, 15). 

Er  schlägt  mit  der  Keule 
einen  der  Hiist^he  mit  ge- 
waltigem Schlag  nieder.  Der 
Schmerzensschrei  des  Tieres 
lockt  die  übrigen  herbei.    Sie 


OWEIN  —  IVAIN, 


23 


As  poinz,  que  j'ai  et  durs  et- 

forz, 
Que  les  autres  de  peor  traii- 

blent 
(350)  Et  tot  anviron  nioi  s'assan- 

blent. 
Aussi  coli  por  merci  crier; 
Ne  nus  iie  s'i  porroit  fier 
Fors  moi,s'aiitr'eles  s'estoitiiüs. 
Que  maintenaut  ne  fast  ocis. 
(355)  Eiiisi  siii  de  mes  bestes 

sire". 


(855)  „Einsi  sui  de  mes  bestes 
sire". 

Nun  mufs  auch  Calogienant 
über  seine  Person  und  das  Ziel 
seines  Wegs  Auskunft  geben. 
Auf  die  Bitte  des  Bitters.  ilim 
doch  zu  einem  Abenteuer  zu 
verhelfen, 

(364)   ,,0r  te  pri  et  quier  et 

demant. 

Se  tu  sez,  que  tu  nie  consoille 

')  Auch  von  den  mehrfachen  wörtlichen  Übereinstimmungen  wird  in 
eiiieiii  späteren  Abschnitt  die  Rede  sein. 


kommen  in  so  grofser  Zahl 
und  in  so  verschiedenen  Arten, 
dals  Kynon  fürchtet,  umge- 
rannt zu  werden: 

„des  animaux  en  aussi  grand 
nombre  que  les  etoiles  dans 
l'air  au  point  que  j'avais  grand' 
peine  ä  me  tenir  debout  au 
milieu  d'eux  dans  la  clairiere; 
ajoutez  qu'il  y  avait  des  ser- 
pents,  des  viperes,  toute  Sorte 
d'animaux'"  (10,  18  f.). 

Auf  einen  Befehl  des  Hege- 
meisters hin  gehen  sie  alle 
wieder  auseinander: 

„II  jeta  les  yeux  sur  eux 
et  leur  ordonna  d'aller  paitre. 
Ils  baisserent  la  tete  et  lui 
temoignerent  le  meme  respect 
que  des  hommes  soumis  a  leur 
seigneur"  (10,  22). 

Der  Schlulssatz  lautet  fast 
wörtlich  mit  Chrestien  über- 
einstimmend: i) 

„Vois-tu  petit  homme,  le 
pouvoir  que  j'ai  sur  ces  ani- 
maux" (10.  25). 

Kjmons  Frage  nach  der  Fort- 
setzung des  Wegs  bringt  den 
Riesen  in  Wut:  ,,Il  se  montra 
rüde,  mais  il  me  demanda 
neanmoins  oü  je  voulais  aller" 
(10,  28). 


24 


WALTER    GKEINER. 


Oll    d'avanture    ou    de    nier- 
voille". 

Von  einer  „avanture"  be- 
hauptet der  Waldschrat  nichts 
zu  wissen: 

(367)  „  A  ce. . . .  faudras  tu  bien: 
D'„ avanture"  ne  sai  je  rien, 
N'onques  mes  n'an  oi  parier". 

Seine  Kenntnisse  erstrecken 
sich  nur  auf  „mervoille",  er 
kennt  das  Geheimnis  der  Ge- 
witterquelle von  Barenton. 

Diese  g:anze  Stelle  ist  nun 
für  die  gesamte  Untersuchung 
von  grofser  Bedeutung,  da  sie 
uns  in  der  Figur  des  Wald- 
schrats eine  tj-pische  Märchen- 
gestalt,  den  „  Wegweiser "bezw. 
„Warner  •  wiedererkennen 
läfst. 

Übergangen  in  dieser  Hin- 
sicht wurde  bisher  Chrestiens 
V.  371 

„Ci  pres  jusqu'ä  une  fon- 
tainne"  und  v.  374 

„Ci  pres  troveras  or  androit 
Un  santiei-,  qui  la  te  manra". 

Der  vilain   warnt    vor  der 

Gefährlichkeit  des  Abenteuers 

(372)    „N'an    revandroies   pas 

sanz  painne, 

Se  tu  li  randoies  son  droit". 

Auch    der   Weg    sei  leicht 
zu  verfehlen: 
(377)  .  .  .  „tost    porroies   des- 

voiier. 
Qu'il  i  a  dautres  voies  mout". 


Kynon  soll  auf  dem  an- 
gegebenen Wege  weiterziehen 

„prends  le  cheinin  au  bout 
de  la  clairiere  et  marche  dans 
la  direction  de  cette  colline 
rocheuse  lä-haut"  (11,  1). 


OWEIN 


IVAIN. 


25 


Nun   folgt   in    beiden   Fassungen   die   Beschreibung   der 
Wunderquelle. 

Der  Gipfel  des  Hügels  ist 
flach,   dort   befindet  sich   ein 
I  freier  Platz: 

j  „tu  apercevras  une  plaine, 
;  une  sorte  de  grande  vallee 
I  arosee"  (11,  3). 

Inmitten     dieser    Lichtung 
befindet  sich  nun  die  Gewitter- 


Die  Quelle  scheint  zu  kochen, 
trotzdem  ihr  Wasser  eiskalt 
ist.  Über  ihr  breitet  ein  präch- 
tiger Baum  seine  weitschat- 
tenden Zweige  aus 
(382)  „Onbre  li  fet  li  plus 
biaus  arbres, 
Qu'onques  poist  feire  Xature. 
An  toz  tans  la  fuelle  li  dure, 
Qu'il  ne  la  pert  por  nul 
iver"... 

Wohl  an  dem  Baume  (denn 
„i"  in  V.  386  auf  arbre  allein 
zu  beziehen,  dürfte  wohl  am 
nächsten  liegen)  ist  mit  einer 
bis  zur  Quelle  reichenden 
Kette  ein  Becken  befestigt, 
über  das  wir  im  selben 
Abschnitt  zwei  sich  wider- 
sprechende Angaben  finden. 
V.  386  heilst  es 

„Et  s'i  pant  uns  bacins  de 
fer",  dagegen  419 

„vi  le  bacin  pandre 
Del    plus    fin    or   qui   fust   a 
vandre". 

(Förster  verweist  in  seiner 
Anmerkung  zu  dieser  Stelle 
im  Ivain  auf  einen  Versuch 
von  Oornu.  den  Widerspruch 
zu  lösen.) 


quelle    unter    einem    grofsen 
Baume: 

„l'extremite  de  ses  branches 
est  plus  verte  que  le  plus  vert 
des  sapins"  (11,  5). 

(Es  sei  hier  wieder  auf  die 
noch  mehrmals  wiederkehrende 
superlativische  Ausdrucks  weise 
hingewiesen.) 

Auf  dem  Rande  der  Quelle 
werde  er  eine  Platte  aus  Mar- 
mor (dalle  de  marbre  11,  8), 
auf  dieser  ein  an  silberner 
Kette  befestigtes  Becken, 

„de   faQon  qu'on  ne  puisse 
les  separer-'  (11.  9) 
finden. 


26 


WALTER    GREINER 


Der  Stein  ist  nach  des  AYald- 
mensclien  Beschreibung  über-  | 
aus  prächtig: 

(390)  „Un  perron  tel,  con  tu  , 
verras,     ; 
Je  ne  te  sai  ä  dire  quel, 
Que  je  n'an  vi  onques  nul  tel".  ; 

Auf  der  anderen  Seite   er-  ; 
hebe  sich  eine  Kapelle. 
(393)  . . .  „une  chapele 

Petite,  mes  ele  est  mout  bele",  i 
deren  Zweck   zunächst  nicht 
recht  ersichtlich  ist. 

Das  Wunder  der  Quelle  \ 
selbst,  um  dessen  willen  sie  ' 
den  weitbekannten  Namen  i 
trägt,  ist  nun  folgendes:  i 

Gielst  man  aus  dem  Becken 
Wasser  aus  der  Quelle  auf  den 
Stein  (perron).  so  erhebt  sich 
alsbald  ein  gar  furchtbares 
Unwetter,  vor  dem  alle  Tiere 
des  Waldes 

(399)  „Chevriaus,  ne  dains.  ne 
cers,  ne  pors. 
Nes  li  oisel'".  .  . 
entsetzt  fliehen. 

Wer  das  Unwetter,  ohne 
grofsen  Schaden  zu  nehmen, 
überstehe,  könne  wahrlich  von 
Glück  reden: 

(404)  .,se  tu  t'an  puez  departir 
Sanz  grant  enui  et  sanz  pesance. 
Tu  seras  de  meillor  cheance 
Que    Chevaliers,    qui    i    fust 
onques". 

Die  letzte  Zeile  —  der  Hin- 
weis auf  das  Schicksal  derer, 
die     vorher     das    Abenteuer  ' 


Kynon  soll  nun  aus  dem 
Becken  Wasser  auf  den  Stein 
giefsen : 

„Prends  la  bassin  et  Jettes 
en  plein  d'eau  sur  la  dalle 
(11.  10). 

Dann  weide  alsbald  ein 
furchtbares  Unwetter  los- 
brechen. Zunächst  ein  schreck- 
licher Donnerschlag,  dann  ein 
eisiger  RegenguCs: 

„c'est  ä  peine  si  tu  pour- 
ras  la  suppoi'ter  la  vie  sauve; 
ce  sera  une  ondee  de  grele" 
(12,  3). 


OWEIN  —  IVATX. 


27 


wagten,  ist  zusammen  mit  367 f. 
für  die  schon  oben  angedeutete 
Stellung  des  Waldmenschen 
wieder  bedeutsam. 

Angefügt  sei  hier  noch  die 
Schilderung  des  Unwetters  bei 
Chrestien: 

(401) ...  „tuverrassifoudroiier, 
Vanter  et  arbres  pegoiier, 
PloYoir,  toner  et  espartir". . . 


M.  führt  nun  die  Schilde- 
rung noch  ein  gutes  Stück 
weiter: 

Nach  dem  Hagelwetter  werde 
sich  der  Himmel  wieder  auf- 
hellen. An  dem  herrlichen 
Baume  sei  aber  kein  einziges 
Blatt  mehr  zu  sehen: 

„1\  n'y  a  pas  sur  l'arbre  une 
feuille  (lue  l'ondee  n'aura 
enlevee"  (12,  5). 

Dann  werde  sich  ein 
Schwärm  Vögel  auf  dem  Baume 
niederlassen  und  einen  herr- 
lichen Gesang  anstimmen.  Zu 
beachten  ist  wieder  die  Aus- 
drucksweise: 

„Jamals  tu  n'as  entendu 
dans  ton  pays  (!)  une  musique 
comparable  ä  leur  chant"  (12,8). 

Gar  bald  aber  werde  er 
in  seinem  Lauschen  gestört 
werden;  — 

„au  moment  oü  tu  y  prend- 
ras  le  plus  de  plaisir.  .  ." 
(12,  10). 

Denn  er  werde  ein  Klagen 
und  Stöhnen 

„tu  entendras  venir  vers  toi 


28 


WALTER   GREINER. 


le  long  de  la  vallee  gemisse- 
ments  et  plaintes"  (12,  11) 
vernehmen.  Das  rühre  von 
einem  kohlschwarzen  Ritter 
her,  der  alsbald  erscheinen 
werde.  So  sei  sein  Aussehen: 
,, .  .  .  monte  sur  un  cheval 
tout  noir,  vetu  de  paile  tout 
noir;  la  lance  ornee  d'un 
gonfanon  de  teile  fine  tout 
noir"  (12,  13). 

Wie  aus  dem  Folgenden 
im  Bericht  des  Kj'mren  klar 
hervorgellt,  hat  der  schwarze 
Ritter  die  Aufgabe,  den  Gegner 
im  Kampfe  des  Pferdes  zu 
berauben. 

„II  t'attaquera  le  plus  vite 
possible.    Si    tu    fuis    devant 
i  lui,il  t'atteindra;  si  tu  l'attends, 
i  de  cavalier  que   tu  es,  il  te 
j  laissera  pieton"  (12,  15). 
I      Bestehe  er  aber  dies  Aben- 
I  teuer,    dann    sei    es    nutzlos, 
noch  weiter  herumzuziehen. 
Es  sei  hier  nochmals  Chr.         „Si  cette  fois  tu  ne  trouves 
V.  404f.  gegenübergestellt:  pas  souffrance,    il   est  inutile 

„. . .  se  tu  t'an  puez  departir     que  tu  en  cherches  tant  que 
Sanz   grant  enui  et  sanz  pe-     tu  seras  en  vie"  (12,  18). 

sance. 
Tu  seras  de  meillor  cheance 
Que    Chevaliers,    qui    i    fust 
onques,,. 

Mit    diesem    Bescheid    bricht   nun    der    abenteuerlustige 
Rittei"  alsbald  auf. 

Der  Weg  nach  der  Quelle 
ist  nun  nicht  mehr  allzuweit. 
Chrestien  bemifst  ihn  auf  etwa 


OWRIN  —  TVAIN. 


29 


drei  Stunden;  beim  Aufbruch 
ist  es  9  Uhr  vormittags: 
(410)     ,j^Espoir    si    fu    tierce 

passee 
Et  pot  estre  pres  de  midi, 
Quant  l'arbre  et  la  chapele  vi*'. 
Die  Schönheit  des  Baumes 
wird  mit  den  Worten  gepriesen : 
(413)     „Bien    sai    de    l'arbre  , 
(c'est  la  ftns),  i 
Que    ce  estoit    li   plus  biaus  1 

pins, 
Qui  onques  sor  terre  ereilst. 
Ne  cuit  qu'onciues  si  fort  pleüst, 
Que  d'eve  i  passast  une  gote, 
Ein(^ois  coloit  par  dessus  tote". 

Diese  Stelle  ist  in  mehr  als  , 
einer  Beziehung  merkwürdig. 
Förster  gibt  im  Yvain  eine 
Anmerkung  dazu  und  sagt: 
„Der  Baum  war  so  dicht  be- 
laubt, dafs  beim  stärksten 
Regen  kein  Tropfen  (durch 
die  Blätter)  durchsickern 
konnte". 

Wie  aber  stimmt  dazu  die 
Angabe,  dafs  es  eine  Fichte 
sei,  bei  der  doch  die  beschrie- 
bene Erscheinung  unmöglich 
ist? 

Die  weiteren  Erörterungen 
—  auch  über  den  superlati- 
vischen Ausdruck  —  müssen 
in  einen  späteren  Abschnitt 
verwiesen  werden.  Bemerkt 
sei  nur  noch,  dafs  die  Un- 
klarheit dieser  Stelle  seiner 
Vorlage  schon  Hartmann  ver- 
anlafste,   austeile  der  Fichte 


Kynon  reitet  auf  den  Gipfel 
des  Hügels  zu  und  ist  alsbald 
Ziel:     „.  .  .  je   suivis  le 


am 


chemin  jusqu'au  somraet  du 
tertre,  d'oü  j'apergus  ce  que 
m'avait  annonce  l'homme  noir" 
(12,  21). 


30 


WALTER    GRKINER. 


des  Franzosen  eine  breitästige 
Linde  zu  setzen,  wie  sich  eine 
solche  auch  bei  Siegfrieds 
Quelle  (Nib.  913)  findet. 

Das  Becken  ist  liier,  —  der 
Widerspruch,,  in  dem  die  Stelle 
mit  y.  886  steht,  wurde  schon 
erwähnt. 

(420)  del  plus  fin  or.  qui  fust 
a  vandre. 
Onques  ancor  an  nule  foire". 
Nun  wird  der  Stein  näher 
beschrieben:  es  ist  ein  einziger 
Smaragd,  der  auf  vierEubinen 
als  Stützen  getragen  wird  und 
durchbohrt 
(425)  „Perciez  aussi  come  une 

boz", 
ist,  damit,  meint  Förster,  das 
daraufgegossene  Wasser  wieder 
abfliefsen  kann.   Settegast  ist 
anderer    Meinung.     Er    will 
für   das   unverständliche   boz 
(„Schlauch")    ein    ponce    [aus  i 
pumicem,  cf.  Gröber  ALL.  IV,  i 
452]  setzen,  sodals  sich  dann  j 
das  perciez  auf  die  Porosität 
des  Bimssteines  beziehen  würde. 
Die  Rubine  sind   auch  von 
strahlender  Schönheit: 
(427)  Plus  flanboianz  et  plus 
vermauz, 
Que  n'est  au  matin  li  solauz. 
Quant  il  apert  an  oriant". 

Calogrenant  ist  nun  begierig, 
das  Abenteuer  zu  bestehen. 

Er  folgt  also  der  Vorschrift, 
giefst  Wasser  auf  den  Stein 
—  köstlich  ist  V.  439: 


Kynon  findet  alles  genau  so, 
wie  es  der  riesige  Hüter  be- 
schrieben hat. 


I  Nach  dem  Ausgiefsen  des 
j  Wassers  erfüllt  sich  die  Prophe- 
j  zeiung  des  Waldmenschen:  zu 


OWEIN  —  IVAIN. 


ai 


,,]i[es  trop  an  i  versai,  ce 
dot  — "  und  ruft  so  das  schreck- 
liche Unwetter  hervor,  dessen 
Wirkung  furchtbar  ist. 

Der  Ritter  glaubt  sein  letztes 
Stündlein  nahe  (446),  so  wütet 
das  Unwetter  um  ihn  herum. 
Blitz  folgt  auf  Blitz,  ununter- 
brochen dröhnt  heftigerDonner. 
Hagelschauer  und  Regengüsse 
lösen  einander  ab,  und  mancher 
Baum  des  ^^'aldes  fällt  dem 
Toben  der  Elemente  zum 
Opfer  (440—450). 


Dankbaren  Herzens  begrüfst 
der  Ritter  das  Aufhören   des 
Gewitters. 
(451)  „Mes  Dens  tant  me  ras- 

seüra, 
Que  li  tans  gueires  ne  dura 
Et  tuit  li  vant  se  reposerent: 
Quant   Deu    ne   plot,    vanter 
n'oserent. 
Et  quant  je  vi  Ter  der  et  pur, 
De  joie  fui  toz  a  seür; 
Que  joie,  s'onques  la  conui, 
Fet  tost  oblier  grant  enui". 


beachten  ist  die  Steigerung  im 
Ausdruck:  „Voilä  aussitOt  le 
tonnerre  et  beaucoup  plus  fort 
que  ne  m'avait  dit  l'homme 
noir"  (13,  1). 

Niemand  kann  ein  solches 
Unwetter  lebend  überstehen, 
heilst  es: 

.,ni  homnie  ni  animal.  surpris 
dehors  par  l'ondee,  n'en  echap- 
perait  la  vie  sauve"  (13,  4). 

Nur  mit  grofser  Anstrengung 
kann  sich  Kjiion  vor  Schaden 
schützen.  Es  sei  hier  auf  die 
Übertreibung  hingewiesen: 

.,Pas  un  grelon  n'etait 
arrete  par  la  peau  ni  par  la 
chair,  il  penetrait  jusqu'ä  l'os"'. 
(13.  6). 

Auch  der  herrliche  Baum 
hat  Schaden  gelitten: 

„il  n'y  avait  plus  une  feu- 
ille"  (13,  12). 

Von  dieser  vielumstrittenen 
Stelle  wird  später  noch  die 
Rede  sein. 


32 


WALTER   OUEINER. 


Sobald  wieder  der  Frieden  ' 
in  der  Natur  eingekehrt  ist, 
kommen  die  gefiederten  Sänger  : 
herbei.    Die  ganze  Stelle: 
(460)    ,.Vi    sor    le    pin    tant 

amassez  , 
Oisiaus  (s'est  qui  croire  m'an  | 

vuelle),    I 
Qu'il    n'i    paroit    branche   ne  | 

fuelle, 
Que  tot  ne  fust  covert  d'oisiaus, 
S'an  estoit  li  arbres  plus  biaus"  ; 
erscheint  mir  nicht  völlig  klar.  \ 
Es  ist  nicht  recht  einzusehen,  ! 
auf  welche  Weise  die  Vögel 
das  überaus  dichte  Laub  (4 15  f.) 
und  die  Äste  verdecken  sollen. 
Eher  hätte  es  sich  doch  um- 
gekehrt verhalten  müssen.  Es 
sei  an  dieser  Stelle  nur  an- 
gedeutet, dafs  Förster  in  diesen 
Zeilen,  die  er  in  M.  als  mils- 
verstanden    nachweisen    will, 
einen     Hauptstützpunkt     für 
seine    Ansicht    von    der    Ab- 
hängigkeit    der     cymrischen 
Erzählungen     von    Chrestien 
sieht. 

Nun  stimmen  die  Vögel 
ihren  herrlichen  Gesang  an,  ' 
den  Calogrenant  mit  einem 
Oratorium  vergleicht;  jeder 
singt  seine  eigene  Stimme,  und 
doch  klingt's  zusammen  in 
wunderbaren  Akkorden: 
(465)  „Et  trestuit  li  oisel  chan- 

toient 
Si  que  mout  bien  s'antracor- 

doient. 


Der  Gesang  der  Vögel  über- 
trifft alles  je  Gehörte: 

..je  suis  sür,  Kei,  de  n'avoir 
Jamals  entendu.  ni  avant,  ni 
apres,  de  musique  comparable 
ä  celle-lä"  (13,  14). 


OWEIN 


IVAIN. 


33 


^fes    divers    clianz    ehantoit 

chascuns ; 
Qu'onques  ce.  que  ehantoit  li 

uns, 
A  l'autre  chanter  n'i  oi". 

Der  herrliche  Genuls,  — 
V.  472  steht  für  den  Gesang 
der  Vögel  der  Ausdruck  ser- 
vise  =  Gottesdienst  —  dem  sich 
der  Ritter  freudig  hingibt 
(v.  470—478),  wird  jäh  unter- 
brochen durch  das  lärmvolle 
Nahen  des  Verteidigers  der 
Quelle: 

(480)  „Bien  cuidai  que  11  fus- 

sent  dis: 

Tel  noise  et  tel  fraint  deme- 

noit 
Uns  seus  Chevaliers,  qui  venoit". 
Voller  Unwillen  reitet  der 
Fremde  eilends  herbei: 
(486)  . . .  „come  mautalantis 
Vint  plus  tost  qu'uns  alerions, 
Fiers  par  sanblant  come  lions". 
Mit  weitschallender  Stimme 
fordert    er   Calogrenant    zum 
Kampfe  heraus.  Der  Gedanken- 
gang der  beiden  Streitreden, 
der  später  zur  Vergleichung 
mit  herangezogen  werden  kann, 
sei  hier  in  den  wesentlichen 
Punkten  wiedergegeben.    Zu- 
nächst sei  bemerkt,  dals  die 
Stelle  bei  Chrestien  viel  weiter 
ausgesponnen  ist;  den  25  Ver- 
sen (491 — 516)  stehen  im  M. 
nur  5  Zeilen  gegenüber. 

Gleich  der  Anfang  zeigt  den 
höfischen  Dichter: 

Zeitschritt  t.  oelt.  Piiilologrie  XII.  1. 


„Au  moment  oü  je  prenais 
le  plus  de  plaisir  ä  les  en- 
tendre,  voilä  des  plaintes  ve- 
nant  vers  moi.  .  ."  (13,  16). 


34 


WALTER   GREINER, 


„Desfier  me  deiissiez  vos" 
heifst  es  v.  493.  Es  wird 
Aufgabe  eines  späteren  Ab- 
schnittes sein,  nachzuweisen, 
dafs  Chrestien,  dessen  Kompo- 
sitionsweise an  dieser  bisher 
noch  nicht  herangezogenen 
Stelle  klar  zutage  liegt,  eine 
ältere  Fassung,  die  ihm  un- 
verständlich geworden  war, 
nach  der  ritterlich -höfischen 
Seite  hin  umarbeitete. 

Schweren     Schaden      und 
schwere  Kränkung  habe  ihm 
der   Angrii?   des   Ritters   ge- 
bracht: 
(500)    „Anviron    moi    est    li 

garanz 
De  mon  bois,  qui  est  abatuz". 

Beachtenswert  ist,  dals 
Chrestien  noch  hervorhebt, 
dafs  der  fremde  Ritter  not- 
wendig zur  Verteidigung  er- 
scheinen muls: 
(504)  .  .  .  „vos  m'avez  de  ma 

meison 
Chacie  a  foudres  et  a  pluie". 

Zu  dem  oben  Gesagten  stimmt 
dann  wieder,  dafs  er  die  Be- 
leidigung als  ihm  persönlich 
angetan  auffafst: 
(506)  „Fet  m'avez  chose  qui 
m'enuie, 
Et  dahez  et,  cui  ce  est  bei". 

Den  Schlufs  bildet  der 
Racheschvvur,  der  schon  in 
den  Versen  497—99  enthalten 
war: 


Schmerzvolles  Klagen  ist  die 
Grundstimmung  bei  M.: 

„Chevalier,  que  me  voulais- 
tu?  Quel  mal  t'ai-je  fait  pour 
que  tu  me  fisses  ä  moi  et  ä 
mes  sujets  ce  que  tu  m'as  fait 
aujourd'hui?  Ne  sais-tu  pas 
que  l'ondee  n'a  laisse  en  vie 
ni  creature  humaine,  ni  bete 
qu'elle  ait  surprise  dehors?" 
(14,  3  f.). 


OWEIN  —   IVATN. 


35 


(515)  ..Mes  sachiez  bien,  que  ! 
des  or  mes  i 
N'avroiz  de  moi  triuwes  ne  pes". 


Ob    man    den   Versen    520 

—  525  besondere  Bedeutung 
zusprechen  soll,   oder  ob   sie 

—  es  sei  erinnert  an  v.  59 

...  ,,un  conte 
Non  de  s'enor  mes  de  sa  honte" 

—  lediglich  als  Entschuldigung 
für  den  für  (,'alogrenant  doch 
gar  so  unrühmlichen  Ausgang 
des  Kampfes  gedacht  sind,  soll 
später  entschieden  werden. 

Calogrenant  berichtet,  dals 
der  Ritter  ihm  in  jeder  Be- 
ziehung   überlegen     gewesen 
sei;  erwähnt  sei: 
(520)  „Li  Chevaliers  ot  cheval 

buen 
Et  lance  roide,  et  fu  sanz  dote 
Plus  granz  de  moi  la  teste  tote", 
sowie 

(524) . . .  „je  f  ui  plus  petiz  de  lui, 
Et  ses  chevaus  plus  forz  del 

mien" 
und  endlich: 
(533) . . .  „la  soe  (lance)  remest 

antiere, 
Qu'ele  n'estoit  mie  legiere, 
Ainz    pesoit    plus    au    mien 

cuidier, 
Que  nule  lance  a  Chevalier; 
Qu'ainz  nule  si  grosse  ne  vi". 


M.  wiederholt  hier  zunächst 
die  Beschreibung  des  Ver- 
teidigers der  Quelle;  die  Worte 
sind  dieselben  wie  oben  (12, 
13  f.).  Alsbald  beginnt  dann 
der  Kampf. 


36 


WALTER  GREINER. 


Calogrenaut  erleidet  eine 
schmähliche  Niederlage;  er 
wird  aus  dem  Sattel  gehoben, 
der  Gegner  bemächtigt  sich 
seines  Rosses.  wie  es  Recht 
des  Siegers  ist,  und  reitet 
ohne  weiteres  von  dannen. 
Die  Verfolgung  des  Ritters 
gibt  Calogrenant  auf: 
(551)  „Que  folie  feire  dotasse", 
und  beschlielst,  zu  seinem 
Gastfreund  zurückzukehren. 
So  schimpflich  hatte  er  sich 
den  Rückweg  wohl  kaum 
gedacht!  (546,  7;  560). 


Die  Aufnahme  im  Schlols 
des  vavassor  ist  wiederum 
überaus  herzlich;  er  findet  bei 
den  Bewohnern  Mitleid  und 
Trost  bei  seinem  Milsgeschick 
in  der  Kunde  vom  Schicksal 
seiner  Vorgänger  und  Leidens- 
genossen. Kölbing  (Ivens  Saga) 
bemerkt  zu  dieser  Stelle,  dafs 
die  logische  Ungenauigkeit 
der  Verse  752  f.  —  „denn  wer 
getötet  ist,  kann  eben  nicht 
zurückkommen"  —  sich  so- 
wohl in  der  Saga  wie  in 
der  schwedischen  Bearbeitung 
findet. 


Unklar  ist  hier  (U,  12)  der 
;  Sinn  des  ..rnais": 
'      „Le  choc  fut  rüde,  mais  je 

fiis  bientüt  culbute'*. 
Der  Gegner  führt  Kynons 
;  Pferd  mit  sich  fort  als  einzige 
'  Kampfesbeute: 
!  „II  ne  me  fit  merae  pas 
i  l'honneur  de  me  faire  pri- 
I  sonnier;    il    ue   me   depouilla 

pas  non  plus"  (14,  14). 


Auf  dem  Heimwege  muls 
Kynon  noch  den  Spott  des 
"Waldmenschen  einstecken: 

. . .  „c'est  merveille  que  je 
ne  sois  pas  fondu  de  honte,  en 
entendant  les  moqueries  de 
l'homme  noir"  (14,  19). 

Gern  wird  er  im  Schlofs 
wieder  beherbergt: 

,,0n  s'y  montra  encore  plus 
courtois  que  la  nuit  d'avant..." 
(14,  22). 

Des  unheilvollen  Abenteuers 
wird  mit  keinem  Wort  Er- 
wähnung getan,  und  Kynon 
schweigt  natürlich  erst  recht: 

„Personne  ne  fit  la  moindre 

allusion   ä  mon  expedition  ä 

la  fontaine.    Je  n'en  soufflai 

mot    non    plus    ä    personne". 

'  (15,  2). 


OWEIN  —  IVAIN. 


37 


Im  Schlulssatz  seiner  Er- 
zählung gibt  Calogrenant  noch 
einmal  seiner  Beschämung 
Ausdruck: 


Beim  Aufbruch  am  anderen 
Morgen  erhält  er  ein  präch- 
tiges Rofs  geschenkt: 

„un  palefroi  brun  fonce,  ä 
la  criniöre  toute  rouge,  aussi 
rouge  que  la  pourpre,  comple- 
tement  equipe"  (15,5),  und 
weiter  unten  heilst  es  von 
dem  Pferde: 

„je  ne  le  donnerais  pas 
encore  pour  le  meilleur  pale- 
froi de  l'ile  de  Bretagne" 
(15, 11). 

Brown  zieht  in  seiner  Ab- 
handlung (On  the  independent 
I  character    usw.)    aus    dieser 
I  Stelle  den  Schlufs,  daXs  dies 
als    so    schön     beschriebene 
!  Pferd  wohl  auch  dem  Feen- 
I  reiche    (Otlier -World)     ent- 
stamme.    Ich  halte  diese  An- 
nahme für  gar  zu  wenig  ge- 
;  stützt,  da  doch  das  dankbare 
I  Gefühl,  das  Kynon  beim  Ge- 
'  denken  an  diese  Geschehnisse 
I  erfüllen  mag,  wahrlich  Grund 
I  genug  für  ihn  sein  sollte,  das 
Geschenk     des    Gastfreundes 
teuer  und  in  Ehren  zu  halten. 
Und    dafs    es    von     grofser 
Schönheit    ist,    spricht    doch 
zunächst  nur  für  den  Edelsinn 
des    Gebers.    Ich    kann    also 
diesen  Schlufs  Browns  nicht 
für  unbedingt  zwingend  halten. 
Auch  Kynon  weist  am  Ende 
noch  einmal  auf  den  Charakter 
seines  Abenteuers  hin: 
„Dieu  sait  que  personne  n'a 


38 


WALTER    GRKINEE. 


(577)  .jEin^i  alai.  eiiisii  reviug. 
Au  i-evenir  por  fol  me  ting; 
Si  vos  ai  conte  come  fos 
Ce  qu'onques   mes  conter  iie 
vos". 


jamais  avoue  pour  sun  compte 
une  aventure  moins  heureuse 
qne  celle-lä"  (15,  12). 


i  Im  Anschlufs  daran  spricht 
er  sein  Erstaunen  aus,  dafs 
noch  gar  keiner  von  den  Rit- 
tern jemals  etwas  von  diesem 
Abenteuer,  dessen  Ort  sich 
doch  innerhalb  des  König- 
reichs befinde,  gehört  habe. 

Damit  schlielst  in  beiden  Fassungen  der  Bericht  von 
dem  ersten  —  vergeblichen  und  unheilvollen  —  Zuge  nach 
der  Gewitterquelle. 


Ivain  tadelt  nun  Calogre- 
nant,  dafs  er  ihm,  dem  leib- 
lichen Vetrer,  sein  Mifsgeschick 
so  lange  verheimlicht  habe 
und  erbietet  sich,  für  ihn  Rache 
zu  nehmen  und  die  Schmach 
zu  tilgen. 

Dieser  plötzliche  Entschlufs 
gibt  dem  ränkesüchtigen  Keu 
wieder  Gelegenheit  zu  hä- 
mischen Ausfällen.  [Die  Stelle 
595,6: 

„Apres  mangier  saus  reniuer 
Va  chascuns  Noradin  tuer" 
ist  von  Förster  zur  Chrono- 
logie der  Werke  Chrestiens 
herangezogen  woiden.]  Für 
Ivains  impulsive  Äufserung 
hat  er  nur  Hohn  und  Spott: 
(6l0i  ,.Et  se  vos  anquenuit 
songiez 
Mauves  songe,  si  remanez!" 


Owein  schlägt  alsbald  vor, 
nach  dem  Schauplätze  des 
Abenteuers  zu  ziehen: 

„Hommes,  dit  Owein,  ne 
serait-il  pas  bien  de  chercher 
ä  tomher  sur  cet  endroit-lä?" 
(15,21)  [Siehe  oben  Seite  14!] 

Kei  wirft  Owein  Maulhel- 
dentum vor: 

...  „  ce  n'est  pas  la  pre- 
miere  fois  que  ta  langue  pro- 
pose  ce  que  ton  bras  ne  ferait 
pas^'  (15,  24). 


OWEIN  —  IVAIN. 


39 


Mit  schwerem  Tadel  weist 
ihn  die  Königin  zurück: 
(615)  „La  vostre  langue  soit 

honie. 
Qiie  tant  i  a  d'escamonie!" 
und  auch  Ivain  selb.st  fertigt  j 
Keu  alsbald  ab: 
(646)  „Ne  vnel  pas  sanbler  le  ; 
gaignon,  ; 
Qui  se  herice  et  regringne,      , 
Quant    autre   mastins   le   re-  | 
chingne".  j 


Unterdessen  ist  auch  der 
König  Artus  aufgewacht,  er 
tritt  zu  den  Rittern,  die  ihn 
ehrfurchtsvoll  begrüfsen  (v.653 
—655). 


Die  Königin  ist  erzürnt  über 
Keis  Lästerzunge: 

. . .  „raieux  vaudrait  te  voir 
pendre,  Kei,  que  tenir  des 
propos  aussi  outrageants  en- 
vers  un  homme  comme  Owein" 
(15,  26). 

Im  M.  ergreift  hier  Kei 
nochmals  das  Wort: 

„Par  la  main  de  mon  ami, 
princesse,  tu  n'en  as  pas 
plus  dit  ä  la  louange  d'Owein 
que  je  ne  Tai  fait  moi-meme" 
(15,  3). 

Artus  wacht  auf  und  ver- 
mutet, er  habe  wohl  gar  ein 
wenig  geschlafen: 

.  .  .  „Arthur  s'eveilla  et 
demanda  s'il  avait  dormi 
quelque  temps.  „Pas  mal  de 
temps,  Seigneur",  dit  Owein" 
(16,  5). 

M.S  Charakterbild  des  Kö- 
nigs wird  noch  vervollständigt 
durch  die  folgenden  ^Yorten 
Arturs: 

„Est-il  temps  de  se  mettre 
ä  table?'-  —  „II  est  temps^ 
Seigneur,"  dit  Owein"  (16,  8). 

Darauf  setzt  man  sich  denn 
zum  Mahle. 


Von  der  Königin  über  das 
soeben  von  Calogrenant  Er- 
zählte unterrichtet,  beschliefst 
Artus  alsbald,  selbst  das  Aben- 
teuer zu  erforschen: 
(662)  ..Et  fist  trois  seiremauz 

antiers 
L'ame  Uterpandragon  son  pere 


^^^*  WALTER   GttEINEK. 

Et  la  soll  fil  et  la  sa  mere, 
Qu'il  iroit  veoir  la  fontainne". 
Und  zwar  soll  der  Aufbruch 
in    Kürze    erfolgen;     in    der 
Nacht  vor  Johannis 
(^68)  .  .  .  „la  voille 

Mou     seignor     saiiit     Jehan 
Batiste", 
die    ja   allem,    was    mit    der 
Wunder-  und  Geisterwelt  zu- 
sammenhängt, so  günstig  ist 
(siehe  Beneckes  Anmerkg.  zu 
Hartmanns  v.  900),    soll    die 
Quelle   bereits   erreicht    sein. 
Dieser  Entschlufs  des  Königs 
und  die  .Mitteilung,  dafs  sich  ; 
jeder  an  dem  Zuge  beteiligen 
könne  (671,  2),  weckt  am  Hofe  i 
grölste   Freude;    —    nur   bei  '■ 
einem   nicht:    Ivain,  der   mit 
Recht  seine  Pläne  arg  bedroht  ; 
sieht.    Schliefst  er  sich  dem  ; 
höfischen   Zuge   an,    so    wird  ' 
der    Kampf    an     der    Quelle 
kaum  ihm  zufallen:  Keu  oder 
Gauvain    würden   ihm   sicher 
zuvorkommen. 

Darum  bleibt  nur  eins:    er 
mufs  noch  vor  dem  König  auf- 
brechen und  zur  Quelle  eilen: 
(691) ...  „il  ne  les  atandra  mie,  , 
Qu'il    n'a   soing   de   lor   con- 
peignie, 
Ein^ois  ira  toz  seus  son  vuel 
Ou  a  sa  joie  ou  a  son  duel". 
Es    folgt    nun    eine    kurze 
Zusammenfassung      des     ge-  | 
samten   Abenteuers    bis    zum  ^ 
Kampf  (695  —  722). 


OWEIN  —  IVAIN. 


41 


Bemerkenswert  ist  der 
Schlufs  seiner  Gedankenreihe, 
der  wieder  den  ritterlichen 
Ideenkreis  vertritt: 
(719)  .  .  .  „nus  nel  savra 
Jusqu'a  tant  que  il  an  avra 
Grant   honte   oii    grant   enor 

eüe". 
Dem  Entschlüsse  folgt  als- 
bald die  Tat:  der  Aufbruch 
erfolgt  noch  in  derselben  Nacht. 
Ivain  entfernt  sich  ganz  heim- 
lich vom  Königshofe,  rüstet 
sich  zum  Auszuge  und  reitet 
von  dannen,  nachdem  er  sei- 
nen Leuten  unverbrüchliches 
Schweigen  auferlegt  hat  (723 
—746). 

Mühevoll  und  reich  an  Ge- 
fahren ist  der  Weg: 
(762)  . . .  (Ivains)  ,,erra  chascun 

jor  tant 
Par  montaingnes  et  par  valees 
Et  par  forez  longues  et  lees, 
Par  leus  estranges  et  sauvages, 
Et  passa  mainz  felons  passages 
Et  maint  peril  et  raaint  de- 

stroit, 
Tant  qu'il  vint  au  santier  tot 

droit, 
Piain  de  ronces  et  d'oscurte." 


„Le   repas  termine,  Owein 
disparut"  (16,  12). 


Owein  rüstet  sich  und  bricht 
beim  Morgengrauen  auf.  Be- 
merkenswert ist  an  dieser 
Stelle  die  schon  oben  ange- 
führte Redeweise: 

(Owein) . . .  „marche  devant 
lui  au  bout  du  monde  et  vers 
les    deserts    des    montagnes" 
(16, 15). 
und  die  Fortsetzung: 

„A  la  fin,  il  tombe  sur  le 
vallon.  .  ." 

M.  geht  nochmals  auf  den 
Weg  genauer  ein  und  ge- 
braucht dabei  nahezu  die 
gleichen  Wendungen,  die  die 
erste  Schilderung  (S.  15f.)  ent- 
hält. Beim  Näherkoramen  an 
das  gastliche  Schlofs  geschieht 
alles,  wie  Kynon  beschrieben 
hat.  Neu  ist  die  Angabe  (17,2), 


42 


WALTER   GREINER, 


Die  Nacht  verbring-t  er  im 
gastlichen  Schlols,  das  ihm  an 
Vorzügen  aller  Art  noch  weit 
über  die  von  Calogrenant  ge- 
gebene Schilderung  hinaus- 
zugehen scheint: 
(779)  . . .  „plus  de  Wen  et  plus 

d'enor 
Trova  assez  el  vavassor, 
Qu'aii  ne  li  ot  conte  ne  dit; 
Et  an  la  pucele  revit 
De  San  et  de  biaute  gant  tanz, 
Que  n'ot  conte  Calogrenanz; 
Qu'an  ne  puet  pas  dire  la  some 
De  buene  dame  et  de  prodome". 
Weiter  unten  heilst  es  dann 
sehr  emphatisch: 
(789)  . . .  „langue  ne  porroit 
retreire 
Tant  d'enor,  con  prodon  set 
feire".      | 


dals  die  Mädchen  auf  goldenen 
Stühlen  sitzen. 

Das  Schlofs  nebst  allem, 
was  ihm  dort  begegnet,  findet 
Owein  noch  viel  schöner  als 
ihm  gesagt  worden  war: 

„Owein  les  (die  Mädchen) 
trouva  beaucoup  plus  heiles 
et  plus  gracieuses  encore  que 
ne  l'avait  dit  Kynon"  und 

„La  chere  parut  encore 
meilleure  ä  Owein  qu'äKvnon" 
(17,  3  f.). 


Alles    geschieht    nun.    wie 

beschrieben.    Der  Waldschrat 

erregt  des  Ritters  Erstaunen 

üb  seiner  abschreckenden  Häfs- 
lichkeit: 

(796)  . . .  „plus  de  qanit  foiz  se 

seigna 
De  la  mervoille,  que  il  ot, 


I  M.  wiederholt  hier  noch. ei- 
nige Einzelheiten:  das  Schwei- 
gen Avährend  des  (ersten  Teiles 
des)  Mahles,  Frage  und  Aus- 
kunfterteilung, das  Lächeln 
des  Gastgebers  und  endlich 
das  Satteln  des  Bosses  am 
Morgen    durcli    die   Mädchen. 

In  der  Lichtung  des  Wald- 
menschen ist  er  erstaunt  über 
dessen  Gröfse: 

,,I1  chemiua  jusqu'ä  la  clai- 
riere  de  l'homme  noir,  qui  lui 
parut  encore  plus  grand  qu'ä 
Kynon"  (17,  17). 


OWEIN  —  IVAIN. 


43 


Coniant  Nature  feire  sot 
Oevre  si  leide  et  si  vilainne". 
An  der  Quelle  zaudert  Ivain 
nicht  länger, 
(802)   „Sanz   arester  et  sanz 

seoir'* 
ruft  er  in  der  bekannten  Weise 
das  Unwetter  hervor. 


Nach  dem  Unwetter  kommen 
die  Vögel  und  stimmen  ihren 
Gesang  an.  und  noch  während 
des  Gesangs  kommt  der  fremde 
Ritter,  und  der  Kampf  ent- 
brennt. Von  einer  Herausfor- 
derung findet  sich  an  dieser 
Stelle  —  im  Gegensatz  zu  491  f. 
—  nichts. 

Es  sei  hier  auf  einen  Vers 
hingewiesen,  der  bei  allen  bis- 
herigen Ivain-Uutersuchungen 
unberücksichtigt  blieb  und 
doch  hier  wenigstens  angeführt, 


Auf  seine  Frage  hin  erfährt 
er  die  Fortsetzung  des  Wegs. 
Er  gelangt  dann  zur  Quelle 
und  gielst  das  Wasser  auf 
den  Stein. 

Die  schon  mehrfach  an- 
geführten Wendungen,  die 
beim  jedesmaligen  Wieder- 
holen eines  Ereignisses  eine 
Steigerung  der  Wirkung  oder 
des  Eindrucks  auf  einen  Be- 
teiligten ausdrücken,  fehlen 
auch  hier  nicht: 

„aprös  le  tonnerre,  l'ondee, 
et  les  deux  bien  plus  forts 
que  ne  l'avait  dit  Kvnon" 
(17,  24). 

und  einige  Zeilen  weiter  wört- 
lich mit  der  ersten  Beschrei- 
bung übereinstimmend: 

„au  moment,  oü  je  prenais 
le  plus  de  plaisir  ä  leur 
chant.  .  ."  (17,  29). 

Auch  der  entblätterte  Baum 
ist  wieder  erwähnt:  ..Lorsque 
Owein  leva  les  yeux  vers 
l'arbre,  il  n'y  avait  phis  une 
feuille"  (17,  26). 

Von  den  Klagen,  die  nach 
Kynons  Bericht  das  Tal  er- 
füllen, hört  Owein  nichts: 

...  „il  vit  un  Chevalier 
venii*  le  long  de  la  vallee" 
(18,  1). 

Alsbald  entbrennt  der  hef- 
tige Kampf. 


14  WALTER    GREINER, 

die  eigentliche  Erörterung 
wolle  man  an  späterer  Stelle 
finden  —  werden  soll. 

Es  sei  hier  nur  festgestellt,  ; 
dafs    in    der    entsprechenden  I 
Stelle  der  mifsgliickten  Aben- 
teuerfahrt des  Calogrenant  er- 
wähnt wird,  dafs  der  fremde 
Ritter  in  jeder  Beziehung  dem 
(jegner  überlegen  gewesen  sei.  : 
Und  im  besonderen  heifst  es  | 
in  den  schon  oben  angeführten  | 
Vei-sen  532 f.:  ' 

. . .  „en  pieces  vola  ma  lance; 
Et  la  soe  remest  antiere, 
Qu'ele  n'estoit  mie  legiere, 
Ainz  pesoit  plus  au  mien  cui- 

dier, 
Que  nule  lance  a  Chevalier; 
Qu'ainz  nule  si  grosse  ne  vi". 
Dieser  Zusatz,  von  dem  sich 
im  M.  nichts  findet,  ist,  wie 
schon  oben  gesagt,  vom  Fran- 
zosen   im   Hinblick    auf    den 
unrühmlichen     Ausgang     des 
Kampfes     gedacht;     an    der 
jetzigen    Stelle    (818)    ist    er 
nach    Lage    der  Verhältnisse 
zum    mindesten    unnötig;    es 
heilst  hier  einfach: 
(818)  „Chascuns  ot  lance  roide 

et  fort". 
Der  Verlauf  des  auf  beiden  Seiten  mit  gröfster  Er- 
bitterung und  höchster  Kraftanwendung  geführten  Kampfes 
ist  in  beiden  Fassungen  bis  in  die  Einzelheiten  hinein  genau 
übereinstimmend  beschrieben.  Der  erste  Anprall  der  Gegner 
ist  so  furchtbar,  dafs  die  Lanzen  zersplittern  und  der  Kampf 
mit  den  blofsen  Schwertern  fortgesetzt  werden  mufs.  Die 
Kampfesschilderung    selbst    ist    nun   bei   Chrestien    erheblich 


OWEIN  —  TVAIN. 


45 


lebendiger  und  weiter  ausgeführt  als  beim  Kymren.  Endlich 
gelingt  es  Ivain,  dem  Gegner  mit  einem  furchtbaren  Hieb 
Helm  und  Kopf  zu  spalten  und  so  die  Entscheidung  herbei- 
zuführen. Tödlich  verwundet,  wendet  sich  der  Besiegte  als- 
bald zur  Flucht.  Ivain  folgt  ihm  auf  dem  Fulse,  kann  ihn 
aber  doch  nie  mit  dem  Schwerte  erreichen.  So  jagen  sie 
beide  in  gröfster  Eile  dahin,  bis  der  todwunde  Ritter  an  der 
Schwelle  seines  Schlosses  ankommt. 

Ivain  ist  arg  verstimmt,  dals 
es  ihm  nicht  gelingt,  den  Be- 
siegten —  lebend  oder  tot  — 
gefangen  zu  nehmen.  Der 
beilsende  Spott  Keus  wird  ja 
sicherlich  nicht  ausbleiben, 
wenn  er  ohne  eine  Kampfes- 
beute an  den  Königshof  zu-  ; 
rückkehrt.  Auch  hat  er  ja  ; 
sein  dem  Vetter  gegebenes  | 
Versprechen  noch  nicht  er-  i 
füllt,  solange  der  Gegner  noch  ; 
lebt  oder  sich  ihm  nicht  er- 
geben hat.  Sie  kommen  bald  M.  hat  hier  die  nicht  gar 
dem  Schlols  näher.  so    unwichtige    Angabe,    die 

später    zur    Behandlung    mit 
herangezogen  werden  wird: 

„Un  graud  chäteau  brillant 
apparut"  (18, 10). 

Auf  dem  Ritte  durch  die 
Stralsen  erblicken  sie  keinen 

Menschen:  ' 

(903)  „N'ome  ne  fame  ne  tro- 

verent 
Es  rues,  par  ou  il  passerent". 

Auf  diesen  eigentümlichen 
Zug,  dafs  das  Schlols  des 
Ritters  in  weiterem  Umkreise 
menschenleer  dargestellt  wird, 
soll  später  hingewiesen  werden.  ; 

Das  Tor  des  Palas  enthält  : 


46 


WALTER  GRETNER, 


eine  verborgene  Fallgatter- 
vorrichtung und  ist  so  eng, 
dafs  nicht  zwei  Personen  zu 
gleicher  Zeit  hindurchreiten 
können.  Der  verwundete  Ritter 
passiert  das  Tor  ohne  Schaden. 
Ivain  aber,  der  mit  der  Ört- 
lichkeit nicht  vertraut  ist,  löst 
unwillkürlich  den  Mechanis- 
mus aus.  Die  Tür 
(923)  . . .  „une  porte  colant 
De  fer,  esmolue  et  tranchant'', 
saust  hernieder,  und  nur  einem 
glücklichen  Zufall  verdankt 
Ivain  seine  Rettung.  Da  er 
sich  gerade  in  dem  kritischen 
Augenblick  weit  vorbeugt,  um 
den  Gegner  am  Sattelknopf 
zu  fassen  (935, 6),  erreicht  das 
Gatter  ihn  selbst  nicht  mehr. 
Sein  Pferd  aber  wird  dicht 
hinter  ihm  entzweigeschnitten, 
und  Ivain  selbst  büfst  noch 
die  Sporen  ein. 


Eine  zweite  Falltür,  die 
den  Torraum  nach  innen  ab- 
schliefst, senkt  sich  und  bietet 
Ivain  Halt.  Der  todwunde 
Ritter  ist  noch  durch  das  Tor 
entflohen,  aber  Ivain  ist  im 
Torraum  eingeschlossen. 


M.  hat  hier  nur  die  Angabe: 
„On  laissa  penetrer  le  Che- 
valier noir,    mais    on  fit   re- 
tomber  sur  Owein   la  herse" 
(18,  12). 


Das  Fallgatter  saust  herab, 
ohne  Owein  selbst  Schaden 
zu  tun,  es  streift  grade  noch 
den  Sattel: 

. . .  „atteignit  l'extrömite  de 
la  seile"  (18, 13), 
trifft  die  Sporen  und  durch- 
schlägt das  Eofs. 

M.  setzt  noch  hinzu:  „Les 
molettes  des  eperons"  —  diese 
Stelle,  bei  der  M.  für  die 
Sporen  beim  Franzosen  die 
Sporenrädchen  setzt,  also  die 
Spannung  des  Lesers  steigert, 
dürfte  zur  Charakteristik  des 
cymrischen  Erzählers  beitra- 
gen —  „et  un  morceau  du 
cheval  resterent  dehors,  et 
Owein,  avec  l'autre  tronqon, 
entre  les  deux  portes"  (18, 16). 

So  ist  Owein  ein  Gefan- 
gener: 

„La  porte  Interieure  fut 
ferm^e,  de  sorte  qu'Owein  ne 
pouvait  s'echapper''  (19,  1). 


OWEIN 


IVAIN. 


47 


Es  fol^t  nun  eine  Beschrei- 
bung des  Torraumes,  dessen 
Wände  kostbar  bemalt  sind, 
und  der  überhaupt,  wie  aus 
späteren  Stellen  hervorgeht, 
sehr  komfortabel  eingerichtet 
ist.  Förster  (yvain)  gibt  zu 
dieser  Stelle  eine  längere  An- 
merkung, vermag  aber  doch 
die  offensichtliche  Unklarheit 
nicht  zu  beseitigen.  Es  sei 
hier  nicht  näher  darauf  ein- 
gegangen, da  die  ganze  Vers- 
folge später  genau  zu  be- 
handeln sein  wird. 

Ivain  ist  schwer  bekümmert: 
ist  es  ihm  doch  nicht  gelungen, 
seinen  Sieg  vollständig  zu 
machen  : 

(9(53) ...  „de  rien  si  grant  duel 
n'avoit, 
Con  de  ce,  que  il  ne  savoit, 
Quel  part  eil  an  estoit  alez". 

Ein  schönes  Fräulein 
(973)  . . .  „une  dameisele 
Sole,  mout  avenanz  et  bele" 
kommt  aus  einem  neben  dem 
Torraum    gelegenen    Zimmer. 
Auch    die    Verse    976,7,    in 
denen,  wie  Förster  sagt,  die 
Handschriften  zwischen   s'es- 
raaia  und  l'esmaia  schwanken, 
(976)     „Quant    mon    seignor 
Owein  trova, 
Si  l'esmaia ')  mout  de  premiers". 


„II  etait  dans  le  plus  grand 
embarras".  .  .  (19,  3). 

Durch  das  Tor  hindurch 
kann  er  auf  eine  Strafse 
sehen ;  Häuser  stehen  auf  bei- 
den Seiten,  und  ein  liebliches 
Mädchen  kommt  auf  ihn  zu. 
Der  typischen  Bestandteile 
der  Beschreibung  halber  — 
man  vergleiche  sie  mit  der 
der  Jünglinge  im  gastlichen 
Schlofs!  —  sei  diese  hier  an- 
geführt: 

.  .  .  „une  jeune  Alle  aux 
cheveux  blonds  frises,  la  tete 


»)  Im  Gegensatz  zu  Förster,  der  sich  in  der  1.  Auflage  (1910)  für 
s'esmaia  entscheidet,  stimme  ich  doch  —  aus  dem  im  Folgenden  dargelegten 
Grunde  —  für  l'esmaia,  übrigens  die  Fassung,  die  die  Mehrzahl  der  Hand- 
schriften bietet. 


48 


WALTER   GREINER. 


scheinen  nicht  ganz  klar  zu 
sein,  Sie,  die  ihm  Hilfe  bringt, 
braucht  ja,  wie  Förster  richtig 
sagt,  nicht  gerade  zu  er- 
schrecken; immerhin  bleibt 
aber  noch  die  Möglichkeit 
bestehen,  dals  Chrestien  es 
dem  Zufall  überläfst,  das 
Fräulein  gerade  in  diesem 
Augenblicke  herzuführen,  oder 
dals  sie  vor  dem  grausigen 
Anblick  des  zerschmetterten 
Pferdes  schaudert.  Entscheidet 
man  sich  aber  für  die  andere 
Lesart  und  bedenkt,  dals 
Ivain  noch  öfters  von  seiner 
Bangigkeit  an  dieser  Stelle 
spricht,  dann  liegt  in  dieser 
Stelle  ein  immerhin  nicht 
zu  unterschätzendes  Beweis- 
mittel für  die  späteren  Aus- 
fühiunsren. 


ornee  d'un  bandeau  d'or,  vetue 
de  paile  jaune,  les  pieds 
chausses  de  deux  brodequins 
de  cordwal  tachete*'  (19,  ß). 


Sie  teilt  ihm  mit,  dafs  ihm 
hier  gi'ofse  Gefahr  drohe;  der 
Schlofsherr  sei  seinen  schweren 
Verletzungen  erlegen  und  der 
furchtbare  Grimm  der  Schlofs- 
bewohner  richte  sich  gegen 
den  Mörder. 

Sie  spricht  ihm  Trost  zu 
und  bietet  ihm  ihre  Hilfe  an 
als  Ausdruck  des  Dankes  für 
früher  geleistete  Ritterdienste, 


Aber:  „sie  konnten  zusam- 
men nicht  kommen",  —  da 
weder  ihr  noch  ihm  der 
Mechanismus  des  Tores  ver- 
traut war.  So  sprechen  sie 
durch  die  Toröffnung  hindurch. 
Owein  erfährt  von  der  ihm 
bevorstehenden  Gefahr;  sein 
Leben  steht  auf  dem  Spiel, 
denn  die  Rächer  des  Erschla- 
genen werden  kurzen  Prozefs 
machen. 

Etwas  merkwürdig  nehmen 
sich  die  schon  von  Brown 
hervorgehobenen,  ganz  in  den 
schon  öfters  erwähnten  ty- 
pischen    Ausdrücken     gehal- 


OWEIX  —  IVAIN. 


49 


deren  sie  sich  noch  gern  er- 
innert.    Bei    der    Erzählung 
ihrer   ersten   Begegnung   mit 
Ivain    mögen    die    folgenden 
Verse  für  Chrestiens  Charak- 
terisierungskunst sprechen: 
(1004)  „Une  foiz  a  la  cort  le  roi 
M'anvoia  ma  dame  an  message. 
Espoir  si  ne  fui  pas  si  sage, 
Si  cortoise  ne  de  tel  estre, 
Come  pucele  deüst  estre; 
Mes  onques  Chevalier  n'i  ot, 
Qu'a  moi  deignast  parier  un  mot, 
Fors  vos  tot  seul,  qui  estes  ci; 
Mes  vos,  la  vostre  grant  merci, 
M'i  enorastes  et  servistes". 

Sie  gibt  ihm  einen  unsichtbar 
machenden  Zauberring: 
(1024) ...  „s'il  vos  plest,  sei  me 
randroiz, 
Quant  je  vos  avrai  delivre". 

Die  Wirkungsweise  des  Rin- 
ges ist  nun  die  folgende: 
(1027)  „Si  li  dist  qu'il  avoit 
tel f orce, 
Come  a  dessor  le  fust  l'escorce, 
Qui  le  cuevre,  qu'an  n'an  voit 

point; 
Mes  11  covient  que  l'an  l'an- 

point, 
Si  qu'el  poing  soit  la  pierre 
anclose, 
Puls  n'a  garde  de  nule  chose 
Cil,  qui  l'anel  an  son  doi  a; 
Que  ja  veoir  ne  le  porra 
Nus  hon,  tant  et  les  iauz  overz". 

Das  hilfsbereite  Fräulein 
sorgt  auch  für  Speise  und 
Trank  und  —  was  die  Stelle 

Zeitschrift  f.  celt.  Philologrie  XII,  1. 


tenen    Reden    des    Mädchens 
aus: 

..C'est  vraiment  grande  pi- 
tie,.  qu'on  ne  puisse  te  delivrer. 
Ce  serait  le  devoir  d'une 
femme  de  te  rendre  Service. 
Je  n'ai  jamais  vu  assurement 
jeune  homme  meilleur  que  tai 
pour  une  femme.  Si  tu  avais 
une  amie,  tu  serais  bien  le 
meilleur  des  amis  pour  eile; 
si  tu  avais  une  maitresse,  il 
n'y  aurait  pas  meilleur  amant 
que  toi"  (19,  12  f.). 


Darum  will  sie  ihm  auch 
helfen  und  zwar  mit  dem 
Tarnring: 

„Tiens  cet  anneau  et  mets- 
le  ä  ton  doigt,  Tourne  le 
chaton  ä  l'interieur  de  ta  main 
dessus.  Tant  que  tu  le  cacheras, 
il  te  cachera  toi-meme"  (19,20). 


50 


WALTER  GREINER, 


bei  Chrestien  ganz  verworren 
macht,  —  für  Schlafgelegen- 
heit: 

(1040)  „Sei  mena  seoir  an  unlit 
Covert  d'une  coute  si  riche, 
Qu'ains  n'ot  tel  li  dus  d'Oste- 
riche". 
Schon  wird  das  Näherkom- 
men der  Schlofsmannschaft 
hörbar.  Die  Mannen  fahnden 
nach  dem  Mörder  ihres  Herrn. 
Das  Mädchen  zieht  sich  zurück 
und  läfst  ihren  Schützling 
allein,  nachdem  sie  ihm  noch 
Verhaltungsmalsregeln  gege- 
ben hat: 

(1066)  „Se  de  cest  lit  ne  vos 
movez", 
werde  alles  Suchen  der  Krieger 
vergeblich  sein.  Etwas  merk- 
würdig vom  Standpunkte  des 
höfischen  Dichters  aus  sind  die 
Verse  1072  f.  j 

„Si  vos  comanceront  a  querre  ' 
Et  dessoz  bans  et  dessoz  liz. 
Ce  seroit  solaz  et  deliz 
A  home,  qui  peor  n'avroit, 
Que  jant  si  avugl6  verroit; 
Qu'il  seront  tuit  si  avugle, 
Si  desconflt,  si  desjuglö, 
Que  il  esrageront  tuit  d'ire". 
Man  sollte  doch  meinen,  dem 
Ivain  sei  gerade  nicht  lächer- 
lich zumute.    Oder  sollte  hier  ! 
ein  Rest  einer  früheren  Form 
der  Erzählung   vorliegen,    in 
der  Lunete  durch  ihre  beson- 
dere Stellung   zu   solchen  — 
uns  in  diesem  Zusammenhange 


Das  Mädchen  geht  und  gibt 
vorher  dem  Ritter  die  Wei- 
sung: 

. . .  „je  serai  sur  le  montoir 
de  pierre  lä-bas  ä  t'attendre. 
Tu  me  verras  sans  que  je  te 
voie.  Accours  et  mets  ta  main 
sur  mon  epaule;  je  saurai 
ainsi  que  tu  es  lä.  Suis-moi 
alors  oü  j'irai"  (20,  4). 


OWEIN  —  IVAIN. 


51 


etwas  frivol  anmutenden  — 
Worten  ein  Recht  hätte? 
Davon  später! 

Kaum  ist  das  Fräulein  ge- 
gangen, da  kommt  auch  schon 
die  Schar  der  Bewaffneten 
hereingestürzt,  um  den  Mörder 
ihres  Herrn  zu  suchen.  Sie 
finden  aber  nur  die  Sporen 
und  die  vor  dem  Tore  liegende 
Hälfte  des  Pferdes: 
(1093)  „Et  virent  del  cheval 
tranchie 
Devant  la  porte  la  meitie". 

Als  sie  aber  im  Torraum 
selbst  nur  den  Rest  des  Pferdes 
finden,  packt  sie  Verzweiflung 
und  sinnlose  Wut.  Auf  die 
Verse  Hilf.: 

„Et  disoient:  Ce  que  puet  estre? 
Que  ceanz  n'a  huis  ne  fenestre, 

(Widerspruch!) 
Par  ou  riens  nule  s'an  alast, 
Se  ce  n'iere  oisiaus,  qui  volast, 
Ou  escuriaus  ou  cisemus, 
Ou  beste  aussi  petite  ou  plus; 
Que  les  fenestres  sont  ferrees 
Et  les  portes  furent  fermees", 
usw.  soll  später  eingegangen 
werden.  Ratlos  stehen  sie 
beieinander;  ein  neues  Suchen 
beginnt,  und  ihr  Grimm  stei- 
gert sich  ins  Ungemeine. 


Die  Schlolsbewohner  müssen 
bald  ihr  Suchen  als  vergeblich 
aufgeben: 

„Les  hommes  de  la  cour 
vinrent  en  effet  chercherOwein 
ponr  le  mettre  ä  mort,  mais 
ils  ne  trouverent  que  la  moitie 
du  cheval,  ce  qui  les  mit  en 
grande  fureur"  (20,  10). 


Hier  verändert  M.  zunächst 
den  Schauplatz  der  Handlung: 

„Ovvein  s'öchappa  du  milieu 
d'eux,  alla  ä  la  pucelle  et  lui 
mit  la  main  sur  l'ßpaule" 
(20,  13). 


52 


WALTEB  GREINER. 


Das  Mädchen  führt  ihn  als- 
bald zu  einem  grolsen  und 
schönen  Zimmer,  das,  seiner 
Beschreibung  nach,  dem  bei 
Chrestien  an  der  widerspruchs- 
vollen Stelle  V.  963  f.  entspricht: 
„Owein  promena  ses  regards 
sur  tout  l'appartement:  il  n'y 
avait  pas  un  clou  qui  ne  füt 
peint  de  riche  couleur,  pas  un 
panneau  qui  ne  füt  decore  de 
diverses  figures  dorees" 

(20,  17  f.). 
Auf  die  wörtliche  Überein- 
stimmung an  dieser  Stelle  sei 
später  hingewiesen. 

Die  nun  folgenden  näheren 
Angaben  verdienen  wieder  vom 
stilistischen  Standpunkte  aus 
Beachtung:  Alles,  was  mit 
Owein  in  Berührung  kommt, 
ist  überaus  kostbar: 

„La  pucelle  alluma  un  feu 
de  charbon,  prit  un  bassin 
d'argent  avec  de  l'eau,  et  une 
Serviette  de  flne  toile  blanche 
sur  l'epaule,  .  .  . 

.  .  .  eile  plaga  devant  lui 
une  table  d'argent  dorö,  cou- 
verte  d'une  nappe  de  fine  toile 
jaune  et  lui  apporta  k  souper" 
(21,  4  f.). 

Nun  kommen  die  aus  frü- 
heren Anführungen  geläufigen 
superlativischen  Schilderun- 
gen: 

„II  n'y  avait  pas  de  mets 
connu  d'Owein  dont  il  ne  vit 
lä  abondance,  avec  cette  diffe- 


OWEIN  —  IVAIN.  53 

rence  que  les  mets  qu'il  voyait 
etaient  beaucoup  mieux  pre- 
pares  qu'ailleurs. 

Nulle    part    il    n'avait    vii 

offrir  autant  de  mets  ou  de 

boissons    excellentes    que    lä. 

Pas   un  väse  de  service  qui 

ne  füt  d'or  ou  d'argent"  (2 1,9  f.). 

Da  schmaust  und  trinkt  denn 

i  Owein  bis  in  den  Nachmittag 

!  hinein: 

;  „Owein  mangea  et  but 
'  jusqu'ä  une  heure  avancee  du 
temps  de  nones"  (21, 15). 
Zu  dieser  Zeit  erhebt  sich 
'  ein  grofser  Lärm  im  Schlosse, 
und  Owein  erfährt  auf  seine 
I  Frage,  dafs  man  dem  Edel- 
I  mann  die  letzte  Ölung  gebe. 
Owein  legt  sich  zur  Ruhe. 
I  Bei  der  nun  folgenden  Be- 
schreibung des  Lagers  finden 
sich  wieder  die  gewohnten 
Ausdrücke: 
I  „II  eüt  ete  digne  d'Arthur, 
i  tellement  il  etait  bon,  le  lit 
1  que  lui  fit  la  pucelle,  de  tissus 
d'ecarlate,  de  paile,  de  cendal 
j  et  de  toile  fine"  (21,  21). 

Der  folgende  Abschnitt,  ein  Meisterstück  Chrestienscher 
Stil-  und  Gedankenkunst,  behandelt  nun  den  so  vielumstrittenen 
Höhepunkt  des  ersten  Teiles:  Wie  Ivain  die  Liebe  der  ver- 
witweten Schlofsherrin  gewinnt.  Die  vergleichende  Gegen- 
überstellung beider  Fassungen  schliefst  sich  hier  in  der  Reihen- 
folge der  Geschehnisse,  die  bei  beiden  Verfassern  starke 
Abweichungen  zeigt,  an  des  Franzosen  Gedicht  an  und  setzt 
die  entsprechenden  Abschnitte  des  Kymren  zunächst  ohne 
Rücksicht  auf  ihre  Reihenfolge,  der  ein  späteres  Wort  vor- 
behalten bleiben  mag,  daneben. 


54 


WALTER   GREINER. 


Der  Schauplatz  der  Hand- 
lung bei  Chrestien  ist  —  im 
CTegensatz  zu  M.  —  immer  noch 
der  Saalbau,  in  dem  Ivain 
gefangen  wurde.  Noch  während 
die  Mannen  mit  verzweifeltem 
Suchen  beschäftigt  sind,  kommt 
die  Schlofsherrin: 
(1146)  ...  „une  des  plus  beles 

dam  es, 
Qu'onques  veist  riens  teriiene. 
De  si  tres  bele  crestiiene 
Ne  fu  onques  plez  ne  parole". 
Furchtbar    sind    die    Aus- 
brüche ihres  Schmerzes: 
(1150)  . . .  „de  duel  feire  estoit 

si  fole, 
Qu'a  po  qu'ele  ne  s'ocioit. 
A  lä  foiiee  s'escrioit 
Si  haut,  qu'ele  ne  pooit  plus, 
Et  recheoit  pasmee  jus. 
Et  quant  ele  estoit  relevee, 
Aussi  come  fame  desvee 
Se  comangoit  a  descirer 
Et  ses  chevos  a  detirer*'. 


Durch  den  Torraum  hindurch 
wird  nun  auch  die  Leiche  des 
Schlofsherrn  getragen.  Dem 
Zuge  voran  geht  die  Geist- 
lichkeit: 


Die  Beschreibung  der  Schlofs- 
lierrin  (23,  3 f.): 

. . .  „une  femme  aux  cheveux 
blonds,  flottant  sur  les  deux 
epaules,  souilles  ä  leur  extre- 
mite  de  sang  provenant  de 
meurtrissures.  vetue  d'habits 
de  paile  jaune  en  lambeaux, 
les  pieds  chausses  de  brode- 
quins  de  cordwal  bigarre  [fast 
wörtliche  —  etwas  erweiterte 
—  Wiederholung  der  Beschrei- 
bung der  Lunete  S.  47]. 
I  Sie  ist  zudem  von  grofser 
Schönheit: 

;.I1  etait  impossible  de  voir 

!  une  aussi  belle  femme,  Owein 

'  en  etait  bien  persuade,  si  eile 

avait  eu  son  aspect  habituel" 

(23, 10).  Auch  ihre  Schmerzens- 

i  rufe  sind  unaufhörlich: 

i       „C'etait    merveille    que    le 

i  bout    de    ses    doigts    ne    fiit 

'  ecorche,  tant  eile  frappait  avec 

violence  ses  deux  mains  Tune 

contre    Tautre"    (23,  8)    und: 

„Ses  cris  dominaient  ceux  des 

gens  et  le  son  des  trompettes 

de  la  troupe"  (23,  12). 

E.s  sei  hier  erinnert  an 
21,  17:  ,,X  ce  moment,  ils 
entendirent  de  grands  cris 
dans  le  chäteau'*. 


OWEIN  —  IVAIN. 


(1160)  „L'eve   beneoite  et  la 

croiz 
Et  li  cierge  aloient  devaut 
Avuec  les  dames  d'un  covant, 
Et  li  texte  et  li  an^ansier 
Et  li  clerCj  qui  sont  despansier 
De  feire  la  haute  despanse, 
A  quoi  la  cheitive  ame  panse'*. 
Der  Schmerz  der  Dame  stei- 
gert   sich    ins    üngemessene 
beim  Anblick  der  Bahre. 


Da  das  Sachen  nach  dem 
Mörder  vergeblich  war,  schrei- 
tet man  jetzt  zur  Bahrprobe: 
(1178) ...  „anmi  la  sale  amassa 
Autor  la  biere  uns  granz  toauz; 
Que  li  sanz  chauz,   clers  et 

vermauz 
Rissi  au  mort  parmi  la  plaie, 
Et  ce  fu  provance  veraie, 
Qu'ancore    estoit    leanz    sanz 

faille 
Cil,  qui  feite  avoit  la  bataille, 
Et  qui  Tavoit  mort  et  conquis". 


Das  Mädchen  gibt  ihm,  wie 
schon  oben  erwähnt,  die  Aus- 
kunft: 

„On  donne  l'extreme  onction 
au  maitre  du  chäteau"  (21, 19). 

In  der  Nacht,  während  der 
ihm  das  Mädchen  Gesellschaft 
leistet  (siehe  oben  21,  19), 
beginnt  ein  zweiter  Lärm.  Zu 
beachten  ist  die  Steigerung 
im  Beiwort: 

„Vers  minuit,  ils  entendirent 
des  cris  pergants^'  (21,  24). 

„Der  Schlofsherr  ist  ge- 
storben," sagt  das  Mädchen. 

Uud  nach  Tagesanbruch 
wiederholt  sich  das  Schreien 
zum  dritten  Male: 

„Un  peu  aprös  le  jour 
retentirent  des  cris  et  des 
lamentations  d'une  violence  in- 
exprimable"  (Abermalige  Stei- 
gerung des  Ausdrucks!)  22,3. 

Es  ist  die  Stunde  der  Bei- 
setzung des  Ritters,  deren  Be- 
schreibung unmittelbar  folgt. 


56  WALTER   GREINER, 

Ks    beginnt     nunmehr    ein 
nochmaliges  Suchen.   Wie  die 
Wilden     schlagen     sie     mit 
Stöcken  um  sich,   und  Ivain. 
der    ja    noch    auf    dem   Bett 
liegt,  bekommt  ein  gut  Teil 
von  den  Schlägen  ab: 
(1192)   „Si  fu  mout  feruz  et  ; 
botez       I 
Mes  sire  Yvains  la,  ou  il  jut,  I 
N'onques  por  ce  ne  se  remut'* 
—  während  er  doch  das  erste  j 
Mal  leer  ausgegangen  war:      | 
(1134)  . .  .  „parmi  les  paroiz  | 
feroient   ! 
Et  parmi  liz  et  parmi  bans;  | 
Mes  des  cos  fu  quites  et  frans 
Li  liz,  ou  il  s'estoit  couchiez, 
Qu'il  n'i  fu  feruz  ne  tochiez". 

Die  Mannen  stehen  ratlos: 
da  muls  der  Teufel  seine  Hand  \ 
im  Spiele  haben! 
(1202)    „Ce  est   mervoille   et 
deablie!"  \ 

Nun  bricht  die  Dame  in  ein  : 
Jammern  tiefsten  Schmerzes  \ 
aus;  ihr  wilder  Grimm  richtet  i 
sich  in  einer  Verfluchung  gegen  | 
den  feigen  Mörder.  Sie  flucht  ■ 
dem  Himmel;  alles  das  könne  1 
doch  nicht  mit  rechten  Dingen 
zugehen : 

(1218)  „Bien  puis  dire,  quant  ■ 
je  nel  voi,  i 
Que  antre  nos  s'est  ceanz  mis  i 
Ou  fantosmes  ou  anemis.  j 

S'an  sui  anfantosmee  tote". 

Oder  sollte  er  gar  feige  sein?  ' 
Dem  Gatten  gegenüber  zeigte  \ 


OWEIN  —  IVAIN. 


57 


er  doch  auch  Mut!  Hätte 
dieser,  der  unvergleichliche 
Held,  gegen  einen  sichtbaren 
Gegner  gekämpft,  dann  wäre 
wohl  der  Ausgang  anders  ge- 
wesen ! 

Nun  schreitet  man  zum 
Begräbnis  des  Ritters,  das 
in  aller  Form  (bei  Chrestien 
nur  angedeutet)  vollzogen 
wird. 

Das  Fräulein  nimmt  an 
alledem  nicht  teil;  sie  kommt 
wieder  zu  Ivain,  —  den  sie  ja 
nach  Übergabe  des  Zauber- 
rings hatte  verlassen  müssen 
—  und  erfüllt  nach  einem 
kurzen  Gespräch,  in  dem  Ivain 
seine  Angst  offen  bekennt 
(1262—1270),  seinen  Wunsch, 
doch  ein  wenig  dem  Leichen- 
zug zuschauen  zu  dürfen: 

„Ob  ihm  wirklich   an  dem 
Anblick  der  Prozession  so  viel 
gelegen  war",  meint  Chrestien, 
„oder  ob  er: 
(1280)  . . .  „por  la  dame  de  la 

vile, 
Que  il  voloit  veoir,  le  dist?" 

Sie  führt  ihn  zu  einem 
Fensterchen,  von  dem  aus  er 
alles  beobachten  kann. 


[Es  sei  hier  noch  einmal 
die  Szenerie  vergegenwärtigt: 
Die  Nacht  ist  herum,  und  am 
frühen  Morgen  erschallt  das 
dritte  Jammergeschrei.] 

„Owein  se  leva,  s'habilla, 
ouvrit  la  fenßtre  et  regarda 
du  cote   du  chäteau"   (22,  8). 

Dafs  diese  Stellung  des 
Helden  beim  Leichenbegängnis 
eine  weit  glücklichere  ist  als 
bei  Chrestien,  wo  Ivain,  der 
noch  im  Torraum  auf  dem 
Bett  liegt,  die  Prozession  ver- 
folgt, soll  an  späterer  Stelle 
Erörterung  finden. 


WALTER   GREINER, 


Das  Begräbnis  selber  wird 
;  mit   gewaltigem    Pomp    voll- 
I  zogen;   die   Menge   der   Teil- 
i  nelimer  ist  gar  nicht  zu  über- 
sehen (22,  10  f.): 

.,11  ne  Vit  ni  commencement 
ni  fin  aiix  troupes  qui  rem- 
plissaient  les  nies,  toutes 
completement  armees;  il  y 
avait  aussi  beaucoup  de  fem- 
mes" —  Browns  Versuch,  hier- 
aus in  einer  älteren  Form  eine 
Feenschar  zu  konstruieren, 
dürfte  doch  wohl  zu  kühn 
sein  —  „ä  pied  et  ä  cheval, 
et  tous  les  gens  d'eglise  de 
la  cite  etaient  lä  chantant. 
II  semblait  ä  Owein  que  le 
ciel  resonnait  sous  la  violence 
des  cris,  du  son  des  trompettes 
et  des  chants  des  hommes 
d'eglise". 

Nun  folgt  die  Beschreibung 
der  Bahre  selbst,  die,  wie 
ganz  besonders  der  letzte  Satz 
zeigt,  in  den  bekannten  Stil- 
formen sich  hält: 

„Au  milieu  de  la  foule  etait 
la  biere,  recouverte  d'un  drap 
de  toile  blanche,  portee  par 
des  hommes  dont  le  moindre 
etait  un  baron  puissant. 

Owein  n'avait  jamais  vu 
assurement  une  suite  aussi 
brillante  que  celle-lä  avec  ses 
habits  de  paile.  de  soie  et  de 
cendal". 


Ivain  hört  vom  Fenster  aus 
die   Totenklage    der    schönen 


OWEIN  —  IVAIN. 


50 


Witwe.    Die   Worte,   die  sie 
jetzt     zum     Ausbruch     ihres 
Schmerzes    findet,    sind    auf  : 
einen  erheblicli  milderen  Ton  ! 
gestimmt  (v.  1288—1299). 

Gleich  darauf  aber  gebärdet  , 
sie  sich  wiederum  —  dieser  i 
Stimmungsumschlag  erscheint  i 
mir  nicht  besonders  glücklich  | 
gewählt  —  wie  wahnsinnig,  j 
zerreifst  die  Kleider  und  mifs-  j 
handelt  ihren  Körper,  so  dafs  | 
Ivain  sich  nur  mit  Mühe  zu-  | 
rückhalten  kann:  ! 

(1302)  ,.A  mout  grant  painne  1 

se  detient 
Mes  sire  Ivain  s,  a  quoi  que  tort, 
Que  les  mains  tenir  ne  li  cort". 
Aber  das  Fräulein  rät  ihm 
warnend,  ja  keine  Unvor- 
sichtigkeit zu  begehen  und  an 
dem  sicheren  Platze  ruhig 
auszuharren  (1305 — 1338). 

Darauf  verläfst  sie  ihn,  und 
Ivain  bleibt  allein  zurück,  von 
Zweifeln  geplagt.  Ein  hef- 
tiger Widerwillen  packt  ihn 
gegen  den  sicherlich  nicht  aus- 
bleibenden Spott  Keus,  dem 
er  doch  bei  dem  Bericht 
von  seinem  wundersamen  und 
siegreichen  Abenteuer  keinen 
sichtbaren  Beweis  bringen 
kann. 

Doch  diesen  Kummer  ver- 

süfst  ihm  die  Liebe: 

(1354)  „Celes  ranposnes  a  sejor 

Li    sont    el    euer    batanz    et 

fresches, 


60 


WALTER    GREINER, 


Mes  de  son   gucre  et  de  ses 
bresches 
Li  radoucist  novele  Amors, 
Qui  par  sa  terre   a   fet   sou 
cors". 


I      Reflexionen  und  Seelenana- 
lysen sind  nicht  die  Sache  des 
I  Kymren.    Er    konstatiert   le- 
j  diglich  die  Tatsache: 
j      „En  la  voyant,  Owein  s'en- 
I  flamraa  de  son  amour  au  point 
j  qu'il     en     etait     entierement 
j  penetre"  (23,  14). 
j      Owein  erkundigt  sich  nach 
I  ihr   und   erfährt,   sie  sei  die 
j  durch   vielerlei  Vorzüge  aus- 
gezeichnete   ,.Dame   von   der 
Quelle": 
.      „On  peut  en  verite  te  dire", 
'  repondit-elle,  „que  c'est  la  plus 
'  belle  des  femmes,  la  plus  ge- 
;  nereuse,    la   plus   sage  et  la 
!  plus   noble;    c'est    ma    dame; 
:  on  l'appelle   la   Dame   de   la 
Fontaine,  c'est  la  femme  de 
I  l'homme  que   tu  as  tu6  hier" 
(23,  16). 

Als  Owein  dem  Mädchen 
seine  Liebe  zu  der  Trauernden 
gesteht,  sagt  sie  verheifsungs- 
voll: 

„Dieu  sait  qu'elle  ne  t'aime 
ni  peu  ne  point"  (24,  2). 

Es  soll  einem  späteren  Ab- 
schnitt vorbehalten  bleiben, 
zu  untersuchen,  welche  Be- 
deutung die  Worte  der  Zofe 
Lunete  für  die  Handlung  selbst 
haben. 


OWEIN  —  IVAIN. 


61 


Die  Liebeswunde,  die  immer 
schlimmer  wird,  je  näher  die- 
jenige Person  ist,  die  sie  allein 
heilen  kann  — 
(1373)   „Et  la  plaie  d' Amors 

anpire, 
Quant  ele  est  plus  pres  de 
son  mire. 
Cele  plaie  a  mes  sire  Ivains, 
Don  il  ne  sera  ja  mes  sains" 
—  ist  wahrlich  hinreichend 
Rache  für  die  tödlichen  Wun- 
den des  Ritters  von  der  Quelle. 
In  farbenreichen  und  leben- 
digen Worten  wird  nun  der 
Zustand  des  Helden  beschrie- 
ben. Die  Verse  1356—1405 
sind  ein  Preislied  auf  die  Liebe, 
die  in  gemütswarmen  Tönen 
und  edler  Sprache  gefeiert 
wird. 

„Die  Liebe",  so  heilst  es 
einmal,  „hat  all  ihre  gerin- 
geren Stätten  verlassen  und 
sich  ganz  über  Ivain  ergossen". 
Dabei  versäumt  aber  Ivain 
nicht,  seine  Blicke  unverwandt 
nach  der  Dame  zu  richten. 
Das  Begräbnis  ist  vorüber, 
die  Menge  zerstreut  sich,  und 
nur  die  Herrin  bleibt  zurück. 
Und  wieder  übermannt  sie 
der  Schmerz: 
(1412)  . . .  „sovant  se  prant  a 

la  gole 
Et  tort  ses  poinz  et  bat  ses 
paumes 
Et  list  an  un  sautier  ses  saumes, 
Anlumine  a  letres  d'or". 


WALTER   GBEINER, 

Ivain  verfolgt  jede  Bewe-  i 
guiig;  seine  Leidenschaft  wird  ! 
immer  glühender,  sie  bringt  | 
ihn  der  Verzweiflung  nahe.  ! 
Ist's  denn  nicht  überhaupt  j 
Wahnsinn,  was  er  begehrt?  j 
Ist  das  Gefühl  der  Eache,  die 
sie  ganz  erfüllt,  vereinbar  mit 
der  Leidenschaft,  die  er  ihr 
entgegenbringt? 

„Mag  sie  mich  jetzt  auch 
hassen,  die  Zeit  wird  Wandel 
schaffen;  wer  kennt  nicht  die 
Wandelbarkeit  des  Frauen- 
herzens? 

(1436) . . .  „Fame  a  plus  de  mil 
corages. 
Celui  corage,  qu'ele  a  ore, 
Espoir  Changera  ele  ancore". 

Bis  dahin  heilst  es  sich  in 

Geduld  fassen.  Und  nun  folgt 

ein  weiteres  prächtiges  Preis- 
lied     der     Frauenschönheit: 

„Eine  Schönre  als  sie,  die  von 

Gottes  Hand  geschaffen,  sah 

ich  nie!"  (1462—1506). 
Er    ist    dankbar    für    die 

Gelegenheit,  die  Geliebte  un- 
bemerkt sehen  zu  können,  und 
sein  Gefängnis  wird  ihm  darum 
gar  köstlicher  Besitz. 

Er  sieht,  dafs  die  beiden 
Tore,  zwischen  denen  er  einst 
eingeschlossen  war,  offen  ste- 
hen, d.  h.  aufgezogen  sind,  — 
aber  er  will  sein  Gefängnis 
nicht  ohne  die  Verzeihung  der 
Herrin  verlassen: 


OWEIN 


IVAIN. 


63 


(1525)   „II   ne  s'an  alast  mie 

certes,  | 

Se  eles  li  fussent  overtes,  | 

Ne  se  la  dame  li  donast  | 

Congie  et  si  li  pardonast  j 
La  mort  son   seignor  buene- 

mant".  i 

Ja,  selbst  den  Tod  wird  er  | 
lieber  erleiden  als  ohne  ihre 
Vergebung  fliehen: 
(1540)  „Morir  viaut  ainz  que 
il  s'an  aut". 
Da  kommt  auch  das  Fräu- 
lein zurück  und  ist  aufs 
höchste  erstaunt,  Ivain  bei 
so  guter  Laune  zu  finden. 
Noch  mehr  wundert  sie  sich, 
als  der  Ritter  ihre  Befreiungs- 
voi-schläge  zurückweist.  Ivain 
aber  entgegnet  ihr  voll  frohen 
Vertrauens  auf  die  Allgewalt 
der  Liebe: 

(1572)    „Je   n'istrai   de   ceste 
semainne 
An  larrecin  ne  an  anblee. 
Quant  la  janz  iert  tote  assan- 

blee 
Parmi  ces  rues  la  defors, 
Plus  a  enor  m'an  istrai  lors, 
Que  je  ne  feroie  nuitantre". 

Das  Fräulein  bedient  ihn 
auch  weiterhin  in  gleich  vor- 
trefflicher Weise. 

Merkwürdig  nehmen  sich 
die  Verse  1584  f.,  die  Schluls- 
worte  des  Gesprächs  zwischen 
ihr  und  Ivain,  aus,  die  zu  den 
bisher   geschilderten   Empfin- 


64 


WALTER   GREINER. 


diing-en     doch     in     grellstem 
Widerspruch  stehen : 
(1584)  . . .  „bien  li  sovint 
De  ce  que  il  li  avoit  dit, 
Que  mout  li  plot  ce  que  il  vit, 
Quant  par  la  sale  le  queroient 
Cil  qui  ocirre  le  voloient". 

Die  folgendenZeilen(v.l589f.) 
geben  uns  Aufschlufs  über  das 
Verhältnis  der  beiden  Frauen- 
gestalten zueinander,  über  die 
Stellung  des  Fräuleins  zur 
Schlolsherrin : 
(1589)  „La  dameisele  estoit  si 

'bien 
De  sa  dame,  que  nule  rien 
A  dire  ne  li  redotast, 
A  quoi  que  la  chose  montast; 
Qu'ele  estoit  sa  mestre  et  sa 
garde". 
Die  Herrin  ist  des  Lebens 
überdrüssig,   und   alle  Trost- 
sprüche   des    Fräuleins    ver- 
fehlen ihre  Wirkung.  Der  tote 
Gatte  war  ohne  Gleichen,  nie 
wird  ihr  ein  Ersatz  möglich 
sein. 


Hier  schiebt  M.  die  bei 
Chrestien  v.  1881  f.  stehende 
und  dort  eingehender  zu  be- 
handelnde Wasch-  und  Putz- 
szene ein.  Das  Mädchen  begibt 
sich  dann  ins  Schlofs  zu  ihrer 
Herrin : 

„Elle  ny  trouva  que  tris- 
tesse et  soucis.  La  comtesse 
etait  dans  sa  chambre,  ne 
pouvant,  dans  sa  tristesse, 
supporter  la  vue  de  personne" 
(24,  19). 

Arg  merkwürdig  nehmen 
sich  die  ersten  Worte  des 
Fräuleins  aus,  die  sie  an 
die  Dame  richtet,  als  diese, 
schmerzgebeugt,  ihren  Gruls 
nicht  beachtet: 

„La  pucelle  se  fächa  et  lui 
dit:  „Que  t'est-il  arrive,  que 
tu  ne  repondes  ä  personne 
aujourd'hui?"  (24,  23). 

Die  Herrin  beklagt  sich  in 
herben  Worten  über  die  Teil- 
nahmslosigkeit des  Mädchens 
—  ein  Zug,  der  bei  Chrestien 
völlig  fehlt,  trotzdem  v.  1258 
1  der  Zofe  Fernbleiben  von  der 
!  Leichenfeier  besonders  er- 
wähnt wird  —  und  gibt  dabei 
eine  allerdings  ziemlich  nichts- 


OWEIN  —  IVAIN. 


65 


„Wohl  wird  ein  Ersatz  mög- 
lich sein",  entgegnet  die  Zofe, 
„vielleicht  gar  ein  besserer!" 
(1610)  „Meillor,  se  vos  le  volez 
prandre, 
Vos  randra  il  (Dieu!),  sei  pro- 
verai". 
Dies  weist  die  Dame  ent- 
rüstet zurück. 


(1612)  „Fui,  tes,  ja  voir  nel 
troverai". 


i  sagende    Auskunft    über    des 

i  Fräuleins  Stellung: 

'      „C'est    moi    qui    t'ai    faite 

I  riche"  (24,  28). 

Das   Mädchen    schlägt   der 

;  Trauernden  vor,  doch  anstelle 
des  mülsigen  Jammerns  lieber 
nach  einem  Ersatz  des  Gatten 
zu  suchen.  Hier  folgen  ihre 
—  wohl  einen  etwas  gefühl- 
losen Eindruck  machenden  — 
Worte: 

. . .  „je  n'ai  jamais  pense 
que  tu  eusses  si  peu  de  sens. 
II  vaudrait  mieux  pour  toi 
chercher  ä  reparer  la  perte 
de  ce  seigneur  que  de  t'occu- 
per  d'une  chose  irreparable" 
(24,  30). 

Aber  die  Herrin  ist  un- 
tröstlich; nichts  wird  ihr  den 
Verlust  ersetzen  können.  Die 
Entgegnung  des  Mädchens: 

„Tu  pourrais  epouser  qui 
le  vaudrait  bien  ou  peut- 
etre  mieux"  (25,  5). 
bringt  sie  in  heftige  Erregung. 
Viel  wilder  als  beim  Franzo- 
sen schlagen  hier  die  Wogen 
ihres  Grimmes: 

„Par  moi  et  Dieu,  s'il  ne 
me  repugnait  de  faire  perir 
une  personne  que  j'ai  elevee, 
je  te  ferais  mettre  ä  mort, 
pour  faire  en  ma  prösence  des 
comparaisons  aussi  injustes. 
Je  t'exilerai  en  tout  cas" 
(25,  7). 
Nun  ist  die  Reihe  des  Ent- 


Zeitschrift  f.  celt.  Philologrie  XU,  l. 


66 


WALTER   GBEINER. 


Die  Zofe  schlägt  alsdann 
einen  anderen  Weg  ein,  die 
Sinnesart  der  Dame  umzu- 
stimmen: sie  weist  auf  den 
bevorstehenden  Zug  des  Königs 
Artus  hin,  dessen  Ziel  ja  die 
Gewitterquelle  ist.  „Was  soll 
werden?  — " 

Die  „Dameisele  Sauvage" 
ist  die  Übermittlerin  dieser 
Unglücksbotschaft  (1619  f.) 

Auf  die  Besatzung  des 
Schlosses  sei  kein  sicherer 
Verlals,  darum  werde  Artus 
das  Land  ohne  jeden  Wider- 
stand erobern.  Als  sie  aber 
mit  ihrem  Rate  eine  schroffe 
Zurückweisung  erfährt,  ver- 
lälst  auch  sie  ihre  Herrin. 

Im  Verlaufe  der  Zeit  greift 
auch  bei  der  Dame  eine 
ruhigere  Überlegung  Platz. 
Sie  läfst  sich  auch  von  den 
weiteren  Ausführungen  der 
schlauen  Zofe  überzeugen: 

Der  Einwurf,  ihr  Gatte  sei 
unersetzlich,  sei  nicht  richtig. 


rüstetseins  am  Fräulein,  sie 
verläfst  alsbald  die  Herrin. 
Diese  geht  der  Gekränkten 
bis  zur  Zimmertür  nach  und 
hustet,  die  Zofe  kommt  auf 
ihre  Aufforderung  zurück: 

„Par  moi  et  Dieu",  dit  la 
dame,  „tu  as  mauvais  ca- 
ractöre  (!),  mais  puisque  c'est 
mon  interet  que  tu  veux 
m'enseigner,  dis-moi  comment 
cela  se  pourrait"  (25,  20). 

Die  Zofe  steckt  den  „mau- 
vais caract^re"  ohne  weiteres 
ein  und  beginnt  auf  die  Not- 
wendigkeit einer  Verteidigung 
der  Quelle  hinzuweisen: 

„Tu  sais-qu'on  ne  peut 
maintenir  ta  domination  que 
par  vaillance  et  armes.  Cherche 
donc  au  plus  tot  quelqu'un 
qui  la  conserve"  (25,  23). 


IVAIN  —  OWEIN. 


07 


die  echten  Ritter  seien  doch 
mit  ihm   nicht   ausgestorben: 
(1674)   „Cuidiez  vos,  que  tote 
proesce 
Seit  morte  avnec  vostre  seig- 

nor? 

Qant  aussi  buen  et  §ant  meillor  | 
An  sont  reraes  parmi  le  monde".  | 
Sie  solle  gleich  einen  nennen,  | 
fordert  die  Herrin.  Die  Zofe  | 
aber  versichert  sich  erst  der  l 
Zusage,  dals  die  Dame  beim  j 
Folgenden  nicht  in  Zorn  gegen  | 
sie  gerate. 

So  beginnt  denn  das  rede-  | 
gewandte  Fräulein  die  Ein-  | 
führung  Ivains  vorzubereiten: 
„Wenn  zwei  Ritter  sich  im 
Kampfe  messen,  ist  dann  der 
Sieger  nicht  besser  und  hel- 
denhafter als  der  Überwun- 
dene?   Darum 

(1705) ...  „miauz  vaut  icil,  qui 
conquist 
Vostre  seignor,  que  il  ne  flst. 
II  le  conquist  et  sei  chaga 
Par  hardemant  an  jusque  ga, 
Si  qu'il  l'anclost  an  sa  meison". 
In  harten  Worten  schilt  nun 
die  erzürnte  Witwe  die  Zofe. 
Diese,  unwillig  über  den  Bruch 
des  gegebenen  Versprechens, 
geht  und  benutzt  die  Zeit, 
nach  ihrem  Schützling  Ivain 
zu  sehen. 

Während  der  Nacht  bereits 
quälen  Gewissensbisse  die 
Herrin,  sie  fühlt  Reue  ihrer 
unzeitigen  Schroffheit  wegen. 


5* 


68 


WALTER   GREINER. 


Als  ob  der  Ritter  vor  ihr 
stände,  beginnt  sie  jetzt  ein 
förmliches  Verhör,  dessen  Er- 
gebnis die  Überzeugung  ist, 
dals  der  Sieger  im  ehrlichen 
Kampfe  doch  eigentlich  schuld- 
los ist: 

(1768)  „Donc  n'as  tu  rien  vers 

moi  mespris, 

Ne  vers  lui  n'eüs  tu  nul  tort". 

Als  nun  die  Zofe  am  anderen 
Morgen  wiederkehrt  und  ihre 
Kunst  —  „son  latin"  1787  — 
fortsetzt,  ist  die  Sinnesände- 
rung der  Dame  vollendet.  Sie 
bittet  die  Zofe  um  Auskunft 
über  den  künftigen  Schützer 
ihres  Landes.  Ist  er  ihrer 
würdig,  dann  will  sie  ihn  zu 
ihrem  und  der  Quelle  Herren 
machen.  Aber  ihr  guter  Ruf 
darf  keinesfalls  darunter  lei- 
den: 
(1807)  „Mes  il  le  covandra  si 

feire, 
Qu'an  ne  puisse  de  moi  retreire 
Ne  dire:  „C'est  cele  qui  prist 
Celui,  qui  son  seignor  ocist". 

(Diese  letzten  Worte  stellt 
Förster  als  Motto  des  ganzen 
Ivain  seiner  Einleitung  zum 
yvain'  und  *  voran.) 

Das  Fräulein  kann  mit  ihren 
Antworten  alle  Bedenken  zer- 
streuen. Der  Name  Ivain,  der 
guten  Klang  hat,  ist  ihrer 
Herrin  wohl  bekannt: 
(1816)  „Par  foi,  eist  n'est  mie 
vilains, 


Nur  ein  Ritter  vom  Artus- 
hofe kann  hier  in  Frage  kom- 
men: 

. . .  ,,il  ne  peut  y  avoir  d'autre 
homme  ä  defendre  la  fontaine 
que  quelqu'un  de  la  cour 
d'Arthur"  (25,  28). 


IVAIN 


OWEIN. 


69 


Aiuz  est  mout  fraus,  je  le  sai 

bien, 
Si  est  fiz  au  roi  Uriien".  ; 

So  wird  denn  die  HeiTin  , 
von  Ungeduld  gepackt;  die  \ 
fünf  Tage,  die  sich  das  Frau-  | 
lein  als  Frist  ausgebeten  hat  ', 
(1821),  sind  ihrer  Sehnsucht  j 
viel  zu  lang.  Noch  heute  oder  i 
spätestens  morgen  soll  er  da  j 
sein !  | 

Unmöglich!  ; 

(1824)  „Dame,  ne  cuit  que  nus  i 

oisiaus 
Poist  an  un  jor  tant  voler". 

Der  schnellste  Bote  soll  so- 
fort sich  nach  dem  Königshofe 
begeben,  um  die  Ankunft  des 
Ritters  in  möglichst  kurzer 
Zeit  zu  bewirken.  ' 

Die  Ungeduld  der  Herrin 
möchte  ihm  Flügel  anheften: 
(1836)  . . .  ,,se  bien  esforcier  se  \ 

viaut, 
Fera  de  deus  jornees  une. 
Et  anquenuit  luira  la  lune, 
Si  reface  de  la  nuit  jor". 

Sein  Lohn  wird  reichlich 
sein! 

Unterdessen  soll  die  Witwe 
mit   ihren  Vasallen   Rat   ab- 
halten,   was    nun    geschehen 
solle: 
(1848)  „Por  la  costume  main- 

tenir 
De  vostre  fontainne  deffandre, 
Vos   covandroit   buen   consoil 
prandre". 


Die  Zofe  selbst  erbietet  sich, 
einen  Ritter  vom  Königshofe 
zu  holen: 

,,J'irai  doiic  ä  la  cour,  et 
honte  ä  moi,  si  je  n'en  reviens 
avec  uu  guerrier  qui  gardera 
la  fontaine  aussi  bien  ou  mieux 
que  celui  qui  l'a  fait  avant" 
(25,  30). 


ro 


WALTER   GREINER. 


Sie  solle  (h\ü  Eingehen  einer 
neuen  Ehe  als  zwingende  Not- 
wendigkeit hinstellen,  und  mit 
dieser  Lösung  werde  sie  all- 
gemeine Zustimmung  finden, 
denn  jeder  werde  froh  sein, 
die  eigne  Haut  nicht  zu  Markte 
tragen  zu  müssen: 
(1865)  „Car,  qui  peor  a  de  son 

onbre, 
S'il   puet,   volantiers  se  des- 

conbre 
D'ancontre  de  lance  ou  de  dart; 
Car  c'est  mauves  jeus  a  coart". 

Wieder  mahnt  die  Dame 
zur  Eile;  die  Zofe  bricht, 
scheinbar  zur  Befolgung  des 
Befehles,  auf  und  geht  wieder 
zu  Ivain: 

(1879)  „Et  cele   faint,  qu'ele 

anvoit  querre 

Mon  seignor  Ivain  an  sa  terre". 

Dieser  wird  nun  für  die 
bevorstehende  Vorstellung  auf- 
geputzt. Unter  hilfreichem 
Beistand  des  Fräuleins  wird 
er  gebadet,  wie  es  der  Sitte 
entsprach ,  wohl  gepflegt, 
mit  prächtigen  Kleidern  ge- 
schmückt (1881—93)  und  mit 
kostbarem  Schmuck  angetan, 
sodafs  er  einen  gar  stattlichen 
Eindruck  macht. 


Das  Mädchen  scheidet  von 
der  Dame,  um  ihren  Auftrag 
scheinbar  auszuführen.  Sie 
geht  aber  geradeswegs  zu 
Owein. 

Es  sei  hier  der  entsprechende 
—  bei  M.  an  etwas  früherer 
Stelle  eingefügte  —  Abschnitt 
gegenübergestellt  und  be- 
sonders wieder  auf  die  regel- 
mälsig  wiederkehrenden  An- 
gaben über  die  Kostbarkeit 
all  des  Verwendeten  hinge- 
wiesen: 

„La  pucelle  se  leva  et  al- 
luma  un  feu  de  charbon, 
remplit  une  marmite  d'eau  et 
la  fit  chauffer.  Puis  eile  prit 
une  Serviette  de  toile  blanche 
et  la  mit  autour  du  cou 
d'Owein.  Elle  prit  un  gobelet 
d'os  d'elephant,  un  bassin 
d'argent,  le  remplit  d'eau 
chaade  et  lava  la  tete  d'Owein. 
Puis  eile  ouvrit  un  coffret  de 


IVAIN  —  OWEIN. 


71 


Nun  eilt  die  Zofe  —  nach- 
dem alles  vorbereitet  ist  —  zur 
Herrin,  ihr  die  Rückkehr  des 
Boten  zu  melden.  Diese  harrt 
des  Retters  voller  Sehnsucht; 
als  sie  von  seiner  Anwesenheit 
hört,  ist  ihre  Ungeduld  nicht 
mehr  zu  zügeln: 
(1899)  „Ceanz  est  il?  —  Vaing- 
ne  donc  tost!" 

Aber  ohne  Zeugen  soll  die 

Unterredung  stattfinden: 

(1902)    „Gardez    que    n'an    i 

vaingne  plus; 

Que  je  harroie  mout  le  quart'*. 


Die  Zofe  kehrt  zu  Ivain 
zurück.  Sie  hält  ihm  zunächst 
ihre   Freude   noch   verborgen 


bois,  en  tira  un  rasoir  au 
manche  d'ivoire,  dont  la  lame 
avait  deux  rainures  dorees" 
(24,31). 

Das  nun  aufgetragene  Mahl 
ist  überaus  kostbar: 

„Owein  n'avait  jamais  eu  de 
comparable  ä  celui-lä,  ni  d'un 
Service  plus  irreprochable" 
(24,  14). 

Diese  gesamten  superlati- 
vischen Stellen,  die  sich  durch 
die  ganze  Erzählung  ziehen 
und  —  wie  zu  zeigen  sein 
wird  —  sich  an  manchen 
Punkten  häufen,  sollen  später 
im  Zusammenhang  behandelt 
werden. 

Das  Mädchen  wartet  mit 
Owein  den  Ablauf  der  ge- 
bührenden Zeit  ab,  dann  eilt 
sie  zur  Gräfin,  die  sie  freudig 
bewegt  begrülst  (26, 10,  „qui 
la  reQut  avec  joie"),  bringt  sie 
doch  gute  Kunde!  (26,  12). 
Am  folgenden  Tage  soll  die 
Unterredung  stattfinden.  Die 
Herrin  will  dafür  sorgen,  dafs 
keine  Zeugen  da  sind: 

„Je  ferai  debarrasser  la 
maison  en  vue  d'un  entretien 
particulier"  (26,  16). 

Die  Unterredung  in  der 
Darstellung  des  Kymren  ist 
auf  einen  erheblich  kühleren 
Ton  gestimmt. 


72 


WALTKK   ftREINEK. 


und  bericlitet  ihm.  dafs  die 
Herrin  sie  wegen  der  ihm 
geleisteten  Hilfe  arg  gescholten 
liabe.  Dennoch  habe  sie  er- 
laubt, ihn  zu  ihr  zu  führen: 
(1922)  „Avoir  vos  viaut  an  sa 

prison, 
Et  s'i  viaut  si  avoir  le  cors, 
Que  nes  li  cuers  n'an  soit  de- 
fors'", 
Ivain  ist  alsbald  bereit, 
mit  ihr  zur  Dame  zu  gehen 
(Wortspiel    mit    dem   prison.) 


Voller  Zagen  betritt  nun 
Tvain  an  der  Hand  des  Fräu- 
leins das  Zimmer  der  Dame,  i 
die  durch  ihr  Schweigen  die 
Verwirrung  des  Ritters  nur 
noch  mehr  steigert.  Die  Zofe 
macht  ihm  lieftige  Vorwürfe 
wegen  seiner  Blödigkeit;  köst- 
lich ist  für  die  Charakteri- 
sierung des  Mädchens  v.  1 966/7:  ! 

.  .  .    .,  Chevaliers  I    et    peor 
n'aiiez 
De  ma  dame,  qu'ele  vos  morde'-. 

P'r  soll  sie  um  Vergebung 
bitten,  und  Ivain  ergibt  sich 
ihr  alsbald  auf  Leben  und  Tod. 

Auf  die  Frage,  was  ihn 
denn  bewege,  sich  ihr  völlig 


Als  am  andern  Tage  die 
verabredete  Stunde  naht,  wird 
Owein  prächtig  gekleidet.  Die 
Beschreibung  der  Gewänder 
enthält  wieder  die  typischen 
Schilderungen: 

„Owein  revetit  une  robe, 
un  surcot  et  un  manteau  de 
paile  jaune,  rehausse  d'un 
large  orfrei  de  lil  d'or;  ses 
pieds  etaient  chausses  de  bro- 
dequins  de  cordwal  bigarre, 
fermes  par  une  figure  de  Hon 
en  or"  (26,  18). 

(Der  Schuhschnalle  in  Löwen- 
gestalt dürfte  in  diesem  Zu- 
sammenhang noch  keine  tiefere 
Bedeutung  beizumessen  sein.) 

Die  anfängliche  Freund- 
lichkeit der  Dame  (. ..  „qui  les 
accueillit  d'aimable  fa^on" 
26,  23)  schwindet  gar  schnell, 
als  sie  den  Eintretenden  näher 
ansieht : 

...  „ce  seigneur  n'a  pas 
l'air  de  quelqu'un  qui  a  voyage. 
Par  Dieu  et  moi,  ce  n'est  pas 
un  autre  que  lui  qui  a  fait 
sortir  l'äme  du  corps  de  mon 
seigneur"  (26.  27). 

Darauf  setzt  das  Mädchen 
von  neuem  mit  ihren  (Über- 
redungskünsten ein : 

„Tant  mieux  pour  toi,  prin- 
cesse,  s'il  n'avait  pas  6t6  plus 
fort  que  lui,  il  ne  lui  eüt  pas 


IVAIN 


OWEIN. 


73. 


zu  ergeben,  bekennt  er  nach 
einer  Rechtfertigung  seine 
glühende  Leidenschaft  in  be- 
geisterten Worten. 

Die  rein  geschäftliche  Frage 
nach  der  Quelle  beantwortet 
Ivain  in  günstigem  Sinne,  und 
der  Vertrag  wird  gleich  ge- 
schlossen: 

(2036)    „Sachiez    donc,    bien 
acorde  somes". 

Daran  schliefst  sich  un- 
mittelbar die  Vasallenver- 
sammlung. Alles  ist  schon 
vorbereitet,  die  Schlofsbewoh- 
nei-  sind  schon  von  der  Not- 
lage ihrer  Herrin,  die  immer 
wieder  betont  Avird,  unter- 
richtet: 

(2045)  .  .  .    ,,jel   ferai   yor  le 
besoing: 
Ci  meismes  a  vos  me  doing; 
Qu'a  seignor  refuser  ne  doi 
Buen  Chevalier  et  ftl  de  roi". 

Da  Ivain  einen  überaus 
günstigen  Eindruck  auf  die 
Versammlung  macht,  fallen 
die  Worte  des  Seneschalls, 
der  zur  Zustimmung  rät,  auf 
fruchtbaren  Boden. 

Nach  einem  hohen  Lobe  auf 
Ivains  Heldenehre  wird  denn 
auch  beschlossen,  die  Hochzeit 
unmittelbar  folgen  zu  lassen. 
Die  Hochzeitsfeierlichkeiten 
Ivains  mit  Laudine  (ihr  Name 
wird  2151  genannt: 
„Laudine  de  Landuc, 
La  dame,  qui  fu  fiUe  au  duc 


euleve  l'äme  du  corps;  on  n'y 
peut  plus  rien,  c'est  une  chose 
faite"  (26,  29). 


Die   Herrin   will   erst 
Rat  ihrer  Leute  hören. 


den 


Die  Dame  weist  auf  die 
notwendige  Verteidigung  der 
Quelle  hin  und  stellt  ihre 
Leute  vor  die  Wahl,  entweder 
solle  einer  von  ihnen  der  Nach- 
folger ihres  Gemahls  werden, 
oder  ihr  solle  die  freie  Wahl 
eines  Ersatzes  bleiben.  Man 
entschliefst  sich  für  den  letz- 
teren Weg. 


74 


WALTER    GKEINER, 


Laudunet,  dont  an  note  un 
lai". 
Über  diese  Stelle  wird  im 
Zusammenhang  mit  anderen 
Quellenangaben,  deren  Vor- 
handensein im  Ivain  Förster 
bekanntlich  leugnet,  später  zu 
handeln  sein)  beginnen  als- 
bald; ihre  Schilderung  er- 
streckt sich  von  v.  2151—2169. 


Die  Hochzeit  wird  alsbald 
gefeiert,  und  Ivain  ist  nun 
Verteidiger  der  Quelle.  M. 
hat  hier  noch  ein  Nachwort, 
auf  das  wir  später  zurück- 
kommen werden,  ganz  eigen- 
tümlichen Charakters: 

„Owein  garda  la  fontaine 
avec  lance  et  epee,  voici 
comme:  tout  Chevalier  qui  y 
venait,  il  le  vendait  pour 
toute  sa  valeur.  Le  produit, 
il  le  partageait  entre  ses 
barons  et  ses  Chevaliers;  aussi 
n'y  avait-il  personne  au  monde 
plus  aime  de  ses  stijets  que 
lui.  II  fut  ainsi  pendant  trois 
annees"  (27,  15). 

An  dieser  Stelle  hat  M. 
einen  gröfseren  Zeitabschnitt 
gewissermalsen  als  Pause  ein- 
geschoben. Bemerkt  sei  noch, 
dafs  nach  Windisch  sich  an 
dieser  Stelle  —  wie  auch 
Brown  a.  a.  0.  bemerkt,  — 
ein  deutlicher  Absatz  in  der 
Niederschrift  sich  findet. 


OWEIN  —  IVAIN.  iO 

Eines  Tages  findet  Gwalch- 
mei  den  König  in  sehr  übler 
Laune,  die  den  Verlust  Oweins 
zur  Ursache  hat.  Als  ob  eine 
völlig  neue  Geschichte  be- 
ginne, fährt  der  Bericht  an 
dieser  Stelle  fort: 

„Un   jour    que    Gwalchmei 

se  promenait  avec  l'empereur 

Arthur,   il  jeta  les  yeux  sur 

lui  et  le  vit  triste  et  soucieux. 

Gwalchmei  fut  tres  peine  de 

le  voir  dans  cet  etat. . ."  (28, 3). 

:      Artus  meint,  die  Erzählung 

des  Kynon  sei  sicherlich  schuld 

an  Oweins  Verschwinden,  das 

er  nicht  länger  ertragen  könne: 

. . .   ,,si  je  suis  encore  une 

quatriöme  (annee)  sans  le  voir, 

mon  äme  ne  restera  pas  dans 

I  mon  Corps"  (28,  9). 

Auf  Gwalchmeis  Rat  hin, 
der  ein  Aufgebot  der  gesamten 
Truppenmacht  —  von  dem 
eigentlich  nie  die  Rede  gewesen 
war  —  für  unnötig  hält,  zieht 
der  König  mit  seinem  Gefolge 
selbst  aus.  Zweck  der  Ex- 
pedition ist  bei  M.  lediglich 
<  der,  Owein  aufzusuchen. 

. . .   „venger  Owein  s'il  est 
tue,   le  delivrer  s'il   est  pri- 
sonnier,    et    l'emmener    avec 
toi  s'il  est  en  vie"  (28,  16). 
Ein    stattlicher    Zug    wird 
I  alsbald  zusammengestellt: 
I      „Ils  etaient  au  nombre  de 
I  trois   mille  sans   compter  les 
j  subordonnes"  (28,  21). 


76 


WALTER   GREINER. 


Kynon  ist  natürlicli  Führer. 
Im  gastliclien  Schlofs,  dessen 
Anblick  in  den  typischen 
Ausdrücken  geschildert  wird, 
nächtigen  alle.  Die  folgenden 
Zeilen: 

„Malgre  leur  grand  iiombre 
on  ne  s'apercevait  pas  de  leur 
presence  dans  le  chäteau" 
(28,  28) 

wolle  man  wegen  ihrer  Be- 
deutung für  die  spätere  Unter- 
suchung im  Auge  behalten. 

Pracht  und  Luxus  sind  über- 
all, me  schon  an  den  früheren 
Stellen: 

„Eis  n'avaient  jamais  vu 
auparavant  de  Service  irre- 
prochable  en  comparaison  de 
celui  des  femmes.  Le  Service 
pour  les  valets  des  chevaux, 
cette  nuit-lä,  ne  se  üt  pas 
plus  mal  que  pour  Arthur 
lui-meme  dans  sa  propre  cour" 
(29,  1). 

Der  Weg  geht  weiter  über 
die  Lichtung  des  Waldmen- 
schen. Auf  die  stete  Stei- 
gerung des  Ausdrucks  soll 
auch  hier  noch  einmal  hin- 
gewiesen werden: 

„Ils  arriverent  aupres  de 
l'homme  noir;  sa  stature  parut 
encore  beaucoup  plus  forte  k 
Arthur  qu'on  ne  le  lui  avait 
dit"  (29,  7). 

Dann  gelangt  der  Zug  — 
der  Weg  wird  noch  einmal, 
wenn    auch    gegen    die    vor- 


OWEIN  —  IVAIN. 


77 


Artus  hat  seinen  versproche- 
nen Zug  nach  der  Quelle,  die 
hier  wie  auch  öfter  als  „mer- 
voille"  bezeichnet  wird,  aus- 
geführt. Ken  verleumdet  wie- 
derum mit  scharfer  Zunge  den 
„Helden''  Ivain,  wird  aber 
von  Gauvain  energisch  zurück- 
gewiesen. 

Der  König  selbst  ruft  das 
Unwetter  hervor,  und  Ivain 
kommt  eilends  herbei. 


herigen  Stellen  etwas  gekürzt, 
beschrieben  —  zur  Gewitter- 
quelle. 


Kei  bittet  den  König  um 
den  Vortritt  bei  den  bevor- 
stehenden Kämpfen;  er  wird 
ihm  gewährt,  und  sogleich 
schreitet  der  Seneschall  zum 
Hervorrufen  des  Unwetters, 
das  noch  einmal  beschrieben 

wird: 

.  .  .   „Jamals    ils    n'avaient 
entendubruit  ni  ondee  pareille" 

(29,19).  , 

Bemerkenswert  ist  die  fol- 
gende Angabe: 

„Beaucoup  d'hommes  de 
rang  inferieur  (warum  gerade 
diese?)  de  la  suite  d' Arthur 
furent  tues  par  l'ondee"  (29, 20). 

Auch  der  entblätterte  Baum: 

„Lorsqu'ils  lev^rent  les  yeux 
vers  l'arbre,  ils  n'y  apergu- 
rent  plus  une  feuille"  (29,  22), 
weiter  das  Erscheinen  der  Vö- 
gel wird  nochmals  beschrieben : 

. . .  „Jamals,  assurement,  ils 
n'avaient  entendu  musique 
comparable  ä  leur  chant" 
(29,  25). 


78 


WALTER   GREINER. 


Keu,  den  der  selbst  uner- 
kannt bleibende  Ivain  sofort 
an  den  Waffen  (2243)  erkennt, 
rüstet  sich  zum  Kampf.  Beim 
ersten  Anprall  zersplittern  die 
Lanzen,  dann  gelingt  es  Ivain, 
den  Gegner  aus  dem  Sattel 
zu  heben.  „Damit  begnügt 
sich  sein  edler  Sinn": 
(2258)  „Plus  d'enui  feire  ne  li 

quiert" 
hebt  Chrestien  besonders  her- 
vor. Ivain  nimmt  Kens  Pferd 
an  sich,  das  er  dem  Könige 
übergibt.  Der  Verlauf  des 
Kampfes  hat  vielen  Freude 
bereitet: 
(2261)  „S'an   fu   mout  bei  a 

tes  i  ot. 
Et  fu  assez,  qui  dire  sot: 
„Ahi,  ahi!  come  or  gisiez 
Vos,  qui  les  autres  despisiez". 


Dann  kommt  Owein  in  der 
gleichen  Ausrüstung  wie  einst 
der  frühere  Quellenverteidiger : 

. . .  „monte  sur  un  clieval 
tout  noir,  vetu  de  paile  tout 
noir,  venant  d'une  allure  ar- 
dente"  (29,  27). 


Kei  reitet  dem  Ankommen- 
den entgegen,  und  der  Kampf 
beginnt.  Nach  kurzem  Kampfe 
lieart   Kei  besiegt  am  Boden. 


[In  der  Erzählung  des  Kym- 
ren  nimmt  nun  die  folgende 
Handlung  einen  wesentlich 
abweichenden  Verlauf.  Die 
Kämpfe  werden  in  den  fol- 
genden Tagen  fortgesetzt  und 
finden  ihr  Ende  erst  in  dem 
Zweikampf  zwischen  Owein 
und  Gwalchmei  (Gauvain!), 
der  ja  bei  Chrestien,  an  viel 


OWBIN  —  IVAIN.. 


79 


späterer  Stelle  eingefügt,  den 
Gipfelpunkt  einer  ganz  an- 
deren Abenteuerreihe  bildet. 
Über  die  Vor-  und  Nachteile 
der  einen  oder  der  anderen 
Fassung  soll  hier  nicht  ge- 
rechtet werden;  dies  bleibe 
für  später;  im  Folgenden  soll 
vielmehr  —  anschliefsend  an 
den  Gang  der  Handlung  bei  M. 
—  lediglich  eine  Gegenüber- 
stellung der  beiden  Darstel- 
lungen des  Zweikampfes  der 
Freunde  gegeben  werden.] 

Nach  dem  für  Kei  gar  so 
unrühmlichen  Ausgange  des 
Kampfes  zieht  man  sich  auf 
beiden  Seiten  zur  Nachtruhe 
zurück. 

Am  anderen  Morgen  wagt 
Kei  mit  des  Königs  Erlaubnis 
einen  zweiten  Kampf  mit  dem 
Ritter,  der  den  gleichen  Ver- 
lauf nimmt.  Nur  schlägt  dies- 
mal Owein  schon  kräftiger  zu: 
.  .  ,  „il  jeta  un  coup  d'oeil 
sur  lui;    et,   hü   donnant  du 
pied  de  sa  lance  sur  le  front, 
il  entama  heaume,  coiffe,  peau 
et  meme  chair  jusqu'ä  l'os,  de 
I  toute  la  largeur  du  bout  de 
'  la  hampe"  (30, 10). 

Zum  zweitenmale  kehrt  Kei 
als  Unterlegener  zu  den  Seinen 
zui'ück,  und  das  gleiche  Los 
ereilt  auch  all  die  übrigen 
Ritter,  die  nacheinander  den 
Kampf  wagen.  So  bleiben 
zuletzt   nur  noch  Artus   und 


80 


WALTER   GREINER. 


Gwalchmei  übrig.   Der  König 
rüstet  sich  schon,  lälst  aber 
dem  Gefährten   den  Vortritt. 
Dieser   ist   so   gerüstet,   dafs 
er    Owein    gegenüber    uner- 
kannt bleibt: 
. . .  „comme  il  etait  revetu 
'  d'une  couverture  de  paile  qiie 
■  lui  avait  envoyee  la  fille  du 
comte    d'Anjou,    lui    et    son 
cheval,    personne   de   l'armee 
ne  le  reconnaissait"  (30,  21). 


Der  Zweikampf  der  beiden  Freunde. 
Mit  furchtbarer  Wucht  stür- 
men die  Gegner  aufeinander  : 


los,  sie  schlagen  einander 
schwere  "Wunden,  die  Lanzen 
zersplittern,  und  selbst  als 
sich  beide  mit  den  Schwertern 
zu  Leibe  gehen,  will  keine 
Entscheidung  fallen. 

Nach  einer  kurzen  Pause, 
die  durch  Versöhnungsversuche 
(zwischen  den  um  das  Erbe 
streitenden  Schwestern)  aus- 
gefüllt wird,  entbrennt  der 
Kampf  von  neuem.  Blutüber- 
strömt schlagen  die  beiden 
Ritter  aufeinander  los,  bis  des 
Abends  Dämmern  zugleich  mit 
der  völligen  Erschöpfung  der 
wackeren  Streiter  zur  Unter- 
brechung zwingt. 


Der  Kampf  wogt  mit  er- 
bitterter Schärfe  lange  Zeit 
unentschieden  hin  und  her, 
bis  die  hereinbrechende  Nacht 
Einhalt  bietet. 

Am  anderen  Morgen  nimmt 
der  Zweikampf  seinen  Fort- 
gang. Mächtige  Lanzen  („des 
lances  epaisses",  31,  5)  sind 
jetzt  beider  Streitwaffen,  aber 
auch  dieser  Tag  bringt  keine 
Entscheidung.  Am  dritten  Tage 
wählen  beide  noch  schwerere 
Waffen: 

„ils  allerent  au  combat  avec 
des  lances  solides,  grosses  et 
epaisses"  (31,  6). 

Bis  zum  Mittag  vermag 
jeder  den  Angriff  des  Gegners 
abzuwehren.  Dann  reifsen  von 
dem  furchtbaren  Anprall  die 
Gurte  beider  Pferde,  die  Ritter 


OWEIN 


IVAIN. 


81 


Ivaiii  schlägt  dem  Gegner 
einen  Waffenstillstand  vor,  der 
doch  für  beide  nichts  Un- 
ritterliches in  sich  schliefse: 
(6238)  ,,Ja  ne  cuit,  blasme  ne 
reproche 
J  aiiens,  se  nuiz  nos  depart"' 
und  zollt  seiner  grofsen  Tapfer- 
keit herzliche  Worte  aufrich- 
tiger Bewunderung.  Hierauf 
gibt  sich  Gauvain  zu  erkennen. 
Ivain  wird  von  furchtbarem 
Schrecken  ergriffen,  nach  ver- 
zweifelten Klagen  über  sein 
Mifsgeschick  nennt  auch  er 
seinen  Namen  und  verspricht 
reiche  Entschädigung  für  die 
Wunden  des  Kampfes. 

Jeder  schreibt  dem  andern 
den  Sieg  zu,  jeder  preist  die 
ausgezeichnete  Tapferkeit  des 
Gegners;  sie  fallen  sich  voller 
Rührung  um  den  Hals  (6311). 

Der  König  tritt  mit  seinem 
Gefolge  zu  den  beiden  Rittern, 
die  noch ,  immer,  jeder  für 
seinen  Teil,  ablehnen,  den 
Gegner  überwunden  zu  haben. 

Zeitschritt  f.  celt.  Philologrie  XII,  1. 


fallen  zu  Boden,  erheben  sich 
aber  alsbald,  um  den  Kampf 
wiederum  zu  Fuls  weiter- 
zuführen. 

„Jamals,  de  l'avis  des  spec- 
tateurs,  on  n'avait  vu  deux 
hommes  aussi  vaillants,  ni  si 
forts.  S'il  y  avait  eu  nuit 
noire,  eile  eüt  ete  eclairee 
par  le  feu  qui  jaillissait  de 
leurs  armes"  (31,  14). 

Gwalchmei  verliert  infolge 
eines  heftigen  Schlages  des 
Gegners  den  Schutz  des  Visiers, 
so  dafs  sein  Gesicht  vor  Owein 
offen  daliegt. 


Oweins  Worte  sind  sehr 
kühl  gehalten: 

„Sire  Gwalchmei",  dit  alors 
Owein,  „je  ne  te  reconnaissais 
pas  ä  cause  de  ta  couverture; 
tu  es  mon  consin  germain" 
(31,  20). 

Keiner  will  Siegel*  sein. 
Owein  fährt  fort:  „Tiens  mon 
ep6e  et  mes  armes.'*  —  „C'est 
toi  qui  es  le  maitre,  Owein," 
repondit  Gwalchmei,  „c'est  toi 
qui  as  vaincu;  prends  donc  mon 
epee."  (32,  2). 

Schlielslich  kommt  der  König 
herzu,  dem  Streit  der  beiden 
Freunde  ein  Ende  zu  machen. 
6 


82 


WALTER   GREINER, 


Schliefslich  schlichtet  er  ihren 
(und  der  Schwestern)  Streit. 


Wir  hatten  Chrestiens  Dar- 
stellung verlassen  an  der  Stelle, 
wo  Schadenfreude  über  die 
Niederlage  Keus  alle  be- 
herrscht. Ivain  führt  dem 
König  das  Pferd  des  Besiegten 
zu  und  gibt  sich  auf  des 
Herrschers  Wunsch  hin  zu 
erkennen.  Die  Nennung  seines 
Namens  löst  bei  allen  helle 
Freude  aus,  aulser  bei  Keu. 

Nach  einer  Erzählung  seiner 
Abenteuer  lädt  Ivain  den  König 
samt  seinem  Gefolge  zu  sich 
ins  Schlofs  ein.  Der  König 
sagt  gern  zu: 
(2308)  „Li  feroit  huit  jorz  toz 

antiers 
Enor  et  joie   et  eonpaignie". 


Noch  immer  weigert  sich  jeder, 
als  des  anderen  Überwinder  zu 
gelten.  Sie  fügen  sich  endlich 
dem  Urteilsspruche  des  Königs: 

„Donnez-moi  vos  epees",  dit 
Arthur,  „et  ainsi  aucun  de 
vous  n'aura  vaincu  l'autre" 
(32,  11). 

Owein  begrülst  den  König 
auf  das  herzlichste,  und  alle 
nehmen  gern  an  der  Freude 
teil: 

„L'armee  accourut  vers  eux. 
II  eut  tant  de  presse  et  de 
häte  pour  voir  Owein  et  l'em- 
brasser,  que  peu  s'en  fallut, 
qu'il  n'y  eüt  des  morts.  Ils 
passörent  la  nuit  dans  leurs 
Pavillons"  (32.  14). 


Als  Artus  die  Absicht  kund- 
gibt, weiter  zu  ziehen,  bittet 
ihn  Owein,  seinem  Schlofs 
einen  Besuch  abzustatten: 

„II  y  a  aujourd'hui  trois 
ans  que  je  t'ai  quitte,  et  que 
cette  terre  m'appartient.  De- 
puis    ce    temps    jusqu'ä    au- 


OWEIN 


IVAIN. 


83 


Ein  Bote  wird  vorange- 
schickt, um  die  Festvorberei- 
tiingen  im  Schlosse  zu  ver- 
anlassen. 


Einen  beträchtlichen  Raum 
nehmen  bei  Chrestien  die 
lebensvollen  Schilderungen 
des  festlichen  Empfangs  ein. 
Grofser  Jubel  herrscht  über- 
all, und  eine  unaufhörliche 
Reihe  glänzender  höfischer 
Feste  beginnt,  der  ritterlichen 
Minne  ganzer  Glanz  geht  von 
dem  Leben  im  Schlofs  aus. 
Aus  der  ganzen  Schilderungs- 
reihe —  die  nichts  des  Aufser- 
gewölinlichen  bietet  —  heraus 
sei  nur  auf  ein  Bild  hinge- 
wiesen, das  in  der  späteren 
Untersuchung  wiederkehren 
wird.  V.  2395  —  241.')  werden 
Gauvain  und  die  Zofe,  die  ja 
Lunete  heilst,  mit  Sol  und 
Luna  verglichen,  und  dieser 
Umstand  wird  in  Settegasts 
Abhandlung  eingehend  er- 
örtert. 

Als  die  für  das  Königsfest 
angesetzte  Zeit  sich  ihrem 
Ende  nähert,  bemühen  sich 
die  Ritter,  Ivain  zum  Mit- 
ziehen zu  veranlassen.  Gauvain, 
der  Sprecher  der  Ritterschaft, 
richtet  an  ihn  ernste  Worte 
über  die  Gefahr  des  „Verlie- 
gens": 


jourd'hui,  je  pi'epare  un  ban- 
quet  pour  toi.  Je  savais  que 
tu  irais  ä  ma  recherche.  Tu 
viendras  donc  avec  moi  pour 
te  debarrasser  de  ta  fatigue, 
toi  et  tes  hommes.  Vous  aurez 
des  bains"  (32,  20). 

M.  findet  sich  mit  dem 
Königsbesuch  sehr  schnell  ab: 

...  „le  festin  qu'on  avait 
mis  trois  ans  ä  preparer,  ils 
en  vinrent  ä  bout  eu  trois 
mois  de  suite.  Jamals  banquet 
ne  leur  parut  plus  confortable 
ni  meilleur"  (32.  27). 


Artus  will  Owein  mit  sich 
führen,  um  ihn  an  den  Höfen 
vorzustellen: 

„Arthur  songea  alors  au 
depart,  et  envoya  des  messa- 
gers  ä.  la  dame  pour  lui  de- 
mander  de  laisser  Owein  venir 
avec  lui,  afin  de  le  montrer 
aux  gentils  hommes  et  aux 
6* 


84 


WALTER   GREINER, 


(2484)  „Comant?  Seroiz  vos  or 

de  gaus/, 

Ce  disoit   mes  sire  Gauvains, 

,,Qui    por    lor    fames    valent 

mains? 
Honiz  soit  de  sainte  Marie, 
Qui  por  anpii'ier  se  marie!" 

Den  ununterbrochenen  dring- 
lichen Mahnungen  der  Freunde 
kann  sich  Ivain  doch  nicht 
verschliefsen,  er  verlangt  Ur- 
laub von  seiner  Dame,  der 
ihm  auch  bewilligt  wird.  Aber 
nach  Verlauf  eines  Jahres 
solle  er  wieder  zurückkehren, 
oder: 
(2564)  . . .  „l'amors  devandra 

haine, 
Que  j'ai  a  vos,  seürs  soiiez, 
Certes,  se  vos  trespassiez 
Le  terrae,  que  je  vos  dirai". 
Ivain   scheidet   in   grofsem 
Schmerze;    trostlos    lang    er- 
scheint ihm  die  Zeit  der  Tren- 
nung.   Beim    Abschied    gibt 
ihm     Laudine     noch      einen 
wunderkräftigen  Ring: 
(2604)  „Prison  ne  tient  ne  sanc 

ne  pert 
Nus  amanz  verais  et  leaus, 
Ne  avenir  ne  li  puet  maus, 
Mes  qu'il  le  port  et  chier  le 

taingne, 
Et  de  s'araie  li  sovaingne 
EiuQois  devient  plus  durs  que 

fers. 
Cil  vos  iert  escuz  et  haubers". 
Schmerzliche  Szenen  spielen 
sich  beim  Abschied  ab.  Ivain 


dames  de   l'ile  de  Bretagne" 
(32,  30  f.). 

Die  Dauer  des  Urlaubs  be- 
trägt bei  M.  nur  drei  Monate. 


Nur  ungern  gibt  die  Gräfin 
Owein  frei: 

„La  dame  le  permit  malgre 
la  peine  qu'elle  en  eprouvait" 
(33,  5). 


[Es  sei  schon  hier  darauf 
hingewiesen,    dafs    der   Ring 

\  bei  M.  an  dieser  Stelle  gar 
nicht  erwähnt  wird,  trotzdem 
aber  im  späteren  Verlauf  der 
Handlung    auf    einmal    auf- 

;  taucht.] 


OWETN  —  IVAIN. 


85 


kann  sich  nicht  trennen.  Nur 
widerwillig  zieht  er  mit:  der 
König  hat  es  wohl  vermocht, 
den  Leib  mitzunehmen,  aber 
das  Herz  bleibt  bei  Laudine. 
(2640-2666). 

Der  stillen  Hoffnung  Ivains, 
man  werde  bald  zurückkehren, 
gibt  Gauvain  wenig  Nahrung; 
er  führt  Ivain  von  einem 
Turnier  zum  anderen: 
(2670)  „Car  as  tornois  s'an  vont 

andui 
Par  toz  les  leus,  ou  l'an  tornoie". 
Längst  schon  ist  das  eine 
ausbedungene  Jahr  des  Ur- 
laubs verflossen,  es  geht  schon 
stark  ins  zweite  hinein.  Aber 
immer  wieder  treibt  Gauvain 
zu  neuen  Taten,  zu  neuen  Tur- 
nieren, aus  denen  Ivain  stets 
ruhmvoll  hervorgeht  (2684).  So 
kommen  sie  nach  Cestre,  wo  der 
König  Hof  hält.  Etwas  merk- 
würdig erscheint  hier  Chrestien 
die  Angabe  seiner  Quelle  über 
den  Besuch  des  Königs: 
(2685)  „Et  dist  li  contes,  ce  me 

sanble, 

Que  li  dui  conpaignon  ansanble 

Ne  vostrent  an  vile  desQandre, 

Ainz  flrent  lor  paveillon  tandre 

Fors    de    la    vile    et    cort    i 

tindrent; 

Qu'onques   a   cort   de   roi   ne 

vindrent, 

EinQois  vint  li  rois  a  la  lor". 

T)a  erinnert  sich  denn  Ivain 

mit  o-rofsem  Schmerze  seines 


Auf  einen  wesentlich  ab- 
weichenden Ton  ist  die  ent- 
sprechende Stelle  in  M.  ge- 
stimmt; nichts  von  all  dem 
tiefen  Weh,  das  des  Franzosen 
Schilderungen  durchzieht: 


86 


WALTER    GREINER. 


gegebenen  Versprechens,  das 
er  nun  treulos  gebrochen  liat. 
(2701)  .  . .  ..trespassez  estoit 
li  termes; 
A    grant    paiiine    tenoit    ses 

1er  m  es, 
Mes  honte  li  feisoit  tenir". 

Ivain  wird  erst  aus  seinem 
Brüten  aufgeschreckt  durch 
die  Ankunft  einer  Botin,  die 
geradeswegs  auf  ihn  zureitet. 
Die  Verse  2709/10: 
„Ne  nus  ne  fu  a  son  des(;andre, 
Ne  nus   n'ala  son  cheval 

prandre", 
erinnern  lebhaft  an  die  in 
V.  1009  beschriebenen  Er- 
lebnisse am  Königshofe.  Sie 
entbietet  allen  höfischen  Gruls. 
aufser  Ivain,  dem  Wort- 
brüchigen: 

(2719)  „Le  desleal,  le  tra'itor, 
Le  mangongier,  le  jeingieor". 

Chrestien  schiebt  hier  — 
als  Worte  der  Zofe  gedacht  — 
einen  Exkurs  über  die  wahre 
Liebe  ein,  von  der  Ivains 
„leeres  Gerede'-  (2722)  gar 
so  weit  entfernt  sei.  (2722 
-2761). 

Darauf  wird  Ivain  im  Namen 
der  Herrin  als  Wortbrüchiger 
verurteilt  und  verstofsen. 

Die  Botin  fordert  von  Ivain 
die  Rückgabe  des  vvunder- 
kräftigen  Ringes,  und  Ivain 
fügt  sich  —  wie  in  einem 
schweren  Traume  (2775)  — 
ihrem  Verlangen. 


„Owein  alla  avec  Arthur 
dans  nie  de  Bretagne.  TJne 
fois  arrive  au  railieu  de  ses 
compatriotes  et  de  ses  com- 
pagnons  de  festins,  il  resta 
trois  annees  au  lieu  de  trois 
mois"  (33,  6). 

Macht  schon  die  oben  aus 
diesem  Grunde  wörtlich  an- 
geführte Schilderung  des  Wort- 
bruches Oweins  den  Eindruck, 
als  solle  an  dieser  Stelle  ein 
deutlicher  Abschnitt  gemacht 
werden,  so  wird  dieser  Ein- 
druck nur  verstärkt,  wenn 
man  die  Worte  näher  be- 
ti-achtet,  die  die  Fortführung 
des  Berichtes  einleiten: 

..Owein  se  trouvait,  un  jour, 
ä  table  a  Kaer  Llion  sur 
Wysc,  . .  r  (38,  10). 

Die  Beschreibung  der  Botin 
sei,  der  vielen  charakteristi- 
schen Züge  halber,  auch  hier 
wiedergegeben: 

. . .  „une  jeune  ftUe  se  pres- 
sen ta,  montee  sur  un  cheval 
brun,  ä  la  criniere  frisee;  eile 
le  tenait  par  la  criniere.  Elle 
etait  vetue  de  paile  jaune. 
La  bride  et  tout  ce  qu'on 
apercevait  de  la  seile  etait 
d'or'"  (33.  11). 

Sie  geht  auf  Owein  zu  und 
nimmt  ihm  den  —  wie  oben 
angedeutet  an  der  ersten  Stelle 
bei  M.  nicht  erwähnten  — 
Ring  ab  mit  den  Worten: 


OWEIN  —  IVAIN. 


87 


Chrestieu  betont  an  dieser 
Stelle  wieder  —  wie  auch  bei 
der  Ankunft  des  Fräuleins  — 
das  höfische  Zeremoniell;  die 
Botin  bricht  alsbald  auf: 
(2778)  „Puis  si  comande  a  Deu 

le  roi 
Et  toz  les  autres  fors  celui 
Cui  ele  leisse  an  grant  enui". 

IvaAn,  der  erst  nach  und 
nach  gleichsam  aus  einer  Er- 
starrung wieder  zu  sich  kommt, 
wird  von  tiefer  Reue  und 
grofsem  Schmerz  ergiiffen; 
ihm  steigen  Fluchtgedanken 
auf.  Verzweiflung  packt  ihn, 
er  fürchtet,  in  der  Gesellschaft 
der  Menschen  seinen  Verstand 
zu  verlieren  und  stürzt — von 
niemand  aufgehalten  —  aus 
ihrer  Mitte  hinweg.  Bald 
liegen  die  Zelte  weit  hinter 
dem  Flüchtling,  da  bricht  der 
Wahnsinn  aus: 
(2804)  „Lors  li  monta  uns  tor- 

beillons 
El    Chief    si    granz,    que    il 
forsane". . . 

In  diesem  Zustand  zerreifst 
er  seine  Kleider  und  flieht 
immer  weiter  in  die  Einöde, 
sodals  alles  Suchen  seitens  der 
Ritter  vergeblich  bleibt. 


Einem  jungen  Burschen,  der 
im  Walde  nach  Wild  schielst, 
nimm'^  er  die  Waffen  ab,  um 
sich    mit    ihrer   Hilfe    seinen 


„C'est  ainsi  qu'on  traite", 
dit-elle,  ,,un  trompeur,  un 
traitre  sans  parole:  honte  sur 
ta  barbe!«  (33,  17). 

Darauf  reitet  sie  schnur- 
stracks von  dannen. 


Nach  dem  Scheiden  der 
Botin  übermannt  der  Schmerz 
Owein: 

„Le  Souvenir  de  son  expe- 
dition  revint  ä  Owein,  et  il 
fut  pris  de  tristesse"  (33,  19). 

Voller  Zagen  und  Sorgen 
bringt  er  die  Nacht  zu,  und 
am  anderen  Morgen  reift  der 
Entschlufs  in  ihm,  die  Ein- 
samkeit zu  suchen.  M.  bringt 
hier  wieder  den  schon  mehr- 
fach angeführten  Ausdruck: 

. . .  „il  alla  aux  extremites 
du  monde  et  aux  montagnes 
desertes"  (34,  2). 

Hier  verwildert  er  voll- 
ständig —  von  dem  eigent- 
lichen Wahnsinn  erwähnt  M. 
nichts : 

. . .  „il  continua  ainsi  jusqu'ä 
ce  que  ses  habits  fureut  uses, 
et  son  Corps  pour  ainsi  dire 
aussi;  de  longs  poils  lui  pous- 
serent  par  tout  le  corps" 
(34,  3). 


88 


WALTER   GREINER. 


Lebensuuterlialr  zu  erwerben. 
So  führt  er  ein  fast  tierisches 
Leben  im  Walde,  seine  Kleider 
zerreilsen  bei  dem  unaufhör- 
lichen, planlosen,  nur  vom 
Erhaltung^strieb  geleiteten  Um- 
herstreifen, südai's  er,  als 
die  erste  menschliche  Woh- 
nung ihm  auf  seiner  Irrfahrt 
begegnet,  fast  nackt  ist. 

Er  kommt  zufällig  an  eine 
Einsiedlerhütte,  deren  Be- 
wohner vor  Furcht  und  Ent- 
setzen sich  in  seine  Wohnung 
einschliefst,  dem  Flüchtling 
aber  doch  aus  ^Mitleid  Speise 
und  'l'rank  durch  ein  kleines 
Fenster  zukommen  läfst.  Die 
schlichte  Nahrung  schmeckt 
Ivain  köstlich.  Hunger  ist  ja 
der  beste  Koch: 
(2854)  ...  „a  toz  mangiei's  est 
sausse  fains". 

Es  bildet  sich  zwischen 
beiden  ein  förmlicher  still- 
schweigender Vertrag  heraus: 
Ivain  bringt  dem  Einsiedler 
das  Wild,  das  dieser  dann 
zubereitet. 


Wesentlich  mehr  ins  Mär- 
chenhafte geht  die  gleiche 
Stelle  bei  M.: 

,.I1  fit  sa  compagnie  des 
animaux  sauvages,  il  se  nourrit 
avec  eux,  si  bien  qu'ils  devin- 
rent  familiers  avec  lui"  (34-,  G). 

Das  unruhvolle  und  un- 
stete Leben  reibt  natürlich 
seine  Kräfte  gar  bald  völlig 
auf: 

„Mais  il  finit  par  s'affaiblir 
au  point  de  ne  pouvoir  les 
suivre"  (34.  8). 


Da  verläfst  er  denn  aus 
freiem  Entschlufs  seine  selbst- 
gewollte  Verbannung  und  nä- 
hert sich  wieder  menschlichen 
Stätten.  Er  kommt  zu  einem 
märchenhaft  schönen  Garten: 

„II  descendit  de  lamontagne 
ä  la  vallee,  et  se  dirigea  vers 
un  parc,  le  plus  beau  du 
monde,  qui  appartenait  k  une 
comtesse  veuve"  (34,  9). 


OWEIX  —  IVAIN. 


89 


Eine  Dame  in  Begleitung 
zweier  Mädchen  findet  ihn 
eines  Tages,  als  sie  den  Wald 
betreten,  schlafend.  Sie  suchen 
lange  nach  einem  Erkennungs- 
zeichen, bis  endlich  eine  Narbe 
im  Gesicht  die  Gewifsheit  gibt, 
dafs  der  nackte  Schläfer  und 
der  vielgerühmte  Ivain  eine 
Person  sind.  Mit  dem  Staunen 
über  Ivains  traurigen  Zustand 
verbindet  sich  bei  ihnen  der 
Wunsch,  der  Held  möge  doch 
recht  bald  wiederhergestellt 
werden,  um  der  Dame  seine 
Hilfe  aus  arger  Bedrängnis 
leisten  zu  können. 


Die  drei  Frauen  eilen  so- 
gleich nach  dem  Schlosse,  um 
die  wunderkräftige  Salbe  zu 
holen.  [Die  Verwendung  einer 
Salbe  zur  Heilung  des  Irrsinns 
als  eines  inneren  Leidens  steht, 
wie  schon  Hertel  a.  a.  0.  S.  46 
erwähnt,  an  dieser  Stelle  in 
der  altfranzösischen  Literatur, 
die  sonst  mehrfach  Heilsalben 
kennt,   einzig  da.]    Über   die 


Die  Beschreibung  des  Parkes 
wird  vom  Kymren  —  man  sieht 
nicht  recht  ein  zu  welchem 
Zwecke  —  weiter  ausge- 
sponuen: 

.  „ün  jour,  la  comtesse  et 
ses  suivantes  allerent  se  pro- 
mener  au  bord  de  l'etang  qui 
etait  dans  le  parc,  jusqu'ä  la 
hauteur  du  milieu  de  l'eau" 
(34,  12). 

Der  Eindruck,  den  Owein 
auf  die  Frauen  macht,  wird 
bei  M.  als  schrecklich  ge- 
schildert: 

. . ,  „elles  aper^urent  comme 
une  forme  et  une  iigure 
d'homme.  Elles  en  congurent 
quelque  crainte,  mais,  nöau- 
moins,  elles  approcherent  de 
lui,  le  täterent  et  l'exami- 
nörent"  (34,  15). 

Da  sein  Zustand  gar  so  be- 
klagenswert erscheint,  soll  ihm 
schnell  Hilfe  werden: 

„  Elles  virent  qu'il  6tait  tout 
couvert  de  teignes,  et  qu'il  se 
dessechait   au  soleil"  (34,  18). 

Die  Dame  geht  ins  Schlofs 
zurück  und  gibt  dem  einen 
Mädchen  die  Salbe  („une  fiole 
d'un  onguent  precieux"  34,21), 
auch  Kleider  für  den  Ritter, 
sowie  ein  Rofs. 


00 


WALTER    GREINER, 


Herkunft  der  Salbe  sehe  man 
die  Worte  der  Dame  v.  29521: 
„Card'un  oignemant  me  sovient, 
Que  me  dona  Morgue,  la  sage. 
Et  si  me  dist,  que  nule  rage 
N'est  an  teste,  que  il  n'an  ost". 

Das  Fräulein  führt  auch 
ein  prächtiges  Rofs  mit  sich, 
auf  welches  man  kostbare  Ge- 
wänder für  Owein  geladen  hat. 

Mit,  der  Salbe  soll  sie  dem 
Schlafenden  die  Schläfen  ein- 
reiben 

(2970)  „Les  tanples  solement 

l'an  oingne 

Et  le  remenant  bien  li  gart; 

Qu' 11   n'a  point  de  mal  autre 

part 
Fors  que  solement  el  cervel". 

Die  Zofe  begibt  sich  zu 
Ivain,  verbraucht  aber,  dem 
Gebor,  der  Herrin  zuwider,  die 
ganze  Salbe: 

(3000)  „Les  tanples  et  le  front 
l'an  froie 
Et  tot  le  cors  jusqu'a  Tartoil. 
Tant  li  froia  au  chaut  soleil 
Les  tanples  et  trestot  le  cors, 
Que  del  cervel  li  issi  fors 
La  rage  et  la  raelancolie". 

Hierauf  verbirgt  sie  sich, 
um  das  Erwachen  Ivains  ab- 
zuwarten. 

Alsbald  erfolgt  nun  Ivains 
Heilung  vom  Wahnsinn:  er 
erwacht  und  erkennt  mit 
Schrecken  und  Scham  seinen 
traurigen  Zustand: 


Die  Dame  gibt  dann  dem 
Mädchen  Verhaltungsmafsre- 
geln: 

„Frotte-le  avec  cet  onguent 
dans  la  direction  de  son  coeur. 
S'il  y  a  encore  de  la  vie  en 
Uli,  cet  onguent  le  fera  lever. 
Epie  ce  qu'il  fera"  (35,  3). 

Das  Mädchen  geht  nun  zu 
dem  schlafenden  Owein  und 
handelt  nach  dem  Gebot  ihrer 
Herrin,  nur  verstreicht  sie  den 
ganzen  Vorrat  der  Salbe. 


Sie  zieht  s^ich  damit  zurück, 
bringt  das  Pferd  mit  den  Klei- 
dern in  seine  Reichweite  und 
beobachtet  das  Kommende. 

Gar  bald  gibt  Owein  Le- 
benszeichen von  sich: 

...  „eile  le  vit  se  gratter 
les  bras,  se  relever  et  regarder 
sa  peau.  II  eut  grande  honte, 


OWEIN  —  IVAIN. 


9t 


(3020)  „Mes  nuz  se  voit  come 

un  ivoire, 

S'a  grant  honte,  et  plus  grant 

eüst, 
Se  il  s'avanture  seilst; 
Mes  n'an  set  plus,  que  nuz  se 
trueve". 
Der  Versuch,    sich    zu    er- 
heben, um  sich  zu  bekleiden, 
scheitert    an    seiner    grofsen 
Schwäche.  Die  Fiifse  versagen 
ihm   den   Dienst,    sodafs   das 
Fräulein    endlich    zur    Hilfe- 
leistung hei'beieilt.    Sie  führt 
ihm  ein  Pferd  zu,  und  beide 
reiten  nach  dem  Schlosse,  wo 
er  freundliche  Aufnahme  finden 
soll. 


tellement  son  aspect  etait  re- 
poussant"  (35,  9). 


Unterwegs  wirft  das  Fräu- 
lein von  einer  Brücke  aus  die 
leere  Salbenbüchse  ins  Wasser, 
um  sich  den  Vorwürfen  ihrer 
Herrin  wegen  ihrerVerschwen- 
dung  zu  entziehen: 
(3094)  .  , .  „eile  dira  que  au 
passer 


Mit  Aufgebot  aller  seiner 
Kräfte  schleppt  er  sich  zu 
dem  Pferde  hin  und  zieht  die 
i  Kleider  an.  Kaum  gelingt  es 
ihm,  in  den  Sattel  zu  kom- 
men. Da  nähert  sich  das 
Mädchen  zu  Oweins  grofser 
Freude : 

„II  se  montia  joyeux  vis- 
ä-vis  d'elle. .  ."  (35,  16). 

Auf  dem  Wege  zum  Schlofs 
erfährt  Owein  Näheres  über 
das  umliegende  Land  und  seine 
Besitzerin : 

„C'est  ä  une  comtesse  veuve. 
qu'appartient  ce  chäteau  fort 
lä-bas.  Son  mari,  en  raourant, 
lui  avait  laisse  deux  comtes, 
et  aujourd'hui,  eile  n'a  plus 
d'autre  bien  que  cette  demeure: 
tout  le  reste  lui  a  ete  enlev^ 
par  un  jeune  comte,  son  voisin, 
parce  qu'elle  n'a  pas  voulu 
devenir  sa  femme"  (35,  17). 

Oweins  Entgegnung  ist  le- 
diglich: „C'est  triste"  (35,23). 


02 


WALTER    GREINER, 


Del  pont  einsi  li  meschai, 
Que  la  boiste  en  l'eve  cha'i". 
Im  Schlofs  wird  Ivain  von 
der  Herrin  freundlich  auf- 
g-enommen,  das  Fräulein  aber, 
nach  dem  Verbleib  der  Salbe 
gefragt,  bringt  unter  vier 
Augen  ihre  Lüge  an.  Die 
Dame  ist  allerdings  arg  er- 
zürnt über  den  Verlust  der 
Salbe,  die  unersetzlich  sei: 
(3124)   „Si   ai  perdu  de  mon 

avoir 
Tot  le  meillor  et  le  plus  chier". 


Dennoch   soll   Ivain   nichts 
an  guter  Aufnahme  und  Be- 
handlung vermissen,  da  er  ja 
eigentlich  unschuldig  ist: 
(3129)...  ,,ce  seroit  trop  vilains 

jeus, 
Qui  d'un  domage  feroit  deus". 
So    schreitet    denn    Ivains 
Besserung   unter  sorgsamster 
Pflege  stetig  fort: 
(3134)   „Sei  baingnent  et  son 

Chief  11  levent 
Et  le  fönt  rere  et  reoigner; 
Car  l'an  li  poist  anpoignier 
La   barbe   a  piain  poing  sor 

la  face. 
Ne  viaut   chose,   qu'an  ne  li 

face". 


Owein  bekommt  die  Herrin 
gar  nicht  zu  sehen: 

. . .  „la  jeune  fille  le  mena 
ä  une  chambre  confortable, 
alluma  du  feu,  et  le  laissa" 
(35,  26). 

Dann  begibt  sie  sich  zur 
Herrin,  die  sie  auf  ihr  Ge- 
ständnis hin  nur  mit  leisem 
Vorwurf  straft: 

„II  m'est  difficile  de  te  faire 
des  reproches  ä  ce  sujet.  Ce- 
pendant  il  etait  inutile  pour 
moi  de  depenser  en  onguent 
precieux  la  valeur  de  cent 
vingt  livres  pour  je  ne  sais 
qui"  (36,  3). 

Owein  aber,  befiehlt  die 
Dame,  soll  dafür  nicht  hülsen, 
er  soll  gut  verpflegt  werden. 


Das  tut  denn  das  Mädchen 
auch: 

„eile  le  pourvut  de  nourri- 
ture,  boisson,  feu,  lit,  bains. 
jusqu'ä  ce  qu'il  füt  retabli" 
(36,  8). 

Stilistisch  bemeritenswert  ist 
der  Schlulssatz: 

„Les  poils  s'en  allerent  de 
dessus  son  corps  par  touffes 
ecailleuses.  Cela  dura  trois  mois, 
et  sa  peau  devint  plus  blanche 
qu'elle  ne  l'avait  ete"  (36, 10). 


OWEIN  - 

In  die  Zeit  des  Aufenthaltes 
Ivains  fällt  ein  Augriff  des 
Grafen  Alier  auf  das  Schlofs. 
Die  Bewohner  eilen  zu  den 
Waffen,  um  das  Besitztum 
der  Herrin  vor  Plünderung 
und   Zerstörung  zu  schützen. 


IVAIN. 


93 


Ganz  ähnlich  wie  an  einer 
früheren  Stelle  (21,  24  und 
später)  leitet  M.  die  Alier- 
Episode  ein: 

..Un  jour,  Owein  entendit 
du  tumulte  dans  le  chäteau, 
et  un  bruit  d'armes  ä  l'in- 
terieur"  (36,  U). 

Darauf  heifst  es  wieder  — 
genau  wie  oben: 

„II  demanda  k  la  pucelle 
ce  que  signifiait  ce  tumulte" 
(36,  16). 

Owein,  der  hier  im  Gegen- 
satz    zu     der    französischen 
Fassung  selbst  die  Initiative 
ergreift,  bittet  um  ein  Pferd, 
I  das  ihm  auch  bewilligt  wird. 
I  [. . .  „les  meilleures  (cheval  et 
j  armes)  du  monde",  heifst  es 
wieder.]  Ein  weiterer  Paralle- 
!  lismus    mit    der    schon    hier 
i    mehrmals     herangezogenen 
Stelle    aus    der    Quellenfahrt 
findet  sich  in  den  folgenden 
Worten.    Wie   der  Herr   des 
gastlichen  Schlosses  lächelt, 

„II  me  regarda  et  sourit" 
(9,  3),  als  Kynon  seinen  Plan 
vorträgt,  so  lacht  auch  die 
Gräfin: 

„La  comtesse  se  mit  ä  rire" 
(36,  27)  als  sie  von  Oweins 
Kampfesmut  hört. 

Schlielslich  könnte  man  in 
diesem  Sinne  auch  noch  die 
Beschreibung  des  Pferdes  m 
beiden  Fassungen  anführen. 
Hier  wie  dort  erhält  der  Ritter 


94 


WALTEE   GREINER. 


—  an  der  erstereii  Stelle 
allerdings  als  Trost  für  sein 
Mifsgeschick  —  ein  prächtiges 
Rofs,  dessen  Schönheit  jV'de.s- 
mal  über  alles  bisher  Da- 
gewesene hinaus  erhoben  wird : 
. . .  ,,je  ne  le  donnerais  pas 
encore  pour  le  meilleur  pa- 
lefroi  de  l'ile  de  Bretagne- 
(15,  11)  und 

...  ,,il  n'en  a,  assurement, 
Jamals  eu  en  sa  possession  de 
pareils"  (36,  29). 

Owein  erhält  nun  das  Rofs. 
Vielleicht  darf  man  in  den 
Worten  der  Gräfin  — 

„J'aime  mieux  qu'il  les 
prenne  que  de  les  voir  devenir 
la  proie  de  mes  ennemis, 
I  demain,  malgre  moi,  et  cepen- 
dant  je  ne  sais  ce  qu'il  veut 
en  faire-  (36,  30) 
—  die  sonst  nicht  recht  ver- 
ständlich sind,  da  doch  die 
Zofe  von  den  Kampfesabsichten 
Oweins  berichtet  hat  (36,26), 
eine  weitere  Parallele  sehen 
und  zwar  zu  den  Worten  des 
gastlichen  Ritters: 

.  •  •  „si  je  ne  croyais  qu'il 
düt  t'en  arriver  trop  de 
mal,  je  t'indiquerais  ce  que  tu 
cherches"  (9,  4). 

Und  endlich  f^ei  noch  das 
Aussehen  des  Pferdes  selbst 
in  beiden  Stellen  herangezogen, 
womit  dieseGegenüberstellung. 
auf  die  zurückzukommen  später 
Gelegenheit  sein  wird,  beendet 


OWEIN 


IVAIN. 


95 


sei.  Die  beiden  Stellen  lauten: 
. .  .  „un  palefroi  brun  fonce, 
k  la  criniere  tonte  rouge,  aussi 
rouge  que  la  pourpre,  com- 
pletement  eqnipe"  (15,  5)  und 
. . .  „un  gascon  noir,  parfait, 
portant  une  seile  de  hetre,  et 
une  armure  complete  pour 
cheval  et  cavalier"  (37,  4). 

Mit  zwei  Knappen  als  Be- 
gleitern bricht  Owein  nach 
dem  feindlichen  Heer  auf, 
dessen  Gröfse  ganz  aufser- 
ordentlich  ist: 

„En  arrivant  devant  Tarmee 
du  comte,  ils  ne  lui  virent  ni 
commencement  ni  fin"  (37,  8). 
[Man  vergleiche  hierzu  die 
schon  oben  angeführte  Stelle: 
„II  ne  Vit  ni  commencement 
ni  fin  aux  troupes  qui  rem- 
plissaient  les  rues"  (22,  9)]. 

Owein  läfst  sich  den  Stand- 
ort des  Grafen  bezeichnen, 
schickt  die  Knappen  zurück 
und  stürmt   zum  Angriff  vor. 


Ivain,  dessen  Kräfte  unter 
der  vorzüglichen  Pflege  zurück- 
gekehrt sind,  vollbringt  im 
Kampfe,  an  dem  er  sogleich 
teilnimmt,  Wunder  der  Tapfer- 
keit, die  die  Dame  vom  Turm 
aus  mit  Bewunderung  verfolgt: 

(3235)  „Onques  ne  fist  de  Du- 
randart 
Rolanz  des  Turs  si  grant  essart 
An    Roncevaus     ne    an    Es- 
paingne". 


Ö6 


WALTER    GREINER, 


Aliers  Leute  werden  zuiück- 
gescblageu,  dieser  selbst,  der 
sich  zur  Flucht  wendet,  wird 
in  der  Nähe  seines  Herren- 
hauses (recet  3277)  gefangen 
genommen. 

Er  mufs  versprechen,  sich 
in  die  Gefangenschaft  der 
„dame  de  Noroison"  (3287)  zu 
begeben,  dann  führt  ihn  Ivain 
der  Schlofsherrin  zu. 


Der  Graf  verpflichtet  sich, 
von  weiteren  Angriffen  auf 
das  Land  abzustehen,  zudem 
den  an  ihrem  Eigentum  Ge- 
schädigten vollen  Ersatz  zu- 
kommen zu  lassen.  Damit  gibt 
sich  denn  Ivain  zufrieden  und 
bricht  auf. 


Die  Herrin  ist  über  sein 
plötzliches  Scheiden  sehr  er- 
zürnt, hat  sie  doch  den  treff- 
lichen Helden  sich  zum  Gemahl 
ersehen;  ihre  bewundernde 
Zuneigung  wandelt  sich  in 
Hafs,  als  sich  Ivain  durch 
nichts  von  seinem  Entschlüsse 
abbringen  läfst.  Er  reitet  als- 
bald fort. 

In  einem  Walde  wird  Ivain 
durch  ein  lautes  Schmerzens- 
geschrei  aus  seinen  Gedanken 
aufgeschreckt. 


Der  Gegner  wird  von  Owein 
alsbald  aus  dem  Sattel  gehoben, 
dann  als  Besiegter  zum  Schlofs 
gebracht: 

„En  depit  de  toutes  les 
difficultes,  il  arriva  avec  le 
comte  au  portail,  aupres  des 
ecuyers"  (37,  19). 

Owein  übergibt  seinen  Ge- 
fangenen der  Herrin  mit  den 
Worten: 

„Tiens,  voici,  l'equivalent 
de  ton  onguent  beni"  (37,  22). 

Nachdem  dieser  noch  reich- 
liche  Bufse  versprochen   hat: 

„Pour  avoir  la  vie  sauve, 
le  comte  rendit  ä  la  dame  ses 
deux  comtes;  pour  avoir  la 
liberte,  il  lui  donua  la  moitie 
de  ses  domaines  ä  lui,  et  tont 
son  or,  son  argeut,  ses  joyaux 
et  des  otages  en  outre  ainsi 
que  tous  ses  vassaux"(37,24f.). 

Dann  scheidet  Owein  vom 
Hofe  der  Dame. 

Diese  bittet  ihn,  zu  bleiben 
und  bietet  ihm  Hand  und 
Herrschaft  an  —  alles  ist  ver- 
geblich. Owein  reitet  fort.  Der 
Ausdruck  ist  wieder  der  schon 
mehrfach  angeführte: 

(Owein) ...  „se  dirigea  vers 
les  extremites  du  monde  et  la 
solitude"  (37.  30). 

Owein  hört  einen  Schrei,  der 
sich  noch  zweimal  wiederiiolt: 

...  „il  entendit  un  cri  de 
douleur  dans  un  bois,  pnis  un 


OWEIN 


IVAIN. 


97 


In  einer  Schlucht  | 

(3342)  . . .  „une  parfonde  gau-  : 

dine" 
findet   er  einen  gar  seltenen 
Kampf:    eine  Schlange   ringt 
mit  einem  Löwen: 
(3348)    „Vit    un    lion    an   un 

essart 
Et  un  serpant,  qui  le  tenoit 
Par  la  coe  et  si  li  ardoit 
Trestoz    les    rains    de    flame 
ardant". 
Nach     kurzem     Überlegen, 
wem   er  helfen  solle,  dem  be- 
drängten   Löwen     oder    der 
feuerspeienden  Schlange,  zieht 
er    sein    Schwert    und    geht 
dem  Reptil  zu  Leibe,  das  er 
bald  völlig  zerstückelt;  leider 
büfst    der    Löwe    ein    Stück 
seines  Schweifes  ein. 

Nun  erwartet  Ivain  den 
Angriff  des  Löwen,  dem  er 
doch  neuen  Schmerz  bereitet 
hat,  aber  es  geschieht  ein 
Wunder: 

(3392)  „Oez,  que  fist  li  lions 

donques!" 

Der  Löwe  kommt  auf  Ivain 

Zeitschrift  1.  celt.  Philologie  Xu.  1. 


second.    puis    un    troisieme" 
(38,  2).' 

Der  Ursache  nachgehend 
findet  er 

„une  eminence  rocailleuse 
au  milieu  du  bois,  (also  wieder 
eine  clairiere,  ein  tertre,  wie 
später  zu  erörtern  sein  wird) 
et  un  rocher  grisätre  sur  le 
penchant  de  la  colline"  (38, 4). 

In  einer  Felsspalte  „dans 
une  fente  du  rocher"  liegt 
eine  Schlange  mit  einem  Löwen 
im  Kampfe. 

Hervorgehoben  sei  hier  noch, 
dafs  M.  die  Farbe  des  Löwen 
als  schwarz  angibt  (un  lion 
tout  noir  38,  8). 

„Chaque  fois  que  le  lion 
essayait  de  s'echapper,  le  ser- 
pent  s'elangait  sur  lui  et  le 
mordait"  (38,  8). 

Owein   schlägt  mit  furcht- 
barem Hieb  die  Schlange  mit- 
ten entzwei,  dann  reinigt  er 
l  sein  Schwert. 


98 


WALTER   GREINER, 


ZU,  dem  er  sich  unter  Tränen 
der  Rührung  ergibt: 
(3400)  . . .  „tote  sa  face  moilloit 
De  lermes  par  humilite" 

Ivain  trocknet  sein  Scliwert 
und  zieht  weiter. 

Der  Löwe  begleitet  ihn 
ständig  und  sorgt  durch  Er- 
jagen von  Wild  für  Lebens- 
unterhalt. So  führen  beide  ein 
gemeinsames  Leben,  der  Löwe 
erhält  von  Ivain  seine  Nahrung 
und  bewacht  Ritter  und  Rofs 
zur  Nachtzeit. 

So  ziehen  sie  umher  und 
kommen  eines  Tages  durch 
Zufall  an  die  Gewitterquelle, 
(3490)  „Tant  qu'avanture  a  la 

fontainne 
Dessoz  le  pin  les  amena", 
die  natürlich  in  Ivain  all  den 
Jammer  über  sein  Geschick 
Wiederaufleben  läfst;  er  zieht 
sich,  als  er  vor  Schmerz  zu- 
sammenbricht, durch  einen  un- 
glücklichen Zufall  eine  "Wunde 
mit  seinem  Schwerte  zu. 

Der  treue  Löwe  mag  nach 
diesem  vermeintlichen  Selbst- 
mord seines  Herrn  nicht  weiter- 
leben, sein  alsbald  unternom- 
mener Versuch,  auch  sein 
Leben  zu  enden,  wird  noch 
im  letzten  Augenblicke  durch 
Ivains  Erwachen  aus  der  Ohn- 
macht vereitelt.  Ivain  bricht 
nun  in  verzweifelte  Klagen 
aus  über  sein  verpfuschtes 
Leben  (—3562). 


Beim  Weiterziehen  sieht  er, 
wie  der  Löwe  nicht  von  seiner 
Seite  weicht: 

...  ,,il  vit  le  lion  le  suivre 
et  jouer  autour  de  lui  comme 
un  levrier  qu'il  aurait  eleve 
lui-meme"  (38,  14). 

Owein  läfst  den  Löwen  an 
der  herbeigeschafften  Nahrung 
teilnehmen,  sodals  sich  zwi- 
schen beiden  ein  förmlicher 
Vertrag  herausbildet. 


OWEIN  —  IVAIN. 


99 


Von  der  nahen  Kapelle  aus, 
die  ja  schon  bei  der  früheren 
Beschreibung  der  Quelle  er- 
wähnt wurde  (v.393, 4),  hat 
eine  arme  Gefangene  Ivains 
Klagen  mit  angehört  und  ruft 
ihn  nun  an: 

(3573)  „Je  sui",  fet  ele,  „une 
cheitive, 
La  plus  dolante  riens  qui  vive". 
Sie  klagen  nun  beide  um 
die  Wette;  jeder  nimmt  das 
gröfsere  Leid  für  sich  in  An- 
spruch. Das  Fräulein  berichtet 
von  ihrem  traurigen  Los: 
(3595)  . . .  „demain  serai  ceanz 

prise 
Et  livree  a  mortel  juise". 

Noch  immer  setzt  Chrestien 
das  Kunstmittel  des  Streites 
der  beiden  um  das  traurigste 
Geschick  fort  und  läfst  so 
die  Gefangene  ihre  ganze  Lei- 
densgeschichte nach  und  nach 
aufrollen.  Der  Grund  ihrer 
Einkerkerung  sei,  dafs  man 
sie  des  Verrates  bezichtigt 
habe.  Die  Hoffnung,  die  ihr 
der  Ritter  bezüglich  ihrer 
möglichen    Befreiung    macht, 


Die  Weiterführung  der  Er- 
zählung des  Kymren  wird  nun 
mit  einer  überaus  bezeichnen- 
den Stelle  eingeleitet: 

„Pendant  qu'il  etait  ainsi 
occupe,  il  entendit  un  grand 
gemissement,  puis  un  second, 
puis  un  troisieme,  tout  pres 
de  lui"  (39, 1). 

Auf  Oweins  Fragen  gibt 
sich  die  —  eine  nähere  An- 
gabe über  den  Ort  ihrer  Ein- 
schliefsung  fehlt  völlig  —  Ge- 
fangene alsbald  zu  erkennen: 

„Je  suis  Lunet,  la  suivante 
de  la  dame  de  la  Fontaine" 
(39,  5). 


100 


WALTER   GREINER. 


weist    sie   zurück: 
Menschen    gibt    es, 
helfen  können: 
(3625)   „Li  uns 


nur   zwei 
die    ihr 


est  mes  sire 
Gauvains, 
Li  autre  est  mes  sire  Ivains", 
und  gerade  um  diesen  letz- 
teren dulde  sie  eigentlich  so 
Schweres.  Da  gibt  sich  denn 
Ivain  zu  erkennen  und  ver- 
mutet mit  Recht  in  der  Ge- 
fangenen die  hilfreiche  Lunete. 
Sie  erzählt  nun  ihr  Schicksal 
seit  Ivains  Fortzug: 

Sein  Wortbruch  hatte  die 
Herrin  in  argen  Zorn  und 
glühenden  Hals  versetzt. 


Der  Seneschall,  der  ihr  schon 
längst  die  Vertrauensstellung 
bei  der  Herrin  nicht  gönnte, 
erreichte  durch  Intriguen  leicht 
ihre  Gefangennahme.  Findet 
sie  innerhalb  der  gestellten 
Frist  keinen  Verteidiger,  so 
soll  sie  den  Tod  erleiden. 


Schuld  an  allem  trage  nur 
der  Ritter,  der  vom  Artushofe 
her  gekommen  sei,  ihre  Herrin 
geheiratet  und  dann  treulos 
verlassen  habe.  Ihrem  An- 
denken ist  er  noch  heute  teuer: 

„C'etait  pour  moi  un  ami, 
celui  que  j'aimais  le  plus  au 
monde"  (39, 11). 

Als  sie  den  Ritter  eines 
Tages  gegen  die  Verleumdun- 
gen zweier  Kammerdiener  ver- 
teidigt habe,  sei  sie  der  Frei- 
heit beraubt  worden.  Wenn 
nicht  der  Ritter,  der  alles 
verschuldet  habe,  am  fest- 
gesetzten Tage  selbst  zu  ihrer 
Verteidigung  erscheine,  sei  ihr 
Leben  verwirkt.  Ihre  Hoffnung 
ist  gering,  da  sie  niemand  hat, 
Owein  zu  suchen.  Aber  ihr 
Vertrauen  auf  ihn  ist  uner- 
schütterlich: 

„Es-tu  süre  que  si  ce  Cheva- 
lier le  savait.  il  viendrait  te 


OWEIN 


IVAIN. 


101 


All  ihr  Suchen  ist  bisher 
vergeblich  gewesen,  auch  am 
Artushofe  habe  man  ihr  nicht 
helfen  können,  da  Gauvain 
nach  der  entführten  Königin 
fahnde. 

Unter  der  Bedingung,  dafs 
er  unerkannt  bleibt,  sichert 
ihr  Ivain  seinen  Beistand  zu, 
und  die  Zofe  entlälst  ihn  mit 
herzlichen  Wünschen  für  das 
Gelingen  des  Rettungswerkes. 


defendre?  —   „J'en  suis  süre 
par  moi  et  Dieu"  (39,  21). 


Tvain  bricht  nun  mit  dem 
Lö\v«Mi  auf  und  gelangt  zu 
einem  befestigten  Haus.    Die 


Owein  teilt  sein  Mahl  mit 
der  Zofe,  und  sie  plaudern 
bis  zum  Morgen.  Auf  seine 
Frage  hin  weist  ihm  das 
Mädchen  den  Weg  nach  einem 
Quartier.  Die  Beschreibung 
des  Weges,  der  wieder  von 
der  Quelle  ausgeht,  sei  hier, 
der  Ähnlichkeit  mit  den  ent- 
sprechenden Stellen  in  Kynons 
und  Oweins  Quellenfahrt  we- 
gen, angeführt: 

...  „va  lä,  ä  la  traverse, 
suis  le  chemin  le  long  de  la 
riviere,  et,  au  bout  de  peu  de 
temps,  tu  verras  un  grand 
chäteau  surmonte  de  nom- 
breuses  tours.  Le  comte  ä 
qui  appartient  le  chäteau  est 
le  meilleur  homme  du  monde 
pour  ce  qui  est  du  manger" 
(40,1  f.). 

Während  der  Nacht  hat  der 
Löwe  treulich  Wacht  gehalten: 

„Jamais  guetteur  ne  veilla 
aussi  bien  son  seigneur  que 
ne  fit  le  Hon  pour  Owein,  cette 
nuit-lä"  (40,  7). 

Der  Weisung  des  Mädchens 
folgend,  gelangt  Owein  zum 
Schlofs. 


102 


WALTER   GKEINER, 


Knappen,  die  ihm  zum  Empfang 
entgegeneilen,  weichen  ent- 
setzt vor  dem  Löwen  zurück. 
Ihr  Verlangen,  der  Ritter 
möge  doch  das  Tier  draufsen 
lassen,  schlägt  Ivain  mit  der 
Zusicherung  völliger  Harm- 
losigkeit des  Löwen  ab.  Die 
Begriifsung  seitens  derSchlofs- 
bewolmer  ist  überaus  herzlich, 
und  für  einige  Zeit  herrscht 
eitel  Jubel  und  Freude. 


Doch  bald  tritt  der  Aus- 
druck schweren  Kummers  an 
die  Stelle  des  Jubels;  die 
Furcht  vor  einem  unmittelbar 
bevorstehenden  Schrecknis 
bannt  schnell  alle  Fröhlichkeit: 
(3826) ...  „d'une  avanture  s'e.s- 
maient, 
Qu'il  atandent  a  l'andemain". 


Der  Löwe  folgt  ihm  zahm, 
doch  erweckt  er  überall  Furcht: 

„Le  lion  alla  se  coucher  ä 
l'ecurie  du  cheval;  aussi  per- 
sonne de  la  cour  n'osa  ap- 
procher  de   celui-ci"   (40,  U). 

Owein  wird  sehr  gut  auf- 
genommen: 

„On  soigna  parfaitement  son 
cheval,  et  on  mit  de  la  nourri- 
j  ture  an  abondance  devant  lui" 
I  (40,  12). 

I  Bei  der  Beschreibung  des 
I  Mahles  fehlen  nicht  die  ty- 
I  pischen  Worte: 

„Nulle  part,  assurement, 
Owein  n'avait  vu  un  service 
aussi  bien  fait  que  la  (40, 16). 
Unsägliche  Traurigkeit  la- 
gert aber  auf  allen  Gesichtern: 
„Mais  chacun  des  habitants 
etait  aussi  triste  que  la  mort" 
(40,  17). 

Am  Mahle  nimmt  derSchlofs- 
herr  nebst  seiner  schönen 
Tochter  teil: 

„Jamals  Owein  n'avait  vu 
une  personne  plus  accomplie 
qu'elle"  (40,  20). 

Der  Löwe  legt  sich  während 
des  Mahles  zu  Oweins  Füfsen 
und  bekommt  ebenfalls  seinen 
Anteil. 

Das  einzig  Störende  ist  die 
Leichenbittermiene  der  Tisch- 
genossen: 


OWEIN  —  IVAIN. 


m 


Ivain  erhält  auf  seine  teil- 
nehmende Frage  nach  dem 
Grunde  der  Bestürzung  als- 
bald den  folgenden  Bescheid: 

Die  schwere  Bedrängnis 
rührt  her  von  einem  Riesen, 
Harpin  de  la  Montaingne,  der 
des  Schlolsherrn  schöne  Toch- 
ter begehrt  und  diesem  als 
Rache  für  deren  Verweigerung 
ständig  schweren  Schaden  zu- 
fügt. Auch  die  sechs  Söhne 
des  Schlolsherrn j  die  in  der 
Blüte  ihrer  Jugend  stehen  — 
(3863)  ...  „  sis  fiz  Chevaliers 

avoie, 
Plus  biaus  el  monde  ne  savoie" 
—  hat  er  geraubt;  zwei  haben 
schon  den  Tod  von  ihm  emp- 
fangen, und  die  übrigen  werden 
morgen  ihr  Leben  lassen  müs- 
sen, wenn  nicht  ein  Vertei- 
diger sich  findet  oder  wenh 
nicht  ihre  Freiheit  mit  der 
Preisgabe  der  Tochter  erkauft 
wird.  Keinen  Tag  sind  sie  bis- 
her vor  dem  Wüten  des  Riesen 
(jaianz  3856)  sicher  gewesen. 


„Le  seul  defaut  qu'Owein 
trouva  lä,  ce  fut  la  tristesse 
des  habitants"  (40,  24). 

Auch  hier  schweigt  man 
wieder"  bis  zur  Mitte  des 
Mahles,  wie  schon  an  den 
früheren  Stellen  (8,  18  und 
17,  7): 

„Au  milieu  du  repas,  le 
comte  souliaita  la  bienvenue 
ä  Owein"  (40,  25). 

Owein  fordert  zum  Froh- 
sinn auf: 

„II  est  temps  pour  toi" 
dit  Owein,  „d'etre  joyeux" 
(40, 26)  und  erhält  sogleich 
einen  Bericht  über  die  Ursache 
des  Schreckens: 

Ein  Ungeheuer 

[.  .  .  „un  monstre,  qui  tue 
les  hommes  et  les  mange". . . 
(41,  2). 

„II  a  figure  d'un  homme, 
mais  pour  la  taille,  c'est  un 
geant"  (41,  6).] 

aus  dem  Gebirge  habe  seine 
beiden  Söhne  auf  der  Jagd 
geraubt  und  drohe  mit  deren 
Ermordung  vor  den  Augen  des 
Vaters,  wenn  nicht  ihm  die 
Tochter  ausgeliefert  werde. 

Owein  hat  auf  alles  dies 
nur  wieder  (man  vergleiche 
die  Erwiderung  auf  die  Schil- 
derung von  der  Notlage  der 
verwitweten  Gräfin  35, 23)  die 
Antwort: 

„C'est.  as.sur6ment.  triste". 
(41,  7). 


104 


WALTER    GREINER. 


Auf  Ivains  Vorwürfe,  warum 
er    sich    denn    nicht    an   des 
Königs    Artus    Hof    gewandt 
habe,  erwidert  der  Schlofsherr, 
dal's  ja  niemand  wisse,  wo  der 
treffliche  Gauvain  sei,  der  den 
Entführer  der  Königin  suche. 
Ivain,  der  ja,  wie  wir  wissen, 
am   gleichen  Tage  noch  eine 
grolse  Waffen  tat  vorhat,  ver- 
spricht Hilfe   zu  leisten  und 
hält  sein  Wort  auch  der  Mutter 
(einerSch  westerGauvains  3983) 
und    der  Tochter   gegenüber. 
Zur  Charakteristik  seines  — 
schon  mehrfach  angedeuteten 
—  ritterlichen  Sinnes  dienen 
die  Verse  3978  f.,  in  denen  er 
den  Dank  der  Unglücklichen 
ablehnt.  Da  kehrt  denn  wieder 
Hoffnung     und    Freude     ins 
Schlofs  ein;  es  folgt  die  Nacht- 
ruhe.    Bezeichnend    für    den 
höfischen  Dichter  ist  der  Ex- 
kurs 40001,  in   dem  erörtert 
wird,  dafs  Ivain   doch  nichts 
Unmögliches  versprochen  hat, 


Auf  die  Frage,  wofür  er 
sich  denn  nun  entscheiden 
wolle,  entgegnet  der  Schlofs- 
herr, dafs  er  lieber  die  Söhne 
opfere  als  die  Tochter  ge- 
schändet sehe: 

„Je  trouve,  en  verite,  plus 
digne  de  lui  laisser  detruire 
mes  fils  qu'il  a  eus  malgre 
moi,  que  de  lui  livrer,  de  ma 
main,  ma  fiUe  pour  la  souiller 
et  la  tuer'^  (41,  9). 


Etwas  unvermittelt  —  da 
doch  Owein  noch  gar  nicht 
sich  zur  Hilfeleistung  ver- 
pflichtet hat  —  kommen  mir 
die  Worte  vor: 

„Et  ils  s'entretinrent  d'autres 
sujets"  (41,  12). 

Owein  bleibt  die  Nacht  im 
Schlofs. 


OWEIN  —  IVAIN. 


105 


wie  es  zunächst  scheinen  mag. 
Denn  wenn  der  Riese  früh  am 
Morgen  kommt,  bleibt  dem 
Helden  noch  Zeit  genug,  die 
Rettung  der  Lunete  auszu- 
führen. 

Am  anderen  Morgen  warten 
sie  lange  vergeblich  auf  das 
Erscheinen  des  Riesen;  als  die 
Zeit  der  Messe  und  des  Kirchen- 
gebetes vorbei  ist,  teilt  Ivain 
den  Schlofsbewohnern  seinen 
unerschütterlichen  EntschluTs 
zum  Weiterzug  mit;  eine  ernste 
Pflicht  rufe  ihn  weg.  Diese 
Nachricht  weckt  natürlich  bei 
allen  neue  Bestürzung,  wieder 
dringen  sie  in  ihn,  und  Ivain 
steht  in  furchtbarem  Seelen- 
kampfe unentschlossen  da,  aus 
dem  er  erst  durch  das  plötz- 
liche Erscheinen  des  Riesen 
erlöst  wird, 

Chrestien  gibt  —  bei  M.  fin- 
det sich  nichts  dergleichen  — 
eine  nähere  Beschreibung  des 
grälslichen  Zuges. 

Der  Riese  führt  die  Jüng- 
linge mit  sich,  die  er  grausam 
milshandelt: 
(4092)  . . .   „a  son  col  un  pel 

tenoit 
Grant  et  quarre,  agu  devant, 
Dont  il  les  botoit  mout  sovant". 

Diese  selbst  sitzen,  elend 
bekleidet,  auf  Schandmähren, 
und  ein  tückischer  Zwerg  fol- 
tert sie  unaufhörlich: 


Am  andern  Morgen  kündet 
schreckliches  Getöse  das  Nahen 
des  Riesen  (man  vergleiche 
wieder  den  typischen  Aus- 
druck!): 

.,Le  lendemain,  ils  enten- 
dirent  un  bruit  incroyable: 
c'etait  le  g^ant  qui  venait 
avec  les  deux  jeunes  gens" 
(41,  14). 


106 


WALTER   GREINER, 


(4106)  „N'onques  ne  les  finoit 

de  batre 

D'une  corgiee  a  quatre  neuz, 

Don   mout   cuidoit   faire   que 

preuz ; 
Si  les  batoit  si  qu'il  seignoient". 
Vor  der  Burg  angekommen, 
wiederholt    der    Riese    seine 
grausamen   Bedingungen,   die 
den    unglücklichen    Vater    in 
hellen  Grimm  und  furchtbare 
Klagen     ausbrechen     lassen. 
Ivain  bereitet  sich  zum  Kampf 
und  zieht   unter  den  Segens- 
wünschen  aller   hinaus.    Auf 
die    hohnvollen   Schmähreden 
des  Gegners  läfst  sich  Ivain 
gar  nicht  ein;  er  schlägt  dem 
Gegner     schlimme    Wunden, 
bricht  aber  selbst  unter  den 
schrecklichen    Streichen    des 
Riesen  zusammen.    Da  greift 
der  Löwe  in  den  Kampf  ein, 
um  seinem  Herrn  zu  helfen! 


Owein  bricht  mit  dem  treuen 
Löwen  zum  Streite  auf. 


Der  Löwe  beteiligt  sich  von 
Anfang  an  am  Ringen,  und 
zwar,  wie  es  heifst: 

„Le  lion  se  battait  avec  lui 
avec  plus  de  succes  qu'Owein" 
(41,  21). 

Auf  das  voller  Hohn  ge- 
äulserte  Verlangen  des  Riesen 
sperrt  Owein  den  Löwen  ins 
Schlols  ein  und  begibt  sich 
alsbald  zur  Fortsetzung  des 
Kampfes,  die  vom  treuen  Tiere, 
das  den  Verlauf  beobachten 
kann,  mit  wütendem  Gebrüll 
begleitet  wird.  Als  der  Löwe 
seinen  Herrn  in  furchtbarer 
Bedrängnis  sieht,  überspringt 
er  die  trennenden  Mauern  und 
eilt  ihm  zu  Hilfe. 


OWEIN  —  IVAIN. 


107 


Schwere  Wunden  bringt  er 
dem  Riesen  bei,  und  ein  mit 
übermenschlicher  Kraft  ge- 
führter Hieb  Ivains  lälst  ihn 
endlich  tot  zusammenbrechen. 
Durch  das  Getöse  seines  Falles 
erschreckt,  eilen  die  Burg- 
bewohner herbei,  und  eitel 
Freude  herrscht  über  den 
glücklichen  Ausgang.  Ivain 
fordert,  die  Geretteten  sollen 
sich  mit  dem  tückischen  Zwerg 
als  Beute  Gauvain  vorstellen: 
(4280)  „Car  per  neant  fet  la 

bonte, 
Qui  ne  viaut  qu'ele  soit  seüe", 
und  auf  die  Frage  nach  seinem 
Namen    nennt    er    sich    den 
„Löwenritter": 

(4291) . . .  „li  Chevaliers  au  Liou 
Vos  dis,  que  je  avoie  non". 

Nun  gibt  es  für  Ivain  keinen 
Aufenthalt  mehr;  trotz  aller 
Bitten  eilt  er  fort,  die  Zofe 
zu  retten.  Das  Anerbieten  des 
Schlolsherrn,  die  Söhne  als 
Waffengenossen  mit  sich  zu 
nehmen,  lehnt  er  ab,  allein 
mit  seinem  Löwen  macht  er 
sich  auf  den  Weg. 

Er  kommt  gerade  im  Augen- 
blicke höchster  Not  an.  Der 
Richtprozefs  ist  bereits  im 
Gange;  man  hat  die  Gefan- 
gene schon  aus  der  Kapelle 
herausgeführt,  entkleidet  und 
gefesselt,  um  sie  den  Flammen 
zu  übergeben. 

Das  Vertrauen  auf  seine  gute 


Den  mächtigen  Streichen  des 
Löwen  erliegt  der  Gegner  bald; 
er  sinkt  tot  zu  Boden. 


Nun  gibt  0  wein  dem  Schlols- 
herrn seine  Söhne  wieder. 


Owein    weist    alle    Bitten, 
I  doch  noch  zu  bleiben,  zurück 
I  und    eilt    zur   Befreiung    der 
Lunete. 


Bei  seiner  Ankunft  an  der 
Richtstätte  ist  der  Scheiter- 
haufen bereits  entzündet,  eben 
schleppt  man  das  Opfer  herbei: 

. . .  „deux  beaux  valets  bruns, 
aux  cheveux  frises,  amenaient 
la  pucelle  pour  l'y  jeter" 
(42,  7). 


lOS 


WALTER   GREINEB, 


Sache  gibt  ihm  Mut,  er  stürzt 
eilends  vorwärts  und  erhebt 
mit  lauter  Stimme  Einspruch 
gegen  die  Ungerechtigkeit.  Er 
sieht  Lunete,  die  bereits  ganz 
in  ihr  trauriges  Los  ergeben 
ist,  und  fragt  sie  nach  den 
Anklägern,  Diese  sind  Keu 
und  seine  beiden  Brüder,  auf 
deren  höhnische  Reden  hin 
Ivain  die  Verteidigung  der 
Zofe  alsbald  übernimmt.  Der 
von  Keu  gestellten  Bedingung, 
der  Löwe  dürfe  nicht  am 
Kampfe  teilnehmen,  unterwirft 
sich  Ivain  sogleich. 


In  sinnloser  Wut  stürmen 
die  drei  Gegner  auf  Ivain  los, 
in  blindem  Eifer  zersplittern 
sie  ihre  Lanzen.  Dem  beson- 
neneren Ivain  gelingt  es,  den 
Seneschall  durch  einen  mäch- 
tigen Stols  mit  der  Lanze  zu 
Boden  zu  werfen,  wo  er  re- 
gungslos liegen  bleibt.  Noch 
immer  hat  sich  Ivain  der 
wütenden  Streiche  der  beiden 
anderen  Gegner  zu  erwehren, 
und  als  dann  noch  derSeneschall, 
der  sich  von  seiner  Betäubung 
erholt    hat,    wieder    in    den 


Auf  die  Frage  Ivains  berufen 
sie  sich  auf  den  bestehenden 
Vertrag;  die  Frist  sei  abge- 
laufen und  der  Retter  Owein 
nicht  erschienen.  Oweins  An- 
trag, für  den  Fehlenden  ein- 
treten zu  dürfen,  wird  an- 
genommen. 

So  beginnt  denn  der  Kampf; 
Owein  hat  schweren  Stand 
gegen  die  beiden  Gegner,  so 
dafs  der  Löwe  wieder  ein- 
greift. Auf  ihr  Verlangen 
sperrt  er  das  Tier  in  die 
Kapelle  ein,  deren  Ausgang 
er  mit  Steinen  verrammelt. 


IVAIN  —  OWEIN. 


109 


Kampf  eingreift,  scheint  der 
Retter  zum  grolsen  Schmerz 
der  Umstehenden  verloren. 


Da  verläfst  der  Löwe  sein 
Gefängnis  und  stürzt  sich  zu- 
nächst auf  Keu,  der  bald  mit 
tödlichen  Wunden  am  Boden 
liegt.  Der  treue  Löwe,  dem  die 
beiden  Überlebenden  schwere 
Wunden  zufügen,  wird  wieder 
von  Ivain  unterstützt,  und  die 
Gegner  eigeben  sich. 

[Auf  einen  Parallelismus 
möchte  ich  aber  an  dieser 
Stelle  doch  noch  aufmerksam 
machen.  Es  handelt  sich  um  die 
Beschreibung  der  Wunden,  die 
der  Löwe  schlägt.  Die  ent- 
sprechende Stelle  bei  M.  ist 
dem  unmittelbar  vorhergehen- 
den Kampfe  mit  dem  Riesen 
entnommen : 

(Der  Löwe) 
(4526)  „Fet  del  hauberc  volar 
les  mailies, 
Et  contre  val  si  fort  le  sache, 
Que  de  l'espaule  li  esrache 
Le  tandron  atot  le  coste. 
Quanqu'il  ataint  l'an  a  oste 
Si  que  les  antrailles  li  perent".] 

Nicht  nur  der  wackre  Strei- 
ter selbst,  auch  der  Löwe  hat 
schwere  Wunden  erlitten,  aber 
Lunete  ist  frei: 
(4576)  „Ore  est  Lunete  bau- 
de  et  liee, 
Quant  a  sa  dame  est  acordee. 


Owein  gerät  trotz  tapfer- 
sten Wehrens  durch  die  Über- 
macht der  Gegner  in  arge 
Bedrängnis,  sodafs  der  den 
Kampf  wiederum  beobachtende 
Löwe  seinen  Kerker  abermals 
sprengt,  um  Hilfe  zu  leisten. 
In  kurzer  Zeit  liegen  die 
Gegner  von  des  Löwen 
Streichen  niedergestreckt,  am 
Boden. 


(Le  lion)  „donna,  sur  l'epaule 
du  grand  homme,  un  tel  coup 
de  griffe,  qu'il  le  dechira  jusqu'ä 
la  jointure  des  deux  hanches, 
et  qu'on  voyait  les  entrailles 
lui  sortir  du  corps"  (41,  30  f.). 


M.  leitet  hier  den  Abschluls 
des  Abenteuers  ein: 


110 


WALTER   GREINER, 


Si  ont  tel  joie  demenee. 
Que    nule    janz   si   grant   ne 
firent". 
Die   beiden  Gegner   Ivains 
werden   zum   Feuertode   ver- 
urteilt, „und  das  mit  Recht!" 
sagt  Chrestien: 
(4572)  „Car  ce  est  reisons  de 

justise, 
Que  eil,  qui  autrui  juge  a  tort, 
Doit  de  cele  meisme  mort 
Morir  que  il  li  a  jugiee". 


C'est  ainsi  qu'ils  sauv^rent 
Lunet  du  feu"  (43,  2). 


Bei  M.  schliefst  hier  die 
eigentliche  Handlung,  und  die 
\  folgenden  Zeilen  sind  ganz  — 
ihrer  Form  und  ihrem  Inhalt 
nach  —  auf  den  Ton  gestimmt, 
in  den  die  meisten  unserer 
Volksmärchen  ausklingen: 

„Owein  et  Lunet  allerent 
ensemble  aux  domaines  de  la 
Dame  de  la  Fontaine;  et  quand 
Owein  en  sortit,  il  emmena 
la  dame  avec  lui  ä  la  cour 
d' Arthur,  et  eile  resta  sa 
femme  tant  qu'elle  vecut"(43,3). 

Auf  das  Schicksal  der  — 
nun  doch  verwaisten  —  Quelle 
wird  mit  keinem  Worte  Bezug 
genommen.  Dieser  Umstand 
wird  für  die  Beweisführung 
mit  heranzuziehen  sein. 

Mit  diesem  Abenteuer,  nach 
dem  also  Owein  die  Versöh- 
nung mit  seiner  Dame  erlangt, 
schliefst  die  eigentliche  Hand- 
lung der  kymrischen  Erzäh- 
lung. Die  noch  folgende  — 
dem    Chrestienschen    „Pesme 


IVAIN  —  OWEIN. 


111 


Avanture"  entsprechende  — 
Schilderung  von  Abenteuern 
ist  durch  die  oben  angeführten 
Schlufsworte  deutlich  als  Epi- 
sode gekennzeichnet.  Von  ihr 
und  über  Vor-  und  Nachteile 
einer  jeden  der  beiden  Fassun- 
gen wird  an  späterer  Stelle 
zu  handeln  sein. 


Eitel  Jubel  und  Freude 
herrscht  nun  über  das  Gelin- 
gen des  Rettungswerkes,  wieder 
wird  der  gefeierte  Held  zum 
Verweilen  eingeladen.  Alles 
lehnt  er  ab;  er  kennt  nur  das 
eine  Ziel:  Die  Versöhnung 
mit  Laudine. 

Um  nun  die  weitere  Aus- 
spinnung  der  Handlung  zu 
rechtfertigen,  greift  Chrestien 
zu  einem  Kunstmittel.  Laudine 
selbst,  die  den  Retter  der 
Zofe,  der  sich  „der  Löwen- 
ritter" nennt,  nicht  erkennt, 
bittet  ihn,  zu  bleiben.  Seine 
Strafe  sei  doch  nun  verbüfst, 
meint  sie.  Aber  alles  ist  ver- 
gebens, und  so  lälst  sie  denn 
Ivain  weiterziehen,  der  ihr  im 
Augenblick  des  Scheidens  noch 
eine  ziemlich  deutliche  An- 
spielung auf  beider  Verhältnis 
zuruft: 
(4632)  „Dame,  vos  an  portez 

la  clef, 
Et  la  serre  et  l'escrin  avez, 
Ou  ma  joie  est,  se  nel  savez". 

In  gi'ofser  Besorgnis  scheidet 
Ivain  vom  Hofe;   Lunete.  die 


112 


WALTER    GREINER, 


ihn  ja  allein  kennt,  muXs 
Schweigen  geloben.  Grolse 
Sorge  bereiten  Ivain  die  Wun- 
den des  Löwen,  die  das  wackere 
Tier  so  geschwächt  haben,  dals 
er  es  —  weich  gebettet  auf 
seinem  Schild  —  tragen  muXs. 

Das  nun  folgende  Abenteuer, 
das  die  Entscheidung  des  Erb- 
streits der  beiden  Schwestern 
(der  Töchter  des  Herrn  de  la 
Noire  Espine)  zum  Gegenstand 
und  den  schon  oben  der  kym- 
rischen  Fassung  gegenüber- 
gestellten —  Zweikampf  Ivains 
mit  Gauvain  zum  dramatischen 
Höhepunkt  hat,  ist  nun  aus- 
schlielsliches  Eigentum  des 
Romans.  Ihm  entspricht  im 
Mabinogi  rein  nichts.  Die 
Handlung  sei  in  den  folgenden 
Zeilen  in  grolsen  Zügen  um- 
rissen. Bemerkt  sei  noch,  dals 
in  den  Rahmen  dieses  Aben- 
teuers Chrestien  die  schon 
oben  erwähnte  —  vom  Kymren 
als  völlig  losgelöste  Episode 
behandelte  —  Geschichte  vom 
„Chastel  de  Pesme  Avanture" 
eingefügt  hat. 

Voraus  geht  Ivains  Unter- 
kunft in  dem  Schlosse  eines 
gastfreien  Ritters,  wo  seinen 
und  des  Löwen  Wunden  die 
sorgsamste  Pflege  zuteil  wird. 

Dann  (4703  f.)  beginnt  die 
Schilderung  des  eigentlichen 
Abenteuers,  die  sich  über  400 
Verse  erstreckt. 


OWEIN 


IVAIN. 


118 


Nach  dem  Tode  des  „Herrn 
vom  Schwarzen  Dorn"  ist  ein 
wilder  Streit  um  Nachfolge 
und  Erbe  zwischen  den  beiden 
Töchtern  entbrannt.  Die  ältere 
sucht  am  Königshofe  Schutz 
und  Beistand  und  findet  Gau- 
vain,  der  inzwischen  zurück- 
gekehrt ist,  als  Streiter  für 
ihre  Sache,  die  andere  macht 
sich  auf  die  Suche  nach  dem 
„Löwenritter",  dessen  Ruhm 
die  ganze  Welt  erfülle  und 
den  zu  finden  ihr  nach  vielen 
Mühen  endlich  auch  mit  Hilfe 
der  Lunete  gelingt. 

Auf  dem  Wege  —  Ivain  ist 
alsbald  zur  Hilfeleistung  be- 
reit —  gelangen  sie  an  das 
grausige  Schlofs,  das  „Chas- 
tel  de  Pesme  Avanture". 

Ein  sonderbarer  Empfang 
wird  ihnen  hier  zuteil:  alle 
Leute,  denen  sie  begegnen, 
warnen  ängstlich  vor  dem  Be- 
treten des  Schlosses,  besonders 
eindringlich  sind  die  Mahn- 
worte einer  alten  Dame,  die 
ihm  von  der  schlimmen  „co- 
stume"  berichtet.  Doch  alle 
Warnungen  sind  vergeblich; 
Ivain  und  der  Löwe  folgen 
dem  Pförtner  ins  Schlofs. 

Ivain  gelangt  in  einen  wei- 
ten Saal,^  die  Arbeitsstätte 
der  Seidenweberinnen,  die  — 
nahezu  dreihundert  an  der 
Zahl  (5194)  —  mit  kostbarer 
Arbeit  beschäftigt  sind. 

Zeitschrift  f.  celt.  PLüologie  XII,  1. 


M.  leitet  seinen  Bericht  mit 
einer  kurzen  Zusammenfassung 
des  Ganzen  ein: 

„Alors  il  (Owein)  prit  le 
chemin  de  la  cour  de  Du 
Traws  (le  Noir  Oppresseur), 
et  se  battit  avec  lui.  Le  lion 
ne  quitta  pas  Owein  avant 
qu'il  ne  l'eüt  vaincu"  (43,  8). 


Im  Saale  des  Schlosses  sieht 
Owein  24  Frauen  von  be- 
rückender Schönheit: 

„vingt-quatre  femmes,  les 
plus  accomplies  qu'il  eüt  jamais 
vues"  (43,  12). 


114 


WALTER   GREINER. 


In   ihrem   Äufseren   bieten 
sie  den  Anblick  ärgster  Dürf- 
tigkeit: 
(5199)   . . .   „desliees   et    des- 

Qaintes 
An  i  ot  de  povrete  maintes, 
Et  as  memeles  et  as  cotes 
Estoient  lor  cotes  derotes 
Et  les  chemises  as  cos  sales". 

Hunger  und  Not  stehen  auf 
ihren  Gesichtern  geschrieben, 
und  der  Anblick  Ivains  lälst 
sie  alsbald  in  Tränen  und 
Klagen  ausbrechen. 

Der  Pförtner  schilt  und 
bedroht  Ivain' heftig;  da  er 
ablehnt,  auf  des  Ritters  Frage 
hin  nähere  Auskunft  über  das 
Schicksal  der  Mädchen  zu 
geben,  sucht  Ivain  selbst  sich 
Klarheit  zu  verschaffen.  Er 
wendet  sich  an  die  Arbeite- 
rinnen selbst  und  erhält  fol- 
genden Bescheid: 

(5256  f.)  Vor  langen  Jahren 
sei  einmal  der  König  der  Jung- 
fraueninsel   auf    einer    For-  i 
schungsreise  auch  zu  diesem  i 
Schlofs  gekommen.  Den  Kampf  i 
mit   den   das  Schlofs  bewoh-  i 
nenden  Teufelssöhnen  — 
(5271)  . . .  „deus  fiz  de  deable, 
Si  nel  tenez  vos  mie  a  fable!" 
fürchtend,    erklärt    sich    der 
tölpelhafte    König    zu    jedem 
Tribut  bereit.  Man  einigt  sich 
nun   auf  dreilsig  Jungfrauen 
während    jedes    Jahres    der 
Lebensdauer  der  beiden  Un- 


Aber  ihr  Aussehen  ist  über- 
aus ärmlich  und  spricht  von 
bitterer  Not: 

„Elles  n'avaient  pas,  sur 
elles  toutes,  pour  vingt-quatre 
sous  d'argent,  et  elles  etaient 
aussi  tristes  que  la  mort" 
(43,  13). 


Auf  seine  Frage  nach  dem 
Grund  ihres  Schmerzes  be- 
richten sie  ihm: 

Sie  sind  mit  ihren  Männern 
einst  hierhergekommen  und 
freundlich  aufgenommen  wor- 
den. Dann,  während  man  sie 
in  einen  Zustand  der  Bewufst- 
losigkeit  versetzt  habe,  seien 
ihre  Gatten  getötet,  sie  selbst 
aber  all  ihrer  Habseligkeiten 
beraubt  worden.  Die  Leichen 
der  Gemordeten  aber  finden 
sich  mit  vielen  anderen  Op- 
fern zusammen  noch  im  Schlofs, 


OWEIN  —  IVAIN. 


its 


getüme.  Am  selben  Tage,  an 
dem  diese  den  Tod  erleiden, 
ist  auch  die  Stunde  ihrer  (der 
Mädchen)  Befreiung  gekom- 
men. Aber  ihre  Hoffnung  ist 
fast  geschwunden.  Die  beiden 
Ungetüme  knechten  sie  schwer, 
kläglich  ist  der  Lohn  ihrer 
Arbeit.  Und  stets  packt  sie 
neuer  Schmerz,  wenn  ein  neues 
Opfer  das  Schleis  betritt,  denn 
noch  keinem  der  zahlreichen  j 
Ritter  ist  es  geglückt,  den 
Kampf  mit  den  Ungetümen 
lebend  oder  gar  als  Sieger  zu 
überstehen. 

Alles  das  hat  sich  auf  einem 
Hof   (prael  5191,  5228)    ab- 
gespielt;  die   Burg   selbst  — 
ein  vielleicht  nicht  zu  unter- 
schätzender Zug  —  ist  voll- 
ständig menschenleer: 
(5347)  „Lors  va  tant,  qu'il  vint 
an  la  sale, 
N'i  trueve  jant  buene  ne  male". 
Hierauf    gelangt    Ivain    in 
einen  Garten,  sein  „Gefolge" — 
(5360)    „Mes    sire    Ivains    el 
vergier  antre 
Et   apres   lui    tote   sa  rote", 
womit  doch  eigentlich  nur  das 
Fräulein   und   der  Löwe   ge- 
meint sein  können  —  mit  ihm. 
Hier  bietet  sich  seinen  Augen 
ein  liebliches  Bild,   ein  Idyll 
nach  all  dem  Traurigen.    Ein 
liebreizendes    Mädchen     sitzt 
im  Garten  und  liest  den  Eltern 
vor.  Beim  Nahen  Ivains  sprin- 


und  auch  Owein,  so  fürchten 
sie,  wird  deren  Zahl  nur  ver- 
mehren. 


Owein  trifft  mit  dem  Noii' 
Oppresseur  zusammen,  der  ihn 
freundlich  begrüfst: 

„II  Vit  venir  ä  lui  un  Che- 
valier qui  l'accueillit  avec 
autant  de  courtoisie  et  d'af- 
fection  qu'un  frere:  c'etait  le 
•Noir  Oppresseur"  (44,  7). 


116 


WALTER   GREINER. 


gen  alle  auf  und  begrüfsen 
ihn  auf  das  herzlichste,  bieten 
ihm  auch,  als  der  Abend  naht, 
ein  gutes  Quartier. 

Am  andern  Morgen  —  nach 
der  Messe  (5457)  —  will  Ivain 
weiterziehen,  was  ihm  aber 
vom  Herrn  des  Schlosses  ver- 
wehrt wird.  Erst  muls  er 
sich  der  strengen  Satzung  des 
Schlosses  unterwerfen.  Er  muf s 
gegen  die  beiden  Ungetüme 
kämpfen,  denen  sich  jeder 
Besucher  des  unheimlichen 
Schlosses  entgegenzustellen 
hat.  Der  Preis  des  Siegers 
ist  die  schöne  Tochter  des 
Schlolsherrn.  Ivains  Weige- 
rung, um  diesen  Lohn  zu 
kämpfen,  versetzt  den  Ritter 
in  argen  Grimm,  er  vergiXst 
sich  so  weit,  dem  Löwenritter 
Feigheit  vorzuwerfen.  Um  diese 
Beleidigung  von  sich  abzu- 
wehren, greift  Ivain  zu  den 
Waffen  und  bereitet  sich  zum 
Kampf  gegen  die  herankom- 
menden Ungetüme  —  „Li  fil 
au  netun"  werden  sie  5513 
genannt  (über  ihre  Ableitung 
sehe  man  Settegasts  Ivain- 
studie).  Ihr  Anblick  ist  so 
schaudervoll,  dals  selbst  der 
Löwe  sich  mit  Grausen  wen- 
det (5525—5535);  er  gerät 
in  furchtbare  Erregung  und 
Kampfeswut.  Auf  Verlangen 
der  Gegner  muls  Ivain  ihn 
einsperren. 


OWEiy 


IVATN. 


117 


Dem  überaus  heftigen  und 
wilden  Anstunn  der  Böse- 
wichter vermag  Ivain  nicht 
zu  widerstehen;  furchtbar  sind 
die  Hiebe,  die  sie  mit  ihren- 
Keulen  austeilen. 

Der  Löwe,  der  von  seinem 
Gelals  aus  die  Bedrängnis 
seines  Herrn  sieht,  bricht  aus 
und  eilt  ihm  zu  Hilfe.  Der 
eine  der  Gegner  wird  getötet, 
der  andere  bittet  um  Gnade. 

Nach  diesem  glücklichen 
Ausgange  eilen  alle  Schlofs- 
bewohner  herbei,  ihre  Freude 
kundzugeben.  Die  Hand  des 
schönen  Fräuleins  muXs  Ivain 
leider  zurückweisen,  er  erbittet 
sich  dafür  die  Befreiung  der 
armen  Mädchen,  die  ihm  auch 
gern  bewilligt  wird.  Auf  eine 
nochmalige  Weigerung  Ivains 
hin,  die  Hand  der  Tochter 
zu  nehmen,  gerät  der  Schlols- 
herr,  der  sich  schwer  belei- 
digt glaubt,  in  heftigen  Zorn 
und  wird  nur  mit  Mühe  durch 
das  Versprechen  Ivains  be- 
sänftigt, er  werde  nächstens 
wiederkommen  und  um  die 
Hand  des  Fräuleins  anhalten. 

Unter  dieser  Bedingung 
darf  Ivain  endlich  weiter- 
ziehen, mit  ihm  gehen  die 
befreiten  Arbeiterinnen ,  die 
ihren  Retter  aus  Dankbarkeit 
ein  Stück  geleiten. 


Der  Begegnung  folgt  un- 
mittelbar Herausforderung  und 
Kampf. 


Owein  bleibt  Sieger,  und  der 
Ritter  ergibt  sich  und  bittet 
um  Schonung  seines  Lebens. 

Bemerkenswert  ist  der  erste 
Satz  seiner  Rede,  auf  den 
später  wieder  zu  verweisen 
sein  wird: 

„Seigneur  Owein,  il  6tait 
predit  que  tu  viendrais  ici 
pour  me  soumettre.  Tu  es 
venu  et  tu  l'as  fait"  (44,  17). 

Um  das  Leben  zu  retten, 
verspricht  er,  sein  schändliches 
Treiben  aufzugeben: 

„J'ai  ete  en  ces  lieux  un 
spoliateur,  et  ma  maison  a  ete 
une  maison  de  depouilles;  donne- 
moi  la  vie,  et  je  deviendrai 
I  hospitalier,  et  ma  maison  sera 
un  hospice  pour  faible  et  fort, 

■  tant  que  je  vivrai,  pour  le 
:  salut  de  ton  äme"  (44,  19). 

I  Am  anderen  Morgen  bricht 
!  Owein  mit  den  armen  Ge- 
'  fangenen  auf: 

;      .  • .  „il  emmena  avec  lui  les 

'.  vingt-quatre  f emmes  avec  leui*s 

chevaux,  leurs  habits,  tout  ce 

qu'elles    avaient    apporte    de 

■  biens  et  de  joyaux"  (44, 24  f.) 


118 


WALTER    aKEINER. 


Unterwegs  trennen  sie  sich; 
die  Frauen  suchen  ihre  Heimat 
auf,  und  Ivain  zieht  weiter, 
den  Erbstreit  der  Schwestern 
zu  schlichten. 


Im  Folgenden  sei  nun  der 
Abschlufs  der  Handlung  beim 
französischen  Roman  kurz 
skizziert.  Ivain  kommt  mit 
dem  Fräulein  und  der  hilfe- 
suchenden Tochter  des  „Herrn 


Er  bringt  sie  zum  Artus- 
hofe, wo  sie  gastlich  auf- 
genommen werden  und  von 
wo  aus  sie  zum  Teil  ihrer 
Heimat  zustreben.  Grofse 
Freude  herrscht  über  Oweins 
Wiedererscheinen : 

„Si  Arthur  s'etait  raontre 
joyeux  vis-ä-vis  de  lui  au- 
paravant,  apres  sa  premiere 
disparition,  il  le  fut  encore 
plus  cette  fois"  (45,  3). 

Auf  die  Schlufs Worte  des 
kyinrischen  Berichtes,  die  Spu- 
ren eines  weiteren  Abenteuers 
enthalten, 

—  „Owein  resta,  ä  partir  de 
lä,  k  la  cour  d' Arthur,  comme 
Penteulu,  tres  aime  d' Arthur, 
jusqu'ä  ce  qu'il  retourna  vers 
ses  vassaux,  c'est-ä-dire  les 
trois  Cents  epees  de  la  tribu 
de  Kynvarch  et  la  troupe  des 
corbeaux.  Partout  oü  il  allait 
avec  eux.  il  etait  vainqueur" 
(45,  8)  - 

wird  an  späterer  Stelle  zurück- 
zukommen sein. 

Damit  schliefst  der  Text 
des  Kjinren: 

„  Cette  histoire  s'appelle 
l'histoire  de  la  Dame  de  la 
Fontaine"  (45,  14). 


IVAIN  —  OWEIN. 


119 


vom  Schwarzen  Dorn"  endlich 
am  Königshofe  an;  den  Löwen 
hat  Ivain  im  letzten  Quartier 
zurückgelassen,  da  er  an  dem 
ritterlichen  Kampfe  nicht  teil- 
nehmen darf. 

So  stehen  denn  gar  bald 
die  beiden  Freunde,  die  einan- 
der nicht  erkennen,  sich  als 
grimme  Feinde  auf  dem  weiten 
Kampfplan  gegenüber:  „so 
wohnen  Liebe  und  Hafs  dicht 
nebeneinander",  sagt  Chrestien 
in  einer  längeren  Betrachtung. 

Der  Verlauf  des  Kampfes  | 
—  er  endet  unentschieden  — 
wurde  ja  schon  an  früherer 
Stelle  dem  entsprechenden 
Berichte  des  Kymren  gegen- 
übergestellt. Durch  Ausgleichs- 
versuche des  Hofes,  die  aber 
alle  an  dem  Starrsinn  der 
erbgierigen  Schwestern  schei- 
tern, zeitweilig  unterbrochen, 
setzt  sich  der  Kampf  lange 
Zeit  immer  wieder  unent- 
schieden bleibend  fort,  und 
erst  die  Erkennungsszene 
macht  ihm  ein  Ende.  Der 
Erbstreit  der  Schwester  wird 
schlielslich  durch  eine  „forma- 
listische Überrumpelung"  der 
älteren  seitens  des  Königs 
geschlichtet.  Nach  Beendigung 
des  Kampfes  findet  sich  auch 
der  Löwe  wieder  bei  seinem 
Heri-n  ein. 

Nun    strebt    die   Handlung 
mit  Macht  dem  Ende  zu.  Ivain 


120  WALTER   GBEINER, 

fafst  den  Entschluls  —  was 
er  eigentlich  nach  Lage  der 
Verhältnisse  schon  längst  hätte 
tun  können  und  sollen  —  die 
Dame  von  der  Quelle,  die  un- 
versöhnliche Laudine,  zur 
Nachgiebigkeit  zu  zwingen. 
Sein  Plan  ist  der:  er  will  zur 
Gewitterquelle  ziehen  und  von 
dort  aus  durch  unaufhörliche 
Angriffe  den  Starrsinn  der 
Herrin  beugen. 

Wieder  ist  es  Lunete,  die 
schlaue  Zofe,  die  endlich  die 
Versöhnung  in  die  Wege  leitet. 
Wieder  spielt  ihre  List,  die 
ja  von  jeher  ihr  hervortre- 
tender Charakterzug  im  Ver- 
laufe der  Handlung  war,  eine 
grolse  Rolle.  Die  letzten  Verse 
des  Romans  bringen  uns  noch 
gleichsam  ein  „Moment  der 
letzten  Spannung" :  noch  ganz 
kurz  vor  dem  Gelingen  des 
Versöhnungswerkes  scheint 
alles  wiederum  an  der  Hart- 
näckigkeit der  Herrin  zu 
scheitern,  bis  sie  endlich,  um 
das  der  Zofe  gegebene  Ver- 
sprechen nicht  zu  brechen  — 
die  ganze  Handlung  zeigt  in 
ihrer  Anlage  viel  Ähnlichkeit 
mit  den  Szenen,  die  die  Wer- 
bung Ivains  um  Laudine  schil- 
dern —  ihren  und  Ivains  Bitten 
sich  geneigt  zeigt  und  Ivain 
wieder  unter  aller  Jubel  und 
Freude  in  sein  Heim  einzieht. 


OWEIN  —  IVAIN.  121 

Zweiter  Abschnitt. 
Untersuchungen  über  den  Stilcharakter  beider  Werke. 

Es  wird  sich  auf  den  nun  folgenden  Seiten  zunächst 
lediglich  um  eine  Feststellung  von  Tatsachen  handeln,  —  um 
eine  (sit  venia  verbo!)  „Aufnahme  des  Tatbestandes"  unter 
Zugrundelegung  der  vorhergehenden  Gegenüberstellung. 

Um  einmal  in  dem  bereits  gewählten  Bilde  zu  bleiben: 
Vielgestaltig  und  gar  heftig  sind  —  wie  schon  in  der  Ein- 
leitung hervorgehoben  wurde  —  die  Vorwürfe,  die  man  dem 
Kymren  machte  und  die  man  noch  heute  von  der  gleichen 
Seite  her  —  teilweise  etwas  verändert,  teilweise  aber  noch 
in  der  ursprünglichen  Form  —  aufrechterhält.  Mehr  oder 
minder  scharf  in  ihrer  jeweiligen  Fassung,  haben  sie  doch 
alle  einen  gemeinsamen  Kernpunkt:  die  Behauptung,  der 
Kymre  habe  den  französischen  Roman  einfach  übertragen. 
Wie  man  sich  dann  bei  der  Verfechtung  dieser  Ansicht  mit 
den  nicht  wegzuleugnenden  echt  keltischen  Bestandteilen 
abzufinden  weifs,  die,  wie  zu  erörtern  sein  wird,  an  das 
innerste  Gefüge  des  Stoffes  heranreichen,  dafür  soll  an 
späterer  Stelle  ein  bezeichnendes  Beispiel  gebracht  werden. 

Knüpfen  wir  an  an  ein  Wort  Ph.  Aug.  Beckers  aus  der 
schon  mehrfach  erwähnten  „Besprechung"  (lucus  a  non 
lucendo!)  des  Zenkerschen  Werkes  im  Literaturblatt  1913, 
Heft  1.  Dort  ist  von  einem  „grofsartigen  Parallelismus"  der 
französischen  und  der  cymrischen  Fassung  die  Rede,  der  sich 
bis  zu  dem  Punkte  der  Handlung  erstrecken  soll,  an  dem  der 
Löwe  in  den  Gang  der  Geschehnisse  eingreift. 

Wird  diese  Behauptung  durch  die  wirkliche  Sachlage 
gerechtfertigt?  —  Dieser  Frage  sei  zuerst  nähergetreten. 

Ich  möchte  nun  in  meiner  Stellungnahme  zu  Beckers 
Ansicht  fast  noch  weiter  gehen  als  Zenker  und  nicht  lediglich 
die  „Grolsartigkeit"  dieses  Parallelismus,  soweit  man  von 
einem  solchen  im  strengen  Sinne  eigentlich  reden  kann,  in 
Frage  stellen.  Dafs  er  —  selbst  wenn  er  in  vollstem  Mafse 
vorhanden  wäre  —  an  sich  nicht  beweiskräftig  ist,  dafs  die 
Inhaltsgleichheit  oder  gar  nur  Ähnlichkeit  zweier  Werke  aus 
sich   selbst   heraus   keinesfalls  den  Schlufs  rechtfertigt,   das 


122  WALTER    GREINER, 

eine  sei  vom  anderen  abhängig,  ist  ja  schon  des  öfteren  dar- 
getan worden. 

Der  Beckerschen  Behauptung  nun  im  besonderen,  dieser 
Parallelismus  ziehe  sich  durch  die  Handlung  beider  "Werke 
bis  zum  Eingreifen  des  Löwen,  sei  hier  auf  Grund  der  eben 
durchgeführten  Gegenüberstellung  beider  Fassungen,  die  in 
dieser  erweiterten  Form  erst  in  letzter  Stunde  der  Arbeit 
eingefügt  wurde,  entschieden  entgegengetreten.  Gleich  die 
ersten  Blätter  unserer  Texte  zeigen  in  vielen  Punkten  — 
nicht  lediglich  des  von  den  Gegnern  so  oft  angeführten 
„äulsereu  Beiwerks",  sondern  auch  des  innersten  psycho- 
logischen Gefüges  —  eine  teils  geringere,  teils  erhebliche 
Abweichung. 

Hätte  sich  wohl  der  Kymre,  der  den  Roman  des  Franzosen 
überträgt  und  zur  Unterhaltung  seiner  Landsleute  zurecht- 
stutzt, die  farbenprächtigen,  lebensvollen  Schilderungen  z.B. 
des  glänzenden  Hoftages  entgehen  lassen?  Dafs  er  Sinn  für 
dergleichen  hat,  zeigt  doch  deutlich  genug  seine  im  Gegen- 
satz zu  Chrestien  weiter  ausgesponnene  Beschreibung  des 
prunkvollen  Leichenbegängnisses,  von  der  noch  im  Verlauf 
dieses  Abschnittes  Proben  gegeben  werden  sollen.  Wohl 
finden  wir  auch  im  Mabinogi  Berichte  von  schimmernder 
Pracht  und  von  Luxus,  von  Gold,  Silber  und  köstlichem 
Geschmeide,  —  aber,  wie  zu  zeigen  sein  wird,  gerade  nicht 
am  Königshofe,  sondern  an  anderen  Stätten,  die  dadurch  einen 
gar  eignen  Glanz  gewinnen. 

Wie  schon  Brown  in  seiner  mehrfach  angeführten  Ab- 
handlung (On  the  independent  character  of  the  Welsh  Owein) 
ausdrücklich  hervorhebt,  ist  aus  diesem  Abschnitt  allein, 
der  ja  lediglich  die  Ergebnisse  der  Gegenüberstellung  vereinen 
soll,  eine  endgültige  Lösung  der  gesamten  Frage  logischer- 
weise nicht  zu  erwarten:  „Within  the  limitations  of  this 
method  a  thorough  settlement  of  the  question  is  perhaps 
impossible." 

Damit  dürfte  auch  die  von  Becker  aus  dem  Parallelismus 
gezogene  Schlufsfolgerung  gerichtet  sein. 

Nichtsdestoweniger  ergeben  sich  doch  schon  hier  .eine 
Reihe  wesentlicher  Punkte,  die  als  eine  wichtige  Stütze  des 
Folgenden  nun  zunächst  behandelt  werden  sollen. 


OWETN  —  TVAIN.  123 

Es  sei  hierbei  mit  der  am  meisten  auffallenden  Er- 
scheinung begonnen. 

Das  Mabinogi  bleibt  an  Umfang  ganz  erheblich  hinter 
dem  Romane  Chrestiens  zurück.  Das  ist  eine  bekannte  Tat- 
sache, die  auch  in  der  Mehrzahl  der  einschlägigen  Schriften 
Erwähnung  findet. 

Geht  man  nun  den  Ursachen  dieses  auffallenden  Unter- 
schiedes im  Umfange  nach,  so  ergeben  sich  deren  haupt- 
sächlich zwei: 

1.  Die  kymrische  Fassung  lälst  ganze  Stücke,  ja  stellen- 
weise ganze  Abenteuer  vermissen,  die  bei  dem  Franzosen 
mehr  oder  minder  weit  ausgeführt  sind. 

2.  Das  Tempo  der  Erzählung,  des  Fortschreitens  der 
Handlung,  ist  in  der  wälschen  Erzählung  ein  völlig  anderes  — 
ein  im  Ganzen  wesentlich  strafferes,  zielbewufsteres. 

In  den  Einzelheiten  werden  beide  Punkte  noch  an  späterer 
Stelle  genauer  zu  behandeln  sein. 

Und  eine  weitere  Beobachtung  ergibt  sich  hier:  Wie  schon 
Othmer  seinerzeit  für  das  Verhältnis  des  kymrischen  Gereint 
zum  französischen  Erec  fand,  ist  das  Mafs  der  Kürzung  nicht 
in  allen  Teilen  —  durch  den  gesamten  Verlauf  der  beiden 
Werken  gemeinsamen  Handlung  hindurch  —  das  gleiche. 
Wie  in  grolsen  Zügen  bereits  der  vorangehenden  Gegenüber- 
stellung Owein-Ivain  zu  entnehmen  ist,  laufen  im  Anfang  — 
in  der  Exposition  der  Handlung  —  beide  Fassungen  in  engerer 
Berührung  nebeneinander  her  als  in  den  späteren  Teilen,  doch 
geht  —  es  sei  dies  hier  noch  einmal  hervorgehoben  —  die 
Beckersche  Annahme  eines  „grolsartigen  Parallelismus"  selbst 
inbezug  auf  diesen  ~  einleitenden  —  Teil  der  Erzählung 
noch  zu  weit. 

Edens  hat  in  seiner  Schrift  (Seite  50  f.)  ein  ganz  über- 
sichtliches Schema  aufgestellt,  das  zeigen  soll,  wie  sich  die 
einzelnen  Teile  des  Chrestienschen  Erec  inbezug  lediglich  auf 
den  Umfang  zu  den  ihnen  inhaltlich  entsprechenden  Stücken 
des  Mabinogi  verhelten. 

Zu  diesem  Zwecke  hat  er  eine  rein  äulserliche  Zer- 
gliederung des  französischen  Textes  in  Abschnitte  von  je 
500  Versen  vorgenommen.  Auf  Grund  einer  Umfangsver- 
gleichung  dieser  Abschnitte  mit  den  entsprechenden  Stücken 


124  WALTER   GREINER, 

des  kymrischen  Textes  gelaugt  Edens  zu  dem  Ergebnis,  dals 
wohl  gegen  das  Ende  hin  bei  beiden  Werken  sich  weiter- 
gehende Abweichungen  feststellen  lassen,  dafs  aber  von  einer 
stetigen  Divergenz,  von  einer  planmäfsig  oder  gleichartig  zu- 
nehmenden Kürzung  des  Romans  seitens  des  Kymren  keine 
Rede  sein  könne. 

Es  dürfte  an  dieser  Stelle  genügen,  lediglich  darauf  hinzu- 
weisen, dals  die  Behauptung  der  steten  Divergenz  beider 
Werke  von  Othmer  stammt,  —  sie  findet  sich  allerdings  auch 
mehrfach  bei  Förster.  Othmer  war  schnell  bei  der  Hand,  sie 
auf  Rechnung  einer  ständig  zunehmenden  Unlust  des  wälschen 
Kompilators  am  Stoff  oder  einer  sich  dauernd  steigernden 
Nachlässigkeit  zu  setzen,  was  natürlich  nicht  ohne  Weiteres 
gerechtfertigt  erscheint. 

Ich  habe  nun  die  gleiche  Zusammenstellung  für  das  Ver- 
hältnis Owein-Ivain  vorgenommen  und  dabei  —  der  Einfach- 
heit halber  und  weil  der  Umfang  der  einzelnen  Teilstücke  gar 
nicht  von  Bedeutung  für  das  Ergebnis  ist  —  die  von  Edens 
eingeführten  Abschnitte  von  je  500  Versen  beibehalten.  Bei 
einer  Umfangsvergleichung  der  so  gewonnenen  Teile  mit  den 
ihnen  inhaltlich  entsprechenden  des  Mabinogi  ergibt  sich  die 
nachstehende  Reihenfolge,  zu  der  bemerkt  sei,  dals  —  wie 
auch  bei  Edens  —  die  am  wenigsten  gekürzten  Stücke  am 
Anfang  stehen. 

I,  II,  VII,  III  (enthält  bei  M.  den  Zweikampf  zwischen 
Owein  und  Gwalchmei)  IV,  VIII,  V,  VI,  IX,  XI,  XII,  X. 
Abschnitt  XIII  und  XIV  (also  bei  Chrestien  Vers  6001-6818) 
haben  im  Mabinogi  nicht  Entsprechendes. 

Es  liegt  also  im  Wesentlichen  das  Verhältnis  ganz  ähnlich 
wie  bei  Erec- Geraint,  und  die  von  Edens  begründete  Auf- 
fassung, dals  von  einer  planmäfsig  sich  steigernden  Kürzung 
des  Chrestienschen  Werkes  durch  den  Kymren  nicht  die  Rede 
sein  könne,  ist  auch  für  den  Ivain  giltig. 

Die  von  Edens  gezogene  Schlufsfolgerung,  dafs  die  beim 
Franzosen  sich  allein  findenden  Stücke  auch  dem  Bestreben 
des  höfischen  Dichters,  die  einmal  üblich  gewordene  Länge 
des  Abenteuerromans  zu  erreichen,  ihren  Ui-sprung  verdanken 
können,  möchte  ich  an  dieser  Stelle  —  es  wird  später  auf 
diesen  Punkt  zurückzukommen  sein  —  durch  einige  Worte 


IVAIN  —  OWEIN.  125 

Wendelin  Försters  unterstreichen.  Sie  finden  sich  auf  Seite  XVII 
der  Cliges- Einleitung  und  lauten: 

„Allein  um  dem  Roman  die  richtige  Länge  zu  geben, 
greift  der  Dichter  zu  einem  bereits  früher  (im  Erec!)  be- 
handelten Thema,  dem  Verliegen  des  Ritters,  das  er  diesmal 
(mit  E.  verglichen)  auf  den  Kopf  stellt  .  .  ." 

Auch  Windisch  hat  sich  in  seiner  den  neuesten  Stand  des 
keltistischen  Teiles  der  Frage  darstellenden  Abhandlung  über 
„Das  keltische  Britannien"  (Abh.  d.  kgl.  sächs.  Ges.  d.  Wiss.; 
phil.  bist.  Kl.  1912)  zu  der  Frage  der  „Divergenz"  geäuTsert. 
Auch  er  wendet  sich  gegen  Othmers  voreilige  Schlulsfolgerung 
und  schliefst  sich  dem  oben  ausgeführten  Gedankengange  mit 
den  Worten  an: 

„Wenn  zwei  Versionen  derselben  Geschichte  zu  Anfang 
genauer  übereinstimmen  als  gegen  Ende,  so  kann  das  auf 
gedächtnismäfsige  Überlieferung  hindeuten.  Gegen  Ende  wird 
das  Gedächtnis  schwächer.  Daher  stellen  sich  am  Ende  die 
Variationen  am  ehesten  und  am  stärksten  ein.  Auch  die  Zu- 
fügung  von  neuen  Stücken  geschieht  am  einfachsten  am  Ende." 

Zum  Schlufs  dieses  ersten  Punktes  sei  nun  noch  einmal 
der  Gedanke  herangezogen,  der  diese  Ausführungen  einleitete. 
Es  war  von  den  zahlreichen  Abweichungen  beider  Fassungen 
die  Rede,  die  hier  lediglich  festgestellt,  später  aber  näher 
herangezogen  werden.  Der  Wert  des  Trennenden  in  beiden 
Bearbeitungen  ist  für  die  Untersuchung  ihres  Verhältnisses 
überaus  wichtig;  sie  bedient  sich  der  aus  der  Erörterung  der 
Eigenheiten  des  Kymren  gewonnenen  Erkenntnisse  als  der 
Grundlage.  So  nähert  sich  der  letzte  Teil  der  Arbeit  der  von 
Becker  aufgestellten  Forderung:  festzustellen, 

„welche  von  den  beiden  Fassungen,  der  kymrischen  oder 
der  Chrestienschen,  im  einzelnen  Falle  logischer,  natürlicher, 
widerspruchsfreier,  verständlicher,  sinngemälser  und  mithin 
ursprünglicher  ist." 

Gleich  im  folgenden  Satze  sagt  Becker:  „Das  ist  die  un- 
sichere (?)  Basis,  auf  der  operiert  werden  muls,  weil  es  keine 
andere  gibt." 

Dafs  man  aber  schon  früher  das  Wesensungleiche  in 
beiden  Werken  erkannte,  möge  durch  zwei  Belege  erhärtet 
werden,  zuerst  des  zeitlich  älteren  Holland  Äulserung: 


126  WALTER   GREIN  ER, 

„Durchgehende  Übereinstimmung-  mit  dem  französischen 
Gedicht  bietet  übrigens  das  Mabinogi  nicht  dar." 

Bei  weitem  entschiedener  spricht  sich  William  H.  Carruth 
in  einem  Artikel  aus,  der  1889  in  den  Modern  Language 
Notes  erschien  und  der  Veröffentlichung  der  Försterschen 
Ivain- Ausgabe  auf  dem  Fufse  folgte.    Dort  heilst  es: 

„Any  one  who  reads  the  two  works  without  prejudice 
will  certainly  question  the  correctness  of  the  assertation  that 
they  bear  a  close  resemblance  one  to  the  other." 


Der  zweite  der  allgemeinen  —  sich  über  das  gesamte 
Gefüge  der  Handlung  erstreckenden  —  Beobachtungen  wird 
sich  wesentlich  auf  dem  stilistischen  Gebiete  bewegen. 

Es  wurde  schon  mehrfach  im  Verlaufe  der  Gegenüber- 
stellung auf  besondere  stilistische  Eigentümlichkeiten  des 
kymrischen  Textes  hingewiesen,  die  nun  hier  näher  betrachtet 
werden  sollen. 

Zunächst  eine  kurze  Bemerkung  über  die  wörtlichen 
Übereinstimmungen,  denen  ja  Othmer  in  seiner  Arbeit  so 
überaus  grolse  Beweiskraft  und  Bedeutung  zuspricht.  Auch 
in  unseren  beiden  Texten  fehlen  sie  nicht,  wie  aus  den 
folgenden  Beispielen  hervorgeht.  Die  ersten  drei  Stellen 
wurden  schon  von  Rauch  in  seiner  Dissertation  (Die  wälische, 
französische  und  deutsche  Bearbeitung  der  Ivainsage;  Berlin 
1869)  herangezogen;  da  sie  dem  genannten  Werke  unverändert 
entnommen  wurden,  ist  der  keltische  Text  nach  der  Ausgabe 
der  Lady  Guest  angeführt,  in  der  sich  unsere  Geschichte  im 
ersten  Bande  findet. 

j  Chrestien  549  (nach  d.  Ausg. 

Mab.  I,  49,50.  |  V.Holland;  bei  Förster  543.) 

. . .    „and  he  did  not  even  ]  „Qu'onques  puis  ne  me  regarda, 

bestow  so  much  notice  on  me  !  Mon  cheval  prist  et  moi  leissa." 

as  to  imprison  me."  i 

|.  Chr.  560: 

M.  1,50.  (Holland;  =  Förster  562) 

. . .  „and  that  night  I  came  i  „Quant  je  ving  la  nuit  a  Tostel, 
to  the  same  Castle  where  I  had  |  Trovai  mon  oste  tot  autel, 


OWEIN  —  IVAIN. 


127 


been  the  night  preceeding. 
And  I  was  more  agreeably 
entertaiued  tliat  night  than 
I  had  been  the  night  before  . . . 

. . ,  and  none  of  the  inmates 
alluded  to  my  expedition  to  the 
fountain," 


M.  I,  57. 

„The     couch,     which     the 

maidens  had  prepared  for  him, 

was  meet  to  Arthur  himself, 

it  was  of  scarlet  and  für. ..^ 


Aus(s)i  lie  et  aus(s)i  cortois, 
Come  il  avoit  fet  eingois." 

(Rauch  möchte  an  dieser 
Stelle  die  Lesart  des  Vatikans 
vorziehen: 

„Onques  de  rien  ne  m'aparcui, 
Ne  de  sa  fiUe  ne  de  lui 
Que  moins  volentiers  me 

veissent . . . 
Come  il  avoient  fet  l'autre 
nuit") 

Chr.  1040: 
(Holland,  =  Foerster  1040) 
Sei  mena  seoir  an  un  lit 
Covert  d'une  coute  si  riebe 
Qu  'ainz  n'ot  tel  li  dus 
d'Osteriche." 


Diesen  Stellen  seien  nun  noch  die  folgenden  hinzugefügt. 
Bemerkt  sei,  dafs  der  keltische  Text  wieder  nach  Loths 
trefflicher  Übertragung  gegeben  wird. 


Loth  II,  17,22. 
„Owein  prit  le  bassin  et  en 
jeta  plein  d'eau  sur  la  dalle." 

Loth  17,3. 
„Owein  les  (die  Mädchen  im 
Schlofs  des  gastlichen  Ritters) 
trouva   beaucoup   plus   heiles 


Chr.  803. 
„Versa  sor  le  perron  de  piain 
De  l'eve  le  bacin  tot  piain." 

Chr.  782. 
...  „an  la  pucele  revit 
De  san  et  de  biaute  gant  tanz, 
Que  n'ot  conte'  Calogrenanz." 


»)  Die  nach  der  Ausgabe  der  Lady  Guest  zitierten  Stellen  lauten  bei 
Loth  (1913): 
II;  14,14  „II  ne  me  fit  meme  pas  l'honneur  de  me  faire  prisonnier". 

14,22  „J'arrivai  cette  nuit  au  chäteau  oü  javais  passe  la  nuit  prece- 
dente.  On  s'y  montra  encore  plus  courtois  que  la  nuit  d'avant. . . 
Personne  ne  fit  la  moindre  allusion  ä  mon  expedition  a  la 
fontaine". 
21,21  „II  eüt  ete  digne  d' Arthur  lui-m€me,  tellement  il  etait  bon,  le 
lit  que  lui  fit  la  pucelle,  de  tissus  d'ecarlate,  de  paile. . ." 


128 


WALTER  GREINBR, 


et  plus  gracieuses  encore  que 
ne  l'avait  dit  Kynon." 

Loth  12,  18. 
„Si  cette  fois  tu  ne  trouves 
pas  souffrance,  il  est  inutile 
que  tu  en  clierches  tant  que 
tu  seras  en  vie." 

Loth  20, 17. 
„Owein  promena  ses  regards 
sur  tout  Tappartement:  il 
n'yavait  pas  un  clou  qui  ne 
füt  peint  de  riebe  couleur,  pas 
un  panneau  qui  ne  füt  decore 
de  diverses  figures  dorees." 

Loth  41,  30. 

...  (le  lion) 
„donna,  sur  l'epaule  du  grand 
homme,  un  tel  coup  de  griffe 
qu'il  le  dechira  jusqu'ä  la  join- 
ture  des  deux  hanches,  et  qu'on 
voyait  les  entrailles  lui  sortir 
du  Corps." 

Loth.  12,  5. 
„D  n'ya  pas  sur  l'arbre  une 
feuille     que     l'ondee     n'aura 
enlevee." 


Chr.  404. 

...  „se  tu  t'an  puez  departir 

Sanz  grant  enui  et  sanz  pesance, 

Tu  seras  de  meillor  cheance 

Que    Chevaliers,    qui   i    fust 

onques." 

Chr.  963. 
(Ivain) 
„Kernest  dedanz  la  sale  anclos 
Qui  tote  estoit  cielee  a  clos 
Dorez  et  paintes  les  meisieres 
De   buene   oevre  et  de  colors 
chieres." 

Chr.  4526. 

(le  lion) 
„Fet   del    hauberc    voler   les 

mailies 
Et  contre  val  si  fort  le  sache, 
Que  de  Tespaule  li  esrache 
Le  tandron  atot  le  coste', 
Quanqu'il  ateint,  an  a  oste', 
Si  que  les  antrailles  li  perent." 

Chr.  460. 
„Vi  sor  le  pin  tant  amassez 
Oisiaus  (c'est  qui  croire  m'an 
vuelle), 
Qu'il  n'iparoit  brauche  ne  fuelle, 
Que  tot  ne  fust  covert  d'oisiaus.„ 


Was  ist  von  diesen  wörtlichen  Übereinstimmungen  —  die 
sich  teilweise  über  den  Ausdruck  eines  ganzen  Gedankens 
erstrecken,  teilweise  aber  nur  auf  einem  einzelnen  Worte 
beruhen  —  zu  halten? 

Zunächst  eine  kurze  Bemerkung  über  die  Bewertung  ihrer 
Beweiskraft  für  die  Abhängigkeit  des  einen  Werkes  vom  andern. 


OWEIN  —  IVAIN.  129 

In  Beckers  Darlegungen  füllen  sie  den  Punkt  V  (Spalte  20). 
Es  wird  an  dieser  Stelle  eine  Äulserung  von  Gaston  Paris 
angeführt,  der  durch  eben  diese  Erscheinung  —  inbezug 
anfänglich  auf  Erec- Geraint  —  an  sich  zur  Annahme  der 
UnWahrscheinlichkeit  der  Unabhängigkeit  M's  geführt  worden 
sei.  Sie  steht  in  dem  im  20.  Bande  der  Romania  veröffentlichten 
Aufsatz  und  heilst: 

„II  y  a  des  coincidences  textuelles,  dans  des  details  qui 
ne  tiennent  pas  au  fond  du  recit,  qui  ne  sauraient  etre  fortuites". 

Dals,  wie  gleich  weiter  auszuführen  sein  wird,  gelegentliche 
wörtliche  Übereinstimmungen  zweier  Werke  nicht  notwendig 
die  Abhängigkeit  des  einen  vom  andern  beweisen,  dals  viel- 
mehr zu  einem  direkten  Abhängigkeitsverhältnis  wesentlich 
mehr  gehört,  findet  sich  bei  Edens  auf  Seite  36  seiner  Unter- 
suchung ausgesprochen: 

„Wörtliche  Übereinstimmungen  beweisen  nur  dann  die 
direkte  Abhängigkeit  eines  Werkes  von  einem  andern,  wenn 
sie  als  dem  Stil  des  letzteren  eigentümlich  zu  erkennen  sind". 

Auf  zwei  der  oben  angeführten  Stellen  soll  näher  ein- 
gegangen werden.  Zunächst  sei  Mab.  20,17  =  Chr.  963  f. 
besprochen,  bekanntlich  die  Beschreibung  des  Torraumes 
zwischen  den  beiden  Fallgattern,  der  dem  Ivain  zum  Kerker 
wird.  Wohl  klingen  hier  die  Worte  zusammen  —  wie  auch 
bei  der  später  ausführlich  zu  betrachtenden  Stelle  M.  12,  5  f. 
=  Chr.  460  (die  Vögel  auf  dem  Baume),  —  aber  der  ihnen 
zugrundeliegende  Sinn  ist  —  hier  wie  dort  —  völlig  verschieden. 
Chrestien  läfst  in  seiner  Schilderung  ein  künstliches  Himmels- 
gewölbe den  Raum  überspannen;  wie  die  Wände,  so  ist  auch 
die  Decke  reich  bemalt,  und  über  die  dunkle  Bläue  sind  — 
den  funkelnden  Sternen  vergleichbar  —  Goldnägel  gesät. 
Wichtig  hierzu  ist  noch  die  Anmerkung,  die  Wendelin  Förster 
im  yvain3  zu  cielee  gibt.  Es  heilst  dort,  dafs  die  an  dieser 
Stelle  bei  Chrestien  beschriebene  Art  der  Deckenverzierung, 
die  im  Mittelalter  gewöhnliche  sei.  Belege  von  Schilderungen 
ähnlicher  Art  wolle  man  z.  B.  bei  Borsdorf  (Die  Burg  im 
Claris  und  Laris  und  im  Escanor.  Diss.  Berlin  1890)  nachlesen. 

Und  nun  nehme  man  des  Kymren  Bericht,  der  von  diesem 
—  doch  sicherlich  äulserst  wirksamen  —  Motiv  nichts  hat. 
Von   einer  künstlerisch   ausgeschmückten   Decke,    gar   einer 

Zeitschrift  f.  celt.  Philologie  Xu,  i.  y 


130  WALTER   GREINER, 

solchen,  die  die  Illusion  des  Himmelsgewölbes  erwecken  soll, 
ist  hier  mit  keinem  Worte  die  Rede.  Die  buntbemalten  — 
nicht  einmal  vergoldeten  —  Nägel,  über  die  jede  Angabe  fehlt, 
sind  einfach  die  zur  Festigung  des  Balkenwerks  und  der 
Falltüren  eingefügten  Schrauben,  sodals  also  hinter  der  zu- 
fälligen Gleichheit  der  Worte  sich  ein  ganz  anderer  Sinn 
verbirgt. 

Die  zweite  der  hier  näher  zu  betrachtenden  Überein- 
stimmungen (es  handelt  sich  um  M.  17,  3  f.  =  Chr.  782)  ist 
schon  von  Edens  herangezogen  worden.  Bei  Chrestien  wie 
bei  dem  Kymren  findet  sich  eine  superlativische  Ausdrucks- 
weise bei  der  Schilderung  der  Reize  der  bezw.  des  Mädchens: 
„Ihre  Schönheit  war  tausendmal  gröfser,  als  ich  nach  der 
Beschreibung  erwarten  konnte." 

Gehen  wir  von  der  oben  zitierten  —  gewifs  völlig 
einwandfreien  —  Edensschen  Behauptung  aus,  so  verlieren 
diese  eben  angeführten  Stellen  erheblich  an  der  ihnen  zu- 
gesprochenen Bedeutung.  Es  möge  in  diesem  Zusammenhange 
genügen,  das  zusammenfassende  Urteil  Windischs  anzufügen: 

„Ich  habe  bis  jetzt  keine  Stelle  gefunden,  an  der  ein 
kymrischer  Ausdruck  und  eine  kymrische  Konstruktion  die 
genaue  Wiedergabe  des  französischen  Ausdrucks  und  der 
französischen  Konstruktion  wäre." 

Betrachtet  man  im  Besonderen  die  zuletzt  besprochene  — 
bei  Chrestien  nur  an  zwei  Stellen  gebrauchte  Ausdrucksweise 
—  schlielslich  gehört  Mab.  (Lady  Guest)  I,  57  [in  Loths 
Ausgabe  (1913)  11,21,21]  =  Chr.  1040  dem  Sinne  nach  auch 
hierher  —  so  ergibt  sich,  dafs  sie  im  kymrischen  Text  noch 
erheblich  öfter  auftritt  als  Edens  angab.  Und  sie  ist  nicht 
etwa  ein  besonderes  Merkmal  der  Geschichte  Jarlles  y 
Ffynnawn  an  sich,  sondern  findet  sich  —  mehr  oder  minder 
zahlreich  —  auch  in  den  anderen  Stücken  der  Sammlung, 
wofür  Belege  leicht  beizubringen  sind. 

Bei  einer  Durchsicht  der  Geschichte  von  der  Dame  von 
der  Quelle  nach  dieser  Richtung  hin  habe  ich  etwa  60  Stellen 
gefunden,  an  denen  gleichartige  Wendungen  wiederkehren, 
sie  sind  also  dem  Kompilator  von  M.  in  Fleisch  und  Blut 
übergegangen.  Sie  seien  im  folgenden  angeführt;  auf  die 
jeweilige    besondere    Bedeutung    einzelner    Stellen    für    die 


OWEIN  —   IVAIN.  131 

Komposition  des  Ganzen  hinzuweisen .  bleibe  -  für  später  vor- 
behalten. Die  Reihenfolge  der  Stellen  im  kymrischen  Text 
war  auch  im  allgemeinen  mafsgebend  für  ihre  Anordnung 
in  der  folgenden  Aufstellung.  Eine  Ausnahme  wurde  nur 
gelegentlich  zum  Zwecke  der  Ermöglichung  einer  besseren 
Übersicht  über  sachlich  zusammengehörige  Stellen  gemacht. 
Die  Zitate  sind  nach  Loth  gegeben  (Ausgabe  v.  1913). 

4, 17  ...  „ensuite  nous  te  dirons  le  meilleur  recit  que  nous 
pouvons  savoir." 

5,6  „Commence.  toi,  par  ce  que  tu  sais  de  plus  remar- 
quable." 

5, 10  ...  „je  ne  croyais  pas  qu'il  y  eüt  au  monde  personne 
capable  de  me  surpasser  en  n'importe  quelle  prouesse." 

5,12  „Apres  etre  venu  ä  bout  de  toutes  Celles  (aventures) 
que  presentait  mon  pays'*  .  .  . 

7, 3  ...  „la  plus  laide  d'entre  elles  etait  plus  belle  que 
la  jeune  fille  la  plus  belle  que  tu  aies  jamais  vue 
dans  l'ile  de  Bretagne;  la  moins  belle  etait  plus  char- 
mante que  Gwenhwyvar,  femme  d' Arthur,  quand  eile 
est  le  plus  belle,  le  jour  de  Noel  ou  le  jour  de  Päques 
pour  la  messe."  Dazu  vergleiche  man  aus  Kulhwch 
et  Olwen,  191, 10:  [Ausgabe  von  1899]  (le  coursier) 
„etait  plus  prompt  que  la  chute  de  la  premiere  goutte 
de  rosee  de  la  pointe  du  roseau  sur  le  sol  au  moment 
oü  eile  est  le  plus  abondante  au  mois  de  juin." 

7, 10  ...  six  autres  prirent  mes  armes  et  les  laverent  dans 
un  bassin  au  point  qu'on  ne  pouvait  rien  voir  de  plus 
blanc. 

7, 21  (Die  sechs  Mädchen)  . . .  .,le  (das  Pferd)  debarrasse- 
rent  de  tout  son  equipement  d'une  fagon  iiTeprochable, 
aussi  bien  que  les  meilleurs  ecuyers  de  l'ile  de 
Bretagne." 

8, 14  ...  il  n'y  avait  pas  de  boisson  ou  de  mets  connu  ä 
moi  qui  ne  füt  represente  lä;  avec  cette  difference 
que  mets  et  boisson  etaient  beaucoup  mieux  appretes 
que  partout  ailleurs. 


132  WALTER   GREINER, 

10. 4  . . .  il  me  sembla  bien  voir  lä  au  moins  trois  fois  plus 
d'animaux  sauvages  que  ne  m'avait  dit  mon  böte. 

10. 7  ...  mon  böte  m'avait  dit  qu'il  (der  Waldscbiat!)  etait 
grand:  il  etait  bien  plus  grand  que  cela. 

17, 17  H  (Owein)  chemina  jusqu'ä  la  clairiere  de  Thomme 
noir,  qui  lui  parut  encore  plus  grand  qu'ä  Kynon. 

29. 8  . . .  sa  stature  (des  Waldschrats)  parut  encore  beau- 
coup  plus  forte  ä  Arthur  qu'on  ne  le  lui  avait  dit. 

10, 8  La  massue  de  fer  qui,  d'apr^s  lui,  aurait  Charge  deux 
hommes,  je  suis  bien  sür,  Kei,  que  quatre  hommes  de 
guerre  y  eussent  trouve  lern*  faix. 

11. 5  ...  l'extremite  de  ses  branches  (des  Baumes  an  der 
Quelle!)  est  plus  verte  que  le  plus  vert  des  sapins. 

12, 5  . . .  il  n'y  a  pas  sur  l'arbre  une  feuille  que  l'ondee 
n'aura  enlevee. 

12, 8  ...  Jamals  tu  n'as  entendu  dans  ton  pays  (!)  une 
musique  comparable  ä,  leur  chant. 

13.14  ...  je  suis  sür  de  n'avoir  jamais  entendu,  ni  avant, 
ni  apres,  de  musique  comparable  ä  celle-lä. 

29, 25  . . .  jamais,  assurement,  ils  n'avaient  entendu  musique 
comparable  ä  leur  chant. 

12. 15  II  t'attaquera  le  plus  vite  possible. 

13,1  Voilä  aussitot  le  tonnerre  et  beaucoup  plus  fort  que 
ne  m'avait  dit  l'horäme  noir. 

17, 24  . . .  un  coup  de  tonnerre,  puis  apres  le  tonnerre,  l'ondee, 
et  les  deux  bien  plus  forts  que  ne  l'avait  dit  Kynon. 

29, 19  . . .  jamais  ils  n'avaient  entendu  bruit  ni  ondee  pareille. 

13. 16  Au  moment  oü  je  prenais  le  plus  de  plaisir  k  les 
entendre,  voilä  des  plaintes  venant  vers  moi. 

15, 11  ...  je  ne  le  (das  Rols)  donnerais  pas  encore  pour  le 
meilleur  palefroi  de  l'ile  de  Bretagne. 

15, 13  ...  personne  n'a  jamais  avou6  pour  son  compte  une 
aventure  moins  heureuse  que  celle-lä. 


OWEIN  —  IVAIN.  133 

17,3  Owein  les  (die  Mädchen)  trouva  beaucoup  plus  belies 
et  plus  gracieuses  encore  que  ne  l'ayait  dit  Kynon. 

17, 6     La  chere  parut  encore  meilleure  ä  Owein  qu'a  Kynon. 

19, 15  „Je  n'ai  jamais  vu  assurement  un  jeune  homme 
meilleur  que  toi  pour  une  femme." 

19, 17  „Si  tu  avais  une  amie,  tu  serais  bien  le  meilleur  des 
amis  pour  eile;  si  tu  avais  une  maitresse,  il  n'y  aurait 
pas  meilleur  amant  que  toi."  < 

21, 1  ...  il  n'y  avait  pas  un  clou  qui  ne  füt  peint  de  riche 
couleur,  pas  un  panneau  qui  ne  füt  decore  de  diverses 
figures  dorees. 

21. 9  II  n'y  avait  pas  de  mets  connu  d'Owein  dont  il  ne  vit 
lä  abondance,  avec  cette  difference  que  les  mets  qu'il 
voyait  etaient  beaucoup  mieux  prepares  qu'ailleurs. 

21. 13  Nulle  part  il  n'avait  vu  offrir  autant  de  mets  ou  de 
boissons  excellentes  . . . 

21. 14  Pas  un  vase  de  service  qui  ne  füt  d'or  et  d'argent . . . 

21, 21  II  eüt  ete  digne  d' Arthur,  tellement  il  etait  bon,  le  lit 
que  lui  fit  la  pucelle  ... 

22, 19  Owein  n'avait  jamais  vu  assurement  une  suite  aussi 
brillante  que  celle-lä  avec  ses  habits  de  paile,  de 
soie  et  de  cendal. 

23. 10  II  etait  impossible  de  voir  une  aussi  belle  femme. 

23, 17  „Cest  la  plus  belle  des  femmes,  la  plus  genereuse,  la 
plus  sage  et  la  plus  noble  . . . 

24, 1  „Dieu  sait",  dit  Owein,  „que  c'est  la  femme  que 
j'aime  le  plus." 

24, 14  Owein  n'en  avait  jamais  eu  de  comparable  (souper) 
k  celui-lä,  ni  d'un  service  plus  irreprochable. 

28, 1  ...  aussi  n'y  avait  -  il  personne  au  monde  plus  aime 
de  ses  sujets  que  lui. 

29, 1  Ils  n'avaient  jamais  vu  auparavant  de  service  irrepro- 
chable en  comparaison  de  celui  des  femmes. 


134  WALTER   GREINER, 

31, 14  Jamals,  de  l'avis  des  spectateurs,  on  n'avait  vu  deux 
liorames  aiissi  vaillants,  ni  si  forts. 

32, 29  Jamals  banquet  ne  leur  parut  plus  confortable  nl 
meilleur. 

34, 10  ...  (Owein)  se  dlrlgea  vers  un  parc,  le  plus  beau  du 
monde  . . . 

36, 12  . . .  sa  peau  devint  plus  blanche  qu'elle  ne  l'avait  ete. 

36, 20  Owein  demanda  si  la  comtesse  avait  cheval  et  armes.  — 
„Oui",  dit-elle,  „les  mellleures  du  monde." 

86,29  ...  „il  n'en  a,  sürement,  Jamals  eu  en  sa  possesslon 
de  pareils." 

40, 4  „Le  comte  ä  qui  appartient  le  chäteau  est  le  meilleur 
liomme  du  monde  ce  qui  est  du  manger." 

40,  7  Jamals  guetteur  ne  veilla  aussi  blen  son  seigneur  que 
ne  fit  le  lion  pour  Owein,  cette  nuit-lä. 

40, 16  Nulle  part,  assurement,  Owein  n'avait  vu  un  service 
aussi  bien  fait  que  lä. 

40, 20  Jamals  Owein  n'avait  vu  une  personne  plus  accomplie 
qu'elle. 

43,12  n  y  apergut  vingt-quatre  femmes,  les  plus  accomplies 
qu'il  eüt  Jamals  vues. 

43, 18   ...    chacune  avec  l'liomme   qu'elles   aimaient  le  plus. 

45,3  Si  Arthur  s'etait  montre  joyeux  vls-ä-vis  de  lui 
auparavant,  apres  sa  premiere  dlsparition,  11  le  fut 
encore  plus  cette  fols. 

Nicht  gerade  in  der  grammatischen  Form  des  Superlativs 
gehalten,  aber  doch  dem  Sinne  nach  in  gleicher  Weise  hierher 
gehörig,  lassen  sich  noch  die  folgenden  Belege  anführen : 

5,9     „J'etais  fils  unique  de  pere  et  de  mere.  .  ." 

5, 14  ...   „(je)   me  mis  en  marche  vers  les  extremites  du 
monde  et  les  deserts." 

34, 2  .  . .  il  (Owein)  alla  aux  extremites  du  monde  et  aux 
montagnes  desertes. 


OWEIN  —  IVAIN.  135 

37,  30  (Owein)  ...  „se  dirigea  vers  les  extremites  du  monde 
et  la  solitude." 

10, 17  . . .  aussitöt  ä  sa  voix,  accoururent  des  animaux  en 
aussi  grand  nombre  que  les  etoiles  dans  l'air. 

13, 6  Pas  un  grelon  n'etait  arrete  par  la  peau  et  par  la 
chair,  il  penetrait  jusqu'ä  l'os. 

28,28  Malgre  leur  grand  nombre,  (M.  spricht  kurz  vorher 
von  3000,  ohne  die  „subordonnes" !)  on  ne  s'apercevait 
pas  de  leur  presence  dans  le  chäteau.  ^ 

29,  3  Le  Service  pour  les  valets  de  chevaux,  cette  nuit-lä, 
ne  se  fit  pas  plus  mal  que  pour  Arthur  lui-meme  dans 
sa  propre  cour. 

32. 14  II  y  eut  tant  de  presse  et  de  häte  pour  voir  Owein 
et  l'embrasser,  que  peu  s'en  fallut  qu'il  n'y  eüt  des 
morts. 

31.15  S'il  y  avait  eu  nuit  noire,  eile  eüt  et6  eclairee  par 
le  feu  qui  jaillissait  de  leurs  armes. 

Was  bei  näherer  Betrachtung  der  vorstehenden  Sätze 
weiter  auffällt,  ist  die  häufige  —  man  möchte  fast  sagen 
regelmälsige  —  Wiederkehr  der  gleichen  Ausdj'ücke,  ja  sogar 
der  gleichen  Worte  in  den  durch  das  Band  der  sachlichen 
Zusammengehörigkeit  verknüpften  Stellen. 

Immer  wieder,  wenn  es  gilt,  dieselbe  oder  eine  ganz 
ähnliche  Situation  zu  schildern,  kehren  die  gleichen  Worte 
und  Bilder  wieder,  die  auf  diese  Weise  etwas  Typisches  ge- 
wonnen haben.  Was  sie  uns  im  Einzelnen  für  die  Art  und 
Weise  der  Komposition  unseres  Textes  zu  sagen  haben,  zu 
erörtern,  ist  hier  nicht  der  Platz,  hier  handelt  es  sich  zunächst 
wiederum  lediglich  um  eine  Aufstellung  unter  den  oben 
gegebenen  Gesichtspunkten. 

Aus  den  auf  den  vorhergehenden  Seiten  angeführten 
Textstellen  sei  an  dieser  Stelle  nur  hingewiesen  auf  den  sich 
dreimal  wiederholenden  Ausdruck: 

„il  alla  vers  les  extremites  du  monde  et  la  solitude". 

Besonders  zahlreich  treten  diese  Wiederholungen  auf  bei 
der  Schilderung  von  Einzelheiten,  Ausrüstungsgegenständen, 


136  WALTER   GREINER, 

Kostümen,  Waffen,  Schmucksachen,  Hausrat  u.  a.  m.,  in  denen 
überall  eine  überaus  grofse  Pracht  entfaltet  wird.  Das 
Mabinogi  versäumt  es  —  und  das  wird  noch  näher  zu  betrachten 
sein  —  bei  keiner  Gelegenheit,  die  handelnden  Personen  auch 
dem  ÄuXseren  oder  gegebenenfalls  nur  dem  Äufseren  nach 
unter  völligem  Verzicht  auf  Charakterisierung  zu  beschreiben. 
In  diesen  Stellen  zeigt  der  Kymre  eine  naive  Freude  am 
Schönen,  am  Leuchtenden,  Glänzenden  und  Prunkvollen. 

So  ist  es  vor  allem  der  köstliche  Zindel  (cendal,  ein  Lehn- 
wort aus  dem  Französischen)  der  bei  den  Beschreibungen  der 
Ritter  und  Damen  des  Kymren  eine  grofse  Rolle  spielt,  sowie 
ein  fast  noch  häufiger  erwähnter  Seidenstoff,  der  „paile" 
genannt  und  dessen  meistens  als  in  leuchtenden  Farben  ver- 
wandt Erwähnung  getan  wird. 

5, 25  ...  „deux  jeunes  gens  aux  cheveux  blonds  frises, 
portant  chacun  un  diademe  d'or;  leur  robe  etait  de 
paile  jaune;  des  fermoirs  d'or  serraient  leurs  cous-de- 
pied;  ils  avaient  ä  la  main  un  arc  d'ivoire;  les  cordes 
en  etaient  de  nerfs  de  cerf;  leurs  flaches  dont  les 
hampes  etaient  d'os  de  cetac6s  avaient  des  barbes  de 
plumes  de  paon;  la  tete  des  hampes  etait  en  or;  la 
lame  de  leurs  couteaux  etait  aussi  en  or  et  le  manche 
d'os  de  cetace". 

6, 10  ...  „un  homme  aux  cheveux  blonds  frises,  dans  toute 
sa  force,  la  barbe  fraichement  rasee.  II  6tait  vetu 
d'une  robe  et  d'un  manteau  de  paile  jaune;  un  lisere 
de  fil  d'or  bordait  le  manteau.  II  avait  aux  pieds 
deux  hauts  souliers  de  cordwal  bigarre,  fermes  chacun 
par  un  bouton  d'or". 

Die  gleichen  Schilderungen  wiederholen  sich  —  teilweise 
gekürzt  —  auf  Seite  16  unseres  Berichtes  bei  der  Beschreibung 
von  Oweins  Ankunft  im  gastlichen  Schlofs.  Die  Belegstellen 
wolle  man  oben  bei  der  Gegenüberstellung  nachlesen. 

19,6  ...  „une  jeune  fiUe  (die  Zofe  als  Retterin  des  ge- 
fangenen Owein)  aux  cheveux  blonds  frises,  la  tete 
ornee  d'un  bandeau  d'or,  vetue  de  paile  jaune,  •  les 
pieds  chausses  de  deux  brodequins  de  cordwal  tachete". 


OWEIN  —  IVAIN.  137 

21.21  ...  „II  eüt  ete  digne  d' Arthur,  tellement  il  etait  bon, 
le  lit  que  lui  fit  la  pucelle,  de  tissus  d'ecarlate,  de 
paile,  de  cendal  et  de  toile  fine". 

23, 3     ...  „une  femme  (die  um  den  Gatten  trauernde  Laudine) 
aux  cheveux  blonds,   flottant  sur  les  deux  epaules. . . 
. . .  vetue  d'habits  de  paile  jaune.  .  . 
...  les  pieds  chausses  de  brodequins  de  cordwal  bigarre". 

24,  5     ...  „eile  (Lunete)  prit  une  serviette  de  toile  fine. . . 

Elle  prit  un  gobelet  d'os  d'elephant,  un  bassin  d'argent. . . 

. . .  un  rasoir  au  manche  d'ivoire,  dont  la  lame  avait 

deux  rainures  dorees". 
26, 18   „Owein  revetit  une  robe,  un  surcot  et  un  manteau 

de  paile  jaune,  rehausse  d'un  large  orfrei  de  fil  d'or; 

ses  pieds  etaient  chausses  de  brodequins  de  cordwal 

bigarre,  fermes  par  une  figure  de  lion  en  or." 

29,  27  (Der  Verteidiger  der  Quelle)  . . .  „monte  sur  un  cheval 
tout  noir,  vetu  de  paile  tout  noir." 

30. 22  (Gwalchmei)  . . .  „etait  revetu  d'une  couverture  de 
paile  ..." 

33, 11  ...  „une  jeune  fiUe  (Lunete  als  Botin  der  erzürnten 
Laudine)  se  pr^senta,  montee  sur  un  -cheval,  ä  la 
criniere  frisee  . . . 

Elle  etait  vetue  de  paile  jaune.    La  bride  et  tout  ce 
qu'on  apercevait  de  la  seile  etait  d'or." 

42, 7  ...  „deux  beaux  valets  bruns,  aux  cheveux  frises, 
ameuaient  la  pucelle  ..." 

8, 9  „La  table  etait  d'argent,  et  les  linges  de  table,  de 
toile  fine;  quant  aux  vases  qui  servaient  ä.  table,  pas 
un  qui  ne  füt  d'or,  d'argent  ou  de  corne  de  boeuf 
sau  vage  ..." 

8, 2  . . .  on  nous  apporta  aussitot  des  aiguieres  d'argent 
pour  nous  laver  et  des  serviettes  de  fine  toile,  les 
unes  vertes,  les  autres  blanches." 

12, 13  (Der  Verteidiger  der  Quelle)  . . .  „mont6  sur  un  cheval 
tout  noir;  la  lance  ornee  d'un  gonfanon  de  toile  fine 
tout  noir." 


138  WALTER   GRETNER. 

21,  5     ...  „une  serviette  de  fine  toile  blanche  . . . 

...  eile    plaga   devant   lui  une   table   d'argent   dore, 
couverte  d'une  nappe  de  fine  toile  jaune  . . ." 

22, 16  ...  „la  biere,  recouverte  d'un  drap  de  toile  blanche." 

22, 19  „Jamals  Owein  n'avait  vu  une  suite  aussi  brillante 
que  Celle- lä  avec  ses  habits  de  paile,  de  soie  et  de 
cendal". 


Eine  weitere  Beobachtung  —  die  dritte" der  allgemeinen  — , 
die  hier  in  den  Kreis  der  Betrachtungen  zu  ziehen  sein  wird, 
ist  die  der  häufigen  Verwendung  der  Zahl  drei,  im  besonderen 
bei  der  Beschreibung  oder  Aufzählung  sich  wiederholender 
Begebenheiten. 

Man  darf  sogar  sagen,  die  Zahl  drei  ist  die  einzige 
bestimmte  Zahlangabe,  deren  sich  der  Kymre  im  Verlaufe 
seiner  Erzählung  bedient. 

Sie  findet  sich  in  unserem  Text  an  folgenden  Stellen: 

10, 4     ...    „il    me    sembla    bien    voir    lä    trois    fois    plus 
d'animaux  sauvages  que  ne  m'avait  dit  mon  hote." 

28,2     „II  fut  ainsi  pendant  trois  annees." 

28,21   „Ils  etaient  au  nombre  de  trois  mille,  sans  compter 
les  subordonn^s." 

38,2     ...  „il  entendit  un  cri  de  douleur  dans  un  bois,  puis 
un  second,  puis  un  troisi^me." 

32,20   „II  y  a  aujourd'hui  trois  ans  que  je   t'ai  quitte  et 
que  cette  terre  m'appartient." 

23, 27   „Le  festin  qu'on  avait  mis  trois  ans  ä  preparer.  on  en 
vint  ä  bout  en  trois  raois  de  suite." 

Dafs  diese  Ausdrucksweise  dem  Kompilator  des  Mabinogi 
ganz    geläufig   ist,   mögen    einige   Stellen    aus    den   übrigen 
Stücken  des  Roten  Buches  erhärten: 
M.  I,  36  (Loth,  Ausgabe  von  1889) 

„11  lui  adressa  la  premiöre  fois  la  parole,  puis  une 
seconde,  puis  une  troisieme,  sans  obtenir  de  reponse." 


OWEIN  —  IVAIN.  139 

(Man  vergleiche  hierzu  das  bekannte  Wort  aus  Faust  I: 
„Du  mufst  es  dreimal  sagen!") 

M.  II,  108, 6  (aus  dem  Peredur) 

„Tu  y  verras  un  buisson.  Au  pied  du  buisson  il  y  a 
une  pierre  plate.  Une  fois  lä,  demande  par  trois  fois 
quelqu'un  pour  se  battre  avec  toi." 

Dazu  kommt  noch  —  womit  aber  keinesfalls  gesagt 
werden  soll,  dafs  diese  Auswahl  auf  Vollständigkeit  Anspruch 
macht  —  eine  Stelle  aus  M.  I,  39  (Ausg.  v.  1889):  "^ 

Drei  der  Genossen  Rvylls  müssen  vergeblich  ausreiten, 
ehe  es  dem  Helden  selbst  gelingt,  die  Dame  zu  erreichen. 

Schliefslich  gehört  hierher  auch  noch  die  Szene  unseres 
Textes,  in  der  Owein  als  Gefangener  im  Schlofs  der  Laudine 
die  dreimal  sich  wiederholenden  Klagen  der  Schlofsbewohner 
vernimmt: 

L.,  21, 17  „A  ce  moment,  ils  entendirent  de  grands  cris  dans 
le  chäteau." 

21, 24  „Vers  minuit,  ils  entendirent  des  cris  per^ants." 

22,2     „Un    peu    apres   le   jour  retentirent   des  cris  et  des 
lamentations  d'une  violence  inexprimable." 

Über  das  „Kunstmittel  der  Steigerung",  das  sfch  in  der 
Geschichte  der  Dame  von  der  Quelle  und  auch  in  den  übrigen 
Teilen  des  Red  Book  noch  mehrfach  findet,  ebenfalls  über  die 
Deutung  der  Dreizahl,  wird  noch  an  späterer  Stelle  zu 
reden  sein. 


Damit  seien  diese  allgemeinen  und  stilistischen  Streif- 
züge durch  die  wälsche  Erzählung  vorläufig  abgeschlossen. 

Wie  sich  leicht  aus  der  Menge  des  angeführten  Stoffes 
ergibt,  nehmen  die  eben  zitierten  und  angeführten  Stellen  mit 
ihren  behäbigen,  breiten  Schilderungen,  ihren  mehr  oder 
minder  ausgedehnten  Wiederholungen  einzelner  Ausdrücke,  ja 
vielfach  ganzer  Sätze  und  Satzfolgen,  im  Rahmen  des  Textes 
einen  ziemlich  beträchtlichen  Raum  ein.  Genauer  drückt 
dies  William  H.  Carruth  in  dem  bereits  erwähnten  Artikel 
(Modern  Language  Notes  1889)  aus:  Es  sei  weiter  interessant, 


140  WALTEE   QREINER. 

dals  dieses  „Beiwerk"  (im  Sinne  Försters)  die  Hälfte  des 
Romans  ausmache  und  den  gesamten  Inhalt  des  Mabinogi  bilde. 
Nun  würde  es  zwar  sicherlich  zu  weit  gehen,  diese 
Äulserung  von  Carruth,  die  sich  doch  ebensogut  auf  die 
Kompositionsart  M's  bezieht,  lediglich   für  unsere  bisherigen 

—  rein  formellen  —  Beobachtungen  in  Anspruch  zu  nehmen; 
immerhin  hat  sie  doch  auch  für  diese  Erörterungen  volle 
Gültigkeit. 

Da  nun  all  dem  auf  den  vorhergehenden  Seiten  Hervor- 
gehobenen im  französischen  Roman  rein  nichts  entspricht, 
ergibt  sich  schon  hieraus  ein  weiteres  Beweismittel  gegen  die 
Behauptung,  dafs  die  kymrische  und  die  französische  Ivain- 
bearbeitung  eng  nebeneinander  herlaufen. 

Das  Gleiche  spricht  auch  Wilmotte  in  seiner  Rezension 
der  Othmerschen  Dissertation  aus  (zitiert  bei  Edens  S.  75): 

„Les  differences  de  detail  sont  beaucoup  plus  nombreuses 
que  la  dissertation  ne  le  dit." 

Und  es  sei  auch  hier  unter  ausdrücklichem  Hinweis  auf 
das  in  der  Einleitung  wiedergegebene  Wort  Zenkers  aus 
einem  Briefe  an  den  Verfasser  noch  das  Urteil  wiederholt, 
das  Edens  im  Anschluls  an  die  eben  zitierte  Aufserung  über 
Othmers  Arbeitsmethode  fällt: 

„Duixh  das  Verschweigen  solcher  Abweichungen  wird 
aber  bewirkt,  dals  sich  der  uneingeweihte  Leser  die  Über- 
einstimmung der  beiden  Versionen  viel  weitergehend  denkt 
als  sie  tatsächlich  ist." 

All  die  Bilder,  die  hier  an  uns  vorüberzogen,  sie  stellen 
im  wesentlichen  das  dar,  was  die  Gegner  das  „Beiwerk" 
nennen.  Sie  geben  der  Handlung  als  solcher  —  auch  an  den 
Stellen,  an  denen  sich  beide  Fassungen  näher  als  sonst  stehen 

—  die  besondere  Färbung  und  den  eigenen  Reiz,  der  jedem  auf- 
fällt, der  unbefangen  den  kymrischen  Text  auf  sich  wirken  läfst. 

Und  so  leiten  diese  Bestandteile  recht  eigentlich  über 
zur  Behandlung  der  Frage  nach  den  sogenannten  „keltischen 
Elementen",  die  natürlich  im  Rahmen  dieses  Abschnitts  nur 
insofern  herangezogen  werden  können,  als  sie  nicht  vorzugs- 
weise einer  einzelnen  Episode  angehören  —  das  bleibe  für 
später  — ,  sondern  auf  den  Gesamtverlauf  der  Erzählung  Be- 
ziehung haben. 


OWEIN  —  IVAIN.  141 

Der  Begriff  „keltisch"  mufs  nun  hier  zunächst  eine  Ein- 
schränkung erfahren.  Es  soll  nicht  gesagt  werden,  dafs  all 
das  zu  Behandelnde  letzten  Endes  spezifisch  keltisch,  keltischen 
Ursprungs,  ist  —  innerhalb  der  Grenzen,  die  in  der  Sagen- 
forschung der  Möglichkeit  einer  genauen  Lokalisierung  oder 
Ursprungsergründung  eines  literarischen  oder  Sagenmotivs 
überhaupt  gezogen  sind  —  ich  nenne  vielmehr  in  diesem 
Zusammenhange  „keltisch"  all  die  Eigenheiten,  die  die  kym- 
rische  Fassung  als  solche  kennzeichnen.  Es  ist  also  „keltisch" 
hier  keine  Ursprungsbezeichnung,  sondern  zunächst  ledigliclr«* 
eine  Fundortbezeichnung. 

Selbst  die  unwiderlegliche  Tatsache,  dafs  wir  überaus 
charakteristische  Eigentümlichkeiten  schon  in  der  Form  der 
kymrischen  Erzählung  finden,  wird  von  gegnerischer  Seite 
angefochten.  Zwar  liegen  die  schwersten  Angriffe  auf  stoff- 
lichem Gebiete,  —  zn  dem  im  nächsten  Abschnitt  über- 
gegangen werden  soll  —  doch  spielen  ÄuXserungen  wie  die 
in  der  Einleitung  angeführte  von  Othmer  und  die  sich '  in  der 
Ivain-Einleitung  Seite  XXX  findende  Förstersche  („pavillon 
Charge  de  couvrir  la  marchandise")  stark  auf  das  vorliegende 
Gebiet  herüber. 

Vor  der  eigentlichen  Behandlung  der  Hauptfragen  des 
Verhältnisses  Owein-Ivain  seien  noch  einige  Worte  über  den 
Weg,  der  dabei  zu  begehen  sein  wird,  gestattet. 

Es  wurde  schon  oben  (Seite  125)  die  Grundlage  der  ge- 
samten Forschung  nach  einem  Ausspruch  Ph.  Aug.  Beckers 
hergestellt.  Es  handelt  sich  im  engeren  Sinne  darum  —  wie 
schon  in  der  Einleitung  gesagt  wurde  —  die  allgemein  auf- 
fallenden und  doch  so  viel  umstrittenen  Eigentümlichkeiten 
der  kymrischen  Fassung  ihrem  Wesen  nach  zu  untersuchen. 
Diese  Erörterungen  werden  sich  —  um  dem  entworfenen 
Plane  treu  zu  bleiben  —  über  zwei  Abschnitte  verteilen,  von 
denen  der  erste  die  formellen,  stilistischen  oder  allgemeinen 
Beobachtungen  auf  Grund  der  vorliegenden  Auszüge  enthalten, 
der  andere  sich  im  Wesentlichen  in  das  Gebiet  des  Stoff- 
geschichtlichen, des  vielumkämpften  Gebietes  der  Sagen ver- 
gleichung  hinüberbewegen  soll. 

Dieser  Weg,  der  uns  zum  Ergebnis  zu  führen  bestimmt  ist 
wird  in  einer  Beziehung  —  nämlich  auf  die  Verbindung  und 


142  WALTER   GREINER. 

die  Art  der  Verknüpfung  beider  Teile  —  zum  ersten  Male 
auf  diesen  Blättern  beschritten.  Untersuchungen,  die  sich  mit 
einzelnen  Gebieten  der  beiden  Hauptteile  befassen,  sind  da- 
gegen mehrfach  vorhanden  und  sollen  bei  der  Zusammen- 
fassung der  Ergebnisse  in  gebührender  Weise  herbeigezogen 
werden. 

Es  ist  natürlich  dabei  —  das  sei  noch  einmal  hervor- 
gehoben —  an  einen  unbefangenen  Beobachter  gedacht,  dessen 
Blick  —  um  Becker  einen  gegen  die  Verfechter  der  Unab- 
hängigkeit geschleuderten  Ausdruck  (wenn  auch  nicht  mit 
voller  Schärfe!)  zurückzugeben  —  noch  nicht  durch  irgend 
welche  Vorurteile  beeinflufst  (bei  Becker  heilst  es:  „durch 
das  Phantom  der  Unabhängigkeit  getrübt",  L.  g.  r.  Ph.  1913 
Spalte  26)  ist. 

Es  mufs  immer  wieder  unbedingt  daran  festgehalten 
werden,  dafs  eine  Erörterung  des  Verhältnisses  beider  Fas- 
sungen notwendig  von  einer  vergleichenden  Gegenüberstellung 
beider  Werke  auszugehen  hat.  Dies  ist  in  der  Tat  die  einzige 
Grundlage,  die  sich  bietet.  Dafs  man  auf  ihr  allein  fufsend 
die  ganze  Frage  nicht  restlos  lösen  kann,  wurde  schon  oben 
gesagt.  Das  spricht  aber  keinesfalls  gegen  die  Brauchbarkeit 
der  Methode  zur  Erschliefsung  des  durch  sie  zugänglichen 
Teiles. 

Schwere  Vorwürfe  wurden  —  ich  denke  aus  der  Reihe 
der  jüngsten  Veröffentlichungen  hierbei  namentlich  an  den 
letzten  Streitartikel  Wendelin  Försters  in  der  Behrensschen 
Zeitschrift,  der  bekanntlich  an  Zenkers  „Mabinogionfrage"  an- 
knüpft, —  in  fast  ununterbrochener  Folge  von  Förster  und 
einem  Teile  seiner  Anhänger  gegen  alle  diejenigen  erhoben, 
die  diese  —  einzig  mögliche  und  richtige  —  Basis  einer 
Klärung  der  Frage  annahmen.  Sie  wurde  von  dieser  Seite 
her  —  was  schlielslich  den  Eingeweihten  nicht  überrascht  — 
«  von  Grund  auf  verworfen  und  dies  zum  Teil  mit  Ausdrücken, 
die  sich  oft  nicht  unwesentlich  über  den  Rahmen  dessen 
hinausbewegen,  was  bisher  im  Streite  der  Meinungen  guter 
Brauch  war.  So  heilst  es  einmal,  —  wenn  ich  mich  recht 
erinnere  in  eben  diesem  Artikel  —  man  begnüge  sich  damit, 
den  alten  Unsinn  immer  und  immer  wieder  aufzufrischen,  und 
was  dergleichen  Äufserungen  mehr  sind,  von  Beckers  ^home- 


OWEIN  —  rVAlN.  143 

rischem  Gelächter",  das  ja  durch  Zenker  die  gebührende 
Antwort  fand,  ganz  zu  schweigen. 

Demgegenüber  sei  zum  Schluls  dieser  Bemerkungen  aufs 
entschiedenste  betont,  dafs  es  für  den,  der  dazu  beitragen 
will,  das  Verhältnis  unserer  beiden  Fassungen  zu  ergründen, 
keinesfalls  letzten  Endes  darauf  ankommen  kann,  all  die  zahl- 
reichen, sich  in  fast  ununterbrochener  Folge  wiederholenden 
Behauptungen  und  Angriffe  Försters  zu  widerlegen,  ihnen  im 
einzelnen  nachzugehen  und  auf  ihnen  die  Untersuchung  auf- 
zubauen. 

Es  gibt  eben  für  die  vorliegende  und  alle  Untersuchungen, 
die  sich  auf  diesem  Gebiete  bewegen,  nur  die  eine  und  einzige 
Basis,  die  oben  vorgezeichnet  wurde.  Und  so  sei  erklärt,  dafs 
jede  weitere  Diskussion  von  vornherein  ergebnislos  bleiben 
wird  und  mufs,  solange  uns  die  Gegner  nicht  auf  die  aus 
ihren  eigenen  Reihen  (Becker!)  heraus  gebilligte  und  auf- 
gestellte Grundlage  folgen. 

Es  ist  eine  irrtümliche  Anschuldigung,  die  Förster  erhebt 
und  die  sich  auch  bei  Becker  findet,  wenn  es  heilst,  dafs 
diejenigen,  die  die  Unabhängigkeit  M's  verfechten,  letzten 
Endes  dahin  streben,  die  Bedeutung  Chrestiens  —  „des 
genialen  Sohnes  der  Champagne",  sagt  Becker  einmal  —  zu 
schmälern. 

Ich  habe  schon  im  Vorwort  den  Leitgedanken  dieser 
Untersuchung  niedergeschrieben.  Es  heifst  dort  am  Ende, 
und  damit  stimme  ich  vollständig  mit  Windisch  überein: 

„Ehre  dem  Franzosen,  der  uns  Kunstwerke  hohen,  un- 
vergänglichen Wertes  schuf  — . 

Ehre  aber  auch  dem  Kymren,  der  uns  Kunde  gab  von 
alten,  längst  verschollenen  Formen  der  Sage." 


Es  wurde  schon  oben  gesagt,  dafs  der  auffällige  Längen- 
unterschied der  beiden  Werke,  insbesondere  damit  der  geringe 
Umfang  des  Mabinogi  im  Vergleiche  zu  dem  Roman  Chrestiens 
auf  zwei  Hauptursachen  zurückzuführen  sei. 

Von  diesen  erwähnten  Gründen  würde  der  zweite,  der 
sich  also  auf  das  bezieht,  was  oben  als  „Tempo  der  Erzählung" 
kurz  bezeichnet  wurde,  hier  vorzugsweise  in  Frage  kommen. 


144  WALTER   GREIN  ER, 

während  die  Erörterung  der  anderen  Beobachtung,  dafs  M. 
Kürzungen  aufweist,  die  sich  über  ganze  Abenteuer,  ja 
Abenteuerfolgen  erstrecken,  im  Zusammenhange  mit  den  Fragen 
der  Komposition,  mit  den  Erörterungen  der  Stoffgeschichte 
und  Motivwandlung  betrachtet  werden  soll. 

Es  ist  zweifellos  richtig,  wenn  Becker  im  Literaturblatt 
inbezug  auf  die  Abweichungen  und  Eigenheiten  M's,  von 
denen  ja  bisher  nur  der  formelle  Teil  und  dieser  wiederum 
lediglich  als  statistisches  Material  in  Frage  kam,  sagt: 

„Nun  ist  aber  der  springende  Punkt  nicht  lediglich  die 
Konstatierung  dieser  Abweichungen,  sondern  die  Frage,  ob 
durch  sie  eine  völlige  Verschiedenheit  der  kymrischen  Fassung 
postuliert  wird." 

Ich  möchte  die  weiteren  Betrachtungen  anschlief sen  an 
die  der  eben  zitierten  Äulserung  unmittelbar  folgenden  Worte 
aus  ebendemselben  Artikel,  in  denen  behauptet  wird: 

Der  Kymre  habe  nicht  nur  die  bei  der  Übertragung 
eines  poetischen  Werkes  in  die  Prosa  und  bei  der  Über- 
tragung eines  Werkes  in  eine  fremde  Sprache  unumgänglich 
notwendigen  Modifizierungen  vorgenommen,  sondern  „er  hat 
die  G-eschichte,  die  er  wiedergab,  frei  umschrieben  und  stark 
reduziert,  wobei  er  teilweise  nachlässig  änderte  und  teilweise 
systematisch  umgestaltete." 

Damit  ist  der  Inhalt  des  Folgenden  gegeben  als  die 
Behandlung  der  Frage  nach  der  Berechtigung  der  Beckerschen 
Behauptung,  als  eine  Darstellung  des  Gesamtcharakters  des 
kymrischen  Berichtes. 

Die  früher  —  in  den  Kinderjahren  der  Mabinogion- 
forschung  —  weitverbreitete  ^nsicht,  dals  man  es  in  unserem 
Bericht  mit  einem  Literaturwerke  aus  einem  weit  vor  dem 
Chrestiens  zurückliegenden  Zeitabschnitt  zu  tun  habe,  ist  ja 
durch  die  neueren  und  neusten  Ergebnisse  der  keltistischen 
Forschung  endgültig  zerstört  worden.  Darauf  habe  ich  schon 
in  der  Einleitung  hingewiesen. 

Auch  dafs  man  in  der  uns  vorliegenden  Fassung  M's 
nicht  einen  Überlebenden  aus  weitentschwundeneii  Zeiten  sehen 
darf,  an  dem  alle  Wandlungen  und  Entwicklungen  ohne 
merklichen  Einflufs  vorübergegangen  sind,  wurde  bereits 
angedeutet. 


OWEIN  —  IVAIN.  145 

Ich  sehe  —  und  damit  stimme  ich  wieder  mit  Windisch 
überein  —  im  Mabinogi  nicht  ein  Beispiel  ursprünglichster 
Erzählungskunst,  ein  schlichtes  Volksmärchen  von  ungetrübter 
Reinheit,  als  welches  man  ja  zeitweise  den  reizvollen  kymrischen 
Bericht  aufzufassen  geneigt  war,  sondern  ich  meine,  dafs  sich 
leicht  darlegen  läfst,  dafs  unser  Text  eine  in  gewissem  Sinne 
kunstmälsige  Bearbeitung  durch  eine  oder  mehrere  Mittels- 
personen erfahren  hat. 

Nimmt  man  mit  Windisch  —  der  bekanntlich  bei  der 
Frage  nach  der  „Divergenz"  (ich  wähle,  wie  schon  früher, 
diesen  Ausdruck  hier  lediglich  der  Kürze  halber;  dafs  er  das 
wahre  Verhältnis  niclit  unbedingt  trifft,  wurde  ja  gezeigt)  sich 
darüber  äufsert  —  die  Möglichkeit  einer  zeitweisen  Über- 
lieferung von  Mund  zu  Mund  an,  einer  Überlieferung  also, 
bei  der  sich  die  starren  Formen  des  durch  die  Schrift  fixierten 
Wortes  auflösen,  Leben  und  Wandlungsfähigkeit  bekommen, 
dann  wird  man  sich  dieser  Ansicht  nicht  verschlielsen  können. 
Es  dürfte  überflüssig  sein,  hier  auf  die  Grundgesetze  ein- 
zugehen, nach  denen  sich  ein  Motiv  unter  den  Händen 
verschiedener  Interpreten  wandelt,  zumal  einzelne  der  dabei 
wirksamen  Faktoren  noch  im  späteren  Verlaufe  der  Unter- 
suchung herangezogen  werden. 

Es  gilt  vielmehr  hier  zunächst  einmal  den  oben  erwähnten 
Spuren  kunstmäfsiger  Bearbeitung  nachzugehen. 

Ich  sehe  diese  hauptsächlich  an  zwei  Stellen.  Auf  die 
eine  —  im  Verlaufe  des  Textes  an  zweiter  Stelle  stehende  — 
wurde  schon  oben  hingewiesen.  Sie  findet  sich  bei  der  Schil- 
derung von  Oweins  Gefangenschaft  im  Schlofs  der  Laudine. 

21, 17  „A  ce  moment  ils  (Owein  und  die  Zofe)  entendirent 

de  grands  cris  dans  le  chäteau". 
21, 24  „Vers  minuit  ils  entendirent  des  cris  pergants." 
22,3     „Un   peu   apres   le   jour   retentirent   des   cris   et  des 

lamentations  d'une  violence  inexprimahle.'* 

In  den  drei  sich  innerhalb  eines  verhältnismälsig  kurzen 
Textabschnittes  —  es  ist  bei  Loth  knapp  3/^  Seite  —  folgen- 
den Sätzen,  die  alle  die  gleiche  Tatsache  erzählen,  nämlich 
die,  dafs  die  Schlolsbe wohner  ihrem  Schmerz  über  den  Tod 
des  Ritters  lauten  Ausdruck  verleihen,  ist  nun  von  dem  oben 

Zeitschrift  f.  celt.  Philologrie  Xn.  l.  l(j 


146  -WALTER   GREINER, 

angeführten  Prinzip  der  breiten,  behaglichen  Wiederholung 
der  gleichen  Situation  mit  den  gleichen  Worten  in  klug  be- 
rechnender Absicht  abgewichen  worden. 

Jede  der  beiden  auf  den  ersten  Bericht  vom  Schmerz  der 
Schlofsbewohner  folgenden  Stellen  enthcält  gegenüber  der 
vorhergehenden  eine  wohlerwogene  Steigerung  des  Ausdrucks. 
Damit  wird  der  Gefahr  der  Eintönigkeit,  die  sonst  wohl  vor- 
handen gewesen  wäre,  wirksam  begegnet  und  zu  gleicher 
Zeit  ein  zweiter  Zweck  erreicht:  die  Aufmerksamkeit,  die 
Spannung  des  Hörers  wird  auf  ihren  Gipfel  gebracht.  Und 
so  erhält  die  ganze  Schilderung  etwas  Dramatisches,  sie  ver- 
liert sich  nicht  in  der  Eintönigkeit  stereotyper  Wiederholungen, 
sondern  schreitet  zielbewufst  vorwärts,  den  Hörer  durch 
ständige  planmälsige  Steigerung  der  Ausdrucksmittel  dem 
Gipfelpunkt  der  Handlung  zuführend,  der  Neigung  Oweins  zu 
Laudine : 

23, 14  „En   la  voyant  Owein  s'enflamma  de  son  amour  au 
point  qu  'il  en  etait  parfaiteraent  penetre." 

Dieses  „Kunstmittel  der  Steigerung",  wie  ich  es  nennen 
möchte,  findet  sich  aber  in  unserem  Texte  noch  des  öfteren 
verwendet.  Ich  denke  hierbei  weniger  an  die  Stellen  nament- 
lich im  ersten  Teile  des  kymrischen  Berichtes,  von  denen 
schon  oben  die  Rede  war  und  deren  Schema  sich  etwa  so 
ausdrücken  läfst: 

„Dies  oder  das  war  viel  eindrucksvoller  und  überraschender 
für  mich,  als  ich  es  nach  den  Angaben,  die  man  mir  machte, 
erwarten  konnte"  —  von  diesen  soll  später  die  Rede  noch 
einmal  sein. 

Es  handelt  sich  vielmehr  hier  zunächst  um  zwei  weitere 
Stellen,  an  denen  der  Kymre  im  Gegensatz  zu  der  uns  in 
Chrestiens  Roman  überlieferten  Gestalt  den  Ausdruck  dahin 
steigert,  dals  er  —  um  einmal  ein  Wort  aus  dem  Laokoon 
zu  gebrauchen,  den  „fruchtbarsten  Augenblick"  wählt.  Wie, 
was  sich  ohne  weiteres  ergibt,  seine  Schilderungen  an  Lebendig- 
keit, an  Kraft  des  Eindrucks  auf  den  Hörer  gewinnen,  ist  ja 
dort  gesagt  worden. 

Nun  zu  unseren  beiden  Texten  selbst!  Die  in  Frage 
kommenden  Stellen  finden  sich  in  der  ersten  Hälfte  der  Ivain- 
geschichte. 


OWEIN  —  IVAIN.  147 

Wem  es  gelingt,  die  Gewitterquelle  zu  erreichen  und. 
das  in  der  vorgeschriebenen  Weise  erregte  Unwetter  ohne 
schwere  Gefährdung  seines  Lebens  zu  überstehen,  dem  wird 
ein  gar  köstlicher  Genufs  zuteil  in  dem  lieblichen  Gesang  der 
Vögel,  die  sich  auf  dem  Baume  niedersetzen.  Die  Freude 
des  Hörers  wird  aber  bald  gestört  durch  das  Erscheinen  des 
kampfbereiten  Verteidigers  der  Quelle.  Dieser  Verlauf  der 
Handlung  ist  ja  zu  bekannt,  es  genüge  hier  diese  kurze 
Skizzierung. 

Chrestien  gibt  von  dem  Eindruck,  den  der  herrliche 
Gesang  (der  bekanntlich  v.  472  servise  ==  „Gottesdienst"  ge- 
nannt wird)  auf  den  lauschenden  Eitter  macht,  die  folgende 
Schilderung: 

470   „De  lor  joie  me  resjoi, 

S'ecoutai  tant  qu'il  orent  fet 

Lor  servise  trestot  a  tret; 

Qu'ains  mes  n'o'i  si  bele  joie,i) 

Ne  mes  ne  cuit,  que  nus  hon  l'oie, 
475  Se  il  ne  va  oir  cell, 

Qui  tant  me  plot  et  abeli, 

Que  je  m'an  dui  por  fol  tenir. 

Tant  i  fui  que  j'oi  venir 

Chevaliers "  usw. 

An  der  entsprechenden  Stelle  bei  Ivains  Zug  nach  der 
Quelle  heilst  es  kurz: 

808 „vindrent  li  oisel 

Es  firent  joie  merveilleuse 
Sor  la  fontainne  perilleuse. 
Ainz  que  la  joie  fust  remese, 
Vint,  d'ire  plus  ardanz  que  brese, 
Li  Chevaliers " 

Der  Kymre  hingegen  rühmt  in  gleicher  Weise  wie  Chrestien 
in  der  durch  die  Anmerkung  besonders  hervorgehobenen  Stelle 
die  überwältigende  Schönheit  des  Gesanges,  geht  aber  dann 

')  Übrigeng  eine  weitere  wörtliche  Übereinstimmung  mit  Mab.  13, 14: 
.  .  .  „je  suis  3ür,  Kei,  de  n'avoir  jamais  entendu,  ni  avaut  ni  apres,  de 
musique  comparable  k  celle-lä". 

10* 


148  WALTER    GUEINER, 

in  der  Kunst  der  dramatischen  Schilderung  über  den  Bericht 
des  Franzosen  hinaus.    Gegenüber  dem  matten  und  farblosen 

478   „tant  i  fui  que  j'oi  venir" 

verleiht  er  der  ganzen  Schilderung  erhöhtes  Leben  dadurch, 
dafs  er  den  Begriff  der  Steigerung  einführt.  Mit  sicherem 
Blick  für  das  Wirksamere  Wcählt  er  für  das  Erscheinen  des 
schwarzen  Ritters  den  Augenblick,  den  —  es  sei  noch  einmal 
auf  den  Laokoon  zurückgegriffen  —  auch  der  Maler  wählen 
würde,  wenn  er  das  reizvolle  Idyll  im  Bilde  darstellen  sollte: 

Voller  Freude  lauscht  der  Ritter  den  ersten  Tönen,  die 
aus  den  Zweigen  zu  ihm  dringen;  mehr  und  mehr  steigert  sich 
sein  Entzücken  über  den  unerwarteten  Genufs,  und  als  es 
seinen  Höhepunkt  erreicht  hat,  als  er  völlig  im  Lauschen  ver- 
sunken dasteht,  —  da,  in  eben  diesem  Augenblick  erscheint 
der  Ritter. 

So  malt  es  der  Bericht  des  Kymren: 

13, 16   „Au  moment  oü  je  prenais  le  plus  de  plaisir  ä  les 
entendre,  voilä  des  plaintes  venant  vers  moi  .  .  .", 

und  an  der  entsprechenden  Stelle  heilst  es: 

17,29   „Au  moment  oü  il  prenait  le  plus  de  plaisir  ä  leur 
chant,  il  vit  un  Chevalier  ..." 

Dabei  sei  noch  darauf  hingewiesen,  dafs  die  „plaintes" 
—  von  deren  Bedeutung  noch  zu  reden  sein  wird  —  einen 
weit  wirksameren  Gegensatz  zu  dem  Vorhergehenden  bilden 
als  das  Lärmen 

481   „Tel  noise  et  tel  fraint  demenoit 
Uns  seus  Chevaliers,  qui  venoit" 

des  Ritters  bei  Chrestien. 

Die  andere  Stelle,  an  der  ich  im  Berichte  des  Kymren 
eine  kunstmäfsige  Bearbeitung  sehen  möchte,  würde  im 
wesentlichen  vom  gleichen  Standpunkt  aus  zu  bewerten  sein. 

Ich  meine  hier  Mab.  18, 13  f  =  Chr.  942,  die  Beschreibung 
von  der  Verfolgung  des  todwunden  Ritters  durch  Ivain.  Sie 
erreichen  beide  das  für  den  Fliehenden  Rettung  bietende 
Schlols  und  durchjagen  den  Torraum  mit  dem  gefährlichen 
Fallsratter: 


OWEIN  —  IVAIN.  149 

942    „Que  li  chevaus  marcha  le  fiist, 

Qui  tenoit  la  porte  de  fer. 

Aussi  con  deables  d'  anfer 
945    DesQant  la  porte  contreval, 

S'ataint  la  sele  et  le  cheval 

Deriere  et  tranche  tot  parmi; 

Mes  ne  tocha,  la  De  merci, 

Mon  seignor  Ivain  fors  que  tant, 
950    Qu'au  res  del  dos  li  vint  reant. 

Si  qu'anbedeus  les  esperons 

Li  trancha  au  res  des  talons." 

So  entgeht  also  Ivain  mit  knapper  Not  dem  sicheren 
Tode.  Der  Kymre  läfst  den  Verfolger  noch  etwas  glücklicher 
sein  und  beweist  zugleich  einen  schärferen  Blick  für  die 
Situation.  Ich  erinnere  aus  den  eben  angeführten  Zeilen 
daran,  dafs  der  glückliche  Ausgang  für  den  Helden  nur  da- 
durch herbeigeführt  wurde,  dafs  sich  Ivain  weit  vorbeugt, 
um  den  Gegner  am  Sattelbogen 

937  ...  „a  l'arQon  deriere  le  tint" 
zu  fassen.  Vergegenwärtigt  man  sich  diese  Lage,  so  erscheint 
es  glaubhafter,  dafs  lediglich  die  letzten  Ausläufer  der  Sporen, 
die  Sporenrädchen  („les  molettes  des  eperons"  18,  15)  ge- 
troffen werden  als  diese  selbst.  Im  letzteren  Falle  dürfte  es 
kaum   ohne  eine  Verletzung  des  Verfolgers  abgegangen  sein. 

Damit  schliefse  ich  diese  Erörterungen  und  wende  mich 
im  folgenden  zur  Behandlung  der  oben  skizzierten  Frage 
nach  dem  Allgemeincharakter  M's. 

Hierüber  liegen  nun  aus  früheren  —  älteren,  neueren 
und  neuesten  —  Veröffentlichungen  mehrere  Urteile  vor,  die 
zu  berücksichtigen  sein  werden.  Sicher  ist,  —  das  dürfte  aus 
all  dem  bisher  Besprochenen  zur  Genüge  hervorgehen  und 
wird,  namentlich  was  das  Stoifliche  anbetrifft,  noch  des 
weiteren  erörtert  werden  —  dafs  der  kymrische  Bericht  keines- 
falls den  Eindruck  einer  Übersetzung  oder  Übertragung  macht. 
Demgegenüber  könnte  der  Einwand  erhoben  werden,  dafs  es 
der  Kymre  verstanden  habe,  all  die  Spuren,  die  auf  eine 
solclie  Arbeitsweise  schliefsen  lassen,  sorglich  zu  tilgen.   Dafs 


150  WALTER    GREINER, 

davon  keine  Rede  sein  kann,  hat  schon  Brown  gegen  Ende 
seiner  letzten  Abhandlung  (On  the  independent  character  of 
the  Welsh  Owein)  erklärt,  worauf  ich  noch  zurückzukommen 
gedenke. 

Es  sei  begonnen  mit  der  Besprechung  der  oben  ange- 
führten Beobachtungen  und  allgemeinen  Ergebnisse. 

Es  war  gezeigt  worden,  dals  das  Mabinogi  eine  Reihe  von 
Eigentümlichkeiten  formeller  Art  hat,  denen  im  französischen 
Roman  nichts  entspricht.  Waren  diese  Eigentümlichkeiten 
oben  lediglich  statistisches  Material,  so  soll  im  folgenden  auf 
ihr  Wesen  etwas  näher  eingegangen  werden.  Es  wird  sich 
dabei  allerdings  nicht  vermeiden  lassen,  die  scharfen  Grenzen, 
die  diesem  Abschnitt  anfänglich  gezogen  waren,  das  eine  oder 
andere  Mal  zu  überschreiten,  um  aus  dem  Stofflichen  einiges 
heranzuziehen,  im  allgemeinen  aber  sollen  sich  diese  Er- 
örterungen noch  auf  formellem  Gebiete  bewegen. 

Von  der  äufseren  Form  des  kymrischen  Berichtes  sei 
zunächst  gesagt,  dals  sich  in  seinem  Verlaufe  an  verschiedenen 
Stellen  Spuren  deutlicher  Abschnitte  noch  heute  erkennen 
lassen.  Ich  habe  oben  schon  bei  der  Gegenüberstellung 
gelegentlich  auf  die.se  bereits  von  anderer  Seite  festgestellte 
und  erörterte  Tatsache  hingewiesen. 

Bekanntlich  schliefst  die  Schilderung  der  Hochzeit  Oweins 
und  der  Dame  von  der  Quelle  im  Mabinogi  mit  den  Worten: 

„Owein  garda  la  fontaine  avec  lance  et  epee,  voici 
comme:  tout  Chevalier  qui  y  venait,  il  le  renversait  et  le 
vendait  pour  tonte  sa  valeur.  Le  produit,  il  le  partageait 
entre  ses  barons  et  ses  Chevaliers;  aussi  n'y  avait-il  personne 
au  monde  plus  aime  de  ses  sujets  que  lui.  II  fut  ainsi 
pendant  trois  annees"  (27,  15). 

Die  Fortsetzung  des  Berichtes  lautet  sodann: 

„Un  jour  que  Gwalchmei  se  promenait  avec  l'empereur 
Arthur,  il  jeta  les  yeux  sur  lui  et  le  vit  triste  et  sou- 
cieux"  (28,3). 

Eine  spätere  Stelle  —  die  Schilderung  des  Abschieds 
Oweins  von  der  Dame  von  der  Quelle  —  bietet  das  gleiche 
Bild: 


OWEIN  —  IVAIN.  151 

„Ovvein  alla  avec  Arthur  dans  l'ile  de  Bretagne.  Une 
fois  arrive  au  milieu  de  ses  compatriotes  et  de  ses  compag- 
nons  de  festins,  il  resta  trois  annees  au  lieu  de  trois 
mois"  (33,6). 

Der  Fortgang  lautet  dann  wieder: 

„Owein  se  trouvait,  un  jour,  ä  table  ä  Kaer  Llion  sur 
Wysc"  (33,10). 

Dazu  kommen  noch  die  folgenden  Belege: 
„C'est  ainsi  qu'ils  sauverent  Lunet  du  feu"  (43,2). 

Diesen  Schlufssatz  möchte  ich  in  Parallele  setzen  —  als 
typischen  Märchenausgang  —  zu: 

„Cette  histoire  s'appelle  l'histoire  de  la  Dame  de  la 
fontaine"  (45,14). 

„Owein  et  Lunet  allerent  ensemble  aux  domaines  de  la 
Dame  de  la  Fontaine;  et,  quand  il  en  sortit,  il  emmena  la 
dame  avec  lui  ä  la  cour  d'Arthur,  et  eile  resta  sa  femme 
tant  qu'elle  vecut'-  (43, 3). 

„Owein  resta,  ä  partir  de  la,  ä  la  cour  d'Arthur,  comme 
Penteulu,  tres  aime  d'Arthur,  jusqu'ä  ce  qu'il  retourna 
vers  ses  vassaux,  c'est -ä-dire  les  trois  cents  epees  de  la 
tribu  de  Kynvarch  et  la  troupe  des  corbeaux.  Partout  oü 
il  allait  avec  eux,  il  etait  vainqueur"  (45, 8). 

Man  wird  hier  einwenden,  dafs  —  abgesehen  einmal  von 
den  letzten  vier  Sätzen  (43, 2  f.),  die  ja  deutlich  den  Charakter 
eines  formelhaften  Schlusses  volkstümlicher  Erzählung,  des 
Märchens,  tragen  —  die  Anknüpfung  eines  neuen  Geschehnisses 
mit  unbestimmten  Ausdrücken  wie  un  jour  que  u.  a.  m.  im 
Mabinogi  auch  sonst  wiederkehre  und  sich  dabei  auf  Stellen 
berufen  wie: 

34,9  „II  descendit  de  la  montagne  ä  la  vallee  et  se 
dirigea  vers  uu  parc,  le  plus  beau  du  monde,  qui 
appartenait  ä  une  comtBsse  veuve. 

Un  jour,  la  comtesse  et  ses  suivantes  allerent  se 
promener  au  bord  de  l'etang  qui  etait  dans  le  parc. 
jusqu'ä  la  hauteur  du  milieu  de  Teau." 


152  WALTER   GREINER, 

Es  leuchtet  aber  ohne  weiteres  ein.  dals  zwischen  der 
letzten  und  den  oben  angeführten  Stellen  ein  Unterschied  von 
grundlegender  Bedeutung  besteht.  Diese  eine  Stelle  mit  dem 
völlig  bedeutungslosen  „un  jour  que"  spricht  aber  keinesfalls 
gegen  die  geäulserte  Ansicht.  Die  Wesens-  bezw.  Ursprungs- 
erörterung dieser  Erscheinung  sei  für  später  vorbehalten. 

Ich  wende  mich  jetzt  dem  eigentlichen  Hauptteile  zu, 
der  Frage  nach  dem  Stilcharakter,  dem  Gesamteindrucke  des 
Mabinogi. 

Versucht  man  einmal  den  kymrischen  Text  an  sich  zu 
überdenken,  strebt  man  danach,  sich  einmal  freizumachen 
von  allen  vergleichenden  oder  abwägenden  Betrachtungen 
inbezug  auf  Chrestiens  Werk,  so  dürfte  sich  etwa  der  folgende 
Gesamteindruck  M's  ergeben: 

„Le  Mabinogi  fait  l'impression  d'une  oeuvre  naive,  ecrite 
par  un  conteur  disposant  d'un  fond  d'idees  restraint  et  ä  qui 
les  conceptions  et  les  expressions  de  la  poesie  populaire  sont 
f  amilieres."  i) 

Diesem  —  ebenso  einfachen  und  im  ganzen  treffenden  — 
Urteil  möchte  ich  die  weiteren  Erörterungen  anschliefsen. 
Dafs  ich  nicht  völlig  auf  seinem  Boden  stehe,  ist  den  oben 
gegebenen  Ausführungen  über  die  Stellen,  an  denen  ich  eine 
kunstmäfsige  Bearbeitung  zu  sehen  glaube,  zu  entnehmen. 
Weit  davon  entfernt,  den  Kymren  nun  etwa  über  den  Dichter 
zu  erheben,  meine  ich  doch,  dafs  der  Ausdruck  „fond  d'idees 
restraint"  vielleicht  doch  etwas  zu  scharf  erscheint. 

Es  wurde  schon  oben  gesagt,  dafs  die  Handlung  im 
Mabinogi  knapper  gefafst  ist  als  im  Roman  des  Franzosen. 
In  ruhigem  Flusse,  ohne  Abschweifungen  reflektierender  oder 
moralisierender  Art  reiht  sie  Geschehnis  an  Geschehnis,  und 
diese  einfache  Folge  der  Tatsachen  wird  lediglich  unter- 
brochen durch  die  Schilderungen  märchenhafter  Pracht,  die 
oben  angeführt  wurden  und  auf  die  gleich  des  näheren  ein- 
gegangen werden  soll. 

Läfst  man  all  die  glänzenden  Bilder,  die  der  kunstlos 
und  schlicht  erzählten  Handlung  als  schimmernder  Schmuck 
eingefügt  scheinen,  noch  einmal  am  Auge  vorübergleiten,  so 

')  Piquet:  Etüde  sur  Hartraanu  (VAue.    Thise,  Paris  1898. 


OWEIN  —  TVAIN.  lo3 

findet  man  bald  ein  geraeinsames  Band,  das  all  die  über  den 
gesamten  Verlauf  des  Mabinogi  zerstreuten  Schilderungen 
eint.  Der  eigentümliche  Reiz,  der  über  der  ersten  Stelle 
(Kynons  Ankunft  im  gastlichen  Schlofs)  ausgebreitet  liegt, 
ist  dem  ganzen  Texte  eigen.  Ihm  wenden  wir  uns  im  fol- 
genden zu. 

Es  berührt  zunächst  seltsam,  im  ganzen  Texte  nicht 
einen  Versuch  einer  Charakterisierung  einer  handelnden  Person 
zu  finden;  einen  schüchternen  Ansatz,  den  ich  als  eine  spätere 
Hinzufügung  betrachten  möchte,  mag  man  allerdings  in  den 
ersten  Worten  der  Erzählung  des  Kynon  sehen: 

„  J'etais  fils  unique  de  pere  et  de  mere;  j'etais  fougueux, 
d'une  grande  presomption,  je  ne  croyais  pas  qu'il  y  eüt  au 
monde  personne  capable  de  me  surpasser  en  n'importe  quelle 
prouesse.  Apres  etre  venu  ä  bout  de  toutes  Celles  que 
presentait  mon  pays,  je  fis  mes  preparatifs  et  me  mis  en 
marche  vers  les  extremites  du  monde  et  les  deserts"  (5,  9). 

Dies  ist,  wie  schon  gesagt,  die  einzige  Stelle,  an  der 
eine  Charakterschilderung  versucht  wird.  Sonst  beziehen  sich 
all  die  Angaben,  die  eine  nähere  Beschreibung  irgend  einer 
Person  enthalten,  aussei) lief slich  auf  das  Äufsere.  Mit  einer 
Freude  am.  Schönen  und  GMänzenden  berichtet  der  Kymre 
von  den  prächtigen  Gewändern  und  den  kostbaren  Geräten 
und  Waffen.  Und  sieht  man  genauer  zu,  so  findet  sich  ein 
roter  Faden,  der  sich  durch  all  diese  Schilderungen  zieht:  es 
ist  all  den  auftretenden  Peisonen  —  oder  genauer  gesagt, 
einer  später  noch  zu  erörternden  Gruppe  von  Personen  — 
eine  Reihe  von  auf  serlichen  Erkennungszeichen  eigen,  durch 
die  sie  sich  von  den  anderen  Gestalten  deutlich  abheben. 
Es  sei  hier  nur  erinnert  an  die  fast  in  allen  Einzelheiten 
übereinstimmenden  Beschreibungen  der  Jünglinge  und  des 
freundlichen  Ritters  vor  dem  gastlichen  Schlofs,  dann  an 
Laudine,  an  Lunete  u.  a.  m.  In  diesen  äufserlichen  Angaben 
—  von  denen  ja  oben  eine  grofse  Zahl  angeführt  wurde  — 
erhebt  sich  zeitweise  die  Sprache  des  Kymren  aus  dem  trocknen 
Ton  des  —  ich  möchte  fast  sagen  —  Chronisten,  dem  sie 
öfters  bedenklich  nahe  kommt,  zu  lebensvoller  Schönheit  und 
überraschender  Farbenpracht. 


l''>4  WALTER   GREINER. 

Es  sei  hier  noch  einmal  auf  die  Stelle  hingewiesen,  an 
der  die  Schönheit  der  Mädchen  gepriesen  wird:  sie  übertreffen 
selbst  die  als  Ideal  der  Anmut  berühmte  Königin: 

. . .  „la  plus  laide  d'entre  elles  etait  plus  belle  que  la 
jeune  fille  la  plus  belle  que  tu  aies  jamais  vue  dans  l'ile 
de  Bretagne;  la  moins  belle  etait  plus  charmante  que 
Gwenhwyvar,  femme  d'Arthur,  quand  eile  est  le  plus  belle, 
le  jour  de  Noel  ou  le  jour  de  Päques,  pour  la  messe"  (7, 3). 

Dem  stelle  ich  noch  einmal  die  oben  zitierte  Beschreibung 
aus  Kulhwch  et  Ol  wen  zur  Seite: 

. . .  „le  coursier  etait  plus  prompt  que  la  chute  de  la 
premiere  goutte  de  rosee  de  la  pointe  du  roseau  sur  le  sol 
au  moment  oü  eile  est  le  plus  abondante  au  mois  de  juin". 

Dies  sind  Bilder  von  fast  bestrickender  Pracht,  wie  wir 
sie  im  Roman  vergeblich  suchen.  Wie  schon  gesagt  wurde, 
wiederholen  sich  die  gleichen  Ausdrücke,  die  gleichen  Um- 
schreibungen namentlich  in  dem,  was  ich  die  Quellengeschichte 
nennen  möchte,  mehrfach,  ohne  in  das  Einerlei  stereotypen 
Wortgeklingels  zu  verfallen.  Und  dafs  diese  Gefahr  vermieden 
wird,  liegt,  sagte  ich,  an  dem  Kunstmittel  der  Steigerung. 

Gegenüber  diesem  Reichtum,  ja  Überflufs  an  äufserlichen 
Schilderungen  fällt  der  Mangel  einer  jeden  Individualisierung 
der  handelnden  Personen  durch  den  Kymren  mehr  und  mehr 
auf.  Es  ist  ein  unbestreitbares  Verdienst,  ein  grofser  Vorzug 
Chrestiens,  dals  er  zu  den  Taten  und  Gestalten,  die  er 
schildert,  in  ein  persönliches  Verhältnis  tritt,  ihre  Handlungen 
mit  reflektierenden  Betrachtungen  begleitet.  Die  Schönheit 
dieser  Stellen  —  in  Ermangelung  einer  besseren  wolle  man 
sich  des  oben  wiedergegebenen  Exkurses  über  die  Aufmerk- 
samkeit erinnern  (v.  150-175)  —  ist  einem  jeden  bekannt, 
der  sich  in  die  Meisterwerke  des  Dichters  vertieft.  Mag  auch 
gelegentlich  einmal  —  vielleicht  sogar  vielfach  —  der  reine 
Genufs  durch  eine  etwas  ermüdende  Subtilität  und  durch 
Haarspaltereien  und  Spitzfindigkeiten  getrübt  sein,  wir  möchten 
doch  diese  reflektierenden  Teile  in  den  Schöpfungen  Chrestiens 
nicht  missen.  An  mehreren  Stellen  —  auf  sie  wurde  oben 
in  der  Gegenüberstellung  hingewiesen  —  finden  sich  bei  ihm 
Charakterschilderungen  insbesondere  der  Helden.    Ich  erinnere^ 


IVAIN  —  OWEIN.  155 

hier  nur  an  das  Gespräch  zwischen  Ivain  und  der  Zofe  im 
Torraum  (hier  wird  des  Helden  ritterlicher  Sinn  der  beim 
höfischen  Feste  allgemein  zurückgesetzten  und  unbeachteten 
Lunete  gegenüber  gepriesen),  dann  an  die  —  wenn  auch  nur 
kurze  —  Charakteristik  des  Verhältnisses  der  Zofe  zu  der 
Herrin,  die  der  Schilderung  der  diplomatischen  Mission  Lunetes 
vorangeht  und  die  man  allerdings  nicht  gern  missen  möchte. 

Von   alle   dem   hat  M.  rein  nichts.    Als  dem  Owein  die 
Notlage  der  verwitweten  Gräfin,  die  der  Graf  Alier  hart  be- 
drückt, berichtet  wird,  hat  er  für  sie  lediglich  die  Worte: 
„C'est  triste"  (35, 23). 

Und  ebenso  heilst  es  bei  der  Erwähnung  der  Qualen  des 
Vaters,  dem  die  beiden  Söhne  durch  den  Riesen  geraubt  sind: 
„C'est  assurement  triste,  dit  Owein"  (41,1). 

An  Stellen  gleicher  \\t  —  da  mir  die  Auszüge  aus 
Geraint -Erec  nicht  mehr  vorliegen,  kann  ich  es  nicht  durch 
Beispiele  erhärten  —  dürfte  Othmer  auch  vorzugsweise 
gedacht  haben,  wenn  er  dem  Kymren  gegen  das  Ende  hin 
Nachlässigkeit  oder  steigende  Unlust  am  Stoff  vorwarf. 
(Damit  soll  aber  keinesfalls  gesagt  werden,  dafs  sich  die 
Othmersche  Behauptung  ausschliefslich  auf  diese  oder  ähnliche 
Textstellen  stütze.)- 

Wie  diese  Erscheinung  auf  andere  Weise  folgerichtiger 
und  im  Zusammenhang  mit  all  den  anderen  Erscheinungen 
erklärt  werden  kann,  davon  wird  gleich  die  Rede  sein. 

Ich  möchte  nun  die  weitere  Behandlung  der  Frage  nach 
dem  Charakter  M's  dahin  präzisieren,  dafs  der  Gegenstand 
des  folgenden  Abschnitts  der  Untersuchung  der  Stellung  M's 
innerhalb  der  Literaturgattungen  gewidmet  sein  soll.  Welcher 
Dichtungsform  gehört  das  Mabinogi  an? 

Schon  Piquet  sagte  —  die  Äufserung  wurde  oben  an- 
geführt — ,  dafs  wir  uns  als  Kompilator  M's  jemanden  zu 
denken  haben, 

.,ä  qui  les  expressions  de  la  poesie  populaire  sont  familieres." 

Diese  Worte  schlielsen  allerdings  die  Möglichkeit  nicht 
aus,  dafs  —  um  einmal  zu  der  Grundfrage  der  Arbeit  selbst 
mich  zu  wenden  —  eine  zielbewufste  Bearbeitung  und  Um- 
gestaltung des  durch  Chrestien  bekannt  gewordenen  Stoffes 
nach  der  Seite  des  Volkstümlichen  hin  stattgefunden  habe. 


156  WALTER    GREINRR. 

Gegen  diese  Annahme  erheben  sich  jedoch  schwere 
Bedenken. 

Zunächst  spricht  der  oben  erörterte  Längenunterschied 
der  beiden  Werke  dagegen.  Es  war  das  Prinzip  der  Bearbeiter 
jener  Zeiten,  die  überlieferten  oder  übernommenen  Stoffe  durch 
Hinzufügung  von  Eigenem  oder  anderweit  Entlehntem  zu 
erweitern.  Dies  konnte  umso  leichter  geschehen,  als  man 
über  Entlehnungen  weit  weniger  streng  dachte  als  in  unseren 
Tagen.  So  war  es  leicht  möglich  und  wurde  zum  oft  geübten 
Brauch,  Episode  um  Episode  einem  überlieferten  Stoffe  an- 
oder einzufügen.  Dieses  Verfahren  der  Erweiterung  über- 
nommener Motive  und  Stoffe  ist  ja  aus  dem  in  Frage 
kommenden  Zeitabschnitt  zu  bekannt,  als  dals  noch  längere 
Erörterungen  nötig  wären.  Um  so  seltsamer  aber  mutet  es 
an,  für  das  Verhältnis  unserer  beiden  Texte  gerade  das  vom 
Gewöhnlichen  abweichende  Verfahren  anzunehmen,  M.  als  eine 
vorsätzlich  kürzende  Bearbeitung  des  französischen  Romans 
zu  betrachten,  zumal  das  Mabinogi  auf  mich  (und  darin 
stehen  mir  viele  Ansichten  zur  Seite)  keinesfalls  den  Eindruck 
einer  gekürzten,  zusammenfassenden  Übertragung  oder  Be- 
arbeitung macht 

Im  gleichen  Sinne  äufsert  sich  Windisch  a.  a.  0.  S.221: 

„Zuerst  habe  ich  bei  einer  Vergleichung  des  kymrischen 
Ovveintextes  mit  dem  altfranzösischen  Ivaintexte  die  Über- 
zeugung gewonnen,  dafs  keiner  dieser  beiden  Texte  vom 
anderen  abhängig  ist,  wenn  wir  nicht  annehmen  wollen,  dafs 
der  Nacherzähler  seine  Worte  absichtlich  so  ganz  anders 
gewählt  habe,  um  seine  Abhängigkeit  nicht  erkennen  zu  lassen. 
Die  Verschiedenheit  in  der  Art  der  Erzählung  ist  umso  auf- 
fälliger, als  die  Handlung  in  allen  ihren  Teilen  bis  in  Einzel- 
heiten hinein  dieselbe  ist  und  nur  gegen  Ende  eine  gröfsere 
sachliche  Verschiedenheit  zutage  tritt."  (Dafs  ich  bezüglich 
des  Maises  der  Übereinstimmung  in  der  Handlang  von 
Windischs  Ansicht  abweiche,  ist  ja  auf  Grund  der  Gegenüber- 
stellung hervorgehoben  worden.) 

Und  an  einer  späteren  Stelle  (Seite  273). sagt  Windisch 
wieder: 

„Diese  durchgehende  sprachliche  Verschiedenheit  im  Aus- 
druck  ist   für   mich   ein  Hauptgrund,   —   trotz  der  grofsen 


OWEIN  —  IVAIN.  1  57 

Übereinstimmung  in  der  Sache  — ,  weshalb  ich  Chrestiens 
Dichtungen  nicht  als  die  Vorlage  der  kymrischen  Erzählungen 
ansehen  kann". 

Dem  gelinden  Zweifel  —  den  Windisch  an  der  zuerst 
angeführten  Stelle  und  im  gleichen  Sinne  noch  einmal  S.  273 
äulsert: 

„Wenn  übrigens  der  Welschmann  wirklich  die  Dichtungen 
Chrestiens  zu  diesen  Erzählungen  in  Prosa  umgewandelt  hätte, 
so  konnte  er  kein  unbedeutender  Mann  gewesen  sein.  —  Das 
Bild,  das  Förster  von  ihm  entwirft,  würde  ihm  nicht  gerecht 
werden",  —  glaube  ich  doch  begegnen  zu  können.  Gegen 
die  bewufste  und  kunstmälsige  Angleichung  (um  eine  solche 
würde  es  sich  doch  dann  sicherlich  handeln)  an  das  Volks- 
tümliche spricht  vor  allem  noch  ein  Umstand. 

Gesetzt,  es  sei  wirklich  M.  auf  dem  Boden  des  Chrestienschen 
Romans  erwachsen  und  von  den  in  diesem  lebenden  Ideen 
durchdrungen,  —  wie  erklärt  sich  dann  von  diesem  Stand- 
punkt aus  die  patriarchalische,  fast  dürftig  anmutende  Ein- 
fachheit am  Königshofe,  die  im  schreienden  Gegensatz  steht 
zu  den  Schilderungen,  die  vom  Schlofs  des  gastlichen  Ritters 
und  von  dem  der  Laudine  gegeben  werden?  Ich  sehe  auf 
der  eben  genannten  Basis  keinerlei  Möglichkeit,  diese  gewii's 
auffallende  Erscheinung  zu  erklären.  Anzunehmen,  dafs  die 
kymrische  Erzählung  zeitlich  so  weit  nach  Chrestiens  Roman 
entstanden  sei,  dafs  inzwischen  der  Ruhm  Arturs  und  all  der 
heroische  und  höfische  Glanz,  der  ihn  umgab,  habe  verblassen 
können,  geht  nicht  wohl  an,  nicht  allein  deshalb,  weil  gegen 
diese  Ansicht  Stellen  aus  dem  kymrischen  Texte  selbst  sprechen. 
Ich  denke  hierbei  an  Loth  (1913)  II,  7,  3;  21,  21  und  29,  1. 

So  bleibt  denn  nur  die  eine  Möglichkeit,  anzunehmen, 
dals  der  kymrische  Bericht  in  seiner  patriarchalischen  Ein- 
fachheit —  die  sich  auch  besonders  dadurch  kennzeichnet, 
dafs  Artus  seinen  Waffengenossen  gegenüber  noch  als  Meth- 
und Gastmahlspender  aufgefafst  wird  —  eben  all  die  schim- 
mernde Pracht  und  den  höfischen  Glanz  noch  nicht  kannte,  den 
das  Mittelalter  um  die  Gestalt  des  dux  bellorum  gols,  dafs 
er  —  zum  wenigsten  stellenweise  —  auf  Formen  der  Sage 
zurückgeht,  die  weit  vor  der  uns  durch  Chrestiens  Werk 
bekannten  Fassung  liegen. 


158  WALTER   GREINER, 

Sodann  spricht  noch  manches  Andere  gegen  eine  bewulste 
Angleichung  an  das  Volksmälsige.  So  scheint  es  mir  un- 
erklärlich, wie  man  die  Gestalt  Ivains,  die  ja  —  wie  schon 
oben  gesagt  wurde  —  bei  Chrestien  trefflich  charakterisieit 
ist,  eines  Mannes,  der  sich  Rechenschaft  gibt  über  seine  Taten, 
kurz:  dessen  Seelenleben  uns  näher  gebracht  wird,  —  wie 
man  eine  solche  Gestalt  derart  abschwächen  konnte.  Ich 
weifs  sehr  wohl,  dals  eine  solche  Entwicklung  an  sich  möglich 
und  auch  durch  Beispiele  nachweisbar  ist  (Ich  verweise  auf 
Piquets  Dissertation,  in  der  einmal  hiervon  die  Rede  ist.),  so 
seltsam  auch  ein  solcher  Vorgang  am  Helden  selbst  berühren 
würde.  Ich  denke  dabei  nicht  an  den  Mangel  der  Charak- 
terisierung überhaupt,  der  gleich  als  auf  ganz  andrer  Grund- 
lage beruhend  erörtert  werden  soll,  ich  meine  vielmehr  damit 
Stellen,  wie  die  oben  angeführten: 
„C'est  triste,  dit  Owein". 
„C'est  assurement  triste,  dit  Owein". 

Es  sei  hier  mit  diesen  beiden  Gründen  abgebrochen,  da 
ich  im  späteren  Verlaufe  der  Arbeit  noch  auf  diesen  Punkt 
zurückzukommen  gedenke. 

So  dürfte  also  jetzt  die  Äufserung  Piquets  nach  Beseitigung 
der  geäufserten  Bedenken  dahin  zu  präzisieren  sein,  dafs 
es  heilst: 

Das  Mabinogi  zeigt  —  hier  kommt  natürlich  zunächst 
wieder  lediglich  der  formelle  Teil  zum  Ausdruck  —  deutliche 
Merkmale  der  Volkspoesie,  und,  um  gleich  zum  Folgenden 
überzugehen:   im  besonderen  des  Märchens. 

Wir  fanden  oben  als  stilistische  Haupteigentümlichkeiten 
des  Mabinogi  die  folgenden: 

1.  Die  Handlung  ist  auf  ein  knappes  Mafs  zusammen- 
gedrängt, sie  schreitet  stetig  fort;  nachdenkliche  Betrachtungen 
der  Geschehnisse  und  Personen  und  psychologische  Feinheiten 
sind  ihr  fremd. 

2.  In  diese  knappe  Fassung  der  Handlung  sind  Schil- 
derungen von  hohem  poetischen  Reiz  eingefügt  (dals  sie  nicht, 
wie  behauptet  wird,  äufseres,  entbehrliches  Beiwerk  bilden, 
wurde  des  öfteren  gesagt  und  soll  noch  erörtert  werden),  die 
alle   in  Superlativen   gehalten   sind   und   gegebenenfalls  vor 


OWEIN  —  IVAIN.  159 

arger  Übertreibung-  nicht  zurückschrecken.  Sie  alle  werden 
verbunden  durch  einen  gemeinsamen  Gedanken:  sie  bringen 
Bilder  einer  Gegend,  eines  Reiches  von  berückender  Schönheit 
und  Pracht. 

3.  So  oft  die  gleiche  oder  gar  nur  eine  ähnliche  Situation 
geschildert  wird,  gefällt  sich  der  kymrische  Bericht  in  breiten, 
behaglichen  Wiederholungen,  in  denen  selbst  die  gleichen 
Ausdrücke,  die  in  den  vorhergehenden  Stellen  vorausgingen, 
wieder  verwandt  werden.  Die  Eintönigkeit  dieser  Berichte 
wird  dadurch  aufgehoben,  dafs  jeder  folgende  Bericht  dem 
vorhergehenden  gegenüber  eine  gewisse  Steigerung  der  Aus- 
drucksmittel enthält. 

4.  Diese  Wiederholungen  finden  sich  auch  inbezug  auf 
bestimmte  Zahlenangaben;  es  wurde  schon 'oben  auf  die  aus- 
schliefsliche  Verwendung  der  Dreizahl  hingewiesen,  i) 

Legt  man  sich  aber  nun  —  und  damit  komme  ich  zum 
Ergebnis  dieses  formellen  Teiles  —  die  Frage  vor,  welcher 
Literaturgattung  diese  gewifs  auffallenden  Kennzeichen  des 
kymrischen  Berichtes  eigen  sind,  so  ergibt  sich  die  Tatsache, 
dafs  sie  sich  völlig  decken  mit  all  den  Eigentümlichkeiten, 
die  dem  Volksmärchen  —  sei  es  auch  in  einer  im  I^aufe  der 
Zeiten  geänderten  Form  —  seinen  unzerstörbaren  Reiz  geben, 
ihm  jenen  unverwischbaren  Zauber  verleihen,  der  uns  allen 
vertraut  ist. 

Da  ich  mich  auf  den  vorhergehenden  Seiten  gegen  die 
Möglichkeit  einer  bewufsten  Bearbeitung  M's  nach  der  Seite 
des  Volksmäfsigen  hin  gewandt  habe,  ist  eine  noch  weit 
schärfere  Fassung  der  Behauptung  möglich: 

Die  Geschichte  von  der  Dame  von  der  Quelle  hat  die 
—  nicht  auf  dem  Wege  kunstmäfsiger  Umgestaltung  auf- 
gepappten —  Eigentümlichkeiten  des  Volksmärchens;  ihre 
Psychologie,  ihre  stilistischen  Kunstmittel  sind  völlig  die  uns 
aus  jener  Literaturgattung  vertrauten. 

')  Eine  Ausnahme  in  dieser  Beziehung  bildet  lediglich  die  eine  Stelle, 
an  der  von  der  Keule  des  Waldschrats  die  Rede  ist: 

„La  massue  de  fer  qui,  d'apres  lui,  aurait  charge  deux  hommes,  je 
suis  bien  sur,  Kei,  que  quatre  hommes  de  guerre  y  eussent  trouve  leur 
faix"  (10,  8). 


160  WALTER   GKEINER. 

Durch  die  oben  unter  3.  aufgestellte  Beobachtung  wurde 
schon  Rauch  auf  den  Typus  des  Märchens  geführt.  Er  sagt 
Seite  53: 

„Sich  wiederholende  Ereignisse  werden  mit  der  Aus- 
führlichkeit des  Volksmärchens  unermüdlich  mit  refrainartig 
wiederkehrenden  Ausdrücken  erzählt". 

Auch  Piquet  äulsert  sich  auf  Seite  178  seiner  Abhandlung 
im  gleichen  Sinne: 

„Suivant  les  lois  du  conte  populaire,  les  memes  recits 
sont  faits  dans  des  termes  identiques  et  les  memes  expressions 
reviennent  dans  des  situations  analogues". 

Auch  das  Märchen  kennt  keine  eigentliche  Charakteristik 
der  handelnden  Personen,  höchstens  insofern,  als  es  einen 
Typus  vom  anderen  abgrenzt.  Eine  individualisierende  Cha- 
rakterschilderung oder  Seelenanalyse  wird  man  stets  vermissen. 
Setzt  aber  das  echte  Märchen  —  dieses  ist  natürlich  hier 
allein  gemeint  —  zwei  aus  seinem  reichen  Vorrat  typischer 
Gestalten,  die  jedem  bekannt  sind,  der  sich  an  diesem  un- 
erschöpflichen Quell  labte,  einander  gegenüber,  so  macht  sich 
die  Neigung  geltend,  jeden  der  beiden  zum  Extrem  auszubilden. 
Und  mit  solchen  Erörterungen  rühren  wir  an  die  Anfättge 
der  Erzählungskunst  überhaupt,  ein  Gebiet,  auf  dem  „Wahrheit 
und  Dichtung"  in  der  uns  vorliegenden  Literatur  sich  in 
buntem  Wechsel  mischen,  sodals  man  hier  wohl  versucht  ist, 
an  des  Mephistopheles  Wort  zu  denken: 

„Was  diese  Wissenschaft  betrifft. 

Es  ist  so  schwer,  den  falschen  W^eg  zu  meiden, 

Es  liegt  in  ihr  so  viel  verborgnes  Gift 

Und  von  der  Medizin  ists  kaum  zu  scheiden". 

Es  würde  hier  zu  weit  führen,  auch  nur  auf  ganz  nahe 
an  unser  Gebiet  reichende  Streitfagen  einzugehen,  auch  würde 
ihre  gelegentliche  Berührung  im  folgenden  Teile  angebrachter 
zu  behandeln  sein. 

Bemerkt  sei  hier  nur,  dafs  wir  auch  auf  diesem  Gebiete 
schweren  Angriffen  Försters  zu  begegnen  haben.  "  Ich  erinnere 
hier  nur,  um  etwas  ganz  Naheliegendes  herauszugreifen,  an 
die  „Besprechung"  der  Brownschen  Ivainstudie  im  Yvain^, 
Anmerkung  zu  Seite  XXXI,  XXXIV,  XLIX-LII. 


OWEIN  —  IVAIN.  lt)l 

Das  Märchen  also  kennt  keine  individualisierende 
Charakteristik,  es  stellt  einen  Typus  dem  anderen  gegenüber, 
wurde  oben  gesagt.  Und  mit  wenigen  derben  Strichen  wird 
solch  ein  Charaktertypus  gezeichnet,  oft  genug  genügt  ein 
Satz,  ein  Wort,  um  ihn  zu  kennzeichnen. 

Dals  die  primitive  Erzählungskunst  des  Märchens  zum 
Extremen  neigt,  wurde  schon  oben  gesagt.  Es  dürfte  über- 
flüssig sein,  dies  weiter  auszuführen;  ein  jedes,  auch  all  die 
tiefen  deutschen  Volksmärchen,  geben  davon  Proben.  Diese 
Entwicklung  kann  gegebenenfalls  so  weit  gehen,  dals  die 
geschilderten  Gestalten  an  Wirklichkeit,  an  LeJjensfähigkeit 
verlieren,  dafs  sie  uns  lediglich  als  Träger,  als  Verkörperung 
einer  Tugend  oder  Untugend,  als  Vertreter  einer  Idee,  eines 
guten  oder  bösen  Prinzips  erscheinen. 

Eines  der  beliebten  Kunstmittel  des  Märchens,  das  sich 
gleichfalls  durch  zahlreiche  Beispiele  belegen  läfst,  ist  die 
Wiederholung,  nicht  lediglich  einer  Schilderung  oder  Be- 
schreibung (davon  war  oben  die  Rede),  sondern  eines  Vorgangs, 
eines  Abenteuers,  einer  Handlung. 

Mit  einem  jeden,  der  ihm  auf  seinem  Wege  begegnet, 
schliefst  „Hans  im  Glück"  seinen  ihm  in  seiner  Beschränkt- 
heit so  vorteilhaft  erscheinenden  Handel  ab,  und  ein  jedes 
Mal  —  dies  führt  zu  den  oben  gegebenen  Erörterungen 
zurück  —  erscheint  der  Kontrast  zwischen  dem  Hingegebenen 
und  dem  dafür  Eingetauschten  gesteigert. 

Viele  suchen  vergeblich  die  mühsamen  Wege  zu  über- 
winden, deren  Hemmungen  ein  jedes  Mal  aufs  neue  mit  der 
gleichen  Treue  erzählt  werden,  doch  nur  dem  Einen  gelingt 
es,  die  Wunderblume  zu  finden. 

Das  sind  Bestandteile  des  Märchens,  die  zu  allgemein 
bekannt  sind,  als  dals  ich  noch  weitere  Beispiele  dafür 
anzuführen  brauchte,  zumal  ich  in  einem  späteren  Abschnitt 
darauf  zurückkommen  werde. 

So  finden  wir  auch  in  unserem  Texte  die  Beschreibung 
des  Weges  nach  der  Quelle  ein  jedes  Mal  in  breiter  Aus- 
führlichkeit beschrieben;  eine  jede  Stufe  des  Zuges  nach  ihr 
wird  in  jeder  Beschreibung  wiederholt,  soweit  sie  für  die 
Komposition  der  Handlung  —  das  wird  noch  zu  zeigen  sein  — 
von  Belang  ist. 

Zeitschrift  f.  celt.  Philologrie  XH,  l.  H 


1Ö2  WALTER   GREINEß, 

Eines  jeden  Abenteurers  gastliche  Aufnahme  im  Schlofs 
des  Ritters  nach  beschwerlicher  Reise  durch  montagnes  und 
deserts,  eines  jeden  Begegnung  mit  dem  Waldmenschen  gibt 
unser  Bericht  mit  der  gleichen  Treue  wieder. 

Zu  alledem  kommen  nun  noch  die  Schilderungen  eines 
Reiches  der  Pracht  und  Schönheit,  das  alle  Erwartungen  und 
Vorstellungen  übersteigt.  Dals  es  dem  Kymren  nicht  darauf 
ankam,  über  eine  überlieferte  Gestalt  des  Stoffes  noch  nach- 
träglich diesen  eigenen  Schimmer  auszugielsen,  dafs  es  nicht 
anzunehmen  ist,  dafs  all  diese  Schilderungen  eines  im 
schroffsten  Gegensatze  zu  der  nüchtern  erzählten  Abenteuer- 
reihe stehenden  Gebietes  nachträglich  mit  bewulster  Absicht 
aufgeleimt  wurden,  habe  ich  schon  oben  gesagt. 

A  priori  ist  es  sehr  wohl  möglich,  einen  fertig  vor- 
liegenden Stoff  in  ein  völlig  verändertes  Milieu  zu  übertragen, 
ihm  ein  gänzlich  verändertes  äulseres  Gepräge  zu  geben. 
Sobald  sich  aber  dem  genauen  Beobachter  die  Überzeugung 
aufdrängt,  dals  es  sich  bei  dieser  anderen  Fassung  nicht 
lediglich  um  die  Ausschmückung  mit  äufseren  Zutaten 
handelt,  dals  vielmehr  all  die  Eigentümlichkeiten  tief  in  der 
Natur  des  Stoffes,  in  der  Konzeption  der  Motive 'beruhen, 
dann  bleibt  nur  die  Annahme  einer  Wesensverschiedenheit 
von  Grund  auf  als  zu  Recht  bestehend. 

Und  so  ist  es  mit  unseren  beiden  Texten,  das  dürfte  zur 
Genüge  aus  all  den  bisherigen  Untersuchungen,  die  über  dies 
Gebiet  vorliegen  und  aus  dem  hier  Dargelegten  klar  hervor- 
gehen. 

Und  damit  komme  ich  zum  letzten  Teile  meiner  Unter- 
suchung; dem  Stofflichen,  dem  ich  einige  Worte  über  die 
Quellennachweise  im  Ivain  vorausschicken  möchte. 


Dritter  Abschnitt. 
Beiträge  zur  Stoff-  und  Motivgeschichte. 

Die  nun  folgenden  Untersuchungen  seien  mit  einer  Frage 
eingeleitet,  die  schon  des  öfteren  behandelt  worden  ist.  Es 
ist  die  Frage  nach  den  Quellenangaben  im  Ivain  Chrestiens. 


OWEIN  —  IVAIN.  163 

Förster  behauptet  bekanntlich,  dafs  im  Ivain  im  Gegen- 
satz zu  all  den  anderen  Dichtungen  des  Franzosen  jede 
Andeutung  einer  Quelle  fehle  (Yvain^  XVIII)  und  sieht  in 
den  Schlufsversen  unseres  Romans 

6814   „Del  Chevalier  au  lion  fine 
Chrestiiens  son  romanz  einsi; 
Qu'onques  plus  conter  n'an  oi, 
Ne  ja  plus  n'an  orroiz  conter, 
S'an  n'i  viaut  mangonge  ajoster" 
eine  leere  Formel,  der  keinerlei  Bedeutung  beizumessen  sei. 

Aus  dem  Fehlen  jeglicher  Quellenangaben  zieht^  nun 
Förster  den  gewichtigen  Schlufs: 

„Soviel  ist  mir  aber  wenigstens  sicher,  dafs  das  völlige 
Schweigen  über  jegliche  Quelle,  der  einzige  Fall  in  seinen 
Werken,  einen  bestimmten  Grund  haben  mufs,  und  diesen 
finde  ich  darin:  Der  Roman  vom  Löwenritter  ist  überhaupt 
nach  keinem  livre  und  auch  nach  keinem  conte  gearbeitet, 
sondern  eine  freie  Schöpfung  des  Dichters". 

Diesen  Schlufs  kann  ich  nicht  als  zwingend  anerkennen. 
Wir  haben  zunächst  keinen  Grund,  gerade  dieser  einen  Angabe 
Chrestiens  zu  mifstrauen,  wenn  er  sagt,  dafs  er  mit  einer 
Fortführung  des  Romans  —  „Es  ist  doch  wohl  klar,"  sagt 
Förster,  „dafs  der  Dichter  in  derselben  Weise  noch  weitere 
7000  Zeilen  neuer  Abenteuer  anreihen  konnte!"  —  einen 
Fehler  begehe,  den  er  selbst  an  seinen  Zeitgenossen  rügt. 
Und  wie  ich  schon  oben  erörterte,  war  das  „mauQonge  ajoster", 
die  willkürliche  Erweiterung  eines  gegebenen  oder  überlieferten 
Stoffes  durch  Eigenes  oder  Fremdes,  gegebenenfalls  beides  in 
buntem  Wechsel  verwoben,  in  jener  Zeit  das  gewöhnliche 
Verfahren. 

Ich  gebe  gern  zu,  dafs  die  oben  erwähnten  Zeilen  etwas 
Formelhaftes  an  sich  tragen,  vermag  aber  diesem  Umstand 
keine  weitere  Bedeutung  beizumessen.  Zunächst  haben  wir 
uns  doch  an  Chrestiens  Wort  zu  halten  und  ihm  die  gleiche 
Wahrheit  und  Tragweite  zuzumessen,  die  den  Quellenhin- 
weisen in  den  übrigen  Werken  des  Dichters  von  selten 
Försters  ohne  Bedenken  zuerkannt  wird.  Ich  sehe  also  keinen 
Grund  ein,  diese  Stelle  gerade  abweichend  von  allen  übrigen 
zu  behandeln  und  betrachte  den  Versuch  Försters,  aus  der 

11* 


164  WALTER   GREINER, 

Art  dieser  "Worte  auf  die  Entstehungsweise  des  Romans  zu 
schliefsen,  als  verfehlt. 

Zudem  ist  die  oben  angeführte  Stelle  nicht  einmal  die 
einzige,  die  mir  auf  eine  mehr  oder  minder  nahestehende 
Quelle  hinzuweisen  scheint.  "William  H.  Carruth  hat  in  seinem 
Aufsatz  (Foersters  Chevalier  au  Lion  and  the  Mabinogi. 
Modern  Language  Notes,  1889)  noch  die  folgenden  aufgeführt: 

2151  „Prise  a  Laudine  de  Landuc, 
La  dame,  qui  fu  fiUe  au  duc 
Laudunet  dont  on  note  un  lai". 

2685   „Et  dist  li  contes,  ce  me  sanble, 
Que  li  dui  conpaignon  ansanble 
Ne  vostrent  an  vile  desQandre". 

Allzuviel  wird  man  aus  diesen  dürftigen  Angaben  für 
unseren  Zweck  nicht  herauslesen  können.  "Wir  erfahren 
lediglich  von  einem  lai,  das  den  Vater  der  Laudine  zum 
Gegenstand  hat  und  von  dem -Chrestien  direkt  oder  indirekt 
Kenntnis  hatte.  Ob  es  in  näherer  Beziehung  zu  unserem 
Texte  stand,  ob  sein  Inhalt  sich  auch  nur  mit  einjem  Teile 
des  von  Chrestien  behandelten  Stoffes  deckte,  oder  ob  sich 
die  Dichtung  auf  eine  völlig  verschollene  Geschichte  bezog, 
können  wir  nicht  entscheiden.  Und  ebenso  ist  es  mit  der 
zweiten  Quellenangabe,  die  noch  durch  die  Worte  „ce  me 
sanble"  als  höchst  problematisch  gekennzeichnet  wird. 

Weit  davon  entfernt,  in  diesen  unbestimmten  und  un- 
genauen Angaben  etwa  die  zuverlässigen  Hinweise  auf  eine 
genau  kenntliche  und  von  Chrestien  benutzte  Quelle  zu  sehen, 
wende  ich  mich  nur  gegen  die  Förstersche  Ansicht,  dals  im 
Ivain  jede  derartige  Stelle  fehle.  Es  gibt  deren  vielmehr, 
wie  gezeigt  wurde,  auch  in  unserem  Texte,  und  sie  sind  nicht 
schlechter  und  nicht  besser  als  die  ihnen  entsprechenden  in 
anderen  Literaturwerken  der  gleichen  Zeit. 

Und  vor  allem  wende  ich  mich  dagegen,  dafs  aus  dem 
Fehleu  einer  untrüglichen  Quellenangabe  —  die  man  nach 
Lage  der  Verhältnisse  und  unter  Eücjtsichtnahme  auf  das 
Folgende  besser  gar  nicht  verlangen  sollte  —  der  Schlufs 
auf  die  freie  Erfindung  des  Stoffes  von  Seiten  Chrestiens 
gezogen  wird. 


OWEIN  —  IVAIN.  165 

Aus  Quellenangaben  der  vorerwähnten  Art,  und  zwar 
weder  aus  ihrem  Vorhandensein  noch  aus  ihrem  Fehlen,  lälst 
sich  meines  Erachtens  überhaupt  nichts  schliefsen,  weder  nach 
dör  einen  noch  nach  der  anderen  Seite  hin,  und  so- scheiden 
sie  als  Beweismittel  einer  stoffgeschichtlichen  Untersuchung 
in  jedem  Falle  aus. 

Es  bestand  eben  in  jenen  Zeiten  einmal  kein  moralischer 
Zwang,  einen  von  aulsen  her  in  den  ursprünglichen  Verband 
der  Stoffkonzeption  eingefügten  Teil  als  solchen  zu  kenn- 
zeichnen. Nach  seinem  Belieben  und  ohne  sich  irgend- 
welchen Vorwürfen  des  Publikums,  das  lediglich  sensa^ons- 
lüstern  war  —  novis  rebus  studebant,  der  alte  Charakterzug 
unserer  westlichen  Nachbarn!  —  auszusetzen,  durfte  der 
Dichter  mit  fremden  Motiven  frei  umspringen:  der  Zweck 
heiligte  die  Mittel.  Es  soll  dies  kein  —  im  besonderen  kein 
gegen  Chrestien  gerichteter  —  Vorwurf  sein.  Stand  er  auch 
weit  über  denen,  die  er  oft  in  den  heftigsten  Worten 
schmäht,  —  ich  wurde  einmal  bei  seinem  ehrlichen  Grimme 
über  die  „Stümper"  an  ein  Wort  aus  dem  Faust  erinnert: 
„Sitzt  ihr  nur  immer!  Leimt  zusammen, 
Braut  ein  Ragout  aus  andrer  Schmaus", 
—  so  war  er  doch  viel  zu  sehr  ein  Kind  seiner  Zeit,  er,  der 
sein  Publikum  und  dessen  literarische  Bedürfnisse  genau  kannte 
und  ihnen  bereitwilligst  entgegenkam,  als  dafs  ihm  in  dieser 
Richtung  eine  gar  so  absonderliche  Ausnahmestellung  zu- 
zuerteilen  wäre. 

Auf  der  anderen  Seite  besagt  das  Vorhandensein  von 
Quellennachweisen,  Hindeutungen  oder  Anspielungen  der  vor- 
gezeichneten Art  auch  wieder  gar  nichts,  insofern  als  man  — 
um  die  Glaubwürdigkeit  eines  Berichtes  zu  erhöhen  —  eine 
fingierte  Quelle  angab,  auf  die  das  seltsame  Geschehnis 
zurückgehe. 

'  Ich  erinnere  an  die  zahlreichen  Stellen  dieses  Inhalts  bei 
Chrestien  und  füge  eine  der  Emeckeschen  Dissertation  ent- 
nommene Auswahl  an. 

Cliges:  24—26,  3317. 

Krec:  5738,  5390,  424,  967,  3678,  5330,  6876,  6764,  5938, 
6247,  6520,  6790,  6767. 

Ivain:  6535,  6800,  6816—6818. 


166  WALTER   GREINER, 

(janz  abgesehen  sei  hier  von  bewufsten  Irreführungen 
des  Lesers  durch  wissentliche  und  absichtliche  Hinweise  auf 
falsche,  den  tatsächlich  benutzten  völlig  fernstehende  Quellen, 
ein  Verfahren,  das  nach  dem  eben  Gesagten  ebenfalls  nicht 
auf  serhalb  des  Bereichs  des  Möglichen  liegt.  Nimmt  man 
noch  hinzu,  dafs  bei  diesem  Verfahren  notwendig  eine  Ent- 
wicklung zum  Formelhaften  eintritt,  so  kann  über  den  Wert 
solcher  Stellen  kein  Zweifel  mehr  sein. 

Im  Sinne  der  eben  gegebenen  Darlegungen  spricht  sich 
auch  Carruth  a.  a.  0.  aus: 

„In  some  familiär  cases  of  wholesale  cribbing  the  Operator 
has  made  no  acknowledgement  of  his  obligations  and,  on 
the  other  band,  it  was  common  to  refer  to  a  fictitious  source 
in  Order  to  win  more  authority  and  credence". 

Die  Ergebnisse  einer  Untersuchung  dieser  Quellennach- 
weise sind  also  in  der  Tat  kümmerlich  genug,  für  die  Ent- 
stehung und  Stoffgeschichte  des  sie  enthaltenden  Dichterwerkes 
sagen  sie  rein  nichts.  Und  selbst  dem,  der  sich  trotz  all 
diesem  auf  sie  als  glaubhafte  Zeugen  stützt,  liefern  sie  keinerlei 
Ausbeute  inbezug  auf  die  Art  der  in  ihnen  erwähnten  Quelle; 
diese  selbst  bleibt  nach  wie  vor  völlig  iöi  Dunkeln. 

Damit  sei  dieser  Abschnitt  beendet  und  sein  Ergebnis 
noch  einmal  zusammengefafst: 

Aus  dem  Fehlen  oder  Vorhandensein  von  Quellenangaben 
der  erwähnten  unbestimmten  Art  auf  die  Entstehungs-  und 
Kompositionsweise  der  Dichtung  zu  schlief sen,  entbehrt  jeder 
Berechtigung.  Und  damit  scheiden  diese  Hinweise  von  selbst 
aus  unserer  Untersuchung  aus. 


Und  nun  komme  ich  zum  letzten  Teile  meiner  Unter- 
suchung: dem  Stofflichen.  Es  wurde  oben  gesagt,  dafs  auf 
einer  Vergleichung  beider  Texte  allein  die  Frage  nach  dem 
Verhältnis  Owein-Ivain  nicht  restlos  gelöst  werden  kann. 
Dies  gilt  nicht  lediglich  für  die  im  ersten  Teile  gegebenen 
formellen  und  stilistischen  Erörterungen,  sondern  auch  in 
vollem  Mafse  für  das  Folgende.  Immerhin  wird  auch  hier  die 
oben  bezeichnete  Basis  noch  beibehalten  und  nur  im  Falle  sie 
unzulänglich  erscheint  auf  Weiterliegendes  eingegangen  werden. 


OWEIN  —  IVAIN.  167 

Ich  knüpfe  an  an  das  Ergebnis  des  allgemeinen  Teils. 
Es  war  gezeigt  worden,  dafs  das  Mabinogi  von  der  Dame 
von  der  Quelle  den  Stilcharakter  und  die  unverkennbaren 
Eigentümlichkeiten  des  Märchens  in  vollem  Mafse  besitzt;  es 
war  begründet  worden,  dafs,  da  von  einer  nachträglichen, 
kunstmälsigen  Bearbeitung  nach  der  Seite  des  Volksmärchens^ 
hin  keine  Rede  sein  kann,  der  kymrische  Text  als  ein  Märchen 
bezeichnet  werden  mufs. 

Die  Grundlage  all  des  Bisherigen  waren  stilistische  und 
formelle  Untersuchungen.  Sie  sollen  nun  nach  der  stofflichen 
Seite  hin  ergänzt  werden. 

Es  war  oben  mehrfach  von  einem  gemeinsamen  Bande 
die  Rede,  das  den  gesamten  Verlauf  des  kymrischen  Berichtes 
umschlinge,  sich  durch  alle  Teile  ziehe  und  ihm  sein  eigen- 
artiges Gepräge  verleihe.  Von  diesem  soll  jetzt  des  näheren 
noch  gehandelt  werden. 

Zunächst  sei  noch  auf  zwei  Besonderheiten  M's  hin- 
gewiesen, deren  Erörterung  die  Einleitung  zu  Browns  jüngster 
Veröffentlichung  bildet. 

Auf  die  an  erster  Stelle  von  Brown  behandelte  „In- 
konsequenz" jVI's  bezüglich  des  Ringes,  der  dem  Helden  von 
der  Dame  gegeben  wird  und  der  den  zeitweiligen  Träger 
gegen  allerlei  Schaden  schützt,  habe  ich  schon  in  der 
Gegenüberstellung  hingewiesen.  Während  bei  Chrestien  die 
Verse  2600 — 2613  die  Übergabe  des  Ringes  an  den  Helden 
zum  Gegenstand  haben,  fehlt  beim  Kymren  jeder  Hinweis 
auf  diese  notwendige  Handlung.  So  mufs  uns  die  dem 
Chrestienschen  Verse  2777: 

;,Si  11  oste  l'anel  del  doi" 
entsprechende  Stelle  (Loth  II,  33, 15) 

„Elle  s'avan^a  en  face  d'Owein,  et  lui  enleva  la  bague 
qu'il  avait  au  doigt" 
als  völlig  unvermittelt  auffallen.  Eine  Lücke  klafft  an  dieser 
Stelle,  die  unverkennbar  und  unbestreitbar  ist.  Es  soll  auf 
einmal  dem  Helden  etwas  weggenommen  werden,  von  dessen 
Vorhandensein  wir  überhaupt  keine  Kenntnis  erhalten  haben. 
Diese  Lücke  im  vorliegenden  kymrischen  Bericht  aus- 
zufüllen,  bietet   sich    zunächst   auf  unsrer  bisherigen   Basis 


168  WALTER   GREINER. 

keinerlei  Möglichkeit.  Wie  aber  unter  Berücksichtigung  einer 
durch  Brown  in  geistvoller  Weise  erschlossenen  und  in  den 
im  Mabinogi  noch  erhaltenen  Spuren  noch  erkennbaren  früheren 
Fassung  dieser  Widerspruch  zu  lösen  ist,  möge  man  dort 
nachlesen. 

Eine  gleich  schwere  Inkonsequenz  konstatiert  Brown 
Mab.  19, 12  =  Chr.  1001  f. 

Es  sind  dies  die  ersten  Worte,  die  die  als  Retterin  er- 
scheinende Zofe  dem  zwischen  den  Toren  eingeschlossenen 
Helden  zuruft.  Ihnen  liegt  in  beiden  Fassungen  eine  gewisse 
Vertraulichkeit  zugrunde : 

Chr.  1001  „Sachiez  bien,  se  je  pooie 
Servise  et  enor  vos  feroie! 
und  Mab.  19,11: 

„C'est  vraiment  pitie,  dit  la  pucelle,  qu'on  ne  puisse 
te  delivrer.  Ce  serait  le  devoir  d'une  femme  de  te  rendre 
Service." 

Soweit  ist  alles  klar.  Während  aber  nun  Chrestien  diese 
vertrauliche  Hilfsbereitschaft  mit  einer  früheren  engeren  Be- 
ziehung zwischen  Owein  und  Lunete  begründet  und  so  völlig 
ausreichend  erklärt,  gibt  M.  über  die  Entstehung  der  Sympathie 
der  Zofe  für  Owein  keinerlei  Aufschluls.  Dies  berührt  zunächst 
um  so  merkwürdiger,  als  die  Ausdrücke  im  M.  noch  bei  weitem 
mehr  Vertraulichkeit  in  sich  tragen  als  die  ja  auch  erheblich 
kürzeren  Worte  der  Zofe  bei  Chrestien. 

Den  Schlufs,  den  Brown  am  Ende  dieses  Abschnittes 
zieht,  vermag  ich  keinesfalls  als  notwendig  und  gerechtfertigt 
anzuerkennen. 

Das  Vorhandensein  von  Lücken  im  kymrischen  Bericht 
an  Stellen,  die  bei  Chrestien  dem  Verständnis  keinerlei  Schwie- 
rigkeiten bieten,  spricht  keinesfalls  für  die  Wahrscheinlichkeit 
eines  "lost  leaf"  (Brown)  oder  —  mit  anderen  Worten  —  für 
eine  Abhängigkeit  M's  vom  französischen  Roman. 

Ich  stütze  mich  hierbei  auf  einen  Ausspruch  Piquets 
(a.  a.  0.  S.  179),  in  dem  es  heilst,  dals  sich  auch  von  unserem 
Standpunkt  der  Unabhängigkeit  M's  aus  eine  völlig  befrie- 
digende und  ausreichende  Erklärung  der  Kompositionsfehler 
—  soweit  solche  überhaupt  letzten  Endes  unbestreitbar  vor- 
handen sind  —  im  Märchen  ergibt: 


OWETN  —  IVAIN.  169 

„II  est  naturel  que  le  recit  ancien  —  die  erschlossene  und 
zu  fordernde  ältere  Fassung  der  Oweingesehichte,  auf  die 
unsere  beiden  Texte  zurückgehen,  —  presente  des  maladresses, 
des  gaucheries,  que  Chretien,  poete  de  talent  et  d'une  edu- 
cation  superieure,  a  facilement  evitees,  et  cet  argument  de 
M.  Othmer  se  retourne  contre  lui." 

Zudem  scheint  mir  —  und  damit  komme  ich  zum  letzten 
Abschnitt  —  hier  etwas  ganz  Anderes  vorzuliegen.  An  der 
zuerst  besprochenen  Stelle  —  der  auf  den  Ring  bezüglichen 
—  einen  Mangel  des  kymrischen  Berichtes  festzustellen,  darum 
kommen  wir  mit  allen  geistvollen  Konstruktionen  nicht  herum. 
Dals  aber  die  Annahme  eines  lost  leaf,  mit  der  Brown  rasch 
bei  der  Hand  ist,  keinerlei  zwingende  Kraft  hat,  dürfte  aus 
der  gegebenen  Erklärung  hervorgehen. 

Ich  habe  schon  oben  auf  den  Höhepunkt  des  ersten  Teiles 
unserer  Handlung  hingewiesen,  auf  die  Neigung  Oweins  zur 
Schlolsherrin. 

Genau  wie  mir  dort  die  lapidare  Kürze  des  Berichtes  im 
Gegensatz  zu  den  gewifs  schätzenswerten  und  trefflichen 
ReflelJiionen,  mit  denen  Chrestien  uns  die  aufflammende  Leiden- 
schaft des  Helden  erklärt,  keinesfalls  als  ein  Mangel  M's 
erscheint,  so  auch  hier. 

Hiels  es  dort  —  die  Stelle  wurde  bereits  oben  einmal 
angeführt: 

„En  la  voyant,  Owein  s'enflamma  de  son  amour  au 
point  qu'il  en  etait  parfaitement  penetre", 
und  erscheint  uns  dieser  plötzliche  Schritt  vom  Standpunkt 
der  primitiven  Psychologie  des  Märchens  —  allgemein  ge- 
sprochen —  völlig  genügend  erklärt,  so  meine  ich,  sollte  man 
auch  hier  von  dieser  Basis  ausgehen. 

Owein  ist  eben  —  dazu  komme  ich  gleich  im  Schluls- 
abschnitt  —  der  wahre  Held  des  Märchens,  der  über  alle 
Schwierigkeiten  siegt;  er  ist  der  Held,  dessen  Bestimmung  es 
ist,  ins  Schlols,  ins  Reich  der  Laudine  einzudringen,  das  allen 
übrigen  Menschenkindern  durch  Hemmungen  verschiedenster 
Art  verschlossen  bleibt.  Und  vergegenwärtigt  man  sich  den 
noch  aus  der  früheren  Fassung  herüberschimmernden  Rest 
der  ehemaligen  Stellung  der  Zofe  als  der  Botin,  die  den 
Zugang  zum  Wunderreiche  dem  Auserwählten  ermöglicht  oder 


170  WALTER   GREraER, 

erleichtert,  bedarf  es  dann  noch  einer  Erklärung  für  die 
Worte,  mit  denfen  sie  den  Retter  —  um  einmal  auf  das  von 
Förster  herangezogene  Motiv  der  Befreiung,  das  ja  auch 
Ehrismann  erwähnt,  zu  kommen  —  begrüfst,  begrüfsen  muls? 

Und  so  ziehen  sich  diese  Spuren  der  von  Brown,  Ehris- 
mann und  vielen  anderen  erschlossenen  und  geforderten  älteren 
Fassung  durch  unseren  ganzen  Text  und  vereinen  sich  in 
ihrer  Fülle,  über-  die  eine  beträchtliche  Zahl  von  Einzel- 
untersuchungen vorliegt,  zu  dem  einen  Gesamtergebnis  der 
Untersuchung.  Aus  dem  reichen  bearbeiteten  Material  wähle 
ich  aus  technischen  Gründen  einige  wenige  Beispiele,  die  sich 
über  das  gesamte  Gebiet  erweitern  und  ergänzen  lassen  und 
auch  schon  in  diesem  Sinne  behandelt  worden  sind.  Immer 
und  immer  wieder  ist  es  das  Eine:  Die  Märchenmotive  und 
Sagenbestandteile,  die  wir  noch  in  den  Romanen  des  Franzosen 
deutlich  erkennen,  sind  im  Mabinogi  in  einer  zweifellos  als 
älter  und  ursprünglicher  erwiesenen  Fassung  enthalten.  Und 
so  gibt  es  für  die  oben  konstatierte  Wesensungleichkeit  der 
beiden  0 Weinbearbeitungen  nur  die  eine  Möglichkeit:  Eine 
direkte  Abhängigkeit  des  einen  vom  anderen  ist  nicht  zu 
erweisen.  Aus  dem  erörterten  Charakter  M's  ergibt  sich 
vielmehr  für  das  Verhältnis  beider  nur  die  eine  Möglichkeit 
einer  Erklärung: 

Wir  müssen  für  Owein  sowohl  als  auch  für  Ivain  eine 
Entwicklung  aus  einem  gemeinsamen  Grundstoff  annehmen, 
dessen  Beschaffenheit  nicht  ohne  weiteres  erklärt  werden 
kann.  Dieses  nun,  die  geforderte  gemeinsame  Quelle  beider 
Werke,  mag  von  den  beiden  uns  vorliegenden  Endpunkten  der 
Entwicklung  verschieden  weit  entfernt  liegen.  Der  Gang  der 
Entwicklung  selbst  kommt  für  den  engeren  Zweck  der  Unter- 
suchung nicht  in  Frage,  dafs  aber  beide  Fassungen  sich  im 
angedeuteten  Sinne  zurückverfolgen  lassen,  ist  Gegenstand  so 
vieler  Forschungen  gewesen,  dafs  es  hier  als  gefestigtes 
Ergebnis  genannt  werden  kann.  Dort  mag  man  auch  all  die 
Einzelheiten  nachlesen,  die  nun  im  Endergebnis  zusamraen- 
gefalst  werden  sollen. 

Zuvor  aber  sei  wenigstens  an  einem  Beispiel  die  Wahrheit 
des  eben  Gesagten  erhärtet. 


OWEIN  —  IVAIN.  171 

Folgen  wir  einmal  dem  Gange  der  Handlung,  so  würde 
als  erster  Gegenstand  der  Betrachtung  das  gastliche  Schlofs 
auf  dem  Wege  zur  Gewitterquelle  in  Frage  kommen. 

Die  Beschreibung  des  Weges  nach  dort  ist  bei  Chrestien 
ziemlich  unbestimmt,  auf  die  Entfernung  des  Schlosses  vom 
Königshofe  oder  auf  die  Dauer  von  Kalogrenants  Abenteuer- 
fahrt lälst  sich  auch  nicht  das  mindeste  schliefsen.  Dals  an 
eine  grölsere  Entfernung  gedacht  ist  —  ganz  im  Sinne  des 
Märchens,  in  dem  einer  in  die  weite  Ferne  zieht,  um  Un- 
erhörtes zu  erleben  — ,  scheint  mir  in  dem  „trovai"  =  „da 
stiefs  ich  einmal  zufällig  auf  einen  Weg",  zu  liegen.  —  Ehris- 
mann hat  ja  den  planlos  auf  Abenteuer  ausziehenden  Ritter 
mit  deF  Dümmliugssage  (Parzival!)  in  Verbindung  gebracht 
und  ihn  als  echten  Märchentypus  hingestellt.  —  Mühevoll 
und  an  Gefahren  reich  ist  der  Weg,  und  nur  dem  Beharrlichen 
winkt  das  Ziel. 

Wie  schon  oben  in  der  Gegenüberstellung  gesagt  wurde, 
schiebt  M.  in  die  Schilderung  des  Weges  zum  Schlofs  noch 
ein  Motiv  ein,  das  bei  Chrestien  fehlt  und  das  ich  —  im 
Anschluls  an  schon  mehrfach  in  einschlägigen  Arbeiten 
gegebene  Erörterungen  —  „das  Paradiesgartenmotiv"  nennen 
möchte. 

Der  Kymre  gibt  die  Beschreibung  eines  Tales,  in  das 
der  Ritter  zufällig  gelangt  („ä  la  fln  je  tombai  . . . ."  wurde 
ja  schon  oben  zitiert);  dieses  Tal  ist  von  überraschender 
Schönheit  und  wird  von  einem  Fluls  durchströmt,  der  in 
seinem  weiteren  Laufe  auch  den  Fuls  des  Schlosses  bespült: 

5, 16  ...  „un  vallon  le  plus  beau  du  monde,  couvert  d'arbres 
d'egale  taille." 

Zu  diesen  Worten  gibt  Lady  Guest  in  ihrer  Mabinogion- 
Ausgabe  eine  gröfsere  Anmerkung,  in  der  sie  ausführt,  dafs 
das  Motiv  der  gleich  gewachsenen  Bäume,  eines  solchen  be- 
rückend schönen  Tales  sich  in  der  keltischen  Literatur  häufig 
finde.  Sie  belegt  das  durch  eine  Stelle  aus  dem  Barden 
Gruffydd  ab  Adda: 

„In   the   furthermost    of    this   forest   he   saw  a  level 
green  Valley  and  trees  of  equal  hight" 
—  also  genau  dasselbe  Motiv,  das  im  Owein  vorkommt. 


172  WALTER   GREINEB, 

Der  Vollständigkeit  halber  bringe  ich  nocli  die  andere  von 
Lady  Guest  an  dieser  Stelle  angeführte  Schilderung  gleichen 
Inhalts: 

Sie  stammt  aus  Chaucers  Flour  and  Life: 

„Wrethen  in  fere  so  well  and  cunningly, 
That  every  brauch  and  leafe  grew  by  mesure 
Plaine  as  a  bord,  of  an  height  by  and  by." 

Das  Motiv  des  vom  Flufs  durchzogenenen  Tales  vor  dem 
Schlosse,  zu  dem  der  Held  zieht,  habe  ich  nun  —  bei  gelegent- 
lichem Suchen;  diese  Zitierung  macht  also  auf  Vollständigkeit 
keinen  Anspruch!  —  an  zwei  Stellen  im  Peredur  wieder- 
gefunden, die  hier  folgen: 

Loth  II,  98  (Ausgabe  von  1889): 

„Dans  la  jeunesse  du  jour,  Gwalchmei  arriva  dans  une 
vallee  arrosee  par  une  riviere  oü  il  apergut  un  chäteau 
fort  >  avec  une  grande  cour  et  couronne  de  tours  süperbes 
et  trös  elevees.  II  vit  en  sortir  un  Chevalier  partant  pour 
la  chasse  montö  sur  un  palefroi  d'un  noir  lujsant. . ." 

Gwalchmei  grülst  ihn,  es  folgt  ein  herzlicher  GegengruTs, 
dann  die  Einladung  zur  Nachtruhe  —  alles  wie  in  unserer 
Geschichte. 

Dasselbe  Motiv  wird  nun  bis  >  wiederholt  S.  101; 
dann  folgt: 

„II  (Peredur)  suivit  quelque  temps  la  grand'route, 
puis  il  prit  un  chemin  qui  le  mena  ä  travers  un  bois.  En 
en  sortant  il  apergut  un  chäteau  qui  lui  parut  habite." 

So  ist  dies  Motiv  als  im  besonderen  auch  dem  Kymren 
eigentümlich  und  geläufig  nachgewiesen. 

Der  Schlofsherr  nun,  der  bekanntlich  zu  einer  Gestalt 
von  märchenhafter  Pracht  ausgebildet  erscheint,  führt  den 
Helden  ins  Innere  des  Schlosses.  Dabei  ist  meines  Erachtens 
noch  eine  Stelle  besonders  bemerkenswert. 

Bei  Chrestien  ruft  er  durch  ein  Gongzeichen  die  Bewohner 
„eil  qui  amont  ierent  anclos"  (220)  zusammen.  Dies  erschien 
uns  oben  in  der  Gegenüberstellung  mit  Recht  als  ein  recht 
sonderbarer  Ausdruck,  der  nunmehr  geklärt  werden  soll. 


OWEIN  —  IVAIN.  173 

Des  Kymren  Bericht  weicht  an  dieser  Stelle  nicht  un- 
wesentlich ab.  Der  Ritter  wird  ins  Innere  der  Schlofs- 
gebäude  selbst  geführt  und  findet  dort  im  Saal  die  Mädchen 
versammelt,  deren  Schönheit  ja  in  den  oben  zitierten  Aus- 
drücken gepriesen  wird. 

Da  aber  heilst  es,  und  diese  Fassung  wirft  auch  auf  das 
Rätsel  in  des  Franzosen  Bericht  Licht. 

,11  n'y  avait  pas  d'autres  habitants  que  ceux  qui  se 
trouvaient  dans  la  salle.  La  se  tenaient  vingt-quatre 
pucelles. . ."  (6,  20). 

Es  erscheint  uns  befremdlich,  im  Ritter,  seinen  beiden 
Begleitern  und  andrerseits  den  Mädchen  die  einzigen  Bewohner 
des  Schlosses  sehen  zu  müssen.  Die  beiden  Jünglinge,  die 
dem  Ritter  so  völlig  gleichen,  verschwinden  auch  alsbald  füi' 
immer  aus  der  eigentlichen  Handlung  und  treten  erst  wieder 
in  der  entsprechenden  Szene  im  späteren  Verlaufe  der  Hand- 
lung auf,  oder,  wenn  wir  den  Begriff  der  typischen  Märchen- 
gestalt auch  hier  anwenden,  sie  erscheinen  jedesmal,  wenn 
ein  Ritter  sich  der  Burg  naht. 

So  mag  ihre  Einfügung .  in  die  Handlung  im  Mabinogi 
zunächst  völlig  zwecklos  erscheinen.  Von  unserem  Stand- 
punkte aus,  dals  wir  nämlich  M.  im  Grunde  als  ein  echtes 
Märchen  betrachten,  meine  ich  aber  doch  ihre  Einfügung 
völlig  rechtfertigen  zu  können. 

Antti  Aarne  geht  in  seiner  Abhandlung  (Vergleichende 
Märchenforschungen,  Helsingfors  1907)  auf  die  Veränderungen 
ein,  die  ein  Volksmärchen  im  Laufe  der  Zeiten  erfährt  und 
stellt  für  eben  diese  Wandlungen,  die  sich  nach  bestimmten 
Gesetzen  des  Denkens  und  der  Phantasie  vollziehen,  Richt- 
linien auf,  aus  denen  ein  Entwickelungsgaog  mir  hier  in 
Frage  zu  kommen  scheint: 

„Eine  ganz  gewöhnliche  Erscheinung  ist  in  den  Volks- 
märchen auch  die  Vervielfältigung  eines  Ereignisses  oder 
Gegenstandes"  (§.671). 

Es  bietet  sich  bei  einer  ausführlicheren  Untersuchung  des 
gesamten  Ivainstoffes  —  die  ich  mir  unter  Verwendung  des 
aus  räumlichen  Gründen  in  dieser  Arbeit  nicht  verwendeten 
Materials  für  später  vorbehalten  möchte  —  Gelegenheit,  auf 
dieses    Motiv    und    sein    mehrfaches    Vorkommen    in    unsrer 


174  WALTER   GREINER, 

Geschichte  noch  des  näheren  einzugehen.  Hier  sei  nur  gesagt, 
dals  ich  die  beiden  Jünglinge,  die  neben  dem  Ritter  den 
jeweils  Ankommenden  begrülsen,  einfach  vom  oben  erwähnten 
Standpunkte  aus  als  Varianten  der  Hauptfigur  auffasse,  die 
ihre  Existenz  lediglich  dem  Bestreben  verdanken,  der  Szene 
mehr  Eindrucksfähigkeit  und  Lebendigkeit  zu  geben. 

Doch  um  wieder  zum  Ausgangspunkte  zurückzukommen! 
Es  wurde  gesagt,  es  sei  auffallend,  dals  als  einzige  Bewohner 
des  Schlosses  nach  dem  Berichte  des  Mabinogi  —  Chrestiens 
Angaben  sind  ganz  allgemein  gehalten  und  geben  auf  diese 
Frage  keinerlei  Antwort  —  nur  eben  der  Schlofsherr  (die 
beiden  Jünglinge  bleiben  aus  dem  eben  erörterten  Gedanken- 
gange heraus  beiseite!)  und  die  Mädchen  genannt  werden. 

Auch  hierin  möchte  ich  ein  Märchenmotiv  sehen  („Märchen" 
hier  wie  im  ganzen  Abschnitt  in  jenem  erweiterten  Sinne 
gebraucht,  von  dem  Ehrismann  a.a.O.  spricht!),  das  in  unserem 
Texte  noch  einmal  verwandt  wird  und  sich  im  Mabinogi  noch 
deutlicher  zeigt  als  im  französischen  Roman. 

Hertel  (Verzauberte  Örtlichkeiten  und  Gegenstände  in 
der  altfranzösischen  erzählenden  Dichtung;  Diss.  Göltingen 
1908)  spricht  im  ersten  Abschnitt  -^on  den  Feenschlössern. 
Dort  heilst  es: 

„Abgesehen  von  der  grolsen  Pracht  (Brown!)  weisen  sonst 
die  Feenschlösser  keinen  wesentlichen  Unterschied  im  Vergleich 
zu  den  menschlichen  Schlössern  auf.  Im  Innern  aber  zeigt 
sich  das  Übernatürliche  des  Schlosses  und  seiner  Bewohner 
auf  mancherlei  Weise,  wobei  einige  Züge  häufiger  wiederkehren." 

So  finde  man  das  Schlofs  häufig  völlig  menschenleer. 
Dafür  gibt  H.  zwei  Belege,  den  einen  aus  dem  Guingamor: 

(392)  „De  ce  li  a  samble  le  pis 

C'ome  ne  feme  n'i  trova." 
den  anderen  aus  dem  Parthenopeus  de  Blois: 

(895)  „Mais  tot  li  samble  cose  huisdive 

Quant  il  n'i  voit  rien  nule  rien." 

Hertel  geht  auch  auf  die  allgemeinen  Kennzeichen  der 
Märchenschlösser  ein. 

Sie  bieten,  wie  schon  erwähnt  wurde,  ein  Bild  gröfster 
Pracht,  die  kostbarsten  Baustoffe  und  der  herrlichste  Schmuck 


OWEIN  —  IVAIN.  175 

sind  verwandt,  und  meist  erkennt  man  diese  Bauwerke  schon 
von  weitem  durch  den  Glanz  —  auch  in  unserem  Texte  heilst 
es  ja  „etincelant"  — ,  den  sie  bis  in  die  Ferne  hin  ausstrahlen. 
Ich  erinnere  nur  an  den  Eindruck,  den  im  Märchen  der 
Ritter  nach  dem  Zuge  durch  das  paradiesisch  schöne  Tal  vom 
funkelnden  Schlois  erhält.  Dals  dagegen  Chrestiens  nüchterne 
Schilderung: 

191   „  ...  vi  une  bretesche  .  .  . 


195  Et  vi  le  baille  et  le  fosse 
Tot  anviron  parfont  et  le." 
farblos   und   matt   erscheint,    braucht  nicht   erst   gesagt  zu 
werden. 

So  ist  auch  mit  dem  Eingangstor,  über  dessen  Schilderung 
ja  schon  oben  des  näheren  berichtet  wurde.  Wohl  ist  es  an 
dieser  Stelle  Chrestiens  Verdienst,  der  Beschreibung  noch 
einen  besonderen  Reiz  dadurch  zu  verleihen,  dafs  er  den 
Raum  zwischen  den  beiden  Fallgattern  in  überaus  kunstvoller 
Weise  von  einem  gemalten  Sternenhimmel  überwölbt  sein 
läfst,  doch  finden  wir  auch  beim  Kymren  Angaben,  die  auf 
prächtige  Ausgestaltung  schlief sen  lassen. 

um  auf  das  Vorige  noch  einmal  zurückzukommen,  nämlich 
die  Erörterung  der  Tatsache,  dals  die  Feen-  oder  Märchen- 
schlösser oft  als  völlig  menschenleer  beschrieben  werden,  sei 
gesagt,  dals  dieser  Zug  auch  in  unserem  Text  noch  einmal 
wiederkehrt  und  zwar  nicht  lediglich  in  der  Wiederholung 
des  eben  erwähnten  Berichtes  bei  der  Erwähnung  von  Oweins 
Zug  nach  der  Quelle,  bei  seiner  Einkehr  im  gastlichen  Schlosse, 
sondern  bei  der  Beschreibung  der  Verfolgung  des  todwunden 
Ritters.  Es  heilst  dort  in  beiden  Fassungen,  dafs  der  fliehende 
Verteidiger  der  Quelle  und  der  ihm  auf  dem  Fulse  folgende 
Sieger  im  Zweikampf  auf  ihrem  rasenden  Ritte  selbst  durch 
die  Stralsen  des  der  Burg  vorgelagerten  Fleckens 
Chr.  903  „N'ome  ne  fame  ne  troverent 
Es  rues,  par  ou  il  passerent" 
keinem  Menschen  begegnen,  und  als  im  M.  Owein  vom  Tor- 
raum aus  freie  Aussicht  nach  einer  Stralse  hat,  erblickt  er 
niemand,  bis  endlich  dann  das  Fräulein  ihn  aus  seiner 
Bedrängnis  rettet. 


176  WALTER   GREINER, 

So  finden  wir  in  unseren  beiden  Berichten  Märclienmotive 
in  Hülle'  und  Fülle,  und  alle  sind  im  kymrischen  Text  teil- 
weise noch  deutlicher  erkennbar,  teilweise  in  ursprünglicherer 
Form  erhalten.  Es  sei  an  dieser  Stelle  noch  einmal  der 
Ehrismannschen  Abhandlung  (P.  B.  B.  30, 14  f.)  gedacht,  sowie 
auch  der  Settegastschen  Ivainstudie. 

Brown  führt  zur  Erklärung  der  Tatsache,  dals  aulser 
dem  Schlofsherrn  und  den  schönen  Mädchen  niemand  das 
Schlofs  bewohnt,  eine  Anzahl  von  Belegen  aus  irischen  Sagen 
an,  in  denen  uns  dies  Motiv  stets  wieder  entgegentritt.  Schon 
Villemarque  gibt  in  einer  Anmerkung  eine  Erklärung  dieser 
Stelle  im  wälschen  Text  und  äufsert  sich  auf  Grund  einer 
Angabe  im  Itinerarium  Cambriae  des  Giraud  le  Gallois  cap.  X 
dahin,  dafs  die  Sitte  des  Empfangs  durch  junge  Mädchen  im 
12.  Jh.  allgemeine  wälsche  Sitte  gewesen  sei.  Dies  erscheint 
mir  als  Beweisgrund  weniger  geeignet;  stärkere  Stützen  der 
eben  gebrachten  Ansicht,  dafs  wir  in  diesen  Angaben  echt 
keltische  Sagenbestandteile  sehen  müssen,  meine  ich,  bilden 
die  von  Brown  angeführten  Belege  (a.  a.  0.  160,  4  f.). 

Aus  ihnen  möchte  ich  zwei  auswählen,  die  mir  besonders 
an  die  im  vorliegenden  Text  enthaltenen  Stellen  anzuklingen 
scheinen. 

Echtra  Condla  Chaim  (Windisch,  Kurze  Gram.  118—121). 
„There  are  no  people  there  except  women  and  maidens." 

Dazu  füge  ich  aus  Browns  Zusammenstellung  noch  das 
Folgende  aus  Serglige  Conculaind  (Irische  Texte  I,  217,  — 
vor  allzu  weitgehender  Vergleichsheranziehung  dieser  Dichtung 
namentlich  inbezug  auf  den  Wahnsinn  Ivains  warnt  Windisch 
an  mehreren  Stellen!) 

„a  place  that  bands  of  women,  frequent" 
und  an  andrer  Stelle: 

„I  saw  women  in  a  Company; 
I  saw  many  maidens  also''. 

Dieser  unverkennbaren  Märchenzüge  in  der  Schilderung 
alles  dessen,  was  mit  dem  Schlosse  des  gastlichen  Ritters 
zusammenhängt  und  von  dem  wir  vieles  im  Schlofs  der  Laudine 
wiedererkennen,  dann  endlich  ins  Eeich  der  Fomore  (Brown' 
a.  a.  0.!)  übertragen,  im  Schlofs  des  Noir  Oppresseur,  in  dem 


OWEIX  —   IVAIN.  177 

wir  mit  Settegast  Anklänge  aus  dem  Minotaurus- Motiv  der 
Alten  wiedererkennen,  liefsen  sich  noch  viele  anführen.  Ich 
verweise  auf  Browns  Deutung  all  dieser  Züge,  des  Schweigens 
während  des  Mahles,  des  kostbaren  Gerätes  u.  a.  m. 

Als  Kynon-Calogrenant  (und  im  späteren  Teile  Owein- 
Ivain;  diese  beiden  Handlungen  laufen  ja,  wie  schon  oben 
gesagt  wurde,  völlig  parallel)  den  Ritter  im  Schlofs  nach 
einem  Abenteuer  fragt,  —  bei  Chrestien  geht  bekanntlich  der 
Zug  zum  Abenteuer  nach  der  Nachtruhe  im  Schlofs  unmittelbar 
weiter  bis  zum  Gehege  des  Waldschrats,  von  dem  dann  Ivain 
erst  Aufschlufs  erhält,  während  im  M.  diese  Hinweisung  auf 
das  Abenteuer  zwei  Personen  zugeteilt  ist  —  (der  Waldmensch 
als  Variante  des  Ritters?)  —  heifst  es  im  Mabinogi: 

„II  me  regarda  et  sourit"  (9,  3). 
Ich  habe  schon  in  der  Gegenüberstellung  auf  diese  Worte 
hingewiesen  und  sie  in  Parallele  gesetzt  zu  denen,  die  die 
Entgegnung  der  vom  feindlichen  Nachbar  (dem  Alier  Chrestiens) 
hart  bedrängten  Gräfin  auf  Ivains  Verlangen  nach  Rols  und 
Waffen  enthalten: 

„La  comtesse  mit  ä  rire"  (36,  26). 
Für  diese  und  die  den  beiden  angeführten  unmittelbar 
folgenden  Stellen: 

„Si  je  ne  croyais  qu'il  düt  t'en  arriver  trop  de  mal,  je 
t'indiquerais  ce  que  tu  cherches"  (9,  4). 

und 

„J'aime   mieux   qu'il   les   (das   Rofs   und   die   Waffen) 

prenne  que  de  les  voir  devenir  la  proie  de  mes  ennemis 

demain  malgre  moi,  et  cependant  je  ne  sais  ce  qu'il  veut 

en  faire"  (36,  30) 

sehe    ich    nun    auf    Grund    unserer^  Ansicht    vom    deutlich 

erkennbaren     ursprünglicheren     Feenmärchencharakter     der 

Geschichte  von  Owein  und  Laudine  eine  Möglichkeit  völliger 

Erklärung. 

Diese  Erklärung  würde  sich  auch  gleichzeitig  über  eine 
Stelle  aus  dem  Beginn  unseres  Berichtes  erstrecken,  über  die 
Ankündigung  der  Erzählung  des  Calogrenant. 

Man  erinnert  sich  dals  diese  erste  Erwähnung  der  wunder- 
samen Reise   nach  der  Gewitterquelle  in  beiden  Fassungen 

Zeitschrift  f.  celt.  Philologie  XII,  l.  12 


178  WALTER   GREINER, 

mit  geradezu  sich  diametral  gegenüberstehenden  Ausdrücken 
geschieht.    Man  vergleiche: 

Chrestien  59  f.  (Calogrenanz) 

„Qui  lor  ot  comancie  un  conte 
Non  de  s'enor,  mes  de  sa  honte" 

und  Mab.  4, 17 

.  .  .  „ensuite  nous  te  dirons  le  meilleur  recit  du  monde 
que  nous  pouvons  savoir". 

Dazu  nehme  ich  noch  den  Nachsatz  des  Berichtes  in 
beiden  Fassungen: 

Chr.  577   „Einsi  alai,  einsi  reving, 

Au  revenir  por  fol  me  ting; 
Si  vos  ai  conte  come  fos 
Ce  qu'onques  mes  conter  ne  vos". 
und  Mab.  15, 12 

„Dieu  sait  que   personne   n'a  jamais  avoue  pour  son 
compte  une  aventure  moins  heureuse  que  cella-lä". 

Wiederholungen  des  gleich  bei  Chrestien  zu  kennzeich- 
nenden Gedankengangs  finden  sich  noch  anläfslich  der  Auf- 
forderung von  selten  der  Königin,  die  Geschichte  auch  ihr 
zu  erzählen: 

142   „Certes,  dame,  ce  m'est  mout  grief 
Que  vos  me  comandez  a  feire" 

und  in  Ivains  Versprechen: 

589   „J'irai  vostre  honte  vangier". 

Von  dem  oben  erörterten  Standpunkte  aus  ergibt  sich 
nun  zur  Erläuterung  dieser  Differelizen  zwischen  beiden 
Fassungen  das  Folgende: 

Falst  man  „Owein"  als  Märchen,  dann  bedarf  schlief slich 
derjenige,  der  auf  ein  wunderbares  Abenteuer  auszieht  und 
dem  sein  Unternehmen  fehlschlägt,  nicht  im  mindesten  der 
Entschuldigung  für  sein  Milsgeschick;  wohl  kann  er  es  bedauern 
und  das  Mitgefühl  derer  wecken,  die  seinem  Berichte  lauschen, 
doch  gibt  es  für  ihn  keinen  Grund  zu  Selbstanklagen  und 
Vorwürfen. 


OWEIN  —  IVAIN.  179 

Beim  Roman  liegt  nun  dies  alles  völlig  anders.  Wir 
finden  bei  Chrestien  —  das  dürfte  zur  Genüge  hervorgehoben 
^yin  _  den  Schimmer  des  Märchens  verblafst,  vieles  mag 
ihm  unverständlich  geworden  und  mit  seinem  Bestreben,  die 
ihm  vorliegenden  Stoffe  nach  einer  bestimmten  Idee  um- 
zugestalten, sie  einem  Leitmotiv  unterzuordnen,  unvereinbar 
erschienen  sein. 

Vor  allem  war  er  genötigt,  vieles  verstandesgemäfs  zu 
erklären,  wofür  M.  als  echtes  Märchen  einfach  die  nackte 
Tatsache  hat. 

Seine  Helden  sind  eben  höfische  Ritter,  deren  Ansichten 
von  dem  Ideal  der  corteisie  beeinflufst  sind  und  denen  am 
rühmlichen  Bestehen  eines  jeden  Abenteuers,  an  einem  makel- 
losen Ehrenschild  alles  gelegen  ist. 

„Miauz  vaÄt  ancor,  ce  m'est  avis. 
Uns  cortois  morz  qu'uns  vilains  vis" 

heilst  es  in  unserem  Texte  selbst. 

Und  so  mufs  es  auch  dem  Calogrenant  als  einem  echten 
Vertreter  dieses  höfischen  Prinzips  überaus  peinlich  sein, 
gerade  der  Königin  —  die  ihn  seiner  erst  eben  bewiesenen 
Galanterie  halber  besonders  hoch  schätzen  mochte  —  einen 
Bericht  von  den  unrühmlichsten  Stunden  seines  Lebens  zu 
geben.  Von  dem  märchenhaften  Charakter  all  der  Stätten 
und  Gestalten,  an  die  der  Ritter  gelangt,  denen  er  auf  seinem 
Zuge  begegnet,  sind  nur  noch  Spuren  im  Roman  zu  finden, 
und  so  erscheint  das  ganze  Abenteuer  in  einem  wesentlich 
dem  Alltäglichen  sich  nähernden  Rahmen. 

Es  ist  ein  Kampf  zweier  Ritter,  wie  er  alltäglich  statt- 
gefunden haben  mag;  als  wunderbares  Element  bleibt  im 
ersten  Teil  des  Romans  bei  Chrestien  lediglich  die  Wunder- 
quelle bestehen. 

Und  so  mufs  denn  Calogrenant,  —  der  ja  nicht  gegen 
einen  „otherworld-hero"  kämpft,  sondern  gegen  einen  Ritter 
aus  Fleisch  und  Blut  wie  er  selbst  einer  ist,  —  sich  seines 
unrühmlichen  Abenteuers  schämen  und  seine  Ehre  wieder- 
herzustellen suchen.  Daher  rühren  all  die  Hinweise  auf  die 
Schande,  auf  das  Ehrenrührige,  die  ihn  fast  zur  Verzweiflung 
brachten. 

21* 


180  WALTER   GREINER, 

Und  darum  —  um  den  Calogrenant  nicht  in  gar  so 
schlechtem  Lichte  erscheinen  zu  lassen  —  mulste  Chrestien 
den  Gegner,  den  Verteidiger  der  Quelle,  in  jeder  Weise  über- 
legen sein  lassen. 

Er  ist  nach  Chrestiens  Schilderung  bei  weitem  gröfser 
als  der  Ritter  selbst: 

(Le  Chevalier)  „fu  sanz  dote 
Plus  granz  que  moi  la  teste  tote". 

Auch  ist  sein  Pferd  bei  weitem  kräftiger: 

(525)   „Et  ses  chevaus  plus  forz  del  mien";  seine  Lanze 

bedeutend  kampffester  als  die  eigene;  kurz:  „es  war  kein 

Wunder,"   sagt  Calogrenant,    „dals  ich  nicht  Sieger  war, 

denn  ich  war  ja  meinem  Gegner  in  keiner  Weise  gewachsen." 

Bei  M.  haben  wir  von  alledem  nichts.  Vom  Gegner 
Kynons  wird  lediglich  das  Aussehen  beschrieben,  das  sich  in 
den  gewohnten  Ausdrücken  bewegt,  und  dann  folgt  ganz 
unmittelbar  die  Mitteilung  der  Tatsache,  dals  Kynon  im 
Kampfe  überwunden  wird.  Ganz  selbstverständlich  steht  es 
da.  Kynon  ist  eben  nicht  der  Held  des  Märchens,  dem  der 
Weg  zum  Schlofs  der  Laudine,  der  Heldin  des  Märchens, 
offensteht,  der  allein  unter  allen  anderen  alle  Schwierigkeiten 
überwindet.  Kynon  ist  nicht  in  dem  Malse  individualisiert 
wie  Calogrenant  bei  Chrestien;  ich  möchte  sagen,  Kynon  ist 
lediglich  ein  Typus,  nämlich  der  Typus  des  Einen,  der  im 
Märchen  vor  einem  Anderen,  dem  echten  Helden  des  Stoffes, 
vergeblich  auszieht. 

Um  einmal  noch  ein  Analogon  aus  unseren  tiefen  deutschen 
Volksmärchen  zu  bringen: 

Seit  Jahren  hat  kein  Mensch  den  Weg  durch  die  dichte 
Rosenhecke  gefunden,  keiner  hat  durch  die  Waberlohe,  die 
Brunhilde  auf  hohem  Felsen  umgibt,  zu  schreiten  vermocht; 
alle,  die  zu  Dornröschens  Schlols,  zum  Walkürenfelsen  zu 
dringen  strebten,  sie  mulsten  unverrichteter  Sache  umkehren. 
Nur  dem  Einen  gelingt  das  Wagnis,  dem  Prinzen,  dem  Sieg- 
fried, dem  echten  Helden  des  Märchens.  Er  allein  siegt  über 
die  Schwierigkeiten,  die  allen  anderen  unüberwindlich  schienen. 

Und  noch  eins  scheint  mir  bei  den  Personen  im  gast- 
lichen Schlofs  bemerkenswert:    die  Stellung  des  Schlolsherm 


OWEIN  —  IVAIN.  181 

selbst.  Dals  er  über  den  Mädchen  steht  —  ein  Motiv,  das, 
allerdings  ins  Schlimme  (Browns  Fomore-Schlösser!)  gewandelt, 
noch  einmal  in  unserer  Geschichte  wiederkehrt  —  mag  hier 
aulser  Betracht  bleiben. 

Ich  meine  vielmehr  hier  seine  Stellung  zum  jeweiligen 
Helden  des  Abenteuers,  zu  dem  Ritter,  der  im  Schlofs  an  der 
Grenze  des  Reichs  der  Wunder,  an  der  Schwelle  des  Feen- 
reiches, Halt  macht  und  Einkehr  hält. 

Die  schon  oben  angeführten  Worte,  die  er  an  den  Fremden 
richtet,  sind  überaus  bezeichnend  für  seine  Bedeutung  im 
Aufbau  der  Handlung: 

„Si  je  ne  croyais  qu'il  düt  t'en  arriver  trop  de  mal, 
je  t'indiquerais  ce  que  tu  cherches"  (9,  4) 

und  unmittelbar  vorher: 

„D  me  regarda  et  sourit"  (9,  3). 

Aus  diesen  Äufserungen  möchte  ich  eine  zwiefache  Stel- 
lung und  Aufgabe  des  Ritters  entnehmen: 

1.  „je  t'indiquerais  ce  que  tu  cherches".  Der  Gastfreund 
weifs  also  vom  Quellenabenteuer  und  gibt  dem  ihn  Fragenden 
bereitwilligst  Auskunft  über  den  Weg,  der  zum  Ziele  führt. 
Er  vertritt  die  typische  Märchengestalt  des  Wegweisers. 

2.  Die  Worte:  „si  je  ne  croyais  qu'il  düt  t'en  arriver 
trop  de  mal"  und  „il  me  regarda  et  sourit"  lassen  mir  in 
ihm  die  Gestalt  des  treuen  Eckardt,  des  Wamers,  wie  man 
sie  nun  nennen  will,  erscheinen.  Aulser  dem  Weg  zum 
Abenteuer  kennt  er  aber  auch  die  dort  drohende  Gefahr.  Als 
Variante  dieser  Warner-  und  Wegweisergestalt  im  gleichen 
Text  möchte  ich  den  Waldschrat  auffassen  und  zum  Belege 
dessen,  dafs  wir  im  M.  wiederum  die  ältere  Form  erkennen 
können,  seien  die  SchluTsworte  seiner  Rede  angeführt: 

(404)  .  .  .  „se  tu  t'an  puez  departir 
Sanz  grant  enui  et  sanz  pesance, 
Tu  seras  de  meillor  cheance 
Que  Chevaliers,  qui  i  fust  onques" 
und  im  Mabinogi  12, 18: 

„Si  cette  fois  tu  ne  trouves  pas  souffrance,  il  est  inutile 
que  tu  en  cherches  tant  que  tu  es  en  vie." 


182  WALTER   GREIN  ER, 

Bereits  Elirism an n  (Märchen  im  höfischen  Epos  P.B.B.30,14f.) 
hat  die  Gestalt  des  Wegweisers  und  Warners  als  typische 
Märchenfigur  nacligewiesen.  Über  seine  Bezieliungen  zu 
Laudine,  die  inbezng  auf  die  Lage  seines  Schlosses  bereits 
oben  angedeutet  wurden  und  auch  Gegenstand  mehrfacher 
Erörterungen  waren  (Brown,  Settegast,  Ehrismann!)  kann  ich 
hier  hinweggehen. 

Über  Ehrismanns  Arbeit  sei  in  diesem  Zusammenhange 
noch  ein  kurzes  Wort  gesagt.  Die  Untersuchung  geht  aus 
von  dem  schon  von  Saran  (P.  B.  B.  21, 290)  festgestellten 
episodischen  Gefüge  der  Artusromane. 

Es  ergebe  sich  für  all  diese  Dichtungen  alsbald  eine 
Zweiteilung  in  höfische  Partieen,  die  lediglich  den  Zweck  des 
Kolorits,  der  Stimmung  usw.  verfolgen,  und  in  die  hier 
wesentlich  in  Frage  kommenden  Partieen,  all  die  Geschehnisse, 
Abenteuer  und  Fahrten,  die  in  den  Verband  der  glänzenden 
Eahmenerzählung,  in  den  Dienst  einer  über  dem  Ganzen 
stehenden  Idee  gebracht  werden.  Den  mehr  oder  minder 
hervorgehobenen  Mittelpunkt  bildet  in  jedem  Falle  die  glän- 
zende Gestalt  des  Königs. 

Die  Keime  all  dieser  heroischen  Bestandteile  sind  nun 
alte,  liebe  Bekannte,  es  sind  Märchen-  und  Sagenmotive,  — 
das  wurde  schon  oben  gesagt.  Damit  soll  kein  Vorwurf  er- 
hoben werden  gegen  alle  diejenigen,  welche,  Chrestien  als 
Meister  an  der  Spitze,  uns  den  französischen  Versroman, 
das  höfische  Epos,  schufen.  Ich  habe  es  im  Verlaufe  der 
Untersuchung  schon  mehrfach  hervorgehoben,  und  fast  mag's 
banal  erscheinen,  es  noch  einmal  zu  wiederholen.  Das  Ver- 
dienst all  der  Dichter,  die  uns  Kunstwerke  von  Einheitlichkeit. 
Schönheit  und  Gedankenreichtum  schenkten,  bleibt  für  immer 
bestehen. 

Anders  ist  es  vielleicht  mit  denjenigen,  die  ich  als  die 
Epigonen  bezeichnen  möchte,  diejenigen,  welche  die  weise 
Beschränkung,  in  der  sich  ja  erst  der  Meister  zeigt,  aulser 
acht  lielsen  und  sich  in  planlosem  Aneinanderreihen  von 
Abenteuern  gegenseitig  überboten. 

Das  ist  eine  Entwicklung,  die  ja  wohlbekannt  ist.  Und 
auf  diesem  Wege  folgte  dem  klassischen  Ritterroman  der 
Zeit  Chrestiens   der  Verfall.    So   wurde   der  als  Kunstwerk 


OWEIN  —  IVAIN.  188 

von  hohem  Werte,  von  einheitlicher  Durchführung  geschätzte 
Artusroman,  dessen  Glanz  im  Laufe  der  Jahrhunderte  nicht 
verblich,  abgelöst  von  der  Travestie. 

Und  so  entstanden  in  zügellosem  Aneinanderreihen  un- 
vereinter, bunt  gemischter  Abenteuer  unter  Verzicht  auf  jedes 
einende  Band  jene  Parodieen,  als  deren  bekanntestes  Beispiel 
ich  den  Don  Quixote  des  Cervantes  nennen  möchte,  in  dem 
wir  auch  ein  Motiv  aus  dem  Ivain  wiederfinden:  den  Wahnsinn 
des  Helden  in  der  einsamen  Wildnis. 

Und  daran  schliefst  sich  ein  weiteres,  das  das  Ergebnis 
der  Darlegungen  vereinen  soll: 

Sind  es  auch  Menschen  von  Fleisch  und  Blut,  mit 
menschlichen  Tugenden  und  menschlichen  Schwächen,  die  uns 
Chrestien  schildert,  sind  ihre  Schicksale,  wenn  auch  aufser- 
ordentlich,  so  doch  zum  grofsen  Teile  vom  rein  menschlichen 
Standpunkte  aus  behandelt  und  in  ihrer  Individualpsyche 
meist  begründet,  so  steht  doch  hinter  ihnen  etwas  Anderes, 
etwas  Höheres. 

Ich  wüfste  nicht,  wie  ich  der  Fortführung  dieses  Gedankens 
besser  Ausdruck  verleihen  könnte,  als  durch  die  unübertreff- 
lichen Worte  Gröbers  (a.a.O.  S.  497): 

„Handeln  und  Leiden  gehen  über  Menschenmafs  hinaus, 
und  die  Natur,  die  den  Menschen  umgibt,  ist  nicht  die  gekannte, 
sondern  eine  Natur  voller  Wunder  und  geheimnisvoller  Kräfte, 
wie  sie  in  Zeiten  vorgestellt  wird,  wo  dem  Göttlichen  moralische 
Tendenzen  noch  nicht  beigelegt  werden. 

Fremd  dem  durchaus  auf  christlich -moralischer  Grund- 
lage beruhenden  nationalen  Heldengedicht,  konnte  diese 
Auffassung  von  einer  Märchenhaftes  wirkenden  Natur,  wie 
schon  betont,  nur  aus  heidnisch  -  keltischer  Überlieferung 
stammen  und  von  dort  in  die  ritterliche  Epik  übergeführt 
worden  sein." 

Und  damit  komme  ich  zum  Schlufs.  Mag  es  auch  einer 
späteren  Zeit  gelingen,  die  oben  als  unbestimmt  hingestellte 
Zeit  der  Abfassung  oder  Niederschrift  unserer  kymrischen 
Texte  zu  klären,  vielleicht  gar  insofern,  als  man  möglicher- 
weise gar  eine  mehr  oder  minder  mittelbare  französische 
Beeinflussung  unseres  Textes  durch  Literaturwerke  etwa  der 
Zeit  Chrestiens  nachweisen  zu  können  glaubt,  was  tuts? 


184  WALTER   GREINER,   OWEIN  —  IVAIN. 

Wir  hängen  uns  nicht  zäh  an  den  Laut  der  Worte  in 
der  uns  doch  schlielslich  aus  einer  langen  Entwicklungsreihe 
durch  Zufall  überlieferten  Fassung  des  kymrischen  Berichtes. 
Bestehen  bleibt,  dals  er  das  Wesentliche  des  Artusromans  in 
köstlicher  Frische  aus  einer  Zeit  uns  überlieferte,  da  diese 
Stoffe  noch  selbst  im  Werden  waren.  Der  wälsche  Owein 
ist  kein  ungetrübtes  Feenmärchen  mehr,  das  wurde  bereits 
gesagt,  doch  wurzelt  er  zu  tief  im  Boden  des  Volksmäfsigen, 
des  Volksmärchens,  als  dafs  auf  all  den  Wanderungen  nnd 
Wandlungen  sich  sein  Charakter  und  sein  Gepräge  hätte 
verwischen  lassen. 


Pölsneck.  Walter  Greiner. 


VERKLEINERUNGSFORMEN  ALTKELTISCHER 
FLUSSNAMEN. 


Das  Gesetz  keltischer  Kosenamenbildung  ist  bekannt. 
Kuno  Meyer  hat  in  seinen  Beiträgen  zur  keltischen  Wort- 
kimde  (Sitzungsberichte  der  Kgl.  PreuTs.  Akademie  der  "Wissen- 
schaften 51,  1912,  II.  T.  S.  1147  ff.)  noch  besonders  darauf 
hingewiesen.  Uns  interessiert  zumal  jene  Bildungsform,  bei 
der  der  zweite  Teil  zusammengesetzter  Namen  einfach  unter- 
drückt und  das  Verkleinerungssuffix  an  den  ersten  Stamm 
gehängt  wird.  Übrigens  ist  diese  Art  von  Koseformen  auch 
auf  dem  Gebiete  des  Germanischen  nicht  unbekannt.  Darauf 
verweist  u.  a.  H.  Hirt  in  Etymologie  d.  nhd.  Sprache  (IV.  Bd. 
in  Mathias'  Handbuch)  S.  310.  Nach  ihm  ist  der  bekannte 
Name  Wulfila  die  verkleinerte  Kurzform  eines  zweistämmigen 
mit  'Wolf  zusammengesetzten  Personennamens.  Dafs  sich 
nun  das  Gesetz  der  Kosenamenbildung  im  Irischen  auch  auf 
Ortsnamen  erstrecke,  hat  angedeutet  H.  Zimmer  in  Zeitschr. 
f.  vgl.  Sprachf.  XXXII  S.  171f.  Im  Folgenden  soll  gezeigt 
werden,  wie  das  oben  ausgesprochene  engumgrenzte  Kosenamen- 
gesetz in  der  Bildung  altkeltischer  Flulsnamen  seine  Ver- 
wendung findet.  Es  möge  genügen,  auf  einzelne  Beispiele 
hingewiesen  zu  haben:  an  eine  irgendwie  erschöpfende  Arbeit 
ist  dabei  nicht  gedacht  worden.  Vorausgesetzt  wird  die 
Selbständigkeit  des  Wortes  ara  'Ache',  die  ich  im  Gymnas. 
Progr.  d.  „Stella  matutina"  in  Feldkirch  v.  J.  1915  zu  er- 
weisen suchte. 

Diminutivsuffixe  scheint  es  im  Altkeltischen  gar  manche 
gegeben  zu  haben.  So  war  nach  Holder,  Altcelt.  Sprachsch. 
1, 1439  ein  solches  -enna,  wie  es  sich  in  Fl.  Idenna,  h.  Eyssene 
südl.  V.  Uzes  Dep.  Gard  in  Frankreich  findet,  zum  unverklei- 


186  ISIDOR   HOPFNER, 

nerten  Id-anus,  h.  Aie  z.  Rhone  (ebend.).  Häufiger  ist  das 
Verkleinerungssuffix  -ella  wie  in  Mos-ella  'Mosel'  (z.  Rhein)  zu 
Mosa  'Maas';  Ind-ella  h.  Andelle  (z.  Seine)  zu  Inda  h.  Inde 
(z.  Roer),  Nig-ella  (Holder  II,  747)  zu  Ni(/-er  'Neckar'.  Auch 
das  in  Personennamen  so  häufig  auftretende  -illa  fehlt  nicht; 
es  erscheint  z.  B.  in  Ilar-iUa  h.  Mareil  in  der  Touraine  (Holder 

II,  428),  ebenso  -iiUa  wie  in  Med-uUa  h.  Midouze  (z.  Adour). 
Dals  auch  -ita  und  -isa  verkleinernd  waren,  möchte  man  aus 
manchen  Beispielen  abnehmen  wie  aus  Arg-ita  h.  Bann  in 
Irland  (Holder  I,  214)  zu  Arg-öna  h.  Argen  z.  Bodensee  (bei 
Förstemann^- Jellinghaus,  Altdeutsches  Namenbuch  IL  Bd. 
Orts-  und  sonst,  geogr.  Namen  I,  191)  und  Arga  bei  Buchs  in 
der  Schweiz  (Mohr,  Codex  dipl.  I  Nr.  93).  Noch  günstiger 
steht  die  Sache  bei  -isa.  So  haben  wir  zur  Amhla  (Amel) 
den  Zuflufs  AmU-isa  bei  Emmels  in  der  Rheinprovinz  (vgl. 
Holder  111,591  und  Förstern.  II,  376),  zur  Nita  (Nette)  den  Neben- 
fluls  Nit-issa  (Förstern.  11,389;  Holder  II,  746  u.  751),  zur 
Rovora  (Ruwer)  die  Boverisse  (Riveris)  bei  Holder  II,  1237 
und  1239,  wenn  anders  -isa  und  -issa  dasselbe  ist. 

Doch  all  diese  Suffixe  mögen  hier  unbeachtet  bleiben. 
Nur  dreien  soll  eine  besondere  Aufmerksamkeit  geschenkt 
sein,  nämlich  -tiV'-,  -?co-  und  -in^-.    Vgl.  Holder  II,  21;  11,47; 

III,  25.  Beispiele  für  -ul'^-,  ohne  Koseformen  zu  sein,  bieten 
unter  andern:  Arula,  das  nach  Holder  I,  231  für  die  Aigre 
(Frankreich)  und  I,  219  {Arola)  für  die  Schweizer  Aar,  nach 
Nagl,  Geogr.  Namenkunde  S.  95,  für  die  Salzburger  Arl  bezeugt 
ist:  Verkleinerung  zu  Am  'Ache'  (Vgl.  Hopfner,  Das  kelt. 
Ära  in  Flulsnamen,  Feldkirch  1915);  Fl.  Bersula  auf  der  Tab. 
Peut.  in  Norditalien,  zu  *Bersa,  Berse  h.  Beerse  in  Nordbrabant 
(bei  Förstem.  I,  405);  Fl.  Unda  h.  Url  (bei  Zahn,  Freisinger 
Urk.  Nr.  74)  zu  Ura  h.  Eure  bei  (Holder  III,  34). 

Beispiele  zu  -fc'>-  sind:  Fl  Liger  -  icits  h.  Loiret  z.  Liger 
(Loire)  bei  Holder  11,221;  Renicha  (aus  Rmica  vgl.  Holder  s.v.) 
h.  Rench  z.  Rhein  (bei  Förstemann  II,  567);  Warica  (aus 
*Varicu)  h.  Warge  z.  Ambleve  (bei  Holder  III,  109)  zu  Fl. 
Vara  z.  Magra  (Italien).  Beispiele  zu  -in^-  sind  Nersina 
z.  Nersa  h.  Niers  z.  Maas;  Sarine  (aus  *Sarma)  in  der  Schweiz 
zu  Sara  (Holder  s.  v.);  Warclna  h.  Vertschenne  (aus  *För?cma), 
also   mit   doppeltem   Suffix,    zu  Vara   (bei   Holder  III,  106); 


VERKLEINERUNGSFORM KN    ALTKELTISCHER   FLUSSNAMEN.       187 

Liyericinus  ebenso  (bei  Holder  II,  221).  Übrigens  denken  beim 
Suffix  -m"-  nach  dem  Vorgang  d'Arbois  de  Jubainvilles  manche 
an  ligurischen  Einfluls.  Vgl.  darüber  weitläufig  Marstrander 
in  Zeitschr.  f.  celt.  Phil  VII,  377  Nr.  1.  Holder  hat  für  Suffix 
-in^-  wohl  ein  Hundert  keltischer  Namen  angeführt.  Es  mögen 
nun  in  alphabetischer  Ordnung  die  nach  Art  der  oben  um- 
grenzten Kosenamen  gebildeten  Flufsnamen  auf  -ul^-,  -ic^-, 
-m^-  folgen. 

1.  Älbula  z.  Rhein  in  Graubünden,  Verkleinerung  zu 
*Alh-ara  ' Weils-bach ',  erhalten  in  Albarine  i^Alb-ar-lna) 
z.  Aie  z.  Ehone.  Vgl.  die  Nebenform  Älhana  h.  Alben  z.  Traun 
(bei  Hopfner  Ära  S.  14).  Zu  Älhula,  das  auch  ligurisch  zu  sein 
scheint  {Älhula  ^=  Tiber is),  gehört  als  männliche  Form  J.Z&oZm5 
(^Älhulos)  h.  Rialbero  z.  Secchia  (in  Mon.  Germ.  Hist.  Dipl. 
Karl.  I  (=  MGHDC)  323. 

2.  Angela,  h.  Angel  z.  Werse  z.  Ems  (bei  Förstem.  1, 135) 
aus  *Ängula  zu  Fl.  Äng-ara  'Eng-bach'  z.  B.  Anger  z.  Ruhr 
(bei  Förstem.  I,  1 52,  der  beides  für  deutsch  hält  ( Anger-bacli 
und  Angel-bach);  allein  im  8.  Jahrhundert  kann  Angara  kaum 
Ängar-aha  sein).  Man  vgl.  Änger  h.  Indre  und  Ängeriscus 
Nebenfluls  zur  Anger  (bei  Holder  III,  623).  Dafs  aber  unser 
Angela  früher  *Ängula  geheilsen  haben  mufs,  ergibt  sich  mit 
Notwendigkeit  aus  dem  Ortsnamen  in  Ängullo  (aus  *Ängiilion) 
h.  Tor  Angel  an  eben  diesem  Flusse.  —  Doppeltes  Suffix 
scheint  aufzuweisen: 

3.  Ängulis  h.  Angolin  (Holder  I,  154),  also  wohl  aus 
*Ängulina.  Im  Deutschen  sagen  wir  dafür  entweder  Eng- 
oder Klein-bach. 

4.  Äpula  h.  Appelbach  z.  Nahe  (bei  Förstem.  I,  171), 
Verkleinerung  zu  *Äp-ara  'Wasserbach'.  Eine  Weiterbildung 
von  Apula  ist  Äpulia  h.  Pouille  (bei  Holder  III,  646),  wohl 
zunächst  einen  Ort  bezeichnend.  Die  Frage,  ob  es  ein  gallisches 
Wort  apa  (<  aqa)  gegeben  habe,  wagt  auch  Holder  III,  639 
nicht  zu  entscheiden;  aber  Namen  wie  Am -apa  (zu  Ärnus, 
nach  Stokes  keltisch),  Äl-apa  neben  Äl-ara,  Ärel-apa  (wohl 
aus  *Ärul-apa)  sprechen  entschieden  für  sein  Dasein.  Haberl 
in  ZCP  VIII,  91  nimmt  es  darum  ohne  weiteres  als  un- 
bestrittenes Wort  an.  Doch  als  einfaches  Wort  wurde  es  zu 
Flufsnamen  ebensowenig  verwendet  wie  unser 'Wasser',  wohl 


188  ISIDOR  HOPFNER, 

aber  in  Zusammensetzung  und  zwar  wie  es  scheint  nicht  blols 
als  zweites  Glied,  sondern  auch  als  erstes.  Dazu  mag  Ap- 
ornm  h.  Loch  Aber  in  England  gehören  (Holder  1, 263).  Nach 
Bück  (Förstem.  1, 182)  gibt  es  ein  Kelt.  apar  'tiefes  Wasser' (?). 
Vgl.  auch  den  Pflanzennamen  ap-ar-ia  (Holder  1, 165),  gerade 
so  gebildet  wie  Sal-ar-ia  (Holder  II,  1299)  h.  Ubeda  la 
vieja  in  Spanien,  vom  Fl.  Sal-ara  'Sal-(weiden)bach'  (Hopfner 
Ära  S.  24).  Zum  angenommenen  *ap-ara  'Wasser-bach'  wäre 
dann  Ap-onus  (Lucan.  VII,  193)  li.  Abano  mit  seinem  berühmten 
Bad  bei  Padua,  die  Nebenform. 

5.  Aquila  a.  713  h.  die  Eichel  z.  Saar  (b.  Holder  1, 168). 
Das  Adjektiv  dazu  heilst  Aculinsis,  der  Ort  daran  Aculia, 
der  jedenfalls  gleichnamige  Fluls,  von  dem  Aqiiileia  den  Namen 
hat,  'AxvXig  (siehe  die  Formen  alle  bei  Holder  I,  168);  daraus 
ergibt  sich  mit  Notwendigkeit  der  ursprüngliche  Flulsname 
*Aq-ula  {Ac-ula)  und  das  ist  die  hypochoristische  Form  zu 
AcJcara  (Aq-^ara)  h.  Agger  zu  Sieg  (Förstem.  I,  160).  Dieses 
Wort  scheint  auch  zu  stecken  in  der  Zusammensetzung 
Ov+ac-\-ara  (Ovacara)  ' Schaf- wasser-bach'  h.  Ocker  z.  Ecker, 
worin  auch  Förstem.  (II,  456)  und  Lohmeyer  das  einfache 
AcJcara  erkennen.  Ebenso  scheint  es  zu  sein  in  Wocara  (aus 
Vo-{-aq  +  ara  Unter + wasser  +  bach)  h.  Loclibach  bei  Trier, 
(Holder  III,  423).  In  diesem  Namen  also  mag  aqa  'Wasser' 
(Stokes  5)  stecken.  Auf  gallischem  Gebiet  sollte  das  Wort 
freilich  zu  apa  werden;  allein  manches  q  in  dieser  Stellung 
hat  sich,  vielleicht  unter  volksetymologischem  Einfluls  des 
Lateinischen,  erhalten.  Vgl.  Fl.  Sequana  h.  Seine.  Holder  II, 
1057  führt  eine  beträchtliche  Zahl  an.  Auch  könnten  solche 
Formen  vorgallisch,  aber  immerhin  noch  keltisch  sein,  her- 
rührend aus  jener  Zeit,  da  die  späteren  Inselkelten  noch  auf  ihrer 
Wanderschaft  waren.    Vgl.  Diefenbach,  Celtica  II,  1  S.  202  ff. 

6.  Astico(s)  z.  Bacchiglione  {Retenö(n)  =  'Hgiöavög 
b.  Holder  11,  1178)  in  Tirol,  Kurzform  zu  *Ast-ara  (vgl.  Ast- 
ar-iäcus  h.  Astarac  in  Frankreich  b.  Holder  I,  249)  oder  Ast- 
apa (0.  Astapa  h.  Estepa  in  Spanien?).  Holder  I,  249  denkt 
beim  Stamm  ast-  an  baskisches  asta  'Fels'.  Vielleicht  ist  es 
aus  *aq-ist-  zusammengezogen. 

7.  Atila  h.  Attel  z.  Inn  in  Bayern  (Förstem.  I,  235)  aus 
*Atula  z.  Atara  h.  Atter  in  Oberösterreich  (Lamprecht,  Orts- 


VERKLEINERUNGSFORMEN   ALTKELTISCHER   FLÜSSNAMEN.      180 

verrzeichnis  d.  Landes  ob.  d.  Ems  s.  v.)  vielleicht  'Sumpf-bach' 
(Hopfner  Ära  16). 

8.  Bonica  h.  Pnnig  z.  Etscli  (Vintschgau)  bei  Schneller, 
Beiträge  z.  Ortsnamenkunde  Tirols  a.  d.  J.  1258,  zu  *Bon-ara 
'Grenz-bach'  von  bonu-  Ende  (Stokes  177),  auch  von  Schneller 
so  gedeutet.  Vgl.  v.  Bon-arda  (aus  *Bon-ar'ita)  bei  Förstern. 
I,  539  und  Bon-or-oda  bei  Holder  I,  487. 

9.  Brigulus  hei  Ps.-Plutarch  Fl.  6  für  den  späteren  Arar 
z.  Sauconna  (Holder  I,  544),  zu  *Brig-ara.  Vgl.  Fl.  Brigana 
Quellfluls  der  Donau  (Holder  III,  940,  der  an  die  y'hragh 
'leuchten'  denkt),  wohl  aus  mhi-ric-ulus  'Nebengrabenbach' 
von  rica  (Holder  II,  1182).  Über  dieses  h{i)  vgl.  Haberl 
ZOP  X,  88. 

10.  Budica  (bei  Scr.  Rer. Gall.  9, 648)  zu  *But-ara  'Hütten- 
bach', erhalten  in  Putera  rivuliis  (Förstern.  I,  611,  der  mit 
Recht  im  anlautenden  p  ein  b  sieht:  es  stammt  aus  Bayern), 
von  *buta  'Hütte'  bei  Holder  III,  1011.  Der  Ortsname  mit 
anderem  Suffix  heilst  Butiliaco  {*Btd-ul-i-äcum)  h.  Budlich 
b.  Trier  mit  dem  Flufsnamen  Budelicha  {*Biit-ul-ica)  bei 
Förstem.  I,  609.  ' 

11.  Chunil-bach  a.  1170,  dann  später  Kunnil-bach  (bei 
Förstem.  I,  1752),  aus  *Cün-üla,  Verkleinerung  zu  *Cün+ära 
'Wolf-bach'  (?),  erh.  in  Cunere,  h.  Quinder  in  Friesland  (bei 
Förstem.  1, 1752).  Man  vgl.  dazu  die  Ortsnamen  wie  Cunico 
(Norditalien)  und  Cimia  b.  Holder  I,  980. 

12.  Kupul-bach  (2  mal)  in  den  Breves  Notitiae  X,  1, 
herausgegeb.  v.  P.  W.  Hauthaler,  Progr.  d.  Borromäums  in 
Salzburg  1897/98  S.  32.  Über  die  verschiedenen  Deutungen 
ebendort  Nr.  10,  aus  *Ctipula  zu  *Cup-ära  erh.  Copara  h.  Kupfer 
z.  Kocher  (in  Württemb.  Viertelj.  Hefte  1906  S.  198  N).  Über 
den  Stamm  cup-  vgl.  Walde,  Lat.  etym.  Wörterbuch ^  s.  v. 
cüpa  (coppa). 

13.  Dubia,  h.  Dubbel  in  Südholland,  aus  *J[)üb-üla  zu 
Dub-ura  'Schwarzach'  erh.  in  Fl.  Tubara  und  Dubar-gawe 
Taubergau  (b.  Förstem.  I,  756).  Vgl.  0.  Duberis  h.  Tufers 
(b.  Mohr  Cod.  Dipl.  I,  Nr.  32)  aus  Dub^-är-is.  In  der  Nähe 
liegt  Awanera,  die  romanische  Übersetzung  zu  Duberis.  Vgl. 
Hopfner,  Keltische  Ortsnamen  in  Vorarlberg  S.  3  (Festschrift 
d.  W^issenschaftlichen  Vereins  f.  Vorarlberg  1917). 


190  ISIDOR   HOPFNER, 

14.  Dumilicha,  h.  Dierabach  z.  Donau  b.  Förstern.  1, 763, 
aus  *Büm'id-ica  mit  doppeltem  Suffix  aus  *Düm-\-ära 
'Büliel-bach'  zu  mir.  diima  'Hügel'  b.  Holder  I,  1367.  Vgl. 
den  Fl.  Düm  +  är-ana  z.  Cordevole  in  Südtirol  und  Dumella 
h.  Dommel  z.  Maas  (Förstern.  I,  738). 

15.  Isula,  h.  Jjssel  bei  Utrecht  b.  Förstem.  1, 1592  zu 
Isära  b.  Holder  I,  72  (viermal).  Schon  Stolz 2,  Die  Urbevöl- 
kerung Tirols  S.  100  bringt  das  Wort  Isel  (Berg)  mit  Isara{s) 
und  Isarcus  in  Zusammenhang. 

16.  Iscula  h.  Ischl  z.  Traun  (b.  Umlauft,  Geogr.  Namen- 
buch V.  Österr.- Ungarn  S.  94,  Iscola  b.  Förstem.  1, 1603),  zu 
I.sc-\-ära  'Wasserbach'  (bei  Holder  II,  122). 

17.  Lalecus,  unbestimmt  in  Script.  Eer.  G.  V,  738  aus 
*Lab-icos  zu  Lab-\-ara  b.  Holder  II,  113  (fünfmal). 

18.  Lavinus,  h.  Lavino  z.  Pediara  in  Norditalien  (in 
MGHDK  I,  369)  z.  *Lavära  Baden-bach  (?).  Vgl.  0.  Lavara 
b.  Ptol.  II,  5  (in  Spanien)  und  Fl.  Lav-agna  Küstenflülschen 
an  d.  Riviera  (ligurisch).  ^ 

19.  ? Ligula,  h.  Evola  z.Arno  (Grässe- Benedict-  b.  Orbis 
latinus  s.  v.)  zu  Lig  +  ara  (in  Rev.  Celt.  XX,  361,  sonst 
gewöhnlich  Liger)  h.  Loire.  Dazu  haben  wir  die  verschiedensten 
Formen  wie  Liger icus,  Ligericinus,  Ligorium  (alle  b.  Holder  s.  v.) 
und  Ligerula  (b.  Grässe-B.  s.  v.),  nach  d'Arbois  de  Jubainville 
alle  ligurisch. 

20.  Lemlna  z.  Po  bei  Turin  zu  *L^m-^ära  'Ulmenbach' 
in  0.  Limeriaco  (aus  {^Lemi-är-i-äcon  b.  Holder  11,223  und 
Fl.  Lem-äna  h.  Lympne  in  England  (b.  Holder  II,  172). 

21.  Lisola,  Föns  in  pagö  Segestrico  (b.  Pardessus,  Diplo- 
mata  etc.  II,  374),  aus  *Lis-üla  zu  Lis-^ära,  h.  Liserflufs  in 
Kärnthen  (b.  Holder  II,  191).    Zeus  denkt  an  körn,  les  'Gras'. 

22.  Mut  icus,  unbestimmt  (b.  Script.  R.  G.  9,  525)  z. 
*Mat-\-ära  (b.  Holder  11,457)  erh.  in  Matra  h.  Moder  zu 
Rhein.  Vgl.  Hopfner  Ära  22,  der  es  als  'Berg-bach'  deutet. 
Vgl.  auch  Maticha  h.  Mattig  z.  Inn,  aus  *Mat-Xca  und 

23.  Mattola,  h.  Madellbach  im  Vinschgau  (bei  Unter- 
forcher, Rätoromanisches  aus  Tirol  S.  56),  aus  *Matula. 

24.  Med  Ulla,  h.  Medouze  z.  Adour  (b.  Holder  II,  527), 
vielleicht  zunächst  0.,  =  *Med-ul-ia  (Vgl.  Med-ul-lon  bei. 
Holder  s.  v.),  zu  ""Med-^-ära  'Mittelbach'  im  0.  Med+ar-ciis 


VEBKLETNERÜNGSFOKMEN   ALTKELTISCHER   FLUS8NAMEN.      191 

h.  Marcq    (b.  Holder  s.  v.).     Vgl.  Fl,  Mediana   h.   Mayenne 
(b.  Holder  II,  495). 

25.  Morga,  z.  B.  Morg  z.  Genfersee  (b.  Holder  II,  628, 
siebenmal),  =  *Mör-tca  'Seebach'  zu  *Mör+ära.  Yg\.  Morar 
Loch  in  England. 

26.  NabUs,  vielleicht  die  Elbe  (Zeuls)  bei  Holder  11,671, 
aus  *Nuh-ül-is  zu  Nah  +  aros  'Quellbach'  h.  Naber  (bei  Holder 
II,  670). 

27.  Onghlna  z.  Po  in  Piemont,  zu  Ong+ara  'Herde- 
oder Feuer-bach'  (?)  z.  Pesarina  z.  Degano  z.  Tagliamento  in 
Kärnthen. 

28.  Bemulo{s)  z.  Oglio  {Ollios  b.  Holder  11,  846)  zu 
*Rem+äru  'Vorderbach'  in  Fl.  Rem-ar-de  (aus  *Rem-är-ita) 
z.  Seine. 

29.  Becul-ah,  h.  Raglach  am  Raglbach  z.  Regen 
(Regänus),  aus  *Ric-ula  zu  *Ric+ara  'Grabenbach'  (*Wca)  in 
Richara  h.  Reker-Dijk  in  Nordholland  (bei  Förstern.  II,  577 
und  II,  567). 

30.  Risela,  h.  Risle  (b.  Holder  II,  1193)  zu  Ris+ara 
z.  Drau  (b.  Resch  Aetas  millenaria  S.  93),  wohl  aus  *Ris-ula. 
Vgl.  0.  Rlsan  h.  Reisen  b.  Erding  in  Bayern  (Förstem.  II,  602). 
Ris-  dürfte  aus  RXc-is-  (v.  rica)  entstanden  sein. 

31.  Salica,  h.  z.  B.  die  Selke  (nach  Holder  11,  1307  = 
die  kleine  Saale),  zu  ÄaZam-pach  in  Tirol  (bei  Sinnacher, 
Beiträge  II,  580).  Vgl.  auch  Salera  h.  Sauldre  z.  Cher  (bei 
Holder  II,  1305)  und  Salina  z.  Ebro.  Vom  gleichen  Stamm, 
wenn  nicht  etwa  ein  säl-  und  ein  säl-  zu  unterscheiden  sind, 
gibt  es  manche  andere  Formen  wie  Sala  'Saale',  Salona  'die 
kleine  Seille'  zu  Seille,  Salia  'Seille',  Salisa  'Selse'  z.  Rhein 
(bei  Holder  s.  vv.). 

32.  Sannna  z.  111  z.  Rhein  in  Vorarlberg  (bei  Holder  II, 
1339),  2u  Sam-\-ara  h.  Somme  (bei  Holder  II,  1336);  Holder 
denkt  an  samo-  Sommer.  Vgl.  0.  Sam-ar-ate  mit  dem  Suffix 
von  Arel-ate  {*Ärul-ate)  bei  Flechia  Di  alcune  forme  de'  nomi 
locali  deir  Italia  superiore  p.  91. 

33.  S ciitticho  (aus  *Scut-icos),  h.  Schutt  bei  Lofer  in 
Salzburg  (bei  Förstem.  II,  98)  zu  Scut+ara  h.  Schutter  z.  Rhein 
(b.  Holder  II,  1409). 


192  ISIDOR   HOPFNER, 

34.  Tamina  z.  Rhein  in  Graubünden  mit  dem  Ort  Tamins 
in  der  Nähe,  zu  Tam-\-aros  h.  Tamar  •  Schwarzach'  in  England 
(b.  Holder  II,  1713). 

35.  Tabula,  h.  Scheide  ?  (bei  Holder  II,  1690)  zu  Taher 
h,  Segura  in  Spanien  (Holder  ebend.)  vielleicht  beide  zum 
Stamm  tav-  still  (Stillbach);  vgl.  Tava  h.  Tay  und  Tavia 
h.  Taggia  bei  Genua  (Holder  II,  1774). 

36.  Vidula,  h.  Vesle  z.  Aisne  (b.  Holder  III,  288)  zu 
Vidros  (aus  *Vid-äros)  'Holz-bach'  (zu  vidu-s),  später  Bordaa 
b.  Holder  III,  293. 

37.  Vistüla  (wenn  keltisch),  h.  Weichsel  (bei  Holder  III, 
404)  zu  Visier  (aus  *Vist-\-aros)  h.  Vistre  und  Vesdre  (bei 
Holder  III,  404).  Holder  denkt  dabei  an  Istros  (aus  ve-{-Istros?). 
Übrigens  heilst  der  Fluls  bei  Ammian  22, 8  Visula  (zu  Vis 
-\-ara),  bei  Plin.  n.  h.  4,  100  Visculus  (zu  *Viscara). 


Es  muls  hinzugefügt  werden,  dafs  von  den  37  Beispielen 
vorgeführter  Flufsnamen  in  verkleinerter  Form  einige  auch 
Kurzformen  aufweisen  wie  Fl.  Alba  b.  Holder  1, 77  (6  Beispiele), 
Fl.  Isca  b.  Holder  II,  77  (2  Beispiele),  Fl.  Naba  b.  Holder  II, 
693  f.  z.  B.  die  Naab  z.  Donau  usw.,  die  meisten  davon  werden 
jedoch  sofort  als  Kurzformen  gefühlt.  So  \venig  es  z.  B.  im 
Deutschen  einen  Flulsnamen  'Wasser'  schlechthin  gibt,  so  mag 
es  auch  im  Keltischen  keine  Isca  ('Wasser')  gegeben  haben. 
Die  unter  diesem  Namen  auftauchenden  Worte  sind  demgemäls 
Kurzformen  wie  z.  B.  im  Deutschen  die  Stille  (z.  Schmal-Kalde) 
die  früher  Stillache  hiefs.  Als  Kurzformen  dürfen  sie  jedoch 
nicht  zum  Ausgangspunkt  unserer  Diminutivformen  genommen 
werden.  So  wenig  also  nach  Hirt  Wulfila  ein  Diminutiv  von 
Wolf  ist,  so  wenig  ist  es  auch  Iscula  von  Isca. 

Statt  des  gewöhnlichen  Ära  können  sich  die  Kelten  auch 
ein  Synonym  als  zweiten  Bestandteil  des  Flulsnamens  gedacht 
haben.  So  gehört  Fl.  Äl-isa,  h.  Auze  (z.  Aube)  in  Frankreich 
ebensowohl  zu  FI,  Al-ara  als  zu  Fl.  Al-apa  (alle  bei  Holder 
III,  565,  546)  h.  Wölpe  (z.  Weser).  Doch  ist  -apa  verhältnis- 
mäfsig  selten  und  kann  schwer  kontrolliert  werden,  weil  es 
frühzeitig  in  -ava  überging  und  sich  mit  gleichlautendem 
Suffix  vermengte. 


VERKLEINERUNGSFORMEN   ALTKELTISCHER    FLUSSNAMEN. 


193 


Mauclimal  läfst  sich  das  in  diesen  Zeilen  angedeutete 
Gesetz  haarscharf  nachweisen.  So  haben  mr  Ästico  als  Ver- 
kleineruno- von  *Ästara  angenommen.  Tatsächlich  heilsen 
denn  auch  die  Anwohner  LastarolU  (aus  V*Ästaruln).  Vgl. 
Ch  Schneller,  Skizzen  und  Kulturbilder  aus  Tirol  S.  286. 


Verzeichnis  der  besprociienen 

(Zahl  =  Seite) 


Keltenworte. 


Ackara  ri(ufs)  188 
Aculia  Fl.  188 
Acylis  Fl.  188  j 

Alapa  Fl.  192 
Alara  Fl.  192  1 

Alba  Fl.  192  1 

Albana  Fl.  187  | 

Albarine  Fl.  187  ' 

Albolus  Fl.  187 
Albula  Fl.  187 
Alisa  Fl.  192 
Ambla  Fl.  186 
Arablisa  Fl.  186 
Angara  Fl.  187 
Anger  Fl.  187 

Angeriscus  Fl.  187 

Angiilis  Fl.  187 

AnguUo  (in)  0(rt)  187 

Aponuä  Fl.  188 

Aporum  0.  188 

Apula  Fl.  187 

ApuUa  Fl.  187 

Aquila  Fl.  188 

Aquileia  0.  188 

Ära  Fl.  186 

Arelate  0.  191 

Arelapa  Fl.  187 

Arga  Fl.  186 

Argita  Fl.  186 

Argona  Fl.  186 

Arnus  Fl.  187 
Amapa  Fl.  187 
Arola  Fl.  186 
Arala  Fl.  186 
Astapa  0.  188 
Astariacu3  0.  188 


Astico  Fl.  188 
Atara  Fl.  188 
Atila  Fl.  188 

Berse  Fl.  186 
Bersula  Fl.  186 
Bonica  Fl.  189 
Bonarda  0.  189 
Bonoroda  0.  189 
Brigana  Fl.  189 
Brigiüus  Fl.  189 
Budelicha  Fl.  189 
Bndica  Fl.  189 
Buteliacun  0.  189 

Chunnilbach  Fl.  189 
Copara  Fl.  189 
Cunere  Fl.  189 
Cunia  0.  189 
1   Cunico  0.  189 

'   Dubia  Fl.  189 
Duberis  0.  189 
Dumarana  Fl.  190 
Dumella  Fl.  190 
Dumilicha  Fl.  190 

Idami3  Fl.  186 

Idella  Fl.  186 
;   Idenna  Fl.  185 
i   Inda  Fl.  186 
!   Inda  Fl.  186 
1   Indella  Fl.  186 
I   Isara  Fl.  190 
!   Isarcus  Fl.  190 
1   Isula  Fl.  190 

Isca  Fl.  190 


Zeitschrift  £.  celt.  Philologie  XII,  i. 


Iscara  Fl.  190 
Iscula  FI.  190 

Kupul-bach  Fl.  189 

Labara  Fl.  190 
Labecus  Fl.  190 
Lastarelli  193 
Lavagna  Fl.  190 
Lavara  0.  190 
Lavinus  Fl.  190 
Lemana  Fl.  190 
Lemina  Fl.  190 
Limeriacus  0.  190 
Ligara  Fl.  190 
Liger  Fl.  190 
Ligericas  Fl.  190 
Ligericinus  190 
Ligorium  Fl.  190 
Ligula  Fl.  190 
Lisara  Fl.  190 
Lisola  Fl.  190 

Marina  Fl.  190 
Maticha  Fl.  190 
Maticus  Fl.  188 
Matra  Fl.  190 
Medarcus  0.  190 
Mediana  Fl.  191 
MeduUa  Fl.  190 
Medullou  0.  190 
Morga  Fl.  191 
Morar  See  191 
Mosa  Fl.  186 
Moseila  Fl.  186 

Naba  Fl.  191 
13 


104 


ISIDOR   HOPFNER,    VEKKr.KIXEkUNGSFORMEN  USW. 


Nabaros  Fl.  191 
Nablis  Fl.  191 
Nersa  Fl.  186 
Nersina  Fl.  186 
Niger  Fl.  186 
Nigella  Fl.  186 
Nita  Fl.  186 
Nitissa  Fl.  186 

Ongara  FI.  191 
Oüghina  Fl.  191 

Putera  Fl.  191 

ßeculah  Fl.  189 
Eemarde  Fl.  191 
Reraicha  Fl.  191 
Eemulo  Fl.  191 
Renicha  FI.  186 
Richara  Fl.  191 
Risara  Fl.  191 
Risela  Fl.  191 


Risan  0.  191 
Rovora  Fl.  186 
Rovorisse  Fl.,  0.  186 

Sala  Fl.  191 
Salara  Fl.  191 
Salaria  0.  191 
Salera  Fl.  191 
Salia  FI.  191 
Salica  Fl.  191 
Salisa  Fl.  191 
Salina  Fl.  191 
Salona  Fl.  191 
Samara  Fl.  191 
Samarate  0.  191 
Samiua  Fl.  191 
Sara  FI.  186 
Sarine  Fl.  186 
Scutara  FI.  191 
Scutticho  Fl.  191 

Taber  Fl.  192 


Tabula  Fl.  192 
Tamaros  Fl.  192 
Tamina  Fl.  192 
Tava  Fl.  192 
Tavia  FI.  192 
Tubara  FI.  189 

Üra  Fl.  186 
Urula  FI.  186 

Vara  Fl.  186 
Vidros  FI.  192 
Vidula  FI.  192 
Visara  FI.  192 
Visculus  Fl.  192 
Visier  FI.  192 
Vistula  FI.  192 
Visula  Fl.  192 

Warcina  Fl.  186 
Warica  FI.  186 
Wocara  Fl.  186. 


Feldkirch. 


IsiDOR  Hopfner. 


BEITRÄGE 
ZUR  ÄLTESTEN  GESCHICHTE  IRLANDS.  0 


2.   Der  gae  holgae  uud  die  nördliche,  nicht -iberische 
Urbevölkerung  der  Britischen  Inseln. 

Nur  dem  Mangel  an  geschulten  Arbeitskräften  ist  es 
zweifellos  zuzuschreiben^,  dafs  über  die  wichtige  Frage  des 
gae  holgae  bisher  so  gut  wie  keine  Ergebnisse  erzielt  werden 
konnten.  Dem  Keltenforscher  drängen  sich  eben  von  allen 
Seiten  derart  viele,  lockende  Probleme  auf,  dals  dabei  zahl- 
lose wichtige  Dinge  unerörtert  bleiben  müssen. 

Die  älteste  Erklärung  bringt  den  Namen  jenes  wunder- 
baren Speeres  mit  holg  , Bauch'  zusammen,  weil  er  infolge 
seiner  "Widerhaken  beim  Herausziehen  den  Bauch  seines  Opfers 
auf  reif  se.  Wir  haben  hier  deutlich  eine  sekundäre,  etymo- 
logische Spekulation  vor  uns  —  lucus  a  non  lucendo!  —  die 
wir  ohne  weiteres  abweisen  können. 

Einen  noch  merkwürdigeren  Erklärungsversuch  bot  John 
Rhys  (Hibbert  Lectures,  S.  481),  der  meinte,  dafs  der  gae 
holgae,  weil  er  zumeist  auf  der  Oberfläche  des  "Wassers  ge- 
schleudert werde,  die  über  dem  Meere  auf  steigen  ä»e  Sonne 
darstelle,  die  mit  ihren  Strahlen  die  "Wolken  durchbohre. 
"Wenn  es  einmal  heilst,  dafs  Cü  Chulainn  den  Speer  von  oben 
auf  seinen  Gegner  niedersausen  lälst,  so  war  dies  natürlich 
wieder  die  Sonne,  die  hoch  oben  am  Himmel  die  Wolken 
zerteilt. 

Kuno  Meyer  hat  dann  behauptet  (Contributions,  S.  236 
Anm.),  dals  gae  holgae  für  gae  bolcae  stünde,  und  dals  in 
diesem  bolcae  der  Genetiv  Sg.  von  hole  'Spalte,  Kluft'  stecke; 


0  Siehe  auch  XI.  Band,  2.  Heft,  S.  189-201. 

13* 


196  JULIUS   POKOENY, 

gae  holcae  würde  also  'der  gespaltene  Speer'  genannt  worden 
sein,  'eine  Waffe  nach  Art  einer  Heugabel'.  Aber  es  ist  ja 
schon  in  den  ältesten  Hss.  das  g  überliefert,  und  ebenso  weist 
die  moderne  Aussprache  ein  g,  nicht  ein  c  auf,  während  hole 
'Spalte',  wenn  es  wirklich  existierte,  wegen  des  cymr.  hwlch 
ein  c  gehabt  haben  muls. 

In  jüngerer  Zeit  hat  Rhys  eine  neue  Erklärung  des  gae 
holgae  versucht  (Proceed.  Int.  Congr.  for  the  Study  of  Relig.11,206), 
indem  er  das  Wort  mit  'Speer  der  Göttin  Bolg'  wiedergibt. 
Diese  Göttin  ^Bolg\  deren  Existenz  er  aus  den  Worten  ^maic 
Ailella  Erand  de  holgae''  (LL  324  d)  erschlielst,  soll  eine  Licht- 
oder Feuergöttin  gewesen  sein,  da  holg  zur  Wurzel  hhelg 
'glänzen'  gehöre,  und  dem  Volke  der  Fir  JBolg  den  Namen 
gegeben  haben.  Gae  holgae  hätte  nur  den  'Speer  der  Bolg' 
oder  'Speer  der  Fir  Bolg'  bezeichnet  und  der  Name  habe  mit 
der  Gestalt  oder  Eigenschaft  der  Waffe  nichts  zu  tun.  Diese 
Erklärung  schwebt  völlig  in  der  Luft.  Aufserdem  ist  nicht 
einzusehen,  weshalb  de  nicht  ebensogut  oder  besser  zu  dza 
'Gott'  gehören  könnte.  Was  soll  seine  Übersetzung:  'son  of 
Ailill  of  the  Erna  of  the  goddess  Bolg"  bedeuten'?  Dals 
Ailill,  der  gleich  darauf  als  'Sohn  des  Noithe'  bezeichnet  wird, 
ein  Sohn  der  'Göttin  Bolg'  gewesen  sei,  kann  es  kaum  heifsen, 
und  dals  die  JErainn  Nachkommen  oder  Anbeter  der  'Göttin 
Bolg^  gewesen  sein  sollen,  dafür  liegt  ebenfalls  keinerlei 
Anhaltspunkt  vor.  Wenn  aber  eine  beigefügte  Glosse  von 
Ailill  Erann  sagt:  is  e  toisech  arränic  faga  'er  ist  der  Erste, 
der  den  Wurfspeer  erfunden  hat',  so  kann  man  wohl  über 
die  Übersetzung  nicht  länger  im  Zweifel  bleiben.  Ailill  Erann 
ist  offenbar  der  mythische  Erfinder  jenes  geheimnisvollen  gae 
holgae  und  als  solcher  heilst  er  ^dia  holgce'  =  dia  holg-gce  'der 
Gott  des  Bolg -Speeres';  holg-gce  {*bolgo-gaison)  ist  natürlich 
nur  eine  andere  Ausdrucksweise  für  gae  holgae  (*gaisos  holgios), 
wobei  holgae  wahrscheinlich  das  abgeleitete  Adjektivum  zum 
Substantiv  holg  darstellt.  Ailill  Erann  ist  ja  der  eponyme 
und  somit  mythische  Ahnherr  des  Stammes  der  Erainn  und 
wird  als  solcher  natürlich  göttlich  verehrt  worden  sein. 

Um  zum  Verständnis  des  Ausdruckes  gae  holgae  zu  gelangen, 
müssen  wir  vor  allem  über  die  wahre  Natur  jener  geheimnis- 
vollen Waffe  genügenden  Aufschluls  suchen. 


BEITRÄGE   ZUR   ÄLTESTEN   GESCHICHTE  IRLANDS.  197 

Bei  verschiedenen  Gelegenheiten,  so  beim  Kampfe  Cü 
Chulainns  mit  Loch,  mit  seinem  Sohne  Conlae  und  mit  Fer 
Diad  erfahren  wir,  dafs  der  gae  bolgae  eine  Waffe  war,  die 
nur  im  Wasser  verwendet  werden  konnte  und  dals  jede 
durch  ihn  verursachte  Wunde  tödlich  war,  da  er  beim  Heraus- 
ziehen dem  Getroffenen  stets  den  Leib  aufrifs. 

Für  unsere  Zwecke  reicht  es  vollkommen  hin,  die  aus- 
führlichste darauf  bezügliche  Stelle  hier  wörtlich  anzuführen 
(Windisch,  Täin,  S.  554  ff.,  dem  ich  mit  einigen  Änderungen 
folge): 

„Und  er  (Cü  Chulainn)  bat  den  Laeg  ...  um  den  gac 
holgae.  Mit  diesem  verhielt  es  sich  so:  für  den  Flufs  wurde 
er  zurecht  gemacht  und  in  der  Gabel  (des  Fufses)  wurde  er 
geschleudert;  die  Wunde  eines  einzigen  Speeres  wurde  durch 
ihn  beim  Eindringen  in  eine  Person  verursacht,  aber  die  von 
dreilsig  Spitzen  beim  Herausziehen,  und  er  konnte  nicht  aus 
dem  Körper  der  Person  genommen  werden,  bis  dieser  nicht 
rings  herum  aufgeschnitten  worden  war. 

Da  kam  Laeg  vorwärts  zu  den  Uferrändern  des  Flusses 
und  zu  der  Stelle  der  Abdämmung  des  fliefsenden  Wassers  und 
der  gae  bolgae  wird  geschärft  und  aufgelegt.  Er  füllte  den 
Teich  und  er  staute  den  Flufs  und  er  schränkte  die  Flut  der 
Furt  ein. 

Fer  Diads  Wagenlenker  sah  .  . .  dafs  er  die  Teiche  füllte 
und  dafs  er  hinging,  den  gae  bolgae  nach  unten  aufzulegen. 
Deshalb  ging  Id  hinauf  und  machte  (die  Bahn)  frei  für  den 
Flufs  und  öffnete  die  Eindämmung  und  machte  die 
Vorrichtung  von  dem  gae  bolgae  ab.  Cü  Chulainn 
wurde  (vor  Zorn)  über  und  über  purpurn  und  rot,  als  er 
sah,  dafs  seine  Vorrichtung  von  dem  gae  bolgae*  ih- 
gegangen  war." 

(Noch  zweimal  gelingt  es  Fer  Diad's  Wagenlenker,  die 
Abdämmung  des  allzureilsenden  Flusses  zu  verhindern,  und 
die  „Vorrichtung"  vom  gae  bolgae  herunter  zu  nehmen,  bis 
er  schlielslich  von  Laeg  niedergeworfen  und  gefesselt  wird). 

„Und  er  ging  eilig  sehr  hochgemut  weg  von  ihm,  so  dafs 
er  den  Teich  (die  teichartige  Verbreiterung  des  Flufsbettes 
oberhalb  der  Furt)  füllte  und  den  Flufs  staute  und  den  gae 
bolgae  auflegte.  .  . 


K'S  JULIUS   POKORNY. 

Dann  bediente  Cü  Chulainn  den  yae  bolgae  vermittelst 
der  Gabel  seines  herrlichen,  rechten  Fulses.  .  .  Er  warf  ihn 
mit  voller  Wucht  auf  Fer  Diad,  so  dals  er  durch  den  festen, 
dichten,  eisernen  Leibpanzer  . . .  ging." 

(Nachdem  Fer  Diad  infolge  dieser  schweren  Verwundung 
gefallen  war,  befahl  Cü  Chulainn  seinem  Wagenlenker): 

„Schneide  nunmehr  Fer  Diad  auf  und  nimm  den  gae  holyae 
aus  ihm  heraus,  denn  ich  kann  nicht  ohne  meine  Waffe  sein. 
Laeg  kam  und  schnitt  den  Fer  Diad  auf  und  nahm  den  gae 
bolgae  aus  ihm  heraus." 

Aus  der  vorausgehenden  Schilderung  erhellt  ganz  deutlich, 
dals  der  gae  bolgae  eine  Waffe  gewesen  sein  muls,  über  deren 
Gebrauch  der  Erzähler  selbst  nicht  mehr  ganz  im  klaren  war. 
Denn  einen  Speer,  der  mit  dem  Fulse  an  der  Oberfläche  des 
Wassers  entlang  geschleudert  wird,  wird  es  kaum  jemals 
irgendwo  gegeben  haben.  Ziehen  wir  noch  in  Betracht,  dals 
aufser  dem  genannten  Ailill  Erann,  von  dem  wir  übrigens  gar 
nichts  Näheres  wissen,  nur  Cü  Chulainn  im  Besitze  jener 
Waffe  gewesen  ist,  deren  Gebrauch  er  während  seines  Auf- 
enthaltes in  Schottland  von  der  Zauberin  Scathach  gelernt 
hatte,  so  wird  diese  Ansicht  nur  bestätigt.  Dazu  stimmt 
weiter,  dal's  sie  im  Besitze  eines  Ulster-Helden  ist  —  auch 
Ailill  Erann  stammt,  wie  ich  im  nächsten  Aufsatze  zeigen 
werde,  aus  Ulster  —  und  aus  Schottland  herrühren  soll,  denn 
im  Norden,  der  erst  allmählich  und  viel  später  als  der  Süden 
keltisiert  worden  war,  haben  sich  auch  eine  Eeihe  anderer, 
uralter  Bräuche  erhalten,  die  im  übrigen  Irland  längst  aus- 
gestorben waren  und  ebenfalls  von  den  Schreibern  der  Hss. 
nicht  mehr  recht  verstanden  wurden,  wie  z.  B.  das  Männer- 
kindbett, u.  a.  m.  (vgl.  Zimmer,  oben  IX  S.  100—101.) 

Einem  derartigen  Milsverständnisse  entspringt  zweifellos 
die  Auffassung,  dafs  der  gae  bolgae  mit  'der  Gabel  des  Fulses' 
geschleudert  worden  wäre,  wie  sich  glücklicherweise  genau 
zeigen  läfst. 

In  der  ältesten  Version  des  Kampfes  mit  Fer  Diad  heilst 
es  (YBL,  2689):  Gaibtfhji  Cü  cona  laclair  7  imambeir  da  Fir 
Diad.  'Cü  Chulainn  fafst  ihn  (den  gae  bolgae)  mit  seiner 
ladar  und  schleudert  ihn  auf  Fer  Diad'.  Hier  ist  also  nur 
von   ladar  die  Eede,    was    sowohl  'Fufs',   wie  auch  'Hand' 


BEITRÄGE   ZUR   ÄLTESTEN'    GESCHICHTE    IRLANDS.  ^ 

bedeuten  kann;  die  Grundbedeutung  'ist  jedenfalls  'Gabel'. 
Jedermann  wird  ladar  hier  als  'Hand'  auffassen,  um  so  mehr, 
als  bei  anderen  Gelegenheiten  nie  gesagt  wird,  dafs  der  Held 
den  gae  bolgae  mit  dem  FuTse  schleudert. 

Die  jüngere  Version  (LL  3943)  hat  an  der  gleichen  Stelle 
i  lladair  a  chossi  4n  der  Gabel  seines  Fulses',  was  offenbar 
auf  eine  irrtümliche  Auffassung  des  jüngeren  Redaktors  zurück- 
zuführen ist,  der  bei  einer  derart  mit  übernatürlichen  und 
wunderbaren  Begebnissen  erfüllten  Erzählung  begreiflicher- 
weise auch  nichts  dabei  fand,  dafs  unser  Held  den  Speer  mit 
dem  Fufse  geschleudert  haben  sollte.  Bei  manchen  wilden 
Völkern  kommt  es  übrigens  vor,  dafs  der  Bogen  mit  dem 
Fulse  gespannt  wird,  aber  ich  möchte  in  unserem  Falle  nicht 
mit  Sicherheit  darauf  schlielsen,  dafs  die  vorkeltischen  Ur- 
bewohner  Irlands  einen  solchen  Brauch  gekannt  hätten,  wenn 
das  auch  ganz  gut  möglich  gewesen  wäre.  Vielleicht  liegt 
hier  sogar  eine  dunkle  Erinnerung  an  etwas  derartiges  vor. 
Wieso  der  Schreiber  der  Täin  dazu  kam,  ladar  als  'Fufs' 
aufzufassen,  erklärt  sich  mir  daraus,  dafs  er  irrtümlich  annahm, 
die  "Waffe  werde  vom  flief senden  Wasser  fortgetragen;  der 
Held  mufste  sich  also,  um  die  Waffe  in  Bewegung  zu  setzen, 
entweder  auf  die  Oberfläche  des  Wassers  herunterbeugen, 
oder  sie  aber,  was  ja  einem  Akrobaten,  wie  Cü  Chulainn, 
keinerlei  Schwierigkeiten  bereiten  konnte,  mit  dem  Fufse 
fortstofsen,  was  für  ihn  jedenfalls  schon  deshalb  gegeben  war, 
weil  er  so  zu  gleicher  Zeit  einen  Speer  mit  der  Hand  auf 
seinen  Gegner  schleudern  konnte. 

Dafs  wir  übrigens  auch  in  dem  Gleiten  der  Waffe  an 
der  Oberfläche  des  Wassers  keinen  ursprünglichen  Zug  sehen 
dürfen,  ist  nicht  nur  aus  der  Natur  der  Sache  gegeben,  sond€?rn 
auch  deshalb,  weil  Cü  Chulainn  bei  seinem  Kampfe  mit  Eocho 
Glass  (Ir.  Texte  II,  184)  'den  gae  bolgae  in  die  Höhe  warf, 
so  dafs  er  jenem  von  oben  auf  den  Panzerhelm  auf  dem 
Kopfe  fiel  und  durch  ihn  hindurch  in  die  Erde  fuhr'.  Ebenso 
tötet  er  in  der  Sage  Äided  JEnfir  Äifi,  (Eriu  I,  114  ff.),  die 
nicht  jünger  sein  kann,  als  die  Tdin,  seinen  Sohn  Conlae  im 
Meere  mittels  des  gae  bolgae,  wobei  von  einer  Abdämmung 
der  Flut,  wie  in  der  Tain,  natürlich  keine  Rede  sein  kann. 
Wesentlich  ist  bei  der  ganzen  Sache  nur,  dafs  die  Waffe 


200  JULIUS   POKORNY, 

beim  Kampfe  im  Wasser  verwendet  wird;  alles  andere 
ist  jüngere  Ausschmückung  oder  irrtümliclie  Auffassung. 

Dafs  schon  der  Schreiber  der  Täin  über  die  wahre  Natur 
der  Waffe  völlig  im  unklaren  war,  geht  auch  daraus  hervor, 
dafs  er  wiederholt  von  einer  'Vorrichtung'  {mdell)  spricht, 
die  zum  Schleudern  der  Waffe  nötig  ist,  ohne  dafs  er  uns 
jedoch  zu  sagen  weifs,  worin  eigentlich  diese  geheimnisvolle 
Vorrichtung  bestanden  habe. 

Was  den  Namen  gae  holyae  betrifft,  so  können  wir  ihn 
etymologisch  nur  mit  bolg  'Sack,  Blase"  (zur  Wz.  hheljh 
'schwellen,  blasen')  zusammen  bringen.  Bolgae  könnte  auf 
*bolgios  zurückgehen  und  eine  adjektivische  jo-  Ableitung  zu 
bolg  darstellen,  ebensogut  aber  könnten  wir  annehmen,  dafs 
ein  ursprüngliches  Kompositum  holg{g)ae  (^holgo-gaisos)  'Blasen- 
Speer'  später  als  Adjektivum  gefafst  worden  wäre,  weshalb 
dann  gae  nochmals  vorausgestellt  wurde. 

Bezüglich  des  gae  holgae  läfst  sich  also  folgendes  mit 
Gewifsheit  feststellen: 

1.  Der  Name  bedeutet 'Blasen-Speer' oder 'Sack-Speer. 

2.  Es  handelt  sich  um  eine  Waffe,  die  nicht  ohne  eine 
gewisse  'Vorrichtung'  geschleudert  werden  kann. 

3.  Die  Waffe  wird  ausschlief slich  mit  dem  Wasser  in 
Verbindung  gebracht. 

4.  Es  handelt  sich  um  eine  Art  Harpune  mit  Wider- 
haken. 

5.  Die  Waffe  war  in  geschichtlicher  Zeit  nicht  mehr  in 
Gebrauch  und  wird  in  der  Tradition  aus  Ulster  und  Schott- 
land, den  am  spätesten  keltisierten  Gebieten  der  britischen 
Inseln,  hergeleitet. 

Ich  bitte  nun  die  verehrten  Fachgenossen,  nicht  zu  er- 
schrecken, wenn  ich  behaupte,  dafs  dieser  gae  bolgae  nichts 
anders  sein  kann,  als  die  mit  Wurfholz,  Leine  und  Fang- 
blase versehene  Harpune  der  Eskimo. 

Die  Beschreibung  dieser  höchst  sinnreichen  Jagdwaffe 
entnehme  ich  dem  Werke  „Eskimoleben"  des  berühmten 
Forschers  Fridtjof  Nansen  (Leipzig  1903,  S.  28  ff.). 

Der  aus  Treibholz  verfertigte  Schaft  der  Harpune  trägt 
am  Ende  einen  gewöhnlich  aus  Walrofszahn  geschnitzten 
langen  Knochenzapfen,   dei-   durch  ein  Riemengelenk  derart 


BEITRÄGE    ZUR   ÄLTESTEN    GESCHICHTE    IRLANDS.  201 

mit  dem  Schafte  verbunden  ist,  dals  er  bei  starkem  Druck 
oder  Stofs  von  der  Seite  aus  dem  Gelenk  geht,  anstatt  ab- 
zubrechen. Auf  diesem  Zapfen  sitzt  die  eiserne  Harpunen- 
spitze, die  gleichzeitig  an  der  Fangleine  befestigt  ist.  Die 
Spitze  ist  mit  Widerhaken  versehen,  so  dals  sie  dort, 
wo  sie  einmal  eingedrungen  ist,  fest  sitzt;  überdies  ist 
sie  derart  eingerichtet,  dafs  sie  im  Fleisch  in  eine  Quer- 
lage gerät,  sobald  der  Seehund  sie  abzuschütteln 
versucht. 

Die  Spitze  wird  vor  dem  Gebrauche  auf  den  Knochen- 
zapfen gesteckt  und  die  mit  ihr  verbundene  Leine  am  Harpunen- 
schafte mit  Hilfe  eines  Knochenstückchens  so  angehakt,  dals 
Schaft  und  Spitze  fest  zusammen  halten. 

Am  anderen  Ende  der  Leine  ist  die  ziemlich  grofse 
Fangblase  befestigt;  diese  besteht  aus  der  Haut  eines  jungen 
Ringseehundes  (Phoca  foetida),  die  abgebälgt,  enthaart  und 
am  Kopfe,  den  vorderen  und  hinteren  Gliedern  luftdicht 
zugebunden  und  getrocknet  worden  ist. 

Sobald  die  Harpune  den  Seehund  getroffen  hat,  geht  der 
Zapfen  sofort  aus  dem  Gelenk,  wodurch  ein  Abbrechen  des 
Schaftes  verhindert  wird;  gleichzeitig  löst  sich  die  Harpunen- 
spitze, die  im  Körper  stecken  bleibt,  samt  der  Fangleine 
vom  Schaft.  Der  Schaft  treibt  nun  auf  dem  Wasser,  bis  er 
vom  Eigentümer  wieder  aufgefischt  wird.  Die  am  anderen 
Ende  der  Fangleine  befindliche  Blase,  die  auf  dem  Verdecke 
des  Kajaks  liegen  geblieben  war,  wird,  sobald  das  Tier 
getroffen  ist,  ins  Wasser  geworfen,  und  zeigt  dem  Jäger  die 
Stelle  an,  wo  der  Seehund  mit  der  Spitze  im  Leibe  unter- 
zutauchen versucht;  gleichzeitig  hindert  die  Blase  das  Tier 
am  Untertauchen  und  Fortschwimmen.  • 

Um  die  Harpune  weiter  und  mit  gröfserer  Wucht  schleudern 
zu  können,  hat  der  Eskimo  eine  Erfindung  gemacht,  durch 
die  er  sich  von  allen  seinen  Nachbarn,  den  asiatischen  wie 
den  amerikanischen  Stämmen  unterscheidet.  Diese  Erfindung 
ist  das  Wurf  holz,  das  nur  bei  den  Eskimo,  den  Austral- 
negern  und  am  oberen  Amazonenstrome  vorkommt.  Das  Wurf- 
holz hat  im  oberen  schmalen  Ende  ein  Loch,  in  das  ein  schräg 
nach  hinten  gerichteter  Zapfen  an  der  Seite  des  Harpunen- 
oder Lanzenschaftes   hineinpalst,    und   dazu   noch   ein   Loch 


202 

JULIUS    POKORNY. 


^Vaffe   .„sanken   in   LrizonI  eftu  ""'  '"'"■'  '^  ""  ^» 
wärts.    Indem  man  p/^  !,      v.     ?    '""^   wnrfbeieit   rttck- 

^chnellt,  lörsfc  das  un  ,.e  Fn^'""^  '''""''  "^'=''  ^o™« 
Während  man  mit  d  m  obe  e«  End.  T  "''  »"P-ne  los, 
Zapfen  l.aftet,  die  Waffe  ^„f  k  .  .  ',  '^'''  ""'=''  *"  s«'««"' 
.rorser  Treitsleh'hdtl^S.i^^t'r  "'  ^""""""^  '""  ™" 
dieHtp„T/mi"blte  "".r'-^f  ""l-  --"e".  dafs  sich 

gesprochen  -  auch   „  cm  ^fZ.r  ^""""""^  """^  ^»''»" 
sondern  eine  den  Est  1!  !    ^^PP*"  (^'»"™)  «ndet, 

-eilt.  Ke Vo^d^äL^^-  ;;»^^^;;e/rfi„d„„,  ^- 

den  Eskimo  erS  Ce  \fffe™'"f  """*  ^'•^'  ^°» 
schlierslich  anf  der  itT  J!  """^  "*""""'=''  »«s- 
verwendet,  da  s  e  zu  utf  „-^  '""'''  ^''"'  '^^J«"  *«« 
die  Eskimo  des  Bo^en^t:  Het  '""^  ''"  ''^'"«"'-  -" 

verbfndufrb^'k:/' t:„r '  '^"."^^'^  "■"'''  ^"=''  ■»  "-- 

Diese  F.Hn,!«  "^*'''"  ^''"'«  ^er  Welt. 

-•   -Uie    rätselhafte    'Vorrichtnna'    ^-^ ;  77^      j- 
Schleudern  des  ,a.  bol,j„e  IZ2Z  L   ^      „^^    *"    '^""' 
anderes  sein    als  das  Wm-fhli        ?  ,*  •   ''änn  kaum  etwas 


BEITRÄGE    ZÜK    ÄLTESTKN    GESCHICHTE    IRLANDS.  2' '3 

•Vorrichtung'  {sieg  inn  indell).  Wie  er  Cü  Chulainn  erblickte, 
warf  er  den  Speer  auf  ihn.  Cü  Chulainn  warf  dem  Speere 
eine  'Vorrichtung'  entgegen;  die  Lanze  dreht  sich  gegen  ihn 
(Eochu)  um,  so  daXs  sie  dem  Pferde  durch  den  Hals  fuhr."  Hier 
kann  es  sich  natürlich  nur  um  das  Wurfholz  allein  handeln; 
gemeint  ist  offenbar,  dafs  der  Held  mit  seinem  Wurfholze  den 
Speer  auffängt  und  auf  den  Absender  zurückschleudert. 

Dafs  das  Wurfholz  in  Irland  bald  ungebräuchlich  geworden 
war,  erklärt  sich  ohne  weiteres  dadurch,  dals  die  Irländer 
über  genug  Metalle  verfügten,  um  ihre  Speere  entsprechend 
schwer  und  weittragend  zu  machen,  während  die  Eskimo 
genötigt  waren,  in  Ermangelung  genügender  Metallmengen  zu 
anderen  Mitteln  zu  greifen. 

Dafs  auch  die  für  ein  Volk  von  Seehundsfängern  berechnete 
Harpune  mit  Fangleine  und  Blase  keine  allzu  lange  Lebens- 
dauer in  Irland  haben  konnte,  ist  ebenso  verständlich. 

3.  Die  Harpune  konnte  in  Verbindung  mit  der  Blase 
natürlich  nur  im  Wasser  Verwendung  finden  —  zu  Lande 
wäre  der  'Blasen-Speer'  völlig  sinnlos  gewesen. 

4.  Die  Eskimo-Harpune  besitzt  nicht  nur  starke  Wider- 
haken, sondern  ist  auch  derart  konstruiert,  dafs  die  Spitze  beim 
Versuche,  sie  abzuschütteln,  im  Fleisch  in  eine  Querlage  gerät. 

5.  Die  für  die  in  Irland  angesiedelten  Eskimo  unpraktisch 
gewordene  Blasen -Harpune  raufste  sich  naturgeraäls  am 
längsten  auf  den  schottischen  Inseln  und  den  benach- 
barten Küsten  Irlands  erhalten.  Dafs  es  einen  eigenen  „Gott 
des  Blasenspeeres"  gab  und  dieser  Speer  zum  Attribut  des 
mythischen  Halbgottes  Cü  Chulainn  gemacht  worden  war,  der 
ihn  in  Schottland  kennen  gelernt  hatte,  stimmt  aufs  beste  zu 
unserer  Theorie  von  einer  uralten,  halb  vergessenen  Waffe. 

Es  handelt  sich  jetzt  nur  noch  um  die  Beantwortung  der 
Fragen:  Ist  es  möglich,  dafs  Eskimo  in  gröfserer  Zahl  nach 
Irland  kommen  konnten,  und  haben  wir  sonst  noch  Anhalts- 
punkte dafür? 

Beide  Fragen  kann  man  ohne  weiteres  mit  „ja"  be- 
antworten. 

Bezüglich  der  ersten  Frage  belehrt  mich  Herr  Professor 
Pöch  dahin,  dals  wir  uns  dabei  nicht  die  Erdkarte  in  Mercators 
Projektion,  sondern  die  Erde  vom  Nordpol  aus  gesehen  vor 


204  JULIUS   POKORNY, 

Augen  halten  müssen.  Daraus  ergibt  sich,  dals  rings  um  den 
Pol  herum,  in  Europa,  Asien  und  Amerika  eine  kaum  unter- 
brochene Reihe  mongolischer  Völkerschaften  sitzt,  und  dals 
sich  die  einzige  scheinbare  Lücke  bei  den  britischen  Inseln 
findet.  Prof.  Pöch  bemerkt  weiter,  dals  auch  zwischen  Europa 
und  Amerika  hier  keine  unüberbrückbare  Lücke  klaffe,  weder 
für  die  Völker,  noch  für  deren  Kulturgüter,  und  dafs  die  Ent- 
fernungen keine  zu  grofsen  seien,  namentlich  nicht  für  Völker, 
die  solche  tüchtige  Seefahrzeuge  hatten.  Es  sei  also  a  priori 
als  wahi-scheinlich  vorauszusetzen,  dals  auch  auf  den  britischen 
Inseln  derartige  Völker  einst  vorhanden  gewesen  seien,  um  so 
mehr,  als  wir  um  den  Nordpol  herum  eine  lückenlose  Ver- 
breitung von  Fellbooten  bei  den  erwähnten  Völkern  finden. 
Derartige  Fellboote  finden  sich  aber  auch  auf  den  britischen 
Inseln,  weshalb  vorauszusetzen  ist,  dafs  auch  die  Völker,  die 
um  den  Pol  herum  im  Besitze  solcher  Fahrzeuge  waren, 
dereinst  dort  ansässig  gewesen  sind. 

Nun  zur  zweiten  Frage. 

Jedermann,  der  das  ländliche  Irland  oder  die  schottischen 
Inseln  durchstreift  hat,  müssen  die  merkwürdig  hälslichen  kleinen 
Menschen  mit  den  unregelmäfsigen,  oft  verwitterten  Gesichts- 
zügen aufgefallen  sein,  die  nach  ihrem  Äufseren  weder  den 
blonden  Kelten  und  Germanen,  noch  den  dunkelhaarigen  Nach- 
kommen der  Iberer  zugerechnet  werden  können,  obwohl  sie  sich 
fast  überall  mit  diesen  oder  jenen  vermischt  haben  und  den 
ursprünglichen  Typus  nicht  mehr  rein  darstellen. 

Meiner  Erinnerung  nach  sind  diese  Leute  ziemlich  klein, 
obwohl  nicht  ausgesprochen  zwerghaft,  mit  pechschwarzem, 
glattem,  straffem,  zwirnartigem  Haar  (das  Haar  der  „Iberer" 
ist  gekräuselt  oder  gelockt)  und  braunen  oder  (infolge  der 
Mischung)  blauen  Augen  und  dicken  Lippen ;  leicht  prognathisch, 
mit  Kinnbacken,  die  dem  Gesichte  einen  breiten  Eindruck 
geben,  obwohl  es  sich  um  Langschädel  handelt.  Besonders 
aufgefallen  ist  mir  in  einigen  Fällen  (die  allenfalls  einer 
Mischung  mit  anderen  Elementen  ihren  Charakter  verdanken 
könnten?)  die  ungewöhnliche  Länge  der  unteren  Gesichtshälfte, 
die  dem  Gesichte  oft  einen  unheimlichen  Ausdruck  verleiht. 
Das  Profil  verläuft  fast  geradlinig  in  ziemlicher  Länge  von 
der  Unterlippe   bis   zur  Biegung  des  Kinns,  die  etwa  einen 


BEITRÄGE   ZUR   ÄLTESTEN   GESCHICHTE   IRLANDS.  205 

Winkel  von  40  o/p  einsclilielst.  Es  befindet  sich  also  zwischen 
dem  Zalinfächerfortsatz  und  dem  Kinn  vorsprang  keine  Kon- 
kavität, so  dafs  das  Kinn  gar  nicht  aus  dem  Unterkiefer 
herausmodelliert  erscheint,  was  das  ganze  Untergesicht  un- 
gemein massig  und  brutal  erscheinen  lälst. 

Es  scheint  das  derselbe  Typus  zu  sein,  den  Hector  Maclean 
bei  seiner  anthropologischen  Untersuchung  der  schottischen 
Hochländer  als  „breitgesichtigen  Kelten"  bezeichnet,  der 
sich  nach  ihm  durch  dunkle  Haut,  dunkle  tiefliegende  Augen, 
schwarzes  Haar  und  hervorragendes  Kinn  auszeichnet  und 
angeblich  von  düsterem,  leidenschaftlichem  Temperamente  sein 
soll,  dabei  aber  viel  Selbstbeherrschung  besitzt  (Anthropol. 
Review  IV). 

Schon  vor  mehr  als  30  Jahren  hat  der  hervorragendste 
englische  Anthropologe  John  Beddoe,  dessen  Arbeiten  mir  erst 
nach  meinen  eigenen  Beobachtungen  bekannt  wurden,  ganz 
ähnliche  Erfahrungen  gemacht.  Er  sagt  darüber  (The  Races 
of  Britain,  p.  9 — lU):  „Ich  glaube,  es  lälst  sich  wahrscheinlich 
machen,  dafs  sich  in  der  heutigen  Bevölkerung  von  Wales  und 
England  Spuren  einer  mongolischen  Rasse  finden. 

Ihr  bedeutsamstes  Kennzeichen  ist  das  schiefe  oder 
chinesische  Auge,  dessen  äufserer  Winkel  in  horizontaler 
Linie  etwas  höher  liegt,  als  der  innere.  Damit  verknüpft 
findet  sich  zumeist  eine  mandelförmige  Gestalt  des  Auges  und 
eine  merkwürdige  Verdickung  des  oberen  Augenlides;  diese 
letzteren  Eigenschaften  können  auch  ohne  mandelförmige 
Gestalt  des  Auges  vorkommen,  jedoch  mit  einer  dem  gleichen 
Typus  angehörigen  Physiognomie.  Ich  habe  Aufzeichnungen 
über  34  Personen  mit  schiefen  Augen.  Ihre  Köpfe  umfassen 
eine  weite  Spanne  relativer  Breite  von  72  bis  86 '  6  und  der 
durchschnittliche  Längen-Index  ist  78  •  9,  also  nicht  viel  gröfser, 
als  der  Durchschnitt  in  England  und  Wales.  Aber  in  anderer 
Beziehung  sticht  der  Typus  deutlich  hervor.  Die  Backen- 
knochen sind  fast  immer  breit;  die  Augenbrauen  schief,  in 
der  gleichen  Richtung  wie  die  Augen;  das  Kinn  zumeist 
schmal  oder  eckig;  die  Nase  ist  oft  konkav  oder  flach,  selten 
gebogen,  und  der  Mund  ist  ziemlich  zum  Vordringen  geneigt. 
Die  Stirn  ist  gewöhnlich  ein  wenig  zurückliegend ;  der  Hinter- 
hauptvorsprung liegt  hoch  und   der  Nasion -Inion- Bogen  ist 


200  JULIUS   POKORNY, 

ziemlich  kurz,  so  dafs  man  zur  Vermutung  geführt  wird,  dafs 
das  Kleinhirn  kaum  von  den  rückwärtigen  Lappen  bedeckt 
sei.  Die  Iris  ist  zumeist  hellbraun  oder  dunkelbraun  und  das 
Haar  straff,  dunkelbraun,  schwarz  oder  rötlich. 

Kein  einziges  Beispiel  dieses  Typus  ist  mir  unter  den 
Köpfen  aus  Ost-England,  die  icli  zu  messen  Gelegenheit  hatte, 
untergekommen  und  sehr  wenige  aus  Irland.  Ich  glaube  aber, 
dafs  sich  leicht  Beispiele  dafür  in  den  gebirgigen  Gegenden 
von  Connaught,  namentlich  an  den  Grenzen  von  Sligo  und 
Eoscommon  finden  lielsen. 

Ich  habe  ihn  selten  in  Schottland  bemerkt,  aber  er  kommt 
auf  den  Shetland -Inseln  vor." 

Beddoes  Bemerkung  über  die  wahrscheinliche  Häufigkeit 
jenes  Typus  in  Irland  kann  ich  vollauf  bestätigen;  ich  habe 
ihn  wiederholt  in  der  Pfarre  Partry  am  Westufer  des  Lough 
Mask  feststellen  können  und  es  verdient  hier  hervorgehoben 
zu  werden,  dafs  nachweisbar  früher  in  Partry  (altir.  Part- 
raige)  Pikten  safsen,  wie  denn  auch  das  p  im  Anlaut  auf 
eine  nicht-gälische  Bevölkerung  hinweist. 

Ich  möchte  auch  glauben,  dafs  ein  von  Beddoe  (S.  239  f.) 
nicht  hierher  gezählter  Typus  auf  jene  mongoloide  Ur- 
bevölkerung zurückzuführen  sei,  wofür  schon  dessen  Vorkommen 
im  äufsersten  Norden  und  Westen  Schottlands  spräche.  Er 
sagt  über  die  Bewohner  der  Shetlands- Inseln:  „Schwarzes 
Haar  kommt  bei  ihnen  vor  und  zwar  nicht  sehr  selten.  Es 
findet  sich  zumeist  bei  Personen  von  entschieden  ugrischem 
Aussehen  und  melancholischem  Temperament.  Derselbe  Typus 
findet  sich  in  Wlck  und  ich  habe  ihn  an  mehreren  Personen 
aus  Nordost -Sutherland  und  der  gälischen  Pfarre  Latheron 
in  Süd-Caithness  festgestellt.  Diese  Leute  mögen  die  Über- 
reste der  ugrischen  Sklaven  der  nordischen  Eindringlinge  oder 
möglicherweise  die  Nachkommen  eines  alten  ugrischen  Stammes 
sein,  dessen  rätselhafter  Name  bei  Ptolemäus  als  hoch  im 
Norden  wohnend  erhalten  ist  ..." 

Von  den  äulseren  Hebriden  sagt  er:  „In  Lewis  findet 
sich  neben  der  nordischen  Rasse  eine  kleine,  untersetzte, 
stumpfnasige,  dunkelhaarige,  oft  auch  dunkeläugige  Rasse, 
wahrscheinlich  der  Urbevölkerung  angehörig,  und  möglicher- 
weise finnisch,  deren  Zentrum  in  Barvas  zu  liegen  scheint." 


BEITRÄGE    ZOR   ÄLTESTEN    aESCHICHTE    IRLANDS.  207 

Warum  au  Finnen,  oder  besser ,  gesagt  Lappen  (denn 
diese  sind  hier  offenbar  gemeint;  die  Benennungen  vermengen 
oft  Sprache  und  Rasse)  nicht  zu  denken  ist,  werde  ich 
weiter  unten  zeigen;  auch  die  Theorie  importierter  Sklaven 
erscheint  mit  Rücksicht  auf  die  weite  Ausbreitung  jenes 
Typus  wenig  wahrscheinlich,  weshalb  ich  ihn  unbedenklich 
der  von  Beddoe  an  anderen  Stelle  genannten  mongoloiden 
Urbevölkerung  zurechne.  Da  diese  heute  nirgends  mehr 
rein  erhalten  ist,  mufsten  sich  ja  durch  mehr  oder  minder 
tiefgreifende  Vermischung  mit  Iberern,  Negroiden,  Kelten  und 
Germanen  mit  der  Zeit  verschiedene  Variationen 
herausbilden. 

Ich  erinnere  hier  auch  an  die  Beschreibung,  die  Harris 
(The  Higlilands  of  Scotland  in  1750)  im  18.  Jahrh.  von  ge- 
wissen Bewohnern  der  nördlichen  und  östlichen  Küsten  Irlands 
entwarf:  „Sie  sind  von  untersetzter  Gestalt,  haben  kurze, 
breite  Gesichter,  dicke  Lippen,  hohle  Augen  und  Stumpfnasen, 
und  scheinen  von  den  westlichen  Iren  verschieden  zu  sein, 
da  sie  von  ihnen  Clann  Gall  „Abkömmlinge  der  Fremden" 
genannt  werden". 

Wie  ist  nun  eine  solche  mongoloide  Bevölkerung  nach 
den  britischen  Inseln  gekommen?  Ihr  Vorkommen  in  ent- 
legenen, ehemals  von  Pikten  und  Fir  Bolg  bewohnten  Gegenden 
Irlands,  die  ihre  Bevölkerung  kaum  je  gewechselt  haben, 
beweist  schon  zur  Genüge,  dafs  es  sich  nicht  um  sekundäre, 
fremdartige  Einschläge,  etwa  durch  fremde  Seeleute  und  späte 
Einwanderer  in  geschichtlicher  Zeit  handeln  kann. 

Es  lassen  sich  also  nur  zwei  Möglichkeiten  ausdenken: 
Entweder  handelt  es  sich  bei  dem  mongoloiden  Typus  um 
Nachkommen  der  paläolithischen  Bewohner  Süd- 
en glands  oder  aber  es  hat  noch  in  späteren  Epochen  eine 
Einwanderung  mongoloiderElemente  stattgefunden, 
von  der  die  Archäologie  keine  Zeugnisse  bewahrt  hat. 

Ich  will  hier  gleich  vorausschicken,  dafs  ich  beide 
Theorien  für  möglich  halte. 

Unter  der  paläolithischen  oder  älteren  Steinzeit  versteht 
man j, bekanntlich  die  Periode,  die  von  der  vorletzten  (oder 
letzten)  wärmereu  Zwischeneiszeit  bis  an  das  Ende  des  Eis- 
zeitalters reicht.     Da  während  der  eigentlichen  Eisperioden 


208  JULIUS   PÜKORNY, 

(von  den  Zwischeneiszeiten  abgesehen)  ganz  Irland  9  und  der 
nördliche  Teil  von  England  bis  East  Eiding  (Yorkshire)  oder 
Lincolnshire  mit  Eis  bedeckt  waren,  kommen  als  mögliche 
Vorfahren  der  geschichtlichen  Bewohner  Englands  natürlich 
nur  die  paläolithischen  Jäger  Süd-Englands  in  Betracht. 

Menschliche  Überreste  aus  jener  Zeit  hat  mau  wohl  ge- 
funden und  feststellen  können,  dafs  es  sich  bei  einem  Teile 
derselben  um  Menschen  von  durchschnittlich  1,52  Meter  Höhe 
handelte,  aber  die  Zahl  der  gut  erhaltenen,  sämtlich  sehr 
langköpflgen  Schädel  ist  derart  klein,  dafs  man  aus  dem  Fehlen 
mongoloider  Schädel  gar  keinen  Schlufs  ziehen  darf,  nament- 
lich, weil  jene  mongoloide  Bevölkerung  nur  dünn  gesäet  gewesen 
sein  dürfte. 

Wenn  wir  uns  noch  dazu  vor  Augen  halten,  dafs  die 
paläolithische  Periode  nach  den  Schätzungen  der  bedeutendsten 
Forscher  höchstens  380,  mindestens  aber  80  Jahrtausende  ge- 
dauert haben  mufs,  so  ist  ganz  klar,  dafs  wir,  besonders  bei 
der  Spärlichkeit  und  Unsicherheit  der  Funde,  damit  rechnen 
müssen,  dafs  in  diesen  ungeheuren  Zeiträumen  doch  gewifs 
aufser  der  Neanderthal-  und  Cro  Magnon-Rasse  noch  andere 
Kassen  den  Boden  Englands  betreten  haben  können. 

Beddoe  bemerkt  ganz  richtig  (op.  cit.  S.  13):  „Durch  die 
Untersuchungen  von  Ecker,  Ranke  und  Von  Holder  über  die 
ethnologische  Geschichte  Süddeutschlands  wissen  wir  ganz  gut, 
dafs  es  möglich  ist,  dafs  ein  grofser  Teil  der  Bevölkerung 
durch  lange  Zeiträume  hindurch  in  den  gewöhnlichen  Begräbnis- 
plätzen fast  gar  nicht  vertreten  ist.  Der  mongoloide  Typus, 
den  ich  besprochen  habe,  existierte  —  falls  er  wirklich  einen 
Rassentypus  und  nicht  blofs  das  harmonische  Zusammentreffen 
zufälliger  Eigenschaften  darstellt  —  wahrscheinlich  schon  vor 
der  neolithischen  Zeit  in  diesem  Lande." 

Das  Nicht-zu-Tage-treten  mongoloider  Schädel  beweist 
also  gar  nichts  gegen  das  Vorhandensein  einer  mongoloiden 
Urbevölkerung  in  paläolithischer  Zeit,  da  wir  ja  auch  bezüglich 
der  anderen  Rassen  nur  wenige  sichere  Beweise  haben.  Die 
Gründe,  die  dafür  sprechen,  werden  wir  gleich  kennen  lernen. 


•)  Der  wahrscheinlich  paläolithische  Schädel  vou  Sligo  mufs  natürlich 
in  eine  solche  wanne  Zwischeneiszeit  verlegt  werden. 


BEITRÄGE   ZUR    ÄLTESTEN   GESCHICHTE   IRLANDS.  209 

Ich  will  nur  vorher  erwähnen,  dafs  die  bisher  herrschende 
Ansicht,  dafs  zwischen  der  älteren  und  jüngeren  Steinzeit  eine 
unüberbrückbare  Kluft  bestünde,  bereits  gründlich  überwunden 
ist.  In  Frankreich  und  Deutschland  hat  man  diesbezügliche 
Übergangsstufen  schon  entdeckt;  in  England  zwar  noch  nicht, 
aber  das  liegt  wohl  nur  daran,  dals  eben  derartige  Funde  noch 
nicht  ans  Tageslicht  gekommen  sind. 

Es  gibt  ja  keinen  plausiblen  Grund,  warum  gerade  beim  Über- 
gang von  der  kalten  Eiszeit  in  die  gemäfsigte  neolithische  Periode 
die  Menschen,  die  in  Frankreich  am  Leben  blieben,  in  England 
ausgestorben  sein  sollen,  und  wenn  von  den  48  Säugetierarten 
der  paläolithischen  Zeit  31  Arten  im  Neolithikum  fortlebten, 
dürfen  wir  ja  dasselbe  von  den  menschlichen  Bewohnern,  die  weit 
weniger  von  der  Flora  und  dem  Klima  abhingen,  voraussetzen. 

Man  hat  aus  dem  Vorkommen  von  Schädeln,  die  den 
paläolithischen  Cro-Magnon-Typus  zeigen  und  die  in  neoli- 
thischer  Zeit  oder  gar  noch  später  gefunden  wurden,  ebenso 
auch  wie  aus  heute  auf  den  britischen  Inseln  vorkommenden 
Schädelformen  (obgleich  derartige  Formen  aus  paläolithischer 
Zeit  infolge  der  Spärlichkeit  des  Fundmaterials  nicht  nach- 
zuweisen sind),  mit  Recht  den  Schluls  gezogen,  dafs  jene 
Rasse  schon  in  paläolithischer  Zeit  dort  gewohnt  hatte;  mit 
dem  gleichen  Rechte  ziehe  ich  aus  dem  heutigen  Vor- 
kommen mongoloider  Typen  den  Schlufs,  dafs  damals 
vielleicht  auch  eine  mongoloide  Rasse  in  Südengland 
wohnte,  eine  Möglichkeit,  die  auch  Beddoe  zugibt,  wenn  er 
sagt  (1.  c.  p.  9):  „Wenn  unsere  paläolithische  Rasse  wirklich  zu 
den  Ahnen  oder  wenigstens  den  nahen  Verwandten  der  Eskimo 
zählt,  wie  Boyd  Dawkins  es  haben  will,  so  ist  es  zu  mindest 
möglich,  dafs  sie  Nachkommen  hinterlassen  haben,  die  sich 
mit  den  neolithischen  Rassen  und  ihren  Nachkommen  von  heute 
vermischt  haben." 

Es  ist  natürlich  denkbar,  dafs  jene  in  Südengland  wohn- 
haft gewesene  mongoloide  Bevölkerung  mit  der  Zeit  ausge- 
storben wäre,  ohne  nahe  Verwandte  zu  hinterlassen,  aber  mit 
demselben  Rechte  dürfen  wir  uns  auf  der  Erde  umsehen,  ob 
es  nicht  doch  noch  irgendwo  solche  gibt. 

Die  einzige  lebende  Rasse  nun,  deren  Schädel  sowohl 
lang  wie  auch  mongoloid  sind,  finden  wir  in  den  Eskimo. 

Zeitschrift  f.  celt.  Philologie  XII,  l.  14 


210  JULIUS    POKORNY, 

Die  Eskimo  bewohnen  lieute  die  ganzen  polaren  Küsten- 
striche, anj^efang-en  von  der  Nordost-Spitze  Asiens,  der 
Tchuktschen-Halbinsel  und  den  nördlichen  Inseln  des  Berings- 
meeres  bis  über  die  ganze  Nordküste  Amerikas  hinüber  zum 
südlichen  Teil  der  Ostküste  Grönlands.  In  ältester  Zeit  be- 
wohnten sie  noch  einen  weit  gröfseren  Teil  der  Nordost-Ecke 
Asiens  und  es  ist  nach  den  neueren  Untersuchungen  ziemlich 
sicher,  dafs  wir  ihre  älteste  erkennbare  Urheimat  im  östlichen 
Asien  zu  suchen  haben. 

Wie  will  man  aber  die  Eskimo  mit  einer  paläolithischen 
Bevölkerung  Nord  Westeuropas  zusammen  bringen? 

Wenn  wir  uns  eine  Karte  der  Kopfformen  Europas  und 
Asiens  ansehen,  so  fällt  uns  auf,  dafs  die  Eskimo  in  Nordost- 
Asien  eine  einsame  Insel  von  Langköpfigkeit  inmitten  der 
kurzköpfigen  mongoloiden  Bewohner  der  Nordküsten  Asiens 
bilden,  und  wir  werden  schon  dadurch  zu  der  Vermutung 
geführt,  dafs  früher  einmal  ein  unmittelbarer  Zusammenhang 
zwischen  den  Eskimo  und  den  langköpfigen  Bewohnern  Europas 
bestanden  haben  mufs,  der  erst  durch  das  Vordringen  kurz- 
köpfiger  Völker  von  Süden  her  unterbrochen  wurde. 

Archäologie  und  Geschichte  bestätigen  denn  auch  jene 
Vermutung,  denn  es  steht  nach  Nordenskjöld  fest,  dafs  die 
nordsibirischen  Völker  „unzweifelhaft  aus  einer  Mischung 
mehrerer,  früher  kriegerischer  und  wilder,  und  von  fremden 
Eroberern  von  Süden  .nach  dem  Norden  gejagten  Rassen" 
bestehen. 

Einen  Zusammenhang  der  paläolithischen  Bewohner 
Englands  mit  den  Eskimo  hat  man  aus  kulturellen  Gründen 
schon  vor  langer  Zeit  vermutet. 

Als  erster  liat  S.  Nilsson  eine  derartige  Theorie  auf- 
gestellt, die  dann  von  W.  Boyd-Dawkins  näher  ausgearbeitet 
wurde. 

Auch  Franz  Boas^)  hat  auf  die  Ähnlichkeit  zwischen 
prähistorischen  Harpunenspitzen  in  Europa  und  Schnitzereien 
der  Eskimo,  sowie  zwischen  prähistorischer  Ornamentik  in 
Europa   und   der   des   arktischen   Kulturkreises   in   Amerika 

^)  „Die  Resultate  der  Jesup-Expeditiou"  in  dem  Buche  „Internationaler 
Amerikanisten-Kongrefs",  Wien  und  Leipzig,  1908. 


BEITRÄGK   ZUR    ÄLTESTEN    GESCHICHTE    IRLANDS.  211 

aufmerksam  gemacht  und  sich  für  die  mögliche  Richtigkeit 
der  Dawkins'schen  Theorie  ausgesprochen. ' 

Dieser  selbst  hat  seine  Theorie  in  der  letzten  Zeit  ein 
wenig  modifiziert  und  sagt  darüber:  i) 

„Die  Eskimo  leben  von  Fischerei,  Vogelfang  und  Jagd 
und  gebrauchen  Werkzeuge  aus  Stein,  Knochen,  Hörn  und 
Elfenbein,  die  tatsächlich  mit  denen  identisch  sind,  welche  die 
Höhlenbewohner  in  Südfrankreich  benutzten.  Das  geht  sogar 
bis  ins  kleinste  Detail.  So  entspricht  z.  B.  die  Steinlampe 
der  Eskimo  der  in  der  Höhle  von  Kostelik  in  Mähren  ge- 
fundenen und  den  kleineren  Exemplaren,  die  zur  Beleuchtung 
der  mit  Fresken  gezierten  Höhlen  von  La  Monthe  in  Mittel- 
frankreich und  Altamira  (bei  Santander)  in  Nordspanien 
dienten.  Die  in  Umrissen,  Schnitzereien  oder  Malereien  dar- 
gestellten Tierfiguren  sind  auch  der  gleichen  Art  und  be- 
zeugen, dafs  die  Kunst  dieselbe  war. 

Auf  den  Einwurf,  dafs  wilde  Stämme,  die  unter  ähnlichen 
Bedingungen  leben,  unabhängig  dieselben  Geräte  erfinden 
könnten,  und  dafs  daher  die  Übereinstimmung  der  Geräte 
nicht  notwendig  einen  Zusammenhang  zwischen  deren  Be- 
nutzern beweise,  läfst  sich  antworten,  dafs  es  heute  auf  der 
Erde  keine  Völker  gibt,  die  die  gleiche  Reihe  von  Geräten 
benützen,  ohne  mit  einander  eine  Zeitlang  in  Berührung  ge- 
wesen zu  sein.  Die  roheren  und  einfacheren  Formen,  wie 
Keile,  Bohrer  und  Schaber,  verdankten  wahrscheinlich  ihre 
Entstehung  den  äulseren  Umständen,  aber  wo  eine  ganze 
Reihe  von  Geräten  übereinstimmt,  die  für  verschiedene  Zwecke 
bestimmt  sind  und  sich  in  manchen  Fällen  über  das  Niveau 
der  gewöhnlichen  Bedürfnisse  des  Lebens  von  Wilden  erheben, 
hat  das  Argument  eines  tatsächlichen  Zusammenhanges  be- 
deutende Beweiskraft." 

Der  Vf.  weist  dann  nach,  dafs  das  Rentier,  der  Moschus- 
ochse, das  Murmeltier,  der  Polarfuchs,  das  Haselhuhn  und  die 
Schnee-Eule,  die  den  paläolithischen  Bewohnern  West-Europas 
als  Nahrung  dienten,  auch  von  den  paläolithischen  Bewohnern 
Nord- Asiens,  wie  heute  von  den  Eskimo,  gejagt  wurden,  und 
dafs  sowohl  die  paläolithischen  Jäger  Westeuropas,  wie  die 


')  Journal  of  the  Royal  Anthropol.  Institute,  1910,  S.  259  f. 

14* 


212  JULIUS   POKORNY, 

Nord- Asiens  und  die  Vorfahren  der  Kskinio  das  Mainiuuth, 
das  wollhaarige  Rhinozeros,  den  Auerochs.  den  Bison  und 
den  Elch  gejagt  hatten.    Er  fährt  hierauf  fort: 

„In  allen  diesen  Tatsachen  sehe  ich  einen  geliäuften  Be- 
weis für  die  Ansicht,  dafs  die  Höhlenbewohner  ihre  Kultur 
den  Eskimo  durch  Vermittlung  der  postglazialen  Jäger  Nord- 
Asiens  übertragen  hatten.  Allerdings  glaube  ich  nicht  mehr, 
dals  dadurch  eine  Identität  der  Rassen  bewiesen  wird.  Die 
Übertragung  kann  durch  Berührung  von  Stämmen  vei-schiedener 
Rasse  erfolgt  sein. 

Im  Grofsen  und  Ganzen  scheint  es  mir,  dafs  das  physische 
Verhältnis  zwischen  Eskimo  und  Höhlenbewohnern  eine  offene 
Frage  bleibt,  die  nicht  endgültig  beantwortet  werden  kann, 
bevor  wir  nicht  mehr  Nachweise  als  heute  über  die  paläo- 
lithischen  Jäger  Sibiriens  und  mehr  aus  den  Höhlen  Europas 
besitzen.  Wie  die  Sache  jetzt  steht,  gehört  der  Höhlen- 
bewohner mit  der  nördlichen  Gruppe  der  Säugetiere  zusammen 
und  kann  wahrscheinlich  mit  ihnen  aus  Asien,  wohin  er  am 
Ende  der  Pleistocen-Periode  zurückkehrte." 

In  der  Meinung,  dafs  die  paläolithischen  Höhlenbewohner 
(der  Ausdruck  ist  etwas  unglücklich  gewählt,  da  die  von  ihm 
gemeinten  Einwanderer  aus  der  Zeit  des  jüngeren  Diluviums 
weder  ausschlief slich,  noch  vorwiegend  in  Höhlen  wohnten) 
wieder  nach  Asien  zurückgekehrt  seien,  steht  Boyd-Dawkius 
ziemlich  allein  da;  wir  haben  keinen  Grund,  etwas  derartiges 
anzunehmen. 

Dafs  solche  mongolische  Typen  heute  namentlich  auf  den 
Britischen  Inseln  deutlich  erhalten  sind,  könnte  man  dadurch 
erklären,  dafs  sich  jene  Bevölkerung  mit  dem  zurückweichenden 
Eise  nach  Norden  zurückzog  und  daher  schliefslich  dort  zurück- 
bleiben mufste,  und  dafs  dann  die  relative  Isoliertheit  der 
britischen  Inseln  ihrer  Erhaltung  besonders  günstig  gewesen 
wäre. 

Ein  Zusammenhang  der  mongolischen  Elemente  auf  den 
Britischen  Inseln  mit  den  Eskimo  ist  also  kulturhistorisch 
mit  ziemlicher  Wahrscheinlichkeit  anzunehmen;  auch  anthro- 
pologisch spricht  nichts  dagegen  und  manches  dafür. 

Die  Eskimo  werden  charakterisiert  durch  übergrofse 
Langköpfigkeit  —  sie  haben  längere  Schädel  als  irgend  ein 


BEITRÄGE   ZUR   ALTESTEN   GESCHICHTE    IRLANDS.  213 

europäisches  Volk  von  heute  (in  englischen  Museen  befind- 
liche alte  Eskimo -Schädel  weisen  einen  durchschnittlichen 
Index  von  73  •  8 — 71  •  8  auf)  —  dasselbe  gilt  von  manchen  stein- 
zeitlichen Bewohnern  Englands;  sie  haben  aber  trotzdem  ein 
breites  Gesicht  (ebenso  die  von  mir  beobachteten  mongolischen 
Typen),  hohe  Backenknochen  und  platte  Nase,  das  schiefe, 
mongolische,  mandelförmige  Auge  und  eine  durchschnittliche 
Körpergröfse  von  1-50 — 160m;  alles  Eigenheiten,  die  von 
Beddoe  auch  bei  den  britischen  Mongoloiden  festgestellt 
worden  sind. 

T.  Rice  Holmes  hat  in  seinem  vorzüglichen  Buche  'Ancient 
Britain'  behauptet,  dafs  die  Theorie  einer  Abstammung  der 
Eskimo  von  den  paläolithischen  Bewohnern  Westeuropas  'von 
jedem  neueren  Forscher  abgelehnt'  worden  sei.  Ich  habe  die 
von  ihm  (S.  389,  Anm.  2)  zitierten  Stellen  aufmerksam  durch- 
gelesen, kann  aber  in  ihnen  keine  motivierte  Ablehnung 
finden,  die  irgendwie  überzeugend  wirken  würde.  W.  H.  Flower 
(Journ.  Anthrop.  Inst.  1885,  S.  387)  gebraucht  überhaupt  nur 
ganz  allgemeine  Redensarten,  und  in  den  beiden  anderen  an- 
geführten Arbeiten  von  H.  P.  Steensby  und  Schultz-Lorentzen 
finden  -sich  ebensowenig  entschiedene  Gegenbeweise.  Rice 
Holmes  hat  sich  hier  offenbar  im  Gegensätze  zu  seiner  sonst 
geradezu  bewunderungswürdigen  Gründlichkeit  einer  kleinen 
Flüchtigkeit  schuldig  gemacht. 

Ich  möchte  also  jedenfalls  die  Möglichkeit  eines  urzeit- 
lichen Zusammenhanges  zwischen  einem  Teile  der  paläolithischen 
Bewohner  Englands  und  den  Eskimo  betonen,  bis  jemand  eine 
bessere  Lösung  der  Frage  vorbringt,  wenn  auch  natürlich 
von  einem  sicheren  Beweise  vorläufig  keine  Rede  sein  kann. 

Bei  dieser  Gelegenheit  will  ich  auch  darauf  hinweisen, 
dafs  Schlitz  in  den  steinzeitlichen  Flächgräbern  von  Ostorf 
und  Roggow  in  Mecklenburg  sehr  merkwürdige  Entdeckungen 
gemacht  hat  (Archiv  f.  Anthrop.,  1909,  5.  283  f).  Er  fand 
dort  eine  Reihe  von  Schädeln,  die  sich  von  allen  anderen 
nordischen  Steinzeitschädeln  wesentlich  unterscheiden  und 
einer  anderen,  wahrscheinlich  von  fernher  eingewanderten 
Rasse  angehören  müssen. 

Von  jenen  Schädeln,  deren  Index  sich  zwischen  68  •  75 
und  73-18   bewegt,   sind  8   dolichokephal,  orthokephal  und 


214  .     JULIUS    POKORNY, 

hypsikeplial,  also  extreme  Langköpfe  mit  hoher,  schmaler 
Stirne  mit  geringem  Abstände  der  Stirnhöcker,  vorstehender 
Nase,  eingezogener  Nasenwurzel  und  breiten  und  starken 
Wangenbeinen,  also  breitem  (resicht,  das  mit  einem  schmalen 
Untergesichte  verbunden  ist;  6  zeigen  ein  prognathes  Profil 
und  breite,  niedere  Augenhöhlen. 

Wie  Schlitz  bemerkte,  gleichen  diese  Schädel  am  ehesten 
dem  Eskimoschädel  von  Godthaab;  ebenso  zeigten  die  17  alten 
Eskimoschädel,  die  im  Journal  of  the  Anthrop.  Inst,  of  Great 
Britain  a.  Ireland  (1906)  beschrieben  sind,  die  gleiche  Lopo- 
kephalie. 

Ob  es  sich  tatsächlich  hier  um  eine  mit  den  Eskimo  ver- 
wandte Rasse  handelt,  läfst  sich  natürlich  vorläufig  noch  nicht 
entscheiden;  wenn  wir  aber  die  engen  Beziehungen  zwischen 
dem  südlichen  Skandinavien  und  den  Britischen  Inseln,  über 
die  ich  weiter  unten  sprechen  werde,  ins  Auge  fassen,  so 
scheint  es  mir  möglich,  dafs  es  sich  vielleicht  um  eine  Kolonie 
der  mongoloiden  Bevölkerung  der  Britischen  Inseln  handeln 
könnte,  da  der  ganzen  Lage  des  Fundortes  nach  eine  Ein- 
wanderung zur  See  wahrscheinlich  erscheint.  Das  soll  natür- 
lich nicht  mehr  als  eine  tastende  Hypothese  sein,  sicheres 
lälst  sich  auch  nicht  einmal  annähernd  darüber  sagen. 

Da  in  paläolithischer  Zeit  nur  Süd -England  andauernd 
bewohnt  war,  ist  es  noch  nötig,  einige  Worte  über  Irland 
und  Schottland  zu  sagen.  Betreffs  Schottlands  liegt  die 
Sache  sehr  einfach,  da  seine  ersten  neolithischen  Bewohner 
selbstverständlich  aus  England  gekommen  sein  müssen. 

AV.  J.  Knowles  hat  gezeigt'),  dafs  in  Irland  in  neo- 
lithischer  Zeit  gewisse  Geräte,  wie  sie  in  der  paläolithischen 
Zeit  üblich  gewesen  waren,  in  Gebrauch  standen,  und  da  Irland 
während  der  letzten  Eiszeit  unbewohnbar  war,  folgt  daraus 
mit  Notwendigkeit,  das  jene  Geräte  von  den  Nachkommen  der 
paläolithischen  Bewohner  Englands  oder  Frankreichs,  die  nach 
Irland  herübergewandert  waren,  herrühren  müssen. 

Da  in  der  jüngeren  Steinzeit  Nord-England  und  Irland  in 
regen  Beziehungen  zueinander  standen,  dürfen  wir  wohl  ver- 
muten, dals  Irland,  und  zwar  Nord -Irland,  seine  ältesten  Be- 

»)  Journ.  Roy.  Soc.  Antiqu.  Ireland,  5th  ser.,  VII,  1897,  p.  If. 


BEITRÄGE    ZUR   ÄLTESTEN    GESCHICHTE   IRLANDS.  215 

wohner  zu  Beginn  der  neolithischen  Zeit  auf  dem  Wege  über 
Nord-England  erhalten  hat.  und  dafs  unter  diesen  Einwanderern 
sich  sowohl  Angehörige  der  Cro-Magnon-Rasse  wie  auch  vor 
allem  mongoloide  Typen  befunden  haben  werden,  da  nament- 
lich die  letzteren  noch  heute  deutlich  nachweisbar  sind.  Eine 
Einwanderung  aus  Frankreich  ist  ebenso  denkbar,  dürfte  aber 
doch  wohl  erst  etwas  später  erfolgt  sein;  ethnologisch  würde 
das  wenig  Unterschied  bedeuten,  da  zum  Teil  die  gleichen 
Kassenelemente  damals  auch  im  nördlichen  Frankreich  vor- 
handen gewesen  sein  dürften.  Man  braucht  sich  nur  die  Karte 
anzusehen,  um  die  Priorität  einer  Einwanderung  aus  Nord- 
England  und  Süd-Schottland  wahrscheinlich  zu  machen.  Man 
möge  mir  hier  nicht  entgegenhalten,  dafs  ja  die  Kelten  Irland 
offenbar  von  Frankreich  aus  erobert  hatten,  als  England 
schon  längere  Zeit  in  ihrem  Besitze  war;  der  Grund  dürfte 
darin  liegen,  dafs  die  britischen  Kelten,  deren  Einw^anderung 
in  England  ich  um  400  v.  Chr.  ansetze,  in  den  nächsten  100 
Jahren  noch  nicht  so  weit  nordwestlich  vorgedrungen  waren, 
dals  eine  Besetzung  Irlands  mit  Notwendigkeit  daraus  ge- 
folgert werden  mülste.  Die  erste  Einwanderung  paläolithischer 
Bewohner  erfolgte  offenbar  über  die  schottische  Halbinsel 
Cantyre,  von  wo  die  Entfernung  nach  Nord -Irland  nur  un- 
gefähr 20  km  beträgt. 

Schon  1909  hatte  ich  John  Mac  Neill  die  hier  vertretenen 
Theorien  zur  Begutachtung  unterbreitet,  worauf  er  mir  am 
8. 12. 1909  antwortete: 

„Ich  halte  es  für  wahrscheinlich,  dals  in  Irland  zwei 
neolithische  Völkerströme  zusammen  trafen.  Neolithische 
Menschen  erscheinen  in  Irland  sofort  nach  der  Eiszeit,  Ihre 
Spuren  finden  sich  in  Sandlagern,  die  unmittelbar  über  dem 
eiszeitlichen  Terassenschotter  (boulder-clay)  ruhen,  selbst 
wenn  fünf  aufeinanderfolgende  Sandlager,  die  Ergebnisse  von 
fünf  Senkungen  der  irischen  Küste  unter  die  Meeresoberfläche, 
über  dem  ersten  Sandlager  (gravel-bed)  aufgeschichtet  sind. 
Daraus  schliefse  ich,  dals  es  hier  eine  neolithische  Rasse  gab, 
die,  gleichwie  die  Eskimo,  Lappen  und  Nordasiaten  an  der 
Grenze  der  Eiszone  lebte,  und  dals  sich  diese  Rasse  in  einer 
dünnen  Linie  rings  um  den  Nordpol  herum  erstreckte.  Wie 
die  heutigen  Eskimo  dürfte  jenes  Volk  trotz  seiner  weiten 


216  JULIUS  POKOBNT, 

Verbreitung  nicht  zahlreich  gewesen  sein.  Als  die  Eiszone 
von  England  und  Irland  schliefslich  gegen  Nordwesten  zurück- 
ging, konnte  dieses  Volk  natürlich  nicht  dem  Eise  folgen,  wes- 
halb seine  Nachkommen  noch  heute  auf  diesen  Inseln  zu  finden 
sein  müssen. 

Aulser  dieser  gab  es  in  Westeuropa  eine  andere  Rasse, 
die  Nordwest- Afrika,  die  pyrenäische  Halbinsel,  Sardinien, 
Korsika,  die  Balearen  und  Südfrankreich  bis  zur  Rhone  be- 
wohnte. Nach  dem  Ende  der  Eiszeit,  vielleicht  lange  nachher, 
drang  diese  Hasse  weiter  nördlich  vor  und  erreichte  England 
und  Irland.  Dieser  Rasse  denke  ich,  gehörten  die  Iberer  an. 
Die  andere  Rasse  hat  keinen  Namen.  ..." 

Nach  meiner  und  Mac  Neill's  Ansicht  handelt  es  sich  also 
darum,  dafs  dereinst  vielleicht  ein  unmittelbarer  Zusammen- 
hang zwischen  den  paläolithischen  Bewohnern  Englands  und 
denen  Ost- Asiens  bestanden  habe,  derart,  dafs  eine  ununter- 
brochene Reihe  mongoloider  Völkerschaften  sich  über  den 
Nordrand  von  Europa  bis  nach  Asien  und  vielleicht  noch 
weiter  östlich  nach  Amerika  hinüber  erstreckt  hatte. 

Man  könnte  natürlich  auch  daran  denken,  dals  jene 
raongoloide  Bevölkerung  von  Grönland  oder  Nordamerika  zu 
Schiff  herüber  gekommen  sei,  man  darf  aber  nicht  annehmen, 
dafs  Eskimo-Stämme  schon  in  so  früher  Zeit  bis  an  die  Ost- 
küste Amerikas  und  nach  Grönland  vorgedrungen  seien.  Es 
käme  aufserdem  eher  nur  Grönland  in  Betracht,  da  Amerika 
wohl  etwas  zu  weit  entfernt  ist;  eine  sichere  Folgerung  läfst 
sich  daraus  allerdings  nicht  ableiten,  da  das  Meer  in  den 
ältesten  Zeiten  ein  viel  geringeres  Verkehrshindernis  dar- 
stellte, als  die  undurchdringlichen  Urwälder  des  Festlandes, 
und  auch  weite  Entfernnungen  für  tüchtige  Seefahrer  selbst 
damals  kein  Hindernis  bildeten. 

Immerhin  ist  aber  an  eine  Einwanderung  aus  Grönland 
in  paläolithischer  Zeit,  wahrscheinlich  auch  in  der  jüngeren 
Steinzeit  Englands  nicht  zu  denken. 

Man  ist  heute  der  Ansicht,  dafs  die  Besiedlung  Grönlands 
durch  die  Eskimo  verhältnismäfsig  spät  erfolgt  sei,  doch  gibt 
uns  die  Anwesenheit  des  gae  bolgae  in  Irland  einen  Anhalts- 
punkt dafür,  es  sei  denn,  dafs  man  an  dessen  Herkunft  aus 
Nordamerika  denken  wollte,  oder  an  die  Möglichkeit,  es  handle 


BEITRÄGE  ZUR  ÄLTESTEN   GESCHICHTE   IRLANDS.  217 

sich  um  ein  Erbstück  aus  paläolithischer  Zeit.i)  Die  An- 
nahme, dafs  die  Urbe wohner  der  britischen  Inseln  unabhängig 
von  den  Eskimo  den  Blasenspeer  erfunden  hätten,  wäre  auch 
denkbar,  ist  mir  aber  unwahrscheinlich. 

Der  gae  bolgae  kommt  schon  in  der  ältesten  Version  der 
Täin  vor,  die  handschriftlich  ins  7.  oder  8.  Jahrh.  n.  Chr. 
zurückgeht  und  spielt  als  die  Hauptwaffe  des  gröfsten  irischen 
Nationalhelden  eine  sehr  wichtige  Kolle.  Die  Ereignisse,  die 
in  der  Täin  mit  Zuhülfenahme  allerlei  mythischen  Beiwerkes 
verherrlicht  werden,  müssen  sich  aus  historischen  Gründen, 
die  ich  ein  anderes  Mal  klarlegen  werde,  im  Laufe  des  3. 
oder  4.  Jahrhunderts  n.  Chr.  abgespielt  haben  und  wir  haben 
keinen  Grund  anzunehmen,  dafs  der  gae  bolgae  eine  spätere 
Zutat  sei.  Weil  ferner  die  Natur  des  gae  bolgae  schon  den 
Schreibern  des  8.  Jahrh.  und  ihren  Vorgängern  im  7.  und 
6.  Jahrh.  nicht  mehr  ganz  klar  war,  müssen  wir  annehmen, 
dafs  auch  jenem  ein  recht  hohes  Alter  zukomme  und  es 
erscheint  recht  wahrscheinlich,  dafs  der  Blasenspeer  den  Kelten 
nicht  nach  dem  2.  Jahrh.  n.  Chr.  bekannt  geworden  sei.  Sie 
werden  ihn  wahrscheinlich  von  der  Urbevölkerung  Nordost- 
Irlands  und  Nordwest-Schottlands  kennen  gelernt  haben,  unter 
denen  sich  wohl  zugewanderte  Eskimo  befunden  haben  werden, 
die  an  der  Westküste  Schottlands  und  Nordküste  Irlands 
den  Seehundsfang  nach  der  Väter  Art  mit  Blasenspeer  und 
Wurfholz  betrieben  haben  mögen.  Wir  können  also  unbe- 
denklich annehmen,  dafs  jene  Zuwanderung  von  Eskimo  nicht 
lange  nach  dem  Beginne  unserer  Zeitrechnung  und  vielleicht 
auch  noch  etwas  früher  stattgefunden  habe. 

Es  müssen  also  schon  damals  Eskimo  auf  Grönland  oder 
wenigstens  schon  an  der  Ostküste  Nordamerikas  angelangt 
gewesen  sein. 

Gewils  sagt  eine  Gemeinschaft  von  Kulturgütern  noch 
nichts  zwingendes  über  die  Besiedlung  aus,  aber  die  wichtige 
Rolle,  die  der  gae  bolgae  in  der  irischen  Tradition  einnimmt, 


^)  Aus  den  Fuuden  geht  hervor,  dafs  man  schon  damals  in  Westeuropa 
das  Wurf  holz  gekannt  hatte,  es  ist  aber  wenig  Avahrscheinlich ,  dafs  sich 
die  Faugblase  nach  Ende  der  Eiszeit  noch  so  viele  Jahrtausende  lang  in 
Irland  und  Schottland  erhalten  haben  würde. 


218  JULIUS   POKORNY, 

beweist  doch  etwas  mehr,  da  man  sie  ohne  Annahme  einer 
Siedlung  von  Eskimo,  die  den  Kelten  den  Gebrauch  jener 
Waffe  wiederholt  handgreiflich  vor  Augen  geführt  haben 
müssen,  nicht  recht  verstehen  könnte. 

Meine  Ansicht,  dafs  die  vorkeltische  (von  Urzeiten  her  mit 
den  Eskimo  in  Ostasien  verwandte  mongoloideV)  Bevölkerung 
der  britischen  Inseln  in  späteren  Zeiten  durch  gelegentliche 
Zuwanderung  von  Eskimo  aus  Grönland  oder  Nordamerika 
verstärkt  wurde,  wird  dadurch  bestätigt,  dafs  in  der  Tat 
vom  Jahre  62  vor  Chr.  bis  auf  unsere  Tage  Eskimo 
auf  ihren  gebrechlichen  Kajaks  von  Nordamerika,  bezw. 
Grönland  an  die  Küsten  Westeuropas  gelangt  sind. 

Ad.  de  Ceuleneer  hat  (Archiv  f.  Anthropologie  1891, 
S.  339 f.)  gezeigt,  dafs  schon  62  v.  Chr.  Eskimo  an  die  Küste 
Germaniens  verschlagen  wurden  (Mela  III.  45,  Plinius  IL  67), 
die  dann  ein  König  der  Sueben  oder  der  Rhäter  (diese  ver- 
mittelten ja  den  Handel  zwischen  Norditalien  und  den  Rhein- 
gegenden) dem  Metellus  Celer  zum  Geschenk  machte;  wegen 
ihrer  dunklen  Hautfarbe  wurden  sie  von  den  Römern  für 
Inder  gehalten.  Eine  Sklavenbüste  im  Louvre,  die  aus  dem 
1.  Jahrh.  vor  Chr.  stammt  und  deutlich  den  Typus  eines 
Indianers  der  Nordstaaten  zeigt,  ist  in  diesem  Zusammenhange 
sicher  bemerkenswert.  Eine  Landung  angeblicher  „Inder" 
in  Lübeck  im  Jahre  1160  ist  bei  Äneas  Silvius  (Opp.  geogi'. 
et  bist.,  cap.  2)  bezeugt;  nach  Bembo  (Historiae  Venetae  VII 
257)  traf  im  Jahre  1508  ein  französisches  Schiff  in  der  Nähe 
Englands  einen  Kajak  mit  sieben  Fremdlingen,  die  nach  der 
Beschreibung  zweifellos  Eskimo  aus  der  Davis  Street  gewesen 
sein  müssen.  Ceuleneer  gibt  noch  Belege  für  derartige  Ver- 
schlagungen aus  den  Jaliren  1682  und  1689.  Über  die  Fahrten 
von  Eskimo  nach  Nordeuropa  handelt  auch  Hans  Plischke 
(Petermanns  Mitt,  1916,  93),  der  aber  nur  das  schon  von 
Ceuleneer  gebrachte  Material  in  anderer  Anordnung  wiedergibt. 

Gelegentlich  der  Diskussion  über  einen  Vortrag,  den  ich 
über  die  Urbevölkerung  der  britischen  Inseln  hielt,  bemerkte 
Herr  Prof.  Pöch  (Sitzungsber.  d.  Anthrop.  Ges.  Wien,  1916, 
S.  32/33): 

„Es  liegt  im  Museum  zu  Aberdeen  ein  grönländisches 
Kajakboot,   das,    wie  historisch  nachgewiesen  ist  (vgl.  Mac 


BEITRÄGE   ZUR  ÄLTESTEN   GESCHICHTE   IRLANDS.  219 

Ritchie  in  Peterraanns  Mitteilungen  1911,  I  284  und  II  312), 
an  die  Küste  Schottlands  verschlagen  wurde.  Dafs  der  Insasse 
desselben  auch  zweifellos  ein  Eskimo  war,  ist  sichergestellt. 
Der  Mann  wurde  in  seinem  Kajak  gefangen,  starb  aber  bald 
darauf.  Es  wird  dieses  Kajakboot  wohl  kaum  das  einzige 
gewesen  sein,  das  seinen  Weg  dorthin  gefunden  hat,  vielmehr 
werden  solche  Verschlagungen  und  vielleicht  auch  Eeisen  im 
Laufe  der  Zeiten  oft  vorgekommen  sein.  Dies  allein  sagt 
natürlich  nichts  Zwingendes  über  die  Besiedlung  aus,  aber  Be- 
ziehungen zwischen  Grönland  und  den  britischen  Inseln  sind 
zweifellos  festgestellt.  Auf  gleiche  Weise  dürften  Reisen  auf 
finnischen  Fellbooten  vom  Osten  her  stattgefunden  haben,  wie 
ein  zweites,  a,  a.  0.  beschriebenes  und  ebenfalls  abgebildetes 
Kajak  darzutun  scheint.'' 

Den  erwähnten  Beweisgründen  dürfen  wir  gewils  die 
von  dem  Marquess  of  Bute  (Cymrodor,  1883)  erwähnte  münd- 
liche Tradition  hinzufügen,  derzufolge  Eskimo  in  Grofs- 
britannien  gewesen  sein  sollen  und  die  auch  das  Vorhandensein 
sehr  kleiner  Leute  auf  der  schottischen  Insel  Lewis  darauf 
zurückführt.  Im  Zusammenhange  mit  dem  übrigen  Stoffe  ge- 
winnt sie  eine  Beweiskraft,  die  ihr  allein  allerdings  kaum 
zugekommen  wäre. 

Über  die  Möglichkeit  einer  Einwanderung  von  Grönland 
über  Island  und  die  Far  Öer  braucht  wohl  erst  kein  Wort 
verloren  zu  werden,  da  ja  Island  von  Grönland  nicht  weiter 
als  eine  gute  Tagereise  entfernt  ist. 

Aber  auch  von  der  Nordostküste  Amerikas  (die  Eskimo 
safsen  einst  südwärts  bis  nach  Massachusetts)  konnten  Kajaks 
mit  Leichtigkeit  nach  den  britischen  Inseln  gelangen,  indem, 
sie  mit  dem  Labradorstrom  südöstlich  in  den  Golfstrom  und 
von  da  geradewegs  an  die  Küsten  der  britischen  Inseln  ge- 
trieben worden  sein  dürften.  Die  Eskimo  sind  aulserdem  die 
kühnsten  Seefahrer  Amerikas;  ihr  Bedürfnis  nach  Speise  und 
Trank  konnten  sie  unterwegs  leicht  durch  das  Fleisch  und 
Blut  gefangener  Seetiere  befriedigen,  was  uns  auch  Kardinal 
Bembo  von  den  Eskimo  des  Jahres  1508  berichtet. 

Das  Meer  bot  in  alter  Zeit  dem  Verkehr  viel  weniger 
Hindernisse  als  der  Landweg,  und  wenn  wir  uns  die  Be- 
siedlung der  Südsee-Inseln  vor  Augen  halten,  wobei  Meeres- 


220  JULIUS   POKORNY, 

fahrten  von  3000  km  und  mehr  keine  Seltenheit  waren, 
werden  wir  uns  über  die  Reisen  der  Eskimo  nicht  gar  so  sehr 
wundern  dürfen. 

Dals  solche  Reisen,  in  gröfserer  Zahl  wiederholt,  in  dünn 
bevölkerten  Gegenden  geradezu  zu  Besiedlungen  führen  konnten, 
ist  auch  nach  dem  Gesagten  nicht  weiter  wunderbar.  Für 
liäufigere  derartige  Vorkommnisse  sprechen  auch  die  zahlreichen 
Geschichten,  die  z.  B.  auf  den  Orkney-  und  Shetlands  -  Inseln, 
aber  auch  in  Schottland,  von  seltsamen  Wesen  erzählt  werden, 
die  bald  als  Menschen,  bald  als  Robben  auftauchen  und  eine 
„Haut"  besitzen,  die  sie  abwerfen  können  und  dann  zu  ganzen 
Menschen  werden. 

„Spätere  Erzählungen  von  Wallace  (1682)  und  Brand 
(1701)  über  die  Orkneys  lassen  nun  klar  durchblicken,  um 
was  es  sich  bei  den  Meerleuten  handelt.  Beide  beschreiben 
den  Meermann  so  wie  wir  es  heute  von  den  Grönländern 
kennen,  die  eigenartige  „Haut"  wird  als  Kajak  erkannt,  das 
allerdings  im  Wasser  mit  den  Insassen  fest  verbunden,  für 
den  argwöhnischen  Naturmenschen  leicht  ein  besonderes 
Wasserwesen  vortäuschen  konnte.  Hier  handelt  es  sich 
zweifellos  um  gelegentlich  von  Grönland  oder  Island  ver- 
schlagene Kajakgrönländer,  die  bei  den  auf  dem  Nordatlan- 
tischen Ozean  vorherrschenden  Südwest-  und  Westwinden 
nach  Osten  zu  vertrieben  wurden"  (Archiv  für  Anthropologie, 
1909,  S.  82). 

Einen  weiteren  Anhaltspunkt  für  Beziehungen  zwischen 
den  Eskimo  und  den  Urbewohnern  der  Britischen  Inseln 
wollten  manche  in  den  Ähnlichkeiten,  die  zwischen  den 
Winterhäusern  der  Eskimo  und  den  unterirdischen  Hügel- 
wohnungen in  Irland  und  Schottland  bestehen  sollen,  gefunden 
haben.  Während  ich  aber  für  die  Winterhäuser  der  Eskimo 
die  vorzügliche,  mit  Bildern  und  Grundrissen  versehene 
Monographie  von  Ernst  Sarfert  (Archiv  f.  Anthropologie,  1908, 
S.  119 — 215)  zur  Verfügung  habe,  ist  mir  eine  ähnliche 
umfassende  Arbeit  über  die  irischen  und  schottischen  Hügel- 
wohnungen weder  bekannt,  noch  zugänglich. 

Ich  bin  daher  aufser  stände,  ein  abschliefsendes  Urteil 
über  jene  Beziehungen  zu  fällen,  und  will  hoffen,  dafs  bald 
jemand  anders  das  Versäumte  nachholt. 


BEITRÄGE   ZUR    ÄLTESTEN    GESCHICHTE    IRLANDS.  221 

Vorläufig  begnüge  ich  mich,  darauf  hinzuweisen,  dal's 
sowohl  die  Winterhäuser  der  grönländischen  Eskimo,  wie 
auch  die  Hügelwohnungen  Irlands  und  Schottlands  aus  un- 
behauenen Steinen  und  Erde  verfertigt  und  oben  mit  Rasen 
bedeckt  sind,  so  dafs  sie  von  aufsen  unscheinbaren  Hügeln 
gleichen.  Beiden  ist  ferner  die  Gangtüre  gemeinsam,  eine 
tunnelartige  Verlängerung  der  Türöffnung,  so  dafs  man  nur 
durch  einen  langen,  engen  Gang  in  das  Haus  gelangen  kann. 
So  ist  der  Eingang  zu  einem  derartigen  Hügel  bei  Kirkwall 
über  4V2  Meter  lang,  aber  nur  38,1  cm  hoch  und  55,8  cm 
breit.  Bei  beiden  ist  der  Eingang  so  eng  und  niedrig,  dafs 
man  nur  in  kriechender  Stellung  hineingelangen  kann,  und 
selbst  dann  ist  der  Zutritt  oft  nur  kleinen  und  schlanken 
Personen  möglich.  Was  die  Konstruktion  und  den  Grundplan 
anbelangt,  so  weifs  ich  über  die  irischen  Erd Wohnungen 
nichts  Sicheres  zu  sagen;  es  sind  mir  ganz  verschiedene 
Formen  in  verschiedenster  Grölse  und  Höhe  bekannt. 

Die  steinernen  sogenannten  „Bienenhäuser"  Irlands  zeigen 
eine  bemerkenswerte  Ähnlichkeit  mit  den  Häusern  der  Eskimo; 
vgl.  z.B.  die  Illustration  eines  solchen  unterirdischen  Baues 
aus  Dowth  bei  Coffey,  New  Grange  (p.  49),  dessen  ungewöhnlich 
langer,  gleichfalls  mit  Steinen  und  Erde  bedeckter  Zugang 
zum  Teil  tiefer  liegt,  als  das  Haus  (eine  Sache,  die  bei  den 
Eskimo -Häusern  fast  die  Regel  ist,  da  man  dadurch  das 
Eindringen  der  kalten  Luft  verhindert),  mit  Fig.  55  und  61 
im  Archiv  f.  Anthrop.,  S.  174  und  179. 

Sehr  auffällig  ist  jedenfalls,  dals  sich  die  Hügelwohnungen 
aufser  in  Schottland  hauptsächlich  in  den  nordöstlichen  Teilen 
Irlands,  also  in  Gegenden  finden,  welche  den  Hauptsitz  def 
Pikten  bildeten,  die  offenbar  den  gröfsten  Prozentsatz  nicht- 
keltischen Blutes  aufwiesen. 

Wenn  Rice -Holmes  mit  seiner  Behauptung  recht  hat, 
dafs  kein  einziges  Erdhaus  als  älter  als  die  britische  Bronze- 
zeit erwiesen  werden  kann,  so  würde  das  ja  gerade  für  einen 
möglichen  Zusammenhang  mit  den  Wohnungen  der  Eskimo 
sprechen,  da  diese  gewifs  nicht  früher  aus  Grönland  oder 
Nordamerika  herübergekommen  sind. 

Ihre  Rolle  -als  die  Elfen  und  Zwerge  des  Volksglaubens 
ist  ja   ebenso  verständlich,   wenn  wir  annehmen,   dals  jene 


222  JULIUS   POKORNY, 

Erdhäuser  erst  von  den  in  der  Bronzezeit,  also  später  als  die 
Iberer,  eingewanderten  Eskimo  errichtet  worden  waren.  Das 
eine  scheint  mir  jedenfalls  sicher,  dafs  sie  vor  den  ersten 
Kelten  dort  gewesen  waren,  wie  ich  ein  anderes  Mal  zeigen 
werde,  und  das  genügt  Ja  vollständig. 

Ob  man  es  wagen  darf,  einen  Zusammenhang  zwischen 
den  in  Nordamerika  gebräuchlichen  Schwitzbadehäusern  und 
den  in  Irland  seit  alter  Zeit  benutzten  Badehäusern  anzu- 
nehmen, möchte  ich  zur  Diskussion  stellen.  Vorläufig  ist 
weder  das  Alter  noch  die  Herkunft  der  irischen  Schwitzhäuser 
genügend  klargestellt.  (Vgl.  Wood -Martin,  Pagan  Ireland, 
p.  197,  Joyce,  Smaller  Social  History,  p.  278.) 

Die  Behauptung  Mac  ßitchies  (Celtic  Review  VI,  175), 
dafs  einer  der  unterirdischen  Räume  in  New-Grange  genau 
im  Grundplane  mit  den  Winterhäusern  der  Eskimo 
Grönlands  übereinstimme,  bezieht  sich  offenbar  auf  den 
von  mir  schon  erwähnten  Fall  des  „Bienenhauses".  Nach 
Coffey  (New  Grange,  p.  49)  scheinen  derartige  Räume  jünger 
zu  sein,  als  die  Grabhügel,  und  dienten  deutlich  als  Wohn- 
räume. Sollte  die  Übereinstimmung  als  genügend  beweis- 
kräftig erweisen,  so  müfsten  wir  wohl  annehmen,  dafs  die 
betreffenden  Bauten  von  Nordamerika  nach  Irland  gekommen 
sind,  nicht  aber  umgekehrt,  da  sowohl  die  Meeresströmungen 
wie  auch  die  erwähnten  geschichtlichen  Tatsachen  für  das 
erstere  sprechen. 

Mac  Ritchie  hat  auch  gewii's  mit  der  Annahme  recht,  dafs 
der  Glaube  an  die  in  den  Feenhügeln  hausenden  Elfen  wenigstens 
zum  Teil  auf  die  ersten  Berührungen  der  eindringenden 
Kultur  mit  der  kleineren  vorkeltischen  Bevölkerung  zurück- 
zuführen ist. 

An  Zwerge  braucht  man,  wie  er  meint,  allerdings  dabei 
nicht  zu  denken;  schon  eine  durchschnittliche  Körpergröfse 
von  1,50  cm,  wie  wir  sie  bei  den  paläolithischen  und  manchen 
neolithischen  Bewohnern  Englands  oder  bei  den  später  zuge- 
wanderten Eskimo  voraussetzen  dürfen,  würde  genügen,  diese 
in  der  späteren  Volksphantasie  zu  „Zwergen"  zu  degradieren. 
Dafs  die  nördliche,  vorkeltische  Bevölkerung,  wenn  auch  nur 
teilweise,  unterirdische  Hügelwohnungen  benützte,  würde  schon 
genügen,  dafs  man  dann  sämtliche  Hügel  als  Elfenwohnungen 


BEITRÄGE   ZUR   ÄLTESTEN   GESCHICHTE    IRLANDS.  223 

ansah,  auch  Grabhügel,  die  niemals  als  Wohnstätten  gedient 
hatten. 

Interessant  ist  die  von  Mac  Ritchie  zitierte  Stelle 
(BB250a,  b)  in  der  gesagt  wird,  dafs  När,  die  Tochter  des 
Pikten  Lotan  a  sidaib  no  do  Chruiihentuaith  „aus  den  Feen- 
hügeln oder  dem  Piktenlande"  gekommen  sei.  An  anderer 
Stelle  (LU)  wird  erzählt,  dafs  König  Crimthann,  dessen  Vor- 
gänger bisher  zu  Cruachan  in  Connaught  begraben  worden 
waren,  von  jener  Nar,  seiner  Gattin,  die  von  den  „Tuatha  Dea" 
{Tuatha  De  Ddnann)  abstammte,  überredet  worden  war,  sich 
selbst  in  dem  erwälmten  ßrugh  im  Boyne-Tale  begraben  zu 
lassen,  wo  die  Vorfahren  seiner  Frau  bestattet  lagen.  Hier 
werden  also  „Pikten"  (gemeint  sind  die  irischen  Pikten  von 
Meath)  den  Bewohnern  der  Feenhügel  und  den  alten  Göttern, 
die  in  der  christlichen  Tradition  später  zu  Elfen  degradiert 
worden  waren,  gleichgestellt. 

Ebenso  interessant  ist  der  in  der  1.  Hälfte  des  15.  Jahrh. 
verfafste  Bericht  des  Bischofs  von  Orkney,  Thomas  TuUoch 
in  seinem  Buche  „De  Orcadihus  Insulis^,  wo  er  sagt,  dafs  im 
9.  Jahrhundert,  als  die  Skandinavier  unter  Harald  Haarfagr 
nach  den  Orkneys  kamen,  die  Inseln  von  zwei  Rassen  be- 
wohnt waren,  deren  eine  die  'papae  oder  Priester  (d.  h.  irische 
Missionäre),  die  andere  aber  die  Feti  (Pikten?)  waren.  Von 
diesen  Feti  berichtet  er,  dafs  sie  „nicht  gröfser  als  Zwerge 
an  Gestalt  waren,  aber  wunderbar  geschickt  im  Bauen  von 
Burgen",  und  dafs  sie  zu  Zeiten  in  „kleinen  unterirdischen 
Häusern"  Zuflucht  suchten. 

Die  „Zwerge"  dürften  hier  nur  volkstümlicher  Übertreibung 
ihre  Entstehung  verdanken.  Wir  werden  natürlich  auch  nicht 
annehmen  müssen,  dafs  alle  oder  die  meisten  Pikten  Irlands 
und  Schottlands  jener  eskimoiden  Rasse  angehörten,  was  schon 
wegen  ihrer  starken  Mischung  mit  der  iberischen,  südlichen 
Urbevölkerung  und  den  Kelten  unwahrscheinlich  ist,  aber  es 
ist  begreiflich,  dafs  sich  im  unwirtlichen  Norden  Irlands  und 
Schottlands  die  eskimoide  vorkeltische  Rasse  länger  in  ver- 
hältnismäfsiger  Reinheit  erhalten  konnte,  als  anderwärts. 

Man  kann  schliefslich  auch  das  Zahlensystem  der 
Eskimo  dem  auf  den  britischen  Inseln  gebräuchlichen  gleich- 
setzen; zwingend  ist  diese  Gleichsetzung  allerdings  deshalb 


224  JULIUS    POKORNY, 

iiiclit,  weil  auch  andere  vorarische  Völker  das  gleiche  Zahlen- 
system hatten,  was  man  z.  B.  wegen  des  frz.  quatre-vingt  für 
die  Ligurer  erscblielsen  mufs;  ebenso  ist  ja  das  lateinische 
Zahlensystem  von  I  bis  XX  nichts  anderes  als  eine  genaue 
Darstellung  des  5er-Systems,  bei  dem  V  die  Hand  und  I  den 
einzelnen  Finger  wiedergibt  (Zimmer  Sitzb.  Preus.  Ak.  1910, 
S.  1059),  und  das  durch  arische  Italer  von  den  vorarischen 
Bewohnern  übernommen  worden  ist,  die  offenbar  hier  auch 
Ligurer  waren. 

Auf  den  britischen  Inseln  waren,  wie  ich  ein  anderes 
Mal  zeigen  werde,  Ligurer  wohl  niemals  in  ausschlaggebender 
Anzahl  ansäfsig;  als  zweite  vorkeltische  Kasse  kommen  vor 
allem  Iberer  in  Betracht.  Soweit  mir  bekannt  ist,  läfst  sich 
ein  5er-System  bei  den  Iberern  nicht  nachweisen;  sollten  sie 
zur  Zeit  ihrer  Einwanderung  ein  anderes  Zahlensystem 
besessen  haben,  so  wäre  allerdings  der  Vergleich  mit  dem 
5er-System  der  Eskimo  nicht  ganz  bedeutungslos,  einstweilen 
aber  müssen  wir  uns  blofs  mit  der  Möglichkeit  eines  un- 
mittelbaren Zusammenhanges  begnügen. 

Die  Eskimosprache  hat  nur  Namen  für  die  ersten 
fünf  Ziffern,  die  an  den  Fingern  abgezählt  werden;  „sechs" 
heilst  „der  erste  Finger  der  anderen  Hand",  usw.,  über  „zehn" 
müssen  die  Füfse  aushelfen,  so  dafs  der  Eskimo  bis  zu  „zwanzig" 
kommen  kann,  was  „ein  ganzer  Mensch  zu  Ende"  heilst.  Hier 
haben  die  mathematischen  Begriffe  der  Eskimo  ihr  Ende. 

Derselbe  Zustand  mufs  auch  einst  bei  der  Urbevölkerung 
der  britischen  Inseln  geherrscht  haben,  denn  im  Irischen 
heilst  heute  noch  „elf"  aon  .  .  .  deag  =  \-{-2xh  (deag,  air. 
deec  =  dveipenqvou  „zwei  Fünfer"),  im  Kymrischen  „sechzehn" 
un  ar  bymtheg  =  1  +  15  (3x5),  usw. 

Während  im  Altirischen  noch  die  idg.  dekadischen  Zehner- 
zahlen vorhanden  gewesen  waren,  ist  im  Neuirischen  ebenso  wie 
im  Kornischen,  Kymrischen  und  Bretonischen  das  System  der 
Zwanzig  an  ihre  Stelle  getreten,  also  30  =  10  +  20,  40  =  2  x  20, 
usw.  Auch  im  volkstümlichen  Englisch  wird  zumeist  threescore 
für  „60"  und  fourscore  für  „80"  gebraucht.  Zimmer  hat  ferner 
darauf  aufmerksam  gemacht,  dafs  im  Kymrischen  ugeint  „20" 
zur  Bezeichnung  einer  grofsen  Zahl  oder  Menge  verwendet 
wird,  und  weiter  auf  das  altirische  Runensystem  von  20  Buch- 


BEITRÄGE   ZUR    ÄLTESTEN    OESCHICHTE    IRLANDS.  225 

Stäben  hingewiesen .  das  in  4  Stäbe  zu  je  5  Buchstaben  ein- 
geteilt ist. 

Dafs  die  keltischen  Elfen  nur  bis  fünf  zählen  können 
(Rhys,  Celtic  Folklore)  ist  im  Zusammenhange  mit  der  Theorie, 
dafs  die  Elfen  zum  Teil  eine  Erinnerung  an  die  Urbevölkerung 
darstellen,  besonders  wichtig. 

Es  unterliegt  für  mich  nicht  dem  geringsten  Zweifel,  dafs 
der  schon  im  ersten  Aufsatze  (oben  XI  189  ff.)  besprochene 
Gebrauch  der  Hautboote,  des  Coracle's,  auf  den  britischen 
Inseln  ebenfalls  zu  den  Merkmalen  einer  ehemaligen  Kultur- 
gemeinschaft  mit  den  Eskimo  gehört. 

Dals  das  Hautboot  nicht  keltischen  Ursprungs  sein 
kann,  habe  ich  bereits  nachgewiesen.  Was  die  Skandinavier 
betrifft,  so  kann  es  nach  den  Untersuchungen  von  Trebitsch 
(Archiv  f.  Anthrop.  N.  F.  XI 170)  für  ausgemacht  gelten,  dafs 
die  dort  lebenden  Lappen  Fellboote  benutzt  haben,  während 
es  recht  unwahrscheinlich  ist,  dafs  dasselbe  bei  den  Germanen 
der  Fall  war,  weil  diese,  wie  Nansen  (Nebelheim  I,  250  ff.) 
gezeigt  hat,  schon  in  der  Bronzezeit  seetüchtige  Holzschiffe 
besassen. 

Dals  ein  organischer  Zusammenhang  zwischen  den  irischen 
Hautbooten  und  dem  Eskimokajak  besteht,  ist  schon  daraus 
gegeben,  dafs  derartige  Boote  lückenlos  rings  um  den  Nordpol 
herum  verbreitet  sind,  und  da  in  den  gleichen  Gegenden 
mongoloide,  unter  einander  verwandte  Völker  sitzen  oder 
gesessen  haben,  ist  es  klar,  dafs  auch  ihre  Erzeugnisse  ver- 
wandt sein  werden. 

Dafs  heute  das  irische  Hautboot  von  dem  Eskimokajak 
in  der  Bauart  verschieden  ist,  ist  selbstverständlich  und  ^ 
beweist  gar  nichts.  Der  gedeckte,  kunstvoll  hergerichtete 
Kajak  der  Eskimo  war  nämlich  ursprünglich  gewifs  nicht 
anders  beschaffen,  als  das  viel  primitivere  irische  Hautboot. 
Weil  aber  in  Irland  genug  Holz  zur  Herstellung  weitaus 
besserer  Fahrzeuge  vorhanden  war  und  die  Bewohner  des 
Landes  auf  den  Seehundsfang  nicht  angewiesen  waren,  blieb 
hier  das  Hautboot  in  seiner  ältesten  Gestalt  erhalten;  anders 
war  es  natürlich  mit  den  Eskimo,  die  in  den  unwirtlichen 
Polargegenden  lebten  und  deren  ganzes  Leben  nur  von  dem 
Seehuudsfange  ab  hing;  hier  mufste  sich  der  ganze  Scharfsinn 

Zeitschrift  f.  celt.  Phüolofirie  XII,  i-  15 


226  JULIUS  POKORNY, 

des  Volkes  darauf  konzentrieren,  aus  dem  schlechten  Materiale 
ein  möglichst  seetüchtiges  Fahrzeug  herzustellen,  was  ihnen 
denn  auch  in  bewunderungswürdiger  Weise  gehmgen  ist. 

Wenn  wir  nun  die  Frage  nach  der  Herkunft  des  irischen 
Hauthootes  stellen,  und  die  Wahl  zwischen  einem  Lande 
haben,  das  reich  und  fruchtbar  war  und  aufserdem  Holz 
zur  Herstellung  von  besseren  Fahrzeugen  im  ÜberÜusse  auf- 
wies, dessen  Bevölkerung  weder  auf  die  Seehundsjagd,  noch 
auf  die  Schiffahrt  dringend  angewiesen  war,  —  und  einem 
anderen  Lande,  wo  das  letztere  der  Fall  und  aufserdem 
anderes  Material  als  Tierfelle  und  ein  wenig  spärliches  Holz 
zum  Schiffbau  nicht  zur  Verfügung  war,  so  müssen  wir  uns 
selbstverständlich  für  das  zweitgenannte  Land  entscheiden. 
Das  Hautboot  gehört  also  zu  den  Kulturgütern,  die,  gleichwie 
der  Harpunenspeer  mit  Blase  und  Wurfholz,  von  den  Polar- 
ländern nach  Irland  gekommen  sind.    ■ 

Es  wäre  schliefslich  auch  die  Annahme  denkbar,  dals 
das  Hautboot  in  Irland  entstanden  wäre,  als  es  noch  nahe 
der  Eiszone  lag,  aber  im  Zusammenhange  mit  der  offenbar 
viel  später  erfolgten  Entlehnung  des  Blasen -Speers  werden 
wir  auch  in  unserem  Falle  den  Gedanken  späterer  Entlehnung 
vorziehen. 

Da  sich  die  älteste  Erwähnung  von  Hautbooten  bei  den 
Bewohnern  der  Britischen  Inseln  (Oestrymnides)  bei  Avienus 
(103  f.)  findet  (vorausgesetzt,  dafs  es  sich  hier  um  eine 
Wiedergabe  der  Nachrichten  des  Himilko  —  um  500  v.  Chr.  — 
und  nicht  um  einen  von  Avienus  -selbst  gemachten  Zusatz 
handelt),  zu  mindest  aber  bei  Timäus  (354 — 256  v.  Chr.),  der 
sie  der  Reisebeschreibung  des  Pytheas  (322  v.-  Chr.)  entnommen 
hat,  so  müssen,  falls  man  eine  Entlehnung  von  den  Eskimo 
annimmt,  Eskimo  schon  längere  Zeit  vor  500  (oder  322) 
vor  Chr.  nach  den  Britischen  Inseln  gekommen  sein, 
wozu  ja  auch  stimmt,  dafs  die  um  300  v.  Chr.  in  Irland  ein- 
wandernden Kelten  die  Hautboote  bereits  im  Besitze  der 
Urbevölkerung  vorgefunden  hatten. 

Es  safsen  also  schon  lange  vor  500  (oder  322)  vor  Chr. 
Eskimo  an  der  Nordostküste  Nordamerikas  oder  an  der  Küste 
Grönlands  und  ihre  erste  Einwanderung  kann  un- 
bedenklich  vor  der  Ankunft  der  Kelten,  somit  noch 


BEFTRÄGK    ZUR    ÄLTESTEN    (JESCHICHTE   IRLANDS.  227 

in  der  Bronzezeit  der  Britischen  Inseln  angenommen 
werden. 

Da  in  der  Bronzezeit  ein  reger  Verkehr  zwischen  Spanien 
und  Irland  archäologisch  nachgewiesen  werden  kann,  so  liegt 
natürlich  der  Gedanke  sehr  nahe,  dals  auch  die  iberischen 
Lusitanier  Spaniens,  die  nach  dem  Berichte  Strabo's  (III  S.  155) 
Fellboote  besafsen,  diese  auf  dem  Umwege  über  die  Britischen 
Inseln  —  möglicherweise  auch  direkt  aus  Nordamerika  — 
erhalten  haben. 

Zu  meiner  Theorie  einer  Entlehnung  der  irischen  Hautboote 
von  den  Eskimo  kann  ich  noch  hinzufügen,  dafs  die  bei  den 
Indianern  Nordamerikas  früher  vorkommenden  „bull- 
boats-',  die  bekanntlich  den  Fahrzeugen  der  Eskimo  nach- 
gebildet sind,  aus  einem  kreisrunden  Gerüst  von  Weiden- 
zweigen mit  einer  darübergespannten  Bisonhaut  verfertigt 
waren,  so  dafs  sie,  wie  Trebitsch  richtig  hervorhebt, 
ganz  den  in  Irland  am  Boyne  üblichen  Rundbooten 
glichen. 

Es  wäre  vielleicht  der  Mühe  wert,  zu  erforschen,  wie 
sich  das  keltische  '^korukos  „Hautboot"  zu  türkisch  helelc, 
kaik  und  zu  eskimo  kajak  verhält.  Indogermanisch  scheint 
jedenfalls  das  keltische  Wort  nicht  zu  sein,  ebensowenig  wie 
das  vielleicht  dem  Keltischen  entlehnte  griechische  xcogvxog 
„Ledersack". 

Es  wäre  möglich,  dafs  das  Keltische  die  älteste  Form 
des  Eskimo -Wortes  bewahrt  hätte,  aus  dem  sich  dann  das 
heutige  kajak  entwickelt  haben  könnte;  der  Wandel  von 
intervokalischem  r  zu  j  kommt  in  nichtarisclien  Sprachen  oft 
genug  vor,  ebenso  der  Wandel  von  r  zu  l,  woraus  dann  wieder 
i  werden  kann.  Einen  Wandel  l  >  j  kennen  z.  B.  das 
Syrjänische  und  Ostjakische.  Die  Vokale  machen  natürlich 
gar  keine  Schwierigkeiten. 

Vielleicht  äufsert  sich  einmal  ein  Kenner  jener  Sprachen 
näher  darüber.  Könnte  nicht  auch  der  Name  der  Kor- 
jaken, den  man  vom  Tschuktschischen  chorana  „Renntier" 
ableitet,  von  einem  Worte  korjak  (=  Hautboot?)  abgeleitet 
sein? 

All  das  würde  dann  mit  Sicherheit  die  Herkunft  des 
keltischen  Hautbootes  von  den  Eskimo  erweisen. 

15* 


228  JULIUS   POKORNY. 

Ich  hatte  oben  (XI  201)  bemerkt,  dafs  wir  kein  einziges 
glaubwürdiges  Zeugnis  über  Hautboote  bei  den  Festlandskelteii 
besäfsen.  Nun  behauptete  Schulten  (Numantia,  S.  62),  dafs 
solche  Boote  „bei  den  Venetern')  und  an  der  Küste  der 
Bretagne"  vorkämen,  und  berief  sieh  dabei  auf  Avienus. 
Z.  103f. 

Ein  Blick  auf  die  zitierte  Stelle  zeigt  aber,  wie  grundlos 
Schulten's  Behauptung  ist.  Dort  ist  nämlich  nur  von  den 
Bewohnern  der  Oestrymnides  die  Rede;  die  Oestrymnides  sind 
aber  den  Kassiterides  gleich  zu  setzen,  die  in  unserem  Falle 
die  Britischen  Inseln  bezeichnen,  wie  Rice -Holmes  (Ancient 
Britain,  S.  483  f.)  einwandfrei  nachgewiesen  hat.  Schulten  hat 
sich  öfter  derart  irreführende  Zitate  zuschulden  kommen 
lassen. 

Von  anderen  Seiten  ist  gelegentlich  der  Gedanke  aus- 
gesprochen worden,  dafs  Lappen  (irrig  „Finnen"  genannt)  bei 
der  Entstehung  der  vorkeltischen  Bevölkerung  der  Britischen 
Inseln  beteiligt  gewesen  seien. 

An  und  für  sich  wäre  es  ja  nicht  unmöglich,  dafs  sie 
neben  den  Eskimo  in  Betracht  kämen.  Dafs  gelegentlich 
Lappen  von  Skandinavien  bis  nach  Schottland  gekommen  sind, 
ist  ganz  zweifellos,  denn  im  17.  und  18.  Jahrhundert  wurden 
Lappen  mit  Kajaks  bei  den  Orkney  Inseln  gesehen  und  eines 
ihrer  Fellboote  befindet  sich  noch  heute  im  Science  and  Art 
Museum  in  Edinburgh  (MacRitchie  a.  a.  0.).  Dafs  schon  in 
der  Bronzezeit  Handelsverbindungen  zwischen  den  britischen 
Inseln  und  den  nicht -lappischen  Bewohnern  Skandinaviens 
bestanden  haben,  ist  ebenfalls  sichergestellt. 

Aber  von  derartigen  Beweisen,  wie  sie  uns  für  die 
Anwesenheit  von  Eskimo  zur  Verfügung  stehen,  ist  keine 
Spur  vorhanden,  im  Gegenteil.  Die  neolithische  Ur- 
bevölkerung der  britischen  Inseln  ist  durchwegs  lang- 
köpfig,  ebenso  die  in  jüngster  Zeit  von  Dr.  Beddoe  und  mir 
beobachtete  nicht -arische  und  nicht -iberische  Bevölkerung 
Irlands  und  Schottlands,   die  Lappen  hingegen   waren  und 


*)  Schulten  hätte  sagen  müssen  „oberitalischen  Venetern",  da  hier 
jedermann  an  die  gallischen  Veneter  denken  würde.  tJbrigens  erscheint 
mir  diese  Nachricht  des  Lucanus  (Pharsalia,  131)  nicht  ganz  sicher. 


BEITRÄGE    ZUR    ÄLTESTEN    GESCHICHTE    IRLANDS.  229 

sind  ausgesprochene  Kurzköpfe.  Bevor  also  nicht  Kurzköpfe 
unter  der  ältesten  Bevölkerung  der  britischen  Inseln  nach- 
gewiesen werden,  mufs  die  lappische  Theorie  als  unbewiesen 
zurückgestellt  werden. 

Bei  dieser  Gelegenheit  möchte  ich  auch  darauf  hinweisen, 
dafs  das  Druidentum  höchstwahrscheinlich  unter  der  nörd- 
lichen Urbevölkerung  Irlands  und  Schottlands  seinen  Ursprung 
genommen  hat.  Die  Gründe,  weshalb  es  nicht  echt  keltisch 
sein  kann,  habe  ich  bereits  wiederholt  (Mitteil.  d.  Anthropol. 
Ges.  Wien,  1908,  verbesserte  Auflage  in  der  Celtic  Review 
1908  und  Sraithsonian  Report  for  1910,  p.  583f.)  dargelegt. 
Aber  auch  bei  den  Iberern,  die  anerkauntermalsen  den  Haupt- 
teil der  vorkeltischen  Urbevölkerung  darstellen,  findet  sich 
aufserhalb  der  Britischen  Inseln  nichts  Ähnliches.  Wenn  es 
aber  aus  der  nördlichen,  mongoloiden  Urbevölkerung  hervor- 
gegangen ist,  so  ist  ja  klar,  dals  wir  im  iberischen  Spanien 
und  in  den  keltischen  Landen  aufserhalb  Galliens  vergebens 
danach  suchen  müssen,  wogegen  die  Zauberpriester  der  Eskimo 
und  anderer  mongoloider  Polarvölker  eine  treffliche  Parallele 
zu  den  keltischen  Druiden  darstellen. 

Weitere,  in  meiner  Arbeit  nicht  erwähnte  Belege  für  den 
nicht-indogermanischen  Charakter  der  irischen  Druiden  bringt 
MacRitchie  in  einem  Aufsatze  in  der  Celtic  Review  (VI,  257  f.). 

Er  macht  daselbst  auch  auf  die  hochinteressante  Tatsache 
aufmerksam,  dafs  gelegentlich  die  Druiden  den  mythischen 
Bewohnern  der  Elfenhügel  gleichgesetzt  wurden,  wofür  er 
einige  Belege  aus  der  irischen  Literatur  beibringt.  Die 
Bedeutung  jener  Tatsache  für  meine  Theorie  liegt  ja  auf  der 
Hand;  sind  doch  die  „Druiden"  Skandinaviens  niemand  anders, 
als  die  dortige  nicht-arische  lappische  Bevölkerung,  die ^ auch 
zweifellos  bei  der  Bildung  der  skandinavischen  Zwerg -Sagen 
eine  Rolle  gespielt  hat.  Das  Gleiche  lälst  sich  mit  demselben 
Rechte  von  der  mongoloiden  Bevölkerung  der  Britischen  Inseln 
sagen. 

Vielleicht  bezieht  sich  der  Name  der  bei  Ptolemäus  als 
Bewohner  der  Grafschaft  Antrim,  des  äufsersten  Nordostens 
Irlands,  genannten  Bhobogdn,  falls  er  für  gesprochenes  ro- 
buchti  (zu  irisch  ro-hocht  'sehr  arm')  steht,  auf  unsere,  zu 
seiner  Zeit  wohl  noch  nicht  keltisierte,  piktisch  reskimoide 


230  JUF.IUS    rOKOUNY. 

Urbevölkerung.  Der  Name  würde  den  bestmöglichen  Sinn 
geben  und  es  ist  sehr  wahrscheinlich,  dafs  wir  liier  einen  von 
den  benachbaren  Kelten  gegebenen  Namen  vor  uns  haben,  da 
bei  der  Armut  jener  Kiistenbewohner  fremde  Tvaufleute  kaum 
direkt  in  Beziehungen  zu  ihnen  getreten  wären. 

Zum  Schlüsse  will  ich  die  Ergebnisse  unserer  Unter- 
suchungen kurz  zusammen  fassen: 

1.  Aus  heute  auf  den  Britischen  Inseln  vorkommenden 
Rasse-Typen  und  aus  der  Anwesenheit  mongoloider  Volker  in 
ununterbrochener  Linie  rings  um  den  Nordpol  läfst  sich  die 
Anwesenheit  einer  mongoloiden  Rasse  erschliefsen.  Zur 
Erklärung  einer  derartigen  Besiedlung  kommen  zwei  Möglich- 
keiten in  Betracht,  die  vielleicht  alle  beide  dazu  beigetragen 
haben  werden;  die  zweite  ist  wohl  am  ehesten  gesichert: 

I.  Eine  inongoloide  Rasse  bewohnte  vielleicht 
schon  in  paläolithischer  Zeit  die  Britischen  Inseln. 
Dafür  könnte  man  geltend  machen: 

a)  Die  Gleichartigkeit  der  Kultur  der  paläolithischen 
Bewohner  Englands  und  der  ursprünglich  in  Ostasien  an- 
sässigen Eskimo. 

b)  Die  Eskimo  sind,  gleichwie  die  heutigen  mongoloiden 
Bewohner  Englands,  das  einzige  Volk,  das  Langköpfigkeit  mit 
mongoloiden  Merkmalen  vereinigt,  könnten  also  den  Urbe wohnern 
Englands  verwandt  sein. 

c)  Bei  der  geringen  Zahl  paläolithischer  Schädelfunde 
kann  der  Mangel  au  mongoloiden  Schädeln  nicht  als  Gegen- 
grund angeführt  werden. 

IL  Mongoloide  Menschen  (es  kommen  aus  anthropo- 
logischen und  ethnographischen  Gründen  nur  Eskimo  in 
Betracht)  sind  noch  vor  Einwanderung  der  Kelten, 
vielleicht  auch  später  noch,  aus  Grönland  oder  Nordost- 
Amerika  eingewandert: 

a)  Das  Hautboot,  das  schon  um  500  (oder  332)  v.  Chr. 
bezeugt  ist,  dürfte  von  den  Eskimo  entlehnt  sein. 

b)  Der  in  der  irischen  Literatur  eine  wichtige  Rolle 
spielende  gue  hohfac  ist  der  Harpune  mit  Blase  und  Wurfholz 
gleichzusetzen  und  muls  wohl  spätestens  im  2.  Jahrh.  n.  Chr. 
von  den  Eskimo  entlehnt  sein,  wenn  er  nicht  unabhängig  von 
ihnen  erfunden  worden  war. 


BEITRÄGE   ZUR   ÄLTESTEN   (iESCHICHTE    IRLANDS.  231 

c)  Gelegentliche  Reisen  von  Eskimo  nach  den  Britischen 
Inseln  sind  von  62  v.  Chr.  an  bis  auf  unsere  Tage  historisch 
bezeugt  und  spielen  auch  in  den  Volkssagen  eine  grofse  Rolle. 

d)  Das  Zahlensystem  der  Eskimo  ist  mit  dem  der  Ur- 
be wohner  Englands  und  Irlands  identisch,  was  aber  Zufall 
sein  kann. 

e)  Vielleicht  besteht  auch  ein  Zusammenhang  zwischen 
den  Winterhäusern  und  Badehäusern  der  Eskimo  und  den 
unterirdischen  Hügelwohnungen  und  Schwitzhäusern  auf  den 
Britischen  Inseln. 

2.  Auf  das  Konto  der  nördlichen ,  von  den  Iberern  ver- 
schiedenen, vorkeltischen  Bevölkerung  der  Britischen  Inseln, 
sind  wahrscheinlich  die  Einrichtung  des  Druidentums,  wie 
auch  die  Sagen  über  zwerghafte  Bewohner  der  „Feenhügel" 
zu  setzen. 

3.  Im  Gebiete  der  Pikten  finden  sich  die  meisten 
Anzeichen  für  die  Anwesenheit  einer  nicht-iberischen  Ur- 
bevölkerung. Die  Pikten  werden  also  eine  oberflächlich 
keltisierte  Mischung  von  der  nördlichen  Urbevölkerung  mit 
den  in  der  jüngeren  Steinzeit  von  Süden  her  zugewanderten 
Iberern  und  den  im  3.  und  4.  Jahrhundert  n.  Chr.  eingewan- 
derten Kelten  darstellen. 

4.  Irland  wird  seine  älteste  Bevölkerung  vom  be- 
nachbarten Schottland,  wohin  die  paläolithischen  mongoloiden 
(und  andere)  Bewohner  Englands  nach  Ende  der  Eiszeit  nach- 
gerückt waren,  erhalten  haben. 

Als  nächste  Einwanderer  kamen  schon  nach  kurzer  Zeit 
iberische  Stämme  aus  Westfrankreich. 

5.  Lappen  lassen  sich  in  der  vorkeltischen  Bevölkerung 
der  Britischen  Inseln  nicht  nachweisen. 

Selbstverständlich  spielt  jene  eskimoide,  vorkeltische  Be- 
völkerung infolge  ihrer  geringen  Zahl  bei  der  rassischen 
Zusammensetzung  des  keltischen  Volkstums  nur  eine  ver- 
schwindend kleine  Rolle. 

Wien.  Julius  Pokorny. 


DAS  ENDE  VON  BAILE  IN  SCÄIL 

aus  Rawl  B  512,  fol.  103  b  2. 

(Vgl.  Zeitschr.  f.  celt.  Phil.  UI,  S.  466.) 


41.  'Däil  de  forsin  cailech  (.i.  i  n-äin  dldiii  a  cath  Al- 
niaine),  for  Fergal  clethblugaid  Herenn.  armacli  Lini,  arsid  Äi. 

Bebaid  la  Laighniu  iarna  r?        Fergal  hi  cath  Almaine, 
biaid  ar  mör  isin  chath.        \mias  co  Reirenn  airbriu, 
hi  töeth  ind  rlgrad  moinech        iramon  cailech  ass  amrii. 
.XII.  I  nDermaigh  roadnaclit  Fergal.    Unde  dictum  est: 
Rena  fuiligud  hi  röi        tailcc  arbertad  catha  cli. 
indiu  for  lär  Dermaigi        aicsiii  Fergaili  ni  ni. 

42.  'Däil  de  for  Flaitlibertach.  lud  re  bTa«,  is  lais  fir- 
fidhir  cath  Droma  Corcain  fri  Temraigh  antüaid.  Cinsed  ainm 
hüa  Conaing  (flu  fo  talraain).  Atcöinfed  Göidhil  .xxui.  hliadna 
bass  rl  Flaithbertach.  C'onbeba  ec  üatba  fo  täilcentaig  .i.  i 
nArd  Macha  i  n-ailithre  atbath  clericus  i  n-ailaid  na  rig. 

43.  'Däil  de  for  Aed  Alden  (.i.  Altan  no'vnen  loci  ubi 
nutritus  est),  Aed  airdri.  Deich  mbliadna.  Firfid  cath  cos- 
crach  gein  cath  Säiltiri  arangeba  bidh  ni  däu  na  da  calh  i.«- 
ind  öenlöu,  cath  Ätha  Da  Charnda,  cath  Ätha  Medöin.  Memaid 
for  cenel  Conaill.  Glanfaid  Arii.  Falguba  Ulad.  Memaiss  for 
Äed  re  nÄed  (.i.  Ron  macc  Beicci  ßairche),  int  Äed  aurbaig 
(.i.  cath  Focharta)  fo/ma  fan  leth  a  anmse  hi  muir  (.i.  rön)  mär. 

Do  maigh  Laigen  gebaid  grith.        bid  slöged  n-aurde/c 

fon  mbith. 
Au  raäirt  hi  tüaiscirt  Liphi.    Dighail  iiath  Almaine  i  n-ebbela 
cach  amra,  ürßd  ail  uchbad,  (fo.  10  ta  1)  gebaid  Göedhelu  co 
muir  etir  Coud  is  Mumain.    Cath  Ceuindsa, 

cath  i  nEochind  da  rii        ararabebat  tigernai. 


DAS    ENDE    VON    BAILE    IN   SCAIL.  2ßS 

Bied  mairc  m6r  hi  cach  taigh        iarsiii  cath  a  Seredmaig, 
bläid  ernbas  im  rfgu        sain  can  im  colaind  nAeda. 
Doföeth  in  ri  ö  Srüb  Braiu        for  brü  Locha  Sailcitaiii. 
Hi  Claain  makc  Nöiss  roadnacht  Äed  Aldän. 

44.  'Dail  de  for  Domnall  macc  Murcadtiae.  ßoinfitir 
catha  (i.  cath  S[e]i'edmaigi)  riam.  Nöifitir  fir  i  ndarddäin. 
Atbeba  Bregaib.  Ec  atbai  hi  tailcentaigh  i)  .i.  i  nimliuch 
[a.  XX.  bliadan.    ■ 

45.  'Dail  de  for  Niali  Frosach.  Catha  ili  'na  flaith.  Ni 
ba  friss  firfithir. 

Bebaid  ec  atbui  la  fuil,        berthair  hi  tire  dar  muir 
.i.  CO  Hi  Col«m  Cilli.   Secht  mbliadna  namä  .1  Dondchad  ex- 
pulsit  eum  de  regno  suo. 

46.  'Dail  de  for  Donnchad.  Ticfa  flaith  Dondcadae  triüin. 
Coicligid  insi  Scott  gignidir  nacli  tain. 

Is  lais  doregat  in  slüaig        timchell  Cairnd  Fiachrach 

antuäith. 

ibait  üäig  lommae  cröu        for  brü  Locha  Luglochtau. 
Tröethbaid  Brega  borrcathaib.    Mör  cath  airthir  fuäta  ürßd. 

Bied  CO  n-imniud  acain^)       in  maten  hi  Forcalad. 

re  nDond  Midi'memais  cath        inid  abbaill  Congalach. 
Cath  Srubrach  arasela  canan  geba  men  re  nDund  Midi  for 
flni,  for  anfine.    Gentair  tailcend  gnTBi  co  fini  aramba  Fiachru 
(.i.  mac  Cathail).    Ar  a  belaib  sinit  fir       Tar  tuidecht  ö  Lai- 
gillib  (.i.  for  Äed  n-Ingor). 

Di  lär  Tauten  rüanaid  glö,'^)        rüinfid  riäm  hi  fochlse,*) 

consäidhfe  co  cendaib  troch       die  domnaich  im  Chlöenloch. 

Cath  (fo.  104  a  2)  Etain  Tairb,        biat  ili  mairb. 
Fomnais  (.i.  Äed  Muinderg)  i  niBricc  Fanat   imbi   rii   tress 
linduind  tessad  bodbai.     Bid  comaimser  dö  in  dondf^r  co  mag 
di  lar   Liphi   rüed   rafiastar  cäch.     Cellach  ainm   da  n-ocht 
hliaclna  bass  ind  amsir  in  Duind  Midi, 

Önd  hüair  rega^  cota  muir        firscel  gona  Follaraain 
(.i.  maioc  Con  Congalt). 


^)  tailtenCaigh  Hä. 

-.)  .i.  cenu. 

'}  .i.  aatk  Cairnd  maicc  Uäirthind. 

*)  V  über  se. 


234  KUNO    MEYER, 

Gert  trtchat  hliadna  nama        co  cend  rlgi  Dondcada. 
Biäid  golgairi  hi  cech  maigh       hi  tosssach  ind  üar-erraigh. 
In  Dond  Mide  bebais  aitt        die  mairt  fö  täilcentaig 
.i.  hi  Clüain  Eraird. 

47.  'Dail  de  for  Äed  n-lngor,  forsin  gercc.  xxui.hliadna 
a  flaitli. 

Ts  he  in  tÄed  cernach  ciüaid        coscracli  brisfess  büed: 
fomnas  da  na  mbued  for  Cloitig.    dofoirtbe  firu  ceni  töith- 
.«ad  rig. 

Fodercfa  Bandae  fo  dii,        fiistöethsat  slüaig  Mide 
.i.  Findach ta.    Euäid  äir  tiiüm  dosfoirtbi. 

Atbeba  dond  Ceina  ciüaid  in  tan  ainfes  bid  iar  nibüaid. 
Citha  garcc  a  gaile  graphand.  Dofortbi  täilcentaig  i.  tcr- 
raann  Aird  Macha.  TrP.nchathach  ceniüil  Conaill,  dergtresach 
Temarraaigi,  slögindredach  Clairi,  costadach  Liphi. 

Slüaig  doregat  ö  Srüb  Brain        isin  mis  iar  n-üargaim, 

is  lais  ibait  fiäich  fuil        for  seichib  ic  Derclüacliair 
(.i.  Druim  RTg). 

In  slüag  doficfe  fri  cle        cül  a  catha  fri  Tlachtge 

Äedh  findi  cumm/ja  chnes,        meniais  riäm  siardes. 

Intan  söifes  dar  fri  cle        arambeba  Finacht?^. 
(fo.  104  b  1)  In  Ard  Macha  sepultus  est  Aedh.  Macc  Düuflatha 
ingeni  Flaithbertaigh  ia\ßicc  Longsich  Äedh  Ordnidi.    Ic  Äth 
Da  Fertge  hi  Conaillib  atbath  per  conflictionem  Mael  Cänaigh. 

48.  'Däil  de  for  Conchabor  macc  Donnchada.  GBbaid 
Goidelu  cota  muir  macc  mnä  Condacht.  Cäin  breo  briiighi 
Breghmaighi.  xiiii.  ar  techta  Temuir  cassra  tocaid  ina  re. 
Tüaruscba«/  tichtain  geinti. 

Ind-oin  diden,  cöinti  tuir.        artha  etsecht  Conchobuir. 
Hi  Clüain  Iraird  sepultus  est. 

49.  'Dail  de  for  Niall  Cailli  dodanesfa  (.i.  Temair).  Firfid 
cath  Crüachan  (.i.  cath  Leithi  Caim),  catli  Dairi  Chalcalg  for 
geinli.  Niell  hi  muir,  Niell  lii  nguiu,  Niell  hi  tein.i)  Ce<- 
masscach  (.i.  HBrenn).  Teora  hliadna  dec.  I  nArd  Macha 
roadnacht  Niell  iarna  bädud  hi  C-dlahtd  .i.  hi  Linde  Nöill. 

50.  'Däil  de  for  Mael  Sechlaind.  Ni  fiastar  uech  rüna 
a  cÄr/diu,  tuitet  tri  duind  Eignsei  la  dubai  a  gossa.    Is  leis 


')  See  FM.,  p.  472. 


DAS    KNDK    VON    BAILE    IN    SCAIL.  235 

firfidhir  fert  ftngaile  uc  Clöin.  Dian  fichta  fri  lieclitranda 
(.i.  Gaullu).  Slüag-dortad  (.i.  co  Mumain)  Forchäi  fescur  tess 
cüaird  for  Hermn  ata  laidi  legfaitir  (.i.  düan  Patrini).  Die 
raairt  riglii  Roiss  dofuit  atbai  i  röi  Ruis  (.i.  Aröc  iiigeu  rlg 
Fer  Cül  matliair  Mail  Seclila?«(?).  xur.  h\iadna.  Hi  CAüain 
maAcc  Nöis  roadnacht. 

51.  'Dail  de  forsin  cöel  cresen  (i.  cleirech  dognid)  for 
Oed  Ölach  (.i.  FinnlTath  mac  GormlaMa  ingeni  Dondcada 
7  Neil!  Calni).  Slüagadach  Liplii,  crüach  Clöitigi,  graiphnech 
Crüachan.  Is  leis  firfidir  catli  Leitrecli  Daigri  (.i.  cath  Cilli 
Üa  nDaigroe)  gair  riana  dltli  (.i.  öenbliadain  rena  ditli  .i.  ria 
ec).  ladaid  dorcha  mor  hi  cetäin  cetligaimrid.^)  xiu.  hliadna. 
I  Räith  Adomnse  atbath  Äed.    I  nArd  Macha  roadnachtt. 

52.  (fo.  104  b  2)  'Dail  de  forsin  mewd  mbrecach,  for  Flau d 
Sindse,  firfes  bröen  fingaile  for  a  braitliri.  Tecat  airdhi  ili 
'na  flaith  .i.  teclit  Diiiim  (.i.  ailitliir  ö  Röim)  dia  foicertar  är 
uGöidel  ic  Duiblind  (.i.  ind  ailitliir).  Bas  coel  a  clü  do  rlg 
Crüachan  .i.  Äed  macc  Conchab«/r  romarbati  isin  chath.  Na 
secht  nduba  Temrach  (.i.  septem  anni  mali).  Firfid  forbais 
for  täilcentaig  (.i.  Ard  Macha)  co  n  -  echtraudaib  (.i.  Gaill  .i. 
maicc  Imair).  Brisfid  for  ßreifuechw.  Firfid  cath  Grellaighi 
Eilti,.  cath  Maigi  Ailbi  (.i.  Öengus  a  macc  robris  7  Laigin) 
CO  eilt.  Brecaid  etaig  'na  re.  Grüaca  a  cennaib,  glasmes 
ndoine  'ua  re.  Sithflaith  (.i.  Fland)  toicctech  fristrecha  a 
chüaine  feini  friss  (.i.  a  secht  maicc).  Bas  duimrecht  for  cresiön 
cäd.  Domnach  aindin  ardafich  i  nderiud  in  fogmair.  xxxuii. 
bliadna.  Flann  ingen  Düngaili  rlgh  Osraide  mater  eins.  Lxxui. 
setatis  suae  anno  moritiir.    Hi  Clüain  maicc  Nöis  raadnacht. 

53.  'Dail  de  for  Niell  nGlündub  glanf«^'  röi  Rüadra, 
ririss  flaith  forbwsach  Lini,  laechbuillech  Locha  Lebind^  Loisc- 
fid  Cüalaind  co  fo  di.  Drongach  Clari.  Cathach  Crüachan. 
cetudach  Coba,  mörbuiilech  Bairchi,  breoach  Sleibhi  Cailggi 
frisna  gaibtAcr  cath  Oirggne,  cath  Codail  (.i.  Grellaig  Eilti 
for  Niell  ria  Fland)  dia  fich  fuil  feirniu,  cath  Trathca  Eol- 
thaile)  for  Connachta.  Cotnüallai  Albba  (.i.  Msel  Mairi  a 
mäthalr,  ingen  Cinseda  maicc  Alpin  rig  Albban)  artt  lapchda 

*)  leg.  cetgaimrid. 

")  leg.  Trachta  Eothaile. 


236  KÜNO    MEYEE. 

Liphi,  ririss  nöil  Locliae  Leibind,  die  mbia  fe  innund  fe  ille 
in  lüan  ös  Martartaig.  Bias  bröen  cröu  ös  Tailtin  (.i.  cath 
ktha  Cliath  in  romarbad  Niell).  Teora  bliadna  co  leith  namä 
dodacliich,  nodaibae.  Cöka  hliadna  a  aes  hnili.  I  nDruim 
Chailli  rucad,  hi  Cenandus  roadnacht  Niall.  Teora  hliadna 
döu  i  riglii  Ailigli. 

54.  'Dail  de  for  Crissalach  (.i.  reisi  fingail)  (fo.  105 al) 
Codail  Dond  a  ainm  (.i.  Msel  Febail  ingin^)  Flaind  maicc 
Conaing  mater  eins).  Cäin  brnth  breoach  brissfes  catlia  crü- 
aidai,  croithfes  indnu  for  Tailtin.  Togach  Temracb.  Timgair 
glallse  CO  Daball.  Is  he  firfes  cath  Febla  for  fini,  for  anfine. 
Cath  Cüaland.  Imed  toraidh  'na  re.  Grlan  na  flrinde  (.i.  losöp 
comarba  Pätraic  nö  ceili).  Cüinflder  hüas  Cüalgiu  beinn  dom- 
nach  etir  dl  calainä.  xxu.  hliadna. 

55.  'Dail  de  for  Cass  find  colla,  Congal  Cerna  (.i.  Ligach 
a  mathair,  ingen  Flaind).  Firfld  deich  mbliadna  flaith  in 
chon  bic. 

Bertfaid  mör  ö  Laignib  milliud  a  bäiguil        nintoimela  leth 

a  saiguil. 
Laech  a  Cernu  madup  hi        biat  brönaig  a  foghlaide, 
fer  find  for  accai  rigi.        biath  hüati  a  chomdini. 
Hi  Mainistir  roadnacht  Congalach. 

56.  'Däil  for  Domnall  mac  da  leithi  (.i.  alleth  tes;  tüaid 
dind  Erinn)  .i.  Domnall  dalta  athbach  (.i.  tüath  Athbiach  ronalt 
.i.  Üi  Ertuile).  Eo  find  fessach,  foranach  Cnogbai,  cetudach 
Assail,  ollbuidnech  Uisnig.  Firfid  cath  Bri  Hell  (.i.  for  Carrach 
Calma).  Baudmaidm  Lettrech  Ainge  (.i.  cath  Cilli  Mona)  hi 
töethsat  .rir.  1.  gilla  im  Fingin  Corad. 

cath  Sleibi  Cüa  fo  di        ocus  matan  Grophtini. 

Tessbaidh  etha  (.i.  gorta)  di  Maig  Cuind.       se  bliadna  imluim 

(.i.  tercai). 

Doföeth,  cid  alaind  a  lii,        in  luän  hi  Carnd  Furbaidi 
(.i.  Furbaidi  Mend  Macha  roadnacht  ann  nö  forbba  na  ndaine 
CO  n-adnacal  and),    xxiir.  bliadna  .1.  cöic  hliadna  a  ses. 

57.  'Däil  de  for  Sroiptinid  Macha  (.i.  teni  dar  Macha  'ua 
re  .i.  niachairi)  .i.  Mael  Sechlaind  (.i.  macc  Dünflatha  ingine 
Mmredaig)   miad    ngärcc   mör   drech    dür   dechrais   ar  thuro 

')  le)f.  iuifeii. 


DAS   ENDE   VON   BAILE   IN   SCilL.  237 

Temrach.  Tolcach  Etair.  Losetech  Liphi,  fessach  Cüaland, 
graiphnech  Crüachan,  cridhi  nathrach,  firfid  cath  fri  Cläriu, 
cath  Iroriss  (.i.  cath  Cairn  Fordroma),  cath  Moistin.  Brian 
regnat  hie.  Mör  matan  Ätha  (.i.  matan  Midhi).  Marb  di  öul 
meda.  Crüas  iar  ngail  domnaeh  hi  Telehinaib. 
XXX.  ur.  bliadna  namä        hi  rigi  huli  damöla  (.i.  rue  Bnano 

XX.  himach  rlgi  Herind). 

58.  (fo.  105  a  2)  'Däil  de  for  chllabehless  (wo  Cliabach  .i. 
cliab  fota  mör  occai)  Cloitige  .i.  Flaithbertach,  firfes  cath 
Locha  Bricrend,  breccftt*  är  im  Cnämchailli.  Clöifid  firu  ö 
Ess  Ruäid  (.i.  Cenel  Conaill).  Ririss  röi  Locha  Lebind.  Bebais 
ec  ätbai  hi  täilcentaigh  .xur.  bliadna  namä. 

59.  'Däil  de  for  Ossgamain  nAssail,  Murchad  nüall  Gäidel 
ngür,  grianbili  find,  fer  tren  datta,  dälbüadach  Etair,  üar- 
galach  Midlüachra  (.i,  slige),  loisctech  Lini.  Firfid  cath  Luäch- 
maighi,  gebaid  forbais  Locha  Lein  (.i.  dar  CrTst  bid  marb 
Brian  and).  Linfaid  Caisil  co  slüaghaib.  Sinfid  firu  for 
Tarbgnii.    Fiche  bliadwa  namä. 

60.  'Däil  de  for  Öengus  öenaig  Fänatt,  coscrach  rii. 
Firfid  (.i.  Öengus)  in  cath  tess  amni.  Firfid  cath  hi  Maig 
Cruind  (.i.  Sondchad  Cairnd  Aisi  .i.  SIeibe  Ftlait)  tria  chin  da 
da  mac  comdäni  (.i.  Cjtmascach  7  Li«0),  dia  mbl^  ben  cen 
ceili,  dia  mbiat  fir  tregtaig  thuill. 

Ni  bu  adass  mäthair  böid        cath  hi  Cenindass  consöid. 
Corr  loegbili  (.i.  Öengus)  cetäin  i  nAUmaig  Liphi.    Atmbela 
Öengus,  firfidir  a  n-är  (.i.  ö  Laigrt«&  .i.  ar*)).    xxii.  hliadna 
namä. 

61.  'Däil  de  forsin  tarbainech  (.i.  Murchad)  a  Ailiuch. 
Conrainnfi  a  ainm  fri  muir  .i.  Muiredach  mörbuidnech.  Is  he 
scerus  foilgi  fri  Laigniu.  Cath  Bri  Leith  brisfid  Tor  Bref- 
nechau.  Cath  Selca,  cath  Mona  Tuircc.  larnoin  Airbrech  Iar 
sein  hi  töetlisat  tri  Muredaigh.  Dofuitt  di  daigir  (.i.  teine 
geläu)  dia  mäirt  hi  Telenmaig.  xui.  bliadna  nö  .xxx.  no  .xiii. 
Sic  exemplaria  uariantur. 

62.  'Däil  de  for  dondainech  nDabaill  .i.  Äed  Engach 
(.i.  en  fiachach  .i.  en  uisci,  nö  quod  uerius  est  .1  labar),  dia 


')  Dazu  am  Rande  fech. 

*)  Steht  über  .xxii. 


238  K.  MEYER.    DAS    ENDK    VON    BAILK    IX    SCÄIL. 

tuicebat  bärca  for  Ess  Ruäidli.  Lin  raäini  (fo.  105  b  1)  n-ingnad 
'na  re.  Firfid  cath  hi  töethsat  na  da  Dünlang-  .i.  cath  Maisten 
(.i.  for  Laigniu).  Täilcend  gignid  'na  re  .i.  Tipraiti  tor  sTtliaig- 
fes  couru  Herenn.  Bid  si  iar  cäin  cresien.  Is  he  a  leclit 
canair  döu  (.i.  do  ÄedO)  madan  i  n-Üachtur  Ocha.  xui.  bliadna. 

63.  'Däil  de  for  ossnadacli  Uisnig  .i.  C  erb  all  (wo  Cairell). 
caur  cuäid^)  ciichach  Banda,  buidnech  Brea.  Brisfid  cath 
Locha  Da  Chaech  lä  iar  methrud  niBervhai.  Mor  cath  Skini 
seh<5tai.  Tuicebat  di  n-ingen  tes  Brephni.  Brisfid  cath  Cloan, 
clöifid  turchu  im  Luimnech.  Loiscfld  tesgabair  (.i.  Osraigi). 
XU.  hliadna  nama.  Dothuit  hi  Fidga  Tar  sein  di  bir  ois  fo 
talmain. 

64.  "Däil  de  for  Tartrög  nAilig  (.i.  ni  geib  rl  aili  Temraig 
ass)  .i.  Fergal  foltgarb,  cüanaig  Bregmaige.  Firfid  cath 
Sleibi.  Slüag  fri  röi  roth.  Riris  giallu  Cairnd  Lugdach.  Firfüü 
cath  mor  Midi.  Brogfaid  Cnamcailli.  Tüaruscbäil  tenedh  lois- 
cess  toirthiu.    Sith  mbecc,  olcc  mor. 

Dotuit  (.i.  Fergal)  la  be  n-aidche  n-än,       oc  Findcarnd  tic 

a  brecdal. 
xuii.  hliadna.     Comflaithius   for  Herinn    iar  sein.     Tri  noi 
mbliadna  .i.  eo  tl  Fiand. 

65.  'Däil  de  for  Fl  and  Cinuch  tigflaith  Herenn,  cinid 
do  Sil  Cuind  dou  is  cuit  Cuind  gaibess.  Töla  n-echtrand  'na 
re  (.i.  Gaill  loingsi  Iub«V  Domnand).  Imed  cech  toraid.  Lin 
cath  ngarc  firfidi.  Crüach  mor  im  Chnämchailli.  Aurscartad 
n-echtrand.  Sith  find  teora  mhliadna  cöicat  fongenat  düili 
De.  Bid  sain  a  dealb  cech  räithi.  Eoi-  (fo.  105  b.  2)  thfid  fal 
(.i.  doch)  find  fo  tri.    Teora  griana.    Tri  samlaithi. 

Ainim  cressin  eiliges  ar  chel  tintan  for  Reiinn  ind  ech. 
Nöifidir  tegdaisi  täilcend  fria  cimbal  nguth  ina  re.  Regaid  ec 
aitti  Iar  sein  di  cretair  creissin  hi  Temuir.    Finet. 


')  doved  MS. 
-)  leg.  crüaid. 

Berlin.  Kuno  Meyeu. 


TUIRILL  BICRENN  UND  SEINE  KINDER. 


Die  Geschichte  von  Tuirenns  (Tuirills)  Kindern  teilt  mit 
anderen  irischen  Sagten  das  Geschick,  dai's  sie  zunächst  in  ihrer 
spätesten  Bearbeitung  herausgegeben  worden  ist,  von  deren 
Handschriften  keine  über  das  18.  Jahrhundert  hinaufgeht,  i) 
Falls  diese,  was  möglich,  aber  bis  jetzt  nicht  erwiesen  ist,  von 
demselben  Mann  herrührt,  der  auch  den  Tod  der  Kinder 
Uisnechs  modernisiert  hat,  so  wird  sie  immerhin  dem 
15. — 16.  Jahrhundert  entstammen,  da  diese  Erzählung  sich  in 
der  Handschrift  Edinb.  LUX  findet,  die  dem  16.  Jh.  anzugehören 
scheint  (Mackinnon  a.  0.  159).  Der  Text  hat  früh  seinen 
Herausgeber  gefunden  in  0' Curry,  Atlantis  IV  (1863),  S.  158  ff. 
(abgedruckt  in  Gaelic  Journal  II  33  ff.)  und  abermals  in 
0'  Duffy,  der  ihn  unter  dem  Titel  Oidhe  Chloinne  Tuireann 
(Dublin  1902)  gedruckt  und  übersetzt  hat.  Obgleich  schon 
0'  Curry,  Atlantis  III  394  f.,  und  d'  Arbois  a.  0.  auf  die  ältere 
Fassung  der  Sage,  die  dem  spätem  Bearbeiter  als  Grundlage 
gedient  hat,  aufmerksam  machen,  ist  sie  bis  jetzt  nicht 
gedruckt  worden. 

Sie  findet  sich  als  einer  der  wenigen  Einschübe  in  der 
Version  des  Lebor  Gabala,  die  ich  mit  B  III,  van  Handel  mit 
Bb  bezeichnet  hat,  in  beiden  Handschriften,  nämlich  in 
Rawl.  512,  fol.  93  V,  a  (=R)  und  im  Buch  von  Lecan,  fol.  28  v^) 
(=  L).  Sie  besteht  aus  einem  prosaischen  Abschnitt  und 
einem  angehängten  Gedicht,  von  dem  aber  R  leider  nach 
seiner  Sitte  nur  die  erste  Strofe  anführt.     Scheinbar  ist  das 


')  S.  d'  Arbois  de  Jubainville,  Essai  d'  un  catalogue  S.  9  f. ;  Mackinnon, 
Catal.  of  Gaelic  Mss.  in  the  Advocates'  Library  Edinburgh,  S.  166. 

^)  Hier  steht  wenigstens  das  Gedicht;  die  Seitenzahl  der  Prosa  habe 
ich  mir  nicht  notiert. 


240  R.  THURXEYSEX 

Gedicht  nur  eine  Wiederholung  der  Prosa-Erzählung;  aber 
eine  Vergleichung  beider  zeigt  ohne  Weiteres,  dafs  vielmehr 
das  Gedicht  die  Grundlage  bildet,  auf  der  die  Prosa  beruht; 
diese  rührt  deutlich  erst  von  dem  Manne  her,  der  den  Text  in 
das  Lebor  Gabiila  eingeschoben  hat. 

Das  Gedicht,  das  Str.  18  ff.  ganz  abrupt  den  Bericht  über 
Tuirills  Krankheit  in  die  Erzählung  einschiebt,  scheint  mir 
zwei  wirkliche  Lücken  zu  haben,  die  eine  hinter  Str.  3,  die 
andere,  wenn  ich  den  Text  richtig  verstehe,  hinter  Str.  21. 
Aber  schon  dem  Prosa- Bearbeiter  lag  nicht  mehr  vor. 
Anderseits  scheint  es  mir  ursprünglich  mit  Str.  24  geschlossen 
zu  haben.  Die  letzte  Str.  25,  die  den  Tod  Lugs  durch  Mac 
Cuill  mac  Cermata  erzählt,  ist  vielleicht  im  Ansehlufs  an 
Flann  Manistrech  (s.u.)  beigefügt  worden. 

Was  die  in  der  Erzählung  auftretenden  Wesen  betrifft, 
so  heilst  der  Vater  im  Gedieht  im  Nominativ  und  Genitiv 
Tu(i)rill  Piccrenn  (einmal  Biccrcnn^)  Str.  1),  in  der  Prosa  da- 
gegen Tii{i)rill  Picrco  oder  Bicreo.  Diese  Form  findet  sich 
auch  in  Flann  Manistrech 's  Gedicht:  Esiid  a  colclm  cen  on 
(Turin  Ficrco  LLlla  24)  und  in  der  Erzählung  , Sehlacht  von 
Mag  Tured'  {Turild  Bicreo  im  Ackusativ,  RC.  XII  58  §  12), 
nach  denen  Turill  in  der  ersten  Schlacht  von  Mag  Tured  fiel; 
sie  ist  vielleicht  von  dem  Prosaisten  daher  übernommen  worden. 

Die  Einfügung  der  Geschichte  in  das  Lebor  Gabäla 
machte  darum  einige  Schwierigkeit,  weil  die  Genealogien 
nicht  übereinstimmten.  Im  Gedicht  ist  Ethliu  (Gen.  Ethlcnn) 
der  Vater  Lugs.  Dagegen  im  Lebor  Gabäla  wird  zwar  Lug 
bald  mac  E{i)thnenn  (woraus  Ethlcnn  durch  Dissimilation 
entstanden  ist),  bald  mac  Celn  genannt;  aber  Eithne  ingen 
Baiair  ist  seine  Mutter,  Cian  mac  Bein -Cedit  (oder  Dlancecht) 
sein  Vater.-)  Unser  Interpolator  hilft  sich,  indem  er  sagt, 
Ethlend  (so  bildet  er  auch  den  Akkusativ)  habe  daneben  den 
Namen  Cm  gehabt. 

Ferner  sind  in  unserer  Geschichte  die  drei  Brüder  Brian, 
luchair  und  lucharba  Söhne  von  Tn(i)rill.    Dagegen  im  Lebor 


*)  In  R  in  Bicrell  verderbt. 

*)  LL.  9a,  Z.  9—8  v.  u.  Eochaid  ua  Flainn  (ebeud.  10b  31)  nennt  Lug 
mac  Eithne  (Reim :  Creklne) ;   derselbe  Genitiv  RC.  XII  74,  §  55. 


TOIKILL   BICRENN   üilD   SEINE   KINDER.  241 

Gabäla  erscheinen  Brian,  lucharba  und  luchair,  die  drei 
dee  Danann,  als  Söhne  von  Delbffith  mac  Ogma,  während 
Tuirill,  Sohn  von  Catt  und  von  Etan,  der  Tochter  von 
Diancecht,  nur  als  Grofsvater  von  Coirpre,  dem  ßi  der 
Tuatha  De  Danann,  auftritt.')  Auch  hier  zieht  sich  der 
Interpolator  aus  der  Klemme,  indem  er  Delbaeth  mac  Ogma 
den  zweiten  Namen  Tuirill  Picreo  oder  Bicreo  beilegt,  nicht 
nur  in  dem  Einschub,  sondern  schon  vorher  im  Text  des 
Lebor  Gabäla;^)  er  scheint  ihn  von  Tuirill  mac  Caitt,  den  das 
ursprüngliche  Lebor  Gabdia  kennt,  unterscheiden  zu  wollen. 

Auch  sonst  schwankte  die  Überlieferung.  Wieder  einen 
andern  Vater  zeigt  der  Abschnitt  LL  30 d  unten:  Tri  De 
Donand  i.  tri  meic  Bressa  metc  El{aihan)  d.  Brian  7  luchar 
7  lucharba.  Es  folgt  eine  Beschreibung  ihrer  Tracht  und 
ihrer  Waffen,  dann  ihres  Hausstandes.  Und  in  den  irischen 
Verslehren  (S.  58  §111),  wo  der  Schluls  derselbe  ist,  heilst  es: 
Tri  De  Donand  A.  tri  mtic  Bresa  meic  Elathan,  batar  he  a 
n-anmand  A.  Brian  7  Huar  7  IliuchorJ) 

Aus  dem  Gedicht  von  Flann  Manistrech  seien  noch  die 
übrigen  auf  Personen  unseres  Textes  bezüglichen  Verse  hier 
gedruckt  (LL  IIa  28  und  IIb  2 ff. 4): 

Ro'marbsat  Cein'^}  ciayi  0  thaig.      Brian  luchurba  ocxts  luchair 

Brian  luchurba   is  luchair  and.      tri  dee  tuathe  D(anann)^) 
marba  gc  Mana  ös  Muir  Mend.      do  Idim  Loga  m(etc)  Ethl{enn). 
Do'cer  Cermait  Milbel  mos.  la  Lug  m{ac)  Ethl(enn)  amnas 

Doroch{air)  Lug  ös  tuindt(rä).      la  Mac  Cuill  m(ac)  Cermata. 
,Es  töteten  den  Ce(i)n  fern  von  zu  Haus  Brian,  luchurba  und 
luchair  .  .  .  Brian,  luchurba  und  luchair  dort,  die  drei  Götter 
der  Tuath  Danann,  starben  bei  Man  über  der  Irischen  See  durch 


')  LL  10a  28ff.  Vgl.  Corp(re)  file  m{ac)  Tuarda  meic  Turill  usw., 
ebend.  Z.  20. 

*)  Et  don  Delbaeth  sin  ba  haium  Tuirill  Bicreo  R. 

*)  In  der  Anmerkung  habe  ich  dort  auch  die  spätere  .Fassung  des 
Lebor  Gabala  (im  Buch  von  Ballymote  35  a)  mitgeteilt,  wo  die  drei  Brüder 
Triall,  Brian  und  Cet  heifseu. 

*)  Vgl.  BB  35  a  45  f.  und  35  b  18  ff. 

»)  In  BB  Cian. 

•)  tuathe  d.  d.  die  Hss.;  aber  dee  ist  hier  wohl  zweisilbig. 
Zeitschrift  f.  celt.  Philologrie  XII,  1.  16 


242  R.  THÜRNEYSEN, 

die  Hand  von  Lug  mac  Ethlenn.  Cermait  Honigmund  der 
schöne  fiel  durch  den  grimmigen  Lug  mac  Ethlenn  .  .  .  Dann 
fiel  Lug  über  der  (Meeres-) Woge  durch  Mac  Cuill  mac 
Cermata.' 

Also  hier  heilst  der  von  den  Dreien  umgebrachte  Vater 
Lugs  Cein,  was  auch  in  gewissen  Handschriften  des  Lebor 
Gabäla  (R)  als  Nebenform  von  Cian  vorkommt;  sein  Name 
Ethliu  in  unserem  Gedicht  ist  vielleicht  nur  durch  den 
Verfasser  aus  mac  Ethlenn  erschlossen.  Flann  weicht  auch 
darin  ab,  dals  nach  ihm  Lug  die  drei  tötet,  während  sie  sich 
im  Gedicht  mit  ilim  aussöhnen,  wenn  auch  um  hohen  Preis. 
Aber  das  kann  eine  eigene  Änderung  von  Flann  sein,  da  er 
sämtliche  Tuatha  De  Danann  sich  gegenseitig  umbringen 
lassen  will,  wohl  mit  der  stillen  Absicht,  seine  Landsleute,  die 
noch  immer  an  das  Fortleben  dieser  alten  Götter  glauben 
mochten,  endgiltig  von  diesem  Glauben  zu  befreien.  Der 
moderne  Bearbeiter  hat  sich  dann  gewissermafsen  in  der 
Mitte  gehalten;  er  nennt  den  Vater  Cian  und  lälst  Brian, 
luchar  und  lucharbha  zwar  nicht  durch  Lughs  Hand  fallen, 
aber  doch  nicht  ohne  seine  Schuld  und  Veranlassung 
sterben. 

Die  Sage  oder  vielmehr  direkt  unser  Gedicht  ist  in  der 
Finn- Ballade  verwertet,  die  Stern  in  der  Festschrift  Stokes, 
S.  7 ff,  aus  LL  207b  veröffentlicht  hat,  wo  sie  sich  unter  den 
Dinnsenchas-Gedichten  befindet,  obschon  sie  keinen  Ortsnamen 
erklärt;  ferner  nach  dem  Buch  von  Lismore,  fol.  153b  2  in 
dieser  Zs.  III  433  f.  Drei  Krieger,  Namens  Sela  (Sei  Lism.), 
Dorait  {Donait  Lism.)  und  Domndn  kommen  zu  Finn  und 
bringen  den  jungen  Hund  des  Königs  von  Hiruaith  (Gen. 
Hiruaithe)  mit,  der  in  LL  Salinnis,  in  Lism.  Failinis  heilst; 
die  letztere  Form  hat  auch  der  spätere  Bearbeiter  der  Sage, 
der  also  auch  diese  Ballade  gekannt  hat.  Sie  bringen  den 
Hund  in  eine  Quelle,  deren  Wasser  sich  dadurch  in  Wein 
verwandelt.  Der  Balladendichter  hat  also,  wie  unser  Prosaist, 
die  zwei  Hunde  von  Str.  14  und  15  des  älteren  Gedichts,  die 
ich  für  zwei  verschiedene  Tiere  halte,  als  einen  Hund  an- 
gesehen; da  man  aber  in  die  Haut  eines  lebenden  Hundes 
kein  Wasser  giefsen  kann,  läfst  er  umgekehrt  den  Hund  im 
Wasser  gewaschen  werden  (Str.  12).    Dals  ihm  auch  Str.  15  des 


tüIKILL    BICRENN   UND    SEINE    KINDER.  243 

Gedichts  im  Ohre  klang,  zeigt  sich  in  seiner  Str.  11,  wonach 
der  Hund  in  der  Nacht  ein  Feuerklumpen  icatr  thened)  war, 
ein  deutlicher,  wenn  auch  nur  äufserlicher  Anklang  an  cü 
i  n-aidchi,  caera  euch  dia  der  Vorlage;  erst  später  (Str.  18) 
wird  der  Hund  getötet  und  seine  Haut  nach  Tech  Merchi 
(Meirce)  gebracht.  Über  die  Vorgeschichte  des  Hundes 
berichtet  Str.  10,  dafs  er  einst  Lug  gehört  hatte,  dem  ihn  die 
meic  Turend  Bicrend  gebracht  hatten.  Hier  tritt  zuerst,  also 
immerhin  schon  im  12.  Jahrhundert,  die  Form  Tu{i)renn  für 
Tuirill  auf,  teils  wohl  durch  das  damit  verbundene  Bicrenn 
veranlafst,  teils  etwa  auch  durch  tu{i)renn  , Weizen',  das  in 
Str.  18  des  älteren  Gedichts  damit  reimt.  Sie  bleibt  dann 
die  geltende  für  die  ganze  Folgezeit.  Die  jüngere  Fassung 
des  Lebor  Gabdla  (BB  35  a  40)  setzt  in  Flanns  Gedicht 
Tureann  Bigreo  für  das  ältere  Turill  Picreo  (LL)  ein.  Der 
Verfasser  von  Cöir  Anmann  (IT  III  2,  356,  §  155),  der 
unsern  Prosabericht  kennt,  nennt  den  Vater  Tuirenn  Beg- 
greann  und  erklärt  den  Beinamen  aus  grenn  heg  , kleiner 
Bart'.  Dem  schliefst  sich  der  moderne  Erzähler  an,  der 
von  dann  Tuireann  Beagreann  spricht,  also  den  Namen 
unflektiert  lälst.  Wie  er  im  übrigen  mit  dem  Stoffe  des 
alten  Textes  verfahren  ist  und  wie  er  seine  lange  Geschichte 
daraus  herausgesponnen  hat,  ist  nicht  meine  Absicht  hier  aus- 
zuführen. Er  hat  orce  ,Schofshund'  als  orc  mifsverstanden 
und  daher  Lugs  Vater  sich  in  ein  Schwein  verwandeln  lassen. 
Was  die  Zeit  unseres  Textes  betrifft,  so  gehört  die  Prosa, 
Me  oben  bemerkt,  dem  Bearbeiter  B  III  des  Lebor  Gabdla 
an,  der  sicher  noch  im  12.  Jahrhundert,  nicht  lange  nach 
Vollendung  der  ersten  Fassung  tätig  gewesen  ist.  Da  die 
Finn -Ballade,  die  auf  dem  Gedicht  beruht,  schon  in  LL 
steht,  mufs  dieses  etwas  älter  sein,  also  mindestens  in  die 
erste  Hälfte  des  12.  Jahrhunderts  gehören;  es  kann  aber 
leicht  im  11.  Jahrhundert  entstanden  sein,  früher  nach  den 
Sprachformen  jedoch  nicht.  Es  läfst  sich  nur  sagen,  dals  der 
Verfasser  (abgesehen  von  der  wohl  sekundären  Schlulsstrofe) 
das  Gedicht  von  Flann  Manistrech  (f  1056)  nicht  zu 
kennen  scheint;  denn  er  hätte  keinen  Grund  gehabt,  Lug 
einen  andern  Vater  zu  geben.  Aber  diese  Unkenntnis  kann 
Zufall  sein. 

16* 


244  R.  THÜRNEYSEN, 

Obschon  das  Gedicht  älter  ist  als  die  Prosa,  bringe  ich 
die  beiden  Texte  in  derselben  Reihenfolge,  die  die  zwei 
einzigen  Handschriften  bieten. 


I.  Imt[h]echta  Tuirill  Picreo  7  a  mac  A.  Bridn,  lucbair, 
lucharba,  is  ed  at'fedar  hi  sunn.  7  do  Delbaeth  mac  Ogma 
ba  hainm  in  Tuirill  Picreo.  7  is  iat  a  meic  romarbsat  Eth- 
lend  athair  Logha  —  7  is  dö  ba  ainm  C^n  — ,  dialuid  i  rieht 
ind  oirce  don  Bruigb.  Con'ndecliuid  Lug  do  digail  a  athar 
f Ortho,  nocoro'icdais  6raic  a  athar  fris.  Et  isl  an  ^raic 
con'aitecht  uaidib  .i.  da  ech  rig  innsi  Sicil  ar  Muir  Toirren, 
Gaine  7  Rea  a  n-anmann,  nls'millet  gona  no  tonna  no 
tinnte. 

Gal  Assail  do  derg[ör]  druimmnech,  dI  beo  dia'telcenn 
fuil  7  nrteit  urchar  n-imruill  de,  acht  con*räiteri)  ,ibar* 
de.    Da'räiter  dawa  ,aithibar',  doToich^)  for  eüla  fo  c[h]6töir. 

Croicend  muici  Düisi,  cech  oen  fö'teged  thsebh,^)  ba  slän 
dia  guin  7  dia  galar;  med  .iii.  seched  sendam  e. 

7  se  muca  Essaig,*)  a  marbad  side  cech  n-aidchi,  acht 
coro'mardais  a  cnäma  cen  combacÄ  cen  coenäm,  badis  bi  fo 
e[h]etöir  ar  cech  laithiu.*) 

Cuilew  riggobann^)  na  Hiruaidhe,^)  cü  ind-aidche  caora 
i-llaithiu;  cech  linn  läithir^)  i«a  croicend,  is  fin.^) 

Ocus  faillsiugM(i  innsi  Caire  Ceinnfinne  fil  fo  drc[h]leithiö) 
etir  Erinw  7  Albain,  7  mess  na  habla  fail  fo  muir  i  fail  na 
hinnsi  sin.  ^ 

Conid  dib  sin  ro  hicad  öric  Logha. 

IL  Do  galar')  Turill  Bicreo  immoro  dia  himthechtaib 
ro'sir  cech  follus^)  7  cach  ndiamair  dia  Tcc  7  nrfuair, 
cora'n-icc3)  Diancecht,  ar  ba  sl  a  ingen  .i.  Etdn  ingen 
Diancecht  a  mäthair.  Do'rigne  dig  scethrig  d6,  coro'sc^  tri 
lomanna  asa  belaib.  Is  ann  at'ib  an  dig  i  cnuc  uachtair 
Archse,^)    cororaebdatar    tri  lomanna   assa   belaib  s)   .i.   loim 


L  1)  corait-L.  ")  doriac/ii  R.  ')  taob  R.  *)  assaig  R. 

i)  nomhartais  bii  ar  cacÄ  laithe  L.  *)  riggobonn  L,  rig  gabann  R. 

')  Hiruaithiu  R.       «)  laitir  R.       »)  7  «dd  R.       »<>)  dichil  L. 

U.  >)  Dogabar  L.  ')  f alias  R.  ')  coronnicc  R.  ♦)  Forcha  R. 
»)  beol-fis«. 


TUIRILL   BICKENN  UND   SEINE  KINDER.  245 

n-uar  i-lLoch  n-Uair  7  loim  ainndinn  i-lLoch  Ainnind,  loim 
iairw  i-lLoch  lairn,  coiüd  uaidib  ar'femat  anmanna  iarsin 
faibliud  sa. 

in.  De  quibus  hoc  Carmen: 

1.  Etsid    in    senchas')    sluagach.     fo'chan    ecsi   ilbuadach 
con'eicius2)  düib  digrais  bann,   imthechta  Twnll  Biccrenn.3) 

2.  Tuirill  Piccrenn  ba  bechta.    atha/r  na  ndee  n-airc[h]elta, 
anmand  na  ndea  ös  gach  bla.    Brian  luchair  is  lucharba. 

3.  Batar  na   dee   iar  tola.     hie  Ethlinn*)  athair  Loga 

dö  luidh  Ethliu  forsin  mBruigh.    hi-rricht  oirce  fo  diamair. 

4.  Nrfitir  Lugh  luaighed  gail.    cia  dib  romarb  a  athair 
acJit  rop  aniair[s]each  fri  seall.    ar  mwcaib  TuriW  Piccrend. 

5.  Iar  sin  siacht  co  dfne  in  trir.    con-erbairt  friü  cen  mlbrlg:  *) 
,atmaid  dam  aigedh  m  athar.    is  foraib  nf'diglathar,' 

6.  At'bertatar  friss  ind  fir.    triana  cairdine  calmdil: 
,nocho'chelam  cadla  in  cair.    his  sinne  ro-marb  h  athair.' 

7.  Iar    sin    at-bcrt    fWu    Lugh    lond.      aithesc    n-imamnws 

n-^troram: 
,na[r]ab  olcc  mo  mewma  ruib.    nom'firraidh  do  ascadhaibh.' 

8.  ,Caidet  aiscedha  cen  feil,    conaighe  a  daghmeic«)  Ethlend? 
is  fos'geba  mon  orta.innid')  dun  a  n-airmerta.' 

9.  ,Dä  n-ech  ata  ferr  fo  nimh.    fil  oc  righ  insi  Siccil 
Gainne  ocus  Rea  regda  guis.     nis'cumgad  eca  Ernmuis.' 

19.   Gsßi  Assail  d  6r  druimnech  dir.    marb  forsa-telgenn  fer»)  fir 
ni'cicherr")  imrol  a  ghal.    acht  cowa'n-garaio)  „iubar". 

11.  Dia-n-eber^i)  „athibar"  friss.    do'inntoi^O  ^^^^  c[h]umga 

chniss 
eo* toraig  in  läim  dia'luid.    nl  bäigh  tor  bonwän  anbsaid. 

12.  Croccenn  ro'boi  im  muicc  Düise.    ba  d  ingantaib  na  düse 
cip  e  fö'teit  toeb  nl  tar.    5  gacA  galar  bidh  öghslän. 

13.  Ocus    s6    mucca    Essaigh.     cia    no'rainndis    tor   essair 
at'raightis  at  heat  bll.    acht  co'martais  a  cnämai. 

14.  Ocus  cuil^n  comhul  ngle.    riggobonn  na  Hiruaide 

ba  ffn  gach  linn  lathar  ngell.    nos*  tallad  1 3)  Ina  c[h]roccenn. 


in.  ^)  a  senchus  B.         ')  conndecius  R.         *)  tuirill  bicrell  R. 
*)  etlenu  Bs.         *)  cenn  imbrig  Es.  «)  daghm-c  Es.         ')  inne  Es. 

*)  fir  Es.        »)  nicsecher  Es.        ">)  conangairt-Äs.       ")  Dianebur  Es. 
")  noinnto  Es.       ")  nostaltar  Es. 


240  K.  THURNEYSEN, 

15.  Cuilen  fuil  ie  Luehraib  Lia.    cü  ind-aidche  eseru  eacÄ  dia 
mene'thuccaid  Hb  in  coin.     natait  ior  eül  for  conair. 

16.  Aidlid  abaill  aillem  li.     dos'fuil  i  fail  Findchairi 

ata  fo  diamair  arauigh.     ced  düib  hec  mene'fagbaigb. 

17.  Firinde  ocus  faibledh  fudr.    In   senchasaibh  na  ssersb^w^r 
is  don  faibliudh  sgmhglice  sith.     ro'gle«  iiin  ericc  etsid  .e. 

18.  An   galar  ro'gob  T«/ill.     ropo  eheist  dia  chaMnt[h]uirind 
coro'n-icastar  Dian-CecA^.     tWa  drungo  drona  dagdrec/»^. 

19.  Do"sc6th  tri  lomanw  Ös  blai.    hi  cnuce  ard  uachtair  Archai 
lotar  tar  beolu  ind  fir  find,     iomm  n-uar  lomm  n-iairn 

lomm  n-aindinw. 

20.  Hit  6  inn  sin  a  n-anmann.    dia'fsetatari^)  togarmand 
anmand  na^s)  loch  lathar  ngell.    di  galur  Turili  Piccrenn. 

21.  Tuirill  Piccrenn  can  doiuidh.     can  dia  mäthaiv  dia  athair 
eia  berait  at*b(?rthar  frib.     a  ses  na  hBicsi  eitsid.    E-. 

22.  Lotar  meic  Tuiriil  for  cai.    corancatar  gach  rorai 
iar  siriudh  döib  in  domain.    fuaratar  a  coemchobair. 

23.  Do'dechatar  ass  for  cül.     dochum  Loglia  coa  laecbdün 
tucsat  a  lessa  leo  ille.    is  do  dälaib  na  heicse.    E-. 

24.  Ropad  aibind  lim  a  Di.    dia'sallind  find  fochraicce 
aiccsin    slofgh   tairbcrtaig   tigh        airbcrtaig  aurdraic 

ei[t]sid.    E-. 

25.  Lugh  ciarbo  letartha  a  lüth.    la  mac  Cermada  ar  e[h]omh- 

tnüth 
gae   Islaia  Cuill   ro-chliss   ce«   c[h]lith.     cor-briss  a  druim 

cia  eitsid. 

*  * 

I.  Die  Wanderungen  von  Tuirill  Picreo  und  seinen 
Söhnen  Brian,  luchair,  lucharba,  dajs  wird  bier  berichtet. 
Und  Tuirill  Picreo  war  ein  Name  von  Delbaeth  mac  Ognia. 
Und  es  sind  seine  Öölme,  die  Fithlenn  den  Vater  von  Lug 
(und  der  hieis  [auch]  Cen)  töteten,  als  er  in  Grestalt  eines 
Schofshundes  nach  dem   Bruig')  ging.    Da  kam  Lug  seinen 


'♦)  diafaemtatar  Hs.       »»)  la  Es. 

l.  *)  Bruig  Maie  iad  Oic  oder  Bruig  na  Boiune,  der  bekannte  Elfen- 
bezirk am  Boyne-Flufs,  Grafschaft  Meath. 


TUIRILL   BICRENN   UND   SEINE   KINDER.  247 

Vater  zu  rächen,  bis  sie  ihm  das  Wergeid  für  seinen 
Vater  zahlen  würden.  Und  das  Wergeid.  das  er  von  ihnen 
verlangte,  war: 

Die  zwei  Pferde  des  Königs  der  Insel  Sizilien  im  Mittel- 
ländischen Meere,  die  Gaine  und  Rea  hiefsen;  Wunden  oder 
Wogen  oder  Feuer  schädigten  sie  nicht. 

Der  Speer  Assais  aus  rotem  gebuckeltem  (?)  Gold; 2)  der 
lebt  nicht,  dem  er  eine  blutige  Wunde  schlägt,  und  man 
tut  mit  ihm  keinen  Fehlwurf,  wenn  man  nur  ibar  (,Eibe') 
zu  ihm  sagt.  Wenn  man  dann  aith-ibar  sagt,  kommt  er 
sofort  zurück. 

Die  Haut  des  Schweins  von  Düise(?);  jeder,  unter  dessen 
Leib  sie  kam,  der  wurde  heil  von  seiner  Wunde  und  von 
seiner  Krankheit;  sie  hatte  die  Gröfse  von  drei  Fellen  alter 
Ochsen. 

Und  die  sechs  Schweine  Essachs;  man  könnte  sie  jede 
Nacht  schlachten,  wenn  nur  ihre  Knochen  unzerbrocben  und 
unzernagt  blieben,  wären  sie  jeden  Tag  sofort  [wieder]  lebendig. 

Der  junge  Hund  des  königlichen  Schmieds  von  Hiruaid; 
der  ist  nachts  ein  Hund,  am  Tag  ein  Schaf.  Jede  Flüssigkeit, 
die  in  seine  Haut  gegossen  wird,  wird  Wein.^) 

Und  die  Entdeckung  der  Insel  von  Caire  Ceinnfinn  (,Weirs- 
köpfiger  Strudel'),  die  zwischen  Irland  und  Schottland  ver- 
steckt liegt,  und  die  Frucht  des  Apfelbaums,  der  unter  dem 
Meer  bei  dieser  Insel  ist. 

Damit  wurde  Lugs  Wergeid  bezahlt. 

IL  Was  aber  die  Krankheit  von  Turill  Bicreo  [und]  seine 
Wanderungen  betrifft,  so  durchsuchte  er  jedes  offene  und 
jedes  versteckte  Land  für  seine  Heilung  und  fand  sie  nicht, 
bis  ihn  Dianceeht  heilte.  Denn  dessen  Tochter  Etan  »ingen 
Diancecht  war  seine  (Turills)  Mutter.  Der  bereitete  ihm 
einen  Brech- Trunk,  so  dafs  er  drei  Schlucke  aus  seinem  Munde 
s]f)ie.  Auf  dem  Hügel  von  Ober-Archa3i)  trank  er  den  Trunk, 
so  dafs  drei  Schlucke  aus  seinem  Munde  hervorbrachen:  ein 


*)  tJber  druimneck  als  Beiwort  von  dergör  8.  Windisch,  Täin  B6  Cualnge, 
S.  392  Anm.  »)  Der  Prosa -Bearbeiter  vermengt  die  zwei  Hunde  von 
Str.  14  und  15. 

n.  *)  Der  Uisnech-Hügel,  s.  Hogan,  Onomasticon  s.  v.  Cnoc  Uachtair  Erca. 


248  B.  THURNEYSEN, 

kalter  (uar)  Schluck  in  den  Loch  Uair,  ein  Schluck  aindenn 
in  den  Loch  Ainninn,  ein  Schluck  Eisen  {iarn)  in  den  Loch 
lairn,  so  dals  sie  von  ihnen  den  Namen  annahmen  nach 
dieser  Sage. 

IIL  De  quibus  hoc  Carmen : 
L   Hört  die  kriegerische  Geschichte,  die  die  siegreiche  Dicht- 
kunst besingt,  dafs  ich  euch   —   eine  treffliehe  Tat  — 
die  Wanderungen  von  Tuirill  Biccrenn  verkünde. 

2.  Tuirill  Piccrenn  —  das  war  sicher  —  war  der  Vater  der 
Götter  des  Raubes;  die  Namen  der  Götter  über  jeder 
Fläche  sind  Brian,  luchair  und  lucharba. 

3.  Die  Götter  waren  nach  ihrem  Wunsch  bei  Ethliu,  dem 
Vater  Lugs.  Ethliu  ging  zum  Bruig  hin,  heimlich,  in 
Gestalt  eines  Scbofshunds. 

4.i)Lug,  der  Tapferkeit  übte,  wui'ste  nicht,  wer  von  ihnen 
seinen  Vater  getötet  hatte;  aber  er  war  eine  Weile  mifs- 
trauisch-j  gegen  die  Söhne  von  Turill  Biccrenn. 

5.  Darauf  kam  er  zur  Schar  der  drei  und  sagte  zu  ihnen 
nicht  ohne  Gewicht:  ,  Gesteht  mir  den  Mord  meines 
Vaters  ein,  und  er  wird  an  euch  nicht  gerächt'. 

Q.  Die  Männer  sagten  zu '  ihm  bei  diesem  erwünschten 
Freundschaf  tsvertrag:  ,Wir  verhehlen  es  nicht,  der  Tadel 
ist  am  Platze:  wir  sind's,  die  deinen  Vater  getötet 
haben'. 

7.  Darauf  gab  ihnen  der  grimmige  Lug  eine  scharfe, 
leichthinige  =*)  Antwort:  , Damit  ich  euch  nicht  zürne, 
befriedigt  mich  mit  Geschenken'. 

8.  ,  Welches  sind  die  Geschenke  —  ohne  Trug  — ,  die  du 
verlangst,  edler  Sohn  EthliusV  Und  du  wirst  sie  erhalten 
für  den  Erschlagenen.    Gib  uns  ihre  Ausrüstung^)  an.' 

9.  ,Die   zwei  besten  Pferde  unter  dem   Himmel,   die  beim 


ni.  *)  Hier  fehlt  wohl  eine  Strote,  die  deu  Tod  Ethlin's  berichtete.  Ver- 
mutlich geschah  der  Mord  unwissentlich.  ^)  Die  Stelle  ist  unsicher,  da 
die  Handschrift  amairech  liest  und  meine  Übersetzung  eigentlich  sei  statt 
seil  verlangt,  das  durch  den  Reim  Piccretm  gesichert  ist.  Ein  seil , Blicken' 
kann  es  nicht  sein,  da  Lug  erst  nachher  (Str.  5)  zu  den  dreien  hingeht. 
^)  So  etwas  mufs  ätromm  wohl  hier  bedeuten.  *)  airrnert  ist  sonst  ein 
Synonym  von  ge(i)ss,  s.  Windisch,  T.  B.  C,  Glossar.  Aber  in  Ml.  über- 
setzt airim)bert  'apparatus'  und  'instructus'. 


TÜIRILL   BICRENN   UND  SEINE   KINDER.  249 

König  der  Insel  Sizilien  sind,  Gainne  und  Rea,  welche 
Stürm ischkeit  erlangen  werden (?);  Emmas'  Tod^)  hat 
keine  Macht  über  sie. 

10.  Der  Speer  Assais  von  gebuckeltem  (?)  richtigem  Golde  — 
tot  ist  der,  auf  den  ein  wahrer  Mann  ihn  schleudert; 
seine  Tapferkeit  wird  keinen  Fehlwurf  tun,  wenn  er  ihn 
nur  ,iubar'  (ibar)  ruft. 

11.  Wenn  er  ,aihihar'  sagt,»)  kehrt  er  in  der  Enge  seiner 
Haut  zurück,  bis  er  die  Hand  erreicht,  von  der  er  aus- 
gegangen ist;  es  ist  kein  Prahlen  mit  unbeständiger 
Bitterlauge  (?). 

12.  Die  Haut,  die  Duises  Schwein  umgab  —  es  gehörte  zu 
den  Wundern  des  Schatzes  — :  wer  es  auch  ist,  unter 
dessen  Leib  sie  kommt  —  es  ist  keine  Schande  — ,  der 
wird  von  jeder  Krankheit  völlig  heil  sein. 

13.  Und  die  sechs  Schweine  Essachs  —  obschon  sie  auf  der 
Unterlage  zerlegt  würden,  sie  würden  lebendig  aufstehn, 
wenn  nur  ihre  Knochen  übrig  blieben. 

14.  Und  der  junge  Hund  des  königlichen  Schmieds  von 
Hiruaid  —  eine  klare  Hinzufügung  — :  jede  Flüssigkeit 
wurde  zu  Wein  —  eine  Grundlage  für  Pfänder  — ,  die 
in  seiner  Haut  Platz  fand. 

15.  Der  junge  Hund,  der  bei  Luchrai  Lia')  ist,  ein  Hund  in 
der  Nacht,  ein  Schaf  an  jedem  Tag  —  wenn  ihr  den 
Hund  nicht  mitbringt,  kommt  euren  Weg  nicht  zurück! 

16.  Sucht  den  Apfelbaum  von  schönstem  Glanz  auf,  der  bei 
Findchoire  (,dem  weilsen  Strudel')  ist;  er  ist  draulsen 
verborgen;  ihr  dürft  sterben,  wenn  ihr  ihn  nicht  findet!'  — 

17.  Wahrheit  und  Fabel  hab  ich  gefunden  in  den  Geschichten 
der  edeln  Scharen:  zur  fein -klugen  langen  (oder  ,Vang- 
lebigen'?)  Fabel  gehört  das  Wergeid.    Hört! 

18.  Die  Krankheit,  die  Turill  befiel,  die  war  eine  schwierige 
Sache  für  seinen  lieben  Weizen,  s)  bis  ihn  Diancecht  heilte 
durch  feste  Scharen  guter  Sprüche. 

*)  D.h.  wohl  ,Tod  dnrch  Waffen'  oder  , gewaltsamer  Tod'.  «)  Oder 
passivisch:  ,weun  gesagt  wird'.  Man  erwartet  übrigens  einen  Subjunktiv. 
^)  ic  luchraib  lia  ist  doch  wohl  ein  Ortsname.  *)  Wohl  ,für  seine  Saat 
seine  Kinder'.    Der  Prosaist  scheint  tüiriud  verstanden  zu  haben. 


250       K.  THURXEYSEN,   TUIRILL  BICKENN  UND  SEINE  KINDER. 

19.  Er  spie  drei  Schlucke  aus  über  der  Fläche  auf  dem  hohen 
Hügel  von  Ober-Archae;  es  traten  über  die  Lippen  des 
schönen  Mannes  ein  kalter  Schluck,  ein  Schluck  Eisen, 
ein  Schluck  aindenn. 

20.  Das  sind  ihre  Namen,  wovon  sie  ihre  Benennung  erhielten, 
die  Namen  der  Seen  —  eine  Grundlage  für  Pfänder  — 
von  der  Krankheit  des  Tuirill  Piccrenn.^) 

21.  Tuirill  Piccrenn,  woher  ist  er  gekommen?  woher  stammte 
seine  Mutter,  sein  Vater?  Obschon  .  .,'o)  es  wird  euch 
gesagt  werden;   ihr  Leute  der  Wissenschaft,  hört!>i) 

22.  Die  Söhne  Tuirills  machten  sich  auf  den  Weg,  so  dals 
sie  auf  jedes  Feld  kamen.  Nachdem  sie  die  Welt  durch- 
sucht hatten,  fanden  sie,  was  ihnen  gut  half. 

23.  Sie  kamen  wieder  zurück  zu  Lug  zu  seiner  Kriegerburg; 
sie  brachten,  was  er  brauchte,  mif  dahin;  es  gehört  zu 
den  Stoffen  der  Dichtkunst. 

24.  Schön  dünkte  es  mich,  o  Gott,  wenn  ich  —  ein  herrlicher 
Lohn  —  den  Anblick  der  spendenden  (?),  dichten  Schar '2) 
erwarten  dürfte,  der  energischen (?),  berühmten;   o  hört! 

25.  Lug,  obschon  sein  Ungestüm  durch  Cermaits  Sohn  bei 
gemeinsamem  Eifern  zerschnitten  war  —  der  Speer  von 
Mac  Cuill  sprang  ohne  Hehl  und  zerschmetterte  seinen 
Rücken,  obschon  ihr  (es)  hört. 


•)  Die  Konstruktion  ist  ziemlich  ungefüge.  '")  berait  verstehe  ich  nicht 
recht.  Kaum  ci  at- berat  zu  lesen:  , Obschon  sie  sagen:  „es  wird  euch 
gesagt  werden".  —  Vielleicht:  , Mögen  sie  [es  als  Beute]  davontragen'. 
")  Hier  fehlt  doch  wohl  eine  Strofe,  in  der  die  Herkunft  Tuirills  behandelt 
war.        '2)  Gemeint  ist  natürlich  die  himmlische  Schar. 

Bonn,  Oktober  1917.  R.  Thukneysen. 


TOOHMARC  CRUINN  OCÜS  MACHA. 

Die  untenstehende  Fassung  der  Geschichte,  die  sowohl 
den  ces,  den  Schwächezustand  der  Ulter  in  der  Tain  Bo 
Cuailnge  als  den  Ortsnamen  Emain  Macha  erklären  will,  ist 
meines  Wissens  bis  jetzt  nicht  gedruckt,  ja  nirgends  ver- 
zeichnet, und  so  mag  sie,  obgleich  sie  zweifellos  die  jüngste 
der  verschiedenen  Versionen  ist,  hier  zum  Abdruck  kommen. 
Sie  findet  sich  in  dem  Sammelband  Trin.  Coli,  (Dublin),  H.  3, 18, 
S,  46  b. 

Zwei  ältere  Fassungen  hat  Windisch,  Berichte  der  Sachs. 
Ges,  der  Wissenschaften,  Philol-hist,  Kl,  1884,  S.  336  ff.,  heraus- 
gegeben, wohl  die  früheste  (bei  Windisch  II)  nach  Harl. 
5280,1)  eine  andere  (I)  nach  LL.2)  In  der  Sagenliste  A  führt 
die  Geschichte  den  Titel:  Tochmarc  mna  Cruinn  (meic  Agno- 
main).  Benutzt  ist  die  Sage  auch  im  Prosa-Dinnsenchas  von 
Ard  Macha  (Folk-Lore  IV  4801;  RC  XVI  45). 

Der  Redaktor  unserer  Version  kennt  zweifellos  Windischs 
Fassung  I,  wie  der  Stammbaum  von  Cruinn  zeigt;  ferner  das 
Dinnsenchas,  da  er,  wie  dieses,  die  Begebenheit  in  die  Zeit 
König  Conchobors  versetzt;  aufserdem  die  Sagenliste  A,  nach 
der  er  den  Titel  oder  vielmehr  die  Unterschrift  seiner  Erzäjilung 
gestaltet  als:  Tochmarc  Cruinn  7  Macha;  auch  die  Namens- 
form Cruinn  hat  er  ihr  oder  dem  Dinnsenchas  entnommen, 
während  der  Mann  in  den  älteren  Fassungen  Cruinnchu  oder 
Cruinniuc  heifst,^)  Ob  er  auch  Fassung  II  benutzt,  ist  zweifel- 
haft; 64"  könnte  ihr  den  Namen  des  Schwächezustandes  als 


')  Sie  findet  sich  aufserdem  YBL  (Faks.)  211  b  40,  Buch  von  Fermoy 
fol.  33  a  und  R.  I.  A.,  B.  4. 2  fol.  127  v. 

')  Aufserdem  in  R.  I.  A.,  C.  I.  2,  fol.  15  r,  b. 

')  Nur  Harl.  (aber  nicht  YBL)  hat  Einmal  Cruind.  -   -    • 


252  R.  THURNETSEN. 

ces  naidhen  verdanken,  da  sie  wenigstens  in  YBL  in  ceas 
naigen  betitelt  ist  (dafür  in  Harl.  noinden  ülad  wie  in  I;  im 
Dinns.  ces  oited). 


Cruinn  mac  Agnamain  m/c  Fir-Ulac?  .i.  Mtiredach  Muin- 
derg  a  quo  üicuntur  JJlaid  do  Däil- Fiathach,  mic  Fiathach 
mic  Firuirme  mic  Daire  mic  Dluthm^  mic  Dedsiw  m/c  Ech- 
dach.^)  Dos'rala  asa  dün  siartuaigh,  cofaca  in  mnai  ina dochum. 
Nisfaca  riam  mnai  bo  caime dealb  näs  in  mnai  dosTala.  Do'ben- 
daiges'^)  cäch  dia  ceile  dib.  'Cia  do  cinel  no  tb  atharda  no 
t  ainm,  a  ingen?'  ol  Cruinn.  —  'Naxeil  ort'  ar  in  ingen, 
'Macha  ingen  Bruide  mic  Ceite^)  mic  Cruindcon  mic  Delbalth 
mic  NecÄ^ain  mic  Echac/i  Gai[r]b  mic  Duach  Temen  mic 
Breis  mic  Elathan  mic  Dealbalth  mic  Neid  mic  Indaith  mic 
Allaicb  mic  Taid  mic  Tabairn'  bar  in  ingen.  'Bandrai  7 
bancttwtachtach  me'  ol  in  ingen.  —  'In'fuil  ecosc  fir  agat, 
a  ingenV  ol  Cruinn.  —  'Nim'thä'  ol  in  ingen.  —  'An  Eil 
feis  lem?'  ar  Cruinn.  —  'Diamo  che^  lem  cumacbtaib  bunaidh' 
ar  Macha  ingen  Bruide.  —  'Is  cet  em  lium  sa'  ol  Cruinn. 
Berid  Cruinn  leis  dia  tig  in  ingin  7  faidis  ina  coimleabaid  an 
aidche  sin. 

7  bid  sT  Wiadain  occa  gan  fis  do  Ulltuib,  co'tarla  dola 
docum  aonaig  UlaJ.  CoToibh  a  n-eochu  a[c]  comling  7  a 
macrad  'Ni  molta  et/r'  ol  Cruinn,  'atE<)  ben  asidach^)  agum' 
ol  Cruinn,  'no'fägbec?  na  heocho  7  in  macrafrf'.  Dob  olc  la 
Ooncobor  in  t-aithesc  sin  do  raid  Cruinn.  'TabmV  let  in  ben' 
ar  Cowcobor.  —  'Nrtiubg^r'  ar  Cruinn.  —  'Is  eigen  duit  a 
tabart  no  do  ceann'  ar  Concobor.  Gluaisis  Cruind  dia  toig  7 
indisid  in  t-aithesc  sin  do  Macha.  Dob  olc  la  Macha  sin  7  teit  leis 
CO  h-Emain  Macha.  '...«)  dom,  a  Concobor'  ol  Macha;  'dia'nderna, 
bud  aithrech  let  7  let  sil  co  bräth'.  Do'ling  Macha  frisna  heochu 
gwrFMS'fägaib.  *Ö  ros*fägt(5  na  heocho'  ol  Macha,  'fägaim  in 
ces  naidhen  for.Ultaib  co  brath'.  Berid  Macha  dis  d  oentairbert. 


')  eth-  dia  Hs.  ")  Oder  zu  lesen:  dos'rala  dö.  ßendaiges?  »)  Viel- 
leicht Ceide.  *)  2  (=  da)  Hs.  *)  Glosse  .1.  torrach.  «)  Die  Hs.  hat 
hier  die  Verschreibung:  cohem-  macharraig  (wobei  das  c  von  macha  in  f 
korrigiert  scheint).  Es  ist  also  Macha  mit  einem  folgenden  Wort  zusammen- 
geronnen. 


TOCHMARC   CRÜINJf   OCUS   MACHA.  253 

At'bäth  Macha  ann  don  rith  sin.    Conad  he  tochmarc  Cruind 
7  Macha  conuice  sin. 

Cruinn,  der  Sohn  Agnomains,  des  Sohnes  von  Fer  Ulad 
(d.  i.  Muredach  Rot-Hals),  nach  dem  die  Ulaid  (Ulter)  genannt 
sind,  aus  Däl  Fiatach,  dem  Sohne  von  .  .  usw.i)  Er  ging 
aus  seiner  Burg  nach  Nordwesten  und  sah  ein  Weib  auf  sich 
zu  kommen.  Nie  hatte  er  ein  Weib  von  schönerer  Gestalt 
gesehen  als  das  Weib,  das  ihm  begegnete.  Sie  begrüfsten 
sich  gegenseitig.  'Welches  ist  dein  Geschlecht  oder  dein 
Vaterland  oder  dein  Name,  Mädchen?'  sagt  Cruinn.  — 
'Ich  will  es  dir  nicht  verhehlen',  sagte  das  Mädchen.  'Ich 
bin  Macha,  Tochter  von  Bruide,  Sohn  von  Ceite,  Sohn  von 
Cruinniuc  (oder  'Cruinnchu')  .  .  usw.,"^)'  sagte  das  Mädchen. 
'Ich  bin  eine  Zauberin  (Druidin)  und  eine  Kraftbegabte'  sagte 
das  Mädchen.  —  'Bist  du  mit  einem  Manne  ausgestattet, 
Mädchen?'  sagte  Cruinn.  —  'Nein',  sagte  das  Mädchen.  — 
'Willst  du  mit  mir  schlafen?'  sagte  Cruinn.  —  'Wenn  es  mit 
den  (Zauber-)Kräften  meines  Stammes  gestattet  ist',  sagte 
Macha,  Bruides  Tochter.  —  'Gewifs  gestatte  ich  es'  sagte 
Cruinn.  Cruinn  nimmt  das  Mädchen  mit  sich  nach  Haus, 
und  sie  schlief  diese  Nacht  in  seinem  gemeinsamen  Lager. 

Und  sie  war  ein  Jahr  bei  ihm  ohne  Wissen  der  Ulter,  bis 
es  zum  Besuch  der  Festversammlung   der  Ulter  kam.     Ihre 


*)  Der  Stammbaum  ist  eine  Vereinigung  des  Stammbaums  in  LL 
(Windisch  a.  0.  339,  36fif.):  Cruinniuc  mac  Agnomain  m.  Curir-Ulad  m. 
Fiatach  m.  XJrnxi  .  .  Curir-Ulad  is  de  do'gainnter  Ulaid  mit  einer  von 
unserer  Geschichte  unabhängigen  Genealogie,  die  sich  z.  B.  Rawl.  502, 
S.  161c  37 if.  findet:  .  .  m.  Ogamuin  m.  Fiachach  Fir-Umai  m.  Daire 
m.  Dlutliaich  m.  Deitsin  m.  Echdach  m.  Sin  .  .  Man  bemerke  namentlich 
die  Verschmelzung  von  Fiatach  m.  Umti  und  Fiachach  Fir-Umai  zu 
Fiathach  m.  Firuirme.  Ob » die  Gleichstellung  _des  Eponymen  der  Ulter 
mit  Muredach  Muinderg,  einem  irischen  Oberkönig  aus  Däl  Fiatach 
(Rawl.  ^02,  S.  156  b  32) ,  nur  ein  Einfall  unseres  Verfassers  oder  älter  ist, 
bleibe  dahingestellt. 

')  Mit  Nechtain  schwenkt  dieser  Stammbaum  in  den  der  Tuatha  De 
Danann  ein,  wie  er  im  Lebor  Gabala  aufgestellt  ist;  vgl.  LL  10a  16:  Cacher 
T  Nechtain  da  mae  Namat  m  Echach  Gairh  m.  Duach  Themen  m.  ßressi 
(Breis  B)  m.  Delbceith  m.  Neit  und  ib.  2 :  Neit  m.  Indui  m.  Allui  m.  Thait 
m.  Thabuim,  ferner  9  a  29 :  Breas  mac  Eladan. 


254    R.  THÜRNEYSEN,  TOCHMARC  CRÜINN  OCUS  MACHA. 

Pferde  liefen  zur  Wette  und  ihre  Knaben.  'Die  sind  gar  nicht 
zu  loben',  sagt  Cruinn;  'icli  habe  eine  schwangere  Frau,  die 
würde  die  Pferde  und  die  Knaben  hinter  sich  lassen'.  Conchobor 
verdrols  diese  Rede,  die  Cruinn  tat.  -Bringe  die  Frau  mit 
dir!'  sagte  Conchobor. —  'Ich  werde  sie  nicht  bringen',  sagte 
Cruinn.  —  'Du  mufst  sie  bringen  oder  deinen  Kopf  [verlieren]', 
sagte  Conchobor.  Cruinn  ging  nach  Hause  und  erstattete 
Macha  diesen  Bericht.  Das  verdrols  Macha  und  sie  geht  mit 
ihm  nach  Eraain  Macha.  '. . .  mir,  Conchobor',  sagte  Macha; 
'wenn  du  es  tust,  wird  es  dich  und  deinen  Samen  immer 
reuen'.  Sie  sprang  mit  den  Pferden  um  die  Wette  und  liefs 
sie  hinter  sich.  'Nachdem  ich  die  Pferde  hinter  mir  gelassen 
habe',  sagte  Macha,  'hinterlasse  ich  den  ces  naiden  auf  den 
Ultern  für  immer.'  Macha  gebiert  zwei  [Kinder]  in  einer 
Geburt.    Macha  starb  dort  von  dem  Lauf. 

So  weit  das  Freien  von  Cruinn  und  Macha. 

Bonn,  Oktober  1917.  R.  Thürneysen. 


NEUIR.  GÄL.  NIATA. 


Wenn  in  altirischer  Zeit  bei  Synkope  zwei  Spiranten 
zusammenstiefsen,  von  denen  mindestens  einer  stimmlos  war, 
entstand  da  ein  stimmloser  oder  ein  stimmhafter  Verschlufslaut? 
Darüber  gehen  Pedersens  und  meine  Ansicht  auseinander  (vgl. 
Idg.  Forsch.  XXVII,  Anzeiger  S.  16).  Pedersen  I  418  sieht  in 
neuir.  cloigeann  'Schädel'  (schon  mittelir.  Gen.  cloicgne  TBC, 
ed.  Windisch  798)  aus  *cloch'chenn  mit  g  aus  chch  die  regel- 
mälsige  Entwicklung,  ich  (Handb.  §  134)  in  neuir.  ^rdcmVe 
'Barmherzigkeit'  aus  *tröy'chaire,  mit  k  aus  ych.  Die  Richtig- 
keit meiner  Annahme  erweist  wohl  gäl.  niata  'courageous', 
neuir.  niata,  niadhia,  neata  'strong,  fierce,  intent,  morose  (of 
looks)'  aus  *niath'da  zu  altir.  nta,  G.  niad  'Held',  also  mit 
t  aus  thö.  Eine  analogische  Umgestaltung  des  isolierten  Ad- 
jektivs ist  nicht  anzunehmen. 

R.  Thürneysen. 


DER  PRIESTER-MORDER. 


Im  Jahre  1909  veröffentlichte  Douglas  Hyde  unter  dem 
Titel  Sgealuidhe  fior  na  seachtmhaine  (Gill  &  Son,  Dublin) 
eine  in  der  irischen  Volksüberlieferung  einzig  dastehende 
Reihe  von  sieben  Erzählungen,  die  nach  Art  der  orientalischen 
Rahmenerzählungen  zu  einem  Ganzen  zusammengefalst  sind 
und  zwar  so,  dafs  auf  jeden  Tag  der  Woche  eine  Geschichte 
entfällt. 

Um  so  wichtiger  wäre  es  gewesen,  dals  der  Herausgeber 
die  sieben  Geschichten,  genau  so,  wie  er  sie  von  Phroinsias 
'0  Conchubhair  im  Armenhause  zu  Athlone  vernommen,  der 
Öffentlichkeit  vorgelegt  hätte.  Leider  aber  hat  der  Heraus- 
geber von  neuirischen  Texten  sehr  vorsichtig  vorzugehen,  da 
diese  vorwiegend  zur  Lektüre  der  Jugend  bestimmt  sind  und 
es  ängstlich  vermieden  werden  mufs,  irgendwelche  Dinge  zu 
veröffentlichen,  die  allenfalls  einen  Widerstand  der  Geistlich- 
keit hervorrufen  könnten,  da  ein  solcher  für  die  Bestrebungen 
zur  Wiederbelebung  der  nationalen  Sprache  äulserst  ver- 
hängnisvoll werden  könnte. 

Daher  dürfen  wir  es  dem  verdienten  Herausgeber  nicht 
übel  nehmen,  dafs  er  die  siebente  Geschichte  entfernt  hat  und 
dafür  an  zweiter  Stelle  die  anderwärts  von  ihm  aufgezeichnete 
Geschichte  vom  Gobdn  Saor  eingeschoben  hat.  Dr.  Hyde  hat 
mir  auch  persönlich  seine  Überzeugung  ausg"esproclien ,  dafs 
die  von  ihm  entfernte  Geschichte  ursprünglich  nicht  zur 
Originalreihe  gehört  habe;  welche  Geschichte  aber  ehedem 
an  ihrer  Stelle  stand,  können  wir  natürlich  heute  nicht  mehr 
feststellen. 

Um  aber  den  Märchenforschern  Gelegenheit  'zu  geben, 
die  Rahmenerzählung  in  ihrer  vollen  Ursprünglichkeit  kennen 


256  JULIUS   POKORNY, 

ZU  lernen,  war  Dr.  Hyde  so  gütig,  mir  seine  Aufzeichnungen 
zu  überlassen,  aus  denen  ich  nun  den  irischen  Text  der  aus- 
gelassenen Erzählung  genau  wie  er  aus  dem  Munde  des 
Erzählers  flofs,  wiedergebe  und  eine  Übersetzung  samt  einigen 
sprachlichen  Bemerkungen  hinzufüge. 

Dr.  Hydes  Text  habe  ich  genau  nach  der  Handschrift 
abgedruckt,  nur  in  den  Worten  nö,  tu,  Uirigh  habe  ich  das 
Längezeichen  stillschweigend  ergänzt,  da  es  nach  seinen 
eigenen  Angaben  von  ihm  in  diesen  drei  Fällen  nur  aus 
Bequemlichkeit  weggelassen  worden  war. 

Text. 

1.  Insan  t-shean-aimsir,  nuair  bhi  m'athair  mör  'na 
bhuachaill  bheag,  bhi  länamhain  phosta  'na  gcomhnuidhe 
a  n-aice  le  h-Äth-cinn.  Sean  do  bhi  ar  an  bhfear  agus  Mäire 
do  bhi  ar  an  mnaoi.  Bhi  siad  bliadhain  agus  fiche  pösta  agus 
nl  raibh  aon  chlann  aca.  Bhiodh  siad  ag  troid  le  cheile  go 
minie  mar  gheall  air  sin. 

2.  Aon  oidhche  amhäin,  nuair  bhiodar  ag  clampar  mar 
ba  ghnäth  leo,  shiubhal  fear  mör  agus  cöta  mör  dubh  air, 
isteach  chuca,  agus  d'fhiafruigh,  cad  e  an  t-adhbhar  a  rabhadar 
ag  troid  agus  ag  clampar  mar  sin. 

"Innis  dam  e  agus  b'[fh]eidir  go  bhfeadfainn  a  shocrug- 
hadh"  ars  an  fear  mör. 

"Nl  feidir  leat"  arsa  Sean. 

"Bionn  se  do  mo  bhualadh  agus  do  mo  mhaslughadh 
maidin  agus  trathnöna,  lä  agus  oidhche,  nuair  nach  bhfuil 
dann  agam",  arsa  Mäire. 

"B'[fh]eidir  go  bhfuil  se  nios  fearr  gan  dann  ar  bith", 
arsa  fear  an  chöta  dhuibh,  "acht  beidh  dann  agaibh  fös". 

"Ni'l  do  mhagadh  ag  teastäil  uainn",  arsa  Sean,  "agus 
anois,  cia  thü  fein  nö  cad  do  thug  annso  thii"? 

"Is  cuma  dhuit-se"  ars  an  fear  mör,  "acht  geallaim  duit 
go  mbeidh  mac  ög  ag  do  mhnaoi  seacht  mi  ö'n  oidhche  anocht, 
agus  deirira  rud  eile  leat  —  bheadh  dann  mhac  agus  inghean 
agad  bliadhanta  roimhe  seo  muna  mbeidh  do  shagart  parräiste. 
Nac[h]  cuimhne  leat  an  chead-am  thäiiiig  se  ag  iarraidh  coirce 
ort?  Nl  raibh  tu  acht  mi  pösta  an  uair  sin.  Thairg  tu  dhä 
stüca  dhö,  acht  ni  ghlacfadh  se  uait  e.    Ni  thiubh'rthä-sa 


DER   PRIESTER -MÖRDER.  257 

nios  mo  'na  sin  do,  agus  d'iißüiigli  se  uait  go  iieaigach, 
agus  dubhairt  "beidh  do  bhean  mi  -  thorthamhail  fad  mo 
bheatha-sa". 

Tä  cogar  cluaise  agam  le  li-innseacht  duit;  tarri)  amacli 
tamall  beag  annso!" 

3.  Chuaidli  Seän  amach,  agus  dubhairt  fear  an  chota 
dhuibh  leis: 

"Tä  fliios  agad  go  ndearna  an  sagart  sin  eagcoir  mhor 
ort,  agus  b'[fh]eidir  go  mbudh  mhaitli  leat  sasadli  do  bhaint  as." 

"Dar  m'anam,  budh  mhaith  liom,  da  bhfeudfainn  sin  a 
dheanamh  i  ngan- fliios  do  na  daoinibh." 

"Bhearfaidh  mise  slighe  dhuit  le  säsadh  iomlän  do  bhaint 
as,  ma  ghlacann  tu  mo  cliömhairle-se,  agus  ni  bheidh  fhios  ag 
aon  duine  beö  air,  acht  agad -so  agus  agam-sa.  Acht  sul  mä 
n-innsighim  an  t-shlighe  sin  duit,  caithfidh  tu  mionna  thabhairt 
go  nglacfaidh  tu  mo  chomhairle  agus  go  gcongbhöchaidh  tu 
mo  rün." 

"Bhearfad  an  mionna",  arsa  Seän. 

Tharraing  fear  an  chota  dhuibh  biobla  amach,  agus 
dubhairt: 

"Mionnaigh  ar  an  leabhar  so,  agus  abair  na  focla  so  mo 
dhiaidh  mar  deirim  leat-sa  iad. 

"Abair  leat",  arsa  Seän. 

"Glac  an  leabhar",  arsa  fear  au  chota  dhuibh,  agus  abair: 
"Mionnaighim  ar  an  leabhar  so  —  i  lätliair  De  —  go  nglacfad 
cömhairle  —  Üdäis  ata  i  läthair  —  le  säsadh  do  bhaint  —  as  mo 
shagart  parräiste  —  faoi  an  eagcoir  do  rinne  se  orm  —  i  dtosach 
mo  shaoghail  phosta." 

Dubhairt  Seän  na  focla  sin  'na  dhiaidh  agus  annsin  phog 
se  an  leabhar. 

4.  "Anois",  arsa  Üdäs  "seo  dhuit  mo  sgian  nimhe,  agus 
teirigh  ar  maidin  amärach  go  tigh  an  t-saga^i't  agus  abair 
leis  gur  thuit  tu  i  dtom(?)  peacaidh'^)  mharbhtha,  agus  nach 
dtig   leat    aon    t-shuaimhneas    fhäghail   in   do   choinsias   go 


»)  Mir  ist  nur  die  einsilbige  Form  tar  bekannt;  es  kommt  aber  ein 
zweisilbiges  tarra  vor;  um  dieses  dürfte  es  sich  handeln.    Lies  daher:  tarr'. 

'^)  Ich  schlage  vor  zu  lesen:  i  dtrom-peacadh  „schwere  Sünde" ;  dasjp 
wird  oft  nach  m  nicht  aspiriert.  Dann  ist  natürlich  auch  marbhtha  zu  lesen. 
Zeitschrift  f.  celt.  Philologie  Xu,  1.  17 


258  .JULIUS   POKORNT, 

ndeanaidh  se  d'fhaoisidin.  Bhearfaidh  se  annsin  thü  go  h-äit 
uaigneach  faoi  sgäil  na  gerann  mör  ata  ag  bun  a  ghäirdin. 
Nuair  bheas  tu  ar  do  ghlünaibh  tarraing  amacli  an  sgian 
nimhe  agus  tabhair  sathadh  laidir  dho.  Tuitiidh  se  marbh 
agus  ni  bheidh  eölas  ag  aon  duine  cia  mliarbh  e.  Ni  thagann 
braon  fola  as  lorg  sgine  nimhe". 

"Nl  maith  liom  an  sagart  do  mharbhadh"  arsa  Seän, 
"agus  ni  mharbhochad  e.  Tä  aithreachas  mor  orm,  go  dtug 
m6  mo  mhionna  agus  sgaoil  me  uaidh." 

"Ni  thig  liom  do  sgaoileadh,  mar  tä  gacli  uile  fhocal  do 
mhionnaigh  tu,  sgriobhtha  insan  leabliar  agus  ni  fheudfadh 
an  meid  sagart  easbog  agus  cleire  ata  'san  dorahan  do  sgaoi- 
leadh anois.  Mar  sin  de,  dean  an  obair,  nö  bainfidh  mise 
säsadh  asat-sa." 

Bhi  faitchios  mor  ar  Sheän  roinih  fhear  an  chota  dhuibh. 
D'iarr  se  a  eiteach,  acht  nior  fhead  se.  Nior  thäinig  na  focla 
thar  a  bheal,  agus  nuair  budh  mhian  leis  "ni  dheaufad"  do  rädh, 
'se  dubhairt  s6  "deanfad  an  obair".  D'imthigh  fear  an  chota 
dhuibh  uaidh  annsin  agus  chuaidh  seisean  ar  ais  chum  an  tighe. 

5.  Dubhairt  Maire  leis,  nuair  thäinig  se  ar  ais: 
"Shaoil  me  gur  chum  an  bhaile  mhöir  do  bhi  tu  imthighthe. 

Ära,  cad  do  chongbhaigh  amuigh  annsin  tLü  ag  comhrädh  leis 
an  leath-amadän  sin?" 

"Ni  leath-amadän  e,  acht  fear  firiuneach",  arsa  Seän, 
"fear  a  bhfuil  eölas  mör  aige",  ar  se. 

"'Seadh,  eölas  mör  ar  mhagadh",  arsa  Maire. 

"Bi  'do  thost,  nö  bainfidh  mise  an  teanga  asad",  arsa 
Seän.  Thug  si  freagradh  eigin  air  när  thuig  Seän,  acht  is 
gnäthach  le  bean  an  focal  deireannach  do  bheith  aici. 

6.  Ar  maidin  lä  ar  n-a  mhärach,  chuaidh  Seän  go  teach 
an  t-sagairt.  Chömhnuigh  an  sagart  so  i  dteach  mör  imeasg 
crann,  agus  ni  raibh  aon  teach  eile  ann  i  bhfoigseacht 
ceathramhadh  mhile  dhö.  Ni  raibh  istigh  i  dtigh  an  t-sagairt 
acht  buachaill  aimsire  agus  a  mhäthair  fein  do  blii  ag  deanamh 
tioghbhais  dö.  Nuair  thäinig  Seän,  bhi  an  sagart  amuigh  leis 
fein  ag  bun  a  gharrdha,  faoi  sgäile  na  gerann,  agus  e  ag 
leigheadh  i  leabhair  urnaighthe. 

"Go  mbeannaighidh  Dia  d[h]uit"  arsa  Seän. 


DER   PRIESTER -MÖRDER.  259 

•'Go  mbeannaigliidli  Dia  agus  Muire  dhuit",  arsa  an  sagart. 
"Cad  do  thug  annso  t[li]ü?" 

"  Tä  trom-ualach  de  pheacadh  marbhtha  ar  m'anam  boclit 
agus  thäinig  nie  le  faoisidin  do  dheanamh  leat,  mä  's  e  do  thoil  e." 

Chuir  an  sagart  a  ghleus  beannaighthe  faoi  n-a  mhuineal 
agus  chuaidh  Sean  ar  a  ghlünaibh  'na  läthair. 

"  Tnnis  dam  anois  do  pheacaidli",i)  ars  an  sagart,  ag  seasamli 
OS  a  chionn,  acht  sul  mä  r'  fheud  se  aon  fhocal  eile  do  rädh, 
thug  Seän  säthadh  de'n  sgin  nimhe  dhö.  Leig  an  sagart  gäir 
mhör  as  agus  thuit  se  marbh. 

7.  Bhi  mäthair  an  t-sagairt  go  direach  ag  flUeadh  ö'n 
m'baile  mör  an  uair  sin,  Chualaidh  si  an  ghair  agus  rith  si 
amach.  Rith  si  go  töin  an  ghäirdin.  Chonnaic  si  an  sagart 
marbh.    Chonnaic  si  Seän  agus  an  sgian  nimhe  in-a  läimh. 

"Tä  mo  mhac  marbh  agad",  ar  sise,  "acht  crochfaidh 
mise  thü  chomh  cinnte  agus  tä  an  sgian  sin  in  do  läimh." 

"Duine  marbh,  ni  thugann  se  fiadhnaise  (finneidli)  uaidh", 
arsa  Seän,  agus  leis  sin  thug  se  säthadh  eile  do'n  mhäthair 
agus  thuit  sise  marbh.  Annsin  chuir  se  an  sgian  i  nglaic  an 
t-sagairt  agus  d'fhäisg  se  na  meara  thimchioll  uirri,  'san  gcaoi 
go  saoilfeadh  na  daoine  gur  mharbh  an  sagart  a  mhäthair  i 
dtosach,  agus  gur  mharbh  se  e  fein  'na  dhiaidh  sin.  Thug 
se  do  na  boinn^)  annsin  ag  dul  abhaile. 

8.  Lean  se  böthairin  uaigneach  a  raibh  sean-sgeathacha 
mora  ar  gach  taoibh  de.  Nuair  bhi  se  dul  sios  an  böthairin 
seo  thäinig  fear  an  chöta  dhuibh  amach  o  bhun  sean-sgeiche 
agus  dubhairt  le  Seän: 

"Rinne  tu  an  obair  go  maith  nuair  mharbh  tu  an  bheirt". 
D'fheuch  Seän  ar  an  bhfear  mör  agus  thug  se  faoi  deara 
nach  cosa  acht  crüba  do  bhi  faoi,  go  raibh  a  eadan  chomh 
dubh  le  töin  phota,  agus  go  raibh  a  dhä  shüil  ar  lasadh  mar 
dhä  splanca  teineadh.  Thäinig  crith  air  le  teann  faitcliis 
agus  dubhairt  se:  "Cia  thü  fein?" 

"Is  ball  de'n  diabhal  me",  arsan  fear  mör,  "is  fada  atä 
se  ag  brath  ort-sa,   acht  tä  tu  aige  anois.    Bhearfaidh  me 


^)  Lies:  pheacadh. 

')  boinn  ist  offenbar  der  gesprochene  Dativ  Plur.  von  bonn  „Sohle". 

17* 


2ß0  .lULTÜS    POKORNY, 

späs  la  agus  bliadhain  duit  anois,  agus  ni  fheicfidh  tu  me 
ans  go  mbeidh  an  re  sin  caithte,  Seo  dhuit  sporän  oir.  Thi? 
leat  bheith  ar  meisge  gacli  uile  oidhche  anois.  Tabhair  neart 
le  n-öl  do  na  fir  6ga  ag^iis  cuir  ar  meisge  iad  cliomh  minie 
agus  is  maith  leat." 

Leis  sin  chuaidh  se  isteach  faoi  bliun  na  sgeiche  aris. 

9.  Chuaidh  Seän  abhaile  agus  croidhe  trom  aige.  D'fhia- 
fhruigh  an  bhean  de  cä  raibh  se. 

"Nach  cuma  dhuit-se",  ar  seisean.  "Tabhair  aire  do 
d'chuid  gnaithe  (gnodh)  fein  agus  na  bac  iiom-sa,  nö  bhear- 
faidh  me  dhuit  an  rud  a  thug  an  tincear  do'n  asal  —  bualadh 
maith." 

Leis  sin  thog  s6  a  lämh  le  dorn  do  bhualadh  uirri,  acht 
bhi  sise  r6idh  dhö  agus  bhuail  si  e  le  lüb  an  phota  idir  an 
da  shüil  agus  shin  si  ar  an  urldr  ^.  D'eirigh  seisean,  fuair 
greim  ar  an  teangais^)  agus  bhiodar,  gach  'ar  le  buille,  go 
raibh  an  cisteannach  dearg  le  n-a  gcuid  fola.  Acht  insan 
deiveadh  do  bhain  an  fear  an  t- shüil  as  an  mnaoi  le  burr  an 
teangais  agus  c[h]uir  si  sin  crfoch  leis  an  troid.  Bhi  an  bhean 
dall  agus  leath-mharbh  leis  an  m^ad  fola  do  chaill  si,  agus 
bhi  Seän  go  h-an-dona  i  ndiaidh  na  mbuilK  do  fuair  s6  ö'n 
lüb,  agus  bhi  a  cheann  agus  a  leithcinn  gearrtlia  go  mör. 

D'fhag  se  an  bhean  annsin  agus  d'imthigh  se  fein  leis  go 
dtf  an  baile  mör.  Thosaigh  se  ag  öl  annsin  agus  nlor  bh' 
fada  go  raibh  dream  dena  buachaillibh  'na  thimchioll,  agus 
e  ag  tabhairt  le  n-61  doibh. 

10.  Nuair  thäinig  an  buachaill  aimsire  abhaile  an  träthnöna 
sin  go  tigh  an  t-sagairt  ni  raibh  aon  duine  insan  tigh  roimhe. 
Shaoil  s^  nach  dtainig  mathair  an  t-sagairt  ar  ais  6'u  mbaile 
m6r  fös  agus  go  raibh  an  sagart  ait  eigin  ar  cuairt.  Chuaidh 
se  amach  an  cül-dorus  agus  sios  an  casdn  go  bun  an  gharrdha. 
Chonnaic  s6  an  sagart  agus  a  mhiUhair  sinte  marbh  annsin 
agus  sgian  i  Idimh  an  t-sagairt.  Rith  se  amach  ag  glaodach 
chomh  h-ärd  agus  d'fheud  se  ar  na  comharsannaibh  agus 
nior  bh'  fada  go  raibh  an  dit  lau  de  dhaoinibh.  Cuireadh 
fios  ar  ghiuistis^)  agus  thäinig  s^  le  n-a  chuid  fear.    Budh 

')  Lies:   dteangais. 

*)  Wegen  der  unten  vorkommenden  Formen  ist  iuisiis  zu  lesen. 


DER   PRIESTER -MÖRDER.  '  261 

i  tuairim  na  ndaoine  go  mbudh  6   an  buachaill  aimsire  do 
mharbh  an  sagart.    Gabhadh  6  agiis  seöladh  chum  priosüin  i. 

11.  Chuaidh  bean  cömharsan  go  teach  Shedin  leis  an 
nuaidheacht  d'innseacht,  acht  nuair  clionnaic  si  Maire  gan  süil 
ina  ceann  agus  an  t-urldr  dearg  le  fuil,  chuir  sl  liügh  agus 
beic  aisti.  Chruinnigh  na  cömharsanna  agus  nior  bh'  fada 
go  dtäinig  an  iuistis  agus  a  chuid  fear  leis.  D'  innis  an  bhean 
döibh  gach  nidli  do  thuit  amach  agus  an  cliaoi  ar'  bhain  Sedn 
na  süile  aisti.  Chuir  an  iuistis  fir  ar  thöir  agus  gabhadh  6  7 
cuireadh  e  chum  priosüin  i  n-^infheacht  le  buachaill  an 
t-shagairt. 

12.  I  gceann  tri  Id  tugadh  lad  i  läthair  an  iuistis  arfs. 
Ni  raibh  aon  fhiadhnuise  a  n-aghaidh  Sheäin  acht  Mäire 
agus  ni  raibh  fiadhnuise  ar  bith  i  n-aghaidh  an  bhuachaill 
aimsire.  Shaoil  an  iuistis  agus  na  fir  dlighe  go  mbudh  6  an 
sagart  f^in  do- rinne  an  choir  agus  sgaoileadh  amach  an 
buachaill  aimsire,  acht  fuair  Sedn  s4  mi  i  bprlosün. 

13.  An  Id  thainig  Sedn  amach  ö'n  bprlosün  bhl  mac  ög 
ag  Mdire,  acht  mo  bhrön!  Bhl  lorg  sglne  nimhe  ar  a  chldr- 
^adain.  Nuair  chonnaic  Sedn  e  chaill  s^  a  chiall,  rith  se  amach 
as  an  tigh  agus  d'imthigh  s^  le  mire  tre  na  bailteachaibh  ag 
glaodhach: 

„Td  mac  ag  mo  mhnaoi  dhaill  agus  lorg  sglne  nimhe  ar 
chldr  a  eadain." 

B'  fhlor  dhö  sin  agus  nl  h-^  amhdin  go  raibh  an  lorg 
sin  ar  chldr- eadain  an  naoidheandin.  Acht  bhl  crüba  cam- 
roilig  air  mar  bhi  ar  fhear  an  chöta  dhuibh. 

14.  Nuair  d'  innis  Sedn  a  sgdal  insna  bailteachaibh 
chuaidh  s^  go  dtl  an  baile  mör  agus  nlor  bh'  fada.go  raibh 
si  dall  ar  meisge.  Chruinnigh  na  buachailll  'na  thimchioll 
agus  thosaigheadar  ag  61.  Nlor  bh'  fada  aihisin  go  raibh 
Sedn  ar  mire  leis  an  m^ad  do  bhl  ölta  aige  agus  leig  s6  an 
rün  amach  gur  bh'6  f^in  do  mharbh  an  sagart  agus  a 
mhdthair. 

Gabhadh  6  an  dara  h-uair  agus  nuair  tugadh  e  i  Idthair 
an  bhreithimh,  shaoil  se  an  nidh  do  cheilt  agus  mar  nach 
raibh  aon  fhiadhnaise  Ididii'  'na  aghaidh.  shaoil  an  breitheamh 


262  JULIUS    POKORNY, 

a  sgaoileadh  amach  aris,  niiair  thdinig  guth  ag  rddh:  „Föil! 
föil!^)    Td  se  cionntach,  td  an  fhiadnaise  ag  teacht". 

Bhi  fuinneög  na  ciiirte  nr  fhosgailt  agus  tluiinig  flach 
dubh  ag  eitill  isteach  uiiri.  Shuidh  an  flach  ar  druim 
chathaoire  agus  ar  an  möimid  choniiaic  gach  duine  do  bhi 
insan  gcüirt  go  raibh  an  sagart  marbh  agus  a  rahdthair  'na 
seasamh  annsin  ar  gach  taoibh  de'n  fhiach  dubh. 

Chonnaic  Sedn  iad  agus  chuir  s6  sgread  as: 

"Ora.  a  bhreithimh,  td  me  cionntach,  is  mise  do  mharbh 
iad!" 

"Cad  fdth  mharbhais  iadV"    arsan  breitheamh. 

"Mharbh  m^  iad  le  sgin  nimhe  do  thug  Üdds  ball  de'n 
diabhal  dam  agus  ta  lorg  na  sgine  ceadna  ar  chldr-^adan  mo 
mhic  'san  mbaile  indiu. 

15.  Tugadh  breitheamhnas  bdis  ar  Shedn  annsin  agus 
nuair  rinneadh  sin,  chuaidh  an  flach  dubh  amach  aris  ar  an 
bhfuinneoig  ag  eitill  agus  d'  imthig  an  sagart  agus  a  mhathair 
as  amharc. 

16.  I  gceann  tamaill  'na  dhiaidh  sin  crochadh  Sedn  agus 
nior  bh'  fada  go  bhfuair  Mdire  agus  an  naoidheandn  crü- 
bach  bds. 

Acht  td  an  triiir  aca  le  feicedl  gach  uile  oidhche  fös,  ar 
uair  an  mheadhon- oidhche  insan  t-shean-roilig  mhaoil  inar' 
c[h]uireadh  iad. 

Sin  deireadh  le  mo  sg^al  anois,  agus  ma  leigeann  an 
chuideachta  onörach  so  dham,  b^idh  sg^al  eile  agam  döibh 
oidhche  amdrach. 

Übersetzung. 

1.  In  der  alten  Zeit,  als  mein  Grofsvater  ein  kleiner 
Knabe  war,  lebte  in  der  Nähe  von  Headford^)  ein  Ehepaar. 
Hans  hiefs  der  Mann,  die  Frau  Marie.  Einundzwanzig  Jahre 
lang  waren  sie  verheiratet  und  hatten  keine  Kinder.  Oft 
pflegten  sie  deswegen  miteinander  zu  streiten. 


^)  Sonst  immer  föill;  wohl  auch  hier  so  zu  lesen. 
'^)  Ein  kleiner  Ort  unweit  des  Ostufers  des  Lough  Corrib  in  der  Graf- 
schaft Galway,  westlich  von  Tuam. 


DER  PBIESTER- MÖRDER.  .        263 

2.  Eines  Abends,  als  sie  sich  wie  gewöhnlich  untereinander 
zankten,  trat  ein  grofser  Mann  in  langem,  schwarzem  ßocke 
herein  und  fragte,  weshalb  sie  derartig  miteinander  stritten 
und  sich  zankten. 

„Sage  es  mir,  und  vielleicht  kann  ich  den  Streit  schlichten", 
sprach  der  grofse  Mann. 

„Du  kannst  es  nicht",  entgegnete  Hans. 

„Er  schlägt  und  beschimpft  mich  früh  und  abend,  Tag 
und  Nacht,  weil  ich  keine  Kinder  habe",  sagte  Marie. 

„Vielleicht  ist  es  viel  besser,  keine  Kinder  zu  haben", 
meinte  der  Mann  im  schwarzen  Rocke,  „aber  ihr  werdet  noch 
Nachkommenschaft  bekommen". 

;,Deinen  Spott  brauchen  wir  nicht",  sagte  Hans,  „und 
übrigens,  wer  bist  du  denn  oder  was  hat  dich  her- 
gebracht ?  " 

„Das  kümmert  dich  nichts",  entgegnete  der  grofse  Mann, 
„aber  ich  verspreche  dir,  dals  deine  Frau  sieben  Monate  nach 
dem  heutigen  Abend  ein  Knäblein  zur  Welt  bringen  wird 
und  ich  sage  dir  noch  etwas  anderes:  Du  würdest  schon  vor 
Jahren  Söhne  und  Töchter  gehabt  haben,  wenn  dein  Pfarr- 
priester nicht  gewesen  wäre.  Erinnerst  du  dich  nicht  mehr 
daran,  wie  er  das  erste  Mal  kam,  um  von  dir  Hafer  zu  ver- 
langen? Damals  warst  du  erst  einen  Monat  verheiratet.  Du 
botest  ihm  zwei  Garben  an,  aber  er  wollte  sie  von  dir  nicht 
nehmen.  Mehr  als  das  würdest  du  ihm  nicht  gegeben  haben 
und  er  ging  zornig  von  dir  und  sagte:  „Solange  ich  lebe,  wird 
dein  Weib  unfruchtbar  bleiben." 

Ich  muls  dir  heimlich  etwas  zuflüstern;  komm  hier  auf 
ein  Weilchen  hinaus!" 

3.  Hans  ging  hinaus,  und  der  Mann  im  schwarzen  Rocke 
sprach  zu  ihm: 

„Du  weifst,  dafs- jener  Priester  dir  ein  grolses  Unrecht 
angetan  hat  und  du  hast  möglicherweise  Lust,  dich  an  ihm 
zu  rächen." 

„Meiner  Seele,  ich  täte  es  gerne,  wenn  ich  es  ohne  Wissen 
der  Leute  tun  könnte." 

„Ich  werde  dir  einen  Weg  weisen,  um  volle  Genugtuung 
von  ihm  zu  erlangen,  wenn  du  meinen  Rat  befolgst  und  kein 


264  JULIUS   POKORNY, 

lebender  Mensch  wird  davon  wissen,  dich  und  mich  aus- 
genommen. Aber  bevor  icli  dir  jenen  Weg  weise,  mulst  du 
schwören,  dafs  du  meinem  Rate  folgen  und  mein  Geheimnis 
bewahren  wirst,*' 

„Ich  werde  den  Eid  leisten'*,  sagte  Hans. 

Der  Mann  im  schwarzen  Rocke  zog  eine  Bibel  hervor 
und  sprach: 

„Schwöre  auf  dieses  Buch  und  sprich  mir  die  Worte  nach 
wie  ich  sie  dir  vorsage.*' 

„Sprich  nur  zu",  sagte  Hans. 

„Nimm  das  Buch"',  sagte  der  Manu  im  schwarzen  Rocke, 
und  sprich:  „Ich  schwöre  bei  diesem  Buche  —  im  Angesichte 
Gottes  —  dals  ich  den  Rat  des  Judas,  der  hiei'  anwesend  ist, 
befolgen  werde,  —  um  mich  zu  rächen  —  an  meinem  Pfarr- 
priester —  des  Unrechts  wegen,  das  er  mir  angetan  —  am 
Beginne  meines  ehelichen  Lebens." 

Hans  sprach  jene  Worte  nach  und  küfste  hierauf 
das  Buch. 

4.  „Jetzt^,  sagte  Judas,  „nimm  hier  mein  vergiftetes 
Messer  und  gehe  morgen  früh  zum  Hause  des  Priesters  und 
sage  ihm,  dafs  du  in  eine  schwere  Todsünde  verfallen  bist 
und  dafs  du  keine  Ruhe  in  deinem  Gewissen  finden  kannst, 
bevor  er  nicht  deine  Beichte  entgegengenommen  habe.  Dann 
wird  er  dich  zu  einem  abgelegenen  Orte  unter  dem  Schatten 
der  grofsen  Bäume  am  Ende  seines  Gärtchens  hinführen. 
Sobald  du  auf  deinen  Knien  liegst,  ziehe  das  vergiftete  Messer 
hervor  und  versetze  ihm  einen  kräftigen  Stofs.  Er  wird  tot 
niederfallen  und  kein  Mensch  wird  wissen,  wer  ihn  getötet 
hat.  Ein  vergiftetes  Messer  läfst  keinen  Blutstropfen  heraus- 
fliefsen." 

„Ich  habe  keine  Lust,  den  Priester  zu  töten",  erwiderte 
Hans,  „und  ich  werde  es  nicht  tun.  Ich  fühle  grofse  Reue, 
dals  ich  den  Eid  geleistet  habe,  und  entbinde  mich  davon!" 

„Ich  kann  dich  nicht  davon  entbinden,  da  ein  jedes  Wort, 
das  du  geschworen  hast,  in  das  Buch  hineingeschrieben  wurde, 
und  alle  Priester,  Bischöfe  und  Geistliche  in  der  Welt  könnten 
dich  jetzt  nicht  davon  entbinden.  Deshalb  tue  dein  Werk, 
oder  ich  werde  mich  an  dir  rächen!" 


DER   PRIESTER -MÖRDER.  265 

Hans  fürchtete  sich  sehr  vor  dem  Manne  im  schwarzen 
Rocke.  Er  versuchte,  ihm  zu  widersprechen,  aber  er  ver- 
mochte es  nicht.  Die  Worte  kamen  nicht  über  seine 
Lippen,  und  als  er  sagen  wollte:  „ich  werde  es  nicht  tun", 
sagte  er:  „ich  werde  das  Werk  vollbringen".  Dann  verliefs 
ihn  der  Mann  im  schwarzen  Rocke  und  er  ging  ins  Haus 
zurück. 

5.  Als  er  zurückkam,  sagte  Marie  zu  ihm: 

„Ich  dachte,  du  wärest  in  die  Stadt  i)  gegangen.  Wahr- 
haftig, was  hat  dich  denn  hier  draulsen  im  Gespräch  mit  dem 
Halbverrückten  so  lange  zurückgehalten?" 

„Er  ist  kein  Halb  verrückter,  sondern  ein  echter  Manu, 
ein  Mann,  der  ein  grofses  Wissen  besitzt." 

„Ja,  ein  grolses  Wissen  im  Verspotten",  erwiderte  Marie. 
„Schweig'  still,  oder  ich  werde  dir  die  Zunge  herausreifsen!" 
rief  Hans.  Sie  antwortete  irgend  etwas,  was  Hans  nicht 
verstand,  aber  eine  Frau  muls  ja  immer  das  letzte  Wort 
haben. 

6.  Am  nächsten  Morgen  ging  Hans  zum  Hause  des 
Priesters.  Dieser  Priester  wohnte  in  einem  grofsen,  von 
Bäumen  umgebenen  Hause,  und  es  befand  sich  im  ÜQikreise 
von  einer  Viertelmeile  kein  anderes  Haus  in  der  Nähe.  Im 
Hause  des  Priesters  lebten  aulser  ihm  nur  ein  Diener  und 
seine  eigene  Mutter,  die  ihm  den  Haushalt  führte.  Als 
Hans  hinkam,  befand  sich  der  Priester  allein  am  Ende  eines 
Gartens  unter  dem  Schatten  der  Bäume  und  las  in  einem 
Gebetbuche. 

„Gott  segne  dich",  sagte  Hans. 

„Gott  und  Maria  mögen  dich  segnen",  erwiderte  der 
Priester. 

„Was  hat  dich  hierher  geführt?"  ^ 

„Die  schwere  Last  einer  Todsünde  liegt  auf  meiner  armen 
Seele,  und  ich  bin  gekommen,  um  dir  zu  beichten,  wenn  du 
es  erlaubst." 


')  Gemeint  ist  Headford.  baue  mör  kommt  für  sich  allein  nur  einmal 
als  Stadtname  vor,  nämlich  als  Name  der  Stadt  Ballymore  in  der  Graf- 
schaft Westmeath. 


266  JULIUS   POKORNY, 

Der  Priester  legte  seine  geweihte  Stola')  um  den  Hals 
und  Hans  warf  sich  vor  ihm  auf  die  Knie. 

„Erzähle  mir  jetzt  deine  Sünde!"  sagte  der  Priester, 
indem  er  sich  vor  ihn  hinstellte,  aber  bevor  er  noch  ein 
weiteres  Wort  sagen  konnte,  versetzte  ihm  Hans  einen  Stofs 
mit  dem  giftigen  Messer.  Der  Priester  stiefs  einen  lauten 
Schrei  aus  und  fiel  tot  nieder. 

7.  In  diesem  Augenblicke  kam  gerade  die  Mutter  des 
Priesters  aus  der  Stadt  zurück.  Sie  hörte  den  Schrei  und 
lief  hinaus.  Sie  eilte  bis  ans  Ende  des  Gartens,  sah  den 
Priester  tot  daliegen  und  Hans  mit  dem  vergifteten  Messer 
in  der  Hand. 

„Du  hast  meinen  Sohn  getötet",  rief  sie,  „aber  ich  werde 
dich  an  den  Galgen  bringen,  so  wahr  jenes  vergiftete  Messer 
in  deiner  Hand  ist." 

„Ein  Toter  gibt  kein  Zeugnis",  sagte  Hans  und  damit 
versetzte  er  auch  der  Mutter  einen  Stofs,  und  sie  fiel  tot 
nieder.  Hierauf  legte  er  das  Messer  in  die  Hand  des  Priesters 
und  preiste  dessen  Finger  rings  um  dasselbe,  damit  so  die 
Leute  glaubten,  der  Priester  habe  zuerst  seine  Mutter  getötet 
und  dann  sich  selbst  umgebracht.  Dann  machte  er  sich  rasch 
auf  die  Beine,  2)  um  nach  Hause  zu  gehen. 

8.  Er  folgte  einem  einsamen  kleinen  Seitenwege,  zu  dessen 
beiden  Seiten  hohe  alte  Sträucher  wuchsen.  Wie  er  diesen 
Weg  entlang  ging,  kam  der  Mann  im  schwarzen  Eocke  unter 
einem  alten  Strauche  hervor  und  sagte  zn  Hans: 

„Du  hast  deine  Arbeit  gut  vollbracht,  als  du  alle  beide 
umbrachtest!" 

Hans  blickte  den  grofsen  Mann  an  und  bemerkte,  dals 
er  nicht  Füfse,  sondern  Klauen  hatte,  dafs  sein  Angesicht  so 
schwarz  war  wie  der  Boden  eines  Topfes,  und  dafs  seine  Augen 
wie  zwei  Feuerfunken  glühten.  Vor  entsetzlicher  Angst  begann 
er  zu  zittern  und  sagte: 

„Wer  bist  du  eigentlich?" 


1)  Wörtlich:  „sein  geweihtes  Instrument," 

■)  Das   ist   offenbar   die    Bedeutung    des    Idioms   „thug  se  do  na 
boitm". 


DER  PRIESTER -MÖRDER.  267 

„Ich  bin  ein  Glied  des  Teufels",  sprach  der  grofse  Mann. 

„Lange  schon  hat  er  ein  Auge  auf  dich  geworfen,  aber 
jetzt  gehörst  du  ihm.  Ich  werde  dir  jetzt  eine  Frist  von 
einem  Jahr  und  einem  Tag  geben  und  vor  Ablauf  jener  Zeit 
wirst  du  mich  nicht  wieder  sehen.  Da  hast  du  eine  Börse 
voll  Gold.  Du  kannst  dich  jetzt  jede  Nacht  betrinken.  Gib 
den  jungen  Männern  viel  zu  trinken  und  mache  sie  berauscht, 
so  oft  es  dir  gefällt." 

Damit  verschwand  er  wieder  unter  dem  Busche. 

9.  Hans  ging  schweren  Herzens  nach  Hause.  Die  Frau 
fragte  ihn,  wo  er  gewesen  sei. 

„Geht  das  dich  etwas  an?"  erwiderte  er,  „Kümmere  dich 
um  deine  eigene  Arbeit  und  lasse  mich  in  Ruhe,  oder  ich 
werde  dir  das  geben,  was  der  Kesselflicker  dem  Esel  gab  — 
tüchtige  Prügel." 

Damit  hob  er  seine  Hand,  um  sie  mit  der  Faust  zu  schlagen, 
aber  sie  war  darauf  vorbereitet  und  schlug  ihn  mit  dem  Topf- 
haken zwischen  beide  Augen  und  streckte  ihn  zu  Boden.  Er 
erhob  sich,  fafste  die  Feuerzange  i)  und  sie  schlugen  auf- 
einander los,  bis  die  Küche  von  ihrem  Blute  ganz  rot  war. 
Aber  schliefslich  stiefs  der  Mann  der  Frau  mit  dem  Ende  der 
Feuerzange  die  Augen  2)  aus  und  das  machte  dem  Streite 
ein  Ende.  Die  Frau  war  blind  und  durch  den  grofsen  Blut- 
verlust halbtot  und  Hans  befand  sich  infolge  der  Hiebe,  die 
er  mit  dem  Haken  bekommen  hatte,  recht  elend,  und  sein 
Kopf  und  seine  Wangen  s)  waren  tüchtig  zerhauen. 

Er  verliefs  darauf  seine  Frau  und  wanderte  fort  bis  in 
die  Stadt.     Dort  begann  er  zu  trinken  und  es  dauerte  nicht 


^)  Ein  Wort  teangais  finde  ich  nirgends;  es  handelt  »ich  offenbar  um 
eine  Kontamination  von  ir.  tean-chair  „Feuerzange"  und  einem  Lehnwort 
aus  dem  englischen  „tongs".  Für  das  letztere  spricht  auck^  der  unten 
folgende  Genetiv  teangais,  der  zeigt,  dals  das  Wort  indeklinabel  ist. 

*)  an  t-shüil  „das  Auge"  bedeutet  hier  „beide  Augen",  wie  auch 
deutlich  aus  dem  Folgenden  hervorgeht;  wenn  nur  ein  Auge  gemeint  wäre, 
müfste  es  nach  irischem  Sprachgebrauche  leath-shüil  heifsen. 

')  leithcinn  „Wangen",  sg.  leithceann  ist,  wie  die  ebenfalls  in 
N.  Connaught  vorkommende  Form  leicionn  zeigt,  eine  Art  Kontamination 
zwischen  leaca  „Wange"  (gen.  leacan)  und  leath-cheann  oder  leith-cheann 
„eine  Seite  des  Kopfes". 


2ß8  JULIUS   POKORNY, 

lange,   so   war   er   von   einer  Schar  junger  Leute  umgeben, 
denen  er  zu  trinken  gab. 

10.  Als  der  Diener  an  jenem  Nachmittage  ins  Haus  des 
Priesters  heimkehrte,  war  kein  Mensch  im  Hause. 

Er  glaubte,  dafs  die  Mutter  des  Priesters  noch  nicht  aus 
der  Stadt  zurückgekommen  und  dals  der  Priester  irgendwohin 
zu  Besuch  gegangen  sei.  Er  ging  bei  der  Hintertüre  hinaus 
und  schlug  den  Weg  zum  Ende  des  Gartens  ein.  Da  sah  er 
den  Priester  und  dessen  Mutter  tot  hingestreckt  und  das  ver- 
giftete Messer  in  der  Hand  des  Priesters.  Er  lief  hinaus, 
indem  er,  so  laut  er  konnte,  nach  den  Nachbarn  rief,  und  es 
dauerte  nicht  lange,  so  war  der  Ort  voll  von  Menschen.  Man 
schickte  nach  dem  Eichter  und  er  kam  mit  seinen  Leuten. 
Die  Leute  waren  der  Meinung,  dafs  der  Diener  den  Priester 
ermordet  habe.  Er  wurde  festgenommen  und  ins  Gefängnis 
geführt. 

11.  Eine  Nachbarin  kam  zum  Hause  Hansens,  um  die 
Neuigkeit  zu  erzählen,  aber  wie  sie  Marie  ohne  Augen  in 
ihrem  Kopfe  und  den  Boden  rot  von  Blut  sah,  schrie  und 
jammerte  sie  laut.  Die  Nachbarn  versammelten  sich  und  es 
dauerte  nicht  lange,  so  kam  der  Richter  mit  seinen  Leuten. 
Die  Frau  erzählte  ihnen  alles,  was  vorgefallen  war  und 
wie  ihr  Hans  die  Augen  ausgestolsen  hatte.  Der  Richter 
schickte  Leute  zu  seiner  Verfolgung  aus  und  er  wurde  er- 
griffen und  zusammen  mit  dem  Diener  des  Priesters  ins  Ge- 
fängnis gesteckt. 

12.  Nach  drei  Tagen  wurden  sie  dem  Richter  abermals 
vorgeführt.  Gegen  Hans  trat  nur  Marie  als  Zeugin  auf, 
gegen  den  Diener  aber  überhaupt  niemand.  Der  Richter  und 
die  Geschworenen  waren  der  Meinung,  dafs  der  Priester  selbst 
das  Verbrechen  begangen  habe  und  der  Diener  wurde  frei- 
gelassen; Hans  aber  erhielt  sechs  Monate  Gefängnis. 

13.  An  dem  Tage,  an  welchem  Hans  das  Gefängnis  verliefs, 
brachte  Marie  ein  Knäblein  zur  Welt,  aber  oh  weh!  Auf 
seiner  Stirne  trug  es  das  Bild  des  vergifteten  Messers.  Sowie 
Hans  das  sah,  verlor  er  seinen  Verstand,  lief  zum  Hause 
hinaus  und  durcheilte  im  Irrsinn  die  Dörfer,  indem  er  rief: 


DER   PRIESTER- MÖRDER.  200 

„Meine  blinde  Frau  hat  einen  Knaben  zur  Welt  gebracht 
und  er  trägt  das  Bild  des  vergifteten  Messers  auf  der  Stirne." 

Das  stimmte,  aber  das  Kindlein  trug  nicht  nur  jenes  Bild 
auf  der  Stirne,  sondern  hatte  auch  Klumpfüfse,  gerade  so,  wie 
der  Mann  im  schwarzen  Rocke. 

14.  Zur  Zeit,  da  Hans  die  Geschichte  in  den  Dörfern  er- 
zählte, kam  er  bis  in  die  Stadt  und  es  dauerte  nicht  lange, 
so  war  er  schwer  betrunken.  Er  sammelte  die  jungen  Männer 
um  sich  und  sie  begannen  zu  trinken.  Binnen  kurzem  war 
Hans  durch  das  viele  Trinken  in  einen  Zustand  des  Irreseins 
gekommen  und  dabei  liels  er  sich  das  Geheimnis  entschlüpfen, 
dafs  er  selbst  den  Priester  und  dessen  Mutter  getötet  habe. 
Er  wurde  zum  zweiten  Male  ergriffen  und  sobald  er  vor  den 
Richter  geführt  wurde,  gedachte  er  die  Sache  zu  verbergen, 
und  da  kein  gewichtiger  Zeuge  gegen  ihn  auftrat,  wollte  ihn 
der  Richter  abermals  freilassen,  als  eine  Stimme  ertönte: 
„Warte,  warte!   Er  ist  schuldig,  der  Zeuge  kommt  schon!" 

Das  Fenster  des  Gerichtshauses  öffnete  sich  und  ein 
schwarzer  Rabe  flog  herein.  Der  Rabe  setzte  sich  auf  die 
Lehne  eines  Stuhles  und  im  selben  Augenblicke  sah  jeder 
Mensch,  der  im  Gerichtsgebäude  war,  dafs  der  tote  Priester 
und  dessen  Mutter  zu  beiden  Seiten  des  schwarzen  Raben 
standen. 

Hans  sah  sie  und  stiefs  einen  Schrei  aus: 

„Wahrhaftig,  oh  Richter,  ich  bin  schuldig,  ich  habe  sie 
getötet !" 

„Weshalb  hast  du  sie  getötet?"  fragte  der  Richter. 

„Ich  habe  sie  mit  einem  vergifteten  Messer  getötet,  das 
mir  Judas,  ein  Glied  des  Teufels,  gab,  und  das  Bild  des 
gleichen  Messers  ist  heute  auf  der  Stirne  meines  Sohnes 
•daheim." 

15.  Hierauf  wurde  das  Todesurteil  über  Hans  gefällt,  und 
als  das  geschah,  flog  der~schwarze  Rabe  wieder  zum  Fenster 
hinaus  und  der  Priester  und  seine  Mutter  verschwanden, 

16.  Kurze  Zeit  später  wurde  Hans  gehängt  und  bald 
fanden  auch  Marie  und  das  Kindlein  mit  dem  Klumpfüfse 
ihren  Tod. 


270  JULIUS   POKORNT,  DER  PRIESTER -MÖRDER. 

Aber  die  drei  kann  man  noch  jede  Nacht  zur  Mitter- 
nachtsstunde in  dem  alten,  verödeten  Friedhofe  sehen,  in  dem 
sie  beigesetzt  wurden. 

Damit  ist  nun  meine  Geschichte  zu  Ende,  und  wenn  es 
diese  ehrenwerte  Gesellschaft  mir  gestattet,  werde  ich  euch 
morgen  abend  eine  weitere  Geschichte  erzählen. 


In  dem  Büchlein  von  Dr.  Hj'de  hat  man  sich  also  die 
zweite  Geschichte  fortzudenken,  so  dafs  die  dritte  als  die 
zweite,  die  vierte  als  die  dritte  usw.  erscheint,  und  unsere 
Geschichte  ist  an  letzter  Stelle  anzufügen. 

Ebenso  ist  der  Text  auf  S.  82  und  83  dahin  zu  ändern, 
dafs  auf  S.  82  Zeile  1 — 6  von  unten  wegfallen;  auf  S.  83  ist 
sodann  Zeile  11  von  unten  an  Stelle  von  Sheas  an  naoid- 
htamh  ftar  zu  lesen:  D'eingh  fear  eile  und  nach  Zeile  7  von 
unten  ist  einzuschieben: 

Shtus  an  naoidheamh  fear  ann  sin.  „Seadh^,  aduhhairt 
se,  „is  mise.  St  an,  is  mise  do  mharhh  an  sagart  ayus  a  mhd- 
thair  le  syin  nimhe  do  thug  JJdds  hall  de'n  diabhal  dam.  Td 
gach  uüe  fhocal  d'd  ndubhairt  se  mo  thaoibh-se  fior. 

Da  die  eben  angeführten  Veränderungen  in  dem  mir  über- 
sandten Teil  von  Hydes  Manuskript  nicht  enthalten  sind,  habe 
ich  sie,  so  gut  ich  konnte,  aus  Eigenem  gegeben,  indem  ich 
mich  bemüht  habe,  mich  ganz  in  den  Geist  des  Erzählers 
hinein  zu  versetzen.  Es  kann  sich  hier  auch  höchstens  um 
einige  kleine  Verschiedenheiten  im  Ausdrucke  handeln. 

Wien.  Julius  Pokorny. 


ZUR  KELTISCHEN 
LITERATUR  UND  GRAMMATIK. 


1.  Morand  und  sein  sin. 

Zur  Ergänzung  der  Morand-Marerialien,  die  Stokes  IT  III, 
1,  188  ff.  und  ich  oben  11,  56 ff.  herausgegeben  haben,  möchte 
ich  die  Erzählung  in  LL  126  a  30  ff.  zum  Abdruck  bringen,  ob- 
schon  das  Ende  durch  den  Ausfall  des  Blattes  hinter  126  ver- 
loren gegangen  ist.  Sie  ist  von  dem  Redaktor  III  der  Prosa  über 
die  Ermordung  der  freien  Geschlechter  Irlands  (RC  20,  335  ff.) 
benützt  worden,  wie  wörtliche  Anklänge  zeigen.  Aber  auch  in 
II  (oben  11,63  §  12)  mag  die  Vorstellung,  dals  Morand  die 
Rückkehr  von  Feradach  veranlafsi  hat,  auf  ihr  beruhen. 

In  den  Genealogien,  die  die  Nachkommen  Ebers  aufzählen 
und  über  deren  Handschriften  man  K.  Meyer,  Rawlinson  B.  502, 
Introduction  S.  XIII,  und  ZCP  7,  521  vergleiche,  findet  sich 
in  einigen  Handschriften  (Rawl.  502  S.  147  a  51;  B.  von  Bally- 
mote  171  b  6)  hinter  der  Geschichte  von  Noinniu  (Ncenne)  Noi- 
brethach,  der  gleich  nach  seiner  Geburt  neun  Urteile  fällte, 
der  Satz:  is  he  in  tres  mac  ro'labair  {a  n-Ermn)  iarna  gern 
fo  chstöir.  Morann  mac  Moen  7  Äi  mac  Olloman  inna  dö  aili, 
'er  ist  einer  der  drei  Knaben,  die  (in  Irland)  gleich  nach  ihrer 
Geburt  sprachen;  Morand  Moens  Sohn  und  Ai  OUoms  Sohn 
sind  die  beiden  andern'.  Nur  BB.  fügt  hinter  Mprund  mac 
Mcein  ein :  dian  -  ebairt  :  garg  he  tonn  .  fuar  be  gceth  .  solus  be 
coindel.    Das  spielt  auf  die  unten  folgende  Geschichte  an. 

Ihr  Verfasser  hat  sich  die  Aufgabe  gestellt,  diese  drei 
Wunderkinder  vorzuführen.  Die  Geschichte  von  Ai  mac  Ollo- 
man, der  zu  den  Tuatha  De  Danann  gehört,  ist  völlig,  die 
von  Morand  fast  ganz  erhalten,  aber  die  von  Noinniu  Noi- 


272  R.  THÜRNEYSEN. 

brethach  weggefallen.  Mit  der  Morand  -  Geschichte  will  er 
zugleich  eine  Erklärung  geben,  weshalb  JForand  sowohl  der  Sohn 
von  Msen  als  der  Sohn  von  Coirbre  Katzenkopf  genannt  wird. 
Er  kennt  wohl  das  Gedicht:  SöercJ/lamla  Erenn  inU  (oben 
11,  57),  sicher  'Morands  Fürstenspiegel'.  Der  Bote  zu  Feradach 
Find  Fechtnach  (Nere,  der  hier  nicht  genannt  wird)  ist  als 
sein  Sohn  gefafst  wie  im  Kommentar  zu  Amra  ChoUiimb  Cliille,^) 
und  Morand  lebt  noch  unter  Feradach  als  Richter  in  Irland. 
Der  Sprache  nach  ist  die  Geschichte  nicht  alt,  geht  vielleicht 
nicht  übers  12.,  jedenfalls  nicht  übers  11.  Jahrhundert  hinauf. 

*  * 

* 

Cia  treide  cetna'labratar  iarna  genemain  fo-)  chetöir;  cid 
ro'labraiset?  Ni  hannsa.  Ai  mac  Olloman  mwc  Delhceüh  et 
Morand  mac  Cairpri  Chind  Chaitt  et  Noiuniu  Nuibrethach. 

Is  de  chetus  ro'labrastar  Oe  macc  Olloman  A.  Bai  Fiachu 
mac  Delbo3/^/i  ri  Herewn  for  cuairt  rig  7  a  brathair  'na  farrad 
.i.  OUora  mac  Delhceith.  Bätar  laa  and  ic  tomailt  i  n-Inis 
Tige  i  n-iarthur  Herenw  .i.  in  ri  Fiachu  7  a  brathair  Olbm. 
Leth  in  tige  oc  cechtar  de.  A  drüi  dawa  for  belaib  ind  rig 
.i.  Fiachach.  Ö  ro'bätar  oc  tomailt  a  fessi,  dothset  athach 
gsethe  möre  tarsin  tech.  Conos'tarat  uile  i  socht  mör  met  in 
delma.  'Cid  forcanas  ind  athach?'  ar  Fiach^t  frisin  druid.  — 
*Is  sed  forcanas'  or  in  drüi,  'dän  iiignad  do  thurcbäil  i 
n-Hermw'.  —  'Cinnas  däna  6n?'  or  in  ri  '7  cia  6'ngenend  7 
cia  bale  rngenfe?' —  'Dan  bas  chomgräid  frit  gräd  so'  ol  in^ 
drüi  'et  bid  is  tig  seo  genfes  7  bid  6n  mnai  üt  tall  do  bräthar  ' 
genfes.  Is  torrach  7  beraid  mac  innossa  7  bid  comgraid  frit  so. 
Et  ticfa  grad  amra  alle  and  bas  uasliu,  dia'fogenat  for  ngräda 
si  .1.  grad  ecalsi.'  —  Ra'firad  trä  uili  anisin.  Ra*genair  in 
mac  fo  chetoir  7  ro'thriall  in  ri  a  marb«<i  in  meic,  coro'thair- 
misc  a  atha?V  .i.  Ollom ;  ar  niba  lia  in  ri  is  taig  andäsu/e.  In  tan 
ro'bäs  ocond  imrädud  imme,  co'cualatar  in  mac  oca  rad:  'Domurc- 
baid  süas  coro"acilliur  in  rig'.  Turgabair  suas  iar  sin.  'Ni  dam 
sa  dot  inchaib,  a  Fiachrai'  orse.  —  'Cid   do'ber   duit?'  ar 


*)  lu  der  Hs.  Eg'erton  88,  fol.  9  v,  a  ist  ein  kurzer  Gesetzestext  Comus 
Ae  Moraud  in  den  Muud  gelegt,  der  ihu  Nere,  als  dem  künftigen  Richter, 
tiberliefert;  s.  O'Grady,  Catal.  of  Ir.  Mss.,  S.  88f. 

•■«;  fo  Ha. 


2ÜS  KELTISCHEN   LlTEEATÜR   UND   GRAÄIMATIK.  073 

in  Yi  —  'js^i  hannsa.  Mo  bruii?  mo  länamuin  lonchore  co 
ndabaig  diiiidlugse  tucthar  öm  lijr  mucra  escra  [126b]  cuach 
carpa^  calg  tricha  bo  brö  fiann.  Fiach  ö^)  Fiaclina  dam  sa 
in  sin  uile'  ar  in  mac.  —  'Do'berthar'  ar  Fiacbu.  'Cia  ainm 
regas  arin  mac  sa  i  fect  sa?'  —  'Tabar  Ai  fair'  ar  in  drui. 
Conid  assain  tra  ro'ainmniged  ai  airchetail  .i.  6  Ai  mac  OUo- 
man.    Et  is  si  sein  ai  ceta*erbairt  Ai  mac  OWoman. 

Morand  immoro  mac  Cdirpri  Chind  Chait,  is  de  ro'labrastar 
sede  .i.  Ro'marbtha  lasin  Corpre  hisin  cech  soerchland  ro-boi 
i  n-Hermn.  Ar  ba  di  athechthuatliaib  Herewn  dö.  Et  ro'gab 
rige  n-Herenw  ar  ecin.  Et  rap  olc  a  rlge,  ar  ni'bid  acht  oen- 
gränna  i  cind  [cecha  desi  et  oendircu  a-ccind]^)  na  cuslindi 
7  oendircu  i-mmulluch  na  darach  ina  re.  ßuctha  tri  meic  don 
Chairpn  hisin  7  ro'badidis  leis  fo  clietöir;  ar  ba  doig  ropdis 
torathair,  fo  bithin  no-bltis  a  cathbairr  fö  cennaib.  In  tres  mac 
rucad  .i.  Morand,  ro'thriall  in  cetna  do  denam  fris  i.  a  bädud. 
Ro-herbad  da  öclach  leis  da  chur  i  mbeolu  na  tuinne.  ö 
ra'laiset  uadib  e  i  tuind  mara,  brissis  in  tond  in  cathbarr  7 
töcbaid  in  tond  uasa  in  mac,  con^accatar  a  gnüis  for  barr  nk 
tuinne.  Is  and  as'bert  som:  'Garg  be  tond'  ar  in  mac. 
Fo'lengat  chuce  na  öcläig  7  do'föcbat  süas.  'Nacham'turcbaid' 
arseseom,  'üar  be  gseth'.  —  'Cid  do'genam  din  mac  sa?'  ar 
indara  fer.  —  'Do'genam'  ar  in  fer  aile  'fäcbam  e  i  teig  ar 
beind  chloche  i  ndorus  tige  na  cerda  .i.  Mien  a  ainm  side, 
cerd  ind  rig.  Et  cometam  in  mac,  düs  in'lessaigfe  in  cerd  e.' 
Ö  do'chuaid  side  assa  thig,  con'acca  in  mac  isin  teig  7  ncm- 
beir  leis  isin  tech.  'Fursain  caindel  a  ben'  arse,  *con-acther 
in  frlthi  sea  fuarusa'.  Tucad  cucu  iar  sin  caindel.  Conid  and 
atbert  Morand:  'Solus  be  caindell.'  Ro'alt  in  mac  la  Moen 
iar  sin  fora  seilb  fein.  Ro'fetatar  immoro  na  öclaig  üt  narbo 
lesseom  in  mac. 

Fecht  and  iarum  do-lluid  Carpre  do  61  lenna  do  thig 
Möin.  In  träth  rop  dniu  döib  oc  61,  luid  in  mac  as  )5ach  ucht 
i  n-araile,  con'dechaid  i  n-ucht  Chairpn.  'Ro-malnigther  in 
gein'  ar  Carpre;  'coich  in  mac  sa?'  la  osnaid  moir  do  chur. 

»)  fiacho.  0  Ms. 

')  Die  eingeklammerten  Worte  scheinen  zu  streichen,  vgl.  tiair 
ni'bidh  acht  cengraine  a  cend  cacha  cuidinde  7  cenderca  a  mullach  cacha 
darach,  RC  20,  335  §  1. 

Zeitschrift  f.  celt.  PhUologrie  Xn,  1.  18 


'3:7'4  R.  THUBNEYSENF^ 

Fo'cheird  dawa  a  mäthair  in  meic  .i.  ben  Charpr?'  osnaid  alle. 
'Cid  i-taid?'  ar  Möen;  'in  format  nofargeib?  Cid  inmaln  lern 
sa  in  mac  7  cid  raac  dam,  ropad  ferr  lern  combad  lib  si  e  ara 
met  far  serce  lim  7  ara  riachtain  a  lessa  düib.'  —  'Nrtharla 
trä  ani  hisein  düinni'  ar  Carprc.  —  'Maitli  em  a  Chorpri'  ar 
in  dias  öclach  üt,  'ropad  maith  a  luäg:  neicli  do'berad  duit 
mac  amlaid.'  —  'Ropad  maitli  imworo'  ar  Carpre;  'ro'beraind 
a  chomthrom  de  argut  dara  cliend  7  ropad  trian  de  ör.  Acht 
nl  tarba  a  rad,  ar  is  erlabra  dimäin  a  ndo'gnid.'  —  'AmaZ 
bid  oca  nobemmis'  ar  na  öcl^cli,  'fo'naiscther  fort  so'.  — 
Fo'naiscther  fair.  Ö  ro'naidmed  fair,  foieügat  na  öclaig  cuce 
co'tucsat  in  mac  Ina  ucht  et  coro'dilsigset  do.  'Is  e  in  mac 
sa'  arsiat  'rucsam  uait  dia  badud  et  is  sed  so  da'rönsam  deV 
—  'Is  fir  uile'  ar  in  cerd.  —  Is  de  sin  trä  ro'bai  mac  Main 
fairseom.  Et  it  e  sin  teöra  bria^Ära  toesecha  roTäid  Morawd 
iarna  genemain  fo  chetoir  .i.  'Garg  be  tond.  tJar  be  g^th. 
Solus  be  caindel.' 

Gabais  trä  Mor and  ardbrithemnacht  Hereww  iar  sin.  7  ba 
marb  a  athair  seom  .i.  Cairpre.  Et  roiaid  seom  a  mac  co 
Feradach  Find  Fechtnach  i  crich  n-Alban  dia'thocuriud  i-rrige 
nHereww.  Ar  ro'theich  side  ria  Corpn  dar  muir  innund  arnaro' 
marbtha  leiss.  Cotänic  side  fö  gairm  seom  7  co'rragab  ardrige 
Hereww.    Ocus  Morand  i  n-ardbrithewnacÄ^  Herenw.    Et  . . . 


Welches  sind  die  drei,  die  gleich  nach  ihrer  Geburt  zuerst 
gesprochen  haben,  und  was  haben  sie  gesprochen?  —  Das  ist 
nicht  schwer  (zu  sagen):  Ai  der  Sohn  Glioms  des  Sohnes  Del- 
baeths  und  Morand  Sohn  von  Coirpre  Katzenkopf  und  Noinniu 
Noibrethach. 

Das  zunächst  ist  der  Anlafs,  bei  dem  Ai  Glioms  Sohn 
gesprochen  hat:  Fiachui)  Delbseths  Sohn,  der  König  von 
Irland,  war  auf  einer  königlichen  Rundreise  und  sein  Bruder 
Gliom  Delbaeths  Sohn  in  seiner  Begleitung.  Eines  Tages 
schmausten    sie,    König  Fiachu  und  sein  Bruder  Gliom,   in 


')  Vollgeschrieben  lautet  der  Name  in  diesem  Text  abwechselnd 
Fiachu  {gen.  Fiachach),  Fiachra  und  Fiachna.  Auch  im  Lebor  Gabäla 
heilst  er  bald  Fiacha  bald  Fiachna  mac  Delbceith  je  nach  den  Hand- 
schriften. 


ÄÜR   KELTISCHEN    LITERATUR   UND    GRAMMATIK.  275 

Inishthee  im  Westen  Irlands.  Jeder  nahm  eine  Hälfte  des 
Hauses  ein.  Audi  war  sein  Druide  in  Gej^enwart  des  Königs 
Fiaclui.  Als  sie  beim  Verzehren  ihres  Schmauses  waren,  kam 
ein  gewaltiger  Windstofs  über  das  Haus,  so  dats  die  Gröfse 
des  Getöses  sie  alle  verstummen  machte.  'Was  verkündet  der 
Windstols?'  sagte  Fiachu  zum  Druiden.  —  'Er  verkündet' 
sagte  der  Druide,  'dafs  eine  wunderbare  (Dicht)kunst  sich  in 
Irland  erheben  wird'.  —  'Was  für  eine  Kunst  ist  das'  sagte 
der  König,  'und  von  wem  wird  sie  erzeugt,  und  wo  wird  sie 
erzeugt  werden?'  —  'Eine  Kunst,  die  gleichen  Kang  haben 
wird  wie  dein  Rang'  sagte  der  Druide,  'und  in  diesem  Haus 
wird  sie  erzeugt  werden  und  von  der  Frau  dort  deines  Bruders 
wird  sie  erzeugt  werden.  Sie  ist  schwanger  und  wird  jetzt 
einen  Sohn  gebären,  und  der  wird  von  gleichem  Rang  sein 
wie  du.  Und  es  wird  ein  anderer,  höherer  Rang  (Grad) 
kommen,  dem  eure  Ränge  dienen  werden,  nämlich  der  Rang 
der  Kirche'.  —  Das  alles  wurde  nun  wahr.  Der  Knabe  wurde 
sofort  geboren,  und  der  König  wollte  den  Knaben  töten.  Das 
verhinderte  dessen  Vater  Ollom;  denn  der  König  Ifatte  nicht 
mehr  Leute  im  Haus  als  er.  Während  man  darüber  sprach, 
hörten  sie  den  Knaben  sagen:  'Hebt  mich  in  die  Höhe,  dafs 
ich  zum  König  spreche'.  Er  wird  darauf  hochgehoben.  '(Gib) 
mir  etwas  bei  deiner  Ehre,  Fiachra'  sagte  er.  —  'Was  soll 
ich  dir  geben?'  sagte  der  König.  —  'Das  ist  nicht  schwer 
(zu  sagen):  mein  Land,  meine  Ehe,  ein  Speisekessel  mit  einem 
Fafs  als  Dichtkunst-Gebühr (?)»)  werde  von  meinem  König 
gebracht,  Schweine  (?),  ein  Schöpfgefäls,  ein  Becher,  ein  Wagen, 
ein  Schwert,  dreifsig  Rinder,  eine  Handmühle,  eine  Krieger- 
schar. Das  alles  schuldet'^)  mir  Fiachna'  sagte  der  Knabe.  — 
'Es  wird  gegeben  werden'  sagte  Fiachu.  'Welchen  Namen 
soll  der  Knabe  nun  erhalten?'  —  'Man  nenne  ihn  Ai'  sagte 
der  Druide.  Darnach  wurde  da  die  Kunstdichtung  {ai  airchetaiT) 
genannt,  nach  Ai  Glioms  Sohn.  Und  das  ist  das  Ki^nstgedieht 
{ai),  das  Ai  Glioms  Sohn  zuerst  sagte. 

Morand  anderseits,  der  Sohn  von  Coirpre  Katzenkopf,  der 
hat  bei  folgendem  Anlafs  gesprochen.    Durch  diesen  Coirpre 

0  Genitiv   von   dluig,   das   nach  Cöntrib.  s.  y.  mit   dual  und  dil 
ungefähr  gleichbedeutend  scheint? 

•)  Wortspiel  mit  fiach  und  Fiachna  (Fiachu). 

18* 


276  R.  THÜRNEYSEN, 

waren  alle  freien  Geschlecliter.  die  in  Irland  waren,  ermordet 
worden.  Denn  er  gehörte  zu  den  Ziusbauern-Stämmen  Irlands. 
Und  er  bemächtigte  sich  des  Königtums  von  Irland  mit  Gewalt. 
Und  seine  Königsherrscliaft  Avar  übel,  denn  es  fand  sich  nur 
ein  Korn  am  Ende  des  Halms  und  eine  Eichel  im  Gipfel  der 
Eiche  zu  seiner  Zeit.  Diesem  Coirpre  wurden  drei  Söhne 
geboren,  und  sie  pflegten  sofort  von  ihm  ertränkt  zu  werden; 
denn  sie  schienen  Milsgeburten  (Monstra),  weil  ihre  'Helme' 
um  ihre  Köpfe  waren.  Der  dritte  Sohn,  der  geboren  wurde, 
Morand  —  dem  wollte  er  dasselbe  antun,  d.  h.  ihn  ertränken. 
Zwei  Jünglinge  wurden  von  ihm  beauftragt,  i)  ihn  in  den 
Schlund  der  Woge  zu  werfen.  Als  sie  ihn  in  die  Woge  des 
Meeres  geworfen  hatten,  zerbrach  die  Woge  den  'Helm',  und 
die  Woge  hob  den  Knaben  über  sich,  so  dafs  sie  sein  Gesicht 
auf  dem  Gipfel  der  Woge  sahen.  Da  sprach  er:  'Rauh  ist 2) 
Woge'  sagte  der  Knabe.  Die  Jünglinge  springen  zu  ihm  hin 
und  heben  ihn  empor.  'Hebt  mich  nicht  empor'  sagte  er, 
'kalt  ist  Wind'.  —  'Was  sollen  wir  mit  diesem  Knaben 
machen?'  sagte  der  eine  Mann.  —  'Was  wir  machen  sollen?' 
sagte  der  andere  Mann;  'wir  wollen  ihn  in  einer  Hülle 
(Ledersack)  an  dem  Zinken  eines  Steines  lassen  vor  dem  Hause 
des  Schmieds  (dessen  Name  ist  Maen,  der  Schmied  des  Königs), 
und  wir  wollen  den  Knaben  bewachen  und  sehen,  ob  der 
Schmied  sich  seiner  annehmen  wird'.  —  Als  dieser  aus  seinem 
Hause  kam,  sah  er  den  Knaben  in  der  Hülle  und  nahm  ihn 
mit  ins  Haus.  'Zünde  eine  Kerze  an,  Frau'  sagte  er,  'damit 
man  den  Fund  sieht,  den  ich  getan  habe '.  Darauf  wurde  die 
Kerze  zu  ihnen  gebracht.  Da  sprach  Morand:  'Hell  ist  Kerze'. 
Darauf  wurde  der  Knabe  durch  Maen  aufgezogen  mit  seiner 
eigenen  Habe.  Jene  Jünglinge  wufsten  aber,  dafs  der  Knabe 
ihm  nicht  gehörte. 

Einst  kam  nun  Coirpre  zum  Biertrunk  zum  Hause 
Msens.  Wie  sie  am  schönsten  beim  Trinken  waren,  ging 
der  Knabe  von  einem  Schofs  zum  andern  und  kam  (so)  in 
Coirpres  Schofs.     'Das  Kind  soll  reich  ausgestattet  werden' 


0  Der  Text  ist  wohl  nicht  ganz  in  Ordnung.  Lies  Roherbad  dias  üclach? 

')  be  soll  das  kindliche  Stammeln  nachahmen.  Die  jüngere  Erzählung 
IT  III,  1, 189  hat  ihm  einen  erhabeneren  Spruch  in  den  Mund  gelegt,  der  ia 
der  Verslehre  II  §  125  überliefert  war. 


ZUR  KELTISCHEN   LITERATUR   UND    GRAMMATIK.  27? 

sagte  Coirpre;  'wessen  Sohn  ist  es?'  indem  er  einen  schweren 
Seufzer  ausstiefs.  Auch  die  Mutter  des  Knaben,  Coirpres  Frau, 
Stiels  einen  Seufzer  aus.  'Was  habt  ihr?'  sagte  Maen;  'erfafst 
euch  Neid?  Obschon  der  Knabe  mir  wert  ist  und  obschon  er 
mein  Sohn  ist,  es  wäre  mir  lieber,  er  wäre  der  eure,  weil  ich 
euch  sehr  liebe  und  ihr  ihn  nötig  habt'.  —  'Das  ist  uns  eben 
nicht  zuteil  geworden'  sagte  Coirpre.  —  'Wohlan,  Coirpre' 
sagten  jene  zwei  Jünglinge,  'einen  guten  Lohn  würde  der 
erhalten,  der  dir  so  einen  Sohn  gäbe'.  —  'Freilich  einen 
guten'  sagte  Coirpre;  'ich  würde  für  ihn  sein  Gewicht  an 
Silber  geben  und  ein  Drittel  davon  sollte  Gold  sein.  Aber 
es  hat  ja  keinen  Nutzen  das  zu  sagen,  denn  ihr  führt  eine 
eitle  Rede'.  —  'Als  könnten  wir  es  tun'  sagten  die  Jünglinge, 
'so  gelobe  es'.  —  Er  gelobte  es.  "Wie  er  es  gelobt  hatte, 
sprangen  die  Jünglinge  zu  ihm  hin,  legten  den  Knaben  in 
seinen  Schols  und  erklärten  ihn  für  sein  Eigentum.  'Dieser 
Knabe  ist  es'  sagten  sie,  'den  wir  von  dir  erhalten  haben  um 
ihn  zu  ertränken,  und  das  haben  wir  mit  ihm  gemacht'.  — 
'Es  ist  alles  wahr'  sagte  der  Schmied.  —  Deshalb  hiefs  er 
'Maens  Sohn'.  Und  das  sind  die  drei  ersten  Worte,  die  Morand 
gleich  nach  seiner  Geburt  gesprochen  hat:  'Rauh  ist  Woge. 
Kalt  ist  Wind.    Hell  ist  Kerze.' 

Später  erhielt  nun  Morand  das  Hoch-Richteramt  Irlands. 
Und  sein  Vater  Coirpre  starb.  Und  er  sandte  seinen  Sohn 
zu  Feradach  dem  Schönen-Glücklichen  ins  Gebiet  von  Albion, 
ihn  zur  Königsherrschaft  über  Irland  zu  holen.  Denn  dieser 
war  vor  Coirpre  übers  Meer  hinüber  geflohen,  um  nicht  von 
ihm  getötet  zu  werden.  Auf  seine  Berufung  hin  kam  er  und 
erlangte  das  Hochkönigtum  Irlands.  Und  Morand  war  Hoch- 
Richter  von  Irland.    Und  ... 


Zum  Schluls  noch  ein  Wort  zu  sin  maic  Moin  (sin  Mor^inn), 
von  dem  seit  dem  9.  Jahrhundert  viel  die  Rede  ist.  Es 
bezeichnet  nach  den  Erklärern  einen  Ring  oder  eine  Schlinge 
oder  ein  Halsband,  das  zur  Ermittlung  der  Wahrheit  diente. 
Nach  Cormacs  Glossar  1160  war  es  eine  Epistel,  die  Morand 
um  den  Hals  trug,  wenn  er  Recht  sprach;  wenn  er  falsch 
urteilte,  würgte  sie  ihn,  sonst  blieb  sie  weit  (darnach  ist  die 


278  R.  THÜRNEY8EN, 

Geschichte  IT  III,  1, 190  §  16  geformt).  Nach  dem  Text  oben 
11,65  §  15  wurde  id  Moraind^)  vielmehr  dem  um  den  Hals 
gelegt,  über  dessen  Schuld  oder  Unschuld  man  urteilen  wollte; 
nach  IT  III,  1, 190  §  15  dagegen  um  Fuls  oder  Hand  des 
Betreffenden.  Ich  bin  auf  den  Gedanken  gekommen,  ob  nicht 
dieses  sin  einfach  dem  Mifsverständnis  eines  allzu  gelehrten 
Erklärers  von  Morands  Fürstenspiegel  entspringt.  Es  heilst 
dort  (oben  11,80  §3):  dlrye  dlegar  cacli  flathemon  in  sin, 
ad'mestar  dar  midriana  ad'  mörcJilotha  miditer.  Hier  mochte 
in  sin,  das  natürlich  einfach  Demonstrativpronomen  ist,  für 
einen  besonders  wertvollen  Gegenstand  Morands  gehalten  und 
darnach  mit  einiger  Phantasie  erklärt  werden.  Daraus  ergaben 
sich  dann  die  Deutungen  in  den  Glossarien  wie  sin  A.  (cach) 
cruind  Cormac  1160,  sin  .i.  muince  O'Mulc.  841,  sin  ainm  sla- 
braidh  Forus  Focal  63. 

2.  Zu  Maeldnins  Meerfahrt. 

In  seinem  Versuch,  den  ursprünglichen  Wortlaut  des 
Gedichts  über  Maelduins  Meerfahrt  herzustellen, 2)  verweist 
K  Meyer  auf  meinen  Aitikel  ZCP  8, 79,  weicht  aber  in  der  Zeit- 
bestimmung beträchtlich  von  mir  ab.  Das  Gedicht  ist  an- 
erkanntermafsen  jünger  als  die  Prosa -Erzählung.  Es  zeigt 
solche  Ähnlichkeit  mit  dem  Gedicht  über  die  Meerfahrt  von 
Snedgus  und  MacRiagla,  welches  umgekehrt  älter  ist  als  die 
Prosa-Berichte,  dafs  ein  enger  Zusammenhang  zwischen  ihnen 
unleugbar  ist.  Ich  hatte  das  so  gedeutet,  dafs  das  zweite 
das  Muster  für  das  erste  gewesen  sei,  während  Meyer  beide 
geradezu  demselben  Verfasser  zuschreiben  möchte.  Das  läfst 
sich  von  vornherein  nicht  entscheiden;  doch  scheint  mir  die 
Unfähigkeit  des  Dichters  von  Maelduin,  eine  verständliche 
Darstellung  zustande  zu  bringen,  eher  auf  einen  Nachahmer 
als  auf  den  gleichen  Verfasser  zu  weisen.  Meine  Vermutung, 
dals  sein  Gedicht  später  falle  als  die  ältere  Prosa  von  Snedgus 
und  MacRiagla,  die  erst  nach  1090  verfalst  ist, 3)  möchte  ich 


*)  Diese  Bezeichnung  auch  in  dem  Gedicht  von  Gilla-in-Chomded  ua 
Cormaic  (LL 144  a  44ff.),  wo  es  aus  STd-ar-Femun  zu  stammen  scheint. 
•-)  ZCP  11, 148. 
')  O'Curry,  Lectures  ou  the  Ms.  Materials,  S.  334  f. 


ZUK  KELTISCHEN   LITEKATUR   UND   GRAMMATIK.  279 

allerdings  nicht  für  irgendwie  sicher  ausgeben.  Aber  wie 
man  sich  zu  dieser  Frage  stellen  mag,  Meyers  Ansicht,  beide 
Gedichte  stammen  aus  der  ersten  Hälfte  des  9.  Jahrhunderts, 
scheint  mir  äufserst  bedenklich.  Ich  hatte  das  Gedicht  über 
Snedgus  wegen  der  Formen  airchisis,  ro'airchis,  decis,  wo 
Komposita  absolut  flektiert  sind,  lieber  dem  10.  als  dem 
9.  Jahrhundert  zugewiesen,  i)  Aber  freilich,  wenn  wir  die 
Dichtersprache  um  800  durch  den  Feiire  des  Oengus  und  die 
um  987  durch  den  Saltair  na  Rann  einigermalsen  kennen,  so 
tappen  wir  für  die  Zwischenzeit  und  eigentlich  auch  für  die 
Folgezeit  noch  fast  ganz  im  Dunkeln.  Die  Sprache  der 
Dichter  des  9.,  10.,  11.  Jahrhunderts,  deren  Todesjahr  uns 
bekannt  ist,  ist  ja  grammatisch  noch  gar  nicht  analysiert,  ja 
ihre  Werke  grölstenteils  noch  nicht  in  solchen  Ausgaben  vor- 
handen, die  einen  sicheren  Boden  abgeben.  Einen  ausgiebigeren 
Text  aus  der  zweiten  Hälfte  des  9.  Jahrhunderts  besitzen  wir 
freilich  in  der  Vita  Tripartita  des  Patricius;  denn  da  der 
Verfasser  den  Cormacän  macc  Colman  maicc  Neill  Frossaig, 
der  855  gefallen  ist,  2)  noch  lebend  gekannt  hat,  3)  kann  er 
kaum  nach  dem  Ende  des  Jahrhunderts  geschrieben  haben. 
Aber  Stokes'  Untersuchung  der  Sprache  müTste  vertieft  werden, 
und  bei  einem  Prosatext  ist  4han  nie  sicher,  ob  die  sprach- 
lichen Formen  nicht  durch  Abschreiber  verjüngt  worden  sind. 
Trotzdem  glaube  ich  die  stärksten  Zweifel  gegen  Meyers 
Datierung  nicht  unterdrücken  zu  dürfen.  Denn  es  ist  das  ja  nicht 
nur  eine  Frage  der  Literaturgeschichte,  sondern  von  grölster 
Wichtigkeit  für  die  Herstellung  des  Textes.  Er  selber  macht 
auf  das  Pron.  -da-  in  dodarälaig  97,  doda'deraith  99  in  nicht- 
relativischem  Gebrauch  aufmerksam.  Man  beachte  weiter 
junge  Formen  wie  canais  96,  scuchsa[i]t  217,  ro'sernad  27,  ja 
dinghais  38;  den  alten  Subjunktiv  nrccemais  als  Futurum  198; 
das  Praeteritum  räisit,  •räiset  (häufig),  während  Mael  Muru 
Othna  (f  887)  nach  den  besseren  Handschriften  nur  das  redu- 
plizierte rersait,  rersat  kennt  (Idg.  Anz.  33,  35);  den  Dat.  mör 


0  Zwei  Versionen  der  mittelirischen  Legende  von  Snedgus  und  Mac 
Biagla,  S.  6. 

«)  AU  a.  854,  FM  a.  853. 

')  quod  probauvmis  (ed.  Stokes,  S.  174, 12). 


280  R.  THURNETSEN. 

di  rüine  220;  ferner  forsin  muir  möir  (icöir)  15  (auch  do  tig 
dermair-.doda'deraith  99?),  beides  von  Meyer  korrigiert.  Endlich 
sei  auf  die  häufigen  ro -Formen  in  rein  erzählendem  Gebrauch 
aufmerksam  gemacht  wie  12.  14.  15.  165. 

Ich  würde  mich  einstweilen  scheuen,  einen  solchen  Text 
für  älter  als  das  10.  Jahrhundert  zu  halten,  jedenfalls  ihn 
nicht  in  die  erste  Hälfte  des  9.  setzen.  Damit  fällt  aber  die 
Berechtigung  dahin,  kontrahierte  Formen  wie  cöir  döib 
dib  ziemlich  gewaltsam  aus  dem  Text  auszumerzen,  wie 
Meyer  fortwährend  tut.i)  Was  gewinnt  man,  wenn  man 
in  75: 

do{s)'frecmairc  döib  cid  fo'rua{i)r  döib  bith  oc  toirsiu 

das  erste  doib  ausscheidet,  da  man  doch  das  kontrahierte  fo'ruar 
(fo-ro-fer)  stehen  lassen  muls?  Auch  sonst  beläfst  ja  Meyer 
manche  einsilbige  Formen  im  Text  wie  ad-ciat  106.  181.  192, 
cota'cnät  46.  Es  hat  keinerlei  Bedenken  anzunehmen,  dals 
der  Dichter  cöir  und  coir,  döih  und  döib,  dib  und  diib,  neutrales 
und  weibliches  muir  nebeneinander  gebraucht  hat,  wie  der 
Verfasser  des  Saltair  n.  R.  z.  B.  dec  und  deec  je  nach  Belieben 
anwendet.  Ob  und  wie  weit  das  auch  noch  im  11.  Jahrhundert 
möglich  war,  bleibt  zu  untersuchen;  von  vornherein  möchte 
ich  es  nicht  leugnen. 

Zum  Schlufs  noch  eine  Bemerkung  zum  Metrum  Declmad 
ciimaisc.  Von  der  Regel,  dals  die  Zäsur  der  zweiten  Lang- 
zeile (nach  der  4.  oder  8.  Silbe)  entweder  mit  dem  Endreim 
konsonieren  oder  mit  einem  Wort  im  Innern  des  nächsten 
Versteils  reimen  muls,  bot  schon  Imräm  Snedgusa,  Str.  21, 
eine  Ausnahme: 

Sund  bidh  co'comairsem  i  tir      domain  aili, 

wo  das  (einsilbige)  Reimwort  vielmehr  in  der  ersten  Vershälfte 
steht.  Dals  das  eine  erlaubte  Variante  war,  lehrt  unser 
Gedicht  mit: 


*)  Ganz  unmöglich  scheint  mir  das  zweisilbige  no'i  19.  200  (Meyer, 
S.  165).  Aus  vorhistorischem  *«ä^i  kann  altirisch  nur  einsilbiges  *nam, 
woraus  noi,  entstehen,  da  Vokale  hinter  jj  nicht  als  solche  erhalten  bleiben. 
Anderseits  weifs  ich  nicht,  ob  foot  (fotit)  'Erdscholle'  111  neben  einsilbigem 
föt  112  nicht  als  alt  anzuerkennen  ist. 


ZÜB   KELTISCHEN   LITZlt<\.TUK  UND    GRAMMATIK.  281 

17.  i-mmulditis  laich  cen  nach  sceth   guin  a  athar; 
auch  192.  fer  fa  c\h]cem[i]  c[h]tiirp,  mong  a  fuilt  d{o)  edach  uime, 

falls  Meyer  ihn  so  richtig  hergestellt  hat.  Doch  ist  auch  fer 
fa  ccem  cuirp  'ein  Mann,  der  schön  war  in  bezug  auf  den 
Körper'  mit  Zäsur  nach  der  4.  Silbe  denkbar  (dann  do  zu 
belassen).  1) 

3.  Ai'thnrs  Schwert  Calibiirnus  und   die  irische  Sage 
Täin  JB6  Cüailnge, 

Zu  den  Elementen,  die  der  irischen  und  der  britannischen 
Sage  gemeinsam  sind,  gehört  bekanntlich  ein  Schwertname. 
Doch  ist  bisher  nicht  bemerkt  worden,  dafs  er  zu  genaueren 
zeitlichen  Bestimmungen  benutzt  werden  kann. 

Im  'Raub  der  Rinder  von  Cüailnge'  heilst  das  gewaltige 
Schwert,  womit  in  der  grofsen  Schluls- Schlacht  Fergus  drei 
Hügel  köpft,  in  der  für  uns  ältesten  Fassung,  der  sogenannten 
LU -Version,  calad-colc  (für  caladcholg)  'Hart -Schwert'  (ed. 
Strachan-O'Keeffe  3563).  Dals  das  nicht  etwa  auf  einer  Ver- 
schreibung  der  einzigen  Handschrift,  in  der  dieser  Teil  er- 
halten ist ,2)  beruht,  zeigt  sich  schon  darin,  dafs  der  junge 
Erweiterer  der  Sage  Tdin  Bö  Flidais  dieselbe  Form  caladcolg 
in  seinen  Text  aufgenommen  hat  (Celtic  Review  n  312).  Aber 
der  Redaktor  der  jüngeren  Fassung  der  Tdin  Bö  Cüailnge, 
der  sogenannten  LL -Version,  ändert  den  Namen  in  caladbolg 
(ed.  Windisch  5960),  was  man  etwa  mit  'Hart -Scheide'  über- 
setzen kann; 3)  er  mag  an  die  Hülle  des  langen  Schwertes 
gedacht  haben  (Windisch,  S.  234-  A.  5).  In  dieser  Gestalt  hat 
es  der  Verfasser  der  'Zerstörung  Trojas'*)  aufgenommen,  der 
mit  unserem  Redaktor  zwar  nicht  identisch  ist,  aber  sich  auf 
Schritt  und  Tritt  durch  seine  Ausdrucks  weise  beeinflufst  zeigt. 
Er  verwendet  den  Plural  caladhuilc  als  Kunstausdruck  für 
'Schwerter'  überhaupt. 


/ 


*)  Ein  Beispiel  einer  andern  Art  von  Dechnad  cumaisc,  wo  statt  des 
Zäsurreims  Alliteration  erscheint,  hat  K.  Meyer  ZCP  8, 197  gedruckt. 

2)  YBL  51b  45. 

')  Die  .Modernisierung  dieser  Fassung  setzt  dafür  wieder  caladhcolg 
ein  (Windisch,  S.  861  A.  4). 

*)  Togaii  Troi,  ed.  Stokes,  Z.  1716. 


282  R.  THUBNETSEN, 

Bemerkenswert  ist  nun,  dafs  das  Wort  gerade  in  dieser 
Form,  mit  der  leisen  Umgestaltung  zu  calet-vwlch  'Hart- 
Scharte',  als  Name  für  Arthurs  Schwert  in  Wales  aufgenommen 
worden  ist.  So  erscheint  es  zunächst  in  der  kymrischeu  Er- 
zählung von  Kulhwch  und  Olwen.i)  Die  grofse  Ähnlichkeit 
dieses  Textes  in  Kompositions-  und  Erzählungsweise  mit 
irischen  Sagen,  die  seit  jeher  aufgefallen  ist,  ist  also  kein 
Zufall,  sondern  beruht  auf  unmittelbarem  Einflui's  der  irischen 
Literatur.2)  Galfred  von  Monmouth  hat  den  Namen  dann  als 
Caliburnus  (IX  4.  11,  X  11)  latinisiert.^) 

Da  nun  Galfreds  Historia  zwischen  1132  und  1135  verfafst 
ist,  mufs  damals  die  LL -Version  der  Tdin  Bö  Cüailnge  schon 
einige  Zeit  bestanden  haben,  deren  älteste  erhaltene  Hand- 
schrift in  den  60  er  und  70  er  Jahren  des  12.  Jahrhunderts 
geschrieben  ist.  Anderseits  kann  sie  kaum  älter  sein  als  der 
Anfang  des  12.  Jahrhunderts.  Denn  sie  fulst  nicht  auf  der 
älteren  Gestalt  der  Täin-Kompilation,  die  im  11.  Jahrhundert 
zustande  kam  und  in  der  vor  1106  geschriebenen  Handschrift 
LU  vorliegt,  sondern  sie  hat  den  interpolierten  Text  zur 
Grundlage.  Allerdings,  obschon  diese  Interpolationen  in  LU 
erst  nachträglich  von  anderer  Hand  eingefügt  worden  sind, 


0  The  Text  of  the  Mabinogion,  ed.  Rhys  and  Evans,  105,28;  136, 11. 

*)  Man  könnte  daran  denken,  dafs  auch  der  Name  von  Arthurs  Frau 
Gwenhwyvar  erst  damals  aus  dem  irischen  Findabair,  das  als  Name  der 
Tochter  von  Ailill  und  Medb  in  der  Tdin  Bö  Cüaihige  eine  so  grofse 
Rolle  spielt,  herübergenoramen  worden  sei.  Es  ist  aus  Find -Habair 
'weilser  Geist,  die  weil'se  Frau'  entstanden.  Gegen  diese  Annahme  spricht 
nicht  so  sehr  die  verschiedene  Rolle,  die  dieses  Weib  bei  den  Kymren 
spielt,  als  doch  wohl,  dafs  sehr  zweifelhaft  ist,  ob  in  jener  Zeit  noch  eine 
Kambrisierung  zu  Gwen-hwyvar  möglich  war,  da  das  Wort  *hwyvar 
(=  ir.  siabair)  als  für  sich  bestehend  bis  jetzt  wenigstens  im  Mittel- 
kymrischen  nicht  mehr  nachweisbar  ist.  Galfreds  Guanhumara  ist  vermutlich 
durch  Verlesung  von  •huiuar(a)  entstanden,  nicht  etwa  eine  ältere  Form, 
da  das  kymrische  v  nach  Ausweis  des  Irischen  nicht  einem  älteren  m, 
sondern  b  entspricht.  Chretiens  Guenievre  oder  Ganievre  scheint  durch 
eine  Art  Dissimilation  für  -uevre  eingetreten  zu  sein,  wobei  der  franzö- 
sische Diftong  ue  kymr.  ui,  wy  (oder  breton.  oe?)  wiedergab.  Vgl.  auch 
Loth,  Les  Mabinogion  I»,  259  A.  3. 

')  Die  kymrischen  Bearbeiter  seiner  Historia  haben  aber  die  Form 
caletvwlch  wieder  eingesetzt  (s.  The  Text  of  the  Brut«,  ed.  Rhys-Evans, 
Index  431). 


ZUR   KELTISCHEN    LITERATUR   UND    GRAMMATIK.  283 

kann  man  daraus  nicht  sicher  schKefsen,  dals  um  1100  der 
interpolierte  Text  überhaupt  noch  nicht  vorhanden  war;  er 
könnte  einfach  dem  ersten  Schreiber  unbekannt  geblieben  sein. 
Aber  die  Tain -Erzählung,  aus  der  die  Interpolationen  geflossen 
sind,  scheint  mir,  was  hier  nicht  ausgeführt  werden  soll,  die 
Kompilation  schon  voi auszusetzen,  so  dals  der  Mischtext 
jedenfalls  nicht  lange  vor  1100  angesetzt  werden  darf.  Als 
wahrscheinliche  Entstehungszeit  ergibt  sich  so  für  die  LL- 
Version  etwa  das  erste  Viertel  des  12.  Jahrhunderts.  Der 
kymrische  Text  Kulhwch  und  Olwen  wird  nicht  viel  jünger  sein. 
Es  sei  darauf  hingewiesen,  dafs  etwa  um  dieselbe  Zeit 
ein  anderes  irisches  Sageneleraent  in  die  kymrische  Sage 
aufgenommen  worden  ist.  Die  Geschichte,  dals  Leute  dadurch 
umgebracht  werden  sollen,  dafs  man  sie  in  ein  eisernes  Haus 
einschliefst  und  dieses  durch  Schmiede  zur  Glühhitze  bringen 
läfst,  findet  sieh  bekanntlich  sowohl  in  der  kymrischen 
Erzählung  von  Branwen,  dem  zweiten  Mabinogi- Zweige,  wo 
sie  eigens  in  Irland  lokalisiert  wird,  als  in  der  irischen  Sage 
Mesca  üladA)  Aber  hier  fehlt  sie  in  der  älteren  Fassung  und 
tritt  erst  in  der  LL- Bearbeitung  auf,  die  man  vermutlich 
demselben  Eedaktor  verdankt  wie  die  LL- Version  der  Tdin 
Bö  Cuaünge^)  Dieser  hat  also  nicht  nur  in  Irland  einen  grofsen 
Einflufs  ausgeübt. 

4.  Zn  Lebor  Gabäla. 

Oben  10,  388  habe  ich  gemeint,  van  Hamels  Ansicht,  die 
Fassung  BIII  sei  aus  einer  der  Fassung  A  (LL)  nahestehenden 
gekürzt,  sei  schon  darum  hinfällig,  weil  BIII  die  Besiedelung 
Irlands  durch  Cessair  nicht  kenne.  Diesen  Grund  kann  ich 
so  nicht  aufrecht  erhalten.  Sowohl  BIII  als  A  (LL  24a  41  ff.) 
zitieren  zum  Sehluls  der  irischen  Könige  'vor  dem  Glauben' 
die  erste  Zeile  des  Gedichts  von  Gilla  Coemäin:  'Heriu  ard 
inis  na  rig\^)  was  also  schon  der  gemeinsamen  Quelle 
angehört  hat.  In  diesem  wird  aber  in  Str.  3  der  Tod  von 
Cessair,  der  Begleiterin  von  Ladru  und  Bith,   in  Cüil  Cesra 


0  S.  Loth,  Kev.  Celt.  11, 345. 

■■')  S.  Zu  ir.  Handschriften  und  Litteraturdenkmälern,  2.  Serie,  S.  10  if. 

»)  Egg.  von  MacCarthy,  Todd  Lecture  Series  (R.I.  A.)  III,  142  ff. 


284  R.  THURNETSENj 

ausdrücklich  erwähnt,  was  ich  damals  übersehen  habe.  Ich 
glaube  jetzt  vielmehr,  dafs  der  Verfasser  des  Lebor  Gabäla 
darum  erst  mit  Partholön  begonnen  hat,  weil  in  dem  syn- 
chronistischen Gedicht  desselben  Gilla  Coemäin:  Annalad  anall 
uile  (Vita  Trip.  532,  Str.  10)  seine  Ankunft  in  Irland  im 
60.  Jahre  Abrahams  die  früheste  irische  Begebenheit  ist,  die 
erwähnt  wird. 

5.  Zn  Siaborcharpat  ConCnlainn. 

Die  Strofe,  die  nur  in  Lü  114  b  17  überliefert  ist,  hat  bis 
jetzt  dem  Verständnis  widerstanden.  Sie  lautet  in  der  Hand- 
schrift : 

Biastai  gva.nni  dracondai  cucund  dofutitis. 

ÜQna  ana  \  mainsi  echdili  ciadcutis. 
In  der  ersten  Zeile  ist  wohl  is  cucund  zu  lesen,  die  zweite: 

trena  äna  amainsi    echdi  lir  ad'cutitis 
, Schreckliche    drachenartige    Untiere,    gegen    uns    fielen    sie 
(herab),  stark,  glänzend,  scharf,  rolsartig,  so  viel  ihrer  herzu- 
fielen.'   Zu  ad-cutitis  vgl.  cuiuim  'Fall'  Ml  91c  19. 

6.  Zu  ir.  sceo  *und'. 

In  der  poetischen  und  rhetorischen  Sprache  des  irischen 
Mittelalters  wird  sceo  (sceu)  genau  wie  ocus  'und'  gebraucht 
und  konstruiert.  Aber  ursprünglich  scheint  es  mit  dem 
Genitiv  verbunden  gewesen  zu  sein.  Vgl.  in  dem  alten  Text 
Verba  Scäihaige:^) 

Cicliit  biet  banchuire, 
bäigthi'^)  Medb  sceo  Ailella 
'weinen,  (die  Hände  zusammen-)schlagen  wird  die  Weiberschar; 
Medb  und  Ailül  prahlen  damit'.     Die  Änderung  von  Medb 
in  Medba,  die  nur  Hs.  Eawl.  512  bietet,  zerstört  den  Vers 
und  den  Sinn. 

So  wird  nun  auch  die  bisher  dunkle  Stelle  in  der  Homilie 
von  Gambrai^)   klar:    ad' dam   isnaib  inscib  sc\e\o  culis  ind 


1)  Anecd.  from  Ir.  Mss.  5, 29 f.;  ZCP  9, 488;  3,  257. 
*)  bagthi,  baigti,  baiti,  bagrithi  die  Hss. 
»)  Thes.  Palaeohib.  U  246, 24. 


ZÜS  KELTISCHEN  LITERATUR   UND   GRAMMATIK.  285 

aecni  as  [ar]  cenel  cnichc  ad'rimther  in  cöicsaih  'wir  sehen  in 
den  Reden  und  in  der  "Kunde  des  Weisen",  dafs  das  Mitleid 
als  eine  Art  des  Kreuzes  angerechnet  wird'.  Eulis  ist  der 
Genitiv  von  Bulas  (vgl.  eulais  Ml.  37  b  12).  Was  die  'Reden' 
und  die  'Kunde  des  Weisen'  für  Schriften  sind,  wird  vielleicht 
ein  in  der  kirchlichen  Literatur  Erfahrener  bestimmen  können. 
Weiter  oben  (S.  245,  14)  wird  ihr  Verfasser  einfach  als 
quidam  (alaüe)  bezeichnet:  amail  assind'her  alaile:  dnobus 
modis  crucem  domini  bai[u]lamus,  cum  aut  .  .  .  aut  per 
conpassionem  proximi  necessitatem  illius  nostram  esse  putamus. 

Es  scheint  also  sceo  ursprünglich  ein  ähnlicher  Ausdruck 
gewesen  zu  sein  wie  das  spätere  *  n-elluch  'vereint  mit'. 

Dagegen  möchte  ich  bezweifeln,  dals  selbst  in  hoch- 
rhetorischer Sprache  das  mit  sceo  verbundene  Glied  zwischen 
eine  Präposition  und  den  zugehörigen  Kasus  treten  konnte, 
wie  K.  Meyer,  Ueber  die  älteste  irische  Dichtung  II,  9  annimmt. 
Er  liest  dort  einen  mehrfach  überlieferten  Vers  so: 

Cowsreth  coibnius  eter  sceo  Möin  Moriath  macdacht 

Moirce. 
Eher    seh  eint   mir  im   Überlieferten   et{er),   it(ir)   ein   Fehler 
zu   stecken,   entweder   für   den   Plural    etarru    oder   für   den 
unbelegten  Singular  des  Femininums  *etirre,  und  ich  möchte 
mit  den  meisten  Handschriften  lesen: 

Con'sert  coibnius  etirre  (oder  etarru)  sceo  Mom  Monath 

macdacht  Morca 
'es    knüpfte    Verwandtschaft    zwischen    sich    und    Moin    die 
herangewachsene  Moriath  von  Muirc'    Auch  hier  kann  Moin 
Genitiv  sein. 

7.  Ir.  deod  'du  hast  gegessen'. 
KZ.  48, 59  hab  ich  nur  schüchtern  die  Vermutung  gewagt, 
die  Form  do-feotar  'sie  alsen'  LL  291  b  20  statt  der  regel- 
mälsigen  do'fötar,  do'füatar  sei  durch  Anlehnung  an  das  niehi 
belegte  Simplex  *eotar  entstanden,  ganz  wie  con' dessamar 
Salt,  na  R.  1266  für  das  ältere  'döessamar  (de-fo-essamar) 
nach  dem  unkomponierten  'essamar  umgestaltet  ist.  Ich  hätte 
zuversichtlicher  gesprochen,  wenn  ich  schon  damals  die  II.  Sing. 
deodh-sa  (=  deod  so)  gekannt  hätte,  die  Harl.  5280  in 
Talland  Etair  an  Stelle  von  {In  chnü)  dödais  (LL)  'Hast  du 


286  B.  THÜRNETSEN, 

eine  Nufs  gegessen?'  liest. i)  So  wird  nun  wirklich  ein 
Simplex  *tod  'ich  als',  III.  Plur.  *eotar  sehr  wahrscheinlich. 
Aber  ob  man  auch  einen  Subjunktiv  ni  cow deossadh  'etwas, 
das  er  essen  konnte'  Folklore  III  490  (für  ni  no'essad 
LL  168  b  42)  anerkennen  soll  oder  ob  es  nicht  eher  ein  Fehler 
für  'doessadh  ist,  bleibt  zweifelhaft,  da  im  Subjunktiv  auch 
im  Simplex  kein  -eo-  zuhause  war. 

8.  Zur  Terbalpartikel  ro. 

In  meinem  Handbuch  §  525  hab  ich  gesagt,  ro  be- 
zeichne das  Können  bei  allen  Verbalformen  aufser  beim 
indikativischen  Präteritum  und  Imperfekt.  Diese 
Beschränkung  ist  aber  nicht  berechtigt,  sondern  beruhte  nur 
auf  den  Lücken  meiner  Sammlungen.  Vgl.  Täin  B.  C.  (ed. 
Strachan-O'KeeflFe)  1549:  In  tan  nad'rimgah  iarum  Fer  Baeth, 
luid  in  n-aidchi  sin  do  athchor  a  chairdesa  for  CoinCulaind. 
'Als  Fer  Baeth  es  nun  nicht  vermeiden  konnte,  ging  er  diese 
Nacht,  CuChulainn  seine  Freundschaft  aufzusagen.'  Ferner 
jfcriu  5,32:  Laa  chaidchi  do  Guaire  oca  thetarracht  7  ni'ruha 
fer  dia  muinttr  'den  ganzen  Tag  suchte  Guaire  ihn  (beim 
fithchell-^'^\%\)  zu  fassen  und  er  konnte  keinen  von  seinen 
Spielsteinen  t^chlagen'. 

Die  kann -Bedeutung  wird  beim  Verb  ad'ci  'sieht',  das 
sonst  keine  Formen  mit  ro  bildet,  dennoch  durch  ro  aus- 
gedrückt (§  529b):  ad'rodarcar  'kann  gesehen  werden' 
SGall.  172a2.  Prototonierte  Formen  dieser  Art  sind:  ni'airciu 
'ich  kann  nicht  sehen'  Täin  B.  C.  (ed.  Strachan-O'Keeffe  1723) 
(in  LU  mit  ni'rochim  glossiert);  nim'aircecha  sa  'du  wirst 
mich  nicht  sehen  können'  ebend.  1627.  Hier  ist  wohl  air-  für 
dr-  =  ad-ro-  eingetreten;  die  Präp.  ad-  ist  also  zweimal  in 
den  Formen  enthalten:  ad-ro-ad-ciw,  ygl.in  tan  ad-cita'acoß 
Tur.  60. 

Die  Fälle,  wo  das  feste  ro  (§  520  b)  nicht  hinter  sämt- 
lichen andern  Präpositionen  steht,  sind  besonders  häufig  durch 
Beispiele  gebildet,  wo  dem  ro  unmittelbar  die  Präp.  de- 
vorhergeht: durüarid,  niderüarid;  do'recatar,  conda'dercacha\ 
niconderaerachtatar.    Offenbar  war  die  Verbindung  de-ro-  be- 


')  Stokes,  Rey.  Celt.  8, 58  A.  2. 


ZUR  KELTISCHEN  LITERATUR  UND   GRAMMATIK.  287 

sonders  fest,  wie  ja  der-  auch  vor  Adjektive  wie  ein  einheit- 
liches Präfix  tritt  (§  841 A). 


9.  Ir.  sethnu  'durch  . .  hin,  durch  . .  hindurch*. 

Zimmer  KZ  30,455  betrachtet  sethnön  LU  62  b  41,  LL 
288  b  50  als  eine  nur  graphische  Variante  des  häufigen  sechnö, 
sechnön;  ähnlich  Windisch  IT  II  2, 242  A.7.  Vielmehr  ist  th 
die  ältere  Schreibung;  die  nominale  Präposition  lautet  in 
älteren  Quellen  durchaus  sethnu,  sethno.  Vgl.  sethnu  ind  eich 
ITII2, 242, 2  (Eg.),  wo  YBL  tri-a  sechnach  liest;  sethnu  a 
chinn  RC  10,226,  177  (Echtra  Nerai);  sethnu  in  riythige  ZG? 
4, 43, 1  (Tain  Bö  Fraich);  sHhnu  Herend  ZCP  8,  308,  20;  sethno 
Heirenn  Cormac  s.  v.  prull  (Land  610).  Die  Formen  mit  ch 
sind  wohl  im  Anschlufs  an  die  Präp.  sech  entstanden.  Sethnu 
scheint  der  erstarrte  Dativ  eines  Substantivs  *sethn{a)e.  Viel- 
leicht ist  davon  sethnach  abgeleitet,  das  bald  mit  'Seite  {toeh)\ 
bald  mit  'Leib'  übersetzt  wird  (s.  namentlich  Eriu  2,  63); 
vgl.  weiter  inna  sethnaga  '(lacertorum)  toros'  Augustin-  Gl.  26  v  4 
(Thes.  Pal.  II  8);  .üii.  sethnecha  öir  thairrse  (über  den  Schild) 
Täin  B.  C.  (YBL)  3581,  wofür  freilich  LL  5983  cona  cethri 
sethrachaib  hat;  aber  H  sethnachaibh,  das  somit  ältere  Lesart  ist. 
Da  dies  auf  eine  Bedeutung  'Erhöhungen,  erhöhte  Streifen' 
zu  weisen  scheint,  hat  sethnach  'Leib'  vielleicht  zunächst 
'Gerippe,  magerer  Leib  mit  sichtbaren  Rippen'  bedeutet  (was 
wenigstens  Eriu  2, 65, 11  gut  passen  würde).  Anderseits  ist 
aber  auch  möglich,  dafs  sethnu  mit  kymr.  hyd  hret.  hed  'Länge' 
ir.  sith-  'lang'  zusammenhängt.  Es  ist  also  unsicher,  ob  es 
ursprünglich  'der  Länge  nach'  oder  'quer  durch'  ('mit  der 
Rippe')  bedeutet  hat. 

10.  Der  weibliche  Akk.  Sing,  der  adjektivischen 

1«- Stämme  _ 

ist  in  den  altirischen  Glossen  nicht  l^elegt.  Stokes  setzt  ihn 
gleich  dem  Dativ  an  {tig  zu  tiug,  Bezzenb.  ßeitr.  11, 104), 
Pedersen  II 116  gleich  dem  Nominativ,  i)    Für  Stokes' Ansicht 


»)  Pokorny,  A  Concise  Cid  Irish  Grammar  §  152,  gleitet  über  die 
Lücke  weg.  ' 


288  U.  THÜBNEYSEN, 

spricht  ni'thuca  in  duib  'nimm  nicht  die  Schwarze'  Fithals 
Sprüche  §  10, 12  (Zu  ir.  Hss.,  S.  20),  da  dieser  Text  sieher  nicht 
jünger  als  das  9.  Jahrhundert  ist.  Vgl.  auch  den  Eigennamen: 
fri  Duib  Locha  ZCP  8, 329, 26  (vgl  22). 

11.   Altir.  lie,  Ua  *FIut' 

kann  nicht  dieselbe  Bildungsweise  haben  wie  die  Komposita 
tuile,  tö/ae,  Gen.  intuli.  Dat.  intölti  i)  Es  ist  offenbar  der 
Nominativ  eines  Nomens,  das  genau  kymr.  lliant  'Flut,  Strom* 
entspricht,  also  ein  alter  nMStamm.  Nur  fehlen  bis  Jetzt 
oblique  Kasus. 

12.  Ir.  tosügad  'an-,  einsaugen'. 

Das  Verb  findet  sich  in  eigentlicher  Bedeutung  bei  Cormac 
s.  V.  676  gillda  .i.  ts  fri  gH  is  cosmail.  Is  e  didiu  a  hSs  aide 
d.  tosügad."^)  Iss  e  dono  hsssad  in  gilla  toäüyad-)  forcetail  do 
t[hyngaid  a  fithidire^)  usw.  '■gildae  'der  junge  Bursche'  ist  dem 
Blutegel  {gil)  ähnlieh.  Dessen  Sitte  ist  es  ja  einzusaugen. 
Das  ist  auch  die  Weise  des  Burschen,  das  Einsaugen  der  Lehre 
von  der  Zunge  seines  Lehrers'. 

Als  Name  eines  Zaubers,  wodurch  man  Abwesende  herbei- 
führt, erscheint  es  im  älteren  Text  vom  Tode  CuChulainns 
(Zu  ir.  Hss.,  2.  Serie,  S.  15).  Dort  (Fragm.  1)  lernen  die  Söhne 
Calatins  unter  andern  schlimmen  Künsten  auch  tosügud.  Und 
wie  sie  CuChulainn  lange  nicht  herbeilocken  können,  wirft 
ihnen  Lugaid  (LL  119  a  10  f.)  vor:  is  olc  in  cJidg  tosüigthe  fde  Hb 
'Schlecht  ist  die  List  des  Ansaugens,  die  ihr  habt.' 

13.  Ir.  bret.  tonn  kymr.  ton  f.  *  Welle' 

will  Fräser  ZCP  10, 78  zu  lit.  tvänas  'Flut'  {tvinti,  'anschwellen, 
steigen')  und  zu  got.  puahl  'Bad'  stellen.  Aber  seine  Grund- 
form *tuon-nä  klingt  nicht  gerade  wahrscheinlich.  Nun  hat 
das  Irische  ein  Verb  do'snä  'schwimmt  herbei',  prototoniert 
'tonna;  vgl.  dia'tonna*)  läse  i  n-indbera  'wenn  der  Fisch  in 

»)  Die  Belege  bei  Pedersen  §  763. 

«)  tossugad,  tosug(ad),  dosugud,  dosugud,  tosgudh  die  Hss. 

•)  fitliera  LBr. 

*)  'tonda,  •tomna  die  Hss. 


ZHR    KELTTSrilttX    J.ITKR ATITU    f^ND    GHAMNf ATIK.  28V) 

die  FhUsmündungen  heransch wimrat'  Täin  B.  C.  (ed.  Strachau- 
O'Keeffe)  1042.  1167.  Da  liegt  es  doch  viel  näher  in  *tonna 
ein  altes  -Ho-sna  zu  sehen,  ein  Wurzelnomen,  das  die  Welle 
als  das  Heranscliwinnnende  bezeichnete.  Wir  haben  hier  den 
.seltenen  Fall,  dafs  die  Präposition  im  Kymrischen  als  to 
erhalten  ist. 

14:.    Altir.  fetarl(a)icc. 

Eä  ist  zunächst  auffällig,  dafs  altir.  fetarl[a)icc,  G.  fetar- 
l(a)icce  und  fetarl(ai)/'ci.  'das  alte  Testament'  aus  (m)  uetere  lege 
unleniertes  g  (gesehrieben  c  oder  cc)  bat;  dasselbe  gilt  für 
martarlak  •raartyrolo^iuni'  Fei.  Epil.  140.  Offenbar  beruht  das 
auf  Angleichung  an  f>acarhn7c(c)  mkymr.  -^eyyrffyc  'sacrificium', 
wie  auch  sonst  gerade  Fremdwörter  sich  gern  aneinander  an- 
lehnen (Handb.  I  S.  519). 

Bonn.  11.  Thüknevsex. 


Zeitschrift  t.  oelt.  Philoiog-ie  XII,  1.  ly 


MITTEILUNGEN 
AUS  IRISCHEN  HANDSCHRIFTEN. 

(Fortsetzung.) 


Senadh  Saighri  narratur  hicc, 

Ana  D IV  2  (R.  I.  A.),  fol.  51  a  1.  Text  u.  Übersetzung  im  Gaelic  Journal  IV, 
S.  106  ff.  (1889).    Kollationiert. 

Slüaiged  la  Donchad  mac  Flaind  meic  Mail  Sechlaind  do 
denum  müir  7  cluid  i  timcill  Saigri  Ciaräin  ar  impidhi  a 
mhnä  .i.  Sadhb  ingen  DonncÄat?«  Remuir  rlg  Osraighi,  ar 
bä  tnüth  mör  7  ba  fonnut  leisi  mar  7  clod  i  timchill  gach 
5  airdcille  i  nErinn  7  a  ceall  fein  .1.  Saighir  gan  clod,  gan 
mär.  (51  a  2)  Co  rancatar  fir  Midhi  le  co  Tulaigh  nDonnchadha 
fri  Saighair  anair  7  co  wbidis  ac  denum  in  chluidh  cach  lai 
i  timcill  na  cilde,  Is  annsin  doriacht  corp  a  hathar-si  don 
cill  dia  adhnacadh  7  fen   for   slisn^r^   ag  a  imcur  7  rohadh- 

10  nacht  fachetöir.  ö  rodhorcÄa/^r  an  adhaigh  tanccatar  nönbur 
crosän  clabach  cirdub  co  »»bätar  forsan  üaigh  ac  cllaraighecht 
amaZ  is  bes  do  chrossänaib  6  sin  anald.  Bä  gilithir  snechta 
a  saile  7  a  fiacla  7  ba  duibidlit/i?r  güal  cach  bald  aüe  dib. 
Is  amlaid  täncatar    7    duän   leo   dö    7    cach   duine   dochldh 

15  Tat  donlth  galar  läi  co  n-aidchi  dhö  7  isl  seo  in  düan  sin: 

Muinter  DonncÄa<cZ  möir  meic  Cealdaigh,      coinde  üabair, 
cliara  binne  bid  ac  glsedhaigh      sinde  ar  slüaghaib. 
Slüaig  ac  milradh  mhuighe  läna,      tighe  n-öla, 
öccmnä  finna,  flaithi  fTala,      maithi  möra. 
20       Gäir  a  chllar  7  a  cheithern,      coinnme  degslüaigh, 
sretha  sirthe  risin  saimgrein,      crithle  cremnüail. 
Crotta  cuislenna  co  cuibdhi,      filidh  faibli, 
U  dän  ndathghlan  töighdis  co  righ      rathmur  Raighne. 


MITTEII.rNGKN    AUS    IRISCHKN    HANDSCHRIFTEN.  291 

Docer^)  do  dan,      a  meic  righ.  Raighne  co  rathaib, 

caide  na  cuiruu,   nö   caidhi  in  rahuirn      dobi  cot  athair? 

Rogaba[d]  greim      don  fir  roairfitset  uili, 

äibinn  in  rith  fora  raibi      for  bith  buidhi. 

Baptais  baptain  for  a  anmain      üair  rocluinnter,  5 

mör  a  lüagh  ar  ndiü  'san  alltar.      sinne  a  muinter. 

Muinter  Donnchada. 
No  bidis  in  ciillar  sin  ö  fescur  co  maidin  oc  cliaraighecht 
lassin  düain  sin  forsin  üaigh  (51  b  1)  7  cacli  duine  dofeghadli 
iat,  dognidh  galar  läi  co  n-aidclii  dö.    Cor  fäs  ceist  oc  Isech-  10 
aibh  7  cleircib  de  sin,  ar  ba  hingnad  demna  co  follus  a  coimai- 
decht  in  righ  läncräibdigh. 

Ba  headli  so   immorro  ni  dia  chräbadli  i.  fodail  bidh  7 
lenna  eecha  feile  apstail  in  cach  ardcill  i  nOsraigi  7  altram 
De  cacha  tighi  i  nOsraighe  ar  son  a  cheitirne  timchill  7  tri  15 
peillge  cecli   tighi  .i.  peillec  dechmaidhe  7   peillec   mirenn  7 
peillec  tuirt  in  ciric  7  beith  fa  breith  7  fa  fäisidin  ö  sin  amach. 
Co  ndernsat  na  cleirigh  treidenus  fri  Dia,  co  faillsigthea 
döib  eidh   imarleusatt  na  demna  he  conustäinicc  aingel  De  a 
tis   doehuni   esile  D«   do   cenel   Flacaeh   .i.   hüa   Capaild   a  20 
sloinnedh.    7   atbert:    'Is    maith   a    ndernsabair,   ar    se,    in 
troseadh  .i.  nönbur  do  eleir  hüi  Chongeöidh  Iat,  ar  s^,   7  is 
e  seo  in  tres  fecht  tancatar  i  nEirinn  a  hifFün  7  ö  narfedsat 
ni  don  righ  ina  bethaigh,  is  aire  atät  arna  eeo  ag  a  dheitchedh 
7  dentar  oiffrend  ambaraeh  7  uisci  coisrictha  7  crothar  ar  in  25 
üaigh    7   ar  in   reilicc  uile  he   7   ar  madh  na  cille  7  ticfaid 
üaibh  na  demna  7   dorönadh  amlaidh   7   tänccatar  cliar  hüi 
Congheöid   i   rechtaib  en  cüldub  isin   aeoir  etarbüas   7   nir- 
amsatt    loighe    forsan    talmain    coisrictha    7    atbertatar   'Ni, 
sechmaid,  nl  sechmhaidh'  ar  siat  "in  trosatrf  7  in  coisecrad,  30 
üair  robeimis-ni  a  ndegaidh  a  euirp  isint  ssegiial,   ar  itä  a 
ainim  ar  uim   7  ni  cuingium-ne  ni  dl  7  roimthighset  ar  sin, 
Is  annsin  robüi  in  crossän  Find  hüa  Ciil^a  7  Mac  Rinn- 
tach  liüa  Con  Odräin  aun,  conid  Tat  na  (51b  2)  crossana  sin 
romeabraidhset  in  düan  7   in  airfidiudh  ö  cleir  hüi  Congeöid.  35 
Conidh    hi    sin    ealada    rofodhain    döib    0    sin   amach    7    do 
chrossänaibli  aüe  na  hErenn  otä  sin  anall  fös.     Finit. 

';  Dodor  Hs. 

.       19* 


292  KUNO    MEYER. 

Macht  keine  Räuberhöhle  aus  der  Kirche! 

Ibid.  fol.  49  b  marg.  sup. 
Nocha  ceald.  acht  ainm  cidlle^      bail  nac7i  fegthar  firinne: 
ni  hinadh  do  Christ  na  dann      äit  i  m[b]a  long-port  latrann. 

Wirtshausreime. 

Aus  B  IV  2  (E.  I.  A.),  fol.  141  a. 
Trlar  öcclach  do  muintir  Oedho  meic  DomnaiU'^)  "na  tig 
Sigedh  rocansat  na  runna  sa. 
5  Mac  righ  Hüa  mBairrche  dixit: 

A  fir,  nä  mannoir  an  ces      dona  crannoibh  forsmbse  hi  säs. 
cia  dobero  an  mbren  anüas,      ni  raga  'nar  mbel  co  ar  mbäs, 

Mac  righ  Hüa  nDröna  dixit: 
Teccait  äigid,  fäcboit  ail,      saigit  go  glain  nGäidil  ngil, 
10       nocha  chiimai  cach  is  cäch      dia  ferta-sa  an  fäth,  a  fir. 
Mac  righ  Hüa  Fot[h]art  dixit: 
Eirni  dar  ceill  ertha  tuir,      tabair  a  reir,  a  laich  lir, 
adledh  do  lämh  tech  na  muc.      nl  da  räd  dun  rut,  a  fir. 

A. 
JEof/an  Mör  und  Conti. 
Aus  dem  Buch  von  Lecan,  fol.  337  a. 
Luid  Eogan  Mör  lar  sin  do  gabäil  rlgi  na  Muman  7  a 
15  oidi  lais  .1.  Dairi  Barrach  mac  Cathäir  Mäir.    Bädar  tri  rig 
for  Mumain  in  tan  sin  .i.  Lngaid  Allathach  7  Dairi  Dornnmar 
senathair  Luigdeach  Allathaich  7  Aengiis.  Do  sil  Chonairi  meic 
Mesi  Büachalla  döib. 

Doberaid  tri   catha   do  Eogan  .i.  cath  Samaire.   is  and 
20  romarbad  Lugaid  Allathach  7  cath  Samua  a  ndorchair  Dairi 
Dornnmar,  üair  is  rem  Eogan  romoigsed  na  catha  sin  uili. 

Teit  Äengus  lar  sin  do  chuindgid  socliraidi  co  Oond  Cetcha- 
thach.  Dober  Coud  se  catha  lais  7  dobert  cath  d'Eogan  Mör 
i  Carn  Nemid  a  nÄib  (sie)  Liathan  7  moidid  for  Äengus  7  marb- 
25  thar  Äengus  and.  Fäsaid  iarom  cocad  mör  iter  Chond  Cet- 
cathach  7  Mog  Nüadad  7  brisid  Mod  Nüadat  deich  catha  for 
Chond  .i.  cath  Brosnaidi  7  cath  Seigi  Mosad  7  cath  Gabrän 


>)  =  cille. 

'■')  König  von  Ailech,  gest.  1004. 


MITTETLUNliEN    AUS    IRISCHEN    HANDSCHRIFTEN.  203 

7  cath  Sampaidi  7  cath  Greni  7  cath  Süamaid  7  cath  Ätba 
Lüain  7  cath  Moigi  Croichi.  is  and  domarbad  Flacha  Räeda 
mac  Feidlimid  Rechtmair,  7  cath  Asail  7  cath  Uisnich. 

Conad  iar  sin  doroindead  Eiri  iter  Chond  Cetcathach  7 
Eogan  Mör  7  fa  hl  a  coicrich  (337  b)  i  ndruim  forsada  Clüain  o 
hiraird  7  Clüaiu  meic  Nöis  7  ö  Äth  Cliath  Medraidi  co  hÄth 
Cliath  Duiblindi  7  bädar  forsin  loind  sin  co  tucad  cath  Muigi 
Lena  iter  Cond  7  Mog  Nüadad  co  ndorchair  Mog  Nüadat  ann 
la  Conn  7  är  Muinmech.   Finit.i) 

Sancta  Brigita. 

Ibid.  fol.  166  c.    Vgl.  Lismore  Lives  Z.  1689  ff. 

Gach  ni  thra  nochuindged  Brigit  forsin  Coimdig  dobeirthea  10 
dl  fochedöir  ön  Düileamuin,  üair  fa  he  a  saint  säsad  na  mbocht 
7  dTchor  cacha  docamla  7  oirchiseacht  cacha  trüaidi. 

NT  roibe  thra  neach  bud  feile  nä  bad  näiride  näs  in 
nsemög  sin.  Ni  ronig  riam  a  läma  nä  cosa  nä  cend  iter 
feraib  nä  fearscälaib.  Nl  rodech  riam  a  gnüis  for  a  scäile  tre  15 
blthin  üabair  ar  febas  a  dealba  7  a  denmai.  Ni  rolabair  can 
loise.  Ba  hrdnteach  7  ba  handaic  7  ba  hurnaigthech  7  ba  foidi- 
deach  7  ba  fäilig  a  timnaib  De.  Ba  cobsaid  7  ba  humal  7  ba 
dilgadach  dercach  7  ba  comra  choisearctha  coiraeta  ciiirp 
Christ  7  ba  tempall  dlleas  do  Dia  boden.  Ba  rigsuige  tairise  20 
don  (166  d)  Spirad  Naem  a  craide  7  a  raenma.  Ba  diuit 
(i.  glan)  fi'i  Dia  in  nsemög  sin  7  ba  toirrseach  do  thrögaib  7 
do  deidbleuaib  De  7  bä  hedrocht  isa  timna  De  hl. 

Is  he  immorro  a  samail  iter  düilib  i.  colam  iter  enaib  7 
fineamain  iter  leadaib  7  grian  ös  reandaib  a  samail.  Is  he  25 
athair  na  nsemöige.  sea  .i.  int  athair  nemda  7  is  e  a  mac  .i. 
Isa  Christ,  is  6  a  hoide  in  Spirad  Naem.  Is  airi  sin  donid  si 
na  mii'baileada  raöra  diäirmigthi  sea  ton  uili  doman.  Is  hl 
ordaiges  do  chäch  u  chumachta  7  sdiüias  do  cach  cen  bis  a 
cumga  7  a  ngüasacht.  Is  hi  thräethas  na  tedmanda  7  is  I  30 
thoirnes  tondgar  7  fearg  in  mara  raöir.  Is  hi  seo^antairrn- 
gertaig  Christ,  is  I  rigan  in  descirt,  is  T  Muiri  na  nGaegel. 

A  firta  immorro  7  a  mirbaileada  nl  chumaing  neach  a 
n-indisin  acht  mina  indisead  a  spirad  bodein  nö  mina  thisad 

')   Hier   folgt  dann  der  von  Stokes  RC.  XI  S.  41ff.  gedruckte  und 
übersetzte  Abschnitt  über  Fiacha  Moilletbau. 


294  KÜXO    METER, 

aingeal  De  do  nim  dia  n-ind[i]sin.  Nir  bo  Ha  immorro  gainem 
mara  nö  reann  feada  inä  deirc  7  tröcairi  na  naemöigi  sin. 
Finit. 

Vom  Buchstaben.  , 

Ibid.  fol.  166  a. 

Trächtad  annso  arna  thairring  a  leabraib  laidianda  7  a 

ii  proiceapt  Presien  7  a  diamraib  breithrib  Donaide. 

Cia  is  litir  and  7  ca  med  fognos  do  \itir  7  ca  med  fogail 
ita  for  na  litrib  ?  Ni  hansa.  Is  ed  is  litir  and  .i.  gnth  doscailti 
fetar  do  scribenn.  As  uimi  aderar  lit?>  riu  .i.  ön  breithir  is 
gregda  nö  is  legda  and  leigann  7  ön  ainm  sin  iter  ilenires  (166  b) 

10  .i.  sligi  chumcach  ecna  do  legad  7  is  iad  na  tri  neichi  fognos 
do  litir  .i.  ainm  7  Mar  7  cumaclita. 

Cred  is  ainm  do  lit/V?  Ni  hansa.  Ainmniugad  üaitlii  -duial 
ita  guthaidi  7  consaine.  Cred  is  fidar  and  do  litir?  Ni  hansa. 
Tairring  sothuicsinach  donither  ar  in  meamram.    Craed  hi  fein 

15  cumachta  litri?  Ni  hansa.  Mog  chomroindi  co  gerr  nö  co  fata, 
CO  min  nö  co  garb.  Craed  fofrlth  litir?  Ni  hansa,  Ar  tri 
cüisib  .i.  cilis  cuimnigthe  na  riied  dochüaid  seoehad  7  cüis  tind- 
scanta  na  rsed  n-anaitlinich  7  cüis  aithnigthi  na  nichead  n-6gsa- 
mail  nö  n-egsaineacli. 

20  Cindis  fogailter  na  litri  ?  Ni  han.m.  Guthaidi  7  consaine. 
Ca  lin  ngutbaide  itä  and?  Ni  hansa.  A  cüic  .i.  a  0  u  e  i  7  atä 
tri  gutbaideada  glana  aun  ,i.  a  0  e  7  is  airi  aderar  corab 
glan  iad,  üair  ni  theid  nl  da  mbrig  estib  tre  litrib  alle.  Atäit 
da  guthaide  nemglana  and  .i.  u  i.    Is  airi  aderar  neamglan 

25  riu-sin,  üair  theid  a  mbrlg  estib  tre  guthaidib  glana  'na  ndiaid. 
Craed  is  guthaide  and?  Ni  hansa.  Litir  ö  dentar  guth  ein 
comchumasc  ö  chonsain.  Craed  is  consain  and?  Ni  hansa. 
Aroili  eliminti)  nach  fedann  guth  do  denam  can  guthaide. 
Atäit  da  fogail  ar  na  consainib  .i.  leathguthaidi  7  muiti.    Ca 

30  med  leathguthaidi  itä  and?  Nl  hansa.  A  seaeht.  Ce  a  n-an- 
mand?  .i.  m  n  1  r  s  x  h.  Craed  ma  n-abar  leathguthta  riu- 
sin?  Ni  hansa.  Da  leathguthaidi  gregacha,  ö  guthaidi  tinds- 
cainter  lad  7  a  consain  teid  a  nderead.  Craed  is  muit  and? 
Ni  hansa.    Cach  litir  tindscainter  ö  chonsain  7  erleb naidthear 

35  ö  guthaide.    Cia  lin  atäit  na  muiti?    Nl  hansa.    A  näi  .i.  b  c 

*)  elimtint  Hs. 


MITTEILUNGEN    AUS    IRLSCHF5N    HANDSCHRIFTEN.  295 

d  g  p  q  t  k  z.  Craßd  is  sgellaeb  and?  Ni  hansa.  Tinöl 
timaircthech  litrech  nö  guta  a  n-ainm,  üair  is  foirpthi  int 
[sjillaeb  cach  guthaidi  tnchi  7  ni  theit  tar  se  litrib  ar  med 
7  is  airi  aderar  sillaeb  ön  focol  sasillabui  .i.  as  inand  sin  asin 
greig  7  comtinöl  asin  laitin  7  asinn  gseidilg.    Finit. 

Aus  H.  3.  18,  S.  564. 

1  Nena  filed  feghthar  linn,      inn  esä  düin  gin  dichill? 
cia  leitir  sin  cenn  a  cenu      dogniad  letlifod  is  lethtenn. 

2  Bethe.  sail,  hüath,  coli  ferce,      äinnim  cuctha  in  tren-tinne, 
d««7-,  gort,   hethe  bius  a  cround       do  leith  for  leith  is 

leathtroum. 

0  Ngetal,  luiss,  vuis  cona  rinn,      nin  7  muin  mar  maoeidhim, 
re  dethbir  foirbhthe  is  iat  sin      fedha  le/tenna  leghtair. 

4  Fern  is  coli  is  tinne  tra      mar  techtait  tinfid  newa,i) 
donl  in  trlan  sin  roturm[iu]s      lethtenn  län  is  läncuibdes. 

5  Ailm  7  onn.  ür  mar  aon      doniad  a  rennaib  rennclaon, 
ar  edliadh,  ar  idhadh  tra      mar  conecad  na  nena. 

6  Coic  fodhla  ar  eceuibdes  oll:      leathfoda,  leathtend,  leath- 

trom, 
bruilingicht,  nl  bec  in  col,      !et[h]garbli  gin  a  lesugMti. 

7  Ba  suadh  saortar  oga      ar  gach  locht  is  lethfota, 

nocha  dognirah  fadera      a  coimllon  a  caomhnenauo.    Neana. 

Pflichten  and  Gebühren  des  oUam, 

Ibidem. 

1  Is  dliged^)  den  oUamain      sairsi  ö  ri[g]  eo  hüathaid, 
dl«^ar  d'ollawam   üasa/       tüatha   for  a  snädadh,   cüart^ 

for  na  tüathaib. 

2  Im  cäisc  is  im  nodlla/c,      im  samain  do  sunnradh. 
laceidh  saoirdhenmach  solamh      dlegar  d'ollamh  orlaumb. 

0  A  tossaeh  a  flm7Äis      a  liiintigh  bid  aide, 
dlegar  de  läidh  langhlan      ocus  marbnath  erdnti. 

4  Muna  tuca  int  aWani      in  dän  'na  am  üadha, 
crod  in  filed  cobhdha      dlighidh  for  na  düana. 


'»  ulSa  Hs.    Vielieiclit  n-sca. 
*)  dlid  Hs. 


2<.>6  KÜXJi    METER. 

5  Dligid  tencair  coitcenn      d'ollamain  in  däna. 
dronna  in  snaidra  sloda      ocus  tairb  na  täna. 

Mensch enkind  und  Gotteskind. 

Ibidem. 

1  Mac  duine      timghair  aithe  a  mhaoeine. 

mac  De  nimhe  ni  maithi      a  cßdmaoine  cach  Jaithe. 

2  Nop  senaidh      dochl  mac  De  cia  denaidh. 

cipsT  däl  dognither  de.      is  innraic  in  fTadhnaisi. 

3  Ri  nimhe      ni  ferr  a  chäch  in  doichli, 

in  Rl  conic  na  hnile.      Ri  ein  tuile.  gan  aithbe. 

Mael  Isu  cecinit. 

Aas  fl.  1.  11,  fol.l40a. 

1  Dia  häine  ni  longud,      fö  lim  cia  beo  i  singi. 
air  mac  Muire  imrädhe      robüi  hi  ngäbadh  inne. 

2  Is  6  in  trebar  dogni      nät  proindi  hi  cetäine. 

is  e  [in]  laithi  cen  metli       i  ndernad  brath  in  Coimdedh. 

3  Inti  longMi-  i  n-öeine      atä  n  cuit-sium  a  claoine, 
amaZ  budh  e  'na  chrochadh      mac  De  roces  ar  ddine.^) 

4  Int!  longi*«  i  n-äine      manip  galar  nodlüaidi. 

nl  mad  tardad  baithis  tonn      tairthi  caithis  ind-üairib. 

5  Nl  longa      dia  häine  la  maccw. 

is  e  mo  laithi  catha      [tar  cennj  flatha  frisnaca.^) 

6  Ni  longa      dia  haine  didine. 

is  e  la  catha 3)      tair  cheun  flatha  firinne. 

7  .A.  longaidh  si      os  niisi  bia  am  throscad. 

air  teil!  ua  dlbhtai  usce.      ar  fiiacht  na  forbir  loscath. 

8  In  troscad,      ni  fuil  duine  nodcarad. 

raani  äghedh  a  lösend      hi  richis  rüaid  cen  anad. 
y  Fil  a  dö      a  tumgad  (.s/c)  do  troscad: 

tein[e]  na  dibda  usce.      aigri  nä  legat  fria  loscadh. 

10  Is  lobra      do  neoch  nät  fodaim  troscud. 
rodimdlia  cen  intlätad.      tene  ifiru  dia  loscud. 

11  Asbere      for  nach  äineis  tirthroscud 
inna  sau(mj  in  sirloscud. 

•)  ndäine  Ha.  *)  Lies:  fri.su-accu. 

•')  Lies:  i.s  ?  mo  laitLe  irathn. 


KUNO    MKTER.    MITTKIHNGEN.  297 

12  Fil  a  n-aine      nech  imanaigh  ar  loscud. 

fuisim  (iamh  in  cuid  andiu      conidnaisiur  iar  troscud. 

13  Ni  ma  tulaid  for  Trind      nech  nä  dena  aindidin, 

isT  penaid  notii  de:      ifern  ocus  garseclae.       De  hainf. 

Ibidem. 

1  Mo  labradli      rob  tu  molus  cen  mannradli. 

rob  tu  caras  mo  chride,      a  Rl  nimeO.7  talman. 

2  Mo  labrad      rob  tu  molus  gen  mannradh, 

reighid,  a  ruire  roghlan,       dam  t'fognamh  nile  is  t'agrad.*) 

3  Mo  labrad      rob  tu  molus  cen  [mannrad], 

[aj   athair  cach[a]  bäidi,       cluin  mo  laid[i]  is  mo  labrad. 

M.  r. 

Heliodorus  der  Gascogner. 

Ich  drucke  hier  nur  den  Anfang  dieses  Texte»  aus  Rawl. 
B.  503  ab,  um  endlich  den  Mythus  aus  der  Welt  zu  schaffen, 
däfs  es  sich  um  eine  Version  von  Heliodors  ÄithiopiJca  liandelt. 

Ardrigh  uasall  oreadha  nertmwr  laidir  nosmnr  niam- 
chrothach  ro  ghabh  flaith/w?  agus  forlamhus  for  san  Gasgwm 
fecht  n-aill.  dar  bho  comhainm  Heliodorus  agus  do  bhi  an 
righ  sin  gan  chloinn  aige  7  gan  neoch  ar  a  sliocht  fein  no 
na  fola  rioghdha  do  geaJoadh  an  righacht  da  eis.  Do  bhi  besä 
aige  na  rightha  'sann  aims/r  sin  anall  .i.  an  fer  do  bhidhedh 
gan  chloinn  diph  üedh  agus  fesda  oiredha  d'ollmughudh  dho. 

')  ar  in  ntmi  Hs. 

-)  tagrui«!  Hs.    Zu  lesen:  t'fograd? 

Berlin-Wilmersdorf.  Küno  Meyer. 


VERMISCHTES. 

1.   Altirisch  gildae  „Junger  Mann,  Diener". 

In  seinem  „Bidrag  til  det  norske  sprogs  historie  i  Irland" 
(S.  123)  stellt  Marstrander  die  Behauptung  auf.  dafs  das 
mittel! rische  gilla  nicht,  wie  man  bisher  mit  Zimmer 
(Zf.d.  A.  XXXV  13)  angenommen  hatte,  aus  dem  altnordischen 
gildr  ^trefflich,  brauchbar,  dienlich"  entlehnt  sein  könne,  da 
es  „älter  als  die  Wikingerzeit"  sei. 

Dagegen  ist  vor  allem  festzustellen,  dafs  das  Wort,  ganz 
abgeisehen  davon,  ob  man  das  bei  Cormac  (Anecd.  IV  S. 55) 
überlieferte  gilldce  oder  das  später  allgemein  gebräuchliche 
gilla  als  die  ursprüngliche  Form  ansetzt,  keinesfalls 
irischer  Herkunft  sein  kann.  Das  ergibt  sich  schon  aus 
den  elementarsten  Lautgesetzen. 

Aus  den  in  Windisch's  Wörterbuch  angeführten  Formen, 
wie  dem  Dat.  Sg.  und  Akk.  Vok.  PI.  gilhi  oder  dem  Vok.  Sg. 
und  Nom.  PI.  gillai,  geht  klar  hervor,  dafs  wir  einen  -jo- 
Stamm  vor  uns  haben.  Wie  will  man  dann  aber  das  i  vor 
nicht -palatalem  Id  (oder  IT)  erklären?  Eine  Grundform 
*gildjos  ist  ausgeschlossen,  da  das  Id,  wie  air.  saillim  (aus 
*sald  . .  .)  ;,ich  salze"  zeigt,  palatalisiert  worden  wäre.  Aber 
auch  der  Gedanke,  dafs  zwischen  l  und  d  ein  Vokal  aus- 
gefallen wäre,  i:it  undurchführbar,  denn  es  könnte  sich  wegen 
des  vorausgehenden  i  nur  um  ein  e,  i,  oder  u  handeln;  in 
allen  drei  Fällen  würde  dann  aber  die  nicht- palatale  Qualität 
der  Lautgruppe  Id  (11)  widersprechen. 

Man  sieht  also  deutlich,  dafs  es  sich  hier  um  eiu  Lehn- 
wort handeln  mufs,  weil  das  Wort  eine  nach  iiischen  Laut- 
gesetzen ganz  undenkbare  Gestalt  aufweist.  Als  Quelle  der 
Entlehnung  kommt  aber  einzig  und  allein  das  Altnordische 
in  Betracht. 


VERMTfiCHTES.  299 

Marstranders  Behauptung,  dafs  das  Wort  älter  sei,  als  die 
Wikingerzeit,  beruht  offenbar  auf  der  Tatsache,  dafs  es 
scheinbar  in  Sagentexten  des  8.  Jahrhunderts  vorkommt.  Da 
aber  alle  diese  Texte  nicht  vor  dem  11.  Jahrhundert  über- 
liefert sind,  ist  es  klar,  dals  wir  mit  Vorsicht  prüfen  müssen, 
ob  das  Wort  wirklich  im  Original  stand  und  nicht  erst  von 
späteren  Abschreibern  herrührt. 

Ich  möchte  hier  nachdrücklich  abermals  darauf  hinweisen, 
dafs  auch  die  Übereinstimmung  aller  Handschriften  noch 
nichts  beweisen  niufs,  wie  ich  schon  einmal  (oben  IX,  S.  186) 
gezeigt  habe.  In  unserem  Falle  liegt  die  Sache  allerdings 
wesentlich  einfacher-.  Die  einzigen  wirklich  alten  Texte,  in 
denen  das  Wort  ijilla  vorzukommen  scheint,  sind  Echtra 
Connia  und  Compert  Con  Culainn. 

Die  Echtra  Connia  können  wir  sofort  abtun.  Hier 
erscheint  das  Wort  nämlicli  nur  in  LU  {Cia,  a  gillai,  ol  Cond 
fria  mac,  acailli)  und  Harl.  5280  {Cit,  a  gildai,  ol  Cond  frie 
a  tnac,  acaülie),  während  es  in  allen  übrigen  sieben  Hand- 
schriften fehlt,  wo  es  helfet  (YBL,  col.  399):  Cia  adgläiter^ 
ol  Cond  Cetcliathach ,  usw.  Ich  habe  bereits  früher  (Rev. 
Celt.  XXXIII,  58 ff.)  gezeigt,  dafs  Lü  und  HarL  eine  jüngere 
minderwertige  Redaktion  unseres  Textes  darstellen,  und  es  ist 
somit  klar,  dafs  die  Fonu  a  gildai  nicht  im  Original  gestanden 
hat,  sondern  erst  von  dem  Schreiber  der  Vorlage  von  LU  in 
den  Text  eingefügt  wurde,  in  dem  sie  übrigens  völlig  über- 
flüssig ist. 

Was  Compert  ConCulaiun  (ed.  Thurueysen,  Zu  ir.  Hss.,  I 
S.  31  ff.)  betrifft,  so  kommt  unser  Wort  nur  einmal  am  Schlüsse 
der  Erzählung  vor,  und  zwar  nur  in  dfen  drei  Hss.  E,  H  und  N, 
während  es  in  LU  und  Eg.  1782  felilt.  Schon  aus  diesem 
Grunde  mufs  es  als  unsicher  bezeichnet  werden,  ob  es  auch 
im  Originale  gestanden  habe.  Thurneysen  hat  zwar  bei  der 
Wiederherstellung  des  Textes  die  erstgenannten  drei  Hss. 
zugrunde  gelegt,  offenbar  deswegen,  weil  alle  drei  den  gleichen 
Schlufs  haben,  während  LU  und  Eg.  1782  von  ihnen  und 
auch  untereinander  abweichen. 

Nach  E,  N  und  H  lautet  er:  ßirt  mac,  gabsi  Caulann 
öerd,  ba  si  a  aiite.  Marhais  som  a  coin  side  iarom,  in  tan  ha 
n-gillae  (oder  gildae)   oc  cluichiu,   comho    iarom   as-bert  som: 


300  JÜLIUJN    POKOHNY, 

„Bicl  meise  do  chü  so,  a  popce."  Conid  de  ra-rnjiml  seom 
iarom  Cu  Chaulainn. 

LU  hat:  Birt  mac,  ocus  doberar  Setanta  fair.  Hieran 
schliefst  sich  dann,  nachdem  das  ursprüngliche  Ende  aus- 
radiert worden  war,  eine  zweite  Version  der  Sage,  die  in 
Eg.  1782  (Ir.  Texte  1 143)  noch  gesondert  vorliegt. 

In  Eg.  1782  heilst  es:  Ocus  hert  mac,  ocus  ha  he  dono 
mac  na  teora  m-hliadnae  in  sin,  ocus  ha  Setanta  a  ainm  iarum, 
(jommo  marh  laiss  iarum  CuCaidaind  cerddo.  Is  o  sin  i-lle 
ro-hainmnigtJier  dö  CüGtulainn.    Finit. 

Daraus,  dai's  der  SchUifs  in  Eg.  1782  und  Lü  verschieden 
ist,  läfst  sich  aber  für  das  ursprüngliche  Ende  der  Erzählung 
keinerlei  Folgerung  ableiten,  weil  der  ursprüngliche  Schluls 
ja  in  LU  durch  Ausradieren  beseitigt  worden  ist.  Da  aber 
LU  und  Eg.  1782  auch  sonst  gegenüber  den  anderen  drei  Hss. 
eine  Einheit  bilden,  werden  wir  annehmen  müssen,  dafs  Eg.  1782 
so  ziemlich  den  ursprünglichen  Schluls  der  LU-Kedaktion 
bewahrt  hat.  Wir  haben  somit  zwei  Gruppen  von  zwei  und 
drei  Hss.,  und  es  gilt  nur  festzustellen,  welche  von  ihnen  den 
Schlufs  der  Erzählung  richtiger  überliefert  hat. 

Augenblicklich  handelt  es  sich  aber  nur  darum,  dafs 
angesichts  dieser  Sachlage  keine  Notwendigkeit  vorliegt,  die 
Foim  gillae  dem  Original  des  8.  Jahrhunderts  zuzuweisen. 

In  den  ältesten  Teilen  der  Täin,  die  älter  sind,  als  die 
Wikingerzeit,  kommt  unser  Wort  nicht  vor,  dagegen  ist  es 
in  der  Hauptmasse  des  Textes,  der  bekanntlich  einer  Kom- 
pilation in  der  I.Hälfte  des  11.  Jahrliuuderts  seine  Entstehung 
verdankt,  gelegentlich  zu  finden  und  zwar  immer  an  Stellen, 
wo  es  unbedenklich  dem  Kompilator  oder  einer  jüngeren 
Vorlage  desselben  zugeschrieben  werden  kann.  Auch  beim 
Vergleiche  der  einzelnen  Redaktionen  der  Täin  geht  ganz  klar 
hervor,  dafs  das  Wort  immer  häufiger  erscheint,  je  jünger 
die  Redaktion  ist.  So  ist  es  in  LL  viel  häufiger,  als  in  den 
Texten  der  LU- Version;  es  hat  z.  B.  LL  Zeile  265:  (jilla  6c, 
die  LU- Version  dafür  das  Wort  duiim;  LL  Zeile  1402  steht: 
ar  in  gilla,  in  YBL  ol  int  am,  usw.,  während  der  umgekehrte 
Fall  nie  vorkommt. 

Dafs  das  von  gilla  abgeleitete  KoUektivum  gillanrad 
„Burschen"  nur  in  LL,  dagegen   niemals  in  der  LU- Version 


VERMISCHTES.  301 

vorkommt,  beweist  ebenfalls,  dafs  es  sich  um  ein  Fremdwort 
gehandelt  liaben  mufs,  das  erst  nach  und  nach  in  der  Sprache 
heimisch  wurde. 

Wenn  wir  weiter  sehen,  dafs  das  Wort  als  Namen  bildendes 
Element  in  den  Annalen  von  Ulster  zum  ersten  Male  in  den 
Jahren  976  und  982  erscheint,  und,  vorerst  selten,  mit  der 
Zeit  immer  häufiger  wird,  dafs  es  ferner  niemals  zur  Benennung 
von  Helden  der  heidnischen  Vorzeit  verwendet  wird  und  nur 
als  Bezeichnung  von  Christen  dient,  wo  es  zugleich  religiöse 
Bedeutung  angenommen  hat  und  neben  das  ursprünglich 
heidnische  mael  getreten  ist  —  man  vergleiche  blofs  Namen, 
wie  Mael  Tuile  „Diener  der  Flut",  Mael  Umai  „Diener  der 
Bronze",  mit  Güla  Muire  „Diener  Marias",  Gilla  Crist  „Diener 
Christi",  usw.  {Mael  kommt  auch  in  christlichen  Namen  vor, 
kann  also  in  beiden  Fällen  verwendet  werden)  —  so  werden 
wir  in  dieser  Anschauung  noch  bestärkt  werden. 

Aus  dem  bisher  Gesagten  geht  deutlich  genug  hervor, 
dafs  unser  Wort  ein  Fremdwort  ist,  und  da  aus  sehr  nahe- 
liegenden Gründen  nur  das  Altnordische  in  Betracht  kommt, 
werden  wir  die  von  Zimmer  vorgeschlagene  Ent- 
lehnung als  gesichert  ansehen  können. 

Als  selbstverständliche  Folgerung  ergibt  sich  nun,  dafs 
wir  dieses  Kriterium  bei  der  Betrachtung  der  an  sich 
strittigen  Frage  des  ursprünglichen  Endes  der  Erzählung 
Compert  ConCulainn  anwenden  müssen. 

Es  sind  da  zwei  Möglichkeiten  vorhanden: 

Entweder  stellt  Eg.  1782,  wo  das  Wort  gülae  überhaupt 
nicht  vorkommt,  den  ursprünglichen  Schlufs  dar,  oder  der 
sich  in  den  Hss.  E,  N  und  H  findende  Schlufs  ist  zwar  der 
ursprüngliche,  ist  aber  durch  den  Schreiber  der  gemeinsamen 
Vorlage  um  die  Worte  in  tan  Im  n-gülac  sekundär  erweitert 
worden. 

Dafs  letztere  Möglichkeit  ernstlich  in  Betracht  gezogen 
werden  mufs,  ergibt  sich  schon  aus  der  merkwürdigen  Wort- 
stellung: 

Marhais  som  a  coin  side  iarom  in  tan  ha  n- gülae  oc 
cluichiu. 

Man  würde  ja  doch  regelmäfsig  erwarten: 


302  JÜLICS    FOKORNY. 

Inian  ha  n-gillae,  marhais  som  a  coin  side  iarom  oc 
cluichin. 

Wenn  man  sich  hingegen  die  Worte  m  tan  ha  n-<jülae 
fortdenkt,  wird  jene  Unregelmäfsigkeit  beseitigt,  ohne  dafs 
der  Sinn  des  Ganzen  auch  nur  im  geringsten  gestört 
worden  wäre. 

Die  andere  Möglichkeit,  dafs  nämlich  Eg.  1782  den 
ursprünglichen  Schlufs  der  Geschichte  aufweist,  ist  aus 
verschiedenen  Gründen  nicht  eben  so  naheJiegend.  Nach 
Streichung  späterer  Einschübe  könnte  man  jedoch  ganz  gut 
ansetzen : 

Birt  mac  ocus  ha  Setante  a  ainm  iarom,  co  m-ho  marh 
laiss  iarom  CiiChaulainn  cerdde.  Is  o  sin  i-lle  ro-ainmniged 
Ca  Chaulainn. 

Doch  läfst  sich  diese  Frage  nicht  so  leicht  entscheiden, 
da  noch  das  Verhältnis  der  Hss.  N  und  E  zu  H  nicht  ganz 
geklärt  ist;  ich  würde  auch  Bedenken  tragen,  die  Annahme 
Thurneysens,  dafs  diese  drei  Hss.  eine  ältere  Stufe  der 
Sagen tradition  repräsentieren,  als  unbestreitbar  aufzufassen. 
Namentlich  dafür,  ,dafs  Deichtire  oder  Deiclitine  ursprünglich 
als  Schwester  Conchobars  gegolten  habe,  sprechen  wichtige 
sagengeschichtliche  Parallelen,  die  einen  Inzest  von  Ge- 
schwistern voraussetzen.  Ich  könnte  mich  nur  infolge 
gewichtiger  Gründe  seiner  Meinung  anschliefsen,  dafs  hier 
der  Inzest  zwischen  Vater  und  Tochter  das  ältere  Motiv  sei, 
und  weifs  nicht,  ob  die  Übereinstimmung  der  drei  Hss.  gegen- 
über LU  und  Eg.  1782  und  der  gesamten  übrigen  Tradition 
genügend  in  die  Wagschale  fällt;  es  könnte  ja  eine  solche 
abweichende  Darstellung  auch  leicht  der  mifs verständlichen 
Auffassung  eines  .unkundigen  Abschreibers  entsprungen  sein. 

Namentlich  Stellen,  wie:  ha  torrach  an  inyliin,  hu  less  no 
f'oadh  an  inghin  (H.)  und  besonders  arnenaisc  inrom  Concuhar 
ind  Ingen  do  SuaJtaim  (N)  wo  ingai  sowolil  als  „Tochter" 
wie  auch  als  „Mädchen"  aufgefafst  werden  konnte,  können 
unschwer  zu  einem  derartigen  Irrtum  beigetragen  haben. 

Über  das  Inzest -Motiv  möchte'  ich  seiner  Wichtigkeit 
wegen  noch  ein  paar  Worte  sagen. 

Es  mul's  jedermann  auffallen,  dafs  von  Concliubar  und 
seinem  Schwestersohne  CuChulainn  genau   dieselbe   Geburts- 


VERMISCHTES.  303 

geschichte  überliefert  ist.  Vorausschicken  will  ich.  dafs  Coii- 
chobar  ganz  zweifellos  eine  mythische  Persönlichkeit  darstellt, 
da  er  ausdrücklich  als  „Gott  auf  Erden"  (Dia  talmaide, 
LU  101  b)  und  seine  Schwester  Deichtire  als  „Göttin"  (Mac 
Dea  Dechtiri  heilst  ihr  Sohn  Cü  Chulainn  LL  123  b)  bezeichnet 
wird.  Somit  müssen  natürlich  jene  umlaufenden  Versionen, 
die  ihm  den  Druiden  Cathbad  oder  den  König  Fachtna  Fathach 
zum  Vater  geben,  als  rationalisierende  Versuche  verworfen 
werden,  während  nur  die  Sage,  die  von  seiner  übernatürlichen 
Empfängnis  durch  zwei  von  seiner  Mutter  verschluckte  Würmer 
spricht  (Rev.  Celt.  VI  178),  Anspruch  auf  Ursprüuglichkeit 
erheben  darf. 

Dafs  genau  dasselbe  von  seinem  Schwestersohne  Cü  Chu- 
lainn erzählt  wird,  muls  natürlich  unseren  Verdacht  erregen, 
besonders  wenn  man  die  betreffende  Geschichte  liest,  der  man 
sofort  ansieht,  dafs  sie  durch  eine  ziemlich  ungeschickte 
Verschmelzung  verschiedener  Versionen  entstanden  sein  muls 
(Übersetzung  bei  Thurneysen,  Zu  ir.  Hss.  I,  S.  38 ff.);  das  einzig 
Neue,  das  wir  hier  erfahren,  ist,  dafs  es  der  Gott  Lug  war, 
der  die  wunderbare  Empfängnis  hervorgerufen  hat.  Da  ferner 
die  Vaterschaft  des  Ulsterhelden  Sualtaim  i)  bei  der  Gott-Natur 
des  Helden  ebenfalls  keinen  Anspruch  auf  Ursprünglichkeit 
erheben  darf,  werden  wir  die  in  allen  Versionen  des  Compert 
Con  Culainn  erwähnte  dritte  Möglichkeit,  dals  Cü  Chulainn 
dem  Inzest  zwischen  Conchobar  und  seiner  Schwester  Deich- 
tire entsprungen  sei,  als  die  einzig  richtige  auffassen  müssen. 

Den  christlichen  Schreibern  erschien  begreiflicherweise 
diese  Version  als  die  am  wenigsten  erwünschte,  und  sie  über- 
trugen einfach  die  Geschichte  von  der  wund^baren  Empfängnis 
Conchobars  auf  unseren  Helden  und  lielsen  statt  Ness,  der 
Mutter  Conchobars,  dessen  Schwester  Deichtire  durch  den 
Gott  Lug  schwanger  werden,  der  mithin  Conchobars  göttlicher 
Vater  gewesen  sein  muXs.  Um  konsequent  zu  bleiben,  mufste 
man  aber,  sobald  man  an  den  Inzest  der  Geschwister  nicht 
glauben   wollte,   Lug  als  den  Vater  (statt  des  Grolsvaters) 


»)  Nach  K.  Meyer  ist  übrigens  die  ganze  Geschichte  von  der  Vater- 
schaft des  Siialtavi  sekundär,  da  dieser  überhaupt  in  der  ursprünglichen 
Überlieferung  nicht  existierte  und  einer  Verlesung  seinen  Ursprung  verdankt. 


?»04  .IKLirs    POKORNY.  ' 

«JüChulainns  bezeichneii.  Schon  A.  Nutt.  hat  ja  (Voya;^e  of 
Brau  II 44)  darauf  hingewiesen,  dafs  das  Inzest -Motiv  in 
den  verwandten  Sagen  von  Siegfried  und  Arthur  beweist,  dafs 
es  aucli  in  unserer  Sage  als  alt  angenommen  werden  mufs: 
es  handelt  sich  aber  stets  nur  um  Inzest  zwischen  Bruder 
und  Schwester.  Dasselbe  Motiv  kehrt  ja  auch  in  der  irischen 
Mongan-Sage  wieder,  da  Fiachna  der  Weifse  (Mongans  Vater) 
und  Fiachna  der  Schwarze  (der  Vater  von  Mongans  Gattin 
DubLacha)  zweifellos  nur  Verdopplungen  ein  und  derselben 
mythischen  Person  sind.  Mongan  war  also  mit  seiner  Zwillings- 
schwester vermälilt ;  ein  Rest  dieser  Überlieferung  ist  auch  in 
der  Tatsache  zu  finden,  dafs  DubLacha  genau  in  derselben 
Nacht  wie  Mongan  geboren  wird.  Als  später  der  mythische 
Mongan  mit  dem  historischen  Herrscher  gleichen  Namens 
identifiziert  wurde,  griif  man  mit  Freuden  die  Tatsache  auf. 
dafs  neben  Mongans  Vater  Fiachna  noch  ein  zweiter  histo- 
rischer Fiachna  existierte  und  machte  diesen  zum  Vater 
Dub  Lachas. 

Somit  ist  wohl  recht  unwahrscheinlich,  dafs  die  drei  Hss., 
die  Conchobar  zum  Vater  Deichtires  machen,  eine  ältere  Stufe 
der  Tradition  darstellen,  und  man  wird  das  bei  der  Be- 
rücksichtigung des  Verhältnisses  der  Hss.  in  Betracht  ziehen 
müssen.  Es  kann  aber  natürlich  eine  Überlieferung  auch 
philologisch  älter,  jedoch  in  anderer  Beziehung  trotzdem  jünger 
sein,  als  später  überlieferte  Darstellungen. 

2.   Nochmals  die  Fir  Bolg. 

Ein  von  mir  seinerzeit  übersehenes  Zeugnis  dafür, 
dafs  die  Fir  Bolg  die  Urbevölkerung  Irlands  darstellen,  ist 
nach  Skene  (Celtic  Scotland  I  177),  die  Überlieferung,  (z.B. 
Keatiug  I  190),  derzufolge  die  Fir  Bolg  dereinst  gezwungen 
waren,  „den  Boden  aufzugraben  und  Erde  herauszuholen,  die 
sie  in  ihren  Ledersäckeu  davontragen  niufsten,  um  sie  auf 
Felsen  zu  legen,  die  dadurch  fruchtbar  gemacht  werden 
sollten".  Skene  scheint  mir  darin  mit  Recht  eine  Erinnerung 
an  die  Bergwerksavbeit  der  Urbevölkerung  zu  sehen;  auch 
Zimmer  hat  ja  (oben  IX  112)  darauf  hingewiesen,  dafs  weder 
Kelten  noch  Germanen  Bergleute  waren,  dafs  z.B.  in  Süd- 
England    schon    lange    vor    Ankunft    der    Kelten    Bergbau 


VERMISCHTBS.  305 

betrieben  worden  war.  und  dafs  sich  auch  heute  noch  die 
Bergleute  in  Wales  und  Cornwall  fast  ausschliefslich  aus 
der  Rasse  der  alten  Urbevölkerung  rekrutieren.  Dasselbe 
wird  auch  in  Irland  der  Fall  gewesen  sein,  wo  der  Bergbau 
in  ältester  Zeit  eine  ziemliche  Blüte  erreicht  hatte. 

Man  könnte  die  erwähnte  Stelle  allerdings  auch  so  auf- 
fassen, dafs  sie  sich  auf  den  Ackerbau  bezöge,  der  ja  bei  Ger- 
manen und  Kelten  in  der  Regel  von  Hörigen  besorgt  wurde, 
doch  scheint  mir  die  ungeschickte  Fassung  des  Erzählers  eher 
auf  Bergbau  hinzuweisen,  da  dieser  im  Mittelalter  schon  viel- 
fach in  Verfall  geraten  war,  während  der  Ackerbau  in  hoher 
Blüte  stand.  Die  ganze  Art  und  Weise  der  Wiedergabe 
deutet  darauf  hin,  dals  es  sich  um  eine  Tätigkeit  gehandelt 
haben  mufs,  die  dem  Schreiber  jener  Zeilen  nicht  mehr  ganz 
klar  war. 

3.  Irisch  Mu{i)rbolc. 

Oben  habe  ich  (XI 192)  gegen  Van  Hamel  die  Behauptung 
aufgestellt,  dafs  der  altirische  Ortsname  Mu{i)rholc  nicht  das 
imaginäre  *holc  „Kluft"',  sondern  das  häufig  belegte  bolg 
„Sack,  Blase,  Ausbuchtung-'  enthalte,  und  mich  dabei  nur  auf 
die  Schreibung  3Ittrhholg  in  modernen  Handschriften  stützen 
können. 

Ich  finde  nun  einen  sicheren  Beweis  für  die  Richtigkeit 
meiner  Anschauung  in  dem  frühmittelirischen  (oder  spät- 
altirischen  Gedichte  „Die  Helden  von  Emain  Macha"  (oben 
VIII  2 17  f.),  wo  in  Vers  15  der  Dativ  Murltdg  im  Reime  mit 
urd  (Dat.  von  ord  =  lat.  ordö)  steht. 

4.  Nochmals  griechisch  KASStbsPOS, 

Die  bereits  früher  (IX,  164)  dargelegte  Ansieht,  dafs  der 
griechische  Name  für  Zinn  keineswegs  keltisch  sein  könne 
und  vielmehr  elaraiseh  sein  müsse,  hat  seither  durch  das 
zufällige  Auffinden  folgender  Belegstelle  eine,  wie  mir  acheint, 
kaum  mehr  anfechtbai'e  .Bestätigung  erfahren. 
Bei  Stephan  von  Byzanz  heilst  es  nämlich: 
Kaööiziga,  vf/Gog  ev  r(p  mxsavm  rfj  'Ivöixfj  jiQoöS'/rj^i,  «oc 
äiovvGioq  ev  BaöOagixolq,   i§  r/c  o  xaOClrsQOc. 

Zeitschrift  f.  celt.  Philologrie  Xn,  1.  20 


•!<H'i  .FULIUS    POKOKNY.    VEllMisCH'lE». 

^Kai?sitira.  eine  Insel  im  Ozean  angrenzend  Indien,  wie 
Üionysiosi)  in  den  „Bassarika"  berichtet,  von  welcher  das 
Zinn  herkommt." 

Besonders  interessant  ist.  dals  der  Name  KaooixLQa  genau 
mit  der  a.  a.  0.  postulierten  elamischen  Grundform  überein- 
stimmt. Dafs  unser  Wort  auch  im  Arabischen  in  der  Gestair 
qasdir  vorkommt,  was  ich  seineizeit  übersehen  hatte,  spricht 
noch  deutlicher  für  orientalischen  üisprung. 

Wo  lagen  nun  die  ursprünglichen  Kassiteriden?  Hüsing 
dachte,  obwohl  ihm  obiges  Zitat  noch  unbekannt  war,  an  die 
Insel  Hormuz,  die  in  der  Meerenge  zwischen  dem  Pei-sischen 
Meerbusen  und  dem  Indischen  Ozean  liegt  und  früher  einer 
der  wichtigsten  Handelsplätze  der  asiatischen  Meere  war;  sie 
war  auch  dereinst  durch  ihren  Erzreichtum  berühmt  und 
weist  heute  noch  reiche  Lager  an  Eisen,  Kupfer  und  Stein- 
f^alz  auf.  Hüsing  führte  auch  aus.  dafs  die  Altäre  des 
Herakles,  d.  h.  des  Melqart.  jenseits  derer  die  Kassiteriden 
gelegen  haben  sollen,  ursprünglich  die  beiden  steilen  Berge 
bei  Aden  am  „Tore  der  Gefahr"  waren,  deren  einer  früher 
auf  einer  Insel  lag,  so  dafs  man  auch  zwischen  ihnen  durch- 
fahren konnte  (Or.  Literaturztg.  1907,  Col.  25). 

Dafs  die  Kassiteriden  später  nach  Westeuropa  verlegt 
wurden,  stimmt  zu  der  Erscheinung,  dafs  die  Griechen  alle 
entlegeneren  und  weniger  bekannten  Gegenden  nach  Afrika 
und  dem  ferneren  Westen  verlegt  haben,  so  die  erwähnten 
Säulen  des  Herakles,  den  ursprünglich  am  Tanais  gelegenen 
Triton -See,  die  auf  der  Krim  wohnhaften  Amazonen  und 
Hesperiden,  die  in  Elam  ansässigen  Aithiopen.-)  usw.  Auch 
das  alte  Tarsi§  lag  nach  Hüsing  (Or.  L.  Z.  1907,  Col.  2t5— 27) 
ursprünglich  im  Persischen  Golf  und  wurde  ei-st  später  mit 
dem  spanischen  Tartessus  zusammengeworfen. 

*)  üionysius,  der  Verfasser  der  ,,  Bas-sarika-*,  über  den  nichts 
i^enaueres  bekannt  ist.  dürfte  in  der  späteren  römischen  Kalserzeit  gelebt 
haben. 

-)  Vgl.  Hüsings  in  verschiedener  Hinsicht  bemerkenswerte  .Arbeit 
„VOlkerschichten  in  Iran'',  Mitt.  d.  Anthropol.  Ges.  in  Wien,  XXXXVI,  199 ff. 

Wien.  Julius  Pokorny. 


EINE  AÜSEINANDERSEl^ZUNG. 


Im  36.  Bande  der  Revue  Celtique  hat  Marstrander  meine 
•Keltische  Wortkunde'  einer  eingehenden  Besprechung  unter- 
zogen, die  neben  manchem  treffenden  und  neuen  auch  viel 
falsches  enthält.  Einiges  davon  habe  ich  schon  im  7.  Hefte 
der 'Wortkunde'  richtig  gestellt.  Hier  noch  ein  paar  weitere 
Bemerkungen. 

An  der  Richtigkeit  der  Lesung  dorognad  (§  7)  kann  kein 
Zweifel  bestehen.  Eine  ebenso  alte  Form  liegt  z.  B.  in  dem 
Fut.  (jc[/na  Ir.  I.  II 2  246  §  6  vo)-.  M.'s  Vorschlag  domiingnath 
verstöfst  gegen  die  Alliteration.  Das  ist  auch  mit  der  vor- 
geschlagenen Besserung  inlomt)  statt  inelJaig  (§  56)  der  Fall.') 
Was  die  Etymologie  von  richeti  betrifft,  so  hat  Pokorny  schon 
das  richtige  erkannt.  M.'s  rujio-sedon  würde  riged  ergeben. 
Was  die  alte  Form  retcre  betrifft,  so  ist  feiere  (altkymr.  gttelirt) 
zu  vergleichen :  auch  darf  t  mit  Strich  darüber  in  RawL  B.  502 
nicht  als  tair  aufgelöst  werden.  Dafs  dem  brit.  epidios  ir. 
eichde  entspricht,  mufste  jedem  Anfänger  klar  sein;  dafs  dann 
dchde  durch  echdae  verdrängt  wurde,  ist  nicht  verwunderlicher, 
als  wenn  unser  golden  älteres  gülden  aus  dem  Felde  ge- 
schlagen hat.'  Wenn  ich  §  33  die  Bildungen  auf  -sech  von 
Worten  wie  gaülsech  ausgehen  liels,  so  meinte  ich  damit,  dafs 
sie  zuerst  in  Volksbezeichnungen  aufzutreten  scheinen,  wie  das 
ja  auch  mit  -issa  der  Fall  ist.  Der  Gebrauch  von  fuil  für 
'Geschlecht'  ist  in  der  irischen  Dichtung  aller  Zeiten  so  ge- 
wöhnlich, dals  man  erstaunt,  M.  es  zu  Jjezweifeln  zu  hören. 
Das  von  M.  zitierte  Btibure  (LL  322  b  5)  ist  kein  Personen- 
name. Der  Mann  heilst  Aed  Bubure.  Über  cet  brauche  ich 
mich  nach  dem  Hl.  Stud.  1916,  S.  580  gesagten  nicht  wieder 
auszulassen.  Ich  will  nur  noch  den  braven  Mönch  in  Schutz 
nehmen,  der  is  cet  duit  6  Dia  durch  licet  tibi  a  Deo  wiedei-- 
gibt  und  den  M.  mit  grofsem  Unrecht  einen  Ignoramus  schilt. 

*)  Zu  den  von  Pedersen  §  767  gesammelten  Belegstellen  kommt  noch 
inloüigh  Seichir  sealbh,  H.  3. 18,  74  a  hinzu. 

Berlin.  Kuno  Meyer. 


Nachtrag  zu  meinem  Aufsatz: 
„Beiträge  zur  ältesten  Geschichte  Irlands.'' 


Professor  Kuno  Meyer  macht  mich  nachträglich  auf  zwei 
Stellen  aufmerksam,  die  nunmehr  ihre  volle  Aufklärung  finden. 

Wenn  Cü  Chulainn  (Rev.  Celt.  XI,  444)  in  Schottland  auf 
einem  durchlöcherten  Stein  fo-seted  cethar-holcc  lernt,  so  ist 
damit  offenbar  das  „Aufblasen  einer  vier -zipfligen  Schwimm- 
blase" gemeint,  d.  h.  einer  Blase,  die  an  vier  Stellen  abgebunden 
ist  (oben  S.  201),  und  die  zur  Handhabung  des  gae  holgae  er- 
forderlich war,  dessen  Gebrauch  er  ja  ebenfalls  in  Schottland 
gelernt  haben  soll. 

Die  G-losse  zu  lat.  flabeüa  (Stokes,  Irish  Glosses  §  217):  seideth 
tjdi  bulga  (Stokes  verbessert  fälschlich:  gdifhe  no  hulga)  kann 
ebenfalls  nichts  anderes  bedeuten,  als  „das  Aufblasen  (der 
Schwimmblase)  des  gae  holgae'"*,  da  ein  hulga,  holga  in  anderem 
Zusammenhange  überhaupt  nicht  vorkommt. 

Wien.  JüLiüS  Pokobny. 


Druck  von  Khrbardt  Kmras  (r.  in.  h.  H.  in  H.ilU 


ALTIR.  GILLAE. 


In  meinem  „Bidrag  til  det  norske  sprogs  historie  i  Irland"  i) 
habe  ich  u.  a.  die  Gesetze  bestimmt,  denen  die  nordg-ermanischen 
Lehnwörter  im  Irischen  unterworfen  sind,  und  auf  dem  festen 
Grunde  dieser  Gesetze  weiterbauend,  gezeigt,  wie  unsicher 
das  sprachliche  Fundament  war,  worauf  Zimmer  und  andere 
ihre  phantasievollen  Arbeiten  über  die  Beziehungen  Irlands 
zum  skandinavischen  Norden  während  der  Wikingerzeit  auf- 
bauten. 

Im  gegenwärtigen  Bande  dieser  Zeitschrift,  S.  298  it".,  hat 
Pokorny  einen  Artikel  veröffentlicht,  worin  er  es  unternimmt, 
die  Zimmersche  Zusammenstellung  von  air.  gillae  mit  anorw. 
glldr  ins  Leben  zurückzurufen.  Um  dies  zu  erreichen,  wirbelt 
er  eine  Staubwolke  von  Argumenten  auf,  von  denen  kein 
einziges  der  Nachprüfung  standhält. 

Alles,  was  ich  in  meinem  Bidrag  über  .(/iZ^a  sage,  beschränkt 
sich  auf  die  drei  Worte  „.Tldre  end  vikingetiden"  (älter  als 
die  Wikingerzeit).  Dafs  ich  auch  andere  entscheidende  Gründe 
hatte,  die  Auffass^ung  Zimmers  abzulehnen,  wird  k^nem  Sach- 
kundigen entgangen  sein.  Für  Pokorny  kommen  diese  Gründe 
gar  nicht  in  Betracht.  Gilla  ist  nach  ihm  nicht  älter  als  die 
Wikingerzeit,  seine  Lautform  unirisch,  ergo  stammt  es  aus 
dem  altnorw,  gildr. 

Dieser  Schlufs  ist  in  Grund  und  Boden  falsch. 

L 

Erstens:  Ist  es  richtig,  dafs  gillae  an  der  Wende  des 
8,  Jahrhunderts  im  Irischen  nicht  vorhanden  war  ? 


*)  Videnskapsselskapets  Skrifter,  Hist.-philos.  Klasse  1915,  Nr.  5. 

Zeitschrift  t.  celt.  Philologie  XII,  3.  21 


310  CARL   MARSTRANDEÜ, 

Prüfen  wir  die  Stärke  der  Pokornischen  Arg-umente. 

1.  gillae  Corapert  Conculaind  (CC)  §  6. 

Thurneysen  hat  bekanntlich  die  Quellen  dieses  Textes 
einer  tiefgehenden  Prüfung  unterworfen.  Nach  ihm  fallen 
die  Handschriften  in  drei  Gruppen: 

1.  Lebar  na  hUidre  (LU),  Egerton  1787  (Eg) 

2.  Egerton  88  (E),  23  N  10  (N) 

3.  H.  4.  22  (H) 

die  auf  drei  selbständige  Kopien  aus  dem  Lebar  Dromma 
Snechta,  der  bekannten  verlorenen  Handschrift  des  8.  Jahr- 
hunderts, zurückgehen.  Die  genaue  Stellung  von  H  kann 
zweifelhaft  sein.  „Während  ich  nichts  gefunden  habe",  sagt 
Thurneysen,  „was  H  mit  NE  verknüpft,  sind  einige,  aber 
sehr  geringe  Übereinstimmungen  mit  LU  vorhanden."  Auf 
diese  Übereinstimmungen  legen  jedoch  ich  wie  auch  Thurn- 
eysen nur  wenig  Gewicht. 

Der  ursprüngliche  Schlufs  von  CC  ist  von  7  doberar  Se- 
tanta  fair  an  in  LU  ausradiert  worden.  Eine  neue  Hand 
setzt  auf  der  Rasur  ein  und  leitet  zum  folgenden  Texte  Feis 
Tige  Becfoltaig  über. 

In  den  übrigen  Handschriften  wird  dagegen  die  Erzählung 
zu  Ende  geführt,  und  zwar  stimmen  in  diesem  Sclüufsabschnitt 
ENH  völlig  überein,  während  Eg  abweicht.  Jene  lesen  z.  B. 
marhais  som  a  coin  side  iarum  in  tan  ha  ngildae  oc  cluichiu, 
diese  dagegen  gommo  marh  lais  iarum  cu  Caulaind  ccrddo. 

Hieraus  zieht  nun  Pokorny  den  grundfalschen  Schlufs, 
als  ob  gillae  in  den  ausradierten  Schluissatz  der  LU -Version 
ursprünglich  nicht  hineingehört  hätte.  Er  übergeht  aber  mit 
Stillschweigen  die  wichtige  Tatsache,  dafs  Eg  „überhaupt 
mehr  eine  Nacherzählung  als  eine  Kopie  der  ursprünglichen 
Fassung  ist  und  sehr  oft  ganz  willkürlich  vom  alten  Wortlaut 
abweicht"  (Thurneysen,  Zu  ir.  Handschr.  und  Litteratur- 
denkm.  131).  Ich  bitte  den  Leser  das  erste  beste  Kapitel  der 
Eg -Version  mit  demjenigen  von  LU  zusammenzuhalten.  Er 
wird  sich  bald  überzeugen  können,  zu  welchen  Ungeheuerlich- 
keiten die  Pokornische  Quellenkritik  führt. 

Dafs  in  der  ENH -Version  der  ursprüngliche  Schlufs  von 
CC  erhalten  ist,  wird  kaum  von  einem  Sachkundigen  bestritten 


ALTIR.  GILLAE.  31 1 

werden  können.  Da  nun  diese  Version  —  von  den  sekundären 
Einschiebseln  in  LU  abgesehen  —  von  der  ersten  Zeile  bis 
zur  Kasur  in  Lü  Satz  für  Satz,  ja  Wort  für  Wort,  mit  der 
von  LU  übereinstimmt,  so  können  nicht  nur  wir,  sondern 
müssen  sogar  annehmen,  dals  der  ausradierte  Schluls  in  LU 
dieselbe  intime  Übereinstimmung  mit  der  ENH -Version  gezeigt 
hat,  wie  der  übrige  Text.') 

Unrichtig  ist  auch  die  Behauptung,  der  Passus  in  tan  ha 
ngüla  sei  sekundär  in  ENH  hineingekommen;  denn  ein 
besonderes  Kennzeichen  eben  dieser  Version  ist  es,  dals  sie 
frei  ist  von  den  sekundären  Einschiebseln,  die  vor  allem 
anderen  die  LU -Version  charakterisieren  (§  1  co  tanic  usw., 
§  7  7  comalta  usw.,  §  6  mor;  ha  homan  leo  usw.).  Der  Ein- 
waind,  dafs  der  Passus  marhais  som  a  coin  side  iarum  in  tan 
ha  ngildae  oc  cluichiu  nicht  gut  irisch  sei,  wird  den  Frieden 
des  frommen  Verfassers  der  CC  nicht  stören. 

Konklusion:  Es  liegt  kein  Grund  vor  anzunehmen,  der 
verlorene  Schluls  der  LU -Version  von  CG  stehe  nicht  in  dem- 
selben intimen  Verhältnisse  zur  ENH -Version,  wie  der  übrige 
Text.  Es  gibt  keinen  Grund  zu  der  Annahme,  die  ENH- 
Version  habe  nicht  den  ursprünglichen  Schlufs  der  Sage 
bewahrt.  Also  hat  man  auch  keinerlei  Grund  anzuzweifeln, 
dafs  gillae  in  der  ursprünglichen  Fassung  der  CC  in  dem 
Lebar  Dromma  Snechta  zu  Hause  war. 

2.  „In  den  ältesten  Teilen  des  Täin,  die  älter  sind  als 
die  Wikingerzeit,  kommt  unser  Wort  nicht  vor." 

Ich  möchte  gern  wissen,  warum  z.  B.  Aided  Nadcrantail 
und  Lugs  Rose  später  sein  mufs  als  800?  ^ 

3.  „Dagegen  ist  gildae  in  der  Hauptmasse  des  Textes 
(d.  i.  der  Täin  B6  Cuailnge)  . . .  gelegentlich  zu  finden,  und 
zv/ar  immer  an  Stellen,  wo  es  unbedenklich  dem  Kompilator 
oder  einer  jüngeren  Vorlage  desselben  zugeschrieben  werden 
kann." 

Das  Wort  „gelegentlich"  ist  übel  angebracht;  denn  gilla 
kommt  in  der  LU -Version  ungefähr  50  mal  vor.    Im  Buch 

*)  Dafs  der  verlorene  Schlufssatz -der  LU- Redaktion  von  sekundären 
Einschiebseln  vielleicht  nicht  frei  gewesen  ist,  ist  in  diesem  Zusammenhang 
durchaus  belanglos. 

21* 


312  CAßL  maUstrajjder, 

von  Leinster  soll  das  Wort  nach  P.  „viel  häufiger  als  in  den 
Texten  der  LU -Version  sein".  Auch  diese  Auskunft  ist  falsch. 
Die  LL -Version  kennt  zwar  ungefähr  70  Belegstellen,  wovon 
zehn  nicht  in  LL  stehen;  dazu  kommen  noch  zwei  Belege 
von  gillanrad  in  LL.  Aber  dann  muls  auch  daran  erinnert 
werden,  dafs  die  LL -Version  fast  das  Doppelte  der  LU -Version 
beträgt.  Wenn  man  also  nicht  die  Tain  wie  Pokorny  liest, 
d.  h.  wie  der  Teufel  die  Bibel,  versteht  man  überhaupt  nicht, 
wie  seine  Statistik  zustande  gekommen  ist. 

Ich  stelle  mir  selbst  die  Frage,  warum  wir  annehmen 
müssen,  dals  gilla  in  allen  50  Stellen  der  LU -Version  dem 
Kompilator  oder  jüngeren  Vorlagen  desselben  zuzuschreiben 
sei,  und  finde  keine  Antwort.  Glaubt  denn  P.  wirklich,  der 
Kompilator  sei  auch  für  gillae  in  Lugs  Rose  TBC  1815  Y 
verantwortlich?  Oder  für  gilli  ib.  2468,  wo  es  doch  durch 
den  Reim  mit  sinne,  timi  gestützt  ist? 

Die  ganze  Argumentation  fulst  auf  der  vorgefalsten  Idee, 
dafs  gilla  nicht  älter  als  die  Wikingerzeit  sei.  Deshalb  ist 
'Sie  auch  völlig  wertlos. 

4.  „Auch  beim  Vergleich  der  einzelnen  Redaktionen 
der  Täin  geht  ganz  klar  hervor,  dals  das  Wort  immer  häufiger 
erscheint,  je  jünger  die  Redaktion  ist  ...  es  hat  z.  B.  LL 
Zeile  265:  gilla  öc,  die  LU- Redaktion  dafür  das  Wort  duine  . . ., 
während  der  umgekehrte  Fall  nie  vorkommt." 

Dals  dem  gilla  der  LL- Redaktion  gelegentlich  ein  anderes 
W^ort  in  LU  entspricht,  ist  zwar  richtig  (vgl.  z.  B.  a  gillai 
TBC  3295  LL:  a  mo  po^a  TBC  2514  Y),  ganz  unrichtig  dagegen 
ist  die  Behauptung,  der  umgekehrte  Fall  komme  nicht  vor. 
Dem  Passus  cinnas  a  cesa  sunt  in  tneic  hie  sin  845  LL  ent- 
spricht doch  im  YBL  da  ces  in  gilla  sin,  und  dem  gilla 
Z.  508,  514,  537  Y  entspricht  nach  dem  ganzen  Zusammenhang 
mac  bec  in  LL,  dem  ^illa  1634  Y  in  LL  moeihmaccoem  6g 
gan  ulchain  (da  H  2. 17  und  Eg  93  gilla  6g  amulchach  liest, 
wird  die  Neuerung  auf  der  Seite  von  LL  sein). 

Übrigens  fallen  derartige  Varianten  keineswegs  schwer 
ins  Gewicht.  Sie  berechtigen  natürlich  durchaus  nicht  zu 
dem  Schlüsse,  dals  gilla  zur  Zeit  von  LL  in  allgemeinerem 
Gebrauch  gewesen  sei  als  zur  Zeit  von  LU. 


ALTIR.  GILLAE.  313 

5.  „Dafs  das  von  gilla  abgeleitete  Kollektivum  gillanrad 
.Burschen'  nur  in  LL,  dagegen  niemals  in  der  LU -Version 
vorkommt,  beweist  ebenfalls,  dafs  es  sich  um  ein  Fremdwort 
gehandelt  haben  mufs.  das  erst  nach  und  nach  in  der  Sprache 
heimisch  wurde." 

Das  nenne  ich  einen  typischen  Pokornismus.  Der  Schluls 
ist  mir  völlig  unverständlich. 

Gillanrad  ist  in  LL  nur  zweimal  belegt,  und  nur  in  einem 
Falle  kann  von  einem  entsprechenden  Passus  im  LU  die  Rede 
sein,  nämlich  Z.  5766  LL.  wo  die  ursprüngliche  Redaktion  in 
gillai  las  {in  gilla  YBL);  dieser  alte  Nom.  plur.,  der  für  ein 
mittelirisches  Ohr  wie  ein  Nora.  sing,  lauten  mufste,  wurde  in 
LL  durch  das  nach  ingenrad  gebildete  Kollektivum  gillanrad 
ersetzt.  Auf  ähnliche  Weise  wechseln  in  niittelirischen  Texten 
eich  und  echrad,  ingena  und  ingenrad. 

6.  Dafs  gilla  als  Namen  bildendes  Element  nur  in  Namen 
von  Christen  erscheint,  ist  eine  wohlbekannte  Tatsache.  Mir 
ist  kein  Beispiel  bekannt,  das  älter  wäre  als  aus  der  Mitte 
des  10.  Jahrh.  Aber  das  besagt  doch  nur,  dafs  gilla  zu  dieser 
Zeit  durch  die  Klöster  in  der  irischen  Nomenklatur  Eingang 
fand.  Alte  Namen  typen  schälen  sich  ab,  neue  setzen  ein. 
So  sicher  wie  es  ist,  dafs  der  Gilla -Ty^ws  an  der  AVende  des 
10.  Jahrh.  stark  zunimmt,  so  sicher  ist  es  auch,  dais  die 
ilfa«^ -  Namen  1)  gleichzeitig  in  merkbarem  Rückgang  begriffen 
sind.  Es  handelt  sich  offenbar  um  eine  Modeänderung  der 
irischen  Nomenklatur,  die  keinen  Schlufs  auf  das  Alter  des 
beteiligten  Sprachstoffes  erlaubt.  Der  Typus  ist  augenscheinlich 
durch  das  mittelalterliche  servus  Dei  (vgl.  Gilla  Coimded)  als 
Bezeichnung  eines  Mönches  hervorgerufen,  das  jedenfallf  f ür 
das  8.  und  9.  Jahrh.  gut  belegt  ist ;  vgl.  ferner  mlat.  servus 
(serva)  Christi,  famulus  Christi  ,. gilla  Crist''^)  und  den  päpst- 

*)  Nor  im  Vorbeigehen  mache  ich  auf  die  droliige  Übersetzung  P.'s 
von  Mael  Tuile,  Mael  TJmai  mit  „Diener  der  Fhit.  Diener  der  Bronze" 
aufmerksam.  So  wird  er  auch  in  vollem  Ernst  Mael  Gaimrid  ..Diener 
des  Winters",  Mael  Snechtni  „Diener  des  Schnees",  Mael  ßracha  „Diener 
des  Malzes"  übersetzen. 

')  Ähnlicher  Natur  ist  die  mlat.  Bezeichnung  miles  Christi,  die  uns 
im  Irischen  z.  B.  AU  728  (=  ridire  Crist,  Tig.)  und  in  dem  Fei.  Oeng. 
begegnet  (wo  mil  von  einem  Heiligen  ganz  gewöhnlich  ist). 


314  CARL   MARSTRANDER, 

liehen  Titel  servus  servorum  Bei.  Dafs  derartige  Kombinationen 
im  Irischen  zu  Personennamen  heranwuchsen,  darf  wohl  dem 
Einfluls  der  ilfae?- Namen  zugeschrieben  werden. 

Ein  wenig  Nachdenken  und  historisches  urteil  sollte  doch 
P.  die  Augen  geöffnet  haben  für  das  UnAvahrscheiiiliche  der 
Idee,  dafs  das  konservative  kirchliche  Irland,  wenn  es  diese 
Namen  prägte,  gerade  das  heidnische  gildr  wählen  sollte,  um 
die  Demut  des  Christen  seinem  Schutzheiligen  gegenüber  aus- 
zudrücken. Die  Hauptmasse  der  norwegischen  Lehnwörter 
im  Irischen  stammt  aus  dem  10.  Jahrh.  Es  ist  schlechthin 
undenkbar,  dafs  das  anorw.  gildr  in  der  ersten  Hälfte  dieses 
Jahrhunderts  im  Irischen  so  einverleibt  gewesen  sei,  dafs 
selbst  der  gebildete  Ire  von  seinem  heidnischen  Ursprung 
nichts  gewufst  hätte. 

IL 

Um  ein  AVort  älter  als  einen  gegebenen  Zeitpunkt  zu 
erweisen,  hat  man  nicht  nötig,  es  in  Handschriften,  die  älter 
sind  als  dieser  Zeitpunkt,  nachzuweisen.  Oft  ist  es  auch 
nicht  nötig,  es  durch  literarische  Quellen  zu  belegen,  die  in 
ihrer  vorliegenden  Redaktion  älter  sind  als  die  in  Frage 
stehende  Zeitgrenze.  Läfst  es  sich  z.  B.  nachweisen,  dafs  ein 
Wort  mit  der  allgemeinen  Bedeutung  von  gilla  in  der  irischen 
Literatur  schon  in  der  ersten  Hälfte  des  9.  Jahrh.  gewöhnlich 
war,  so  folgt  daraus,  dafs  dieses  Wort  im  Irischen  älter  ist 
als  800,  besonders  wenn  es  gelänge,  es  in  Literaturgattungen 
nachzuweisen,  die  in  ihrer  Wahl  der  Wörter  immer  kon- 
servativ sind,  wie  geistliche  Prosa  oder  Poesie. 

Nun  ist  in  der  Tat  ein  solcher  Nachweis  möglich.  Wie 
oben  erwiesen,  liegt  gilla  in  dem  ursprünglichen  Schlufs  der 
Lebar  Dromma  Snechta- Version  der  CC  vor,  und  damit  be- 
wegen wir  uns  schon  in  einem  Zeiträume,  der  älter  ist  als  die 
Wikingerzeit. 

In  Texten  aus  dem  9.  Jahrh.  ist  das  Wort  ganz  gewöhnlich. 
Ich  erwähne  u.  a. : 

1.  Monastery  of  Tallaght,  vor  dem  Jahre  840  verfafst. 
Das  Wort  ist  hier  mehrmals  belegt:  §  37  (dreimal),  §  41 
(zweimal),  §  48. 


ALTIR.  GILLAE.  315 

2.  Colmans  Hymnus,  und  zwar  im  ältesten  Teile  {Dauid 
in  gille  dana  Z.  12).  Strachan  hebt  die  sprachliche  Ähnlichkeit 
mit  dem  um  800  verfafsten  Feiire  Oengusso  vor  und  führt 
mit  Recht  den  Hymnus  auf  das  frühe  9.  Jahrh.  zurück. 

3.  Imram  Mäiie  Düin,  Str.  9,  von  Meyer  in  die  erste 
Hälfte  des  9.  Jahrh.  gesetzt ;  doch  scheint  mir  ein  so  frühes 
Alter  nicht  ohne  Bedenken. 

4.  Heptads  LH,  Brehon  Laws  V  292.  23.  Der  Text  trägt 
ein  altirisches  Gepräge  (atgaru,  d.  i.  Subj.  -gara  S.  118,  -u  für 
-a  in  diesem  Texte  ganz  gewöhnlich,  cipe  dodacoi  274,  cid  he 
nodogaba  {inti  nodai/aib)  256,  cibe  dodronu  272,  ben  aratuaisi 
a  sleith  ib.,  arafognad  364,  arafuim  2,12,  araddla  ib.,  ima- 
dichitis  308,  imaderga  358,  ni  conäraig  Dia  290,  amail  dlegda 
340,  ciadoescomrair  :  ascomrair  348,  do  fir  fodngaib  320,  do 
neoch  fotagaib  322  usw. 

Neuerungen  wie  briiig  für  mruig  und  Ähnliches  sind 
natürlich  für  die  Zeitbestimmung  ohne  jegliche  -Bedeutung. 
Die  Redaktion  kann  ruhig  auf  das  beginnende  9.  Jahrh.  zurück- 
geführt werden,  wie  ich  später  in  einem  anderen  Zusammen- 
hang zu  zeigen  hoffe. 

5.  Cormacs  Glossar  (2.  Hälfte  des  9.  Jahrh.)  676  Y  und 
vor  allem  825  (lethech)  und  1059  (prull),  wo  Cormac  ohne 
Zweifel  ältere  Quellen  zitiert,  vgl.  noch  690.  Da  diese  Artikel 
sämtlich  im  Buch  von  Hy  Maine  stehen,  gehören  sie  der  ur- 
sprünglichen Fassung  des  Glossars  an. 

Echtra  Connla  §  1  setze  ich  aufser  Betracht;  denn  hier 
wird  die  Lesart  a  gillai,  a  gildai  in  LU  und  Harl.  5280  wohl 
einer  Fehllesung  von  acilli  (o.  ä.)  der  Vorlage  zuzuschreiben 
sein.  Der  Abschreiber  entdeckte  inzwischen  seinen  Fejiler 
zeitig  genug,  um  die  verlesene  Verbalform  unmittelbar  nach 
mac  anzubringen.  Das  für  den  Zusammenhang  gleichgültige 
a  gillai  war  er  nicht  bemüht  auszuradieren. 

Über  das  genaue  Alter  der  oben  zitierten  Texte  mag  in 
ein  paar  Fällen  gestritten  werden. "  Im  ganzen  genommen 
zeigen  sie  doch  unwiderlegbar,  dals  gilla  im  9.  Jahrh.  und 
schon  in  der  ersten  Hälfte  desselben  in  Irland  gebräuchlich 
war  in  der  Umgangssprache,  wie  in  Dichtung  und  Prosa. 

Wie  kann  man  überhaupt  auf  die  sonderbare  Idee  kommen, 
dals  der  geistliche  Verfasser  von  Colmans  Hymnus  für  ein  Wort 


316  CARL   MARSTRANDER, 

der  allgemeinen  Bedeutung  juvenis  ein  norwegisches  Wort 
(das  übrigens  nicht  vorkommt!)  in  seine  Verse  eingeflochten 
haben  sollte,  und  zwar  zu  einer  Zeit,  als  die  Norweger  in 
Irland  noch  keine  festen  Wohnsitze  hatten,  als  ihr  ganzes 
Verfahren  noch  auf  Mord  und  Beute  ausging,  und  ihr  Name 
in  aller  Munde  verflucht  war? 

Und  wie  kann  P.  das  Vorkommen  von  gilla  in  Colmans 
Hymnus  mit  seiner  oben  zitierten  Behauptung  versöhnen,  dals 
gilla  noch  in  der  ersten  Hälfte  des  11.  Jahrhunderts  im  Irischen 
nicht  völlig  heimisch  gewesen  sei? 

Um  diesen  Schwierigkeiten  zu  entgehen,  mufs  er  annehmen, 
dafs  die  ältesten  Belege  von  gilla  überall  den  späteren  Ab- 
schreibern zuzuschreiben  sind.  Und  damit  betreten  wir  ein 
Gebiet,  das  zu  annektieren  ich  P.  nicht  hindern  will. 

Ich  füge  schliefslich  noch  hinzu,  dals  gilla  in  der  älteren 
irischen  Literatur  (wie  in  der  jüngeren)  überhaupt  sehr 
gewöhnlich-  ist.  So  wird  man  es  u.  a.  finden  in  Scel  muicce 
mic  Datho,  Serglige  Conculaind,  Fled  Bricrend,  Tochmarc 
Etäine  (im  poetischen  Teile),  Loinges  mac  nUisnig,  Tecosca 
Cormaic,  Imacallam  in  da  thuarad,  Bruiden  Da  Dergga,  Mesca 
Ulad,  Saltair  na  Rann  etc.,  i)  was  uns  ja  nur  in  unserer  Über- 
zeugung bestärken  mufs,  dals  gilla  an  der  Wende  des  8.  Jahr- 
hunderts ein  integrierender  Teil  des  irischen  Wortschatzes  war. 

III. 

Ein  Hauptargument  P.'s  gegen  ein  echt  irisches  gilla 
bildet  das  nicht -palatale  II.  Dabei  fällt  es  ihm  gar  nicht  ein 
zu  fragen,  ob  dasselbe  durch  die  Annahme  von  Entlehnung 
aus  dem  Altnorwegischen  erklärt  wird. 

Das  anorw.  gildr  mufste  air.  *gild,  *gill  ergeben ;  denn  die 
Behauptung  Zimmers,  ein  aus  tönendem  s  entwickeltes  anorw. 
-B  führe  im  Irischen  zu  -a,  ist  schon  deshalb  falsch,  weil 
nicht  der  Nominativ,  sondern  die  Casus  obliqui  für  die  Form 
der  altnordischen  Lehnwörter  im  Irischen  bestimmend  sind 
(vgl.  Bidrag,  S.  58  f.).  Gibt  man  die  Möglichkeit  zu,  dals  *güd 
übereinstimmend  mit  dem,  was  ich  in  Bidrag  S.  94  hervorhebe, 

1)  Dagegen  nicht  in  Imram  Brain,  den  Mongan- Geschichten,  Forfess 
fer  Falgae,  Baile  Chuiud  Chetchathaig,  Aided  Conröi,  Verba  Scathaige, 
Siaburcharp.  Conch.,  Täin  B6  Riiau.,  Tochm.  Baisi,  Imram  Snedgusa. 


ALTIR.  GILLAE.  317 

einen  auslautenden  Vokal  entwickelte,  dann  kann  nach  dem 
vorherg-ehenden  /  natürlich  nur  von  einem  palatalen  Vokal 
die  Rede  sein. 

P.  sollte  sich  auch  die  Frage  gestellt  haben :  Was  bedeutet 
anorw,  gildr  und  was  bedeutet  &ir.  gilla?  Das  letztere  ist  ein 
Substantiv  mit  der  Bedeutung  miles,  juuenis,  servus,  das 
erstere  ist  ein  Adjektiv  mit  der  generellen  Bedeutung  insignis, 
praeclarus,  honus  und  wird  ohne  Unterschied  von  Jungen  und 
Alten,  Personen  und  Dingen  gebraucht. 

Also:  gilla  quia  insignis,  gill  enim  insignis  in  lingtia  nort- 
mannorum.  So  könnte  Cormac  geschrieben  haben,  wäre  er 
nicht  dem  Wort  in  Quellen  des  8.  Jahrhunderts  begegnet. 

Um  P.  gerecht  zu  werden,  möchte  ich  doch  hervorheben, 
dafs  seine  Etymologie,  mit  derjenigen  von  Cormac  verglichen, 
vielleicht  einen  Fortschritt  bedeutet;  der  Letztere  leitet 
nämlich  in  vollem  Ernst  das  Wort  aus  gel  „Blutegel"  her. 

Um  ihm  weiter  gerecht  zu  werden,  führe  ich  auch  den 
Schluls  an,  mit  dem  er  seiner  Behandlung  von  gilla  die  Krone 
aufsetzt:  „Aus  dem  bisher  Gesagten  geht  deutlich  genug  her- 
vor, dals  wir  die  von  Zimmer  vorgeschlagene  Ent- 
lehnung als  gesichert  ansehen  können".  Ich  weifs 
freilich  nicht,  was  davon  übrig  bleibt. 

IV. 

Wer  air.  gilla  aus  dem  Irischen  erklären  will,  wird  es 
vermutlich  zuvörderst  an  gell,  giall  anknüpfen  müssen,  wie 
der  mittelirische  Kommentar  zum  Feiire  Oengusso  tut  (Okt.  2). 
Da  nun  giall  alten  Diphthong  hat,  kommt  nur  gell  als  Stamm- 
wort in  Betracht.  Eine  ursprünglich  adjektivische  d- Ableitung 
davon  kann  gilla  (gildae)  nicht  sein  (wäre  *gelldae,  mir.  *gealla). 
Gehört  gilla  dennoch  zu  gell,  kann  es  offenbar  nur  auf  einer 
t'o- Ableitung  *gistlio^)  beruhen.  Daraus  hätte  aber  wohl  air. 
gille  mit  palatalem  II  entstehen  müssen. 2) 

•)  Vom  irischen  Gesichtspunkte  bietet  sieh  der  Vergleich  von  gell  mit 
giall  von  selbst  ilar,  so  auch  Pedersen  Vgl.  Gramm.  I  136.  Das  Wort 
wird  in  Mil.  (was  freilich  nicht  ausschlaggebend  ist)  und  in  allen  alten 
Texten  mit  II  geschrieben ;  dabei  ist  von  bewufst  archaisierenden  Schreibungen 
(wie  geld  Mon.  Tall.  §  48)  abgesehen.     . 

*)  Schreibungen  Avie  gilli  Vok.  TBC  2468  Y  (:  sinnt,  timi),  Sergl.  Conc. 
§  29,  Fled  Bricr.  §  38,  Gen.  ib.,  Kawl.  passim,  Dat.  Mon.  Tall.  §  41  (gilde, 


318  CARL   MARSTRANDER, 

Weiter  können  gegen  diese  Herleitung  wuchtige  Einwände 
sachlicher  Natur  gemacht  werden.  Nichts  deutet  nämlich 
darauf  hin,  dafs  gilla  von  Anfang  an  einen  jungen  Burschen 
bezeichnete,  der  einem  Fürsten  oder  irgend  einem  anderen 
als  Pfand  für  die  Erfüllung  gewisser  Verpflichtungen  überlassen 
war,  und  über  dessen  Dienste  sein  einstweiliger  Herr  verfügte. 
Es  ist  kaum  glaublich,  dafs  ein  solches  Rechtsverhältnis 
keine  Erwähnung  fände  in  den  alten  Gesetzen,  wo  giall  und 
gell  in  allen  Formen  eine  eingehende  Besprechung  gewidmet  ist. 

Für  den  Vergleich  mit  gell,  giall  dürfen  nicht  angeführt 
werden  gidllad  „Dienste  nehmen,  sich  unterwerfen",  giallna 
„Geiselschaft,  Dienste"  {giallna  7  mainche  Breh.  Laws  II  218; 
ferner  II  136,  222;  V  286.  Trip.  Life  58.  4.  O'Mulc.  309:  nili 
i  cöir  laochfdjachtce  diultad  De  7  giallnoe  Demuin;  mit  Assimi- 
lation von  In:  in  dicionem  .iingiallaiMil.QSa,  12.  deditionis 
nostrae  .i.  ar  ngiallce  ni  72b  24.  ad  deditionem  .i.  dimgiallae 
72  b  11),  giallnad  (g.  7  moxaine  na  nGöidel  do  Demon  Trip. 
Life  32.  5),  aidllne  „Dienste,  tenants"  (nicht  aus  *ad-gillne, 
wie  öfters  analysiert  wird,  sondern  aus  -giallnae,  vgl.  ad'gialla 
„nimmt  Dienste").  Denn  die  Bedeutung  „dienen"  ist  sekundär 
und  nicht  bei  gell-  belegt,  das  allein  in  Betracht  kommt. 

Da  gilla  sich  somit  weder  formell  noch  sachlich  mit  gell 
vergleichen  läfst,  und  da  es  sonderbarerweise  (von  Heptads  LH 
abgesehen)  in  dem  Haupttext  der  alten  Gesetze  nicht  belegt 
zu  sein  scheint,  so  erlaubt  uns  seine  isolierte  Stellung,  die 
Frage  zu  stellen,  ob  es  überhaupt  irischen  Ursprungs  sei') 
und  nicht  vielmehr  von  aufsen  ins  Irische  eingedrungen  ist 
zu  einer  Zeit,  die  vielleicht  jünger  sein  mag,  als  die  älteste 
Fassung  der  Gesetze,  aber  jedenfalls  älter  ist,  als  Lebar 
Dromma  Snechta. 


gille  Nom.  §  37,  41),  güle  (:  serglighe)  Vok.  Tochm.  Et.  §  9,  gilliu  Nora., 
Corm.  prull  Z.  56  (Handschr.  H),  gillib  Dat.  pl.  Breh.  Law.s  V  72,  Pass.  and 
Hom.  420  usw.  sind  zum  Teil  zweidentig.  Im  heutigen  Schottisch -Gaelischeu 
ist  das  II  palatal,  im  heutigen  Irischen  wohl  überall  guttural.  Palatales  II 
zeigt  das  mit  minie  reimende  gillic,  Irische  Texte  II'  147. 

')  Mit  gr.  ylD.oc  in  veoyi?Jö^  und  den  Nom.  pr.  FD./.oq  riV.icDV,  m. 
ri?Mg  f.  läfst  sich  gilla  nicht  yereinigen.  Auch  nicht  mit  ags.  cild,  dessen 
d  wie  got.  kilßei  zeigt,  vorgermanisches  t  voraussetzt.  Unberücksichtigt 
lasse  ich  den  isolierten  britannischen  Heiligennamen  Gildas.  Gildus  (so 
Beda  und  Alcuin),  mit  dem  ich  nichts  anzufangen  weifs. 


ALTTR.  GTLLAE.  319 

V. 

Ist  das  U  von  gilla  aus  Id  entwickelt? 

Mit   d  wird  das  Wort  an  folgenden  Stellen  geschrieben: 

Mon.  Tall.  §  48:  gilde;  aber  diese  Schreibung  erweist  nichts 
in  einer  Handschrift,  die  auch  ildhis  {=  i  llius),  uhuild, 
cildi  buchstabiert  und  die  überhaupt  häufig  /(/  für  älteres 
U  verwendet. 

Cormacs  Gloss.  676:  M  gildce,  YBL  u.  LB  gilldce;  in  der  Inter- 
pretation hat  M  gilldai,  YBL  gilla,  LB  gilldw.  §  322 
bieten  YBL  und  LB  gillacht]  M  hat  gillas. 

Cormacs  Gloss.  1059  Y  pruU  (nach  Thurneysen  „Zu  Cormacs 
Glossar"  zitiert): 

Z.  HS  gilldae  Land  :  die  übrigen  Hss.  -Ih. 

Z.  14  alle  Hss.  -U-. 

Z.  49  gilldce  YBL  :  die  übrigen  Hss.  -11-. 

Z.  56  alle  Hss.  -U-. 

Z.  64  gilldce  Hm  :  die  übrigen  Hss.  -ll-, 
gildoi  H 

Comp.  Conc.  §  6         gildaei  H  :  gilt-  NE. 
Echtra  Connla  §  1    gildai  Harl.  5280  :  gillai  LU. 

gildaei  Comp.  Conc,  1.  c.  erweist  nichts,  da  dieselbe  Hs. 
auch  Conald  schreibt  (§  3).  Corm.  prull  Z.  64  haben  zwei 
unabhängige  Kopien  Id,  was  keineswegs  ausschlaggebend  ist, 
da  die  Hs.  H  Z.  28  auch  eine  Schreibung  suaild  aufweist  (vgl. 
suail  Wb.  24b  15).  Was  die  übrigen  Cormac-Hs.  betrifft,  so 
verwenden  sowohl  Land  als  YBL  und  LB  ll  für  altes  Id 
(caill,^)  saill.  wenn  aus  *sald-)\  umgekehrt  steht  in  Lau'3'  Id 
auch  für  ursprüngliches  ll  {aild  =  aill  YBL,  LB). 

Auch  deshalb  entscheiden  diese  Belege  nichts,  weil  der 
Übergang  von  Id  in  ll  in  seinem  Anfang  auf  die  zweite  Hälfte 
des  8.  Jahrhunderts  zurückgeht.  In  allen  Dialekten  und  in 
allen  Schichten  der  Gesellschaft  abgeschlossen  war  er  freilich 
kaum  eher,  als  in  den  ersten  Dezennien  des  9.  Jahrhunderts. 


»)  das  Cormac  aus  lat.  callis  herlfiitet  (Corm.  .339  Y).  Vorausgesetzt, 
dafs  dieser  Artikel  zur  urspri\uglicheu  Fa-ssuiig  de»  Glossars  gehört,  sprach 
Cormac  somit  caill  wie  vorauszusetzen  war. 


320  CARL   MARSTRANDER. 

Wir  können  ruhig  annehmen,  dafs  während  des  ganzen  9.  Jahr- 
hunderts die  traditionelle  Schreibart  kl  neben  dem  phonetischen 
II  ganz  gewöhnlich  war. 

Unter  diesen  Umständen  scheint  es  mir  methodisch  richtiger, 
in  gilla  altes  hl  anzunehmen,  weil  es  doch  für  den  Abschreiber 
näher  läge,  das  Id  der  Vorlage. in  U  zu  ändern  als  umgekehrt. 
Aber  ich  gebe  gern  zu,  dafs  es  sich  hier  um  einen  absoluten 
Beweis  nicht  handeln  kann,  und  dafs  man  sehr  gut  von  altem 
II  ausgehen  darf,  falls  ein  solches  durch  eine  überzeugende 
Etymologie  vorauszusetzen  wäre;  eine  solche  fehlt  aber  noch 
heute. 

VI. 

Mit  air.  gildae  (wie  wir  jetzt  schreiben)  wird  ein  soeben 
waffenfähig  gewordener  (gewöhnlich  wohl  freigeborener)  Jüng- 
ling bezeichnet,  der  bei  einem  Fürsten  Dienste  genommen  hat. 
Der  Pluralis  wird  wie  auch  das  KoUektivum  glldarad  von 
den  waffenfähigen  Gefolgsleuten  des  Fürsten  verwendet.  Bic- 
faiter  a  les  do  gillai  innocht  a  Chonchohuir  „du  wii'St  deine 
gildai  heut  Abend  nötig  haben",  sagt  Senlaech  Arad,  auf  den 
bevorstehenden  Kampf  anspielend,  zu  Conchobar,  der  sich  mit 
seinem  Gefolge  am  Hofe  Mac  Dathos  aufhält;  ceithern  gildae 
heifst  in  der  Täin  eine  Truppe  junger  Soldaten. 

Jugend  und  Untergebenheit  unter  einem  Herren  sind 
Grundbedeutungen,  die  in  gildae  eingeschlossen  sind.  Cormac 
stellt  es  zwischen  mac  und  öclach. 

In  sehr  frühen  Texten  wird  gildae  auch  in  der  allgemeinen 
Bedeutung  „junger  Diener"  gebraucht,  so  z.  B.  Mon.  TalL; 
sehr  gewöhnlich  wird  ihm  dann  ein  Genetiv  angehängt:  g. 
urraid,  g.  turusa,  g.  coisse,  g.  teined,  g.  scuir,  g.  eich,  g.  glomair, 
g.  taistill.  In  Schottland  ist  es  bis  auf  den  heutigen  Tag  von 
einem  gemieteten  Feldarbeiter  ganz  gewöhnlich. 

Endlich  kommt  dem  gildae  —  gleichfalls  im  Altirischen  — 
die  Bedeutung  „Jüngling"  im  allgemeinen  zu  (vgl.  oac  :  juvenis, 
miles),  so  Colm.  Hy.,  Imr.  Mäile  Düin,  Corm.  Gloss.,  Imac.  in 
da  thuar.  {g.  forcitaü),  Bruiden  Da  Dergga,  TBC  usw.  0 


*)  Im  Altirischen  wie  im  heutigen  Schottisch -Gaelischen  (ciamar  t/w 
thu  'ille?)  in  der  Anrede  heliebt. 


ALTIR.  GILLAE.  321 

Welche  von  diesen  Bedeutungen  die  älteste,  ist  aus  dem 
Irisclieu  nicht  ersichtlich.  Sie  waren  alle  an  der  Wende  des 
8.  Jahrhunderts  völlig  entwickelt. 


Wenn  gildae,  wie  ich  glaube,  ein  Fremdwort  ist,  so  scheint 
es  aus  einer  der  beiden  folgenden  Quellen  herrühren  zu  müssen. 

Entweder  stammt  es  durch  ein  raittellat.  gilda,  gildo  aus 
altfranz.  gelde,  gilde,  geldon,  m.  „Söldner,  Mietling  (mit  Lanze 
bewaffnet),  geworbener  Bauerjunge",  vgl.  gelde,  gilde,  f.  „troupe 
bände  de  soldats"  (Godefroy,  Lex.  de  l'anc.  Frangais),  eben 
eine  ceithern  gildae,  pr.  geMa  id.,  geldon  „ühlan"  (ital.  gial- 
doniere),  ferner  das  Verb  gelder  „werben".  Grundbedeutung 
wohl  soldarius,  miles. 

Oder  aber  gildae  stammt  durch  das  latinisierte,  gut  belegte 
gilda  aus  dem  angelsächsischen  gilda  „Gildegenosse".  Dafs 
diese  Zusammenstellung  nicht  unmittelbar  einleuchten  kann, 
darüber  bin  ich  im  reinen.  Die  Wörter  decken  einander 
sachlich  nicht,  und  ich  möchte  den  Vergleich  nur  unter  der 
Voraussetzung  aufrecht  halten,  dafs  gründliche  Kenner  des 
germanischen  Gilde wesens  Umstände  vorbringen  können,  die 
darauf  hindeuten,  dafs  der  König  (oder  der  hläford)  auf  einem 
frühen  Stadium  der  Entwicklung  der  Gilden  eine  so  domi- 
nierende Stellung  in  ihnen  einnalimen,  dafs  der  gemeine 
Genosse  als  sein  geschworener  Mann  betrachtet 'werden  könnte. 
Oder  wenn  es  sich  herausstellen  sollte,  dafs  die  Stellung  der 
Cnihtengilde  (die  schon  um  860  erwähnt  wird)  im  7.  und 
8.  Jahrhundert  eine  solche  war,  dafs  sie  die  Entlehnung^ron 
gilda  mit  der  Bedeutung  von  cniht  ermöglicht;  mit  cniht 
werden  bekanntlich  niedere  Dienstleute,  milites  bezeichnet. 
Leider  ist  unsere -Kenntnis  des  älteren  ags.  Gildewesens  sehr 
beschränkt.  Aus  dem  Gesetzbuch  des  Königs  Ine  läfst  sich 
freilich  ersehen,  dafs  die  Gilden  schon  in  der  ersten  Hälfte 
des  8.  Jahrhunderts  gesetzlich  anerkannt  waren,  aber  über 
die  innere  Organisation  der  ältesten  ags.  Gilden  sind  wir  nicht 
unterrichtet. 

Ob  das  bei  O'Davoren  45Ö  belegte  congillne  .i.  fer  gdil 
nö  fialusa  {ut  est  Düil  Eoscaid  ni  haisneis  fer  tar  crich  nd 


322  CAliL   MAßSTRANÜER.   Al.TIR,  GILLAF). 

coifnjgülni  nd  coihhnms)  auf  dem  mit  gilda  synonymen  mlat. 
congüdo  beruht,  scheint  mir  mehr  als  fraglich.  Die  Bedeutung- 
scheint erraten,  und  das  Wort  dürfte  —  wie  Stokes  vermutete  — 
mit  dem  cuingülne,  coingillne  der  Brehon  Laws  identisch  sein 
(vgl.  coingell,  neuir.  coingheall).  Gegen  eine  Ableitung  aus 
goel  (vgl.  comgdelta)  spricht  wohl  das  doppelte  II. 

Wenn  ich  die  Entlehnung  auf  rund  700  ansetze,  so  wird 
damit  nur  ein  terminus  post  quem  non  angedeutet,  und 
diese  Zeitbestimmung  fulst  ihrerseits  nur  auf  dem  recht  vagen 
Räsonnement,  dafs  gilla  —  weil  es  doch  wohl  nur  in  einer 
Bedeutung  entlehnt  ist  —  schon  eine  beträchtliche  Entwicklung 
auf  irischem  Boden  durchgemacht  hatte,  als  es  gegen  Ende 
des  8.  Jahrhunderts  in  der  Literatur  erscheint. 

Kristiania.  Carl  Marstran  der. 


BEITRÄGE 
ZUR  ÄLTESTEN  GESCHICHTE  IRLANDS. 


3.   Erainn,  I>ärin(n)e  und  die  Iverni  und  Darini 
des  Ftolomäns. 

In  einem  kürzlich  erschienenen  Aufsatze  in  Kuhns  Zeit- 
schrift (XLVII  233  f.)  habe  ich  den  Nachweis  geführt,  dafs 
die  älteste  erreichbare  Form  des  Namens  Irland  everijö  (wo- 
bei das  s  auf  idg.  *ei,  *jei,  *pei  oder  *epi  zurückgehen  kann) 
lautete,  dafs  eine  Form  mit  kurzem  anlautenden  e  altirisch 
*oiriu,  eine  mit  anlautendem  i  hingegen  *iriu  ergeben  haben 
würde,  und  dafs  die  neben  latinisiertem  Everiü  vorkommenden 
und  später  zur  Alleinherrschaft  gelangten  Formen  Iveriö, 
Hiberiö,  bzw.  Hihernia  ihre  Gestalt,  teils  ungenauer  Wieder- 
gabe des  anlautenden,  stark  geschlossenen  e  oder  dem  so 
häufigen  Jotazismus  (vgl.  Isca  für  altbritisches  esca,  cymr.  tvysc), 
teils  volksetymologischer  Angleichung  an  lat,  hihermis  und 
den  Völkernamen  der  Iberi  verdankten. 

Ebendaselbst  habe  ich  darauf  hingewiesen,  dals  der  Name 
des  südirischen  Volkes  der  Erainn  keineswegs  mit  dem  Namen 
der  Insel  in  Zusammenhang  gebracht  werden  kann,  wie  John* 
Rhys   und  John  Mac  Neill   annehmen.    Die  genauen  Gründe 
für  meine  Annahme  sind  wie  folgt. 

Die  lU'sprüngliche  Flexion  ihres  Namens  lautet:  Erainn, 
Gen.  Plur.  Erann,  Dat.  Plur.  Ernaih,  Akk.  Plur.  Emu,  später 
Erna.  Jünger  lauten  der  Nom.  und  Gen.  Plur.  Ernai,  Erna, 
indem  die  Stammgestalt  des  Dativs  und  Akkusativs  ver- 
allgemeinert wurde.  Neben  dem  Dativ  Ernaib  ist  auch  zwei- 
mal in  YBL  (Windisch,  Täin  5749,  5751)  die  Form  larnaib 
belegt;  der  ebenda  vorkommende  Gen.  PI.  lairn  ist  gewils  nur 
verderbte  Schreibung  statt  larann  oder  larna,  jedenfalls  durch 


.^4  JULIUS   POKORNY, 

das  ai  im  vorausgehenden  cluasaih  und  im  folgenden  mairc 
hervorgerufen. 

Das  das  Verhältnis  des  Nom.  Erainn  zum  Akk.  Emu 
deutlich  einen  o- Stamm  voraussetzt,  kämen  als  Ableitungen 
vom  Stamme  ever-  a  priori  nur  die  Grundformen  *everjoni, 
*ev€roni  in  Betracht.  Selbst  bei  der  Annahme,  dafs  der  Akk. 
JErnii  mittelirische  ungenaue  Schreibung  für  älteres  J&rna 
darstellte,  also  ein  alter  konsonantischer  Stamm  vorläge, 
könnten  wir  doch  nur  die  Grundformen  *everjones,  '*everones 
ansetzen,  die  natürlich  infolge  gleicher  Behandlung  der  End- 
silben dasselbe  Ergebnis  liefern  würden.  Eine  Grundform 
*eüernn  ist  schon  durch  den  Nom.  Erainn  ausgeschlossen,  der 
den  Abfall  eines  einfachen  Vokals  in  der  Endsilbe  erweist, 
aber  auch  eine  Form  *everni  mit  einfachem  Vokal  ist  un- 
denkbar, da  diese  einen  Nom.  *eirn  (zweisilbig;  vgl.  dee'id  aus 
*de-sedl,  Gen.  Sg.  von  deed  „träge")  und  einen  Gen.  *earn  (vgl. 
deac  „zehn"  aus  *de-enJiö,  älter  *dvei-penJcvou)  ergeben  hätte. 
Aber  auch  die  Grundformen  *everjoni,  *everoni  sind  undenkbar. 
*everjoni  hätte  selbstverständlich  *eirinn  ergeben,  da  das  von 
palatalen  Vokalen  flankierte  r  seiue  palatale  Qualität  unter 
allen  Umständen  behalten  hätte.  In  gleicher  Weise  hätte 
jedoch  auch  *eoeroni  zu  *eirmn  geführt.  Es  scheint  nämlich 
bisher  allgemein  übersehen  worden  zu  sein,  dafs  altes  inter- 
vokalisches  v  bei  der  Synkope  noch  vor  seinem  gänzlichen 
Schwunde  genau  wie  jeder  andere  Konsonant  seine  Qualität 
dem  nachfolgenden  Konsonanten  mitgeteilt  hat.  Ganz  sichere 
Beispiele  hierfür  sind  die  kontrahierten  Formen  des  « -Verbums 
feraid,  -fera  „gewährt".  Hier  lautet  nämlich  der  Konjunktiv 
des  ro- Perfekts  in  der  3.  Sg.  -roirea  aus  "^-ro-verät,  in  der 
3.  PI.  -roiret  aus  *ro-vcränt.  Ebenso  lautet  die  3.  PI.  Präs.  Ind. 
von  fo-fera  unkontrahiert  fo-ferat,  kontrahiert  dagegen  -foiret 
(aus  *vo-veräni);  auch  im  Konj.  Imperf.  liegt  neben  der  3.  Sg. 
fu-erad  die  kontrahierte  Form  -foired  aus  *vo-veräto.  Die 
palatale  Qualität  des  r  lälst  sich  in  diesen  Fällen  nur  durch 
den  Einflufs  des  geschwundenen  palatalen  v  erklären.  Ebenso 
steht  es  mit  deden,  diden  „letzter",  das  nach  dem  Ausweise 
des  Vokalnomens  f&dan  (das  wegen  des  Gen.  fednae  auf  *ved(mä 
zurückzuführen  ist)  auf  *de-vedonä,  de-vedonä  zurückgeht." 
Auch  toisech  „Führer"  läfst  sich  mit  cyrar.  tywysog  unter  einer 


ÖEITRÄGE   ZUR   ÄLTESTEN   GESCHICHTE   IRLANDS.  325 

Grundform  *to-vid-täJcos  vereinigen  und  verdankt  sein  palatales 
.9  dem  vorangehenden  v.  Desgleichen  geht  ad-cotdemmar 
(Sg43a6)  „wir  haben  verkündet"  auf  *ad-covldamor  zurück; 
nach  dem  d  hat  gewils  ursprünglich  ein  nicht -palataler  Vokal 
gestanden,  da  aulser  dem  möglicherweise  aus  «w  entstandenen 
a  (vgl.  cymr.  dugam,  griech.  jttJioii)-afisv)  nur  noch  der  thematische 
Vokal  0  in  Betracht  kommen  kann.  Somit  hätte  natürlich 
auch  *everoni  zu  *eirinn  führen  müssen. 

Dals  das  gr  im  Namen  Erainn  nicht  auf  *ever  zurück- 
gehen kann,  wird  zum  Überflusse  noch  durch  die  erwähnte 
späte  Nebenform  des  Dat.  larnaib  neben  Ernaib  bewiesen. 
Denn  diese  einzig  dastehende  Lautgestalt  des  Wortes  lälst 
sich  nur  unter  der  Voraussetzung  erklären,  dafs  das  e  durch 
Ersatzdehnung  entstanden  ist.  Ich  habe  schon  mehrmals 
darauf  aufmerksam  gemacht,  dals  die  in  Munster  und  ehemals 
auch  in  Leinster  gebräuchliche  Aussprache  des  Ersatzdehnungs-e^ 
als  ia  gelegentlich  auch  in  mittelirischen  Hss.  zum  Vorschein 
kommt,  indem  derartige  dialektische  Formen  an  Stelle  der 
schriftsprachlichen  treten,  wie  z.  B.  im  Gen.  PI.  zumeist  Gailian 
an  Stelle  von  Gailen  {*Galignöm)  oder  auch  cuilian  an  Stelle 
von  cuüen  „Hündchen"  {*koUgnos)  geschrieben  wird.  Es  ist 
klar,  dafs  ein  solcher  Fall  auch  hier  vorliegen  mufs. 

Der  Name  Erainn  kann  somit  nur  auf  eine  Grundform 
*ahoni  oder  ähnl.  zurückgehen;  an  Stelle  von  *akr-  kann 
man  aber  auch  *egr-,  *eJcr;  *igr-,  *ikr-  ansetzen  und  im  An- 
laut kann  p  oder  j  geschwunden  sein;  der  Vokal  vor  dem  n 
kann  ebenfalls  beliebig  angesetzt  werden. 

Wenn  man  den  Namen  indogermanisch  deuten  will,  so 
liegt  es  natürlich  am  nächsten,  an  griech.  dxQÖg  zu  denken;"* 
auch  das  öfter  allein  vorkommende  er  (glossiert  mör  und  uasal) 
wird  hierher  gehören,  da  es  keineswegs  in  allen  Fällen  (vgl. 
Windisch,  Wörterb.)  als  er-  =  ess-ro  zu  erklären  sein  dürfte; 
dafs  es  sich  z.  B.  im  Fled  Bricrenn  §  78  nur  um  eine  „ver- 
kürzte Ausdrucks  weise"  eines  mit  der  Vorsilbe  er-  zusammen- 
gesetzten Kompositums  handeln  könne,  wie  Pedereen  (II  13) 
für  einige  Stellen  in  Ml.  annimmt,  wird  man  doch  gewifs 
nicht  glauben  dürfen.  Ganz  sichere  Beispiele  für  selbständiges 
er  bei  Kuno  Meyer,  Alt.  Ir.  Dichtung  1 35.  Erainn  kann  also 
als  „die  Erhabenen"  gedeutet  werden. 

Zeitschrift  t.  celt.  Philologie  XII,  3.  22 


326  JULIUS   POKORNV, 

Die  Erainn  gehörten  auch  in  der  Tat  einst  m  den  be- 
deutendsten Völkern  Irhinds.  Sie  werden  im  Kommentar  zum 
Senchus  Mor  (1 78,  80)  als  einer  der  drei  edlen  Stämme 
bezeichnet,  die  sich  in  die  Herrschaft  der  Insel  geteilt  hatten. 
Die  anderen  beiden  heifsen  einmal  Ulaid  „Ulster- Leute"  und 
Gailiuin,  ein  andermal  Ulaid  und  Feni  Temrach  „Fenier  von 
Tara".  An  einer  dritten  Stelle  (1 70)  werden  die  Ulaid, 
Gailiuin  und  Feni  Temrach  als  die  drei  edlen  Stämme  genannt, 
und  es  ist  sehr  wahrscheinlich,  dafs  der  zweite  oder  dritte 
Name  in  „Erainn"  zu  verbessern  ist.  Da  die  Erainn  in 
geschichtlicher  Zeit  ebenso  wie  die  anderen  angeführten 
Völker  keinerlei  politische  Bedeutung  mehr  hatten,  werden 
wir  jene  Überlieferung  von  der  Dreiteilung  Irlands  für  sehr 
alt  halten  müssen.  Was  die  anderen  beiden  Völker  betrifft, 
so  bezeichnet  Galiuin  und  Feni  wahrscheinlich  dasselbe  Volk; 
infolge  der  Unzugäuglichkeit  der  Quellen  kann  ich  mich  darüber 
nicht  mit  Sicherheit  äufseni.  Wenn  es  aber  (Eriu  VI  147) 
heilst:  ar  ite  Fenni  (leg.  Feni)  in  sin  :  Muscraige  7  I)dl  Matti 
7  Gorcu  Duhni  7  Lagein  6  Buais  co  Commur  Tri  nüsce,  also 
die  Laigin  ausdrücklich  als  Feint  bezeichnet  werden,  und 
andererseits  die  Namen  La(i)gin  und  Gailiuin  synonym  ver- 
wendet werden  (z.  B.  Ir.  T.  III 374 :  Gailioin  .i  Lagin ;  weitere 
Belege  bei  Hogan  s.  v.  Gaileoin),  so  werden  wir  wohl  annehmen 
dürfen,  dafs  in  jener  Dreiteilung  Feini  Temrach  dasselbe  Volk 
bezeichnete,  wie  Gailiuin,  unbeschadet  der  Möglichkeit,  dafs 
es  sich  in  einem  der  beiden  Fälle  erst  um  eine  sekundäre 
Erweiterung  des  ursprünglichen  Begriffes  handelte,  dafs  also 
an  anderen  Stellen  jene  beiden  Namen  vielleicht  doch  nicht 
gleichgesetzt  werden  dürfen;  in  unserem  Falle  sind  es  aber 
mit  'ziemlicher  Gewifsheit  nur  verschiedene  Namen  für  die 
gleiche  Sache. 

Zur  obigen  Gleichsetzung  von  Ga{i)liuin  und  La(i)gin 
(die  übrigens  auch  rein  örtliche  Bedeutung  haben  könnte, 
indem  beide  Namen  einfach  die  Bewohner  der  Provinz  Leinster 
bezeichneten,  die  sowohl  Laigin  wie  Coiced  Ga{i)len  genannt 
wird)  will  ich  noch  hinzufügen,  dafs  einerseits,  wie  ich  (oben 
XI 183)  gezeigt  habe,  die  Ga{i)liuin  zu  den  Fomoriern  ge- 
rechnet wurden  und  andererseits  die  La{i)gin  nach  einer 
bekannten  ii'ischen  Tradition  als  „Verbündete"  der  Fomorier 


UEITRÄGE   zur   ALTESTEK    GESCHICHTE    IRLANDS.  327 

bezeichnet  wurden  und  durch  König  Tuathal  Techtmar  aus- 
gerottet worden  sein  sollen. 

'  Nun  lassen  sich  von  den  „drei  edlen  Völkern"  Irlands 
wenigstens  zwei  in  dem  ältesten  Denkmal  irischer  Geschichte, 
in  der  Geogi'aphie  des  Ptolomäus  (die  wiederum  auf  Marinus, 
ca.  100  n.  Chr.  zurückgeht),  also  im  1.  Jahrh.  n.  Chr.  nach- 
weisen. Es  sind  das  nämlich  erstens  die  Ulaid,  die  bei 
Ptolomäus  OvoXovvTLOL  heifsen,  was  zweifellos  für  OvXovxoi 
oder  VXovroi  verderbt  ist,  also  älteste  Form  Oluti  oder  üluti; 
im  letzteren  Falle  zu  ir.  am-ulach  „bartlos"  zu  stellen,^ das 
auf  idg.  *n-pulu-Jco-  zurückgehen  muls.  Was  zweitens  die 
GaiUuin  (bzw.  Feini?)  betrifft,  so  habe  ich  seinerzeit  (XI 184) 
wahrscheinlich  gemacht,  dals  sie  mit  den  sagenhaften  Fomo- 
riern  identisch  waren  und  vielleicht  eine  der  germanischen 
Chauchorum  nationes  darstellten.  Da  Ptolomäus  die  Canci 
als  Bewohner  der  irischen  Ostküste  nennt,  so  hätten  wir  hier 
implizite  auch  den  zweiten  „edlen  Stamm",  die  GaiUuin 
vertreten. 

Dem  gegenüber  würde  es  sehr  befremden,  wenn  Ptolomäus 
den  dritten  „edlen  Stamm",  die  Erainn,  mit  Stillschweigen 
übergehen  würdet  Ich  glaube  in  der  Tat  zeigen  zu  können, 
dafs  dies  nicht  der  Fall  ist,  und  dals  uns  gerade  die  ziemlich 
unwahrscheinlich  scheinende  Lokalisierung  jenes  Stammes  eine 
wichtige  historische  Tatsache  offenbart.  Ptolomäus  nennt  als 
nördliche  Nachbarn  der  Ulster -Leute  die  Darini.  Man  hat 
diesen  Namen  schon  lange  mit  dem  irischen  Dairfine  zusammen- 
zubringen versucht,  aber  diesen  Versuch  offenbar  deshalb  auf- 
gegeben, weil  die  Dairfine  in  historischer  Zeit  in  Südwest- 
Irland  sitzen.  Mac  Neills  Zusammenstellung  von  Darini  und 
M(a)ugdoirn  würde  voraussetzen,  dals  Darini  für  Dorni  ver- 
schrieben sei.  Nun  ist  zwar  dem  Ptolomäus  etwas  derartiges 
sehr  leicht  zuzutrauen,  aber  ich  will  eben  zeigen,  dafs  •  es 
sich  hier  nicht  um  den  unbedeutenden  Stamm  der  M{a)ugdoirn, 
sondern  um  das  grofse  Volk  der  Erainn  handelt,  und  Ptolomäus 
in  diesem  Falle  ziemlich  richtig  überliefert  hat. 

Schon  John  Mac  Neill  hat  darauf  hingewiesen,  dafs  Dair- 
fine den  Namen  des  Gottes  Dd(i)re  enthält  und  Marstrander 
hat  im  Wörterbuche  der  Akademie  gezeigt,  dafs  die  korrekte 
'  Form  des  Namens  Ddirinne  (neutr.)  lautet  und  Dair-fine  auf 

22* 


S28  JüUus  t»okoRNt, 

Volksetymologie  beruht.  Wie  die  Erhaltung  der  zweiten  Silbe 
beweist,  haben  wir  als  Grundform  *Z)ä)-i(>-»/ö»  anzusetzen. 
Die  Lesart  Darini  würde  dann  einfach  für  Darioni  stehen,  ein 
Fehler,  wie  er  mindestens  hundertmal  bei  Ptolomäus  vorkommt. 

Der  Stamm  Ddirinne  erscheint  in  der  Tradition  als 
identisch  mit  den  Erainn.  In  O'Mulconrys  Glossar  §  417 
heilst  es:  Eraind  .i.  fir  Erann  (sie  Ms.),  ar  it  e  rogdhsat  a 
cetleth  di  Ennd.  It  he  Darßne  insin  .i.  ßne  Daire  Doimthigh 
maic  Itha  maic  Bile  maic  Bregainn.  Ainm  doib  iertain  Tuatha 
/e[i]r  ,/.  is  diib  Eterscelae  mac  hui  ler  7  Conaire  7  Cüröi. 
Batar  diib  rlgh  Muman  ria  n-Eoghanacht  „Die  Erainn  heifsen 
auch  Fir  Erann,  denn  sie  sind  es,  die  zuerst  eine  Teilung 
Irlands  (unter  sich)  vorgenommen  hatten.  Diese  heifsen  auch 
Däirinne,  nämlich  Nachkommen  des  Däire  Doimthecli,  des 
Sohnes  des  Itli,  des  Sohnes  des  Bile,  des  Sohnes  des  Bregand. 
Sie  werden  auch  Tuatha  leir  genannt,  es  stammen  nämlich 
von  ihnen  Eterscelae  vom  Geschlecht  des  lar  und  Conaire 
und  CüRoi.  Ihnen  wurden  die  Könige  Munsters  vor  (der 
Herrschaft)  der  Eoganacht  entnommen." 

Wir  erfahren  hier  von  der  sehr  interessanten  Überlieferung, 
dals  die  Erainn  einst  ganz  Irland  beherrscht  haben  sollen. 
Aber  jene  Überlieferung  scheint  nicht  echt  zu  sein. 

Die  Stelle  in  BB  139  b  11:  „ha  leathrann  da  Dal  Cede 
7  do  Dal  Bairrdene  cosin"  bezieht  sich  nämlich  nur  auf  Leth 
Cuind  (Nordirland),  von  dem  kurz  vorher  die  ßede  war,  und 
es  kann  sich  nur  um  ein  leath-rann  Nordirlands  handeln. 
John  Mac  Neill  irrt  also,  wenn  er  diese  Stelle  auf  ganz  Irland 
bezogen  wissen  und  daraus  schliefsen  will,  dafs  die  Erainn 
dereinst  über  ganz  Irland  geherrscht  hätten.  Die  Stelle  bei 
O'Mulconry  dürfte  sich  ebenso,  wie  die  zweite  Strophe  der 
Brinna  Ferchertne  (oben  III 41),  wo  es  heilst :  Heraind  rogdbsat 
Herind  („Die  Erainn  herrschten  über  Irland")  durch  eine 
nachträgliche  historisch -etymologische  Spekulation  infolge  der 
Namensähnlichkeit  Erenn  (Gen.  von  Eriti)  —  Erann  (Gen.  PI. 
von  Erainn)  erklären;  daher  auch  das  h  vor  Hirainn',  dafs 
sonst  nicht  oft  vor  dem  Völkernamen  erscheint  und  hier  nur 
von  Herind  übernommen  ist.  Jedenfalls  stimmt  diese  Über- 
lieferung zu  dem,  was  wir  sonst  über  die  ursprüngliche  grolse 
Bedeutung  jenes  Volkes  wissen. 


BEITRÄGE   ZUR   ÄLTESTEN   GESCHICHTE   IRLANDS.  329 

Für  uns  ist  aber  am  wichtigsten  die  Tatsache,  dals  hier 
Ddirinne  ausdrücklich  als  ein  anderer  Name  der  Erainn  fest- 
gelegt wird.  Das  Gleiche  sagt  die  Stelle  in  Rawl  B  502, 147  b  12: 
is  he  Darßne  robce  i  n-agid  Deirgthene  A.  Ernai  7  Dairfine  do 
räd  friu-side  0  Däre  mac  Dedaid  a  patre  Con  Bui^)  7  ni 
Corco  Lmgde  ut  alii  putant.  „Die  Däirinne  sind  es,  die  mit 
den  Deirgthine  in  Streit  waren,  nämlich  Erainn  sowohl  als 
Däirinne  werden  sie  nach  Däire  mac  Dedad,  dem  Vater  des 
Cü  Röi  genannt,  und  nicht  Corco  Laigde,  wie  andere  meinen." 

Gemeint  ist  hier,  dafs  die  Gegner  der  milesischen  Deirg- 
thine, der  Nachkommen  des  Eber,  sowohl  mit  dem  Namen 
Erainn,  wie  mit  dem  Namen  Däirinne  bezeichnet  zu  werden 
pflegten,  mit  anderen  Worten,  dafs  beide  Namen  das  gleiche 
Volk  bezeichnen.  Das  geht  auch  aus  den  unmittelbar  an- 
schliefsenden  Zeilen  hervor,  wo  es  heilst:  Däirinne  7  Dergthene 
hi  comflaith  und  ar  is  0  hErnaib  cech  dara  rt...-jo  Dergthene 
in  n  aile  „Däirinne  und  Dergthine  teilten  sich  in  die  Herr- 
schaft . . .  denn  es  wird  abwechselnd  bald  ein  König  von  den 
Erainn  und  bald  von  Dergthine  genommen."  '^)  Dasselbe  er- 
hellt daraus,  dals  die  Leute  des  Cü  Roi,  der  schon  durch  seinen 
Vater  Däire  als  ein  Angehöriger  der  Däirinne  gekennzeichnet 
wird,  wiederholt  auch  Erainn  genannt  werden  (oben  IX  206, 
§  30  usw.).  Cü  Roi  selber  wird  in  der  ältesten  Überlieferung 
als  Angehöriger  der  Erainn  bezeichnet  (oben  IX  192,  §  7). 

Die  Frage  ist  jetzt,  wie  sich  die  Namen  Erain  und  Däi- 
rinne ursprünglich  zu  einander  verhalten,  und  ob  Däirinne 
vielleicht  nur  eine  bestimmte  Gruppe  der  Erainn  bezeichnete 
und  die  oben  dargetane  Identität  beider  Namen  etwa  nur  auf 
diese  Tatsache  zu  beziehen  ist;  der  Gedanke  liegt  deswegen 
nahe,  ■  weil  in  historischer  Zeit  der  Name  Däirinne  auf  den 
Stamm  Corcu  Loigde  beschränkt  bleibt.  Genau  lälst  sich 
wegen   des  geringen  Materials  die  Sache  nicht  entscheiden, 


')  Im  Wörterbuch  der  ir.  Akademie  ist  irrtümlich  gedruckt:  ni  Corco 
Laigde  a  patre  Conrüil    Auch  steht  dort  (p.  36,27)  O'Mulc.  217  statt  417. 

*)  Selbstverständlich  ist  das  nur  eine  hislorische  Fiktion  zur  Be- 
mäntelunif  der  Tatsache,  dafs  es  den  wahrscheinlich  aus  Gallien  ein- 
gewanderten Nachkommen  des  Ailill  Ölom  gelang,  die  Herrschaft  in  Munster 
an  sich  zu  reifsen  und  die  Erainn  zurückzudrängen  (vgl.  Mac  Neill,  Popul. 
Group»,  S.  73  Anm.). 


330  JULIUS   POKORNY, 

aber  da  die  Däirinne  schon  bei  Ptolomäus  bezeugt  sind,  müssen 
sie  zumindest  in  jenen  Zeiten  einer  der  wichtigsten  Stämme 
der  Erainn  gewesen  sein,  und  es  ist  auch  sehr  leiclit  möglich, 
dals  ihr  Name  ursprünglich  das  ganze  Volk  bezeichnete  und 
erst  später,  als  der  Name  Erainn  in  den  Vordergrund  kam, 
auf  einen  Teil  des  Ganzen  eingeschränkt  wurde.  Der  Name 
Ddirinne  wurde,  wie  schon  bemerkt,  später  nur  mehr  zur 
Bezeichnung  des  Stammes  Corcu  Löigde  verwendet  (Cormacs 
Glossar  und  Hogan  s.  v.  Dairiine).  Der  obige  Satz,  wonach 
die  Gegner  der  Deirgthine  in  Munster  „Erainn  und  Däirinne", 
aber  „nicht  Corco  Loigde"  heilsen,  ist  also  dahin  zu  verstehen, 
dafs  sowohl  Erainn,  wie  Däirinne  damals  in  weiterem  Sinne 
zur  Bezeichnung  des  ganzen  Volkes  verwendet  werden  konnten, 
wogegen  Corcu  Loigde  nur  einen  einzelnen  Stamm  jenes  Volkes 
bezeichnete  und  daher  nicht  allein  als  Rivale  der  milesischen 
Deirgthine  genannt  werden  durfte. 

In  der  zitierten  Stelle  aus  O'Mulconry  heilst  es,  dafs  die 
Däirinne  ihren  Namen  von  Däire  Doimthech,  dem  Sohn  des 
Ith  haben.  Auch  in  der  „Genealogy  of  the  Corca  Laidhe" 
(Dublin  1849)  werden  sie  auf  Ith,  einen  Onkel  des  milesischen 
Ahnherrn  Mil  zurückgeführt.  Die  Abstammung  von  Ith  ist 
ebenso  eine  späte,  gelehrte  Fälschung,  wie  die  angebliche 
Abstammung  von  Mil  selbst  durch  dessen  Sohn  Eremön  (z.  B. 
Fianaigecht  S.  28,  LL324d44ff.,  usw.)  und  erklärt  sich  da- 
durch, dafs  man  im  8.  und  9.  Jh.  die  wichtigsten  vor-milesischen 
Stämme  durch  Erfindung  einer  milesischen  Genealogie  zu  adeln 
versuchte.  Wenn  es  daher  im  Cöir  Anmann  (§  68)  heifst, 
dafs  die  Däirinne  teils  von  Däire  Doimthech  und  teils  von 
Däire  mac  Dedad  abstammen,  so  werden  wir  diese  beiden 
Däire  unbedenklich  miteinander  identifizieren  können  und  dazu 
noch  Däire  Sirchrechtach  stellen,  der  (in  Rawl.  B  502,  p.  155  a  3  ff.) 
geradezu  dem  Däire  Doimthech  gleichgesetzt  wird,  wie  ja 
auch  beide  als  Väter  der  fünf  Luigdig  genannt  werden.  Auch 
er  hat  einen  milesischen  Stammbaum  erhalten,  den  wir  als 
spätere  Erfindung  streichen  müssen.  Hingegen  müssen  wir 
die  Vaterschaft  des  Deda  (oder  Dedu?)0  als  richtig  anerkennen, 

*)  Die  Form  Dedu  wäre  nur  dann  richtig,  wenn  man  von  einer 
Grundform  de-dä-vota,  einem  alten  Partiz.  Perf.  ausgehen  dürfte,  zur  Wurzel 
da  „schenken,  geben". 


BEITRÄGE   ZUR   ÄLTESTEN   GESCHICHTE   IRLANDS.  331 

da  die  Erainn  in  der  Ulstersage  (z.  B.  Mesca  Ulad)  zumeist 
Clann(a)  Dedad  genannt  werden,  aber  auch  sonst,  z.  B.  Lü  51  b  8: 
Cland  Dedad  i.  Sil  Conaire  7  Ernal.  Dafs  Däire,  der  Ahn- 
herr der  Däirinne,  ebenfalls  als  mac  Dedad  bezeichnet  wurde, 
stimmt  trefflich  zur  ursprünglichen  Identität  der  Erainn  und 
Däirinne. 

In  der  Genealogie  der  Erainn  in  LL  324  d  44  —  e  liegen 
zwischen  Deda  und  dessen  angeblichem  Nachkommen  Ailill 
Erann  sieben  Generationen.  Da  nun  erfahrungsgemäfs  die 
echte  Genealogie  nur  mit  dem  synonymen  Ahnherrn  beginnt 
und  sich  die  darüber  hinausgehenden  Ahnen  stets  als  junge, 
gelehrte  Erfindung  nachweisen  lassen,  mufs  man  auch  hier 
annehmen,  dafs  die  Vorfahren  des  Ailill  Erann  in  der  ur- 
sprünglichen Überlieferung  keinen  Platz  hatten.  Wie  soll 
man  es  aber  da  verstehen,  dafs  in  den  alten  Ulster- Sagen, 
die  noch  keine  derartigen  Erfindungen  kennen,  die  Erainn 
regelmälsig  Clanna  Dedad  genannt  werden  ?  Kann  denn  Deda 
auch  gelehrter  Erfindung  seinen  Ursprung  verdanken? 

Die  Lösung  dieser  Schwierigkeiten  gibt  uns  O'Flaherty 
(Ogygia,  p.  122) :  ihm  zufolge  ist  Deda  nicht  der  Vorfahre  des 
Ailill  Erann,  sondern  dessen  Enkel.  Da  ihm  viele,  heute  ver- 
lorene Quellen  zu  Gebote  standen,  werden  wir  seine  Ansicht 
wohl  als  richtig  anerkennen  müssen.  Er  sagt:  „Deda  ist  der 
Sohn  des  Sen,  der  Enkel  des  Ailill  Erann  ...  In  der  Genea- 
logie der  Könige  Schottlands,  die  sich  von  Deda  ableiten, 
liegen  7  oder  8  Generationen  zwischen  Sen,  dem  Vater  des 
Deda  und  Ailill  Erann  . . .  Aber  von  keinem  der  sieben  oder 
acht  ist  anderswo  die  Rede"  usw.  Im  folgenden  begründet 
er  dann  seine  Ansicht  durch  chronologische  Erwägungen. 

In  der  Genealogie  der  schottischen  Könige  in  Rawl.  B  502 
p.  162  wird  Deda  richtig  als  Nachkomme  des  Ailill  Erann, 
allerdings  mit  acht  dazwischen  liegenden  Generationen,  be- 
zeichnet; desgleichen  bei  Keating  (II  231)  in  der  Genealogie 
des  Conaire  Mör. 

John  Mac  Neill  hat  die  Vermutung  ausgesprochen,  dafs 
der  schon  erwähnte  Däre  nur  der  Gott  Lug  unter  anderem 
Namen  sei.  Dieser  Ansicht  kann  ich  mich  aber  nicht  an- 
schlieisen,  da  folgende,  bisher  unedierte  Stelle  aus  LL  319  a,  b 
(vgl.  Rawl.  B  502,  p.  147  a  39)  vielmehr  in  anderer  Richtung 


332  JULIUS   POKORNY, 

ZU  weisen  scheint.  Gabais  Bari  mac  Dedad  rigi  co  n-erhailt 
dia  ruc  a  ingen  in  mac  (.i.  Noine).  Ätrubairt  in  driii  ris, 
intan  noberad  a  ingen  mac,  issand  atbelad.  Co-rrabi  comet 
aice  furri.  Aräide  rostorrchestar  Mac  ind  Oc  (scilicet  quidam 
diabolus)  dia  luid  ind  ingen  tria  mesca  assin  diin.  Co-rragbatar 
na  druid  [for  a  broindj  co  cend  nöi  mbliadan  .i.  nöi  mls  fd 
nöi,  CO  rucad  in  mac  .i.  noidiu  nöi-brethach  .i.  not  mbretha 
ruc  iarna  gein  focheiöir.  Is  amlaid  rogenair  co  trilis  fot  da  Idm 
fair  7  co  cassulcha.  Marb  trd  Bare  mac  Bedad  intan  rucad  Noine. 

„Däre  der  Sohn  des  Deda  ergriff  die  Herrschaft  bis  er 
starb,  als  seine  Tochter  den  Sohn  (nämlich  Noine)  gebar. 
Der  Druide  hatte  ihm  verkündet,  er  würde  sterben,  sobald 
seine  Tochter  einen  Sohn  zur  Welt  brächte.  Deshalb  hielt 
er  sie  in  Gewahrsam.  Trotzdem  aber  schwängerte  sie  Mac 
ind  Öc,  als  das  Mädchen  im  Rausche  aus  der  Festung  heraus- 
ging. Die  Druiden  hielten  ihren  Leib  neun  Jahre  lang  in 
ihrer  Gewalt,  d.  h.  neun  mal  neun  Monate,  bis  endlich  doch 
der  Sohn  geboren  wurde,  ein  Knäblein,  nöi-brethach,  d.  h.  neun 
Sprüche  (bretha)  fällte  ,er  sofort  nach  seiner  Geburt.  Mit 
Locken,  zwei  Spannen  lang,  und  gewelltem  Barte  kam  er  zur 
Welt.  Sobald  Noine  geboren  wurde,  starb  Däre  der  Sohn 
des  Deda." 

Es  kann  gar  kein  Zweifel  vorliegen,  dals  wir  hier  die 
Geschichte  von  der  Geburt  des  Gottes  Lug  vor  uns  haben, 
wie  sie  uns  O'Donovan  (Four  Masters  1 18  f.)  in  moderner 
Form  überliefert  hat,  einen  in  der  ganzen  arischen  Welt 
verbreiteten  Mythos,  der  u.  a.  bei  Kyros,  Perseus,  Romulus 
usw.  wiederkehrt. 

Wir  werden  somit  in  Däre  nicht  ein  Duplikat  des  Gottes 
Lug,  sondern  vielmehr  dessen  Grofsvater  zu  erblicken  haben, 
der  sonst  allgemein  Balor  genannt  wird.  Nun  wird  aber  Däre 
sonst  stets  als  Vater  der  fünf  Luigdig,  d.  h.  (da  Lugaid  =  Lug) 
als  Vater  des  Gottes  Lug  bezeichnet  (Coir  Anmann  §  69)  und 
von  seinem  Tode  durch  Geburt  eines  Enkels  ist  sonst  nirgends 
die  Rede.  Vielleicht  bezog  sich  also  die  oben  angeführte 
Geburtsgeschichte  auf  Däres  Vater  Deda,  von  dem  wir  ja 
sonst  nichts  weiter  wissen,  und  wurde  von  dem  Auf  Zeichner 
der  Genealogie  irrtümlich  mit  Däre  in  Verbindung  gebracht. 
Genealogisch  wäre  dann  die  Sache  völlig  in  Ordnung. 


BEITRAGE   ZUR   ÄLTESTIN  GESCHICHTE   IRLANDS.  333 

Die  ganze  Interpretation  der  irischen  Sage  habe  ich  in 
der  Orient.  Lit.-Zeitg.  Juni  1918  gegeben;  hier  will  ich  nur 
kurz  bemerken,  dals  Noine  „der  Neuner"  oder  „der  Neunte" 
bedeutet  und  dafs  das  „in  Gewalt  halten"  des  Leibes  dahin 
aufzufassen  ist,  dafs  achtmal  hintereinander  eine  Tochter  und 
erst  in  neunter  Generation  „der  Sohn"  geboren  wird,  der 
auch  im  iranischen  Mythos  von  Dahaka  (=  Astyages)  gleich- 
zeitig der  Enkel  und  der  zehnte  Nachkomme  des  Tyrannen 
ist;  er  selbst  wird  nämlich  immer  von  neuem  wiedergeboren, 
achtmal  als  Tochter  und  dann  erst  als  Sohn.  Wenn  der  ger- 
manische Heimdali  neun  Mütter  hat,  so  sind  diese  ebenfalls 
nacheinander  als  „Ahnen -Mütter"  zu  verstehen.  Die  Erklärung 
von  nöi-hretJiach  im  irischen  Text  ist  sicher  falsch ;  es  ist  ein- 
fach als  „neun -geburtig"  zu  übersetzen,  d.h.  das  Knäblein 
war  neunmal  geboren  worden  (vgl.  Spiegel,  Eranische  Alter- 
tumskunde 587  f.).  Das  neun -monatliche  Jahr  ist  deutlich  der 
Schwangerschafts -Periode  entnommen  und  hierzu  wurde  dann 
eine  neuntägige  Woche  (nömad)  gebildet. 

Aus  dem  bislier  Gesagten  geht  zur  Genüge  hervor,  dafs 
aus  lautlichen  Gründen  ein  Zusammenhang  der  Erainn  mit 
den  Iverni  (richtiger  Everni)  des  Ptolomäus  ausgeschlossen  ist. 
Eine  lautliche  Entsprechung  zu  diesem  Volksnamen  kann  ich 
überhaupt  nirgends  finden,  es  sei  denn,  man  wollte  die  um 
den  Lough  Erne  wohnhaften  Eirni  auf  *Evernn  zurückführen, 
was  lautlich  ganz  gut  möglich  wäre,  da  das  palatale  v  bei 
der  Synkope  die  Lautgruppe  m  palatalisieren  mufste;  auch 
eine  Wanderung  von  der  Südküste  Irlands  nach  Nordwesten 
mufs  als  möglich  gelten,  da  ja  die  Südküste  am  ehesten  In- 
vasionen ausgesetzt  war.  Es  ist  aber  auch  denkbar,  dals  ein 
Volk  der  Everni  niemals  existierte  und  dafs  Ptolomäus,  dessen 
Werk  ja  auf  den  Landkarten  des  Marinus  beruht,  an  der 
mittleren  Südküste  Irlands  den  Namen  der  Insel  Evernia  ein- 
getragen vorfand  und  daraus  ein  Volk  der  Everni  (bzw.  Iverni) 
machte. 

Bevor  ich  nun  zeige,  dafs  die  Gleichsetzung  der  angeb- 
lichen Iverni  mit  den  Erainn  auch  historisch  vollkommen 
unberechtigt  ist,  will  ich  noch  einen  weiteren  Irrtum  der  bis- 
herigen Forschung  richtigstellen.  In  der  anfangs  zitierten 
Stelle  bei  O'Mulconry  heilst  es,  dafs  die  Erainn  auch  „tuatha 


334  JULroS  POKOBNT, 

lair",  Stämme  des  lar  genannt  werden.  Aus  den  bei  Ehys 
(Studies  in  Early  Ir.  Hist,  p.  18,  19)  gesammelten  Stellen  geht 
deutlich  hervor,  dafs  es  sich  um  einen  zweisilbigen  Namen 
handelt,  der  im  Nora.  lar,  im  Gen.  leir  lautete,  genau  wie 
iarn  „Eisen",  Gen.  ieirn.  Im  Spät -Altirischen  ist  dann  leir 
regelmälsig  zu  lair  geworden.  Dieses  zweisilbige  lair  wurde 
dann  weiter  zu  Ir  vereinfacht,  ebenso,  wie  altirisch  idch,  iaich 
(Akk.  von  eo  „Lachs")  mittelirisch  zu  ich  wurde  (Windisch 
Täin,  S,  281),  oder  sciein,  sdain  (Dat.  von  scian  „Messer")  zu 
sein  (Rev.  Celt.  VIII 56). 

Sowohl  Rhys,  wie  John  Mac  Neill  (Early  Ir.  Popul.  Groups 
§  12)  haben  lar  mac  Dedad,  den  Ahnherrn  der  Erainn  als 
eponymen  Ahnherrn  aufgefalst,  indem  sie  den  Namen  lar  auf 
eine  Grundform  I{v)eros,  angeblich  zum  Namen  Iverni,  Erainn 
gehörig,  zurückführten.  Eine  derartige  Etymologie  ist  aber 
gänzlich  ausgeschlossen,  weil,  wie  ich  (K.  Z.  XLVII 236)  gezeigt 
habe,  das  i  im  Namen  Iverio,  Iverni  für  altes  &  steht,  und 
ein  Name  *Everos  im  Nom.  *Ear,  im  Gen.  £tV  ergeben  würde. 
Wir  haben  übrigens  die  Grundform  unseres  Namens  deutlich 
in  den  Ogam- Inschriften  erhalten.  Einmal  im  Ogam  von  Derry- 
garriff  (Macal.  110):  ISARI  AVI  GGATTECI  „(Grabstein) 
des  Isaros  des  Nachkommen  des  Gaitecos",  und  ferner  in 
Ballintaggart  (Macal.  13):  MAQQI  lARI  CI  MAQQI  MÜCCOI 
DOVVINIAS  „Hier  (der  Grabstein)  des  I(s)aros  eines  Nach- 
kommen vom  Stamme  der  Dubina  (d.  h.  Corcu  Duibne)". 
Mac  Neill  meint  zwar  (Notes  on  Og.  Inscr.,  §  16),  dafs  Beispiele 
eines  inter vokalischen  s  nicht  vorhanden  wären,  aber  es  ist 
mir  nicht  zweifelhaft,  dafs  ISARI  die  Grundform  von  lARI 
darstellt  und  dafs  wir  hier  gleichzeitig  die  ältesten  Formen 
des  altirischen  lar  vor  uns  haben. 

Die  mittelirische  Genetivform  Ir  drang  auch  in  den 
Nominativ  ein,  so  dafs  der  Ahnherr  der  Erainn  neben  lar 
auch  Ir  genannt  wurde.  Aus  diesem  lar  (Ir)  mac  Dedad 
machten  dann  die  Gelehrten  einen  lar  mac  Itha,  um  dadurch 
eine  genealogische  Verknüpfung  mit  den  Milesiern  herzustellen. 

Nach  dieser  kleinen  Abschweifung  komme  ich  zum  wich- 
tigsten Punkte  meiner  Abhandlung,  nämlich  zum  Nachweise, 
dafs  die  jfcrainn  zur  Zeit  des  Ptolomäus  nicht  in  Munster, 
sondern   in   Nordost- Irland   wohnten,    und    dafs   aus   diesem 


BEITRÄGE   ZUR   ÄLTESTEN   GESCHICHTE   IRLANDS.  335 

Grunde   die   Darini   ganz   deutlich   den   Dä(i)rinne   gleichzu- 
setzen sind. 

Vor  allem  wollen  wir  feststellen,  welche  Stämme  in 
geschichtlicher  Zeit  zu  den  ^^rainn  gerechnet  wurden,  i)  Es 
sind  dies:  2) 

Corcu  Bairdne  oder  Bairdine,  auch  Dal  mBairdine. 
Corcu  Baiscinn  oder  Dal  mBaiscinn,  auch  Dal  nOengvsa 

Müscae. 
Corcu  Cete  oder  Dal  Cete.^) 
Corcu  Dimaine  (Cymmrodor  XIII  129)    ein   Stamm   der 

Ddirinne. 
Corcu  Düha  (^riu  III 138). 
Corcu  Duibne  oder  Dal  nDuibne. 
Corcu  Duithne. 
Corcu  Itha. 

Corcu  Loigde  oder  Dd(i)rinne. 

Dal  mBuachalla  (oben  VIII  331,  Rawl.  B  502,  157,  23). 
Dal  Luigni  Lethduib. 

Dal  MaicCon,*)  ein  Stamm  der  Ddirinne. 
Dal  Maigne. 

Ddl  Maithe  oder  Müscraige  Ddil  Riata. 
Dal  Müsca  oder  Müscraige. 
Ddl  Riata  in  Ulster  und  Schottland. 
Ddl  nUid(i)ni.^) 
üraige  (korrupt:  Auraige). 
Mairtine. 
Garbraige  von  Ulster,  ein  Stamm  der  Ddl  Riata  (oben 

VIII 331,  RawL  B  502,  157,  20). 
Gabraige,  ein  Stamm  der  Deisse  (Cymmrodor  XIII  125, 

tv'm  III  139). 
Casraige  (oben  VIII  331,  Rawl.  B  502,  157,  23). 
Corcraige  (oben  Vm  331,  Rawl.  B  502,  157,  23). 


•)  Belegstellen  habe  ich  nur  bei  Stämmen  gegeben,  die  von  Hogan 
nicht  angeführt  werden. 

')  Die  in  historischer  Zeit  bedeutenden  Stämme  sind  gesperrt  gedruckt. 

3)  Korrupt:  Corcu  Thede. 

*)  Korrupt:  Macoyi,  Mechon,  Michoil. 

»)  Korrupt:  Dene,  Dine,  Noidne. 


336  JULIUS  POKORNT, 

Die  Dartraige  werden  wahrscheinlich  nur  wegen  des 
etymologischen  Anklanges  als  Naclikommen  des  Dä(i)re  Doim- 
thech  bezeichnet;  irrig  dürfte  auch  die  Bezeichnung  der  Dal 
Maignen  als  Erainn  sein,  da  sie  (firiu  III 139)  ausdrücklich 
Gallier  genannt  werden.  Das  Zitat  bei  Hogan,  wonach  die 
Dä.1  Luigne,  die  in  der  Geschichte  von  der  Vertreibung  der 
Döisse  einfach  den  Erainn  zugezählt  werden,  jenen  Ddl  Maignen 
(sie  leg.  anstatt  Maigin  und  Maigne  bei  Hogan)  angehört  haben 
sollen,  möchte  ich  deshalb  inhaltlich  nicht  für  richtig  halten. 
Es  könnte  sich  höchstens  um  eine  spätere  Verschmelzung 
handeln. 

Wir  sehen  also,  dafs  Stämme  der  Erainn  vom  äuXsersten 
Westen  Irlands  (Corcaguiny)  bis  nach  Schottland  hinüber  an- 
sässig waren.  Es  liegt  daher  an  und  für  sich  keine  Wahr- 
scheinlichkeit vor,  dafs  die  Ausbreitung  von  einem  der  äufsersten 
beiden  Punkte  ausgegangen  sei;  wir  würden,  wenn  wir  weiter 
gar  keine  Anhaltspunkte  besälsen,  auf  eine  Gegend  irgendwo 
in  der  Mitte,  also  in  Mittel-  oder  Nord -Irland  raten.  Dafs 
die  irischen  Geschichtsschreiber  in  historischer  Zeit  die  Heimat 
der  li^rainn  nach  Munster  verlegten,  erklärt  sich  daraus,  dafs 
sie  sich  eben  dort  am  längsten  als  Volk  von  politischer  Be- 
deutung erhalten  hatten,  so  dafs  ein  Fehlschluls  in  dieser 
Beziehung  sehr  nahe  lag. 

Einen  Einwand  mufs  ich  noch  vorerst  aus  dem  Wege 
räumen,  bevor  ich  weiter  gehe. 

In  dem  Epos  der  Täin  spielen  die  firainn  fast  gar  keine 
Rolle,  was  sehr  merkwürdig  scheint,  wenn  sie  tatsächlich  bis 
zum  1,  Jahrh.  n.  Chr.  in  Ulster  gelebt  haben  sollten.  Diese 
Tatsache  steht  jedoch  mit  unserer  Hypothese  nicht  im  geringsten 
in  Widerspruch. 

Es  kann  nämlich  gar  keinem  Zweifel  unterliegen,  dafs 
die  historischen  Ereignisse,  die  der  Täin  als  Grundlage  dienen, 
nicht  in  die  Zeit  um  Christi  Geburt,  sondern  kaum  früher, 
als  in  das  erste  Viertel  des  4.  Jahrh.  n.  Chr.  gesetzt  werden 
dürfen.  Das  Verdienst,  als  Erster  darauf  hingewiesen  zu 
haben,  gebührt  John  Mac  Neill,  der  auf  eine  Stelle  im  Buch 
von  Armagh  (8.  Jahrh.)  aufmerksam  machte,  wo  es  heilst, 
dals  der  heil.  Patricius  einen  Riesen  vom  Tode  erweckte,  der 
ihm  erzählte,  dafs  er  „unter  d^r  Regierung  des  Cairpre  Nio  Fer 


BEITRAGE   ZUR   ÄLTESTEN    GESCHICHTE   IRLANDS.  337 

vor  100  Jahren"  erschlagen  worden  sei  (LA  14  a  2).  Daraus 
folgt,  dafs  man  im  8.  Jahrh.  davon  überzeugt  war,  dafs  Coirpre 
Nio  Fer  noch  so  spät,  wie  um  332  n.  Chr.  regiert  hatte,  dafs 
also,  weil  Coirpre  als  Zeitgenosse  und  Bruder  Ailills  von  Con- 
nacht  galt,  die  in  der  Täin  verherrlichten  Ereignisse  um 
jene  Zeit  stattgefunden  hatten.  Im  8.  Jahrh.  besafs  man 
gewifs  noch  genauere  chronologische  Aufzeichnungen  aus 
älterer  Zeit  und  es  ist  auch  erfahrungsgemäls  bestätigt,  dals 
irische  Daten  um  so  sicherer  sind,  je  älter  sie  belegt  sind, 
da  man  später  immer  mehr  daran  ging,  Ereignisse  der  Vor- 
zeit künstlich  recht  weit  zurückzuverlegen. 

Wenn  die  Erainn  zur  Zeit  der  Täin,  zu  Anfang  des  vierten 
Jahrhunderts,  schon  Ulster  verlassen  hatten,  so  können  sie 
natürlich  im  1.  Jahrh.  noch  recht  gut  in  Nord -Irland  gewohnt 
haben  und  von  einem  Widerspruch  der  Überlieferung  braucht 
hier  keine  Rede  zu  sein. 

Schon  der  häufige  Ausdruck  Erainn  Muman :  „Erainn  von 
Munster"  (z.  B.  LL  14  a  9,  LU  51b  8,  Hogan  s.  v.)  zeigt  uns, 
dafs  es  auch  anderswo  Erainn  gegeben  haben  muXs.  O'Flahertys 
Ogygia  (S.  301)  entnehme  ich,  dafs  das  nur  die  Erainn  TJlad 
„;6rainn  von  Ulster"  gewesen  sein  können.  Wir  haben  nun 
eine  Reihe  von  Traditionen,  die  darauf  hinweisen,  dafs  man 
sich  im  alten  Irland  einstmals  noch  sehr  wohl  der  Tatsache 
bewufst  war,  dafs  Ulster  die  älteste  Heimat  der  ifcrainn 
gewesen  war. 

O'Flaherty  berichtet  uns  (Ogygia  S.  266) :  „Fiacha  Fer 
Mara  . . .  aus  dem  Geschlechte  des  Eremön  erzeugte  einen 
Sohn  Ailill  Erann,  der  in  Ulster  Ländereien  erhielt  und  von 
dessen  Beinamen  später  die  Erainn  benannt  worden  sind  . . . 
Deda,  der  Sohn  des  Sen  und  Enkel  des  Ailill  Erann  wurde 
von  den  Söhnen  des  Königs  Rudraige  aus  Ulster  vertrieben  . . . 
und  erlangte  die  Herrschaft  über  Munster."  Vgl.  auch  S.  122: 
„Deda,  der  Sohn  des  Sen  . . .  vom  Stamme  Eremons  wurde 
aus  Ulster  nach  Munster  vertrieben." 

Bei  Keating  (II  231)  heilst  es:  „Wisse,  oh  Leser,  dafs 
die  Erainn  von  Munster  und  die  Dal  Riada  von  Schottland 
Nachkommen  dieses  Conaire  sind  und  dafs  die  Erainn  zur 
Zeit  des  Duach  Dallta  Deaghaidh  nach  Munster  gekommen 
waren.    Und  nach  dem  Psalter  Cormacs  waren  es  die  Nach- 


3d8  JULIUS  t>OKORNY, 

kommen  des  Rudraighe  (die  Ulster -Leute),  die  sie  nach  Munster 
vertrieben,  nachdem  sie  sie  in  acht  Schlacliten  besiegt  hatten." 

Diese  Tradition  läfst  sich  bis  ins  9.  Jahrh.  zurückverfolgen, 
wie  aus  folgender  Stelle  hervorgeht  (H.  2.1.,  p.  90,  Bß  139  b, 
LL  324  e):  „Es  gab  12  Hauptstämme  der  Erainn  und  24  For- 
slointi  (Unterabteilungen),  indem  jeder  Stamm  2  Forsloinniu 
hatte;  nämlich  in  11  Hauptstämme  zerfiel  Dal  Cete  und  aus 
einem  Hauptstamme  i)  bestand  Dal  mBairdine  (d.  h.  die  Nach- 
kommenschaft des  Oengus,  Sohnes  des  Echu,  Sohnes  des  Bairr- 
dene  Rigbard  von  dem  die  Mairtine^)  abstammen)  nach  ihrer 
Vertreibung  aus  Leth  Cuinn  {==  Nord -Irland),  denn  bis  dahin 
hatte  eine  gleiche  Teilung  (natürlich  Nord -Irlands)  zwischen 
Dal  Cete  und  Dal  mBairdine  stattgefunden.  Die  Erainn  hatten 
nämlich  in  zehn  Schlachten  über  die  Ulsterleute  und  die  Ulster- 
leute in  acht  Schlachten  über  die  Erainn  gesiegt." 

Wir  erfahren  also  hier,  dals  die  Erainn  ehemals  ganz 
Nord -Irland  beherrscht  hatten  und  erst  durch  die  Ulsterleute 
von  dort  nach  Süden  vertrieben  worden  waren;  in  geschicht- 
licher Zeit  finden  wir  nämlich  die  Dal  mBairdine  und  Dal  Cete 
in  Munster.  Dals  es  sich  in  diesem  Falle  nicht  um  eine 
gelehrte,  künstliche  Tradition,  sondern  um  echte  historische 
Überlieferung  handelt,  geht  aus  einer  ganzen  Reihe  unver- 
fänglicher Indizien  hervor. 

Die  Müscraige  von  Munster  sind  in  geschichtlicher  Zeit 
die  bedeutendsten  Vertreter  der  Erainn.  Mac  Firbis  (p.  388) 
kennt  hingegen  noch  Müscraige  in  Nordost -Irland  (im  Gebiete 
der  Dal  Riada),  die  auch  Dal  Maithe  genannt  werden. 

Hogan  führt  Dal  Condaid  in  Corcaguiny  (West -Munster) 
und  ebenso  in  Ulster  (hier  Condaith  geschrieben)  an. 

In  dem  noch  aus  dem  8.  Jahrh.  stammenden  Text  De  shil 
Conairi  Möir  (Eriu  VI  143  f.)  wird  erzählt^  dafs  Etei-scel,  der 
Vater  des  Conaire,  des  Nationalheros  der  Erainn,  seine  Gattin 
mit  „neun  oder  fünfzig  Ulster -Kriegern"  den  Elfen  entriCs 
und  dafs  seine  Tochter  für  ihn  auf  Sliab  Fuait  und  Sliab  Gerg 

^)  BB  hat  im  (iegensatz  zu  den  anderen  Hss. :  en  aicmt  dec  do  Dail 
Bairddene. 

*)  Ich  möchte  hier  die  Frage  aufwerfen  (die  ich  ans  Mangel  an  Material 
nicht  beantworten  kann),  ob  nicht  die  Namen  Mairtine  und  Dal  mBairdine 
identisch  sind? 


BEITRAGE   ZUR   ALTKSTEN   GESCHICSTE    tRLANDS.  339 

das  Vieh  hütete.  Da  beide  Berge  in  der  Grafschaft  Armagh,  im 
östlichen  Ulster  liegen,  müssen  wir  hieraus  und  aus  der  ersteren 
Stelle  schlieisen,  dals  Eterscelae  in  Ulster  zu  Hause  war. 

Für  eine  nördliche  Heimat  der  Erainn  könnte  man  vielleicht 
auch  geltend  machen,  dals  (F.  M.  3656)  der  sagenhafte  König 
Tighernmas  in  der  Schlacht  von  Cül  Fobhair,  östlich  des  Lough 
Corrib  in  der  Grafschaft  Galway,  gegen  sie  gekämpft  haben  soll. 

Im  allgemeinen  Zusammenhange  ist  jedenfalls  wichtig, 
dals  die  verschiedenen  Hen'schergeschlechter  der  Erainn  in 
den  gelehrten  Genealogien  manchmal  von  Eremön  abgeleitet 
werden  (hier  könnte  allerdings  etymologische  Spekulation  mit- 
gespielt haben),  da  Eremön  bekanntlich  als  der  Ahnherr  der 
milesischen  Geschlechter  Nord -Irlands  ^alt,  also  damit  gesagt 
wird,  dafs  man  auch  die  Herkunft  der  Erainn  aus  Nord -Irland 
ableitete.  So  nennt  Keating  (II  269)  den  Conaire  M6r  einen 
Nachkommen  des  Eremön,  die  Erainn  werden  in  LL324e 
auf  Oengus  Tiiirbech,  einen  Nachkommen  Eremöns  zurück- 
geführt usw.  Sonst  wird  als  ihr  Ahnherr  in  der  Kegel  Ith, 
ein  Onkel  des  Mil  bezeichnet. 

Nur  durch  die  Annahme  einer  nördlichen  Heimat  der 
Erainn  erklärt  sich  die  bemerkenswerte  Tatsache,  dals  sich 
unter  den  14  Bürgen  des  Fergus  Mac  Roig  (Täin  B6  Flidais, 
Eriu  VIII 140),  die  naturgemäls  ausschliefslich  aus  Ulster- 
Leuten  (und  zwei  Helden  aus  der  Gegend  von  Howth,  die 
offenbar  damals  der  Herrschaft  des  benachbarten  Ulster  unter- 
stand, wie  ja  auch  Mag  Breg  zur  Zeit  der  Täin  teilweise  zu 
Ulster  gehörte)  bestand,  auch  Lügaid  Lämderg  der  Sohn  des 
Deda  befand;  zur  Zeit  der  ersten  Fixierung  der  Sage  muls 
man  sich  noch  dessen  bewulst  gewesen  sein,  dafs  die  Clanna 
Dedad,  die  Erainn,  bevor  sie  nach  Munster  auswanderten,  in 
Ulster  gewohnt  hatten;  die  Bürgschaft  eines  Munster -Helden 
in  einer  Angelegenheit,  die  ausschliefslich  Ulster  betraf,  wäre 
völlig  unverständlich. 

Ich  bin  fest  überzeugt,  dals  auch  Cü  Röi  ursprünglich  in 
Ulster  zu  Hause  war. 

Zwar  wird  der  Schauplatz  der  Cü  Roi-Sage  später  all- 
gemein nach  Südwest -Irland  verlegt,  wo  man  heute  noch 
seine  Burg  Caher  Conree  zu  zeigen  pflegt,  aber  wenn  die 
Erainn  von  Ulster  nach  Munster  gewandert  sind,  so  mulsten 


340  Julius  t»oKORNY, 

sie  natürlich  auch  ihre  Sagen  dorthin  mitgenommen  haben. 
Wir  werden  deshalb  die  Momente,  die  nach  Norden  weisen, 
gerade  wegen  ihres  scheinbaren  Widerspruches  zur  damaligen 
Siedlung  der  Erainn  für  besonders  wichtig  halten  dürfen. 

In  der  ältesten  Version  der  Sage  (oben  IX  190  f.)  finden 
wir  eine  Reihe  von  Anhaltspunkten  für  deren  nördlichen 
Ursprung  und  nichts,  was  dagegen  spräche.  Schon  wenn  es 
in  §1  heilst:  „Niemand  von  den  Ultern  wufste  es,  Cü  Roi 
allein  ausgenommen",  kann  man  die  Stelle  so  auffassen,  als 
ob  auch  Cü  Röi  zu  den  Ultern  gerechnet  worden  wäre.  Der 
Berg  Sliab  Mis,  auf  dem  sich  die  Festung  Cü  Rois  befunden 
haben  soll,  liegt  zwar  in  Kerry,  aber  es  gibt  einen  nicht 
weniger  bekannten  Berg  desselben  Namens  in  der  Grafschaft 
Antrim.  i) 

Wenn  es  in  §  12  heifst,  dafs  das  Grab  der  Gattin  Cü  Röis 
oc  Luimniuch  sei,  so  mufs  das  durchaus  nicht  die  Shannon- 
Mündung  sein,  wie  Thurneysen  übersetzt,  da  es  auch  ein 
Luimnech  in  Ulster  gibt,  nach  Hogan  wahrscheinlich  Limerick 
Point  bei  Cushendall  in  Antrim.  Dafs  die  Topographie  in 
diesem  ältesten  Texte  nordirisch  ist,  wird  auch  dadurch  wahr- 
scheinlich, dafs  die  wichtigsten  Ereignisse  sich  ja  gegenüber 
der  schottischen  Küste  abspielen.  Wir  müssen  uns  ferner  vor 
Augen  halten,  dafs  die  ältesten  Sagen  rein  lokale  Stammes- 
sagen waren  und  nur  die  Ereignisse  im  Stamme  selbst  oder 
wenigstens  unweit  der  Grenze  behandelten.  Die  Todfeindschaft 
zwischen  einem  Bewohner  Nordost -Irlands  (Cü  Chulainn)  und 
einem,  der  im  äufsersten  Südwesten  gewohnt  haben  soll  (Cü  Röi), 
ist  von  diesem  Standpunkte  aus  nicht  recht  verständlich  und 
wird  klarer,  wenn  wir  annehmen,  dafs  auch  Cü  Röi  dereinst 
in  Nordost -Irland  zu  Hause  war.  Für  eine  uralte  Feindschaft 
zwischen  Ultern  und  Erainn  spricht  auch  das  Lied  in  Windischs 
Täin  S.  833,  das  vom  Standpunkt  der  Täin  aus,  wo  die  Erainn 
keine  Rolle  spielen,  nicht  recht  verständlich  wäre. 

Cü  Chulainns  Abenteuer  bei  Srüb  Brain  (Rev.  Celt.  XV  450, 
Eriu  n  23)  wird  man  aus  demselben  Grunde  lieber  nach  dem 

»)  In  §  7  heilst  es,  dafs  Cathir  Con  Röi  „Her  t  7  muir  aniar"  liege. 
Thurneysen  läfst  i  unübersetzt;  es  kann  wohl  kaum  etwas  anderes,  als 
der  Name  der  Insel  lona  sein,  vielleicht  auch  der  verloren  gegangene  Name 
einer  anderen  kleinen  Insel  au  der  Nordküste  Irlands. 


BEITRÄGE    ZUR   ÄLTESTEN   ßESCHICHTE    IRLANDS.  341 

Sriib  Brain  im  NO  von  Donegal  (vgl.  Hogan)  als  nach  Kerry- 
verlegen,  und  dafs  die  Ermordung  Blathnats  durch  Ferchertne 
bei  Cenn  Bera  in  Ulster  (Windisch,  Täin,  S.  877  Anm.  4,  ferner 
oben  IX  223)  stattgefunden  habe,  ist  auch  ziemlich  sicher. 
Wenn  ferner  Cii  Röi  in  LL  202  a  23  als  mal  Maige  Miss  (:  friss) 
als  Fürst  von  Mag  Miss  bezeichnet  wii^d,  so  läfst  sich  das  nur 
erklären,  wenn  Cü  Röi  in  Ulster  zu  Hause  war,  denn  ein  Mag 
Miss  lälst  sich  aulserhalb  Ulsters  (Hogan  s.  v.)  nicht  nachweisen. 

Schlief slich  wird  uns  jetzt  auch  klar,  weshalb  Cü  Roi  in 
der  Täin  so  gut  wie  gar  keine  Rolle  spielt,  während  er  doch 
sonst  in  wichtigen  Beziehungen  zu  Ulster  steht.  Bekanntlich 
sind  in  der  Täin  nur  die  einzelnen  Helden  mythischer  Natur, 
während  das,  was  wir  über  die  Völker  und  ihre  Bewegungen 
erfahren,  entschieden  historischen  Charakter  trägt.  Da  nun 
die  Erainn  zur  Zeit  der  Täin  bereits  zum  gröfsten  Teil  nicht 
mehr  in  Ulster  safsen,  brauchten  sie  und  somit  auch  ihr  König 
im  Epos  naturgemäls  keine  Rolle  mehr  zu  spielen,  und  die 
lose  Verknüpfung  läfst  deutlich  erkennen,  dafs  man  sie  erst 
nachträglich  angeführt  hatte,  um  möglichst  alle  wichtigeren 
Völker  als  Gegner  von  Ulster  auftreten  zu  lassen  und  dadurch 
dessen  Widerstand  als  noch  glorreicher  darzustellen. 

Die  Beziehungen  Cü  Röis  zu  Cü  Chulainn  müssen  hingegen 
aus  einer  Zeit  datieren,  da  die  Erainn  noch  vollzählig  in  Nord- 
Irland  safsen;  dafs  Cü  Chulainn  ebenso  in  jener  frühen  Zeit, 
wie  auch  in  der  Täin  auftritt,  darf  uns  nicht  wundernehmen, 
da  er  als  ausgesprochene  Mythengestalt  an  keine  historische 
Zeit  gebunden  war.  Seine  historische  Beschränkung  auf  das 
Zeitalter  der  Täin  ist  erst  viel  später  erfolgt,  als  man  die 
Götter  allgemein  zu  Menschen  degradierte. 

Wir  werden  jetzt  auch  die  gelegentlich  auftauchende 
Tradition,  welche  die  Dal  Fiatach  von  Ulster  von  den  Erainn 
herleiten  will,  mit  etwas  anderen  Augen  betrachten  müssen. 
Oben  Vni  292  heilst  es,  dafs  Fiacha  Fer  Mara  gleichzeitig 
der  Ahnherr  der  Nachkommen  des  Conaire  in  Munster,  der 
Männer  von  Schottland,  der  Däl  Riada  und  der  Däl  Fiatach 
in  Ulster  gewesen  sei.  Sowohl  in  Rawl.  B  502,  143  a  14  wie 
in  BB  170  b  15  wird  gesagt,  dals  die  Däl  Fiatach  eigentlich 
keine  Ulter  seien  und  nur  in  deren  Gebiete  wohnten,  sondern 
vielmehr  von  Cü  Röi,  dem  Sohne  des  Däre,  abstammten. 

Zeitschrift  t.  celt.  Philologie  XII,  3.  23 


34^  JULIUS    POKORNY. 

Sonst  werden  die  Däl  Fiatach  im  allgemeinen  von  Sen, 
dem  Vater  des  Deda  oder  Echu  abgeleitet  (z.  B.  oben  YIII 337, 
F.  M.  37  A.  D.  usw.),  und  weiter  bis  auf  Eremon  zurückgeführt. 
Auch  O'Flaherty  (Ogyg.  301,  266)  berichtet,  dafs  „Fiatach  Finn 
(der  Ahnherr  der  Dal  Fiatach)  von  den  Erainn  Ulsters  ab- 
stamme" und  dals  die  ursprünglich  einheitlichen  „Erainn  später 
in  die  Clanna  Dedad  von  Munster  und  die  Dal  Fiatach  von 
Ulster  zerfallen  wären".  Auch  Keating  (II  237)  läfst  Fiatach 
Finn  von  Ailill  Erann  abstammen. 

Dafs  in  den  künstlich  fabrizierten  Genealogien  (es  handelt 
sich  da  nur  um  die  Verlängerung  der  echten  Stammbäume 
über  den  eponymen  Ahnherrn  hinaus)  die  Dal  Fiatach  mit  den 
Dal  Riada  auf  einen  gemeinsamen  Ahnen  zurückgeführt  wurden, 
erklärt  sich  aus  ihrer  Nachbarschaft  und  ist  weiter  nicht 
verwunderlich.  Dafs  sie  aber  auch  mit  den  in  historischer 
Zeit  in  Munster  wohnhaften  Erainn  verknüpft  wurden,  läfst 
sich  nur  in  dem  Sinne  deuten,  dafs  man  sich  damals  ihrer 
nördlichen  Urheimat  noch  bewufst  war. 

Ebenso  erklärt  sich  die  Überlieferung,  dafs  Ir  (lar),  der 
Sohn  des  Ith,  der  später  erfundene  Ahnherr  sämtlicher  Erainn, 
sich  zuerst  mit  Eremon  im  Norden  Irlands  niedergelassen  habe, 
wo  er  der  Ahnherr  der  Dal  Müsca,  Dal  mBaiscinn  und  Dal 
nDuibne  geworden  sei,  die  erst  später,  zur  Zeit  des  Ailill  Olom, 
nach  Munster  ausgewandert  wären  (LL  324  b).  Schon  Rhys 
hat  die  richtige  Vermutung  aufgestellt,  dafs  jener  Ir  (lar) 
ursprünglich  waFscheinlich  mit  dem  Ir  (lar)  mac  Miled  dem 
Ahnherrn  der  Ulter  identisch  gewesen  sei  (Studies  in  Early 
Ir.  Hist.,  p.  29),  wenn  auch  seine  Schlulsfolgerungen  gänzlich 
falsch  sind,  da  er  von  der  irrigen  Gleichung  Erainn  =  Iverni 
verblendet  war.  Wenn  die  Erainn  dereinst  vollzählig  in  der 
Provinz  Ulster  gewohnt  hatten,  so  ist  es  nicht  weiter  wunder- 
bar, dafs  man  sie  genealogisch  nicht  blofs  mit  den  Dal  Fiatach, 
sondern  mit  sämtlichen  Ultern  zu  verknüpfen  suchte. 

Für  den  ursprünglichen  Wohnsitz  der  später  nur  in  Munster 
wohnhaften  Clanna  Dedad  in  Ulster  spricht  auch  die  Genealogie 
in  Rawl.  B  502,  p.  157,  20  (ebenso  oben  VIII  331),  wonach 
Buachaill  und  Conall  Cass,  die  eponymen  Ahnherrn  der  Ulter- 
Stämme  der  Dal  mBüachallo  und  Cassraige  als  Söhne  des  Deda, 
des  Ahnherrn  der  l^rainn  bezeichnet  werden. 


BEITRÄGE    ZUR   ÄLTESTEN   GESCHICHTE    IRLANDS.  343 

Die  bisher  beigebrachten  Beweise  für  die  einstmalige 
Heimat  der  Erainn  (und  daher  auch  der  Däirinne)  in  Ulster 
wird  man  wohl  für  genügend  erachten  dürfen.  Wir  können 
aber  sogar  noch  eine  Zwischenstation  auf  ihrer  Wanderung 
nach  dem  Süden  mit  Sicherheit  feststellen.  Keating  erzählt 
(n  100):  „Als  Fiachaidh  Muilleathan  König  von  Munster  war, 
brachte  Cairbre  Muse,  ein  Edelmann  vom  Stamme  Eremöns, 
ein  Gedicht  zu  Fiachaidh  und  erhielt  alles  Land  zwischen 
Ballaghmore  und  Cnockainy  als  Belohnung  dafür,  wie  wir  im 
Buche  von  Armagh  lesen." 

In  dem  altirischen  Text  De  maccaih  Conaire  (Eriu  VI  144  f.) 
erfahren  wir,  dafs  die  drei  Söhne  Conaires,  des  Königs  der 
Erainn,  nämlich  Cairbre  Muse,  Cairbre  Baiscinn  und  Cairbre 
Riada  ursprünglich  in  Mag  Breg  (d.  h.  im  südlichen  Ulster 
und  nördlichen  Leiuster,  dem  Lande  zwischen  den  Bergen, 
nördlich  Dundalk  und  dem  Liffey)  zu  Hause  waren,  und  erst 
nach  dem  Tode  ihres  Vaters  nach  Munster  auswanderten. 
In  dem  nicht  weniger  alten  Text  De  Sil  Conairi  Möir  (ib. 
VI  130  f.)  wird  gesagt,  dals  Cairbre  Muse  ac  Müscrai[gi]b 
airthir  Breag  geboren  wurde  und  dals  er  erst  von  Mag  Breg 
nach  Munster  ausgewandert  sei.  Die  Müscraige  airthir  Breg 
(Muscraige  aus  dem  Osten  von  Mag  Breg)  werden  von  Mac 
Firbis  (p.  387)  ausdrücklich  als  ein  historisches  Volk  erwähnt, 
und  da  auch  die  alte  Liste  der  primscela  in  LL  190  b  eine 
Erzählung  Tochomlad  Muscraigi  de  Maig  Bregoin  anführt, 
womit  offenbar  oben  genannter  Text  gemeint  ist,  werden  wir 
an  dem  Alter  der  Tradition  nicht  zweifeln  dürfen.  Dazu 
stimmt  auch,  dals  als  die  Provinz  des  Deda  mac  Sin  in 
BB  31b  15  Coiced  Släinge  genannt  wird;  aus  Keating  (I  107, 
193)  und  den  bei  Hogan  zitierten  Stellen  erhellt  klar,  dafs 
damit  nur  Leinster  gemeint  sein  kann,  wo  auch  Inbher  Släinge 
{=  Firth  of  Slaney,^  Wexford)  liegt.  Der  südliche  Teil  von 
Mag  Breg,  wo  die  Erainn  (d.  h.  die  Müscraige)  bezeugt  sind, 
gehörte  nämlich  zu  Leinster,  der  Teil  nördlich  des  Boyne  zu 
Ulster.  Wenn  König  Siorna  Saoghlach  (F.  M.  4169)  die  Mairtine 
und  Erainn  in  der  Schlacht  bei  Boughna  Bog,  Kilbride,  West- 
Meath  geschlagen  haben  soll,  so  setzt  auch  diese  Nachricht 
einen  nordöstlichen  Wohnsitz  unseres  Volkes  voraus. 

Eine  wichtige  Bestätigung  erhält  meine  Annahme  eines 

23* 


344  JULIUS   POKORNY, 

Wohnsitzes  in  Nord-Leinster  duicli  die  altirische  historische 
Erzählung  von  der  Auswanderung  der  Deissi  (Eriu  III  135  f., 
Anecd.  1 15f.).  Hier  wird  erzählt,  dafs  die  Vasallenvölker 
(deissi),  die  beiderseits  des  unteren  Boyne  (Eriu  III  142)  wohnten, 
aus  Mag  Breg  weiter  nach  Süden,  nach  Leinster  vertrieben 
worden  seien,  da  einer  ihrer  Fürsten,  Oengus,  Sohn  des  Art- 
chorp,  dem  Könige  von  Tara,  Cormac  mac  Airt,  schwere  Un- 
bill zugefügt  hatte.  Sowohl  die  ältere  wie  auch  die  jüngere 
Version  jener  Erzählung  berichtet  uns  nun,  dals  sich  Gore 
Duibne,  der  Ahnherr  der  Corco  Duibne,  als  Geisel  in  Gesell- 
schaft jenes  Oengus  befunden  habe  und  die  junge  Version 
erzählt  uns  ausführlich,  dals  Gore  Duibne,  der  Sohn  des  Gairbre 
Muse  die  Deissi  auf  allen  ihren  Wanderungen  bis  nach  Süd- 
Irland  hin  begleitet  habe.  Die  Angabe,  dafs  Gore  „als  Geisel" 
der  Bewohner  des  äulsersten  Zipfels  von  Südwest -Irland  in 
Tara  geweilt  hätte,  ist  schon  aus  rein  historischen  Gründen 
für  jene  frühe  Zeit  nicht  ernst  zu  nehmen,  um  so  weniger, 
als  der  ganze  Mann  überhaupt  nur  aus  dem  Namen  des 
Stammes  Corco  Duibne  fabriziert  worden  war.  Die  betreffenden 
Stellen  können  also  nur  bedeuten,  dafs  der  Stamm  Corco  Duibne 
früher  am  Unterlaufe  des  Boyne  gewohnt  hatte  und  samt 
anderen  Stämmen  zur  Zeit  des  Gormac  mac  Airt  nach  Süden  ver- 
trieben worden  sei.  Vgl.  auch,  was  oben  (338)  über  Dal  Condaid 
gesagt  ist.  Wir  haben  also  deutliche  Beweise  dafür,  dafs  die 
Corco  Duibne,  einer  der  Hauptstämme  der  Erainn,  von  Ulster 
nach  Mag  Breg  und  ei-st  von  dort  nach  Munster  gekommen 
sind.  Man  wird  dieses  sicheren  Beispieles  wegen  auch  an- 
nehmen dürfen,  dals  die  als  Teile  der  Deissi  genannten  Corcu 
Dltha  di  Ernaih,  Gabraige,  Uraige,  Corcu  Dimaine  di  Ddirinfnjiu, 
Dal  Maie  Con  di  Ddirinfnjiu,  Dal  Luigni  di  Ernaih  und  Dal 
nUid(i)ni  nicht  erst  zur  Zeit  Eithnes  im  zweiten  Viertel  des 
5.  Jahrhs.  n.  Chr.  zum  Heere  der  Deissi  gestofsen,  sondern  von 
altersher  mit  diesen  aus  Mag  Breg  fortgezogen  waren. 

Ein  ganz  deutliches  Zeugnis  dafür,  dals  die  Därinne 
(=  Corcu  Loigde)  einmal  in  Leinster  gesessen  hatten,  läfst 
sich  übrigens  aus  demselben  Texte  beibringen. 

In  §  26  (Gymmrodor  XIV  132)  heilst  es  nämlich:  Moalle 
longsigset  Osairgi  7  Corco  Laigdi,  .  .  .  ar  fit  heside]  gabsat  0 
Chommur   tri  n-usce  co  Birra.    Lagin   inimurgu  batar  hi  tir 


BEITRÄGE    ZUR   ÄLTESTEN    GESCHICHTE   IRLANDS.  345 

Osairge  co  Heochair  anair  i)  „Gemeinsam  wanderten  die  Männer 
von  Ossory  und  die  Corcu  Loigde  in  die  Verbannung  . . .  denn 
sie  sind  es,  die  das  Land  vom  'Meeting  of  the  Three  Waters' 
bis  nach  Birr  innehatten.  Die  Leinsterleute  also  wohnten  im 
Lande  von  Ossory  bis  östlich  Eochair." 

So  haben  sich  also  die  Därinne  nach  ihrer  Auswanderung 
aus  Ulster  eine  Zeitlang  im  südwestlichen  Leinster  aufgehalten. 

Dalö  Erainn"  zusammen  mit  den  Deissi  nach  Munster 
gezogen  seien,  berichtet  auch  Keating  (II 312):  „Die  drei 
Söhne  des  Fiacha  Suigde  teilten  ihr  Land  in  Munster  in  drei 
Teile  und  sie  werden  die  Nachkommen  des  Ailill  Erann  und 
die  Erainn  genannt.  Aber  das  sind  nicht  die  richtigen  Erainn, 
denn  dieser  Name  kommt  nur  den  Nachkommen  des  Conaire 
zu.  Gore  Duibne,  der  Sohn  des  Cairbre  Muse  war  der  Führer 
der  Nachkommen  des  Fiacha  Suigde,  die  nach  Munster  kamen 
und  diese  Nachkommen  hielsen  die  Deissi."  Mit  anderen  Worten: 
Die  Deisse  in  Munster  werden  auch  Erainn  genannt,  aber  es 
sind  nicht  die  riclitigen  Erainn,  und  sie  erhielten  diesen  Namen 
nur,  weil  sie  unter  Führung  eines  Stammes  der  Erainn,  der 
Corco  Duibne,  nach  Munster  gekommen  waren. 

Es  handelt  sich  jetzt  nur  mehr  darum,  die  Chronologie 
der  Wanderungen  der  Erainn  festzustellen.  Mac  Carthy  hat 
nachgewiesen,  dafs  die  erste  synchronistische  Geschichte  Irlands 
etwa  aus  dem  Jahre  600  stammen  kann.  Ferner  wurden  offen- 
bar in  den  Klöstern  Ostertafeln  geführt,  in  die  alle  wichtigen 
Ereignisse  eingetragen  wurden.  Wir  dürfen  annehmen,  dafs 
etwa  vom  Jahre  450  an  die  Klöster  genug  festen  Fuls  gefalst 
hatten,  um  derartige  Aufzeichnungen  führen  zu  können.  Die 
Aufzeichnung  historischer  Erzählungen  als  Literatur  dürfte 
hingegen  kaum  vor  500  begonnen  haben  und  da  die  mündlich 
fortgepflanzte  Geschichte  hoch  gerechnet  auf  eine  hundert- 
jährige, einigermalsen  sichere  Chronologie  zurückblicken  könnte, 
so  wird  man  als  äulserste  Grenze  einer  glaubwürdigen 
Chronologie  das  Jahr  400  n.  Chr.  annehmen  dürfen.  Die 
irischen  Synchronisten  und  Chronologen  des  11.  Jahrhs.  wird 
man  also  im  günstigsten  Falle  höchstens  bis  zu  diesem  Zeit- 

')  Der  Herausgeber  druckt  irrtümlich:  .  .  .  co  Birra  Lagen  i  mbatar 
hi  tir  Osairge  . .  .  was  keinen  Sinn  gibt.  Die  Richtigkeit  meiner  Lesart 
erhellt  aus  der  Parallelstelle  in  Anecd.  II 63.  — 


346  JULIUS   POKORMY, 

punkte  als  zuverlässig  anerkennen  können.  Was  darüber 
hinausgellt,  ist  bei  ihnen  nicht  nur  in  ungenauer,  sondern  in 
geradezu  irreführender  Weise  behandelt,  wie  das  Beispiel  von 
Cathäir  Mär  zeigt  (Mac  Neill,  Popul.  Groups,  §  58,  59),  der 
von  den  irischen  Synchronisten  um  100  —  200  Jahre  zu  früh 
angesetzt  wurde.  Zimmers  Urteil  (Sitzber,  Preufs.  Ak.  1911, 
S.  211)  ist  daher  gründlich  zu  revidieren.  Ein  Mittel  gibt  es 
hingegen,  die  Chronologie  auch  über  das  Jahr  400  hinaus 
wenigstens  annähernd  festzustellen,  und  das  sind  die  mündlich 
durch  viele  Jahrhunderte  fortgepflanzten  Genealogien,  soweit 
sie  echt,  d.  h.  nicht  durch  spätere  gelehrte  Machenschaften 
entstellt  sind.  Ihnen  ist  in  jedem  Falle  vor  den  Aufzeichnungen 
der  Geschichtsschreiber  der  Vorzug  zu  geben.  Am  unverfäng- 
lichsten sind  manchmal  die  Genealogien,  die  in  alten  Sagen 
eingestreut  sind;  sonst  liegt  oft  der  Verdacht  einer  gelehrten 
Umarbeitung  nahe. 

Im  1.  Jahrh.  n.  Chr.  müssen  die  Erainn  (d.  h.  die  Därinne) 
laut  den  Karten  des  Marinus  von  Tyrus  noch  vollzählig  an 
der  Nordostseite  Irlands  gesessen  haben.  Da  die  Erainn  in 
der  Täin  keine  Rolle  mehr  spielen,  müssen  sie  (d.  h.  der  über- 
wiegende Teil,  mit  Ausnahme  der  Dal  Riada)  noch  vorher 
nach  Mag  Breg  ausgewandert  sein;  ihre  Auswanderung  mufs 
also  vor  den  Jahren  800  —  330  erfolgt  sein. 

Die  älteste  historische  Darstellung  (oben  IX  472)  setzt 
den  König  Duach  Dalta  Dedad,  während  dessen  Regierung  die 
Erainn  aus  Ulster  vertrieben  worden  sein  sollen,  von  29  —  19 
V.  Chr.  an,  was  historisch  gänzlich  undenkbar  ist.  Entweder 
ist  die  Regierungszeit  des  Duach  viel  zu  früh  angesetzt,  oder 
aber  der  Bericht  ist  falsch,  dafs  zu  seiner  Zeit  die  Erainn 
vertrieben  worden  wären.  Ich  halte  beides  für  unrichtig; 
die  Jahreszahl  aus  historischen  und  den  erwähnten  Gründen, 
und  den  anderen  Bericht  deswegen,  weil  der  Verdacht  einer 
so  beliebten  etymologischen  Spekulation  nahe  liegt.  Dalta 
Dedad  „Pflegesohn  des  Deda"  ist  höchstwahrscheinlich  nichts 
als  eine  mythische  Affiliation,  wie  Mug  Nuadat  „Diener  des 
Nuado"  u.  ähnl,  da  Deda  als  mythische  Persönlichkeit  anzu- 
sehen ist  (oben  S.  332),  was  dann  später  wörtlich  aufgefalst 
und  mit  den  Clanna  Dedad  in  Munster  in  euhemeristischer 
Weise  verknüpft  wurde. 


BEITRÄGE   ZUR   ÄLTESTEN    GESCHICHTE   IRLANDS.  347 

Einen  sicheren  Anhaltspunkt  für  die  Auswanderung  der 
Erainn  nach  Mag  Breg  (in  dessen  Mitte  Tara  lag)  glaube  ich 
darin  zu  finden,  dafs  als  der  erste  Herrscher  Nord-Leinsters 
und  Taras  vom  Stamme  der  Erainn,  Eterscelae,  der  Vater 
Conaires,  in  den  Listen  der  Könige  von  Leinster  und  Irland 
erscheint. 

Dafs,  wie  früher  erwähnt,  seine  Herkunft  aus  Ulster  noch 
klar  hervorgeht  und  er  andererseits  durch  Nuado  Necht  von 
Leinster  erschlagen  worden  sein  soll,  spricht  ebenfalls  dafür, 
dafs  die  Erainn  unter  seiner  Führung  sich  Wohnsitze  in 
Nord -Leinster  erkämpft  hatten.  Dafs  dies  nicht  ohne  Schwierig- 
keiten geschah,  beweist  auch  der  sehr  interessante  Text  (Eriu 
VI  130  f.)  über  den  Regierungsantritt  seines  Sohnes  Conaire. 

Die  Erainn  sind  also  unter  der  Führung  des  Eterscelae 
Moccu  leir  aus  Ulster  nach  Mag  Breg  ausgewandert,  mit  Aus- 
nahme der  Dal  Riada,  die  in  ihren  Sitzen  verblieben  waren. 

Wir  können  auch  ziemlich  genau  feststellen,  wann  sie 
von  Mag  Breg  nach  Munster  weitergezogen  sind.  Ich  habe 
schon  nachgewiesen,  dafs  die  Corco  Duibne,  ein  bedeutender 
Stamm  der  Erainn,  zugleich  mit  den  Deissi  aus  Mag  Breg 
vertrieben  wurden  (Eriu  III  136,15;  Anecd.  I  16,5  u.  18,6). 
Da  die  Corco  Duibne  in  historischer  Zeit  am  weitesten  westlich 
von  allen  Stämmen  der  Erainn  im  äufsersten  Südwesten 
Munsters  in  Corcaguiny  sitzen,  wird  man  kaum  annehmen 
können,  dafs  sie  später  als  die  übrigen  Stämme  aus  Mag  Breg 
fortgewandert  seien,  sie  müssen  vielmehr  als  die  Ersten  aus- 
gewandert sein.  Da  wir  aber  keine  Anhaltspunkte  dafür 
haben,  dafs  eine  weitere  Auswanderung  von  Erainn  noch  nach 
der  Vertreibung  der  Deissi  stattgefunden  hätte,  werden  wir 
unbedenklich  annehmen  dürfen,  dafs  auch  die  Därinne,  Müs- 
craige  und  Corcu  Bascinn  zur  selben  Zeit  Mag  Breg  verlassen 
haben. 

Wann  fand  aber  die  Auswanderung  der  Deissi  statt? 
Bisher  haben  alle  Gelehrte  unbedenklich  die  Angabe  der 
irischen  Annalisten  (z.  B.  F.  M.  265  A.D.),  wonach  sie  um  das 
Jahr  265  herum  vertrieben  worden  sein  sollen,  für  bare  Münze 
genommen.  Aber  auch  hier  sind  die  Annalen  ebenso  irre- 
führend, wie  in  den  anderen  Fällen  vor  400  n.  Chr.  Allgemein 
wird   die   Regierungszeit   Cormacs,    während   der  jene   Aus_:_ 


348  JULIUS   POKORNT, 

Wanderung  stattgefunden  haben  soll,  in  die  zweite  Hälfte  des 
3.  Jahrhs.  n.  Chr.  verlegt.  Aber  wenn  wir  die  unverfälschten 
alten  Sagentexte  ansehen,  ergibt  sich  ein  ganz  anderes  Bild. 
In  der  ältesten  Version  unserer  Erzählung  erfahren  wir 
nämlich  (Eriu  III  136, 28),  dafs  zur  Zeit  der  Vertreibung  der 
Deissi  durch  Cormac  in  Leinst  er  Fiachu  Baiccid,  der  Sohn  des 
Cathair  Mär  regierte.  Da  der  Tod  des  Bressal  Belach,  des 
Sohnes  des  Fiachu,  für  das  Jahr  435  (A.  U.  und  F.  M.)  sicher 
bezeugt  ist,  mufs  die  Blütezeit  des  Fiachu  etwa  in  die  Zeit 
von  375  —  405  gefallen  sein,  wenn  man  eine  Generation  zu 
30  Jahren  annimmt,  was  für  jene  kriegerische  Zeit  gewils 
nicht  zu  wenig  ist,  wie  sich  jeder  durch  Betrachtung  der 
irischen  datierbaren  Königslisten  leicht  überzeugen  kann. 

Somit  mufs  die  Vertreibung  der  Dessi  aus  Mag  Breg  in 
das  letzte  Viertel  des  vierten  Jahrhunderts  verlegt  werden. 

Mit  dieser  Zeitangabe  scheint  aber  in  Widerspruch  zu 
stehen,  dafs  der  König  der  Deissi,  Brecc  Mac  Artchuirp,  vor 
deren  Vertreibung  durch  Conlae  Oss  und  Conlae  Menn  erschlagen 
worden  sein  soll  (Eriu  III 142,  Z.  235).  Denn  die  beiden  Brüder 
gelten  als  die  Eroberer  von  Emain,  die  um  332  n.  Chr.  an- 
gesetzt wird;  Conlae  Menn  soll  dabei  gefallen  sein.  Der  Tod 
des  Brecc  mulste  also  noch  vor  diesem  Jahre  erfolgt  sein. 

Wir  könnten  nun  ohne  weiteres  annehmen,  dals  der  ganze 
letzte  Abschnitt  der  Erzählung,  der  eigentlich  ohnehin  einen 
Teil  für  sich  bildet,  erst  im  8.  Jahrh.  von  dem  Schreiber  der 
Geschichte  aus  Eigenem  -der  alten  Tradition  angefügt  worden 
sei.  Eine  genaue  Untersuchung  der  Frage  hat  mich  aber  zur 
Meinung  gebracht,  dafs  es  sich  vielleicht  doch  um  eine  alte 
Tradition  handeln  könne  und  dafs  vielmehr  die  Zerstörung 
Emains  nicht  um  332,  sondern  frühestens  30  Jahre  später 
erfolgt  sei.  Aus  den  Genealogien,  die  auf  Conlae  Oss  und  seinen 
Bruder  Conlae  Fochrich  zurückgehen  (oben  VIII 322— 24),  er- 
geben sich  nämlich  die  verschiedensten  Daten,  wenn  man  unter 
Annahme  einer  Generation  von  30  Jahren  auf  das  Todesjahr 
des  Ahnherrn  zurückrechnet: 

Cumuscach  m.  Domnaill  (322, 6)  f  1074  —  19  Generationen 
=  504  n.  Chr. 

Flaithbertachm.Diar'mata{ii22,2l)  f  983  —  16  Generationen 
=  503  n.  Chr.  ^  ^ 


BEITRÄGE    ZUR   ÄLTESTEN   GESCHICHTE   IRLANDS.  349 

Cernach  m.  Suibne  (322,  29  —  30)  t783  —  16  Generationen 

=  303  n.  Chr. 
DuhdaletU   m.  Sinaig    (323,  4)   f  792  —  8  Generationen 

=  552  n.  Chr. 
Bonnacdn  m.  Fogartaig  (323, 19)  f  881  —  17  Generationen 

=  371  n.  Chr. 
Becc  m.  Cumascaig   (323,  26)   f  782  —  18  Generationen 

=  242  n.  Chr. 
Conchobur  m.  Conchaille  (324, 12)  f  1016  —  20  Generationen 

=  416  n.  Chr. 

So  grofse  Divergenzen  lassen  sich  nicht  durch  die  Un- 
genauigkeit  der  Berechnung  erklären;  es  müssen  sich  Fehler' 
in  den  Genealogien  finden.  Immerhin  ist  bemerkenswert,  dafs 
die  überwiegende  Zahl  auf  Seite  eines  recht  späten  Datums 
ist.  In  den  letzten  beiden  Fällen  kommen  wir  übrigens  zu 
ganz  anderen  Daten,  wenn  wir  von  einem  älteren  Gliede,  von 
Coirpre  Daim  Argait  (323, 22,  29)  ausgehen.  Wir  werden  so- 
gar bei  dieser  Berechnung  auf  ein  sicheres  Resultat  zählen 
dürfen,  und  zwar  aus  folgenden  Gründen. 

Die  erwähnten  Genealogien  sind  fast  alle  erst  im  11.  Jahr- 
hundert, also  recht  spät  aufgezeichnet  worden  (VIII 416). 
Wir  haben  ungefähr  von  700  an  durch  anderweitige  Zeugnisse 
gesicherte  Überlieferung.  Andererseits  werden  aber  die  Glieder, 
die  älter  sind  als  das  Jahr  560,  durch  die  aus  dem  8.  Jahr- 
hundert stammenden  genealogischen  Erzählungen  als  richtig 
überliefert  erwiesen  (Vni  317— 20,  Rawl.  B  502,  p.  142a,b; 
vgl.  die  alte  Form  ro-dn-alt  in  Rawl.  p.  142  b  34).  Somit  kann 
der  Fehler  nur  bei  den  zwischen  560  und  700  angesetzten 
Zwischengliedern  liegen. 

Coirpre  Daim  Argait  ist  samt  seinen  Vorfahren  in  dem 
alten  erzählenden  Teile  unseres  Textes  aufgeführt,  so  dafs 
wir  es  als  richtig  anerkennen  müssen,  wenn  er  als  der  sechste 
Nachkomme  des  Conlae  Fochrich  genannt  wird. 

Nach  A.  U.  wäre  nun  Coirpre  schon  513  gestorben,  nach 
F.  M.  erst  im  Jahre  560.  Bei  der  bekannten  Tendenz  der 
irischen  Chronisten,  Ereignisse  der  Vergangenheit  möglichst 
weit  zurückzuverlegen,  werden  wir  auch  hier  dem  jüngeren 
Datum  der  vier  Meister  den  Vorzug  geben,  woraus  sich  dann, 


350  JULIUS   POKORNT, 

ergibt,  dals  Conlae  Fochrich,  einer  der  Eroberer  von  Emain, 
um  380  n.  Chr.  gestorben  sein  wird,  also  sein  flo7-uit  in  die 
Jahre  350  —  380  fällt. 

Eine  schöne  Bestätigung  erhält  dies'e  Annahme  durch  die 
Notiz  in  F.  M.,  dafs  Colgu  mac  Loiti  mic  Cruinn  mic  Feidh- 
limidh,  der  Herrscher  von  Oriel,  A.  D.  513  in  der  Schlacht 
von  Dedna  gekämpft  habe.  Da  genannter  Feidlimid  der  Enkel 
des  Conlae  Fochrich  war  (nicht  dessen  Sohn,  wie  O'D.  meint), 
mufs  Colgu  dessen  fünfter  Nachkomme  gewesen  sein.  Wenn 
wir  das  floruit  des  Colgu  von  500  —  530  ansetzen,  ergibt  sich 
für  Conlae  der  Zeitraum  von  350  —  380,  also  genau  derselbe, 
wie  bei  obiger  Berechnung. 

Das  Erscheinen  der  Scotti  im  römischen  Britannien  wird 
offenbar  mit  der  Zurückdrängung  der  Ulter  durch  Conlae 
zusammenhängen,  wie  Rhys  richtig  vermutet  hat;  Scotti  wird 
der  Name  sein,  den  die  Briten  den  einfallenden  Ultern  gegeben 
haben  (zu  ir.  scothaim  „ich  schneide,  zerhaue"). 

Jetzt  begreifen  wir  natürlich  auch,  wieso  der  Fürst  der 
Deissi  um  375  herum  von  den  Brüdern  des  Conlae  Fochrich 
erschlagen  werden  konnte  und  wir  werden  somit  auch  die 
Zerstörung  Emains  um  wenigstens  30  Jahre  herunterrücken 
müssen.  Das  ist  schon  deshalb  erforderlich,  weil  wir  oben 
festgestellt  haben,  dafs  die  der  Täin  zugrunde  liegenden 
historischen  Ereignisse  in  die  erste  Hälfte  des  vierten  Jahr- 
hunderts gesetzt  werden  müssen,  so  dafs  die  Zerstörung  von 
Emain  .nicht  zur  gleichen  Zeit,  sondern  nur  später  erfolgt 
sein  kann. 

Wie  man  sieht,  ist  also  die  irische  Chronologie  noch  einer 
gi'ündlichen  Reform  bedürftig.  Da  mir  fast  keine  Quellen  zu 
Gebote  stehen,  kann  ich  hier  nur  einen  bescheidenen  Anfang 
damit  machen. 

Nun  können  wir  auch  versuchen,  die  Regierungszeit  des 
Eterscelae,  des  Vaters  des  Conaire,  zu  berechnen.  Vor  allem 
ist  wichtig,  festzustellen,  dafs  Cbrmac  mac  Airt  durchaus 
keine  historische  Person  ist.  Er  ist  eine  alte  Mythengestalt 
(Rhys,  Hibbert  Lectures,  p.  133f.;  Mac  Neil!,  New  Ireland 
Review  1906,  143),  die  aus  politischen  Gründen  euhemerisiert 
und  als  Ahnherr  der  milesischen  Dynastie  von  Tara  dargestellt 


BEITKÄGE    ZUR   ÄLTESTEN    GESCHICHTE    IRLANDS.  351 

wurde.  Mac  Neill  hat  auch  gezeigt,  dals  die  milesische  Tradi- 
tion ursprünglich  mit  ihm  begann  (1.  c.  S.  201),  so  dafs  seine 
beiden  Vorgänger  Art  und  Conn  selbstverständlich  auch  spätere 
Erfindungen  darstellen  müssen.  Die  Gestalt  des  Conn  Cetcha- 
thach  ist  ganz  deutlich  aus  den  Ausdrücken  Leth  Ciiinn  „Die 
Hälfte  des  Freisassen",  Sil  Ciiinn  „der  Stamm  des  Freisassen" 
abstrahiert  worden,  die  zur  Bezeichnung  des  stolzen  milesischen 
Herrschergeschlechtes  Nord -Irlands  von  diesen  angewendet 
wurden  (zur  Erklärung  des  Ausdruckes  „milesisch"  siehe  oben 
XI  199  Anm.),  während  sie  Süd -Irland  Leth  Moga  „die  Hälfte 
des  Sklaven"  nannten. 

Wenngleich  so  die  Persönlichkeiten  Cormacs  und  Conus 
nicht  historisch  sind,  können  wir  doch  die  mit  ihnen  in  Zu- 
sammenhang gebrachten  Ereignisse  zum  Teil  als  historisch 
fassen,  da  in  gewissen  Fällen  einfach  nur  ihre  Namen  an  die 
Stelle  wirklich  geschichtlicher  Personen  aus  dem  Stamm  der 
unterworfenen  Völker  Nord-Leinsters  gesetzt  worden  sind. 
Wenn  wir  herausbekommen  können,  welcher  Nachkomme  des 
Eterscelae  mit  den  Dessi  Mag  Breg  verlassen  hat,  ist  für  uns 
die  wichtigste  Frage  entschieden.  Wir  müssen  dabei  selbst- 
verständlich von  unten  beginnen,  gleichgültig,  ob  die  älteren 
Linien  übereinstimmen,  oder  nicht,  da  die  genealogische  Un- 
sicherheit in  älteren  Epochen  natürlich  immer  gröfser  wird. 
Wir  werden  also  aus  der  Tatsache,  dals  in  älteren  Texten 
Conaires  mütterlicher  ürgrofsvater  Eochaid  Airem  als  Zeit- 
genosse Conchobars  galt,  gar  keine  Schlüsse  nach  unten  hin 
ziehen  dürfen.  Schon  deswegen,  weil  Conchobar  nur  ein 
euhemerisierter  Gott  ist  {dia  talmaide  heilst  er  in  LU  101b) 
und  so  mit  historischen  Ereignissen  aus  ganz  verschiedenen 
Epochen  verknüpft  werden  konnte.  Auch  dafs  Conaire  als 
Schwiegersohn  des  Conn  Cetchathach  galt,  berechtigt  uns  zu 
keinerlei  chronologischen  Schlüssen,  denn  erstens  ist  die  Gestalt 
des  Conn  eine  gelehrte  Erfindung  und  zweitens  wurden  die 
weiblichen  Seitenlinien  der  Milesier  regelmäfsig  dazu  benutzt, 
um  einen  künstlichen  Zusammenhang  zwischen  diesen  und 
den  älteren  Stämmen  Irlands  zu  konstruieren.  Ebenso  darf 
man  die  Angabe,  worin  als  der  Führer  der  Erainn  nach  Munster 
Coirpre  Muse,  der  Sohn  des  Conaire  genannt  wird,  chrono- 
logisch nicht  verwerten. 


352     --  JULIUS   POKORNY, 

Schon  Mac  Neill  hat  mit  Recht  vermutet,  dafs  die  Genea- 
logien, die  auf  Conaire  zurückführen,  gelehrten  Ursprungs 
seien  (allerdings  darf  man  nicht  alle  so  auffassen!),  da  di« 
Müscraige,  die  von  ihm  abgeleitet  werden,  ja  gar  nicht  einen 
einzelnen  Stamm,  sondern  vielmehr  eine  ganze  Völkergruppe 
darstellten,  wie  aus  Mac  Firbis  Ausführungen  klar  hervor- 
geht, also  unmöglich  auf  einen  Ahnherrn  in  verhältnismäfsig 
so  junger  Zeit  zurückgeführt  werden  können.  Wenn  wir 
dann  hören,  dafs  die  Müscraige,  Corcu  Baiscinn  und  Dal  Riada 
auf  drei  Söhne  des  Conaire,  nämlich  Oengus  Muse,  Ailill  Bais- 
cinn und  Eochaid  Rigfota  (oder  Coirpre  Muse,  Coirpre  Baiscinn 
und  Coirpre  Rigfota)  zurückgeführt  werden,  so  werden  wir 
noch  leichter  an  eine  gelehrte  Erfindung  glauben  können; 
wir  haben  ja  schon  das  Beispiel  des  Corc  Duibne,  des  angeb- 
lichen Ahnherrn  der  Corcu  Duibne  kennen  gelernt,  wo  sogar 
das  Wort  „Corcu",  das  soviel  wie  „Samen,  Nachkommenschaft" 
bedeutet,  zur  Erschliefsung  eines  Eigennamens  „Corc"  diente, 
und  Duibne,  wie  aus  den  Ogam- Inschriften  hervorgeht,  nichts 
anderes  ist,  als  der  Name  einer  mythischen,  eponymen  Ahn- 
frau. Es  ist  ganz  klar,  dafs  die  Person  des  Oengus  oder 
Coirpre  Muse  (schon  die  schwankenden  x\ngaben  über  den 
ersten  Namen  verraten  die  Willkür  der  gelehrten  Erfinder!) 
genau  auf  die  gleiche  Stufe  mit  der  des  Corc  Duibne  zu  stellen 
ist.  Einen  klaren  Beweis  für  die  Nicht -Existenz  eines  Coirpre 
Muse  in  der  ältesten  Überlieferung  als  Ahnherrn  der  Müscraige 
liefert  uns  aber  ein  genealogisches  Fragment  in  H.  3.  17, 
p.  753,  wo  es  unter  anderem  heilst:  „Die  Genealogie  der 
Müscraige  geht  auf  Ronia,  den  Sohn  des  Nuadu  Argatläm 
zurück."  Mac  Neill  bemerkt  mit  Recht,  dafs  diese  Notiz  älter 
sein  müsse,  als  die  übrigen  genealogischen  Berichte,  da  kein 
Schriftsteller  angesichts  der  ihm  vorliegenden  offiziellen  Genea- 
logien gewagt  haben  würde,  einen  Gott  wie  Nuadu  Argatlä,m 
in  der  Genealogie  derart  hervorragender  Dynastien  eigen- 
mächtig einzuschalten.  Sind  so  Coirpre  oder  Oengus  Muse 
und  Corc  Duibne  als  historische  Führer  der  Erainn  aus- 
geschaltet, bleibt  uns  nur  mehr  Gnäthal  übrig.  Schon  deshalb, 
weil  hier  kein  Verdacht  einer  volksetymologischen  Fälschung 
vorliegen  kann  und  wir  von  Gnäthal  sonst  nicht  oft  hören, 
werden  wir  dieser  Tradition  den  Vorzug  geben,  da  ein  politischer 


BETTRÄGE    ZÜK    ÄLTESTEN    GESCHICHTE    IRLANDS.  353 

Grund  zur  Fälschung  ebenfalls  nicht  vorhanden  war.  Thurn- 
eysen  irrt  also,  wenn  er  (oben  XI  30)  diese  Überlieferung 
für  „später"  hält,  als  die  betreffend  Coirpre  Muse,  da  die 
letztere  zweifellos  eine  spätere  Erfindung  darstellt,  was  sich 
aber  bei  ersterer  nicht  nachweisen  läfst.  Auch  sprachlich 
ist  die  Überlieferung  betreffend  Gnäthal  nicht  blofs  sehr  alt, 
sondern  nachweisbar  älter  als  die  bezüglich  Coirpre  Muse. 

Lucius  Gwynn  (Eriu  VI  143)  scheint  daraus,  dals  Gnäthal 
„noch  nicht"  in  dem  Bericht  über  Cath  Cind  Ebrat  in 
LL  288  b  45  und  Anecd.  II 79  erwähnt  sei,  zu  schliefsen,  dals 
seine  Gestalt  hier  erst  später  eingeführt  worden  sei.  In 
dem  Gedicht  von  Broccän  Cräibdech,  der  im  10.  Jahrh.  lebte, 
und  das  gleichfalls  in  LL  (44b30)  bewahrt  ist,  heilst  es 
nämlich,  dals  Gnäthal,  der  aus  Leinster  stammte,  in  jener 
Schlacht  gekämpft  habe.  Es  ist  richtig,  dals  vielfach  (F.  M. 
186  A.  D.,  Tig.  ßC.  XVII 10,  XVIII  378  usw.)  Coirpre  Müsc, 
Coirpre  Baiscinn  und  Coirpre  Riada  als  Verbündete  der  Söhne 
des  Ailill  Olom  in  jenem  Kampfe  gegen  Lugaid  Mac  Con  und 
Nemed  Mac  Sroibcliind  genannt  wurden,  doch  müssen  wir  die 
drei  Coirpres  schon  aus  den  obigen  Gründen  streichen,  und 
auTserdem  weifs  nicht  blols  LL  288  b  45  (RC.  XIII 440)  gar 
nichts  von  ihrer  Teilnahme  an  der  Schlacht,  die  hier  zwischen 
Lugaid  Mac  Con  und  Eogan,  dem  Sohne  Ailills  ausgefochten 
wird,  sondern  auch  der  älteste  Bericht,  den  wir  besitzen 
(K.  Meyer,  Fianaigecht,  S.  35)  und  der  gewifs  noch  ins  8.  Jahr- 
hundert zu  setzen  ist,  weiXs  gar  nichts  von  Coirpre  Müsc,  ja 
kennt  nicht  einmal  seinen  Namen,  obgleich  vielfach  Gelegenheit 
dazu  wäre,  ihn  zu  nennen. 

In  den  Berichten  über  jene  Schlacht,  die  die  drei  Coirpres 
als  Mitkämpfer  anführen,  ist  ferner  sehr  verdächtig,  dafs  hier 
angeblich  ein  Teil  der  iferainn,  nämlich  die  drei  Coirpres,  d.  h. 
die  Müscraige,  Corcu  Baiscinn  und  Dal  Riata  auf  Seite  des 
Ailill  Olom,  des  Milesiers,  und  der  andere  Teil  der  Erainn, 
nämlich  die  „Erainn  Muman"  und  die  Därinne  auf  Seiten 
des  Lugaid  Mac  Con,  des  Gegners  Ailills  gekämpft  haben  sollen. 
Schon  die  Anwesenheit  der  Dal  Riata,  die  Ulster  nie  verlassen 
hatten,  würde  für  unseren  Verdacht  genügen,  aber  die  selt- 
same Verteilung  der  Erainn  auf  die  Gegenparteien  macht  das 
Mals  voll.    Da  ferner  Ailill  Olom,  der  einen  giftigen  Zahn^ 


354  JULIUS   POKORNY. 

besafs,  dessen  Bifs  den  Tod  des  Betroffenen  binnen  neun  Tagen 
herbeiführte,  ebenso  sicher  eine  Mythengestalt  ist,  wie  Lugaid 
Mac  Con,  dessen  Söhne,  die  drei  Fothads,  Oendia,  Caindia  und 
Trendia  „der  einzige  Gott,  der  schöne  Gott,  der  starke  Gott" 
liielsen,  werden  wir  auch  diese  als  Teilnehmer  an  der  Schlacht 
ausschlieCsen. 

Es  könnte  zwar  scheinen,  dafs  die  Gestalt  Gnäthals  erst 
von  rationalistischen  Schreibern  an  Stelle  der  Mythenhelden 
gesetzt  worden  sei,  aber  dem  widerspricht  die  Tatsache,  dafs 
in  jüngerer  Zeit  die  mythischen  Traditionen  ausschliefslich 
zur  Herrschaft  gelangt  waren  und  dafs  gerade  nachweisbar 
in  jene  Periode  der  Vorgeschichte  alte  Mythengestalten  von 
den  Gelehrten  aus  politischen  Gründen  an  Stelle  der  ursprüng- 
lichen Persönlichkeiten  eingefügt  worden  waren,  wie  am  besten 
das  Beispiel  von  Nord-Leinster  zeigt,  wo  das  unverfälschte 
Ulster- Epos  den  Coirpre  Nio  Fer  und  dessen  Sohn  Erc  als 
König  von  Tara  vorführt,  während  die  späteren  gelehrten 
Herrscher -Listen  von  den  beiden  nichts  wissen  und  an  ihrer 
Stelle  künstlich  fabrizierte  oder  der  Mythologie  entlehnte  an- 
gebliche Vorfahren  der  milesischen  Herrscher  eingeschoben 
haben. 

Die  Erwähnung  Gnäthals  in  LL  44  b  30  ist  vielmehr  ein 
altes  Fragment  echter,  vor-milesischer  Tradition,  ebenso  die 
Geschichte  in  Eriu  VI  136,  Zeile  75—90,  die  sprachlich  älter 
ist  als  die  ältesten  Zeugnisse  über  den  famosen  Coirpre  Muse 
(vgl.  den  Akk.  Sing,  hein,  die  Präposition  in  to-Uuid,  die  Relativ- 
form ima-tanic  usw.).  Jene  Geschichte  ist  ja  nicht  nur  in 
LL  190  b  in  der  alten  Liste  der  primscela  erwähnt,  auch  die 
Zeile  78  angeführte  Redensart  von  der  „Trauer  Gnäthals  in 
Tara"  zeigt,  dafs  es  sich  um  eine  allgemein  bekannte  Über- 
lieferung gehandelt  haben  muls.  Auch  hier  herrscht  übrigens 
schon  eine  Verwirrung  bezüglich  der  kämpfenden  Gegenparteien, 
da  Gnätlial  als  Bundesgenosse  der  Söhne  des  Ailill  Ölom 
gegenüber  den  Corcu  Loigde  (=  Därinne)  genannt  wird. 

Ursprünglich  wird  es  sich  (vgl.  Fianaigecht,  S.  35)  offen- 
bar nur  um  einen  Kampf  zwischen  den  Erainn  und  den  Leuten 
des  Ailill  Olum  gehandelt  haben,  und  die  Schlacht  bewahrt 
somit  entweder  eine  Erinnerung  an  die  Einwanderung  der 
Erainn  von  Nordosten  her,  die  sich  gewifs  nicht  ohne  Kämpfe 


BEITRXGE   ZUR   ÄLTESTEN   GESCHICHTF    IRLANDS.  355 

mit  den  früheren  Bewohnern  vollzog,  oder  aber  an  die  Kämpfe 
der  Erainu  mit  (den  von  Gallien  her)  ebenfalls  einwandernden 
Milesiern  von  Cashel  (vgl.  Mac  Xeill,  Pop.  Groups,  §  44,  Anm.  5), 
möglicherweise  sogar  an  beide  Ereignisse,  die  vielleicht 
gleichzeitig  oder  in  kurzem  Abstände  voneinander  erfolgt 
waren. 

Für  uns  ist  wichtig,  dals  ursprünglich  offenbar  Gnathal 
als  Führer  der  Erainn  bei  ihrer  Wanderung  von  Leinster 
nach  Munster  galt,  und  dafs  Verdachtsgründe,  dafs  seine 
Person    später    unterschoben    worden    sei,    nicht    vorliegen. 

Bezüglich  des  Verhältnisses  Gnäthals  zu  Eterscelae  liegen 
zwei  Berichte  vor.  Nach  LL  324  a  ist  er  dessen  fünfter  Nach- 
komme, nach  Eriu  VI  133  dessen  achter.  Die  Stelle  in  Eriu 
gehört  aber  nicht  zu  dem  alten  Text,  sondern  ist  deutlich 
jüngerer  Zusatz,  so  dafs  wir  der  kürzeren  Genealogie  in  LL 
den  Vorzug  geben  werden,  um  so  mehr,  als  die  längere  auch 
im  einzelnen  als  gelehrtes  Machwerk  erwiesen  werden  kann. 
Eterscelae  würde,  da  Gnäthals  Blütezeit  etwa  von  375 — 405 
(gleichzeitig  mit  Fiachu  Baiccid)  anzusetzen  ist,  ungefähr 
255  n.  Chr.  gestorben  sein.  Sicher  ist  das  natürlich  nicht, 
aber  wir  haben  doch  einen  annähernden  Malsstab  gewonnen, 
wenn  auch  selbst  die  kürzere  Genealogie  unsicher  genug  ist. 
Eine  Art  von  Bestätigung  erhält  unser  Ansatz  dadurch,  dafs 
Coirpre  Nio  Fer,  der,  wie  oben  gezeigt,  von  315 — 345  regiert 
haben  könnte,  und  somit  gleichzeitig  mit  Gnäthals  Grofsvater 
Suaid  gelebt  haben  würde,  nach  übereinstimmender  alter  Über- 
lieferung der  dritte  Nachkomme  des  Nuado  Necht  von  Leinster 
war,  der  ja  bekanntlich  den  Eterscelae  getötet  haben  soll. 
Nun  ist  aber  jener  Suaid  ebenfalls  der  dritte  Nachkomme 
des  von  Nuado  erschlagenen  Eterscelae,  so  dafs  wir  wenigstens 
für  die  innere  Chronologie  eine  überraschende  Übereinstimmung 
erzielen  können. 

Da  Eterscelae  der  erste  Herrscher  der  Erainn  war,  der 
über  Leinster  herrschte,  werden  die  Erainn  kurz  vor  der 
Mitte  des  3.  Jahrh.  n.  Chr.  aus  Ulster  nach  Mag  Breg 
gezogen  sein. 

Es  bleibt  jetzt  nur  noch  die  interessante  Frage  zu  ent- 
scheiden, ob  die  Erainn  echte  Kelten  waren,  oder  eine  nur 
oberflächlich  keltisierte  Urbevölkerung  darstellten.    Folgende 


356  JULIUS   POKORNY, 

Tatsachen  sprechen  dafür,  dafs  das  nicht -keltische  Rassen- 
element unter  ihnen  ziemlich  stark  gewesen  sein  muls. 

Ailill  Erann,  ihr  eponymer  Ahnherr,  gilt  als  Erfinder 
des  gae  holgae  (oben  XII  196),  einer  Waffe  der  nördlichen 
Urbevölkerung  Irlands.  Ferner  war  unter  den  Vorfahren  des 
Conaire  Inzest  verschiedenster  Art  besonders  häufig  (Rev. 
Celt.  XII 239).  Die  Schilderung  der  Mutter  Conaires  (Eriu 
VI  135)  liest  sich  wie  die  Beschreibung  einer  nicht -arischen 
Zauberin.  1)  Wenn  sie  als  die  Tochter  eines  Elfen  bezeichnet 
wird  und  mit  Hilfe  eines  Elfenheeres  ihrem  Sohne  zur  Königs- 
würde verhilft,  so  werden  wir  darin  vielleicht  einen  Hinweis 
auf  ihre  Beziehungen  zu  der  vorkeltischen,  geheimnisvollen 
Urbevölkerung  erblicken.  Bezeichnend  ist  auch,  dals  der 
einem  Inzest  entsprungene  Crimthann  Nia  Näir,  der  nach 
LU20b2  den  Erainn  angehörte,  eine  Frau  besafs,  die  „aus 
den  Feenhügeln  oder  aus  dem  Lande  der  Pikten"  stammte; 
er  soll  der  erste  König  von  Tara  gewesen  sein,  der  sich 
seiner  Gattin  zuliebe  in  den  Grabhügeln  des  Boyne- Tales 
beisetzen  liefs  (oben  XII 223).  Diese  Überlieferung  ist  übrigens 
zusammen  mit  der  Bruiden  Da  Derga-Sage  ein  Beweis  mehr 
dafür,  dals  die  Erainn  dereinst  in  Mag  Breg  ansässig  gewesen 
waren.  Endlich  kommt  dann  noch  in  Betracht,  dafs  die 
Därinne  (Book  of  Rights,  p.  256)  als  duind  „braunhaarig" 
bezeichnet  werden,  was  sich  aber  leicht  dadurch  erklärt,  dafs 
sie  sich  eben  in  Südwest -Irland  mit  der  dort  wohnhaften 
iberischen  Bevölkerung  stark  vermischt  haben  werden. 

Andererseits  wieder  hat  Conaire,  der  König  der  Erainn, 
„Haare,  die  wie  geschmolzenes  Gold  leuchten"  (Togail  Bruidne 
D.  D.  §  99).  Wenn  die  Erainn  manchmal  Fir  Bolg  genannt 
werden,  so  ist  das  jedenfalls  in  weiterem  Sinne  (oben  XII 199) 
zu  verstehen,  dafs  sie  nämlich  nicht  Milesier  waren. 

Auffällig  ist,  dals  die  Conaille  von  Muirthemne  im  süd- 
lichen Ulster,  die  wiederholt  ausdrücklich  als  Pikten  bezeichnet 
werden,  gelegentlich  (z.  B.  BB  152)  Nachkommen  des  Deda 
mac  Sin,  des  Ahnherrn  der  Erainn  genannt  werden.    Da  sie 


•)  „Sie  liels  ihren  Mantel  bis  zum  Gürtel  herniederfallen;  schwarze 
Flechten  umflossen  lose  ihr  Haupt.  Einen  grofsen,  schwarzen  Panzer 
trug  sie  und  giftige  Zauberer  schritten  vor  ihr  einher." 


BEITRÄGK    ZUR   ÄLTESTEN   GESCHICHTE    IRLANDS.  357 

aber  an  anderen  Stellen  von  ganz  anderen  Ahnen  abgeleitet 
werden  (vgl.  Mac  Neill,  Pop.  Groups,  §  121),  so  werden  wir 
daraus  keine  Schlüsse  ziehen  dürfen,  es  sei  denn  den,  dafs 
die  Clanna  Dedad,  die  Erainn,  einst  den  Conaille  benachbart 
salsen  und  daher  künstlich  mit  ihnen  in  eine  genealogische 
Verbindung  gebracht  wurden.  Um  aus  jener  Genealogie 
schlief sen  zu  dürfen,  dafs  auch  die  Erainn  piktischer  Her- 
kunft gewesen  seien,  müfste  man  meiner  Ansicht  nach  noch 
andere  Beweise  beibringen.  Aufserdem  aber  halte  ich  es 
nicht  für  glaublich,  dafs  man  die  Erainn  als  eines  der  drei 
„edlen  Völker"  Irlands  bezeichnet  haben  würde,  wenn  sie 
vorwiegend  vorkeltischer  Herkunft  gewesen  wären.  Nur 
hatten  sie  sich  offenbar,  wie  auch  andere  Völker,  mit  den 
Urbewohnern  in  gewissem  Grade  vermischt. 

Der  Volksname  der  vorkeltischen  „Ivernier"  wird  also 
vorderhand  aus  der  irischen  Urgeschichte  zu  streichen  sein; 
jedenfalls  aber  hat  er  mit  den  Erainn  nicht  das  Geringste 
zu  schaffen. 

Wien.  Julius  Pokorny. 


Zeitschrift  f.  celt.  Philologie  XTT,  s.  .      24 


MITTEILUNGEN 
AUS  IRISCHEN  HANDSCHRIFTEN. 

(Fortsetzung.) 


Schreibemotizen  aus  Rawl.  B.  506. 

fol.  10  b.    Seaan  o  Cianan  rosgrib  an  leabur  sa  d'Aghamli 
0  Cianan  fa  coingeall  gan  esean  da  tabairt  da  neoch  ele  gan 
cet  da  Seaan.  1) 
5         fol.  2  a.    As  truag  an  tairling  tue  an  meamrum  ag  leagad 
oraind  7  co  tuca  Dia  furtact  duin  uad. 

fol.  17  b.    Ata  cailc  ar  in  duillechan  sa  uili. 

fol.  18  b.    Bliadhain  7  raithi  ataim  sa  baili  sea  im  comli- 
naidhi  7  budli  sainnt  lium  dul  ar  cuairt  bliadhna  i  crich  eile 
10  7  gur  mhairea  in  mhuindter  sa  co  fata  buan  .i.  Brian  mac 
Aedhugan  cona  chlaind  7  Gormlaith  7  siat  uili. 


Cinäed  hua  Artagain  .cc. 

Buch  von  Fermoy,  S.  38  b. 

1  Doluidh  Ailill  isin  caillid      i  Cül  Breadh  co  mborrfadaibli:^) 
15       Ailill  ciarbo  lir  a  lud,      üadh  Fir  Cül  co  corrtharaibh. 

2  Doluid  Congal  a  cnoc  Temrach      a  Themraigh  n-aird  n- 

ogradaig, 
conidh  ö  Congal  co  rennaibh      dann  Cellaigh,  dann  Con- 
galaigh. 

*)  Vgl.  Faelan  mac  agabann  na  scel  do  scrib  in  caidirni  seo  da  thi- 
gerrna  carad  companaig  .i.  don  easpuc  hui  Cbeallaig  .i.  Muircertach  7  co 
fogna  do  7  na  tabradh  da  «haraid  in  caidirne  seo,  Bwh  von  Hy  Maine, 
fol  111h. 

')  Darnach  ist  Hogan,  Onomaaticon  S,  318  s.v.  CvlI  Breg  zu  korrigieren. 


MITTEILUNGEN   AUS   IRISCHEN  HANDSCHRIFTEN.  359 

3  Doluidh  Diarmait  leth  re  Gallaib      a  ndescert  Breagh 

iarnata, 
conid  üaid  slardes  im  Temraig      dann  Cernaig  meic  Diar- 
,  mad[a]. 

4  Doluid  Conall  isin  Cerna,      robu  reim  co  rigbladaib,  5 
Conall  norained  for  slüagib,      conid  [üaid]  Hüi  Irgalaidh 

usw. 

Cenela  airecMa. 

Auif  H.  3. 18,  S.  57  h,   wo  es  unmittelbar  auf  den  von  Fräulein  A.  Poiver 
in  Anecdota  V,  S.  32  ff.  veröffentlichten  Text,  den  sie  '  The  Caldron  of  Poesy'  10 
genannt  hat,  folgt, 

Cis  \ir  cenela  airechta  dochusin  la  Fene?^) 

Ni  anse.  A  cöic:  cülairecht^)  7  tsebairecht  3)  7  airecht 
uirdnidhe'*)  7  airecht  fo  leth'^)  et  airecht  fodesin.«) 

Cülairecht^)  äidiu,  is  a  suide*)  bit  righ«)  7  espttici»)  7  säi  15 
gacha  berlai  ollawand  '  >)  (sie)  7  is  aire  is  cülairecht, ")  fo  bith  is 
Tat  all  bis  iar  g[c]al  na  n-airechta'^)  fri  breth^*)  7  forus.^*) 

Tsebairecht,!«)    is    a    suidi    bit   senchaidi  ^'')   7    ruirigi^) 
{S.  58  a)   7    geill  i»)    7    rätha  20)    et    aitiriga  21)   7    is   aire   is 
t8ebairecht,22)  fo  bIth  is  fri  senchus")  na  senchaidi  7  is  fri  20 
rellad24)  na  sencad  dobeir  int  airecht  täeb. 

Airecht  uirdnidhe,2s)  is  a  suide  bit  fechewam  7  aighnedha 
oc  idhnaidhe  hrethi^^)  cein  bit  brethewaiw  fri  tasbenad^^) 
7  foros.28) 


*)  .i.  cia  1er   no  cia  lin  d'ilchineluib  fuil  ar  in  airecht  do  reir  iu 
f6nechwis?         *)  .i.  airecht  bis  ar  ciil  cäich         ')  .i.  re  tabair  cach  tsebh 
*)  .i.  airecht  certglan     *)  .i.  airecht  bis  oc  leithligA  ac  scrütäin  na  corach  • 
")  .i.  airecht  bodein  in  ollaman  hrethe  ')  .i.  airecht  bis  ar  cül  chäich 

*)  .i.  is  isan  iadha  hTsin  ")  .i.  oirecht  bodein  '")  sie  oc  ")  .i.  int 
oUam  &\ed  ")  is  aire  räidhter  nö  aisueidter  cülairecht  ris  ")  .i.  fon 
fath  is  Tat  na  naill  ar  cül  na  n-airechtad  alle  '*)  .i.  do  hxeith  döibh 

**)  .i.  fri  firfls  na  hrethe  sin  '*)  .i.  int  airecht  re  tabair  cäch  tsebh 

")  .i.  is  asan  iadha  hisin  bTt  na  sin  caidhe  '*)  .i.  na  rorig  >^)  .i.  oirecht 
boden  ''°)  .i.  sicc  occ  ")  .i.  sicc  oc  *'*)  .i.  is  aire  räiter  nö  aisneidhter 
tijebairecht  ris  '*)  .i.  is  fri  cae  fis  na  senchatcZ  "*)  .i.  i«n  indws  cüra 
'*)  .i.  int  airecht  adubromar  lomainn  **)  .i.  ac  nrnaidhe  brethi  ")  .i.  in 
comfat  bTt  na  brethemain  fri-  taisbenad  a  sgel  do  (echemnaib  **)  .i,  in  fis 
ügh  asa  mberend  a  bre</te 

24* 


360  KÜNO   METER. 

Airecht  fo  leth,i)  is  a  suidlii  bit  nadmaiid^)    7    catha 

7  fiadam  .  Mmcc  cor  mbel'') . .  och . .  tiaghat  saide  con . .  ch  ni  tedi 

nech  cucu-sum  *)  . . .  it  oc  seis  cöir.  '^)    Co  tiaghat  co «)  cum- 

nib  glanaib  i  cräes  na  hairechta. "')  7  is  aire  is  air^t«)  {S.5db) 

5  fo  leth. 

Airecht  9)  fodesin,  is  a  suidhi  bit  brethewain  ^0)  co  ss 
llnaib^i)  deec  airecta  umpu.  Naiscaire  nodonaisc,  sruithem 
nodoseirn,  traeta  nodotrseta,  fibt/ia  dodacrecha,  caichen  doda- 
naile,  diabolcorach  nodofille,  slimredh  nodonuiben,  ard  arcau 
10  imodtoisi,  con»  condasecha,  airlighe  ardacleth,  antengtaid 
ardafeth,  airecht  nodanaig,  hrethe  (sie)  nodobm  {-her?),  sui- 
tengtaidh  nodofethaigthear.i^) 

Ein  Gedicht  in  b^rla  na  flled. 

Aus  H.  3.  18,  S.  52.     Vgl.  Archiv  f.  celt.  Lexikographie  111  310. 

15    1  Feochair  mu  luän^*)  rem  lesmac,      ni  ba  te  munba 

turadh,^^) 
nl  do  chloind  Bhäiscne  a  Blärna,      nocho  dorn  charna 

cumall.  1*) 

2  Cumall  18)  nochonom  li[s]-sa,i")      öm  chnis-[s]a  ni  clödh 

20  ngäithi, 

inann  lern  is  menn  ferba^^)      tar  eis  Iseigh  ella  oidhcheJ») 

3  Is  menn  mairce  mur  geire,      is  taithnem  greine  i  n-oidche, 
cumall  iö)do  teighed  mu  luäin      is  toghmalP^)  i  foir 

foinchi.23) 
25    4  Is  orc'*)  i  n-adba  broine,^^)      is  täth  cruä  tar  cniä,^«) 


')  .i.  int  airecht  bis  fo  leth  ac  scrütSin  na  cüra  »)  .i.  nascairidha 

*)  .i.  aire  consrengat    *) a  mesc  cäich  nocho  tic  cucudhsom    *)  . .  ig  oc 

seis  doreir  cüir  •)  .i.  co  tiaghat  co  . .  . .  ')  .i.  i  cräeslach  na  hairechta 
»)  .i.  aire  raiter  nö  aisneidhtcr  airecht  fo  leith  ris  *)  .i.  airecht  moa  .  . 
1»)  .i.  is  asan  iadha  hTsin  bTt  na  brethemain  uili  *')  .i.  fri  se  iTnaib  dec 
uil  doreir  in  fgnechais  isin  airecht  ")  .i.  int  aire  cosreng  ")  .i.  int 
üasal  bis  ac  srethnugud  (vielleicht  mit  punctum  delens  unter  n)  dligid  int 
aire  forgill  ")  Hier  noch  eine  auf  der  Photographie,  nach  icelcher  ich 
kopiere,  unleserliche  Glosse.  ")  .i.  mu  tsebh  ")  .i.  munba  diles  ")  «0 
chubhat  ")  no  do  chur  rem  slisa  '*)  .i.  laegh  bO  do  chur  fa  eilit 

")  no  a  ndiaid  na  heillti  fuiche  *•)  .i.  searrach  eich  fo  rön  mai'a  **)  .i. 
mu  taeib  ")  tomgmall  Ms.,  mit  Punkten  über  g  und  unter  m  ")  en 
toghain  fo  iiinnach      '")  .i.  baub     *')  .i.  flach     '**)  .i.  cnesugud  tar  goimh 


MITTEILUNGEN  AUS   IRISCHEN  HANDSCHRIFTEN.  361 

mu  brü-sa  ris  ni  berba,      is  dal  ena  tar  luä.^) 

5  Go  roib  comor  gan  cobha/^      gur  brana  brü  na  h^la,3) 
nocho  ndernsad  lar  fuine      drai  bus  bhi  blogha  edha.<) 

6  Eirgedh  giraing  a  geibhe,^)     eirgedh  gerg  a  gurt  loghain,^) 
eirged  orcan  co  hamra,      adracht  cormac  ö  conuibh.  5 

7  Failte^)  misi  rem  aicme      mar  cmpne»)  re  cnüas  faiscne, 
is  agum-sa^)  ro  thallatZ      hur  serc^o)  ^o  clannaib  Baiscne. 

8  Cumall  nocom  foirne,ii)    öm  coimne  nl  chuir  fliaire,i2) 
nocho  dorn  chloind-se  cumall,  •  3)      luidim  fo  lamaibh 

Lüaighne.i*)  lo 

9  Luindec  cuirri  i  crich  Tethfa,      arm  suibne  ic  rochtain 

ichbm,>s) 
ni  caibhne  ar  n-aithne  mo  . .  .i«)      ar(?)  nüalläni'')  foinche 

dar  fiuchra.i8) 

Allerlei  Rechtssprüche.  15 

Aus  H.3.18,  S.8b. 

Fir  elgnais  ogcinaith'»)  cen  comoirb  i  cein. 

Fir  mbraith  morlith  moscarai  i  cein. 

Fir  thairccuibi  a^")  trian  triamomessa  moin. 

Fir  chobfis  cethramad.  20 

Fir  errainne  co  alaset  sesed. 

Fir  ilaich  co  alason  sechtmad. 

Fir  ercometa  co  alait  oclitmud. 

Fir  oircsin^i)  co  oloroinn^s)  nomad. 

Fir  foluith  co  al[a]derg  dechmad.  25 

Rofesar  rupu  tria  foindel  caich  laithiu,  dosliat  fiachui  doine 
do  cethrai  .i.  each  cen  cuibrich  cecÄ  trathai,  cü  cen  cuibrech 
no  cen  lomain  laithe,  muiccai  cen  mucalaig  ndorcha. 


')  .i.  uisce  tar  naeidin    *)  .i.  co  roibh  eas  abha  gan  ciaigh    •)  .i.  dath 
fiaich  for  eala  *)  .i.  nocon  foslaigenn  nö  nin  a  bei  iar  fuine  ngreine 

*)  no  a  giu8  .i.  a  hoighre  *)  .i.  sieibhe  ^)  .i.  mar  is  failidh  *)  no  ina 
croind  .i.  in  lach  re  cnüas  faisce  ")  .i.  is  amlaid  sin  '")  hur  serc  sa 
agum-aa  »')  no  cubhat  »ochonua  moime  •'')  ni  tesaighann  m'aignedh 
fris  ")  no  chubhat  ")  no  mac  do  Lngaid  ua  Luaigne  .i.  do  Luaiglinib 
Temhrach  Finn  »*)  .i.  gob  cuirre  ac  rochtain  int  seilchide  '*)  Mir 
unleserlich.  »')  no  re  nüallän  ")  no  fechra  ")  L:  ügchinad  u.  vgl. 
O'Dav.  §  463.        »»)  ^unter  der  Zeile.        »•)  L.  aircsen        »j)  x.  alarainn 


362  KUNO   MEYER, 

Conla  Conall  Cernach  cundrathau  nac/i  cundratha  nad 
cumscuigfet  senchaid  cinip  cor  cutrumaib  cessair  cinip  flr 
biaidh  amal  ni  neltair^)  cid  lethfäs,  cid  lethsmacht,  cid  leth 
n-uinge  ar  uigge,  cid  uinge  ara  do  deinfid,  cid  a  do  ara  tliri 

5  dunfaid,  cid  mbruig  ar  muir  muidfid,  cid  Lifi  Liiircc  ar  sieb 
Elpse  alphaid,  cid  Cliu  Mail  maicc  Ugaine  ar  Chrotaib  Cliach, 
cid  scoth  ar  Dublinde  ndorbbaig  mor  boes  mor  do  goes,  cid 
baes  ni  taithmi  intailizts  ni  tathlutli  acht  a  mess  7  a  tomus 
7  a  imcisiu  7  a  imradud  ria  ndenwm,  arnab  fomus  iar  ngaim,^) 

10  arnap  gais  iar  mbais,  arnap  taithmecli  di  nadmaim  socoraib 
dichoraib  bidrathaib  bithdilsib  for  feraib  fosaidim  ar  mnaib 
tinscrai  tene  tellaig  for  macc  macc  dreitill  tigei  tuiredaig  ni 
taithmiuch  cor  flatha  no  eclasa.  Taithmiuch  cor  macc  cor 
muine   {S.  9  a)   muidmicli   cor  mire  mear  a  ciall  cor  mesca 

15  mesaib  coraib  dosbädimm  nisleicimm  cen  gait  i  saire,  cen 
cor,  cen  cundrath. 

Coirpri  dixit  fri  Cormac: 
Rogabus  ben  ar  eicin.    Cid  indaragbais?    Dommrecachai. 
Rogabus  ben  ar  ecin.    Cid  indaragbais?    Dorat  taithesc  dam. 
20      Rogabus  ben  ar  eigen.    Cid  indaragbais?    Cotumrullar. 
Rogabus  ben  ar  ecen.    Cid  indaragbais?    Frisresligsemmar. 

Cormac  cecinit: 

Is  dethbir  on  nad  imgaib  suil  ni  imgaib  deicsin.  Ni  in- 
gaib  breithir  nad  imgaib  deicsin.  Ni  imgaib  cobrad  nad  im- 
25  gaib  cobrad.  Ni  imgaib  idnacol  nad  imgaib  idnacol.  Ni  imgaib 
suide  no  anad  nad  imgaib  lige.  Ni  imgaib  poicc  na  imgaib 
poic.  Ni3)  imgaib  menmain  nad  imgaib  menmvin.  Ni  imgaib 
commuid  nad  imgaib  combuith.  Ni  imgaib  compert  nad  im- 
gaib compert.  Ni  imgaib  comaltrama  nad  imgaib  combaid. 
30  Ni  imgaib  comeric  conruccsat  conrortat  conralat  conralsat. 

Bria[th]rach  dorsaid  Corbmaic  i  Temair  imcomarcair: 
A  ui  Cuinn,  cia  brethem  is  fuighl/rfi  imchomaidces  cricli? 
Corbmac:  Brethim  ard  arberta  hreth  fir  fiad  rig  7  tuath. 
Ni  he  as  fuidlidi  im  comaidces  cricli. 
35         Briathrach  dixit:  Cest,  cia  brethem? 

*)  Über  dem  n  ein  Strich.        *)  Strich  über  g.    ,    ')  Ni  iiber  ar. 


MITTEILUNGEN   AUS   IRISCHEN  HANDSCHRIFTEN.  363 

Cormac:  Brethem  innraic  roflastar  tri  on  brethemon. 

Briathrach:  Cisneid  side? 

Cormac:  Bses  7  aneolus  7  eitges.  Cormac:  Brithem  beras 
hreith  coir  eter  da  comaidech  roflastar  teora  delba  comaidcesa 
.i.  smacht  7  aithgin  7  cathaig.  Rofes^ar  diabul  senamser,  5 
roflastar  ord  7  anord,  roflastar  dith  7  induth  cona  cathcliaib  i) 
ar  oclit  cethraib  bite  for  comaidces  .i.  {S.  9  b)  bai  7  mucca, 
eich,  cairigh,  gabair,  cercca,  beich,  geoidh.2)  Acht  a  coic  dib 
ni  dlegar  ime  friu,  ar  is  din^)  7  is  cuibrech  doberthar  form. 
IMtairgille  tar  cenn  arnaili  dib.  10 

A  iii  Chuinn,  co  roich  comaithceas  crich? 

Cormac :  Commuir  co  ruth,  co  romuir,  co  roilbhi,  co  ramut 
hidhad,  co  buirech  mbaiti,  co  bsegwZ  ii-ago,  co  treathan  ala- 
carrge  no  alacaire  commuir  cacÄ  ndicend. 

Ataat   rudrad   mair   7   bic   lanamain   file  iubuile  beicce  15 
7   moiri.    Atte  na  rudratia  mairi  nomiditar  iar  saeglai&  na 
comorba  iar  n-äesaib  techtaib  .i.  Lxx  no  Lxxx  ann?",  ut  dicitur: 
dies  annorum  nostrorum  usque  labor  7  dolor. 

Deit[i]u  didiu  saegal  comarba,  aititiu  saegal  a  dö,  com- 
detiu  saeghul  tri  flr.    Is  ann  as  rudrad  0  rosaigh  co  coiciur.  20 
0  rosaigh  co  deichnemur,  is  ann  is  robith  7  is  and  is  ochtrach. 

It  e  na  rudredui*)  becci  toimditar  fri  bliada[i]n  7  mis 
7  laithe.    Deitiu  ina  cetbliada[i]n,  aitt/Ym  ine  tänoisiu,  com- 
deitm  in   tress  ata  (?)  as  lugai,  deittm  fri  mis,  aitti^m  a  do 
7  rl.    Lugam  dib  deitiu  fri  haenloi,  Siittitiu  fri  a  dö  7  rl.  25 
7  is  tuinidhi  ar  tress  7  rl. 

Düruth  cethliadain  ruthrod  no  c6eccait,bith  .cc.  robith 
.ccl.  lecc  .ccc.  roebud  .de.  ochtrach  .dcccc.  age  selbai  inso  .a. 
jx.  fimt. 

Secht  rann  fichit^)  fiiasa«)  toet  feab  7  ordain^)  do  duine:  30 
tria  gaireui,  tria  ainmnit,  tria  fostai,  tria  thoi,  tria  forsadi, 
tria  foglaim,  tri  domestai,  tri  ötsecht  firindi,  tri  chocad  fri 
cloine,  tri  indarba  n-anfls,  tri  thochurud  fls,  tri  trebairei,  tri 
coitsecht  fri  forrsaidi,  tri  frecmorc  firen,  tri  filidecht  techtai, 
tri  ailge  anscuichthi,  tri  airmitin  sen,  tri  denam  sinsire,  tri  35 

»)  KcÄaib  Hs.         «)  no  g  über  dh  ^)  Aimu  Ms. 

*)  Strich  über  dem  zweiten  r. 

5)  L.  flehet  •)  L.  triasa  •)  L.  ordan  n 


364  KUNO   METER, 

ermitin  flatha,  tri  airmidin  ecnai,  tri  honoi[r]  fithidre,  tri 
tiraorgain  cuibsi  no  gnuisi,  tri  idhnai  lamai,  tri  congain  cuibsi, 
tri  iinrad[ud]  ba[i]s,  tria  imrad[ud]  no  decsin  i  nDia  na  ndula.  *) 

Der  folgende  Abschnitt  steht  unmittelbar  hinter  dem  Schluß  von  ^Sequel 
5  to  Crith  Gäblach'  in  Ancient  Law»  lY  (S.  368)  aufS.  18a  der  Handschrift. 

Gaeth  cach  co  fonadmaim  fonascar  fri  comus  n-ae,  ar  is 
cro  timorgne  cach  aighnedha  a  arach  fri  comus  n-sei. 

Is  dilmain  do  cach  aighne  ciped  adbar  dobera  do  cumtach 
a  aie,   im  fir  fa  dlighedh  fa  cert  fa  techta  fa  coir  n-athcom- 
10  airc,  amaZ  is  dilmain  do  gach  aicdecji  inla  aicde,  ciped  adbar 
inla  inte,  acht  ni  fubhae  na  adbar  araill. 

Ni  baighne  dinad  aenaighear  for  aei  nai  no  daigai  ior 
nach  ae  fo  \eth. 

Cormac:  Ni  haighne  nad  öenaighedar  ai.  Ni  airecht  ardo- 

15  cuilli  col  mbel,  col  brethe,  brigh  indarbai,  fir  o  dligmd,  dligerf 

0  chiurt,  cert  o  techta,  techta  o  choir  athcomairc.  Dochuiredh[ar] 

andliged,  inairben  dliged.  Ar  ni  dlighed  manip  fir,  ni  fir  munab 

cert,  ni  cert  munab  techta,  ni  techta  mmab  coir  n-athchomairc. 

Docuiredar  goi,  inairben  fir,  tocuiredar  *ecert,  inarben  cert, 

20  docuirethar  etechta,  inairben  techta,  conscara  ai,  etardascara. 

Fachtna:   Ni  fochen  Soghen,   sui  ghena  gusmair,  grecha 

a  bretha,  buasamail  a  bru,  brighach  n-imglindi  a  chert,  craebh 

3iTgait  oir  ed,  enechruice  rig,  rind  ngobel,  giall  üaithemon, 

fuaim  nderoit,  drech  ollaman,  huth  curudh,  cain  rocetail,  rith 

25  rothengad,  ramat  firinne,  forlond  a  chomlainn,  etan  sochrait, 

sruaim  cainchirt,  cuairt  ngaisi,  gnuisi  escai,  osair  airechta, 

aighi  lethsmachtach,  laith  gaile,  gobel  glonn  diubartach,  din- 

dell  fornadma  tor  eochair  frim  fordobera.  Ni  fochen,  a  Soghen! 

Sogen:   Deithbir  dam  ce  phrisinliu  tuaslugud  mo  tire  a 

30  tuinidhiu  tarrachtain,  ar  ni  cechra  mo  buar  alabuar  mbuirech 

romunsat.    Ni  chechrat  mo  comarbai  alacomorba  nadnacatar 

i  n-orbaib  aeithre^)  aendan. 

Fachtna:    Dede   tarna   tacmongar  ma  fogellaiter  bre^Äa 
fira  fortechta:   aititiu  cian  cen  elodh  cuin  ndliged,  cuir  bei 
35  dilsidethar  tomun  do  astuth. 


1)  Eier  folgt  die  Schreibernotiz:  Nodlaic  (.i.  recht  nuadh  tic  re  cel-) 
mor  for  oine  aniu  7  a  ndse  mec  Fl-th-  atü.    Damit  endet  S.  9  b. 
^)  L.  aithre. 


MITTEILUNGEN    AUS    IRISCHEN   HANDSCHRIFTEN.  365 

Sogen:  Nis  cuir  bei  dilsi  dian  fir  forcmaither  for  einlud 
coUnae  1  n-orbaib  athra,  im  lethard  rainne,  im  lethsmacht 
selrce,  ar  ni  fil  a[ijrcsiu  na  altltlu  eter  brathraib  na  finibh 
frl  faenel  flalthemhnals,  fri  altram  n-oetedh,  frl  forcetal  dana. 
fri  tuar  ngraidh  gainethar  foo  mair  tiasat  ria  calchlbh  no  5 
comfocslb  clnad  conaisceba  a  fintlud,  cid  iar  reib  clanuib 
corrbreth  robul  blas  Iar  nos  iar  n-6isaibh. 

Fachtna:  Nis  maithl  dam  log  n-aisi  logh  sinsire,  log  fog- 
nama  {am  Rande  riasiu  rogenta  ar)  na  diuberar  nacÄ  daen  dia 
daghmainib,  na  tintaither  duthracht  tar  airilten  gaire.  Ar  opsa  10 
becda  athar  umal  aurlaite  conommarroet  commainibh  dearbaibh. 

Sogen :   Ni  maithl  dam-sa  foghnam  nadnaca,  ar  mmAlegar 
argaire  resiu  rogenainn.    Tathat  lim  logh  do  äes,  logh  do 
sinnsire,  tus  aidÄbd^en,  tus  ea[r]labhra,  toghae  dl  rannaib,  di 
buaib,  di  bithdüsuib,  di  tlacht,  di  talwam.  Is  de  ata :  ran[n]uidh  15 
ösar,  dogoat  sinnsire  slechtuibh  fia. 

Fachtna:  Rorer  mo  thir  taispenad  aurgartach  atomrach- 
,tatar  do  mo  dolora  decmaingi.  Ba-sa  bocht  biid,  ba-sa  nocht 
etaigh,  ba-sa  bodhar  foglime  i  findfocluib  fis.  Friscommart 
dam  talam  (S.  18  b)  dia  n-airgenus  cona  bo  ferr  lim  mo  talman  20 
torba.  Ni  ba  cor,  ni  bit  reic,  ni  bi  cunnradh  reic  thire  sech 
üaith,  sech  edais,  sech  ilgobhlai  1)  fine.  Ar  a  cinta  condlat 
ar  cowrar eicht  selbha  slechtaibh  aithre  sceo  senaithre  ata  coraib 
comlasat  eomdliged  mainche  morfaeidm  flaithemnuis  co  ria  nech 
ni  na  bi  ai,  ar  is  cumrachta  fotha  fri  flaith,  fri  heclais.  Finit.  25 

Der  Schlufs  von  Crith  Gablach. 

Dieser  alte  Text  ist  im  vierten  Bande  der  ^Ancient  Laws'  nach  der  Hand' 
Schrift  H.  3.  18  herausgegeben ,  bricht  aber  dort  S.  340  mitten  in  einem 
Stück  rhythmischer  Prosa"^)   ab,  das  ich  hier  ganz  zum  Abdruck  bringe. 

Mad    be    rig    rofessir    recht    fla^Äa   fothoth    iar   mbiad  30 
mescbaid    a   slogh   sabaid   cuirmmtigi   cuir   mesca  mess   tiri 
tomus  forrag  forberta  diri  dithle  mesraid  mör  muiw  mrugreehtai 
mrogad  coierich  cor  euälne  corus  rinde  rann  iter  comorbbo 
comaithigh    do    garmmaim   Gaill    comlaind   caithigÄti   istoda 


*)  ügobÄlaid  Hs.,  mit  punctum  delens  über  d. 

^)  Die  einzelnen  Sätze  sind  fast  durchweg  durch  Bindung  miteinander 
verknüpft. 


366  KUNO   MEYER, 

anagraitto  rig  raith  commairgi  choriis  co  feisiur  setmh  selb 
slän  cech  comaithces  curtar  gellaib  gelltar  smachtuib  miach 
molaiiga  luagh  ndiri  diri  n-aurbai  6  dartaid  co  dairt  dochum 
colpdaigi  co  cöic  setu  cingit  cia  annsom  fid  beime.  fiachib 
5  boeth  brugid  cailli.  coli  eidnech.  esnill  bes  ndithernam  diri 
fidneimid  näir.  Ni  bie  fidneimid  Mchaib  secht  n-airech  ara 
teora  bü  ina  bun  beim  bis.  biit  alaili  secht  se'^uib  losa 
laumur  ar  docliundaib.  dilsi  cailli  cairi  fuloclit  benair.  bos 
chnao  fuisce  frisna  laim  hi  saitli   sui.    slän   emde  dith  gus 

10  dithlai.  Dire  ndarodire  a  gabail  mar.  mess*  7  beobethu  a 
bun  bein.  bein  mbarr  in  aencumma  culinn.  coUuth.  cuill 
combach  n-abla.  ansam  de  nardnemid  dirib  sechtnairech 
asabbi  bo  bunbeimne  bithe  boegal  fernwa.  fuba  sailech  sluind 
airriu  aithgin.    anög  sciatli  sceo  draigin  dringid  (S.  7  h)  co 

15  feda  forbuU.  forbul  ratho.  räithiud  aine  acht  andilsi  do 
^aithVo  fotlila  tothla  an  tan  aircsiu  arach  attrab  foUscud 
foilliuchtai  ladad  aurlimm  en  ceircc  corr  mad  beth  pettai 
oiss  eisrechta  con  cathchi  becÄ.  biit  itren(a)ib  tire  tonaccmoing 
tairgille.     taurrän   na   tairsce   taulberna   tarrout   ruriud   tar 

20  ilslelbÄai  {sie),  samail  tmchta  tommus  aircinne  cethrai  forrgib 
CO waurcl^tr  flescaith  forcsiu  mruigrechtoi  mrogad  cocrich  tarsce 
tigradwÄ  tairgget  smachtai  iar  cintaib  coicthi  a  coir  comatliech 
Cid  ag  cowranna  tri  et.  Cid  airlimm  noewoircc  cowrannai  tri 
tret.  Cis  täna  diciallathar  tonasegar  tigrathws.   Cis  taurrana^ 

25  foichlichi  forsnä  sui  fogeltath.  Cis  formmenn  ecndaircc  dosliat 
dilsi.    Cis  ndithle  do  trebaib  na  tuillet  dire.  2) 

Der  sündige  Leib. 

Ains  H.  3. 18,  S.  859. 

1  Meisde  an  corp  a  thüar  go  trom,      is  e  alias  a  fochann, 
30       mairg  ara  tren  in  corp  crumh,      is  gort  gan  feur,  cen 

arbhar. 

2  Trüagh  a  bfuil  d'im[s]nirah  orainn      ar  ndul  asan  droch- 

cholainn, 
ni  d'eaclach  ri  tocht  da  thür.      in  corp  peac[th]ach  ar 
35  prisün. 

')  Vielleicht  tausrana. 

'^)  Hier  fügt  der  Schreiher  hinzu:  Ni  fnarw«  a  iint[h]uilled  de  sin. 


MITTEILUNGEN   AUS   IRISCHEN   HANDSCHRIFTEN.  367 

3  Adhphar  mo  chuirb,  a  chara,      nocho  leaga  löghmhara, 
nl  teach  slaitgeal  corp  a  chuil,      olc  in  aitreabh,  gidh 

ionmhuin. 

4  Inghnadh  eagla  gum  anmain      mo  dul  as[in]  drochadli- 

phaigh.   5 
gidh  dageibh  se  in  corp  cädhas,      a  De,  is  olc  a  dünaras. 

5  Mairg  dän  tigerna  in  corp  criadli,      ri  badh  fearr  i)  düinn 

a  dhoimhiadli, 
gidh  dabheir  se  olc  oinine,      nl  he  in  corp  ar  cumairghl 

6  Re  mac  inghini  xlnna      füaigium  uile  ar  n-anmanda,  lo 
go  g[c]eanglom  ar  ceill  's  2)  ar  ccond      risin  rSidh  seang- 

dann  sülchorr. 

7  Go  bfagam  sith  mhic  Muire,    go  rroisum  a  righsuidhe,  3) 
gu  ceanglam  ar  corp  's  a  chath,      gn  ndeaglam*)  re  port 

peac[th]ach.  15 

Von  Gregor  dem  Orofsen. 

AtM  dem  Oelben  Buch  von  Lecan,  S.  164  a. 

Proigept  Grigoir  Roma  annso. 

Tunc  dicet  rex  his  qui  a  dextris  eins  sunt.  Adbera  hisu 
Crist,  ri  na  n-uili  dül,  in  aithesc  sa  risna  firenchaib  i  llö  20 
brätha:  Ueniti  benidicti  patris  mei,  posidete  preparatum  uobis 
a  constitutione  mundi.  Ticid  ille.  a  lucht  na  derci  7  na  trö- 
cairi,  a  maccu  m'athar  ocus  asealbaigthigh  in  flaithisa  ro- 
tuiredh.  düib  ö  thosach  in  domain.  Ar  is  üaib  füarus-sa  mo 
chabair  do  cach  dograig  7  do  cach  docamal  i  rraba  isin  tssegal.  25 

Matha  mac  Alf  ei,  in  sai  forbarach  do  Ebraidib,  in  cetna 
fer  adchüaid  ferta  7  mlrbaileda  mic  De  i  talmain,  IS  he 
roscrib  na  brlathra  sa  i  curp  soscela  do  inchosc  7  do  foillsigud 
int  sästa  spirtalda  fll  dona  nsemaib  i  talmain  de  frithaileam 
a  tochuirthe  i  llö  bratha  ö  mac  an  athar  newidai  hi  flaith  a  30 
athar  7  co  n-abair :  Uenite  benedicte,  ticid  a  beandachtu !  IS 
he  immorro  leath  ataibe  an  aisnes  sea  la  Matha  co  du  ind- 
erbairt  reme  ina  soscela  Et  separaibit  ab  inuisem  sicud  pastor 
segregat  oues  ab  hedis.  Ocus  sceraid  na  fTrenchu  risna  peac- 
thachaib  ama?7  deiliges  öeguiri  trebar  a  tred.  35 

»)  dhearr  Hs.  >)  cTall  as  fls.  . 

3)  rithsuighi  Hs.  *)  ndeaglum  Hs. 


368  KÜNO   MEYER. 

Öen  iarom  dona  nsemaib  7  dona  firenchaib  dianid  earrdalta 
in  tochuireadh  sen  i  llö  brätha  an  breö  an  7  an  äibill 
teöra  7  achtail  i  tairisi  na  canöine  näime,  ant  en  oirdnidi 
7  fotlia  fosaich[th]i  ind  uird  ecalsa  diatä  llth  7  foraithmet  a 

o  n-ecmong  na  rea  sea  7  na  haimsiri  .i.  sanctus  Grigair  papa 
.i.  Grigoir  naem  comarba  Pedair.  IS  and  Tarum  celebraid  na 
CrTstaidi  caclia  bliadna  a  llithlaithi  7  foraiihmed  et  com- 
loithe  a  anma  [S.  164  bj  a  n-sentaid  muintiri  nime  i  quartid 
märta  aräi  laithi  mis  grene.  Adfiadam  \mmorro  sund  taithmed 

10  cumair  dia  fertaib  7  dia  mirbailib,  ar  nl  Ml  nech  no  indised 
CO  lleir,  acht  meni  tisad  aingil  De  do  nim  no  a.  spirud  fen 
dia  aisneis. 

Fecht  and  larom  do  Grigair  oc  imthecht  i  n-araili  lö  co 
räinic  i  comfochraib  lacha  i  ngabtha  lasc  ro-imda.    Ro  imfu- 

15  laing  iarom  imad  an  esc  sai[d]bris  mör  don  lucht  oca  raba 
commus  inn  indbw-.  Is  ed  didiu  dorala  and  comdar  derbrä- 
thair  in  lucht  oca  raba  a  chomus.  Acht  cena,  amail  aimsiges 
int  aintcrw^  iwdi  caich,  ro  aimsich  diwo  in  lucht  sa ;  ar  darala 
debaigh  mör  etwrru  i  n-aimsir  gabala  ind  esc,  co  romarbad 

20  är  fer  etwrru.  Is  andsin  Iarom  doriacht  Grigair  chucu  dia 
cobair  feib  rochöraig  Dia.  Confaca  side  na  catha  7  na  firu 
marba  7  na  derbräithri  oc  imthüarcain  corfiarfacÄ^  som  fochond 
na  debtha.  Ö  rahindised  Iarom  do-som  anni  sin.  is  ed  roräid 
side.  0  filii,^)  nolite  animas  uestras  ratronaibiles  occidere  pro 

25  rautis^)  animalibus  7  fraternam  pacem  separairi  7  legem  Dei 
uiolare.  A  maccu  inmaine,  or  Grigair,  na  malartaid  bar  n- 
anmanda  dligtheacha  arna  hanmandaib  müididib  7  na  scaraid 
in  gräd  bratharda  7  na  heilnid  reacht  in  Choimded. 
Ruc  les  lad  iarsin  co  himel  ind  lacha  7  rosaid  in  flesc  robai 

30  ina  laim  isin  loch  7  dorigni  slechtain  7  rosin  a  laim  hi 
croisfigül  cosin  Coimdid  7  is  ed  roraid :  ' A  choimdiu  na  ndül 
7  a  De  uilichumachtaich,  nl  roarrthraidi  int  usci  armotha  isan 
inad  sa,  acht  corap  mag  tairtheach  scoithemrach  ö  sund  am  ach.' 
Ö  thairnic  Iarom  do-som  a  ernaigthi,  rosüigh  an  talam  in  loch, 

35  conna  hacus  banna  usci  ann  iar  sin.  Anni  tra  robo  set  do 
longaib  7  do  libernaibh  7  d'ernailib  examlaib  inn  esc  ante, 
ro  chöraig  in  Coimdi  tria  ernaigthi  Grigair  nöib  corba  mag 


*)  fllio  mit  Rasur  darnach.       ')  munti(a)8. 


MITTEILUNGEN   AUS   IRISCHEN   HANDSCHRIFTEN.  369 

tairthecli  do  indilib  7  d'anmandaib,  Doringset  Tarom  na  da 
brätliair  sith  lar  sin  fochetöir  7  robendachsad  in  Coimdid 
7  Grigair  7  romörad  ainm  De  7  Grigair  de  sin. 

Fechtus  aili  didm  do  Grigair,  räthaigis  brön  mör  arna 
manchaib  ar  ind  inad  ar  b'äil  döib  eclas  do  chumdach  do  5 
Choimdid.  Ni  chaemnacair  a  denam  and,  ar  robai  carrac 
mör  don  leth  anair  don  inad  sin  7  sruth  dermäir  don  leth 
anair,  conä  frith  inad  na  liecailsi  etwrru.  Is  ann  sin  roräid 
Grigair  nseb  frisin  pobal  in  aithesc  adubatVt  Isu  ria  apstalaib: 
Si  habueretis  fidem  sicut  granum  1)  sinapis,  dicedis  monti  huic  10 
Tolle  te  et  inite  in  mare,  fierit  utique.2)  Dia  mbeth,  ar  se, 
cudruma  grainni  na  sinaipi  do  iris  nö  do  creidem  acuib,  cid 
for  an  sllab  ndermair-sea  na  forcliana^d  sib  techt  asa  inad, 
noragad  fochetöir.  Rochaith  immorro  Grigair  in  aidchi  sin 
iiili  i  n-ernaigthi.  Et  is  ed  roraid  risin  carraig:  Is  ced  duid  15 
dula  isan  inad  itäi.  In  tan  immorro  adracht  in  pobal  iarna- 
märach,  adcondairc  side  in  carrac  iarna  cur  asau  inad  i  raba 
in  met  robo  techta  7  ricthi  a  les  7  rocumdaiged  eclas  don 
Comdi  'sinn  inad  sin  iar  sin.  Ro  möraid  ainm  De  7  Grigair 
triasin  mlrbail  sin.    Finit.  20 

[S.  165  a].  Feacht  and  do  Grigair  oc  imtheacht  siebe 
Ealpa,  ropdar  läna  na  sligeda  7  na  luic  comfochraib  dont 
(s)neachta.  Nochon  (f)üair  teach  in  aidchi  sin  acht  idaltech 
Apaill.  Dochüaid  immorro  sacart  ind  Idail  larnamärach  iar 
ndul  do  Grigair  as  do  edbairt  do  arracht  Apaill.  7  do  chuindig  25 
fregra  üad  amaZ  (ba)  bes  dö  chaidchi  7  nocho  tue  int  idal 
nach  fregra  in  lä  sin,  cia  doberad  dogres.  Dorigni  didiu 
doridisi  edbairt  dö  7  nocho  ronacaill  int  idal. 

Rothocraid  co  mör  dont  (s)acart  anni  sin.  Ro  arrthraig 
didiu  demon  in  aidchi  sin  dont  (s)acart  7  adubaiV/  ris:  'Cid  30 
dia  ngairmi-siu  mi(s)i,  ar  se,  ar  romindarbad-sa  andiu  ö  thä- 
nic  Grigair.'  'In  fil  a  leasugud  sin  itir?'  ar  in  sacart.  'No- 
chon (f)uil  eäv\  ar  deaman,  'acht  mina  cetaigi  Grigair.'  Do- 
chüaid Iar  sin  in  sacart  do  acallaim  Grigair  7  ro  indis  dö 
uili  amaZ  forcsemnacair  and  7  ro  äilistair  he  co  ro  leiged  don  35 
arracht  co  ro  labrad.  Tänic  immorro  deman  fochetöir  isin 
arracht  7  dorad  fregra  forsin  sacart  and  sen  amaZ  doberead 


1)  granam.        ^)  Vgl.  Matth.  17, 19. 


370  KUNO  MEYER. 

remi  7  adubert  in  sacart  ö  darad  a  menmain  ind  fen:  'Is  ferr' 
ar  se  'Grigair  co  mmör  anda  Apaill.  Is  dö  dicZm  fogenad-sa 
ö  sund  amach  7  do  dia  dia  n-adrand'.  Ro  chreidestair  dicZm 
do  Christ  7  do  baistestair  Grigair  he  7  is  e  ro  gab  comarbus 
5  Petair  dar  eis  Grigair.  Ro  mörad  ainm  De  7  Grigair  don 
mlrbail  sin. 

Feacht  n-öen  do  Grigair  dochöid  ar  imgabail  comarbus(a) 
Pedair.  Ecmaing  nicon  faca  in  n-en  dianad  ainm  locusta  ar 
in  conair  ar  a  chind.    Ö  tharrastair  larum  int  en  co  nem- 

10  cumscaigthe  for  int  (s)et,  rotuc  in  fer  eacnaid  anni  rob  äil 
do  Dia  do  foillsegud  dö  tresin  locnist  .i.  tairisem  dö  ina  inad 
i  Röim  7  cen  dul  for  teichead.  Ar  is  ed  inchoisces  qäil  ind*) 
focail  as  locusta  .i.  loco  sta.  Dochöid  larum  Grigair  ar  a 
^hülu  do  Röim  7  tarastair  inte  lar  sin. 

15  Fecht  aili  dochöid  Grigair  ar  imgabail  abdaine  co  aroili 
ri[g].  Rogaid  seom  didm  in  rl[g]  Tsin  co  rodidned  7  co  rofoil- 
ged  he  ar  in  hiebt  nobidis  oc  a  larraid.  Ro  suigideth  larum 
i  n-araili  tealchoma  i  mbld  fin  do  reir  a  chomairli-seom 
7  comairle  ind  rig  7  ro  dünad  fair  in  telchoma.    Tänic  lar 

20  sin  int  airdeaspoc  7  in  pobal  römänach  d'iarraüZ  Grigair 
forsin  righ.  Is  and  sin  atbert  in  ri:  'Ergid  for  set  aili 
d!mrr aid  he,  ar  nT  fil  i  fus.'  Is  and  roräid  int  espoc  risin 
rig:  'Ricfam-ni  a  les'  ar  se,  'digh  de  fin,  ar  dochöid  erchra 
inar  fin  fen,'    Adubairt  in  ri:  'Erg  7  feg  lat  uile  telchoma 

25  ind  fina  7  ber  in  telchoma  bas  fearr  leat  lib.'  .  Ö  ro  feg  tra 
int  espoc  na  huili  telcoma,  is  6  roga  ruc  dib,  in  telcoma  i 
raibi  Grigair  nöeb.  Ro  ingantaich  immorro  in  rig  co  mör 
annI  sin  7  rofldir  conid  ö  Dia  fen  rofoillsiged  Grigair  isan 
inad  i  roibi,  Tucad  larum  Grigair  asin  lestar  i  raba  7  dochöid 

30  immailli  risin  espoc  7  risin  popal  römänach  do  gabäil  chomar- 
huis  Peadair  do  reir  toili  De,  ciarbo  i  n-agaid  a  thoili-seom. 
An  tan  didiu  robas  oc  oirdned  Grigair  i  comarbus  Petair  . .  .2) 
tarrastair  in  tan  sin  aici  .i.  aingel  De  i  ndorus  in  tempaill 
7   rogairm  chuici  öen   dona  bräithrib  7  adubairt  ris:   'Eirg 

35  isin  tempair,  ar  se  '7  tue  lat  [S.  165  b]  Grigair  ille.'  DochUaid 
side  fochetöir  7  adubairt  ri  Grigair  anni  sin.  Is  ed  immorro 
ro  räid  Grigair:  'Eirg  isin  tempall',  ar  se  '7  tue  lat  he  ille 


^)  indo  ")  Mir  unleserlich. 


MITTEILUNGEN    AUS    IRISCHEN   HANDSCHRIFTEN.  371 

coUeic  7  aicellad-sa  he  acht  co  roiscc  int  oirdnead  7  int 
ongad.'  Ödrubrad  risin  äighidh  anni  sin,  is  ed  roräidi:  'Eirg' 
ar  s6  '7  larfaid  do  Grigair  cadi  log  na  beandaclitan.'  Ö  ra 
hindised  annl  sin  do  Grigair,  is  ed  roräide:  'Airmed',  ar  se, 
'is  e  log  na  beannachtan.'  Ro  hindisead  didm  in  frecra  sin  5 
don  äigid.  Is  ed  ro  raidi:  'Is  fir'  ar  se  'anni  adubairt  Grigair, 
acht  apair  ris',  ar  se,  'cia  hindmas  dia  tomaister  sin?'  Dochöid 
daridise  in  techtairi  7  adubairt  ri  Grigair  7  ro  freacair  Grigair: 
'De  ör',  ar  se,  'ar  is  e  log  na  bennachtan,  airmed  de  6r 
derscai[g]thech.'  Ö  ra  hindised  in  fregra  sin,  is  ed  roräid:  10 
'Is  fir',  ar  se  'is  ecnaid  in  breth  sin  7  larfaid-seo  de-seom 
cia  lestar  i  tomaister  ind  airmead  sa.'  Adubairt  Grigair: 
'iter  nem  7  talmain.'  Ts  ed  rofiarfaidh  in  fer  robäi  amuig: 
'Cia  bennachtu'  ar  se  'is  a  lögh  sain?  in  in  bendacht  ind 
(f)ireöin  no  in  in  bennacht  in  peac[th]aich?'  Ro  (f)recair  lö 
Grigair:  'Bennacht  an  pecthai^h',  ar  s6.  'Ar  nochon  (f)agabar 
iter  nem  7  talmaiu  log  bendachta  ind  (f)ireöinj  acht  is  for 
nem  namä  fogabar  i  llög  sidi.'  Is  and  sain  adubairt  int 
äige  risin  techtairi:  'Nocon  döigh'  ar  se  'atä  in  test  ecnai 
doberar  for  Grigair.  Ar  id  fira  uli  na  testa  adubairt.  Eirg-  20 
siu  lodechtsa  7  apair  1)  ris:  'Rodbendacha  int  athair  7  in  mac 
7  in  spirud  nöeb  7  rodcometa  in  bennachtu  sin  it  uilib  sedaib 
7  rotoir(d)ne  isin  urd  inatoir(d)nigther.'  Ö  rachüalai  Grigair 
na  briathra  sin,  ro  reith  co  dian  ö  chosaib  nochtaib  co  dorus 
in  tempaill,  acht  chena  ni  ro  arrthraig  int  äige  ar  a  chind.  25 
Is  and  sin  rothuc  Grigair  conid  aingel^)  in  Choimdead  robüi 
and  7  conid  dia  bennacÄad  sin  tänic  7  robendachastair  in 
Comdi  na  n-uili  dül  »a  huili  rochüaladur  anni  sin. 

I  n-aroili  lö  robädur  däine  nöemda  oc  imtheacht  a  seta 
CO  nacatar  chucu  dune  examail  .i.  indara  leth  dia  churp  ö  30 
chind  CO  bonn  bän  7  se  cen  banna  fola  and,  an  leth  aili 
immorro  7  se  sonairt  calma  7  se  feölmar  fuilidi.  Is  and  sin 
rofiarfaidsed  lucht  int  (s)eda  de-seom:  'Cüich  thü  7  cid  ro 
im(f)ulaing  saine  do  deilbi?'  Ro  frecaii^  in  duine  7  is  ed 
roraid:  'Mesi'  ar  s6  'notair  Grigair  nüim  .i.  Pedar  notairi  35 
m'ainm.  Ar  cach  augtardas  dognl-som,  is  misi  noscrlbad  üad 
fochetöir   he.     An   slis   didiu  robäi  dam-sa  illeith  fris-[s]om 


')  appair  mit  punct  del.  unter  dem  zweiten  p.        *)  aingil 


372  KUNO   MEYER, 

ro  fäsaiged  im  a  nert  7  im  a  fiiil,  ar  robüi  rath  in  spirwda 
naim  for  bruthugud  and-som,  co  ndeacliad  iiad-som  do  rer  a 
comairli  i  tecli  n-aili  robo  comfocus  dö  et  is  tria  fraighidh 
no(i)cht  (?)   in   tigi  sin  noacallad-som  misi  iman(a  d)eiTidib 

5  7  noscribaind-sea  üad-som  iar  sain.  Is  amlaid  sin  rofuilngus 
bruithin  in  ratlia  diada.'  Ro  bennacAsad  co  mör  in  tan  sin 
lucht  int  (s)eda  7  na  sliged  in  Comdi  7  Grigair  nöem. 

A  n-aroili  demnach  do  Grigair  a  öenur  oc  ernai(g)tlii  co 
n-acca  duine  ndub  ngränna  a  dochum.    Ro  imchomairc  Grigair 

10  cliuice.  Adubairt  in  duni:  'Do  muintir'  ar  se  'ifrinn  dam-sa'. 
Et  adubairt  didiu  Grigair:  'Cid  Tarthai?'  ar  se.  'Ö  nacham- 
plantar  isin  domnach',  ar  se  'teigim  ar  cach  leth  7  ni  gabar 
[S.  166  a]  dim  . . .  conarcus  äddiu  tusu  at  aenar  oc  ernaigthi 
7  notälim  ar  Dia  mbeö  co  rafortachtaigi  dam.    Ar  cretim-sea 

15  CO  tabarthar  diiid  cep  ed  cuindge  ö  Dia.'  Ö  rogell  Tarum 
Grigair  do-söm  ernaigthi  fair,  dochöid  as  Iar  sin.  Tanic 
didiw  isin  domnach  robo  nesu  co  Grigair  7  üathad  ball  gela 
trit  7  rognl  altagud  buidi  do  Grigair  7  don  Chomdid  7  dochöid 
as  Tar  sin  7  robo  gili  and  side  7  robendach  do  Grigair,    Tanic 

20  ä.idiu  in  tres  fecht  co  Grigair  7  se  öengel  uili  cen  nach  locht 
ann  7  tüargaib  a  läma  7  rognl  altugud  buidi  do  Dia  7  do 
Grigair.  7  adrubmrt  ri  Grigair:  'Triat  ernaigthi-siu'  ar  se 
'thäSigim-sea  dochum  nime  innossa'  7  dochöid-seom  as  Iar  sin 
7  forfacaib  bennaclitain  la  Grigair.    Indister  didiu  co  mbidh 

25  aingel  in  Choimded  dogres  for  laim  deis  Grigair  7  conad  he 
nochanad  ina  chlüais  7  noforchanad  im  cach  n-u(g)durras  do- 
gnld.  Indister  öidiu  co  n-aicthea  soilsi  grene  7  taitnem  cecha 
soillsi  archena  tre  lamaib  Grigair  näib  ar  a  lainderdacht 
7  ar  a  seme  &mal  adchiesta  tria  lamuib  Grigair. 

30  I  n-araili  domnach^)  do  Grigair  oc  edbairt  cuirp  Christ. 
Ö  rabäi  cach  ac  dul  do  laim,  tanic  fedb  irisech  dognid  ab- 
lanna  do-som  chuici  co  tiasad  di  läim  in  tan  noragad  cach. 
An  tan  iarum  dorad  in  clereach  di-si  corp  Crist  7  adubairt 
ria  amaZ  is  bes:  'corpus  domini  lesu  Christi  conseruet  ani- 

35  mam  tuam',  'rochometa  corp  ar  Comded-ni  Isu  Crist  t'anmuin', 
is  and  sin  rusgab  füailfead  7  doroigne  gäiri  ndermäir.  Tue 
in   clerech  fochetöir  a  des  üada  7   rofwnm  in  corp  forsan 


')  Mit  diesem  Abschnitt  vgl.  Zeitschr.  III  S.  36,  8  ff. 


MITTEILUNGEN  AUS   IRISCHEN  HANDSCHRIFTEN.  373 

altöir  7  nir  leic  di  a  chaitheam.  Do  fiarfaid  lar  sain  di  cid 
ima  nderna  gäiri  in  tan  tucad  in  corp  dl.  'Irignad'  ar  si 
'lern  in  bairgen  doronwus  com  lämaib  arbuine,i)  a  räd  duid- 
seo  conid  corp  Crlst  sain.'  Ro  siecht  Grigair  iarum  i  fiadh- 
naisi  na  haltöra  cosin  uile  popol  imalle  fris  do  dichur  dichredme  5 
na  banscäili.  Ötracht  Grigair  füair  in  pars  tue  forsin  n-altöir 
ina  bioig  feöla  deirgi  et  ödchondcadar  na  huili  in  mirbail 
sin,  rochreid  in  bandscäl  conid  he  firchorp  Crist  eadbairther 
for  ind  altöir  .i.  in  corp  rogenair  ö  Muire  öig  ingin  laichm 
7  rochalmaiged  hiris  in  pobail  römänaig  uili.  Ro  siecht  didiu  10 
Grigair  iar  sin  co  rossethi  i  ngne  thöiseach,  ar  nlrba  dir  co 
mbeath  a  gne  feöla  deirgi  fair  oc  a  chaithim  7  rwscarad  fochet- 
öir  i  ngne  ablaindi. 

Ö  rochomaicsig  Iarum  laithi  estechta  indi  naem-Grigair, 
rofoillsiged  do  Cholmän  Eala  anni  sin,  dia  roibi  oc  umalöid  15 
mailli  re  manchaib.    Roslecht  Iarum  Colmän  Ela  co  hobund 
7  rothairbir  a  gnüis  ri  lar.    Ötracht  immorro  r.ofiarfaidedur 
na  manaig  de  cid  adchonnairc.    Adbert  andsicZe  Colman  Ela 
riu-son:  'Andarlim'  ar  se  'is  laithe  mbrätha  tänic  and  a.mal 
rogellad  düind.     Ar  rolinsad  aingil  in  Choimdead  iter  nem  20 
7    talmain.     Acht   rofaillsiged   dam   lar   sin  conid  i  frithset 
anma  Grigair  Roma  täncadar  na  haingil  7  co  rucsad  leo  a 
anmain    dochum   nime.'     Rocomailled   Iarum   anni   sin   amaZ 
rofaillsighedh  do  CholmEn  Ela.    Ar  rucsad  na  haingil  in  üair 
sin  anmain  Grigair  dochum  nime  co  mbüaid  7  co  f äilti  diais-  25 
neidthe.    Rocuired   7   rocöraiged  immorro  a  chorp  i  comrair 
örda  i  talmain  co  n-onöir  7  co  n-airmi7in  möir.    Ar  mad  lar 
senchas  Römänach   is   acu  fön   [S.  166  b]   atat  taisi  Grigair 
amaZ  as  dib  dö  iar  ceneöl  amaZ  dicitur  (?)  ö  Beid  ina  stair  2) 
conid  Grigair  mac  Cordiane  he  mac  fir  sochenelaich  ön  do  30 
Römänchaib  7  Siluia  ainm  a  mäthar.    Mad  Iar  n-arsataib  na 
nGaeideal  immorro,  is  do  clannaib  Dedaig  mic  Sin  dö,  acht  is 
a  Röim  chena  do  gnäthaiged  7  ruc  a  feidm  n-eclastacda  7  ro- 
foirbthig  a  bethaig.    Rothimna  didm  do  r6r  in  ceneöil  sin 
ria  n-üair  a  escomlaite  a  chorp  do  chor  i  llestur  ndlüta  for  35 
sruth  Tihir  isin  Röim   cip   ead   conair  nofuided  Dia  he,  co 


')  =  ar  fuine? 
«)  S.  Hut.  Eccl.  HL 
Zeitschrift  £.  celt.  Philologrie  XII,  3.  25 


374  KÜNO  MEYER, 

toracht  larum  he  co  Tracht  nGrigair  i  nÄraind  amaZ  adfiadad 
senchasa  7  senscribinda  na  [nJGseideal  1)  co  rab  fir  sin. 

Ba  mör  tra  ssethar  äine  7  ernai[g]thi  ind  (f)ir  sea.  Ba 
fear  län  he  do  deirc  7  do  throcairi.  Fer  larum  he  co  nglaine 
5  cridi,  CO  n-edbartaib  toltanocha  don  Choimdid  na  ndüla  amal 
Aibel  mac  nÄdaim.  Fer  fortamail  co  ndipricöidib  dichraib 
do  Dia  amaZ  Enöc  mac  Tareth,  lüamairi  länfortamail  7  län- 
folartnaigtheach  donn  äirc  na  hegailsi  iter  thondaib  int  (s)8egail 
amaZ  Nae  mac  Laimiach,   fir   ailithreach   Tar  ndüthracht  co 

10  sonairti  hirse  7  chretme  anaal  Apräm  n-ard  n-iriseach  mac  Tharra. 

Fer  bäid  bläith  imon  eclais  amaZ  Maysi  [mac  Amrai]  mic 

Caith  mic  Lebi.2)    Fer  fois  feidil  oc  fulang  treblaidi  7  fochaidi 

amaZ  loib  fochaideach.    Primforcetlöir  eoitchend  7  lestur  toga 

amaZ  Pol  n-apstal.    Eochair  erslaicthi  in  flatha  nemda  amaZ 

15  Pedur  n-apstal.  Conad  ar  na  maithib  sen  larum  7  ar  maithib 
ilib  atät  a  reilgi  7  a  thaisi  i  fus  co  nhonöir,  co  n-oii"mirin, 
CO  fertaib,  co  mirbailib  cachlaith[id]ib.  Ocus  cid  mör  a  onöir 
coUeic,  bid  mö  a  onöir  i  mmördäil  brätha,  in  tan  bas  brethim 
for  torad  a  praiceapta  immale  ri  hissu  CrTst  dia  rofogain. 

20  Blaid  Tar  sin  isin  mörmaith  sin  i  n-öentaig  üasalathrach 
7  fätha,  a  n-öentaid  apstal  7  descibal  Isu,  a  n-öentaig  deachta 
7  dsendachta  mic  De  is  a  n-öentaid  as  üaisli  cach  n-öentaig, 
i  n-öentaig  na  nsemtrindöidi  .i.  athair  7  mac  7  sbirad  nsem. 
Äilim   tröcaire   iiDe   conorbera   uili   in  lln  atäm  sunna  isin 

25  flaith  nemda  cen  crich,  cen  foirceand  tria  bithu  na  bethad. 
Finit.3) 

Ailelb  und  Glangressach. 

Aus  YBL,  S.  330  a  31. 

Äille  döenib  delb  Godha,  ben  Dubäin  meic  Duib-nona,*) 
coe  ..  ib^)  döenib  Ailelb  Rüad      dia  ruc  mac  Smaile») 

dont^)  slüag.  7  rl. 


>)  S.  Fel.^  S.  96, 24  ff.  »)  Vgl.  Exod.  VI,  18. 

ä)  Dann  folgt:   Oräit  and  so  do  Gilla  laa  mac  Firbisich  do  scrib  in 
lebur  sa  in  blTadain  docbüaid  Enri  Aimreid  ö  Neill  [i,  e.  A.  D.  1392].  Finit. 
*)  Acallam  na  Sen.  Z.  150  enoähnt. 
*)  L.  cöemiu? 

•)  L.  Mug  Smaile.    Ein  Mug  Smaile  m.  Duib  Dlthre,  Acall.  Z.  1969. 
')  =  dint. 


MITTEILUNGEN    AUS   IRISCHEN   HANDSCHRIFTEN.  375 

Ar  thochmarc  Sodelbi  ingeni  Cormaic  atä  so  an  . .  as  dia 
roföi  si  re  Glaugressach  .i.  re  primollamain  mac  Miled  7  tue 
in  ingen  miscais  fair  tri  amaidecht  ingeine  Ulcfiin  .i.  Beamail, 
CO  ndechmd  Glangressach  for  comde  Find  meic  Cumaill  Luid 
Find  fecht  n-öen  hi  cerdcha  Glangressaig  7  maithe  na  fenni  5 
ina  farrud  7  Ailelb  Rüad  ar  sen  fria  haide  .i.  re  Find  isin 
cherdcha. 

Is  and  sin  büi  Mog  Smaile  mac  Smöil  hie  denum  gresa 
isin  cherdcha  7  rothocaib  a  chend  conusfaca  in  ingen  .i. 
Alelb  Rüad  7  adaig  gräd  di.  Airigis  Find  ani  sin  7  asbert  10 
Find  and  seine:  'Tucais  grad  don  ingen, ')  a  gille',  ol  S6. 
'Tucus  ...  7  dia  mberaind  hi  lloss  retha  hi  don  fein  uile,  in 
tibertha  hi  dam?'  'Doberthar',  ar  Find.  Gabais  ar  bun  riged 
in  ingen  7  rethid  7  teit  don  2)  fein  uile.  Adagar  in  ingen  dö 
lar  sin  7  beris  Find  leis  he  iar  sin,  co  mbüi  ina  grädaib  15 
7  donither  sid  eiter  Glangressach  7  Sodeilb  ingein  Chormaic 
7  bätar  for  öen  lar  sin.  7  rL 


Fen  dar  Crinach. 
Aus  YBL,  S.  330  a  63.    Vgl.  Bruiden  Da  Derga  §41. 

Bai  Isech  amra  dowo  isin  tlr  thüaid  diarua  comainra  Fen 
dar  crinach.    Is  aire  dowö  adrubrad  Fen  dar  crinach  risium 
üair  is  cuma  nochinned  dar  comland  7  nodigsed  fen  dar  crl-  20 
nach  7  rl. 

Fergus  macc  Röig. 

Aus  YBL,  S.  330  a  50. 

Büi  Fergus  macc  Röig  hi  Connachtaib  Iar  marbud  macc 
nUislend  for  a  chomairce.  Gniid-sium  sid  fri  Conchobar  Iar 
mblladain  ...  tar  ferund  7  crodh  do.  7  ni  roacht  sin  dö  in 
tan  romarb  Fergus  Troiglethan  ar  comairce  Conchobair.  In-  25 
darbad  iarum  Iar  sin  inti  Fergus  hi  Connachtaib  fri  re  se 
mhliadan.  Iar  ndlth  (?)  Chonculaind  tucad  ferund  Conculaind 
do  Fergus  7  luid  seni  hi  Connachtaib  for  celide  7  marbais 
Ailill  he  .i.  Fergus  7  rl. 

')  L.  ingin.  *)  =  din, 

25* 


•      376  KüNO  MEYER, 

Silvias,  Stammyater  der  Britten. 

Aus  YBL,  S.  330b  1.   Vgl  Todda  '  Irish  Nennius'  S.  32. 

Ainiccis  mac  Caipein  meio.  Essairg  dorinne  mac  re  Ueinir 
üawclmmachtaigh  dar  ceann  Uolcäin  .i.  goba  ifirnn.  Is  tar  ceand 
Uolcäin  in  gaband  dorighne  Mairt  mac  loif  in  ingin  Eirmiona  fria. 
Aeinias  mac  Ainiccis  dalta  Uolcäin  täinic  lar  togail  Träi 
5  CO  hEtaill  7  tucastar  Lauina  banchele  rig  Rudalda.  Rogab 
Aeinias  rlge  na  Laidianda  7  Rudulda  7  dorindead  AlbMs  leis 
.i.  cathair  Laidianda  ö  Laidin  mac  Puin. 

Deich  mbliadna  fichit  1)  dö  a  rigi  na  hEadäilli  7  adberaid 
aroile  is  tri  bl.  adbail  Aeinias.  IS  sruth  Tuisc  robäidead 
10  Aenias,  sruth  tig  a  bunad  srotha  Tibhir  i  fail  i  tic  i  sliab 
nEalpa  imach  2)  7  tar  oirthear  maga  na  Teasailli  ri  . .  is  in 
sruth  Tuisc,  is  and  robäidead  Aenias  mac  Ainiccis,  masi  a 
oigead  a  badwfZ.  Nu  comad  he  Aen  mac  Tuimn  rusmarb  a  cath 
mör  Tarna  urail  do  lunaind  ingin  tSadairnn,  do  bainde  na  tored. 
15  Et  beirid  Lauina  mac  lar  sin  iar  n-eg  Äeniasa  .i.  Silbius 
a  hainm  sidein. 

Gabaid  Ascän  annedaigh^)  Aeniasa  rlgi  na  hEadäille  fri 
re  echt  mhliadan  trichat  7  fäidid  [la]  Lauina  7  berid  mac  dö 
.i.  luiilius  a  hainm  siden  7  do  sil  Äeniasa  7  Ascäin  rogeinitur 
20  rigraid  in  seanaigh-*)  Römanaig  7  ardriga  in  domain  uile  d'furmör. 
Siluius  "mac  Ascain  tra  lar  sin  tucastair  seitig  i.  Dinws 
ingen  rTg  na  Rudalda.  Ruc  sidhein  da  mac  dö  .i.  Siluius  rIg 
Römanach  7  Britus  miscneach. 

Marb  tra  a  mathair  dia  breith  7  romarb  a  athair  dont 
25  saigid  neime  robai  'na  laim  ag  saigdeöracht,  dia  räinic  int 
saigead  üad  a  toll  arach  in  rIg,  co  rusmarb.  Co  rusindarb[ad] 
Siluius  a  hEadaill  tar  muir  for  indsib  Mara  Toirrian  7  indar- 
baidh  Greigi  asna  hindsib  sin  i  cinaid  Tuirnd  meic  Duin  do 
marbad  do  Aenias.  Co  tainic  i  Francaib  Tar  tain  do  reir 
30  fäistine  na  ndrüad  7  rocumtaigead  cathair  leis  .i.  Toirinis 
7  täinic  lar  sin  a  n-inis  Breatan,  co  rogab  a  rlgi  7  co  ro- 
hainmnigead  in  inis  üad  7  coruslln  dia  cloind  7  dia  cinead 
inti,  corab  ara  sucht  itäit  do  reir  na  Römanach.  Finid  Amen. 


*)  L.  flehet.  *)  imach  imach  Ha. 

')  =  i  ndegaid.  *)  L.  seanaidh. 


MITTEILUNGEN  AUS  IRISCHEN  HANDSCHRIFTEN.  377 

Die  Nachkommen  Ailill  Ölomms.  . 

Aus  Land  610,  fol.  73b  1,    kollationiert  mit  Rawlinson  B502,  S.U7b 

und  LL  S.  145  b, 

1  Clann^)  Ailella  Öluim^)  uill      hüas  dagerbla  dechar- 

d[r]uing,3) 

ba  he  a  Hin  co  nglörmud  [gel]*),      da  nonbur  7  öenfer. 

2  Secht  maicc  Sadba  ^)  slointer  ß)  lat      co  ngleic  glanda  7) 

gelcharatjS)   5 
dindgile  druing  dedlad  graig^)     ingine  Cuinn  chetchathaig. 

3  A  n-anmanny  cen  bertbrön^i)  mborb      Didell,!^)  Mercön 

is  Macc")  Corp, 
Eogan  rotriall  togall  1*)  tlacht,      Clan,  Conall  Cass  is^^) 

Chormac.  10 

4  A  dö  da  coic  larumi*)  and,      fo  foit'^)  M  fianmodi^) 

femann,!») 
CO  ngnäthbreathaibh  7  gail      ö  mäithrechaib  ecsamlaib. 

5  Huillenn,  hErnntZ^o)  athgnath^i)  oll,      Tigernach,  Math- 

rach,  Meroll,22)  15 
macc  Malleön,  ba  tolcda  a  thli,      Corba^a)  7  Crochaini. 

6  Cethri  Echdaig,24)  aidbli  ag,      fri  srethblaid  7  sograd, 
hüas  C[h]liu25)  co  tadgbrig^ß)  a  treb,      ba  fiu  ardrig 

cach  öenfer. 

7  Eochaig  feig,  amra  a  gn6,27)    Eochaid  adma^s)  Oraine,29)  20 
Eochaid  Bai,  bladach  roba,3o)     Eochaid  togachai)  Töebfota. 

8  Dibdaige  in  dann, 3^)  aichre  alt,    acht  Eogan,  Clan  is 

Corinac,33) 
nirb  fann  fri  glanell[a]  gluind")      a  c[h]lann  Ailella 
Äuluini.35)  Cland.  25 


*)  clanna  LL  *)  uluim  LL  »)  dechardruing  R  decardruing  LL 
*)  glan  no  gel  R  gel  LL  *)  saidbl  R  «)  slointi  R  sluinte  LL  ')  glanbda  R 
*)  galecrat  LL  ^)  dedlaid  graig  R  dingI6druing  detlad  gail  LL  i«»)  An- 
mand  LL  ")  mertbron  R  ")  tidell  R  LL  (sie  leg.)  ")  mercon  mog  LL 
•*)  togail  LL  ")  conalb  is  chass  LL  1«)  iarom  R  ")  fosit  R  ")  fiad- 
mod  LL  '»)  fremann  R  fedmand  LL  {sie  leg.)  ")  her  —  L  errind  LL 
'«)  athgniad  R  22  mac  coli  R  LL  {sie  leg.)  »s)  corbba  R  ")  echdaich  R 
")  OS  chliu  R  M)  tadbrig  LL  ")  Eochu  froech  {sie  leg.)  ba  cadla  gne  R 
Eochoid  fer  eich  amra  a  gn6  LL  **)  echu  amra  R  ")  orene  LL 

•  ürainech  R  147  b  41  ")  eochu  bai  bladacÄ  ba  ba  R  eochtt  ba  bladach 

robba  LL        »»)  tagach  R        <>')  Dibdaidi  a  dann  R   Dibaide  ind  fian  LL 
»»)  chormoc  LL        »*)  uill  R       »»)  auluimb  R 


378  KUNO   MEYER, 

Senchän  Torpeist  cecinit  so  sTs. 

Atis  Laud  610,  fol.  73h 2,  kollationiert  mit  LL  146a. 

1  Abbair  fri^)  sil  nEögain  möir      daimet  cöir  do  longais 

luind,2) 
Macc  Con,  Eögan,  adbul  gairm,      da  macc  do  Saidb  ingin 

Chuind.3) 
5    2  Ailill  Ölom,  eraim  nglicc,      geguin  Eogabul  tri  hairc,*) 
olc  gnim  dogenai  dia"^)  rind,      ba  hind«)  docersat  a  maicc. 
3  Macc  Hü  7)  macc  Eogabail  äin      nl  cöir  rosephaind»)  in 

ceöl, 
in  gübreth  rofuc  in  ri,      docer  indi  ni  fo  deöid. 
10    4  Rucad  gübreth  for  Macc  Con,      ba  col  do  Ailill  a  brath, 
ni  rorlaglad  acht  tria  nert,      nimbäi  cöir  na  cert^)  acht 
,  cath. 

5  Cath  Cinnio)  Abrät  romebaid      for  Macc  Con  llnaib  a 

ngang,ii) 
15        ciun[n]i2)  secht  mblladna,  ba  hopond,      do  fleh  Mucrama 

ma  tann.") 

6  Cath  Cinn  i«)  Abrät,  hüathmar  ord,      röinis  for  Macc  Con, 

gid>*)  garg, 
doroiffnetaris)  maicc  ind  rlg     co  tarlaic  tir  nGöedel  ngarg. 
20    7  Cechaing  i  nAlbain  co  feirg      malle  is  CathmaU«)  macc 

Cirp, 
^   mebdatar  secht  catha  rlam,      is  clan  öbtar  Isechdai  a^^) 

bidg. 

8  Anais  secht  mhlladna  fo  greis  «^)      i  tIr  Alban  almaib  ses,»») 
25       cTarbo  mall  doUuid  anall,      nirbo  fann^^)  do  digail  gres.'i) 

9  Ellach  [a]22)  cath  ar  a  chind      im  Mucruma  mördais^s) 

gluind, 
secht  maicc  a  mathar  rosort,      docersat  im  Art  macc  Cuinn. 
10  Anais  hi  Temraig  lar  sin      tricha[i]t  rabliadna,  commus 
30  ngair,24) 


»)  Apair  ri  LL  *)  din  longais  nduind  LL  ^)  cuind  L  *)  tria  airc  LL 
*)  do  LL  *)  hinn  L  '')  Fer  fi  LL  *)  rosepaind  L  rosephaind  LL 
»)  nibai  cert  na  coir  LL  ")  chind  LL  ")  *  gang  LL  ")  cind  LL 
")  matand  LL  '■•)  cid  LL  ")  dosroiffnetar  LL  i«)  chathmal  LL 
")  Isechda  L  '«)  greiss  LL  '»)  sess  LL  »«)  fand  LL  ")  gresa  LL 
*«)  sie  LL        "-*)  i  muccrama  mörtais  LL        -'*)  conirgair  LL 


MITTEILUNGEN  AUS   IRISCHEN  HANDSCHRIFTEN.  379 

reraig  Erinn,  erim  i)  nglain,      rodasgab  5  muir  co  muir. 

11  Facba[i]s2)  Temraig,  erim  n-oU,      Macc  Con  Lugaid  erc- 

tais  gluinn, 
lasin  n-öcrig  n-allmar  n-aitt,      la  Cormac  macc  Airt 

maicc  Cuind.   5 

12  (fol.  75  al)  Celebrais  do  Ailill  iar  crädh^)      Macc  Con 

comarlid  na  slüagli, 
iss  ed  dofuc  nacherit,*)      banna  do  relic^)  assa  grüad. 

13  Erchur  fer  cirt«)  ferais  fair      cotob  Macc  Con^)  Iar  cach 

gair,8)  10 
gaba[i]s  Maccnia  macc  tar  Con  9)      a  hört  flio)  Bannai 

CO  mmuir. 

14  Anais  longfos^^)  ina  tir^^)^   ar  brig,  ar  borrfud,  ar  baig, 
sech  ni  bla  nl  raibi  riam'^)      acht  a  nglall  fri  Caissili*) 

cöir.  15 

15  Ba  leu^s)  rige  Caisil  c[h]öir,i«)     fonensaitis  i'')  giallu  caich, 
a  n-ed  ^^)  batar  ina  tir  i'^)      ni  rocrechsat '»)  brlg  nä  bäig. 

16  Batir  da  bräthir  co  mbüaid      ina  tlr^o)  fri  gnathbail  aid 

ngnäth,2i) 
Lugaid  Loigde22)  lentais  slüaig      7  in  Lugaid  crüaid^s)  Cäl.  20 

17  Lugaid  macc  Itha  cen  ec,     macc  Bregoind  rocrlch  a  cacht, 
fo  gne  glaine  cen  loi  locht-*)      is  e  ba  haire,  ba  habb. 

Abair. 

Marienlied. 

Am  23.  N.  27,  fol.  23  b. 

1  Gabh  ar  h'ionchaibh  me,  a  Mhuire,      dom  choimhed  a 

ccomhnuidhe,  25 
b^ir  sinn  ö'r  mbiodhbhuidh  bunaidhj^s)      ionghair  inn  go 

hiomchubhaidh! 

2  A  mhathair  meic  an  Dnilimh,    bi  ar  mo  scäth  ad  sgiath- 

lüirigh! 


')  eraim  LL  -)  sie  LL  ')  Celebraid  dailill  iarnachrad  LL  iarn- 
cÄradA  L  *)  isscd  dosfuc  nacheirt  LL  *)  doreilg  LL  •)  fercheis  LL 
')  otn.  LL  «)  cech  ngair  LL  »)  darcon  LL  »")  ort  0  LL  ")  loügaia 
no  longport  LL  ")  thir  LL  »')  sech  ni  bäi  mna  herend  LL  '*)  ca- 
ssel  LL  ")  leo  LL  ")  cassil  choir  LL  ")  ronasctis  LL  '*)  in  fed  LL 
")  rorecsat  LL  »«)  anatAri  LL  -')  gnathblaid  ügäid  LL  22)  laigde  LL 
")  in  cruaid  lugaid  LL       "*)  ceola[]ocht  LL       -')  bonaidh 


380  KÜNO   MEYER, 


tü  an  cheidbhen  rer  cosnadh  sinn,      a  dh^idgeal  bhosglan 

bharrslim! 

3  Cabharthach  chloinne  hÄdhaimh    cwirtidh  liom  la  an 

mhörghäbaidh, 
5       banaltra  De  tar  dlighedh,      m'anfalta  le  leiccfidher. 

4  Red  mhathair-si,  a  mheic  Muire,     is  cubhaidh  ar  ccaomh- 

nai-ne, 
gecc  aobhdha  döitgheal  dathghlan.      öigbhen  mhaordha 

mal[achghlan]. 
10    5  Ee  buirae  an  Düilimli  dleghar      m'anacal  ar  aimsiughadh, 
sdüaighi)  finnchlechtach,  ghradhach,  ghlan,      närach, 

inntlechtach,  umhal. 

6  Dom  chumhdach  ar  an  ccoröin      toghaim  rToghain  ro- 

chonaigh, 
15       ar  snUadh  gealthuraidh  greine,      sdüagh^)  tseabhchumhail 

saoireine. 

7  Ar  beraibh  na  mbos  ccorcra      mäthair  mheic  na  humh- 

lachta, 
ceidlennan  cäich  dorn  chabhair,      geigbheangan  bläidh 
20  büantaruidh. 

8  Dom  diden  ar  bhior  na  mbonn      atä  anacal  orum, 
ben  deighriaghla  fTal  fertach,      grlan  gheilnlamhdha 

ghormdhercach. 

9  S&ortaidh  me  ar  chn^ldh  na  cighe      a  n-aimsir  na  hain- 
25  ^  mhlne 

an  gheigben  tsengmhalla  tsaor      neamhdhäna  dheidghel 

dhreachnaomh. 

10  Ni  beg  liom  la  na  dedhla^)      banaltra  tri  ttighema, 
acht  gidh  mör  ionghaire  m'olc,      fionnMhuire  ögh  dom 

30  furtacht. 

11  Sgel  do  chüala  me  ar  Mhuire      's  ar  nech  do  bhi  a 

mbochtaine, 
crädh  ö  dhai[dh]bhrios  füair  an  fer,      gur  smüain  ainbhfes 

'na  aignedh. 
35  12  La  ^igin  da  eirigh  sin      tarla  don  duine  dhai[dh]bhir 
(nlr  mhaith  an  döigh  e  don  fior)      ante  da  nar  cöir 
creidiomhi 

»)  sdüaidh  *)  sduadh 

')  deghla 


MITTEILUNGEN   AUS   IRISCHEN   HANDSCHRIFTEN.  381 

13  'Diült  d'Iosa  7  adhair  dhara!      Dobher  dhuit-si'  ar  an 

diabhal, 
'tearc  tiomna  is  daoire  dhuit,      maoine  iomdha  'na  eiruic' 

14  Druim  re  hiosa  is  re  ainglibh      tucc  ant  öglaoch  iom- 

dhai[dh]bir,   5 
ruccadh  büaidh  re  hainbhfes  air,      büain  fa  thsai[dh]bhres 

ant  saoghail. 

15  Do  dalladli  an  duine  bocht,      dar  leis  nach  bfuighedh 

furtacht, 
tAT  toll  De  muna  dechadh,      do  b[ud]  gar  6  d'inneachadh.  10 

16  Do  bhl  ben  chräibthech  chonnla      agan  öccläch  lobhalta, 
do  thuicc  sT  saidhbhres  d'fagäil.     isi  ar  ainbfes  d'ion- 

gabhäil. 

17  Med  na  hinmhe  faair  an  fer      do  \meg\aigh  an  inghen, 

a  bhanchara  gur  ghabh  gi'äin      le  fer  carthana  an  cho-    15 

näigli. 

18  A]nait  coinne  a  ccionn  blladhna      gusan  demhan  duibh- 

niamhdha, 
ceim  'na  cheann,  ceadli  när  dhana,      do  gheall  fer  na 

formala.  20 

19  In  ben  dhladha  adubhairt  ris:      'Ar  ghradh  bhur  n-inigh, 

innis, 
scela  ar  do  cheile  na  ceil,      fech  ca  teighe^)  don  toisc- 

si[n].' 

20  *Lä  coinne  do  chengail  riom      an  tigherna  ata  ar  ifrionn.'^)  25 
*Mäs  flor,  nirb  iondolta  aun,      diommolta  an  gniomh  1er 

ghabh-sam. 

21  Maircc  tucc'  ar  an  ingen,  'aaibh      t'anam  ar  inmhe 

diombüain, 
tiomna  nar  dhual  do  dhemhan      do  thnar  diomdha  an       30 

Düileamhan.' 

22  'A  bhen  chroidhechair  chrabhuidh,'      ar  sgäth  an  fir 

amhnaraigh, 
'tucc  fein  fa  dhaoirmhein  demhaiu      saobhleim  fa  ceim 

cairdemail.'  35 

23  'Tiodhlaicim  duit,  a  dhemhain,'      ar  an  bhen  süairc 

soinemhail, 

0  deighe  »)  if renn 


382  KÜNO   MEYER, 

'mäs  toil  le  [mac]  Muire,  me      ar  son  choire  mo  cheile.' 
24  Glüaisis  an  inghen  ann  sin      re  hesccara  De  düiligh,i) 
nir  taircc  re  dail  hudh  decra,      maircc  do  chaidh  'sa 

chuidechta! 

5  25  GJuidhis  an  inghen  iodhan      mäthair  meic  an  Düileamhan, 

da  coimhed  ar  doirr  ndiabhail,      fogheg  när  thuill  troira- 

liamhain.2) 

26  Do  conncadar  'sa  conair      inilt^)  ar  a  n-urchomhair, 
bas  mherchaoin  chüana  chorcra,      enchaor  bhüadha  an 

10  bhanntrachta. 

27  'Sesaimh,  a  öglaoich,  an  riom',      do  räidh  an  inghen 

foiltfionn, 
'alacobharr  när  eimhidh  fer      r^idhidh  etrom  is  m'fe- 

chemh.  *) 
15  28  Do  bhr  ar  rloghän  na  roscc  ccorr,      'molt  ag  nech  d'fia- 

chaibh  orum, 
rucc  üaim'  ar  an  faoilidh  alt,      'a  eaoirigh*)  üain  'na 

eraic' 

29  'Do  chaora  dhuit',  ar«)  demhan,      'do[g]nTm  do  bhreith 
20  breitheman, 

a  ghnüis  iodhan,^)  nach  olc  sdair,      's  gan  molt  'na  hion- 

adh  d'iarraidh.' 

30  'An  bhen  torrach-sa  atä  libh      do  thsaor  tu,  a  dhemhain 

dhüaibhsigh, 
25       sin  let  ceile  na  mnä  an  molt,      ge  atä  fein  ar  na  furtacht.' 

31  Breith  an  ansbioraid  air  fein     taidhlis^)  Muire  ögh  ainn- 

sein, 
go  ttarla  an  ben  saor  mur  soin      mar  aon  's  a  fer  'na 

fochair. 
30  32  Do  tsaor  miorbhuile  Muire      an  fer  när  thuill  tröcuire, 
tresan  mnaoi  da  ttarla  toil      fa  damhna  gnaoi  da  gräsaibh. 

33  Mur  rucc  tu  an  inghen  iodhan    's  ant  öccläch  ö  aim- 

siughadh, 
saor,  a  Mhuire,  amlaidh  inn      as  m'  f&ghlaigh  oile  ar  m' 
35  uillinn. 

34  Cenglaim  cumann  red  ceibh  ttais,      a  bhanimpir  phuirt 
pardhais, ») 

0  düilidh       *)  troimliamhna       *)  innilt       *)  fethemh       *)  caoiridh 
•)  ar  an        ">)  iodhain       *)  taighlis       *)  parrais 


MITTEILUNGEN   AUS   IRFSCHEN    HANDSCHRIFTEN.  383 

iomdha  mur  sin  cas  um  chionn,      a  gras  ar  nach  bfuil 

foirchionn! 

35  Lucht  do  ghuidlie  ;ir  tir  nö  ar  tuinn      nir  leicc  tu  inghen 

lathuim, 
da  chumhga  cäs  gan  chabhair      gras  ar  t'umla  füarabhair.   5 

36  Riom  na  ttesmolta  do  thuill      ughdaii-  talmhan  nl  tüaluing, 
gidh  mör  ceim  mholtar  Muire      a  [  ]  glan  reidh  rioccnaidhe. 

37  Inte  do  bhl  ar  na  beruibh      Muire  ögh  dhä  oilemhuin, 
do  chenglama[i]r  sith  mur  so      biodh  'sna  dernannuibh 

derccä.    Gabh  ar. 

Philip  Bocht  cecinit. 

Aus  23.  N.  27,  fol  25  a  und  YBL,  S.  372  b. 

1  Becc  när  dhermadas^)  mo  dhüthaigh,      dith  oileamhna,      lo 
trüagli  mur  tarla!^)      monüar!  is  damhna  doimhenma. 

2  Atü  i  ngüasacht,      doghabus,  is  gar  d'ionnarbadh, 

treisi  a  ttalmhuin.      meisi  is  amhlaidh  do  hionnarbadh.') 

3  Sealbh  aindiles      rem  föd  ndüthaigh  dorn*)  dhealughadh, 
dlathaigh,  a  Dhe!      rem  dhüthaigh  me  ön  merughadh.       15 

4  Cuirem  ar  siol,      sTnem  crannghal  ad  chomhar-sa, 
treabam  ar  ttür.      nl  ferann  dünn^)  in  domhan-sa. 

5  Tolcha  in  chruinne,      ge  carthar  iad,  ni  hinnilli, 

go  ttreabhar  thall,      treabhadh  is  ann  budh«)  innilli. 

6  Amhlaidh  chreidim      muna  ccoisce  ar  ccorp  falsai-ne,         20 
inmhe  is  üaisle      go  ttibhra  üaim-si  ar  amhsaine. 

7  Tabhram  fad  bhreith,      gidh  becc  6  a  n-Toc  mo  dhlomuis-se, 
a  üa  Anna,      nüa')  na  calla»)  sul  crionuis-se.») 

8  När  ghabha  tu      ge  'tam^")  ag  tüar  do  mlphairte, 

an  ri[g]thech  rum      a  mblther  sunn  go  siothailte.  25 

9  Airde  m'aignidh      ar  n-ecc  budh  adhbhar  toirlenga, 
a  legar  lem      egal  a  ccenn  na  coimhlenga. 

10  An  corp  fallsa      da  bfoghnuim,  fada  ant  ainbfios-sa, 

ni  criochnuigh  cion     nach  sgriobhthair  gom  fioraimhlios-sa. 

11  Mo  lucht  iomtha      mh'  uilc,  a  losa,  nir  failgedar,  30 
a  ttfid  thoram      nä  leig  oram  ar  airleccadh. 

»)  dermaides  Y  ^)  tharla  Y  »)  innarbad  Y  *)  gum  Y  *)  duinn  N 
«)  is  Y  0  nüadh  X  ")  colla  N  ")  Y  steUt  diese  Strophe  hinter 
die  näcitste.        ">)  atam  Y 


384  KÜNO   METER, 

12  Ö  thüs  m'  aoisi      as  e  a  mlan  milleadh  m'  anman-sa, 
go  mberer  büaidh      fa  dheiredh  ön  trüaill  thalmhan-sa. 

13  Fer  mo  mheallta,      me  na  aigirfi)  nl  hinfedhma, 

ö  niort  nämliad^)      ar  th'iocht  tänacc,  a  Thigherna! 

5  14  Ma  füarus  crodh,     a  Chriost,  ar  mo  cheird  bfathrannaigh, 

löcch  damh,  a  Dhe!      is  lögh  donte  da  ttärthamair. 

15  A  Düilemhain!    dia  do  ghüasacht  da  ngereagra, 
an  troigh  sa  taobh,      an  goin  ar  aon  ni  heneagra. 

16  Giodh  olc  tuillim,      ata  'nar  ttreabar  menmain-ne 
10       th'faghäil  as  t'feirg      a  n-onöir  deilg  na  dernainne. 

17  Cell  an  croich  ndeirg      damh  3)  d'folach  th'feirge  romhöire, 
dflin  an  taobh  toll      düinn,  a  laogh  bronn  na  banöighe! 

18  A  Ri  na  riocch,      rinn  clö  do  chor  ad  ghealbhonnaibh, 
na  hadaimh  e,      abair,  a  Dhe,  nach  dearnamair. 

15  19  Tu  do  thoirbir      a  ttig  tre  thalmhain  bfonnaoidhe, 
a  mheic  Muire,      dod  reic  cuire  na  comaoinne. 

20  Fa  comhair  ccaich      do  cumadh  let  tri  teghfdjaisi, 
re  siWedh  sa[i]l    dorinnedh  dtlin  a  ndernais-si. 

21  Daind  do  dhealbhais      dün  fionn  a  bfuil  gach  ceölfoghar,*) 
20       dob  urlamh  6      gan  congnamh  De  acht  a  dheönughadh. 

22  Fa^taobh  leice      do  luighis  lör  do  chairdighe^) 
dom^)  dhenam  dheit      th'enar,'')  a  mheic  na  Maighdine. 

23  A  üain**)  Muire,      ga^)  med  aca  do  föiri[s]-si? 

nl  reich  a  riomh      ar  an  ccreich  riocch  doröini[s]-si. 
25  24  Dochüaid  Ädamh,      a  losa,  d'eis  gach  indighthe»«) 
go  nemh  na  naomh      's  a  bhen  ar  aon  ar  imirche. 
25  Crann  ad  chlch  dheis,!')      de  do  föiredh  ar  bfini-ne, 
füair  sibh  an  slögh      le^^)  digh  d'öl  nachar^')  inibhe.i*) 

Beag. 

Ein  Reimsprnch. 

23.  N.  27,  fol.  23  a. 

Cja  ni  is  robhüaine  nä  cre?      ca  ni  is  diombüaine  nä  i? 
30       gach  ni  da  mbeantar  don  ehre      mar  caith[e]ar  is  cre  doni. 


»)  haccatd  N  *)  namhaid  N  »)  dünn  Y  *)  ceolfoghair  iV 
*)  a  chairdige  Y  «)  dam  Y  '')  at  aonar  N  «)  uan  Y  »)  ca  F 
")  indichthi  Y  ")  ndeis  Y  »)  ar  F  »»)  narbh  N  ")  Hier  fügt 
Domhnall  6  Dmnd,  der  Schreiber  von  N  hinzu:  et  go  bfaghidh  sinne  mar 
an  cc§a[dna]. 


MITTEILUNGEN   AUS   IRISCHEN    HANDSCHRIFTEN.  385 

Gelehrsamkeit  schützt  nicht  vor  der  Hölle. 

Aus  Additional  30,  512,  fol.  34b  2  und  H.  1. 11,  fol  143a. 

1  [Is]  saoth  lern  int  aos  leigind      do  dul  ind-ifern  planach, 
is  indtl  nat  leg  ecna      do  dul  hl  parrthus  ngrianach. 

2  Is  ed  is  dech  do  senöir:      erge  romoch  ön  dedöil,i) 
cetul  na  salm  dia  eräil,      [is]  eccnairc'*)  märb  do  gabäil, 

3  Erlam  grind  [is]  manach  min,      ecluiss  dalta  co  nglanbrlg,   5 
combrugaid  is  deorad  De,      üadaib  dlegar  apdaine. 

4  Fogluim  feallsamnacht[a]  is  fas,      leigend»)  Gäideilg[e] 

7  glüas, 
litirdacht  leir  ocus  rim,      is  becc  a  mbrig  istig  thüas.  As. 

Jeder  mufs  einen  Herrn  haben. 

4  t«  Additional  30,  512,  fol.  45  a  2. 

1  Tigerna  mairg  ar  nach  tren,^)      heith  'na  agaid  is  ansen,  lo 
nl  tüar  ratha  ar  talmuin  tigh,     d'anmuin  is  fatha  füaidridh. 

2  Lamhach  Logha,  einech  Finn,      rigdacht  Alaxandair  find, 
gaisced  Echtair,  glan  re  rIm,      7  mörengnum  Aichll. 

3  Saidbris  Pers,  [is]^)  cian  roclos,      7  aille  Olpeüs, 
cobsaidhecht  Absalöin  leis      7  crüas  Paraonis.  15 

4  Calmacht  me«c  Magnua,  met  ngal,      gäeis  7  ecnaidecht^) 

Solaim, 
flailhm5  Octaibin  gan  oil      7  fortamlus  Ercoil. 

5  Na  hairdena^)  sin  uile      da  mbetis  a  n-enduine, 

ni  fognann  dö  a  gnim  nä  a  gn'us      mina  tuca  tigernus.     20 

6  Inti  nach  riarfa  a  bus      a  thigerna  co  follus, 

ni  riarfa  e  inti  'gada,      Tigernus  na  tigerna.    T. 

Pseudokolumbische  Gedichte  aus  Land  615. 
Colum  ClUe  .cc. 

S.  10. 

1  A  gilla,  glac  do  leabhar,      ge  maith  egna  do  mebar, 
go  rab  lucht  calma  fad  c[h]äiw,      dena  do  t[h]arb[a],  a 

thrüagain.  25 

2  Mebruigh  *)  na  sailm  mur  thuigi     gan  dailb  is  gan  donairte, 


1)  degdoil  Add.  i  ndedoil  R    »)  eccna  Add.    ')  leigind  Add.    ♦)  drei 
»)  Oder  vielleicht  [ba]       ')  egnaigecÄi       ^)  hairgina       *)  mebnüdh 


386  KÜNO  MEYER, 

is  i  in  tarba  gan  loigi,^)      lucht  calma  ar  do  c[h]umairci. 

3  Tabair  bhoin  go  mbennaib  argait      7  go  cosaib  gloine, 
feich  na  biaidi  büaine  binne,      is  cenn  dergöir  iiirre. 

4  Gid  mör  let-do  t[h]äinti  troma      'ga  lüagh  air  gach  tulclia, 
5       nl  fuil  lüagh  2)  na  salm  sasr  sorc[h]a      acht  nem  naom 

gan  urchra. 

5  Riaruigh^)  oidi  do  mic  melluigh,      nä  bid  a  cned  fad 

bruinnib, 
tabair  leis  cüig  bä  go  mbennuib,      cennaigh  7  cuinwig. 
10    6  Na  feich  sin  aithnim  go  becht      a  Duibinnsi  gan  cläonreclit, 
biaidh  Hair  dobertÄar  fa  secht      do  e[h]enn  a  legt[h]a 

aoinfecht. 
7  Bert[h]ar  m'aghuidh-si  go  h'I      mur  foillsighes  mac  DÄ6  bi, 
biaidh  go  hidhan  am  farradh      inad  da  n-anad  'gon  Righ. 
15    8  Dena-sa  ar  mathib  red  mac      arna  forcedol  gan  locht, 
cennaidh  gan  crannacht,  gan  feill,      bennacht  do  aoidi 

leiginn. 
9  Maith  mo  bennacht  d'Fiannachta      dar  fagus  e  go  men- 

mnacli, 
20       dorinnis  rlgh  gacha  rätha      do  gilla  atha  na  Temrach. 

10  Mo  bennacht  co  mlleib  dann,      mogenair  nech  rostuillenn, 
is  fada  berus  sl  do,      da  mac,  da  üa,  da  larmö. 

11  As  ür  crann  na  bennachtan,      is  airged  a  c[h]nes, 
is  fin  Franc  a  duilleabar,      is  ör  derg  a  mes. 

25  12  Is  blathacZ  tuirc  toghuidhe,      is  crann  ara  mbl  bläth, 
bidh  sonus  is  sodhartain      ar  a  Sil  go  ti  in  bräth. 
13  R[e]ac  do  meirgi  a[r]  linn  lüaimnigh,      r[e]ac  [do]  thüaigh*) 

ar  bachaill  mbüadhuigh, 
reo  ar  egna  do  miri,      rec  do  duibe  ar  glegili.    A  gilla. 

S.36. 

30    1  Cluig  tolla,      senbachla  crina  croma, 

mar  a  ndenaid  a  ferta      fagaid  a  lepta  loma. 

2  Na  clsrigh      donl  möran  do  bregaib, 

gellaim  a  bucht  Righ  nime      nach  blaid  is  Muire  a  n-entig. 

3  Inte  millis  an  eglais,      is  do  is  egail  heith  'na  firtrü, 

35       millis  dam  7  termann      biaidh  s6  anmann  fa  mlclü.  Cluig. 


»)  «=  laici      »)  luadh     »)  riaruidh     *)  t/juait/i,  in  t/maigÄ  korrigiert. 


MITTEILUNGEN   AUS   IRISCHEN  HANDSCHRIFTEN.  387 

Au  crosradhach  Colnim  CMlle  innso. 

S.  55. 

1  Gros  Crist  tarsin  gnüis-[s]i,      cros  Crlst  tarsin  clüais-[sji, 
cros  Crlst  tarsin  süil-si,      cros  Crlst  tarsan  sröin-si. 

2  C.  C.  tarsan  mbel-sa,      c.  C.  tarsin  tengaidh, 
c.  C.  tarsin  craos-[s]a,      c,  C.  tarsin  cül-sa. 

3  C,  C.  tarsin  täeb-sa,      c.  C.  tarsan  mbroinn-si,  5 
c.  C.  tarsan  tarr-sa,      c.  C.  tarsan  druim-si, 

is  aralaid  as  coimsi. 

4  C.  C.  tar  mo  lämuib      öm  güailhö  gom  bassaib, 
c.  C.  tar  mo  lesaib,      c.  C.  tar  mo  cosuib. 

5  C.  C.  lern  tarra  agaid,i)      c.  C.  lem  im  degaid,^)  10 
c.  C.  orm  fri  gach  ndoraidh,      itir  fän  is  tulai^. 

6  C.  C.  soir  frim  enech,      c.  C.  sTar  fri  fuinedh, 

tes  tüaidli  cen  [n]ach  n-anad,      c.  C.  cen  [njach  fuirech. 

7  C.  C.  tar  mo  deda      namtair  bed  nä  beine,^) 

c.  C.  tar  mo  gaile,      c.  C.  tar  mo  chraide.  15 

8  C.  C.  süas  fri  fithnem,      c.  C.  sTs  fri  talmain, 

a  Christ,  ni  thic  olc  nä  urhaid     dom  corp  nä  dom  anmain. 

9  C.  C.  tar  mo  suidhe,      c.  C.  tar  mo  luighe,^) 
c.  C.  tar  mo  bruinne      go  ris  ro  Rl[g]  nime. 

10  C.  C.  tar  mo  muintir,      c.  C.  tar  mo  tempul,  20 
c.  C.  isin  cendtar,      c.  C.  isin  alltar. 

11  Ö  mullach  mo  baisti      go  hingin  mo  coisi, 

a  Christ,  ar  gach  ngäbud      ar  snädhadh  do  croisi. 

12  Cros  Crlst  go  laithi  mo  bEis-[s]i      ria  ndul  isin  üair-si, 

a  cein  gndis  dober-sa      cros  Crist  tar  mo  gnüis-[s]i.  25 

Gros  Grist. 

Colum  Cille  cecinit. 

S.67. 

1  Forlethan  mo  c[h]ädhus      ar  Albain  is  ar  Eirinn, 
büan  do  chäch  a  tarba      mo  labra  is  mo  leighind. 

2  Sech  gach  baili  a  ndligim      im  ainm  naoimhcAerf  cilli, 
OS  me  am  breithew  brätha      co  imle  cacha  glinne. 

3  Is  lat  cäna  glmni,      büan  do  c[h]äch  mar  lüaitAer,  30 
cädhus  gan  eitech  da  maoraibh,      gan  däine  da  tra[a]illedÄ. 


*)  aghaigh       *)  deghaigh       ')  =  bine       *)  luidhe 


388  KUNO   MKYER, 

4  Itä  sochar  ag  Senglmw      im  ainm-si  fein  Cohmi. 
tüar  ratha  7  rige      gach  nech  doni  a  comhall. 

5  Onöir  7  cädus      dligid  cliara  glmwi, 

as  m'ainm-si  go  gnsithach      Colum  cräibt[h]ech  Cilli. 
5    6  Grsibait  tecusc  üaim-si      üaisli  chinidh  Conaill, 

nä  heister  gutli  aubfainn      im  Seinglmn-sa  Cohiim. 

7  Nä  säruightÄer  Seingleww,      aitreb  na  lec  (?)  0  nime, 
misi  fen  da  rädha,      Colum  cräibthech  Cilli. 

8  (S.  68)  Nä  heisdit  na  righa      fer  ra'inait  gan  ecnach, 
10       mörtar  leö  mo  manaig      d'erred  7  d'edach. 

9  Na  heisdit  na  riga      tar  slüagw  an  domam  • 
re  heighemh  na  n-anbfann      im  Senglend  gan  cobair. 

10  Ma  möraid  mo  Seinglend      mar  dlighess  do  maithius, 
a  sena  's  a  n-öga,      seölfa^  lat  a  flaithius. 
15  11  Gach- adhbhar  righ  ruirigh      da  mbia  ar  tüatha  Conaill, 
slanfa  Colum  Cille      's  can  a  glinne  do  comall. 

12  Blaidh "  digail,  biaidh  plägha      ar  lucht  säraigh  Glinne 
a  n-Isli  'sa  n-üaisle      üaim-si  Colwm  Cille. 

13  Inmam  lem-sa  Senglend      ga  labruind  mo  leighend, 
20       mara  tigdis  am  caingin      näimh  is  aingil  Eirenn. 

14  Mo  beudacht  büan  bithbendacht      os  me  Colum  Cille, 
da  ngoihaib  's  da  nglöraib      do  lucht  mört[h]a  Glinni. 

15  Do  eist  mo  Dia  rim-sa      ag  dichar  na  [njdeman, 
mo  glör  dö  nir  fallsa,      aingeZ  derbtha  fam  chomair. 

25  16  Do  bo  bec  ar  demnaift      guth  mo  guthbinn  Glinni, 
dil  m'onöra  is  m'almsa,      fa  lör  lem-sa  a  binne. 

17  Is  mairg  ara  mbentar      mo  guth  binn  gu  glörach, 

.  is  tüar  dithi  daine      mo  naomhchloc  caom  ceölacÄ. 

18  Is  me  fein  do  bendaigh      Senglewn  na  cnoc  riabach, 
30       lem  ö  Dia  gan  dimdacÄ      a  inber  's  a  Tasgach. 

19  Fer  m'inaid  tarm  eisi,      is  6  dligess  Teilend, 
is  me  Colum  cräibthech,      dom  ärus  e  aderim. 

20  Annsa  cnoc  ös  Teilend      do  dichrus  na  demhna, 
do  bo  phinn  mo  buili      a  guidhe  De  nemhdha. 

35  21  Is  me  Colum  Cille,      mac  fial  fertach  Feidhlim, 

Seinglenw  dob  e  m'inmhuin      sech  gach  imdaid  deirid. 
22  Dochluinind  a  Seinglmw      canöin  cert  na  Römha, 

^)  Verwischt. 


MITTEILUNGEN   AUS   IRISCHEN  HANDSCHRIFTEN.  389 

do  eisdinn  a  n-6ged      gach  maidin  's  gach  nöna. 

23  A  ndernus  do  chräbadh      a  buidhe  do  Dia  nime, 
gu  fogna  dom^)  deöin-si    do  lucht  mört[h]a  Glinni. 

24  Is  me  Colum  cräibthech      füair  cädhus  ön  C[h]oimde, 
aincim  ar  pein  spiVaid      lucht  m'inait  is  m'foirme.  5 

Forlethan. 

S.103. 

1  Sechnaidh  ifei-n,  a  dhaine,      imda  a  uilc  's  a  egcäine, 
imdlia  demhan  eitech  ann,      is  cöir  freitech  re  hifern. 

2  Imdlia  peist  ingnad  adhbal      a  n-ifern  ag  slrmarbad, 
fir  is  mnä  ag  sgrechad  guil      ö  fBchad  ifirn  adhbliuil. 

3  Imda  süisdeöir  dubh  diglilach      ag  büalad  na  n-ifirnach,    lo 
lasair  ag  losgad  dar  lim,      plan  sin  da  bfuil  a  n-ifirn. 

4  Tig  cuca  diabul  gan  dath      d^  dteilgean  'sa  slTabh  sne- 

achta, 
muir  bren  a  n-adhbha  'na  diaigh,      is  mör  na  marbhtha 

iad-sein.  15 

5  Cnedacli  is  guil  is  gärtha,      orrt[h]a  berthar  tromphlagha, 
bid  gan  bhladh  dighla  oile,      clTar  cirdhubh  'ga  foroire. 

6  Meglecli  na  n-arracht  ndemhon,      rompa  hud  cöir  sigh- 

namadh, 
cmrtid  ar  mire  gach  nech      da  mbia  rissin  ag  estecht.       20 

7  Gach  fuithresgach  is  dub  dath      erges  a  logaib  lasrach 
tiagaid  do  riagad  gach  trüaigh,      mör  a  plana  's  a  an- 

mh[a]ain. 

8  Sgartar  re  cell  a  cnamha      mar  tögaibter  sgalana, 
lingtÄer  fa  lerganaibh  clTabh,      iat  ar  delgänaib  droch-      25 

phlan. 

9  Nathracha  ag  fendodh  daine      a  g[c]8emhnad  na  ndroch- 

maine 
slat  drem  ara  ndentar  sin,      lucht  nach  teit  d'aifrinn 

domhnm^f.  30 

10  Drem  is  a  tengtha  ar  lasrad      a  n-ifWnn  go  anbfossac/A, 
lucht  büaidertha  an  aifriun  sin,      gan  coigill  ag  na  dem- 

nuibh. 

11  Drem  tarnocht  gu  füacht  foiVfe  .   a  n-ifrinn  dub  gun  toirche. 


»)  don 

Zeitschrift  f.  celt.  Phüologrie  XU,  9. 


390  KÜNO   MEYER, 

nach  fagann  cairdis  acht  col      nä  mainches  soirb  da  sao- 

vadh. 
12  Iss  lad  däine  bis  mar  sin      nach  tue  do  Chrisd  derc  itir, 
7  a  beith  ar  breth  döib      's  gan  a  tabairt  dont  senöir. 
5  13  Misi  Colum  Cille  cäidh,      aderim  isim  primfäidh, 
bis  öS  cinn  ifi'inn  in  guil      ar  Chrisd  rib  gu  se[i]mh 

sechiiaiill    Sechn. 


Colum  Cille  cecinit  in  üair  tainic  Cormac  hua 
liathäin  cuige. 

S.  107.    Vgl.  Reeves'  Adamnan  S.  270. 

1  Cormac  hüa  Liathän,  li  nglan,      gerait  nime  7  talmhan, 
tainic  asa  thir  tes  te      fri  höighe,  fri  hoilithn. 

2  Da  n^gh  n-allafd,  ard  a  ndrech,      tugsat  leö  an  cleirech 
10  ,  craibhthech, 

anes  6  Lüi  lethuin  luinn      co  Crois  Corma/c  hi  Caondruim. 

3  Druim  Cain  ainm  na  tulc[h]a  ar  tüs      forstä  D«<rmhach, 

dian  imthüs, 
Dttrraach  a  ainm  anosa,      crich  Conuill  is  Fergusa. 
15    4  Träth  do  ruächt  an  fer  blaith  bind      co  Crois  Cormaic 

igcon  Chili, 
and  rob^nadh  in  clog  cain      sunn  im  cathraV^  cätamuil, 
5  Ceilebhruis  in  sai  süairc  sain      Cormac  mac  Dima  dealbh- 

ghloin, 
20       CO  tanghamar  ar  a  chend      'nar  s^nadh  craibhthech 

coimthenn. 
-6  "Mochean  duit  sunn,  suairc  do  drech,      a  Chormaic,  uair 

it  cräibthech, 
do  thuidecht  co  luäth  ale,      cian  6  do  bhüi  a  tairrngeri. 
25    7  Tairiss  sund,  uair  it  sai  slan,      a  C[h]orma/c  co  clü  comlän, 
gurab  tu  coimetaigh  coir      blas  im  cathraigh  creaduil- 

mhoir." 
8  "Cinnus  bead-sa  sund  ann  sein,      a  me/c  älaind  Feidhlimid, 
eter  tüatha  in  tuaiscirt  truim      isin  coicrich-si  Col'im?" 
30    9  "Coisc-siu  gach  midhlaech,  gach  m^r,      gach  n-oigthigern 

\ius  eigen, 
is  coiscfed-sa  an  rigraidh  reill      a  bfogus  no  a  n-edirchein. 


MITTEILUNGEN   AUS   IRISCHEN   HANDSCHRIFTEN.  391 

10  Denam  larum  ar  n-aentaigh      mar  ruscinn  Crlst  co  caoc- 

taibh, 
gaw  a  thärbhrüdh  co  bräth  mbän      dün,  a  Cormazc  [hüi 

Llathän]. 

11  (S.  108)  Naiscc  for  ordan  mo  lämha,      a  Cormaic  co  med   5 

Dgradha, 
CO  rabh  ar  n-aönta  üallach      cein  b^s  Durmach  dath- 

büadhach. 

12  Is  fuacÄ/nach  roferais  rim      manab  deöin  do  Rigli  na  rind, 
tallais  dim  mh'orduin  uile,      a  deghnaoim,  a  deghdhuine.    10 

13  Ger  robhä  frim,  a  Mhuimhnigh,      a  Chormafc  co  ceill 

cuimnigh, 
istait  coin  allta  do  chorp      isin  ecbt  gan  athc[li]oinarc." 

14  "Ciat  imdha  ägha  mo  chuirp",     ar  Cormac  cirt  Caisil  Chuirc, 
"biaidh  cell  im  gach  n-ägha  dibh,    biad  lat-sa,  a  Coluim    15 

cloithmhin." 

15  Colum:  "Is  eol  damh-sa  inni  bhias  de      dorn  thescadh, 

dorn  thimdhibhe, 
mli'ordan  lat  ordan  it  chill      cein  mharus  Eire  imrind. 

16  Cuindigh  dam-sa  cain  öt  cloind,      a  hüa  Oilella  Öluim,       20 
ar  na  tardar-sa  dighail      for  Üibh  Liathän  länbhrighaigh." 

17  Cormac:  "Kotbia  screbal  cach  caithrigh      uaim-si  is  6 

naoinnean  naithigh, 
7  each  romhaith  gach  righ      isin  echt  n-uaibhrecA  n-ainfir." 

18  "Tabhair-si  co  tard-sa  daibh,      d'üibh  Liathän  co  n-ilar     25 

ngräidh, 
ith,  blicht,  mil,  mortha  dann,      buaidh  righ  7  oigthigern. 

19  Imat  cleirech  co  crEhud      7  saoire  diä  samadh, 

büaidh  läech,  büaidh  mban  is  büaidh  bfer,      buaidh  ngor- 

mac,  büaidh  ngoringen."  30 

20  "Cia  lin  uaim-si  bias  it  cill,      a  Colum  Cille  cloithbhind?" 
"Fer  CO  leith  lögh  na  gresi,      achadh  7  airleisi.^) 

21  Occus  äine  mo  mhuilinn     üaim-si  dot  mhuinntir  mhuin[f]ind, 
leine  is  l^nd  gacha  bliadhna      do  coimet  ar  caoimriaghla. 

22  Comuidh  bidh  7  lenda      üaim  dot  muinntir,  med  ngrema,  35 
bid  dibh  gach  ochtmhadh  ter  fe[i]rt      dot  mhuinntir  caoin, 

a  Cormaic.   A. 

')  Dazu  die  Anmerkung  Colum  Cille  in  lethrann  dsighenach. 

26* 


392  KÜNO   MEYER, 

23  Gach  aen  dibh  doragha  ale      d'iiibh  Liatham  co  lanmhaisi, 
rosbia  neam  när  naoime  cuirp      üaim-si  7  üait-si,  a  Cor- 

maic.   A. 

24  Ragatsa  a  nAlbam  UoWaig  a  n-oilithri  n-imüamnaigh, 
5       is  füigfed  mo  chlog,  mo  chäin      lat-sa,  a  Cormajc  hui 

Liathäin".   C.  0. 

Colam  Cille  .cc. 

S.  118. 

1  A  Eire,  is  duit  is  doraidh      easpaig  dheiridh  1)  an  domhain, 
hü  imdha  a  coin  's  a  ngille,      ni  coimeölad  firinne. 

2  A  Eire,  is  duit  is  doraidh      easpaig  dheiridh  an  domhain, 
ni  coimeölat  riaghail  chert,     ni  dhingnaid  uile  acht  aimcert. 

10    3  A  Eire,  is  duit  usw. 

'na  ceallaib  ni  dhingnat  cöir,      blad  eisidhan  6s  altöir. 
4  A  Eire  ustv. 
beidid  aca  mnä  bläithe,      uch!  mo  phläigh  an  chom- 

chäimthe. 
15    5  A  Eire  usw. 

toigebhaidh  lad  fein  go  tend      do  chrechadh  thrögh  is 

anmiand. 

6  Na  heaspaig  sin,  trüagh  a  ndlugh,      muna  treiget  a  n- 

üabhar, 
20       beg  na  mör  dhoibh  fein  co  beacht      ni  foghain  da  tim- 

thireacht. 

7  Gach  drochri,  gach  drocheaspug      loites  cealla  7  tüatha, 
a  prisün  dorcha  hid  tinn      ar  lecaibh  Tchtair  iffrinn. 

8  Na  sagairt  ag  lot  a  ngrädh,      uch,  a  Christ,  is  trüagh  a 
25  _  ndäl, 

ar  lorg  na  n-esbag  co  feill      slatfaidit  uile  Eirinn.  A. 

S.  88. 

1  Marbh  anocht  mo  cholann-sa,      a  mic  na  sethar  saoire! 
ata  egla  oram-sa      gan  mo  legudh  gom  crTch-se. 

2  A  mic  dheidghil  dhüalgusa,      teigh2)  go  maith  mo  chosa! 
30       gidh  mör  d'eigen  füarus-[s]a,      is  mö  doghebh  b^dhesta. 

»)  dheirigh  »)  teidh 


MITTEILUNGEN   AUS   IRISCHEN   HANDSCHRIFTEN.  393 

3  Doghebh  tonna  tuilmera      dorn  chur  a  crlcha  aineöil, 
doghebh  anfadh  füarmhara,      dogeb  peisti  7  braineöin. 

4  Doghebh  cairge  crüadhgharbha      do  hrisiudh  clair  mo 

comhra, 
hid  hi  an  fairge  m'füaradhbha      nogo  ti  craidbi  in  Coim-   5 

dhedh. 

5  Is  misi  mac  Feidlimidh      mic  Ferghusa  mic  Conaill, 
budh  dimbäidh  le  GEidelaib      in  dil  bhias  ar  mo  cholaind. 

6  Misi  a  mbroid  ag  allmurcha2&      7  sTad  fein  ar  siubal, 

bidh  trüagh  lern  na  GaMmSinaigh      do  beith  tarm  eisi  am  10 

inadh. 

7  Muirfed-sa  dann  tSomairligh      eit«>  mil  7  duine, 

ö  rechaid  öm  comairle      cuirfed  a  fän  's  a  fainde. 

8  Clann  Colmäin,  dann  tSomairligh,      dann  Conaill  is  dann 

Äedha,  15 
dann  Cairbri  go  ndegarmnib,     dann  Loingsigh  a  tir  Äedha. 

9  Clann  Luighdech,  dann  Aongusa,      dann  Fergusa  ö  fuilim, 
na  danna  sin  tuirmim-se,      hid  olc  a  cumain  orainn. 

10  Misi  gedam  foidhidedi,      tiucfa  dam-sa  täem  ferge, 

galar  goirmger  goiweidech      iTonfus  go  lüath  na  reilge.      20 

11  Na  roilgi  do  thoghus-[s]a      eitir  Eirinn  is  Albain, 

hid  merge  söer  solusda      lad  ag  cungnam  lern  anmain. 

12  Eoileg  Odrain  oilithrech,      roileag  Martain  ag  Doire, 
roileg  üasal  Oireachtaigh,      innte  rob  äil  lern  loighe. 

13  Dun  Cuilleann  cöemh  comramhach,      Enach  is  Dun  da       25 

Lethglas, 
Cuillech  cornach  comholach,      Torach  tonngalach  trethglas. 

14  Doire  dosglan  duilleögach,      Cennannus,  cenn  na  doinne, 
Durmach  ordraic  fuindeögach,      Sord  7  I  Coluim  Cille. 

15  Da  ndernta  mo  comairle      a  cuiligh  clawwa  (?)  ferta,  30 
ni  beidis  a  roghalraibh      is  ni  beidis  a  terca. 

16  Me  fein  a  Cuile  gan  cair,      Comghall  a  roilig  Martain, 
Caiuneach  a  nDoire  dogres,      is  Brenaind  'sa  duibrigles. 

17  Mo  roilge,  mo  roigl6s-[s]a,      mo  dingna^ZÄa,  mo  dünadh, 

mo  samudh  gein  beö-sa      lem  ar  cumairce  an  Düilimh.       35 

18  (S.  89)  Mo  Düilemh  mo  dherbräthair     7  aonmac  mo  mathar, 
is  6  sin  mo  tsenathair      7  brathair  mo  mäthar. 

')  =  anbfann 


394  KÜNO   MEYEß, 

19  Mo  cealla,  mo  cathracha,      mo  Dhüilem  da  ndin, 
mo  bräithri,  mo  tsethracha      nä  legar  a  ndith. 

20  Mo  manaigh,  mo  maincesa      a  fogus,  a  cein 
na  gabaidh  na  baingesa,      nä  rapliad  a  pein. 

5  21  Mo  deoiraidh,  mo  dhalta^Za      go  rabad  go  büan, 
ge  donidis  faltana      nocho  lamhther  a  lüagh. 

22  Mo  chomhde,  mo  comairce      do  gach  trath  do  thrath, 
Crist  cend  gacha  comairle      go  brath  is  lar  mbrath. 

23  Mac  righ  leidmech  Lochlamni      teid  fa  cadus  laa, 
10       se  fein  cona  tsocraide      tuitfes  lium-sa  dar  Diaa. 

24  Dorat  dam  Gridhair  go  mbloid,      abaidh  Eirenn  is  Alban, 
mo  beith  üaistibh  go  terc      acht  mad  tiaisle  do  Padraic. 

25  Füarus  üadha  d'fer  m'inaidh      gan  espag  orm  am  äeghaid, 
acht  Grigair  papa  go  mhlad      ö  fuigeab  cata  in  Coim- 

15  ähedh. 

26  Gach  a  faarus-[sja  ö  Grighair      do  sgribus  dom  laimh 

liubhair, 
a  nderedh  leabar  na  cath      mun  hadh  frithir  an  taithmech. 

27  A  Bäithin  blaith  beg  go  th-,     a  coim  crabaidh  mo  craidhe, 
20       ge  do  beth  easa  a  nert  de      na  treig  ar  do  cuid  Rig  nime. 

28  Daine  beödha  bealgacha,  urmör  bar  ceall  a  nEirinn, 
tüata  trodaigh  tengtacha,      olc  in  betha  mac  leighind. 

29  Mo  dile.  mo  derbrathair,  ingaib  Hon  is  liaa, 
na  rabiad  an  dergnamaid      muinnter  älaind  laa. 

35  30  Muinter  laa,  muinter  Doire,     miiinter  rosiaa  docum  nime, 
inmain  lem  Doire  donnban      is  roileig  Odrain  mo  chraidhi. 

31  Roileg  Odräin  mirbuilf^r      arar  sgailes  üir  Römha, 
tig  Muire  fial  firbreathach      da  bendugud  gach  nöna. 

32  Gach  maidne  ar  mocheirghe      teigind  deisil  na  railge, 
30       bar  ndogra,  bar  ndrochberta      loghtar  dlb  ar  dul  innte. 

33  Inmain  Durmach  dreachnuaidhe      naignech  urnaig[th]ech 

aibind, 
sathal  sochraidh  sogradach      mur  is  mlan  le  lucht  leighind. 

34  Dithraimh  dlleas  derbdiabhail      Duibglenn  dub  dorcha 

35  diamair, 

dd  blTadain  acht  da  raithe      is  ed  bamur  gä  Taraidh. 

35  Da  espog,  da  airdegnaigh      rugus-[s]a  lem  siar, 
easpoc  Cairbri  cairdemail,      easpoc  Aoda  5nt  sllabh. 

36  (5.  90)  A  togha  's  a  maincine      bertar  üathaift  soir. 


MITTEILUNGEN   AUS  IRISCHEN  HANDSCHRIFTEN.  395 

fuicfe  dit  na  hallmmrig      Tat  fa  chosaib  con. 
:37  Mo  bochta  7  m'annraidhe,      trüagh  mar  beidid  and, 
fasp-  orra  ainfine      öm  beith-si  go  marb.    Marb. 


S.  120. 

1  Do  cluin  Isa  guth  an  c[h]luicc      in  gacb  roilic  buig  a  mbidh 
ag  sasadh  anmann  na  trüagh,      is  adhbhal  a  lüach  ön  Rlgh.   5 

2  Is  faoiltech  uile  an  slüagh  thall      re  bÄüain  comall,  fäth 

gan  gÄäoi, 
brönach  iatt  6  scur  go  prap      eitir  ier  is  mac  is  mnaoi. 

3  Teithidh  diabhal  re  guth  nglüair      go  rbhud  thüaid 

gusan  muir,  10 
ni  maoidhte  d'  anam  a  phian      guth  an  c[h]luic  gid  cTan 

ro  cluin.    D. 

s.  121. 

1  Mairg  doni  peta  da  cholainn,      beth  'gd  smeradh  olc  an 

clall, 
mairg  chaithes  cuitt  na  hanma,      gerr  a  tarbha,  fada  a     15 

plan. 

2  Cuitt  gach  enoidhche  don  cholamw      's  a[n]t  anam  do 

beth  gan  cuitt, 
da  rabh  an  colainn  go  caithmech,      bid  aithrech  'sin 

laithe  an  luig.  20 

3  Ant^)  edach  do  beth  fan  colamn      's  a[n]t  anam  do  beth 

go  füar, 
maith  dlghöltar  ant  andlocht,      bethar  taoblom  tarrnocht 

trüagh. 

4  Ataat  da  2)  thech  ma  com  raghain,      teach  a  n-iseal,  tech  25 

a  n-aird, 
tech  as  nach  bfüair  duine  a  cabazV,      a  breith  do  ra- 
ghain is  mairg. 

5  [Is]  tech  iffeirn  an  tech  iseal,      teach  Righ  nime  an 

teach  ard,3)  30 
•     corab  m'  anam  arna  snaidhe      a  toigh  Righ  nime  gan 

mairg.    M. 

*)  xioohl  anszulataen.        «)  do  da  Es.        ')  wohl  zu  lesen  teach  ETgh 
nime  an  teach  a  n-aird. 


396  KÜNO   MEYER, 

Coluim  Cille  .cc.  ista  carmina  inferiora. 

S.  129. 

1  Cüghaire  dochüalamar  la  csei  Leitrech  Branghaili, 
mac  De  cona  nüallamar      do  chüalamor  traghaire. 

2  Traghaire  docüalomur,  docüalamur  tragaire, 
mac  Ds  cona  nüallamur      docüalomur  damhghaire. 

5    3  Damhghaire  docüalamur,      damh  Dhroma  mhic  nÜghaine, 
mac  De  cona  nüallamur      go  gcüalomur  cügaire.   Cügairi. 

Coluim  Cidli  dochan  na  tri  raind  si  ac  closs  na  cüach. 

7  e  ac  denamh  a  träth  a  nDaire  Bhranghaili  ar  bord  Dür- 

mhaighe   7    do   fac  facbhala   ac  gach  duini  noghebhadh  ac 

10  cloistecht  na   cüach  gacha  blladhna,   comadh   coimghe  1)   ön 

chinn  bliadna  go  cheli.^) 

Eachtra  Bidire  na  leomhan  snnn. 

Aus  H.  2.  6.    S.  Abbotts  Katalog,  S.  318. 

Ridire  rathmhar  roconäigh  foisdionach  fiorghlicc  feidhm- 
läidir  rioga  rosgleathan  cäomhälain[n]  rogabh  flaithios,  forba 
agus  ferainn  isin  bhFraing  feacht  n-aill,  dar  bho  comainim 

15  Don  Cläro,  agus  ba  mor  agus  ba  maith  clü,  alla  agus  oir- 
dhearcas  an  ridire  thoirbheartaigh  mhorghrädhaigh  sin.  Agus 
a  ttüs  a  flaithis  agus  a  aoise  do  tuismeadh  mac  miadhach 
mörälainn  do,  agus  niorbh  dilne  äon  don  Ädhamhchloinn  inä 
e.     Agus   iar  mbreith  da  chäomhna  agus  da  oileamain  dia 

20  oideaghaibh  agus  dia  aithreachaibh  gur  säruigh  ocht  mbliadhna 
deg  dhä  aois,  is  amhlaidh  a  tärla  dho  .i.  a  bheith  'na  öin- 
mhid  agus  'na  amadän,  ionnus  nach  aithnighedh  an  dubh  tar 
an  mbän  nö  an  bau  tar  an  dubh,  agus  fos  nach  aithnigedh 
anti  ina  mbiodh  do  ghnäth  'na  chuallacht  seach  anti  nach 

25  bhfaca  roimhe  riamh,  ionnus  gur  tuirsighedh  aithre  agus  oidigh 
agus  foghloma  dhä  leasughadh  agus  dhä  siormhünadh  fon 
seoladh  sin,  gur  cinneadh  caingean  agus  comhairle  leö  cr6d 
fa  hindeanta  dhoibh  um  dhäla  an  mhic  bhaoith  oinbhidigh 
sin;  döigh  dhamh  bä  machtna  möradhbhal  leis  an  ridire  a 


*)  coimdhi  Hs.  •)  Rier  nennt  sich  der  Schreiber:  Miai  Eoghan 

Carrach  5  SlagaiZ  doscrlbh. 


MITTEILUNGEN   AUS    IRISCHEN   HANDSCHRIFTEN.  397 

aonmliac  fein  agus  gan  do  chloinn  no  do  chaoimhiarghradhaibh 
aige  no  fos  deanadh  no  cosamhlacht  air  a  bheith  aige,  acht 
e  ina  äonar,  agus  e  a  bheith  ina  adhbhar  fanöide,  sgige  agus 
cleasachta  ina  fiadhnuisi  fon  samhla  sin  ag  gach  aon  seach- 
neöin  na  criche  go  coitchionn.  Acht  atd  ni  cheana  ar  mbeith 
don  ridire  cona  chairdib  ag  siubhail  le  taobh  na  mara  agus 
na  häihhese  a  ccomhfogus  da  chüirt  agus  da  dheadhbhaile 
fein  ag  coimhairliughadh  um  an  adhbar  sin  usw. 


Die  Gräber  der  Apostel. 

Au»  Land  610,  fol.  38  a. 

Is  d'forgell  in  scäilti  so  na  n-apstal  do  chan  int  eölach 
na  raind  so  sis.  10 

1  Reilgi  muintiri  mefc  De,      nochan  egöir  a  n-aithne, 
bid  tosach  deg[g]resa  dam      reclesa  na  ligapstal. 

2  Eöinbaisti^rofidir  Dia      isin  c[h]athraig  Sabastia, 
reilgi  Pöil  7  Pedair      atäid  i  Eöim  rigegair. 

3  Relig  Andrias  frlth  i  bus      i  nAcaia  i  Partirus,  15 
da  lacöp  is  Madian  menn      ataid  i  niarusalem. 

4  A  nEfis  a  nAsia  Big      ata  Eöin  roglan  roglicc, 

i  Liconia  [i]  nArroenia  öig      relig  primda  Parrtholöin. 

5  Pilip,  ba  cara  do  Dia,      i  nEoraip  in  Frigia, 

cathair  atai)  Thomas  tair      Endia  isna  Sairgentaib.  20 

6  I  nArmenia  i  nAmön  dam      ata  Matha  mörapstal, 
loighi  Simöin  sund  co  se      Erentum  a  tir  Parte, 

7  Eeilgi  Lticais,  locc  do  Dia,      Bothia  Mesopotamia, 
Mairc,  is  i  a  chathair  co  cert,      Alaxandair  i  nEgept.^) 

8  Dochüadur  martra  uili      acht  Eöin  ar  a  inmaine,  25 
is  alaind  a  ndath  ar  nim,      ata  rath  ar  a  reilgib.    Reilge. 


•)  =  itä        *)  egpit  Es. 

Berlin-Wilmersdorf.  Küno  Meyer. 


zu  IRISCHEN  TEXTEN. 


I.   Athirne  Ton  seiner  Ungastliclikeit  geheilt. 

Die  Anekdote  über  den  Dichter  Athirne,  die  LL  117  a — b 
steht,  findet  sich  auch  in  Harl.  5280,  fol.  77  (alt  66),  v.  Da 
diese  Handschrift  —  abgesehen  von  ihrer  bekannten  schrullen- 
haften Orthographie!)  —  einige  bessere  oder  abweichende 
Lesarten  enthält,  sei  sie  hier  gedruckt.  Von  LL  (mit  L 
bezeichnet)  gebe  ich  nur  die  wichtigeren  Varianten. 


Aithirni  AlgessacÄ  mac  Ferchertni  is  e  is  dibiqu^)  ro'uui 
i  nEri.  Di'caidh  co  Midir  Uri  Ijeth  coro'troisci  foa?r'),  con' 
diuc*)  corru  niuid^)  uath  ior  i  tegh  .i.  ar  dibe  7  ar  doceld, 
arna'taidli^)  nech')  d  feruiuh  Brenn  i  teg  sm/w  di  aighidicÄ^. 8) 
jNa'triar^)  na'tair'  al  a  zetzorvA^)  ,Airc  as'  al  a  set^^r. 
,Seuc  teg  seuc  teg'  ol  in  ires  corr.  Gegh")  ier  di  feraiuh 
ErewM  ad'qdh, '2)  ni'geued/i  iri  conl-^'^)  en  la  sin.**)  NocJia.' 
doich^s)  he  saidh  riem  ar  belamA  doini.'^) 

Luit  sunt  di^')  7  mucc  urgonta»*»)  les  et  paitt  medliSi 
hisin  cailHdA^ä)  con'essath  hi  saith  oenur.20)  Ra'ccrtai- 
chestar  ara  uhelaiwÄ  in  rnuic^^    C'ön-aqu  an  ter  qgie.    ,Di' 


»)  Bemerkenswert  ist  die  Abkürzung  l-a(n)  für  nocha(n).  ')  doich- 
lechu  L  ')  c.  f.  om.  L  *)  co  •  tue  L  *)  corra  diultada  7  doichle  L 
•)  -taidled  L  '')  fer  L  *)  do  aigidecht  no  foigde  L  «)  Na-tair  L 
")  ar  in  chetchorr  L  ")  Ca  L  ")  ata-ciched  L,  l  ata -cid  '»)  fria 
chomlund  L  **)  allaa  sin  L  ")  Nochodoid  L  •")  bale  in'facced 
duine  L  ^'')  da  L  '*)  urgnaide  L  '*)  h.  c.  gm.  L  **)  a  oinur  L 
"*)  7  in  paitt  meda  add.  L 


zu  IRISCHEN  TEXTEN.  399 

gentae  h  oenur'  ol  .ui.  lie  tadhuld  na  muiq  uadh.  ,Qa  h  ainm 
si?'  ol  Athirni.  ,Nochsin  airdeVc  on'  al  .ui.  ,.i.  Sethor  Etlior 
Othor  Seli  Deli  Drend  Geirci  Mec  Geircii)  Gerr'^)  Ger  Dir 
Dir,  issedh  in  sin  3)  mo  ainm  si  uili'3)  ol  se.  Ni'tanic  in 
muic,  ar  for^emid  sium  ind  seir  do  cuibdigadh  forsin  ainm.''). 
Doicc  CMmad  o  dia  tista  do  hreth  na  muici.  Ar  nirbo  hanfeli 
indas  gach  duine^)  oan  uair  sin.^) 


Athirne  Ailgessach,  der  Sohn  Ferchertnes,  der  war  der 
Abweisendste  (Ungastlicliste),  der  in  Irland  lebte.  Er  ging 
zu  Midir  von  BrI  Leith  und  fastete  gegen  ihn  und  erhielt 
von  ihm  die  Kraniche  der  Knauserigkeit  auf  sein  Haus, 
nämlich  aus  Ungastlichkeit  und  Geiz,  damit  keiner  der  Irländer 
sein  Haus  als  Gast  aufsuche.  ,Komm  nicht!  Komm  nicht!' 
sagte  der  erste  Kranich.  ,Geh  weg!'  sagte  der  andere.  ,Vor- 
'bei  am  Haus!  Vorbei  am  Haus!'  sagte  der  dritte  Kranich. 
Jeder  Irländer,  der  sie  sah,  konnte  an  diesem  Tag  keinen 
gleichen  Kampf  bestehen.  Nie  als  er  sich  vor  den  Augen 
der  Menschen  satt. 

Er  ging  nun  mit  seinem  zubereiteten  Schwein  und  einer 
Flasche  Met  in  den  Wald,  um  sich  satt  zu  essen.  Er  riclitete 
das  Schwein  vor  sich  zurecht.  Da  sah  er  einen  Mann  heran- 
kommen. ,Du  würdest  es  allein  tun'  sagte  der,  indem  er 
ihm  das  Schwein  nahm.  ,Was  ist  dein  Name?'  sagte  Athirne. 
, Nichts  besonderes'-  sagte  er;  , Sethor  Ethor  Othor  Sele  Dele 
Dreng  Gerce  Mec  Gerce  Ger(r)  Ger  Dir  Dir,  das  alles  ist 
mein  Name.'  Er  (Athirne)  bekam  das  Schwein  nicht;  denn 
er  vermochte  nicht  das  Verwünschungsgedicht  (air)  mit  diesem 
Namen  zu  bilden.  Es  ist  wahrscheinlich,  dals  jemand  von 
Gott  gekommen  war,  das  Schwein  wegzunehmen;  denn  von 
da  an  war  er  nicht  unfreigebiger  als  jedermann. 


0  Zu  Gerce  in  L  am  Rand  lus  »)  Ger  L  »)  om.  L  *)  f.  a.  otn.  L 
")  i.  g.  d.  om.  L  *)  In  Marl,  am  Ende  die  Schreibernotiz:  seil-  etnoiiie 
iar  fei  muiri  a  ngemr-  odie  7  acorrlia  conuild  dum  mesi  in  tarascce  (ra 
Vinsicher).    Sie  iit  offenbar  mitsamt  äetn  Text  abgeschrieben  worden. 


400  R.  THÜRNEYSEN, 

IL    Aislingi  Oengnsai. 

Vor  40  Jahren  hat  Ed.  Müller  diesen  Text  in  der  Rev. 
Celt.  III 344  herausgegeben,  der  nur  in  der  Handschrift  Egerton 
1782,  fol.  70  r  —  71  y,  bewahrt  ist  (abgesehen  von  der  modernen 
Abschrift  daraus  in  T.  C.  D.,  H.  1. 13,  S.  328).  Eine  Ver- 
gleichung  der  Handschrift  im  Jahre  1911  ergab  mir,  dafs  die 
Ausgabe  sehr  zuverlässig  ist  und  nur  eine  kleine  Zahl  der 
abweichenden  Lesungen  für  den  Sinn  in  Betracht  kommt. 
Ich  führe  unten  auch  Abkürzungen  auf,  die  wir  heute  anders 
auflösen  würden. 


(Bl.  III,  S.  344)  Zeile  1.  hindaidq  2.  issailldem  3.  ina  imd- 
. .  uid  4.  huäd  . .  nipoo  {steht  am  Zeilenende)  5.  gal-  6.  doag- 
.  .  timwpan  7 — 8.  Nichoroproinn  dö  arauaruch  9.  nifit- 
10.  Doeccraalldur  11.  Con- ')  . .  inagh-  13.  cowngalar  . .  ate 
nibeoga  14.  mogal-  17.  Timpan  . .  cachnaidq  20.  donanic 
gal-  . .  Adfiadot    21.  diamathuir        22.  h-^    23.  atcöwn- 

345,  1.  Aspertt  fer-  4.  moaccalluim  5.  orindagdu  8.  doro- 
acA^mar  .  .  2't  linniu  9.  dibl-a  10.  inacotl-  17.  indingin 
18.  hicarp-  19.  Bat- . .  haidq  22.  coeco  ing- . .  cowfacat- ining- 
23.  nachingino  dis  . .  aircd-e  24.  aircc-  . .  orloisci  25.  ining- 
27.  abr;  ..  abuidb    28.  Ethail  AnbuaiP) 

346,  1.  ahath-  7  asenath-  2.  eircc  5.  Batt- . .  hiccfledug- 
6.  CidumubracÄ<  . .  orindag-  7.  dorig-  3)  8.  olaill-  . .  araill- 
10.  rectairiu  11 — 12.  diao  naccall-  12.  atuids  Rofitt-  13.  araill- 
13.  cenwa  alaeg  14.  dochum  insidui  15.  cenn  as  16.  frihethal 
nanbuill  16.  Tab-  18.  Nl.  . .  cachlabl-.  IN  bl-  aill  19.  Cissi 
bl-  . .  Ni  limsu  20.  olaill-  22.  eoin  25  —  26.  saert-  ethal  as. 
Ce\-*)  ind  dag-  doib.  Ticc  inda-  diatig  27.  donl-  ..  combui 
og  28.  lo-  be- . .  cowfaco  .3. 1*.  enfinn  . .  aircc-e  29.  cocuircess) 
.  .  d^nsu  30.  inlochui  31.  oengwss  32.  indl-^)  33.  indl-^) 
fot'.  Naby    34.  combat- 

347, 1.  cachnat-  2.  .111.  haidq  3.  ocus  aill-  4.  acuailngne 
5.  bo  cuailngne    6.  TINIF. 

*)  d.  i.  Conchobuip  *)  Davor  Caer  Ibormeith  zu  trennen.  »)  d.  i. 
do  •  rigned  *)  d.  i.  Celebraid  ••)  Über  3  das  Asjpiraiionszeichen'  ')  d.  t. 
ind  loch 


zu  IKISCHEN  TEXTEN.  401 

III.    Cath  Maige  Turedh. 

Diesen  wichtigsten  Text  des  mythologischen  Sagenkreises, 
der  nur  in  Harl.  5280  erhalten  ist,  hat  Stokes,  RC  12,  52  ff. 
(u.  306  ff.)  herausgegeben,  dabei  aber  manche  Stellen  namentlich 
rhetorischen  Charakters  ausgelassen.  Da  man  aber  gerne  den 
vollständigen  Text  haben  wird,  trage  ich  diese  nach  einer 
1911  genommenen  Abschrift  nach.  Ob  ich  die  Worttrennung 
der  Handschrift  genau  innegehalten  habe,  ist  mir  unsicher, 
eine  Nachvergleichung  jetzt  untunlich. 


Hinter  §  83  (fol  66 r,  Stokes  S.82):  ISdei  aspert  fris.ar- 
folmais  cath  mbrisi  coniddei  aspert  anMorig-  friLug 

Diuchtrai  ceincuild  ansaim^)  slaidither  truasfidir  troich 
tarret  brothl-^)  mbodhmhou  indraither  tuatha  dö  agath- 
diuctra  cein  .d.  c. 

boi  Figol  mac  Mamais  andrai  og  taircet-  ancatha  7  oc- 
nertodh  th-  ndea  gonad  and  atbert 

'  Firfidhir  nith  naboto  triaagh  tithris  muir  ninglas  nem- 
nadbeo  brogoll  brofidh  airideu  doifid  Lug  lamfadse.  Brisfid 
bemionna  uathmara  Ogmae  orruderc  dö  iar-  beo  rig.  soifider 
cisai  nofither  bethai  tief-  airim  ethae  maigf-  hlicht  tuatha. 
bithsser  cach  inaflaithmaigh.cenmair  tairgebai  bith  bioas  bith- 
saer  cach  nibadaer  necÄ  anuadha  focichart-  derind  nith  7  fir- 
fider  nith  .1  n. 


Hinter  §  93  (fol  66  v,  St.  S.86):  Amboi  ier-  ogimdect 
conäcu  anningen  forocind  gondeilb  nderscoighte .  si  caemtrilsich. 
Luid  mmmo  anDag-  dii  acht  naruo  tualoigg  lia  aproinn  gabois 
aningen  foracainei/i  gab-  aning-  forimtrascr-  fris  Fucerd  cor 
de  gorainec  gobac  atonai  hitolamh  Dosneco  gohandiaraid 
7  atbert  qd  romba  dam  a.I.  olse  domcor  domconair  cair.  isairi 
romba  det  gonitmrugse  fordmuin  luet  conamrabor  aticc  moath- 
Cuicb    ath-   olse   ingensa^)    em    olsi   dindech   mac   de   .dow. 

')  Über  ai  ist  ba  geschrieben.  ')  Aspiraiionszeichen  vberl-  •)  Eher 
ingenawr  die  Hs. 


402  R,  THUENEYSEN, 

Duscaru  aitherr-  7  slaithe  goleir  gorolin  nafuthorbe  imbe 
docaindiubitr  aprönw  7  nosegnit-  gondoruccoud  foramuin  foth- 
Atbertsum  bages  dou  breth  neich  lais  nadeber-  aainm  fris 
Ciahainmsi  dl  arsise.  Fer  Bewn  aresiw.  Imforcraid  nanmoson 
arsise  atrai  nomber  förmhuin  aFir  Benw ,  nihedh  mainm  amh 
baresiw.  Cs  arsi  [fol  67 r]  Fer  Pewn  Bruach  aresim  Atraoi 
nombir  fordmuin  aFir  Beun  Bruach  arsise  .  nihedh  mhainm 
aresim  Cs  olsise  nostic  dii  ule  taris  Ticsi  dl  forslioc/i^som  and 
conep^rt  Atrai  nomber  fordmuin  afir  bf«n  bruaich  brogaill 
broumide  cerb-  caic  rolaig  builc  labair  cerrce  dibrig  oldath- 
boith  athge»  mbethai  brightere  tri  carboid  roth  rimairie 
riog.scotbe  obthe  olaithbe.  drennar  rig  d-dar  fnugar  fegar 
frewdirie .  atraoi  nomber  disunnae  Nahimber  cuitb-  form  nibos 
mou  aingen  al  .ui.  Bidategen  tacuo  alsie  ISiar-  gongloisie 
asinderc  iartel(fodh  aprond  Sech  bahairisin  boi  furech  nahin- 
gene  dosom  gocioä  moir  Arooisium  ier-  7  gabaid  aningen 
foromuin  7  dob^^rt  teorae  clochau  inacris  7  dofuit  cech  doch 
aruair  aire  7  atberud  bat-  iat  aferdai  derocrat-  uad  lingthe 
aning-  foair  7  doslais  taratoiu  e  7  lomort-  acaither  frithrosc 
Gondric  ier-  ionDag-  frie  abancaroid  7  dogniead  cairtene  ier- 
Ata  allatmch  fortracht  Eoboile  ait  acomarnachtur 

ISand  s6  atbert  aning-  frisiem ,  niragse  am  dencath  cipe- 
tou3  .  ali/^phen  Rag-  eciw  olinDag- ,  nirogae  olewben  arboam- 
clochsou  ambeulai  gech  athau  nodragau  bid  flr  orionDag- 
acht  nimgebou  dei  ßagatso  gotren  tarcechnalich  7  biaid 
latrwoch  mosaulusau  ingechailic  gobrath  Bid  fir  acht  bud  sios 
consufit-  conaaieit-.  Niiago  tonnsai  gommarail  m-  Tethra 
hisidaib .  arbonrailsie  daruch  incech  ath  7  ingech  bei-  notragai 
Rag-  eci«  alinDag-  7  bieid  latmch  mobelosai  ioncech  dair 
gobrath  conepert  aseth  latrach  beluo  an  Dag-  Atbert  si  ier- 
legait-  nafom-e  atir  olsie  artancot-  firu  Er-  ulie  gohaeiiinod 
Atbert  si  dno  noriastrabadh  si  nofom-e  7  docach  nop-  forrai 
7  arinimrethsomh  cerd  marbth-  nagice  forro  7  nogeb-  si 
ahoenor  nom-  rann  forinsloug 


Hinter  §  129  (fol  68  v,  St.  S.  98):    Atroroi  cat  comartan 
isincathirgal  robris  comlondo  förslecht-  slu-  silsit-  riaslu-  sioa- 


zu   IRISCHEN   TEXTEN.  403 

brai  iath  fer  fomnai .  cuifecithai  fir  genrogain')  lentor  gala. 
fordomaisit  fordomcloisid  forandechraiged  fir  duib  becc  find 
nomtam- '-i)  .  fö  fö  fe  fe  cle  amainsi  noefit-  mann  iernelscoth- 
trietrencerdaib  druag-,  Nimcredbod  catha  fricricha  nesit- 
mede  midege  fornemairces  forluachoir  loisces  martal-  tsuides 
martoraiwn  trogais .  incomairsid  fricechnaie  gocomair  ogma 
sachu  gocomair  nem  7  talom  gocomair  grioan  7  esqu  Drem 
niadh  modremsie  duib  Moslu-so  slu-  mor  murnech  mochtsailech 
bruithe  nertoirech  rogenoir  et-  dacri  ataforroi  cath  comortai. 
arotrai. 


Hinter  §  133  (fol.  68  v,  St.  S.IOO):  isnawn  isbert  Lucc 
Odeo  cietoi  fir  bic  ciabith  imbä  inlä  bin  fo  16  marbu  duit^) 

[fol.  69  r]  Bai-  dx-  Foriathmaigi  alfois  filiu  fon'  fola  im- 
musriad  riadha  focomrac  sil  silme  amsil  amniis  fen . 

Lug-  dx-  IStu  torat-  Lughdech  lisbertac  totsili  dotoirrsepu 
mocloidim  dotgart  motuili  moc^-rdse  des  tuatha  Bidolc  decua- 
naib  fal  fomoiri  fotuili  fotrethan  duib  fotonnae  lia  ciptuccai 
conaib  dinn.  niberaid  mes  nablicht .  niberaid  arith  ith  niberaid 
erai'g  aigthe  aic  aic  fe  fe .  Nifocen  tiSsta  naithech  nes  bretach 
bitlimaru  inarbraind  beg  antetru  tromma  fortaibsin  troga 
foiiica  lim  Osme  Lug  namfadbid  oldam  dilaira  denaitli  duilem 
fo/diacimdes  gene  o3  gene  nomnasaid  mocarp-  nitaidlibthi  tres 
ceptucas  atbrothru  fotonnaib  lirdib  linaid  tethru  trestuatii 
commilae  mara  melli  cr-i  crwaid  caramain  bith  aitliis  ior 
farmnaib  dea  tetrais  tuli  maru  luadaib.  cloidem  cosst-  druad 
mewmaind  logha  luaithe  gaithe  donal  druag  frasaib  tenid 
ten'al  leom-  laindr-  gre-ine  giii  escie. 


Hinter  §  136  (fol.  69 r,  St.  S.IOO):  Cia  erna  isancath 
conn  conacherna  cidriun  ramid  aratoruad  ann  riecach  gidform 
memais  aratorad^)  afrecol. 

ISann  isbert  Lüg  l«^gl-  Aisnes  cief-  snedcuruch  serig 
slessacli  lathcorauch  latras  ailig  nesomain  atailm  tatbem  bag 

1)  Oder  genrogam  »)  Oder  nointam-  *)  Die  Wörter  von  biu  an 
undeutlich.        *)  Glosse  .i.  aratuate  (ua  unsicher). 


404  R.  THURNEYSEN, 

brissius  derc  toraich  drech  dorig  buadgalaigli  Baluir  tnuthgal- 
tiwnfir. 

ISann  isbert  Lug  nabriatrasa  sis  agafregrae  Eola  f- 
nachadais  nachadcaru  nandidceil  nachidceala  cerdaib  errad 
isme  Lug  lonnbemnech  mac  Qind  m-c  EMend.  is  mobrighfas  i) 
firgal-  ^)  dercaib  darauscatli  cofergaib  mor-  memais  foirb  fom-ib 
maraib  coraid  miad-  ciptuctai  tuath  es  mratach  eallucli  islidh 
troig  dodob-  comci  corud  cathminn-  arroi  roinfimni  nert  traetf-er 
f-  fercc  fesaib  dea  nidttrfuriudai  f-afodb  fesmai  dorngal-  acat. 

isann  ispert  Loch  Cengmai  cicsimiu  cetaib  fonn  ferdse 
nihinnist-  imonfosew  feocraib  drongaluib  drongaib  catbuiden 
bairnnech  cethern  cengmai  duibh  dobortig  dounith  nim  torbae 
rind  nimairic  nimthimomna  teitbe  lorse  loghge  linn  uaib  fom-i 
frihealg. 

frisc-t  Luch.  Bidgo  dait  arLug  arbid  doiuaig  doforndiuire 
ragad  ead  doncath  galeng  abar  roe  rig  fom-i  trentuich  f-  neid. 

ISann  ispert  Luoch.  [fol.  69  v]  Bidgo  det  Lugh  leth- 
suanaigh^)  fonel  nithed  moenrainib*)  friafartiachta  fritaig 
intretresa  tet  martaib  frilerg  intatlia  lethcruidh  slogaib  srothaib 
saothnu  allaib  maraib  nithuib .  nitadhna  len  luaith  tumwe  ferc 
f-  neocroide  iarnar  sirslanaib  echaib  nitadled  armuriu  laigniu 
friuaraib  oldama  nidadtus  buadaich  frifoepra  fichid  cath  ceol- 
cufil  sudighud  fria.  Nach  doich  duo  iariaich  dianath  doncath 
irriaich  sudf-  luachair  dercmaighi  fulriutha  d-magh  mediu. 


Schlufs  von  §  137  (fol.  69  v,  St.  S.IOO):  Afraigid  rig  don- 
cath rucat-  gruaide  aisnethir  rossa  rownat-  feola  fennät-  enech 
ethät-  catha  [jrruba^)  segatar  ratha  radatar  fleda  fechatar 
catha  canät-  natha  noat-  druith  denait-  cuaird  cuimnit-  arca 
alat-  side  sennat-  deda  teunat-ß)  brag-  blathnuight-  tufer 
cluinetÄar   eghme   ailit-   c-ard^)   cathit-   locA^ai   lüet-   ethair 


')  h  später  beigefügt;  über  a  scheint  ein  Punkt  zu  stehen. 

»)  Über  f  etwa  1  ^ 

•)  Glosse:    .i.  dath  derc  nobid  fair  ofuine  gre?d  comaidin. 

*)  Oder  moeuiraiüib. 

*)  Der  A"fang  des  Wortes  am  Rande  tceggeschnitten. 

*)  Am  Rande  neben  -t- :  1-  .c. 

■')  Üoer  c  ein  Zeichen,  das  dem  für  ur  gebrauchten  ähnelt. 


zu  IRISCHEN  TEXTEN.  405 

snaat-  arma  scothait-  sronai.  Atci  cach  rogenair  ruadcath 
dergbandach  dreranad  fiachlergai  foebwrlai.  Fri  uab-  rusmeb- 
renarmarsrotaib  sinne  fri  fttrfaob-  lini  fom'-e  iwiargnaich  in- 
canaigh  copraich  aigid  flach  dorar  friarsolga  garu  dalaig 
förmdes  rodbadh  samlaidh  dergbandaib  dam  aimcntaighid 
connaechta  sameth  donncuridh  dibwr  fercurib  fristongarar. 


Einter  §141  (fol.69v,  St.  S.  102):  Geb-  foss  findgrinde 
descca  doiwe  doman  tuircebat  ceth-torel  aurblathaib  ticfait 
ioth  sceo  mhMcht  morad  indber  armesaib  marcainib  dossuib 
drongaib  darach  ocndiu  icribcedaib  i)  celar  bron  berar  failti 
fira  fomcichet  grian  glessaib  saorcaomaib .  sinaib  serntar  f- 
•fletigib  ailtiu  astath-  f-  comfercca  cridhiu  celid  fom-e  fairrcce 
findcasrao  sitt'bitha  banba  echtguidi  echtrann  7  suthaine  f-aib 
finncluiche  forbarsed  ondiu  cobrat  bid  sid  arfom-e  indEre. 


Hinter  §  142  (elend.):  Luachta  anagat  achad  feoch-  f-golla 
fosadh  craeb  carp-t. 


Schlufs  von  §  143  (ebend.) :  medol  meddn  moth  mothach 
foimtinne  tenda  tresmorb. 


Schlufs  von  §  144  (ebend.) :    fes  res  roches  anagar  ilach 
canna  riadha  buaid. 


Schlufs  von  §  145  (ebend.) :  can  do  riadha  ro  muir  laisad 
{so.')  f-f-said  sruobaw  airchedal  ruagar  illanw  all  riadha  rocedal. 


^)  Über  dem  zweiten  c  ein  Punkt. 

Zeitschrift  f.  celt.  Philologie  XU,  3.  27 


406  R.  THURNEYSEN, 

Hinter  §  162  (fol.  70  r,  St.  S.  106):  Admell  maorna  uath 
cath  cule  leccla  fristethaind  tuind  formna  f-roir  isress  ningalne 
amtn  locha  lochaurbe  imlias  luch  loeg  tnmcim  i)  amt>nchtaigh 
tighi  fuaibne  mifualang  tighe  tethrae  toetrau  dobert  mor 
fodriru  fal  fomoire  foewda  forBalwr  benn  bas  alaw  fomhor- 
lelgi  m-c-  Ethne  uili  aoinfecA^  ferse  colom  cathrani^)  ransi 
fodb  fersamhle  fersi  cetharslichd  fid  serbh  armarmiadh.  3) 
aiwm  aili  fes  fuil  tethr-  hitus  *)  faidter  fuirtbe  mong  diafurbidh 
f-ruiris  ilur  fuil-  oghme. 


Schlufs  von  §  166  (fol.  70 v,  St.  S.llO):  Sith  conem.  nem 
codoman .  doman  fonim  nert  hicach  an  forlann  lan  domil  mid 
cosaith  Sam  hingam  gai  forsciath  sciath  fördurnd  .  dunad  lonn- 
garg  longait-  tromfoid  fod  diiü  ross  forbiur  benna  abu  airbe 
imetlia .  mess  forcrannaib  craob  doscis  scis  doäss  saith  domac 
m-  tor  muin  muinel  tairb  tarb  diarccoiw  odhb  docrann  crann 
doten  .  tene  anuail .  ail  anuir  uich  ambuaib  boinn  ambru  .  brü 
lafefaid  ossglas  iaererrach  foghamar  forasit  etha .  iall  dotir  tir 
cotrachd  lafeabrae  .  bidruad  rossaib  siraib  rithmär  nach  scel 
laut  Sith  conemh  bidsirnae  .s. 


Schlufs  von  §167  (fol.  70 v,  St.  S.llO):  Niaccus  bith 
nombeo  baid  sam  cinblatha  beti  bai  cinblichda  mna  canfeli 
fir  gangail .  gabala  canrigh  rinna  ulcha  ilmoigi  beola  bron 
feda  cinmes .  muir  cantoradh .  tuir  bainbthine  immet  moel  ratha 
fäs  aforgnam  locha  diersit-  dinn  atrifit-  linn  lines  sechilar 
flaithie  faoilti  friaholc  ilach  imgnath  gnuse  ul- .  incrada  docredb- 
gluind  ili  imairecc  catha  toebh  fri  ech  delceta  imda  dala  braith 
m-c  flaithi  forbttid  bron  sen  saobretha .  brecfäsach  mbrithiom- 
braithiomh  cech  fer .  foglaid  cech  mac  .  ragaid  mac  illigie 
aath- .  ragaid  ath-  alligi  am-c .  cliamain  cach  abrät- .  nisia  nech 
mnai  assatigh .  gignit-  cenmair  olc  aimser  imwtera  mac  aath- 
imera  ingew  |  s) 


»)  ^er  c  ein  Punkt.  *)  oder  cathrain  ')  oder  armarnusadh 

*)  oder  intus    *)  Ende  der  Seite;  auf  der  nächsten  beginnt  ein  anderer  Text. 


Zu   TEISCHEN   TEXTEN.  407 

IV.   Nachträge. 

1.  Die  Fassung  der  Sage  von  der  Wiederauffindung  der 
Täin  Bö  Cuailnge,  die  K.  Meyer,  Archiv  f.  Celt.  Lexicogr.  III,  3  f. 
aus  Egerton  1782  abgedruckt  hat,  fand  sich  auch  in  der  seit 
1841  verlorenen  Handschrift  von  Edinburg,  Advocates'  Library- 
Nr.  XXXII  (Kilbride  No.  1).  Aus  den  Notizen,  die  Mackinnons 
Katalog  S.  220  nach  der  Inhaltsangabe  von  Mac  Lachlan  gibt, 
lälst  sich  die  unvollständige  Zeile  bei  Meyer,  S.  3  Z.  27  sicher 
so  ergänzen:  conus'tänaic  Callin  ncem,  mac  mäthar  Senchäin 
eisidi. 

2.  Zu  ZOP  10, 272  A.  2.  Ö  chond,  das  'von  da  an'  bedeuten 
mufs,  enthält  das  poetische  Wort  cond  'Kopf  (Contrib.  464), 
das  Flann  hier  in  der  Bedeutung  von  cenn  'Ende'  verwendet. 

3.  Zu  ZCP  12, 245  u.  249,  Str.  11.  Van  Hamel  macht  mich 
darauf  aufmerksam,  dafs  ich  bei  meiner  Übersetzung  von 
bonnän  das  englische  hittern  'Rohrdommel'  als  bittern  'Bitter- 
lauge' mifsverstanden  habe,  dals  aber  bonnän  an  dieser  Stelle 
nichts  damit  zu  tun  hat,  sondern  das  Deminutiv  von  bonn 
'Sohle'  ist:  'Es  ist  keine  Behauptung  auf  unsicherer  Grund- 
lage..' 

Str.  15  ic  luchraib  lia  falst  man  wohl  besser  als  'beim 
Glänze  der  Flut',  d.  i.  'am  Meeresstrand';  der  Dichter  hat 
das  alte  Wort  lia  (s.  ZCP  12,288)  unflektiert  gelassen. 

4.  Zu  ZCP  12, 271  ff.  Ich  hätte  anmerken  sollen,  dals  ein 
kurzer  Auszug  aus  der  Geschichte  von  Ai  mac  Ollaman  sich 
im  Buch  von  Lismore,  fol.  125  v,  b  findet  und  von  Stokes,  Lives 
of  Saints  from  the  B.  of  Lismore,  S.  XXXV  gedruckt  worden 
ist.  Hier  ist  der  rhetorische  Spruch  {ai  airchetail)  des  älteren 
Textes  in  ein  regelmälsiges  Gedicht  (duan)  umgewandelt. 

Bonn.  R.  Thüeneysen. 


27* 


MISZELLEN. 


1.   Ursprüngliches  dm  im  Altirischen. 

Als  ich  mein  Handbuch  schrieb,  lagen  scheinbare  Beispiele 
für  dreierlei  Behandlung  der  alten  Lautgruppe  dm  vor: 

1.  Assimilation  zu  -mm-  bei  allen  Zusammensetzungen 
mit  ad-  :  ammus  usw.,  con'ammelt  Cormac  s.  v.  mug  eme,  auch 
in  Neubildungen  wie  foammamigthe  'subiectus'  (zu  mdm,  Ascoli, 
Glossar  CCCLXX).  Ferner  in  der  1.  PI.  dod'chommar,  'de- 
chommar  declmmmar  (Pedersen  II  642.  646),  wo  es  sich  aller- 
dings um  den  Stamm  coäth-  aus  co[m]-uät-,  also  eventuell  um 
-tm-  handelt  (Lag.  Forsch.  33,  Anz.  S.  36). 

2.  ä^m  in  maidm  zu  maidid  'er  bricht'. 

3.  Leniertes  m  mit  Ersatzdehnung  in  frem  neuir.  gäl. 
freamh  freumh^)  manx  fraue,  praue  'Wurzel'  neben  kymr. 
gwraidd,  gwreiddyn,  mbret.  gruizyenn,  lat.  radix  usw. 

Da  mir  1.  die  sichersten  Beispiele  zu  enthalten  schien 
und  ich  2.  aus  Analogie  erklären  zu  können  glaubte  (§  731), 
gab  ich  jenes  als  regelmälsige  Entwicklung  (§  224  c).  Dagegen 
Pedersen  1 113  hielt  3.  für  das  Normale  und  erklärte  1. 
(amm-)  als  eine  Neuerung  in  der  Kompositionsfuge.  Über  2. 
spricht  er  sich,  so  viel  ich  sehe,  nicht  aus.  Einen  dritten 
Standpunkt  nimmt  Pokomy  ZOP  11,  9  f.  ein.  Unter  Über- 
gehung von  3.  glaubt  er  1.  amm-  so  deuten  zu  können,  dafs 
die  Präposition  ad  hier  bereits  mit  leniertem  d  oder  mit 
schwächerer  Artikulation  vorgetreten  sei  und  darum  eine  andere 
Entwicklung  als  altes  dm  zeige.  Für  ihn  ist  also  2.  das  regel- 
rechte Ergebnis;  er  fügt  zu  maidm  —  aulser  naidm,  dessen 
Grundform   nicht   feststeht   —   feidm   'Dienst,   Anstrengung' 


')  Zur  heutigen  Aussprache  des  Wortes  vgl.  Pederseu  1 154. 


K.  THÜRNEYSBN,   MISZELLEN.  409 

hinzu,  das  er  mit  fedan  'Joch'  und  idg.  *uedh-  'binden'  in  Ver- 
bindung bringen  will;  auch  sleidm  'sputamen,  sanies',  teidm 
'Pest',  über  deren  Etymologie  er  sich  aber  nicht  ausspricht. i) 

Wenigstens  eine  der  drei  Möglichkeiten  (3.)  kann  ich 
jetzt  beseitigen.  Frem  'Wurzel'  ist  gar  keine  altirische  Wort- 
form, sondern  erst  mittelirisch  für  altir.  fren  eingetreten.  Vgl.  2) 
arena  dotholuascad  Sg.  127  b  3  =  a  frena  do  thüasolcod  'seine 
Wurzeln  zu  lösen';  con-a  frenaib  Expulsion  of  the  Desi  §  12; 
fö  fren  'eine  gute  Wurzel'  Versl  I  §  13  =  II  §  41;  nirds 
fren  na  flesc  feda  LL  5  a  39  (Leb.  Gab.) ;  feda  freoin  fidnemid 
(Genitiv?)  Eawl.  502,  122b  29;  Macc-La-Fren  YBL326ddl; 
fren  oghuim  O'Dav.  1288.  Den  Übergang  zur  späteren  Form 
zeigt  Scel  Mucci  Maie  Dathö  §  18,  wo  die  Handschrift  H.  3. 18 
(Anecd.  V  15,  18)  asa  frenaiph  liest,  aber  LL  assa  fremaib. 
Ebenso  Täin  B.C.  (ed.  Windisch)  2189:  assa  fremaib.  Also 
im  12.  Jahrhundert  stellt  sich  frem  neben  fren,  indem  wohl 
der  labiale  Anlaut  den  Auslaut  beeinflulst  hat.  Es  ist  be- 
merkenswert, dals  diese  späte  Form  dem  Irischen  mit  dem 
Gälischen  und  Manx  gemeinsam  ist.  Falls  freoin  wirklich 
Genitiv  ist,  ist  das  Wort  ursprünglich  Neutrum  (in  den  neueren 
Mundarten  Femininum),  Grundform  wohl  uridno-  oder  uridnä- 
(aus  urd-),  vgl.  got.  waiXrts  ahd.  würz  {*urdi-),  gegenüber 
britann.  urad-. 

Ob  nun  2.  oder  1.  das  Eegelmälsige  ist,  bleibt  zunächst 
zweifelhaft.  Doch  gebe  ich  zu,  dafs  do'commar  sich  leicht 
nach  doxotar  gerichtet  haben  kann,  und  dafs  für  amm-  aus 
ad-ni-  Beispiele  wie  abb-  agg-  acc-  aus  adb-  adg-  ad-c-  mafs- 
gebend  gewesen  sein  können,  so  dals  Pokornys  Ansicht 
vielleicht  das  Richtige  trifft. 

2.   Ir.  alaile. 

Eine  sonderbare  Ausnahme  von  der  Regel,  dafs  der  zweite 
von  zwei  zusammentreffenden  Vokalen  nur  verstummt  oder 
seine  silbische  Geltung  verliert,  wenn  er  schwach  betont  ist, 
bildet  bekanntlich  alaile,  scheinbar  aus  ala-aile;  um  so  sonder- 
barer als  ala  geminiert,  man  also  ein  gesprochenes  *ala  h-aile 

1)  Zu  teidm  s.  Vermutungen  bei  Pedersen  II  60.  649. 
*)  Die  meisten  Belege  verdanke  ich  K.  Meyer. 


410  R.  THURNEYSEN, 

erwarten  müXste,  wie  im  Gen.  fem.  tatsächlich  einmal  ala-aile 
Ml  51c  5  geschrieben  ist.  Die  Lösung  des  Rätsels  bringt 
wohl  die  Schreibung  des  Neutrums  allaill  RC  11,  446,  52  und 
des  Ack.  fem.  allaili  ebend.  43  in  dem  alten  Text  Tochmarc 
Emire.  Das  doppelte  l  zeigt,  dafs  die  Bildung  vom  Neutrum 
ausgegangen  ist.  In  allaill  aus  *aill-aill  brauchte  kein  Vokal 
unterdrückt  zu  werden  und  alaill  bietet  die  gewöhnliche  Ver- 
einfachung eines  Doppelkonsonanten  nach  vortonigem  Vokal. 
Kein  Beispiel  für  all-  ist  dagegen  inallaile,  innallaüi  in 
Compert  ConCulainn  (Zu  ir.  Hss.  41  A.  2),  da  der  Sinn  eine  solche 
Form  ausschliefst.  Dafs  ich  dort  richtig  innall  ille  'dorthin 
[und]  hierhin'  vermutet  habe,  scheint  mir  die  Stelle  Tain 
B.  C.  3615  (YBL)  zu  zeigen:  Eethaid  im(morro)  anaill  ille  as 
'man  rennt  dorthin  [und]  hierhin  davon'.  Um  das  gewöhnliche 
anall  ille  'von  dort  herüber'  kann  es  sich  nach  dem  Zusammen- 
hang nicht  handeln;  es  muls  ebenfalls  inn-all  i-lle  gelesen 
werden. 

3.   titacht  *  kommen*. 

TitacUWl  25dl3,  tetacht  Arm.  170  b  2  haben  ich  (Handb.470) 
und  Pedersen  II  644  als  Kompositum  von  techt  mit  to-in-  (-cn-) 
gefafst;  mit  Unrecht,  wie  die  Nebenformen  tauttacht,  tuttacht 
neben  titacht  im  Saltair  na  Rann  (s.  Glossar)  zeigen.  Vgl. 
auch  die  Verbalformen  da-n-autat  TBC  (ed.  Strachan-O'Keeffe) 
1714  (vgl.  1720),  tautat  IT  112,  210,  63  =  213,  27  neben  da' 
n-etat  TBC  1599.  Die  Präpositionen  sind  offenbar  to-ad-uss-, 
vgl.  inotacht  mit  in-uss-.  Der  Vokal  in  ti-  te-  ist  der  aus  a 
vor  M-f arbiger  Konsonanz  entstandene  wie  in  ipthach  \Vb  9  b  21, 
ihdach,  epaid  Inc.  Sg.  neben  aupaith  'Zauberspruch'  Thes. 
II  250, 11  (aus  ad-huith),^)  aupthacha  IT  187, 16  und  ähnlichem. 

4.  Der  Übergang  von  v-  in  /-  im  Irischen. 

Die  Ogom- Inschriften  machen  zwischen  anlautendem  und 
inlautendem   u   {v)   keinen  Unterschied.    Das    anlautende   v 

*)  Der  Plural  aipthi  Wb  1 20  b  20  ist  ursprünglicher  als  ^pthai  Eriu 
VIT  168, 7,  da  *ahhuthi  bei  Synkope  palatale  Konsonanz  erhalten  mufste 
(Handb.  §  155).  Beiläufig,^  die  Schreibung  laubir  Cam.,  laubuir  lebuir  Eriu 
VII 176. 172  zeigt,  dafs  das  Wort  nicht  unmittelbar  aus  lat.  labor,  sondern 
aus  dem  Britannischen  (kymr.  llafur,  kom.  lavur,  bret.  laür)  entlehnt  ist. 


MISZELLEN.  4:11 

hatte  sich  bis  in  die  Zeit  erhalten,  wo  man  das  römische 
Alphabet  anwandte.  Quies  Uinniani  episcopi  schreiben  die 
Ulster  Annalen  s.  a.  578 ;  i)  derselbe  Heilige  heilst  bei  Colum- 
ban  (um  600)  TJennianus^)  Und  noch  Adamnan  (rund  um  700) 
kennt  jene  altertümliche  Form  TJinniano  episcopo  (V.  Columbae 
II 1)  neben  der  zu  seiner  Zeit  üblichen  Findbarrum  episcopum 
(ib.)  und  episcopum  Finnionem  (III  4).  Aber  bis  in  den  An- 
fang des  7.  Jahrhunderts  führt  der  dritte  Nachfolger  von 
Columba,  der  605  —  623  Abt  von  I  war  und  später  Fergna 
genannt  wird.  3)  Adamnan  nennt  ihn  Uirgnous,  Gen.  Uirgnoui, 
Abi.  üirgnouo  (III  19.  23).  So  hieXs  er  also  in  alten  Kloster- 
quellen. Diese  boten  auch  Uirolecus  (HI  14),  Sohn  von  Emchatus, 
den  Columba  selber  getauft  hatte.  Das  sind  wohl  die  letzten 
Beispiele;  z.  B.  der  Abt  von  669  —  679  heilst  nur  Failbeus 
(1 1. 8).  Der  Übergang  wird  ja  nicht  in  ganz  Irland  zur 
gleichen  Zeit  stattgefunden  haben;  aber  wir  dürfen  ihn  un- 
gefähr in  den  Anfang  des  7.  Jahrhunderts  datieren. 

5.    Ogom  Svaqquci, 

Zu  dem  merkwürdigen  Namen  auf  der  Inschrift  von  Fardel 
(South  Devon)*):  svaqquci  maqiqici  möchte  ich  mir  eine  Ver- 
mutung erlauben.  Nimmt  man  an,  dals  die  zweimal  fünf 
Striche,  die  qq  ergeben,  vom  Verfertiger  auf  die  falsche  Seite 
der  Steinkante  gesetzt  sind,  also  eigentlich  nn  .gemeint  ist, 
erhält  man  den  Namen  Svannuci.  Der  kann  dann  genau  dem 
lateinisch  geschriebenen  Fannuci  (Stackpole  Church  in  Pem- 
brokeshire) ^)  entsprechen;  ist  der  Name  goidelisch,  so  wäre 
im  Lateinischen  gewissermafsen  die  lenierte  Form  geschrieben; 
ist  er  lateinisch,  so  hat  man  im  Irischen  f-  durch  das  un- 
lenierte  sv-  wiedergegeben,  ß)  Rhys')  findet  ihn  wohl  mit 
Recht  in  dem  Mönchsnamen  Sannuch  Arm.  9  b  2  (Vita  Trip. 


')  Das  beigefügte  mac  nepotü  Fiatach  ist  natürlich  später. 

»)  MG  epp.  ni  156. 

')  z.  B.  Fei.  2  März ;  Tigernach,  KC  17, 176. 

♦)  Rhys,  Lectures  on  Welsh  Philology »,  S,  266. 

*)  IBCh  95. 

•)  VglrSarauw,  Irske  Studier,  S.  14  ff. 

^)  Miscellany  K.  Meyer,  S.  240. 


412  R.  THÜRNEYSEN, 

305,  19)  wieder.    Dafs  das  später  z  (st)  gelesene  Ogomzeiclien 
einst  f  bedeutete,  hat  Rhys  (ebend.)  nicht  erwiesen. 

Die  Annahme,"  dals  die  lateinische  Inschrift  des  Fardel- 
Steins:  fanoni  maqirini  denselben  Mann  bezeichnete,  würde 
doch  wohl  gar  zu  viele  Verschreibungen  voraussetzen  {q  für  r, 
c  für  n).  An  sich  könnten  Fannuci  und  Fan[n]om  allerdings 
Varianten  desselben  Namens  sein. 


6.   cürsachad. 

Das  sonderbare  Wechseln  des  Spiranten  in  cürsag-  und 
cürsach-  'tadeln,  schelten'  erklärt  sich  am  besten,  wenn  wir 
die  Form  mit  g  als  die  ursprüngliche  ansehen ;  cürsachaid  hat 
sich  dann  nach  maldachaid  'flucht'  gerichtet.  Seiner  Gestalt 
nach  dürfte  cürsagaid,  das  aus  dem  Irischen  ins  Englische 
gedrungen  ist:  ae.  cürsian,  ne.  to  curse,  seinerseits  aus  dem 
Britannischen  entlehnt  sein,  obschon  es  dort  nicht  erhalten 
ist.  Man  könnte  etwa  an  eine  Ableitung  von  kymr.  corsen, 
PL  cyrs,  bret.  Tcorsenn,  Tcors  (ir.  curchas)  'Binse,  Rohr'  denken, 
so  dafs  es  ursprünglich  eine  handgreiflichere  Zurechtweisung 
bedeutet  hätte ;  doch  wäre  das  lange  u  verwunderlich.  Latein. 
curas  ago,  auf  das  man  nach  dem  patrizianischen  grazagam 
Corm.  684,  gra(t)2achani  Vita  Trip.  291  etwa  schlielsen  könnte, 
scheint  in  keinem  ähnlichen  Gebrauch  vorzukommen.  Immer- 
hin darf  man  darauf  hinweisen,  dafs  kymr.  cur  auTser  den 
Bedeutungen  von  lat.  cura  auch  die  von  'anguish,  affliction, 
pain,  a  blow,  a  stroke'  hat.  Das  'Schelten'  könnte  wohl  als 
eine  Art  'Seelsorge',  kymr.  cur  eneidiau,  aufgefafst  sein. 

Bei  dieser  Gelegenheit  möchte  ich  auf  den  "Wechsel  von 
th  und  d  zwischen  schwachbetonterT  Vokalen  zurückkommen. 
Gestützt  auf  die  Beispiele  mit  -ithir,  -idir  im  Äquativ  und 
mit  -ithir,  -ethar  und  -idir,  edar  in  Verbalformen,  habe  ich 
Handb,  §  126  a  die  Regel  gegeben,  th  gehe  nur  dann  in  d 
über,  wenn  es  durch  zwei  oder  mehr  schwachtonige  Silben 
von  der  haupttonigen  getrennt  ist.  Ich  hatte  nicht  bemerkt, 
dafs  das  nur  für  die  Fälle  gilt,  wo  die  mit  th  beginnende 
Silbe  mit  r  schliefst.  Sonst  wird  th  auch  nach  dem  ersten 
schwachbetonten  Vokal  zu  d,  vgl.  indnaide  'Erwarten'  {neth-)j 
ftechmadachte  'Präteritum'  (zu  techt  usw.),  ad'cofade  'er  erlangte'. 


MISZELLEN.  413 

Es  scheint  also  das  -r  eine  gewisse  konservierende  Kraft  zu 
haben;  so  hat  sich  ja  auch  altes  ihr  (in  brethre  u.  ähnl.)  un- 
verändert bewahrt. 

7.   Kymr.  t/  aus  wj/. 

Im  Mittelkymrischen  steht  im  Präteritum  bekanntlich 
neben  -assam,  -assant  häufig*  -yssam,  -yssant\  aber  im  Singular 
gibt  es  neben  -as  {-es,  -is)  kein  *-ys,  dagegen  überaus  häufig 
•tüys.  Zu  der  Zeit,  da  der  Hauptakzent  noch  die  JEndsilben 
traf,  wird  das  vortonige  -wyss-  zu  -yss-  geworden  sein. 

Das  erklärt  wohl  den  Plural  zu  Uwyddyn  'Jahr' :  hlynedd  (aus 
*blyddnedd),  wo  man  nicht  mit  Morris  Jones  S.  212  einen  alten 
Ablaut  ei :  i  anzunehmen  braucht,  der  in  einem  solchen  Stamm 
wenig  wahrscheinlich  ist.  Der  Vokalismus  des  Singulars  wird 
unter  dem  Einfluls  der  suffixlosen  Form  bltvydd  (bret.  bloaz) 
stehen.  So  hat  man  vielleicht  auch  den  Plural  morynion  zu 
morwyn  'Jungfrau'  aufzufassen,  wenn  auch  die  Grundform 
nicht  deutlich  ist. 

Das  fragende  py  ist  wenigstens  teilweise  gewifs  aus  dem 
vortonigen  pivy  hervorgegangen.  Vgl.  auch  die  Präposition 
try-  neben  trwy  (Morris  Jones,  S.  268). 

Meist  ist  freilich  wy  durch  Ausgleichung  auch  in  vorderen 
Silben  wieder  eingeführt. 

« 
8.   Kymr.  heb. 

Kymr.  heb  'inquit'  bietet  zwei  auffallende  Erscheinungen. 
Einmal  versteht  man  nicht,  weshalb  in  dieser  versteinerten 
Form  nicht  die  Endung  des  unkomponierten  Verbs,  die  alt- 
irische absolute  Personalendung  (altkymr.  -ü)  erhalten  ist. 
Zweitens  nehmen  bekanntlich  Eigennamen  hinter  heb  regel- 
mälsig  den  Artikel  y{r)  vor  sich.  Im  Irischen  steht  der 
Artikel  mit  l  {inti  usw.),  in  jüngeren  Texten  auch  der  blolse 
Artikel  vor  Eigennamen,  wenn  die  Person  schon  vorher  er- 
wähnt ist.  So  kann  man  schlielsen,  dafs  auch  im  Kymrischen 
die  Redeweise  heb  y  Feredur  ursprünglich  nur  da  angewendet 
wurde,  wo  der  Sprecher  schon  vorher  genannt  war.  Dann 
liegt  es  aber  nahe,  in  heb  nicht  das  Verb  zu  sehen,  das  in 
ateb,  gohebii,  givrtheb  usw.  vorliegt,  sondern  die  Präposition 


414  B.  THURNETSEN,  MISZELLEN. 

oder  Konjunktion  heb  =  ir.  sech.  Man  mülste  dann  annehmen, 
dals  heb  einst  wie  ir.  sech  auch  'nämlich'  bedeuten  konnte, 
so  dals  heb  y  Feredur  eigentlich  hiefs  'nämlich  der  (erwähnte) 
Peredur'.  Die  Redensart  wäre  von  solchen  Fällen  ausgegangen, 
wo  sowohl  der  Name  des  Sprechenden  als  ein  Verb  des  Sagens 
vorausgegangen  war. 

Die  obige  Erklärung  des  Artikels  kann  übrigens  besteken 
bleiben,  auch  wenn  heb  doch  eine  alte  Verbalform  sein  sollte. 

Bonn.  R.  Thukneysen. 


ALTIR.  IMB-AD-CI- 


Zur  Wurzel  ä  (Pedersen  §  683)  stellt  sich  noch  obiges 
Kompositum  in  der  Bedeutung  'sich  etwas  ansehen,  betrachten'. 
So  heilst  es  Anecd.  III 57, 17  von  einem  Wahrsager :  imaicci 
fer  spirdo  läim  Cuirc  'der  Geistesmann  beschaut  sich  die  Hand 
Gores'.  Dazu  das  part.  nee.  imcasti  gl.  consideranda.  Ml  18d  22 
und  das  bekannte  Abstraktum  immaicsiu  {oc  imaicsin  na  set 
Alex.  386),  gewöhnlicher  imcaisiu  (LU  130  b  21,  SR  2140, 
8371),  später  auch  mit  Lenition  imchaisiu  (CZ  III  25, 33, 
Trip.  102, 19.  20). 


ALTIR  TINAS. 

Dieses  Wort  wird  zweimal  von  einem  Barte  gebraucht: 
CO  trilis  fuit  da  läm  7  co  tinäs  ulcha  fair  Rl  502,  147  a  50  und 
is  ed  mod  rogab  ulcha  thinds  do  folt  cassbuidi  fair  amal  irna 
d'ör  Br.  D.  D.  99  App.  Es  ist  offenbar  in  to-in-äs  zu  zerlegen 
und  bedeutet  also  ursprünglich  'Hineinwachsen'. 

KuNO  Meyek. 


ZUR  CHRONOLOGIE  DER  UMFÄRBÜNG 
DER  VOKALE  IM  ALTIRISCHEN. 


In  seiner  recht  verdienstvollen  Abhandlung  über  die  Um- 
färbung  von  o  zu  m  (oben  IX  1  ff.)  hat  sich  Hessen  auch  mit 
der  Chronologie  dieser  Erscheinung  beschäftigt;  aber,  wie 
ich  glaube,  wenig  glücklich. 

Die  letzten  drei  Seiten  seiner  Abhandlung  enthalten 
nämlich  eine  ganze  Eeihe  von  Widersprüchen. 

Zuerst  bemerkt  er,  dafs  Beispiele,  wie  tuirem  <  *tonmä, 
cilornn  <  *celurno-  verbieten,  für  die  Umfärbung  in  un- 
betonten Silben  ein  Prioritätsverhältnis  gegenüber  den 
anderen  Fällen  anzunehmen,  was  zweifellos  richtig  ist.  Gleich 
darauf  aber  führt  er  bei  seinem  Bemühen,  zu  zeigen,  dals  in 
den  Oghaminschriften  die  Umfärbungen  angeblich  fehlten,  als 
Beweis  hierfür  eben  die  Tatsache  an,  „dafs  es  sich  hier  um 
lauter  unbetonte  Vokale"  handle.  Wenn  aber  die  Umfärbung 
in  unbetonter  Silbe  nicht  vor  der  in  betonter  Silbe  eingetreten 
sein  kann,  so  mulste  doch  jene  gerade  beweisen,  dals  die 
Umfärbung  in  diesem  Falle  auch  in  betonter  Silbe  vorhanden 
gewesen  war. 

Ferner  behauptet  er  zuerst,  dals  der  Übergang  von  o 
zu  M  gleichzeitig  mit  dem  von  w  zu  o  stattgefunden  haben 
müsse,  aber  eine  Seite  später  meint  er,  dals  die  Umfärbung 
von  M  zu  0  „in  ihren  ersten  Anfängen  früher  als  die  anderen 
hinaufreichte". 

Am  merkwürdigsten  aber  ist  seine  SchluTsfolgerung,  die 
er  aus  der  ganzen  Arbeit  zieht.  Während  doch  die  Ansicht 
handgreiflich  nahe  liegt,  *-fo-hinami  'ich  schlage'  sei  über 
*fubinami,  *fubina*m  durch  Synkope  zu  -fuibnim  geworden, 
nimmt  Hessen  an,  dals  die  Umfärbungen  beim  Eintreten  der 


416  JULIUS   POKORNT, 

Synkope  noch  nicht  vollendet  gewesen  seien,  dafs  zwar  ihre 
Anfänge  vor  die  Zeit  der  Synkope,  ihre  völlige  Umfärbung 
jedoch  erst  in  die  Zeit  nach  der  Synkope  verlegt  werden 
mülsten.  Er  nimmt  also  offenbar  an,  *-fobinami  sei  erst  zu 
*fobena'm  (mit  stärker  geschlossenem  o)  geworden,  woraus 
durch  Synkope  *foihnim  entstanden  sei;  erst  dann  sei  dieses 
*foibnim  zu  fuihnim  geworden.  Ein  ähnlicher  Vorgang  miilste 
natürlich  für  die  anderen  Umfärbungen  angenommen  werden. 

Die  UnWahrscheinlichkeit  einer  derart  komplizierten  Er- 
klärung, die  die  Entwicklung  der  Umfärbung  in  deren  Mitte 
durch  die  Synkope  unterbrochen  wissen  will,  liegt  auf  der 
Hand,  um  so  mehr,  als,  von  der  Un Wahrscheinlichkeit  ganz 
abgesehen,  nicht  der  geringste  Anlafs  für  eine  solche 
Annahme  vorliegt;  im  Gegenteil.  Hessen  mufs  infolge 
dessen  seiner  Theorie  zuliebe  das  ganz  deutliche  Zeugnis  der 
Ogham- Inschriften  hinwegzuerklären  suchen. 

Was  die  Umfärbung  von  u,  i  zu  o,  e  betrifft,  läfst  sich 
übrigens  die  Unrichtigkeit  obiger  Theorie  direkt  beweisen. 
Wenn  nämlich,  wie  er  meint,  „die  Entwicklung  zu  völliger 
Umfärbung  erst  nach  Beginn  der  Synkope"  eingetreten  wäre, 
so  hätte  *moniMo-  'Hals'  altirisch  nichts  anderes  als  *muinü 
ergeben  können,  weil  ja  der  Schwund  spirantisch  gewordener 
Verschlufslaute  vor  r,  l,  n,  der  die  Längung  des  vorangehenden 
Vokals  zur  Folge  hatte,  schon  vor  der  Synkope  eingetreten 
sein  mufs,  wie  die  Ogham -Form  COMOGANN  (air.  Comydn) 
unzweideutig  beweist,  da  hier  die  Mittelsilbe  noch  bewahrt, 
das  g  vor  n  (Endung  -agni)  aber  ebenso  wie  der  Auslaut 
bereits  geschwunden  oder  wenigstens  vokalisiert  worden  ist; 
auch  Thurneysen  (§  160)  sieht  sich  ja  gezwungen,  anzunehmen, 
dals  der  Verschlulslaut  noch  vor  der  Synkope  eine  wesent- 
liche Veränderung  erlitten  habe,  die  man  mit  Rücksicht  auf 
Beispiele,  wie  euin  aus  ^etm  oder  eun  aus  *etnü  wohl  als 
Auflösung  in  ein  halbvokalisches  u  auffassen  dürfte.  Es  ist 
ganz  klar,  dals  ein  solches  halbvokalisches  u  das  i  in  *muniul 
ebensowenig  in  e  verwandelt  haben  würde,  wie  das  i  von 
-giuil  <  *giul  <  '^'gigle.  Es  muls  somit  das  i  in  ^moniklo- 
noch  vor  dem  Schwund  (oder  der  Vokalisierung)  des  Kon- 
sonanten vor  l,  d.  h.  also  vor  derSynkope  zii  e  {*muneMo-) 
umgefärbt  worden  sein,  worauf  dann  der  Abfall  der  Endsilbe 


ZUR  CHRONOLOGIE  DER  UMFÄRBUNG  DER  VOKALE.   417 

und  dann  erst  die  Vokalisierung  des  Je  eintrat,  das  scliliefslich 
mit  dem  neu  entstandenen  e  zu  e  verschmolzen  wurde.  _  Es 
muls  also  das  stammhafte  i  schon  vorher  tatsächlich  zu  e 
geworden  sein. 

Die  Unmöglichkeit  der  Annahme  Hessens  ergibt  sich  auch 
bei  Betrachtung  des  Verhältnisses  zwischen  Umfärbung  und 
Endsilbenschwund.  Da  dieser  bekanntlich  noch  vor  der  Syn- 
kope eingetreten  ist,  so  mlilste  man  mit  H.  ebenfalls  annehmen, 
dafs  die  Umfärbung  auch  jünger  sei  als  der  Endsilbenschwund, 
was  aber  zu  ganz  unmöglichen  Folgerungen  führt. 

-Es  würde  sich  also  z.B.  der  Gegensatz  von  mil  'Honig' 
<  *'meli  und  -meil  'mahlt'  <  *melet  derart  erklären,  dafs  *meli 
über  mßli  (mit  geschlossenem  e)  zu  mel'  und  dieses  erst  zu 
mil  geworden  sei.  Andererseits  hätte  *m§let  sein  altes  offenes 
e  vor  dem  neutralen  e  beibehalten  und  wäre  zu  meV  und 
später  zu  meil  geworden.  Schon  die  Annahme  zweier  Formen 
mel'  und  m^l',  in  denen  die  Qualität  des  zwischen  ganz  gleichen 
Konsonanten  stehenden  e  derart  verschieden  gewesen  sei,  dafs 
die  eine  zu  meil,  die  andere  zu  mil  geworden  wäre,  mufs  uns 
vom  irischen  Standpunkt  aus  äufserst  unwahrscheinlich  und 
unglaublich  vorkommen;  obwohl  ein  Gegenbeweis  hier  kaum 
erforderlich  wäre,  läfst  er  sich  noch  dazu  wirklich  erbringen. 

Nach  H.  mülste  viros  'Name'  über  vir  (mit  offenem  i)  zu 
fer  geworden  sein,  ebenso  viri  über  vir  (mit  geschlossenem  i) 
zu  fir:  also  vjr  >  fer,  aber  mf  >  firl  Dafs  auch  der  Vokativ 
*vire  zu  fir  führte,  könnte  nur  unter  der  Voraussetzung  er- 
klärt werden,  dafs  man  annimmt,  dafs  das  i  des  Stammes 
von  altersher  geschlossen  gewesen  sei,  da  ja  das  e  keine  Ver- 
änderung der  Qualität  bewirkt.  Nur  *vire  könnte  über  *vir 
zu  fir  führen;  ein  stammhaftes  offenes  i  müfste  nach  der 
Analogie  von  (viros  >)  v^ir  >  fer  über  vjr  zu  feir  werden. 
Auf  gleiche  Weise  läfst  sich  auch  der  Beweis  führen,  dafs  man 
mit  H.  bei  w  ebenfalls  geschlossene  Qualität  voraussetzen  müfste. 

Nun  sind  wir  aber  zu  der  Annahme  genötigt,  dafs  im 
Altirischen  i  und  u  offen  ausgesprochen  werden  (vgl.  Pedersen, 
Gramm.  I  360),  wenn  auch  nicht  so  offen,  dafs  ihre  normale 
Aussprache  e  und  o  gewesen  wäre.  Schon  das  Verhältnis 
von  Hebung  und  Senkung  spricht  für  offenes  i  und  u,  denn 
während  die  Senkung  zu  e  und  o  fast  ausnahmslos  eintritt 


418  JULIUS   POKOENY, 

(blols  i  vor  nn,  nd  bleibt  unverändert),  wird  umgekehrt  die 
Hebung  von  e,  o  zu.  i,  u  durch  zahlreiche  Konsonanten  und 
Konsonantengruppen  gehindert  Dieser  Gegensatz  erklärt  sich 
am  besten  durch  die  Annahme,  dals  i  und  u  offen  waren  und 
infolge  ihrer  Hinneigung  zu  e  und  o  auch  leicht  in  diese 
übergehen  konnten,  während  altes  e  und  o  wiederum  infolge 
ihrer  offenen  Aussprache  einem  Übergang  in  *  und  u  weniger 
zugänglich  waren,  Dafs  im  Gallischen  gelegentlich  e,  o  statt 
i,  u  erscheinen  (Ped.  1 532)  und  in  den  britischen  Sprachen 
häufig  e,  0  ohne  Rücksicht  auf  die  umgebenden  Vokale  für 
i,  u  eingetreten  sind,  deutet  ebenfalls  auf  offene  Aussprache. 

Was  das  Irische  betrifft,  so  weisen  nicht  blofs  die  Ogham- 
Inschriften  (s.  unten),  sondern  auch  die  modernen  Dialekte 
ganz  unzweideutig  darauf  hin,  dals  auch  hier  i  und  u  offen 
gewesen  sein  müssen.')  Da  aber  Hessens  Annahme,  die  Um- 
färbung  von  i,  m  zu  e,  o  sei  erst  nach  der  Synkope  eingetreten, 
für  jene  Vokale  eine  geschlossene  Aussprache  erfordern  würde, 
werden  wir  die  ganze  unwahrscheinliche  Theorie  fallen  lassen 
müssen,  und  bei  der  alten,  einfachen  Erklärung  bleiben,  Jkfs 
die  Umfärbung  vor  der  Synkope  und  dem  Endsilbenschwund 
eintrat,  also  *viros  >  *veros  >  *ver  >  fer  usw. 

Den  Grund,  weshalb  H.  zu  seiner  merkwürdigen  Theorie 
gekommen  war,  lälst  uns  vielleicht  die  Behauptung  (S.  78  c) 
erraten,  dafs  sich  „der  Gegensatz  toissech :  tuus  am  ehesten 
durch  die  Annahme  erklärt,  dals  beim  Eintreten  der  Synkope 
die  Umfärbungen  noch  nicht  vollendet  waren",  dals  mithin 
tovissakos  (H.  schreibt  irrig  tovessakos)  durch  die  Synkope 
zu  toissech  geworden  sei,  bevor  noch  die  Hebung  von  o  zu  i 
eingetreten  wäre,  während  sich  das  von  der  Synkope  nicht 
berührte  zweisilbige  to-iss"  (irrig  *to-ess'*)  ungestört  zu  tuus 
entwickeln  konnte. 

Aber  schon  der  Diphthong  oi  in  toissech  zeigt  uns,  dals 
unser  Fall  mit  den  gewöhnlichen  Synkope -Fällen  nicht  auf 
gleicher  Stufe  steht,  da  sonst  eine  Form  to{i)ssech  mit  mono- 
phthongischem 0  hätte  entstehen  müssen.  Es  liegt  also  gar 
kein  Hindernis  vor,  für  v  eine  Sonderbehandlung  anzu- 


*)  Pedersens  Bemerkung,  dafs  das  o  im  Neuirischen  geschlossen  sei 
(Gramm.  134),  ist  für  die  Mehrzahl  der  Dialekte  bestimmt  unzutreffend. 


ZUR  CHRONOLOGIE  DER  ÜMPÄRBÜNG  DER  VOKALE.   419 

nehmen,  etwa  derart,  dafs  infolge  der  Verschmelzung  des  v 
mit  vorhergehendem  dunklen  Vokal  zu  ou  die  Hebung  des  o 
in  diesem  Falle  nicht  'gleichzeitig  mit  den  übrigen  Fällen 
eingetreten  sei  und  erst  nach  der  in  dreisilbigen  Worten 
bereits  erfolgten  Verschmelzung  zu  oi  eintrat,  weshalb  nur 
jüngere  Zweisilber  davon  betroffen  wurden.  Aus  dieser  leicht 
erklärlichen  Sonderbehandlung  des  v  darf  man  aber  keinen 
Schluls  auf  die  Umfärb ung  im  allgemeinen  ziehen,  wie  dies 
H.  mit  Unrecht  getan  hat. 

Mit  Rücksicht  auf  die  verschiedenen  ungeklärten  Fragen 
der  Chronologie  scheint  mir  daher  eine- neuerliche  systematische 
Untersuchung  wohl  am  Platze. 

Wie  verhalten  sich  denn  tatsächlich  Hebung  und  Senkung 
zu  einander  und  zu  anderen  lautlichen  Veränderungen  und 
besteht  ein  Unterschied  in  der  Behandlung  betonter  und  un- 
betonter Vokale?  Die  Ogham- Inschriften  möchte  ich  hier 
vorläufig  ganz  aufser  Betracht  lassen. 

a)   Hebung. 

Für  die  Hebung,  durch  die  e  und  o  zu  i  und  u  werden, 
ergibt  sich  folgendes: 

Aus  Beispielen,  wie  muir  'Meer'  <  mori,  fuillned  'Hinzu- 
fügen' <  *fo-linatus  geht  klar  hervor,  dals  sie  älter  sein 
muls  als  Endsilbenschwund  und  Synkope,  was  noch 
besonders  durch  den  Gegensatz  von  beir  'trage!'  <  *bere  oder 
toirthech  'fruchtbar'  <  *to-retäJcos  mit  gleichfalls  palataler 
folgender  Konsonanz  deutlich  wird. 

Sie  muls  jedoch  auch  älter  sein  als  die  Ersatzdehnung 
vor  r,  l,  n.  Denn  *monildo-  'Halsband'  mufs  die  Zwischen- 
stufe *muniklo-  durchlaufen  haben,  bevor  es  über  *muneJclO' 
mit  Ersatzdehnung  zu  *munelo-,  air.  mu{i)nel  werden  konnte, 
denn  die  Hebung  tritt  vor  ^  nicht  ein,  muls  also  zu  einer 
Zeit  stattgefunden  haben,  als  das  i  noch  erhalten  war. 
Auch  -konnte  damals  das  h  noch  nicht  geschwunden  sein. 
Dasselbe  gilt  für  cuilen  'junger  Hund'  <  *kolignos. 

Dem  gegenüber  fällt  auf,  dafs  in  denum  'Tun'  <  *de-gmmu-, 
söinmech  'glücklich'  <  *so-gnlmu-Tcos  die  Hebung  unterblieben 
ist.  Hessen  (S.  12)  versucht  sich  die  Sache  so  zurecht  zu 
legen,   „dafs  die  Gruppe  yv  zur  Zeit  der  Umfärbung  doch 


420  JULIUS  POKORNY, 

bereits  eine  gewisse  Änderung  erfahren"  hätte.  Wie  das 
gemeint  ist,  ist  mir  niclit  klar,  doch  gibt  es  da  eine  andere, 
ganz  einfache  Erklärung:  die  Gruppen  yv^  yg,  yX  mit  spi- 
rantischem g  hindern  eben  die  Hebung,  ebenso  wie  cIiq, 
ßQ  u.  a.  m. ;  dals  im  Gegensatz  zu  ßQ  das  erste  Element  in 
jenen  Gruppen  später  geschwunden  ist,  ändert  natürlich  an 
der  Sache  nichts;  spirantisch  gewordene  Yerschlufslaute 
+  Sonorlaut  lassen  in  keinem  Falle  die  Hebung  zu. 

Die  Hebung  in  Tonsilben  muls  ferner  älter  sein  als 
die  in  unbetonten  Silben,  wie  toimtiu  'Meinen'  aus  *to- 
metiü  (<  *to-mentiö)  zeigt.  Wäre  nämlich  tomUiu  (mit  gekürztem 
unbetontem  g)  vor  der  Hebung  in  Tonsilben  zu  *tomitiu  ge- 
worden, so  hätte  das  schlielslich  über  Humitiu  eine  Form 
Huimtiu  ergeben  müssen. 

Aber  nicht  blols  das.  Es  läfst  sich  sogar  zeigen,  dals 
die  Hebung  in  unbetonten  Silben  vor  der  Zeit  der  Synkope 
überhaupt  nicht  eingetreten  sein  kann  und  dafs  alle  hebungs- 
ähnlichen Erscheinungen  der  späteren  Zeit  blofs  auf  Umlauts- 
erscheinungen beruhen.  Wenn  nämlich,  die  Hebung  in  un- 
betonten Silben  überhaupt  vor  der  Synkope  eingetreten  wäre, 
so  hätte  z.  B.  '^vedonjäs  (Gen.  Sg.  von  *vedonä  'Joch';  vgl. 
Pedersen,  Gramm.  II 516  Anm.)  zu  *vedunjäs  werden  müssen. 
Da  aber  bei  der  Synkope  M-farbene  +  palatale  Konsonanz  eine 
palatale  Gruppe  ergibt,  so  hätte  *vedunjäs  zu  *feidne  werden 
müssen.  Ebenso  hätten  *virodjos^)  'nämlich',  *kunodjos 
'hündisch'  über  *verodjos,  *konodjos,  später  *verudjos,  *konudjos 
zu  *feirde,  *coinde  werden  müssen,  wogegen  in  Wirklichkeit 
nur  fedn{a)e,  ferd{a)e,  cond{a)e  überliefert  sind,  die  den  un- 
zweifelhaften Beweis  dafür  erbringen,  dals  eine  Hebung  in 
unbetonten  Silben  überhaupt  nicht  existiert. 

Wenn  der  lateinische  Genetiv  legendi  air.  als  Ugind  er- 
scheint, so  ist  das  i  hier  nicht  anders  zu  deuten,  als  in  *berete 
('ihr  tragt')  >  air.  he{i)rid,  wo  es  in  keinem  Falle  durch 
Hebung  entstanden  sein  könnte.  Zwischen  palatälen  Kon- 
sonanten ist  eben  zur  air.  Zeit  jeder  unbetonte  Vokal  ohne 
Rücksicht  auf  seine  Herkunft  zu  i  geworden. 


*)  DaTs  der  Vokal  vor  dem  Suffix  -de  ein  o  gewesen  sein  mufs,  habe 
ich  KZ  47, 160  gezeigt. 


ZUR  CHRONOLOGIE  DER  ÜMFÄUBÜNG  DER  VOKALE.   421 

b)  Senkung. 

Durch  die  Senkung  werden  bekanntlich  u  und  i  vor 
dunklem  Vokal  der  Folgesilbe  zu  o  und  e. 

Auch  die  Senkung  muls,  nach  Beispielen  wie  -hen  'schlägt' 
<  *binat,  ferd{d)e  'männlich'  <  *vlrodjos  zu  schliefsen,  älter  sein 
als  Endsilbenschwund  und  Synkope^  ebenso  auch  (wegen  hrön 
'Kummer'  <  *brugnos)  älter  als  die  Ersatzdehnung  vor  r,  l,  n. 

Die  Senkung  in  Tonsilben  mufs  ferner  älter  sein  als 
die  in  unbetonten  Silben,  wie  ulchach  'bärtig'  <  *{p)nlu- 
hälcos  oder  Ulad  (Gen.  PI.)  'ülsterleute'  <  *{p)ulutöm  zeigen, 
denn  wäre  sie  in  unbetonten  Silben*  früher  eingetreten,  so 
wären  *uluJcäJcos,  *ulutöm  über  *ulokäkos,  *ulotöm  zu  *olokäJcos, 
*olotöm,  und  endlich  zu  *olchach,  *Olad  geworden. 

Dafs  wir  im  Gegensatz  zur  Hebung  tatsächlich  von  einer 
Senkung  in  unbetonten  Silben  sprachen  dürfen,  zeigen  muinel 
'Hals',  cuiUn  'junger  Hund',  die  Grundformen  wie  *muneJdos, 
*kulegnos  voraussetzen,  in  denen  das  unbetonte  e  nur  durch 
Senkung  aus  etymologisch  und  lautgesetzlich  vorauszusetzendem 
i  hervorgegangen  sein  kann. 

Diese  beiden  Beispiele  beweisen  auch,  dafs  die  Senkung 
in  unbetonten  Silben  jünger  sein  mufs  als  die  Hebung 
(in  Tonsilben),  denn  *moniklo-,  *koligno-  müssen  noch  vor  der 
Senkung  des  i  zu  e  durch  Hebung  zu  *muniklo-,  *kuligno- 
geworden  sein,  da  andernfalls  die  Hebung  niemals  zustande 
gekommen  wäre,  da  diese  nur  vor  i,  niemals  aber  vor  e  statt- 
finden kann. 

Aus  der  Tatsache,  dafs  die  Senkung  in  unbetonten  Silben 
jünger  ist  als  die  Hebung  (in  Tonsilben)  und  dafs  anderer- 
seits die  Senkung  in  unbetonten  Silben  auch  jünger  sein  mufs 
als  die  in  Tonsilben,  können  wir  die  Möglichkeit  ableiten, 
dafs  in  Tonsilben  Hebung  und  Senkung  gleichzeitig 
eingetreten  seiBn,  was  auch  sehr  wahrscheinlich  ist,  da 
beide  auf  dem  Prinzip  der  Assimilation  der  Vokalqualitäten 
(offen  und  geschlossen)  beruhen.  Wenn  wir  die  Entwicklung 
von  air.  ulchach  'bärtig',  muinel  'Hals',  Tornae  (Eigenname), 
ferd{a)e  'männlich',  tuirem  'Aufzählung',  toimtiu  'Meinung'  in 
einem  chronologischen  Schema  von  der  idg.  Urzeit  bis  un- 
mittelbar zum  Eintreten  der  Synkope  zusammenstellen,  ergibt 
sich  somit  folgendes  Bild: 

Zeitschrift  f.  celt.  Philologie  XH,  3.  28 


422 

JULIUS 

POKORNY, 

pulu-kä-lco-s 

ulu'/ayos 

!  uXoyaxo{s) 

uXoyax{a) 

moni-Mo-s 

muviyXos 

muvexXo{s) 

muve{u)X{a) 

turo-njo-s 

tOQOvijos 

toQOveo{s) 

tOQOve{a) 

viro-djo-s 

veQOÖijos 

veQOÖeo(s) 

v€QOÖe{a) 

io-rlmä 

tUQ^flä 

tuQßfia 

tuQen{a) 

to-men-tjö 

tofieddiju 

tofieddijü 

tofieddju 

c)   Die  Umfärbung  in  den  Ogham-Insehriften. 

Die  Ogham-Inscliriften  umfassen  deutlich  die  gesamte 
Zeit  des  Endsilbenschwundes  (RITTAVECAS,  DENAVECA, 
RITTAVECC)  bis  kurz  vor  dem  Eintreten  der  Synkope  und 
die  jenem  unmittelbar  vorausgehende  Zeit;  es  müssen  also 
nach  dem  ausgeführten  auch  die  Umfärbungen  gleichsam  vor 
unseren  Augen  stattfinden.  Dals  dies  auch  wirklich  der  Fall 
ist,  daran  wird  trotz  Hessen  (1.  c.  S.  77)  kein  Unbefangener 
zweifeln  können. 

Beispiele  der  Senkung  sindi): 

(COLLA)BOTA  (212),  (COILLA)BBOTAS(79),  (COLA)BOT 
(78,  183)  neben  älterem  (CATTU)BUTTAS  (J.  1908,  S.  203). 

(GLASI)CONAS  (16,  71),  (LOBA)CONA  (240),  (LOBA)- 
CCONA  (212),  (ASSI)CONA  (203),  (OLA)CON  (28)  neben 
älterem  (GAMI)CUNAS  (42)  usw. 

(VEß)GOSO  (192)  neben  älterem  (CÜNA)GÜSOS  (139, 182). 

CONANN  (144)  für  älteres  *CUNAGNL 

(RITTA)VVECCAS  (69),  (RITTA)VVECC  (100),  (DENA)- 
VECA(220),  (LUGU)VVECCA  (112),  (BOGAGA)VVECC  (120) 
neben  älterem  (CALÜNO)VICA  (214)  usw. 

Beispiele  der  Hebung  sind: 

INIGENA  für  ^älteres  *ENIGENA,  INBIRI  (38)  für  älteres 

*EN ,  INEQ AGLAS  (J.  1898,  S.  57)  für  älteres  *ENEQAG- 

LASI.  Die  letztgenannten  zwei  Beispiele  sind  besonders  inter- 
essant, da  hier  das  i  nur  einer  Analogiebildung  seine  Ent- 
stehung verdanken  kann;  es  muls  aus  der  längeren  Form 
der  Präposition  ini  (<  *eni)  übernommen  worden  sein.  Ein 
„Schwanken  im  Vokalismus"  von  dem  Hessen  spricht,  ist  eben 


*)  Die  Zahlen  beziehen  sich   auf  MacAlisters  Werk; 
Journal  of  the  Royal  Society  of  Antiquaries  of  Ireland. 


J.  bedeutet 


ZUR  CHRONOLOGIE  DER  ÜMFÄRBUNG  DER  VOKALE.    423 

nur  unter  der  Voraussetzung  verständlich,  dafs  neben  en  schon 
eine  durch  Hebung  entstandene  längere  Form  ini  lag. 

(VOR)TIGURN  (236),  (VORR)TIGURN  (148), TIGIRN 

(95)  neben  älterem  TEGG (102).    Das  erste  i  in  TIGIRN 

kann,  wenn  es  nicht  wie  das  zweite  i  zu  erklären  ist,  nur 
Analogiebildung  sein,  da  aus  etymologischen  Gründen  TIGIRU 
nur  ungenaue  Schreibung  für  *TIGERÜ  sein  kann,  neben 
dem  eine  Bildung  TIGÜRN  mit  Suffixwechsel  wohl  möglich 
erscheint.  Das  i  in  *TIGERN  kann  von  TIGURN  oder  vom 
Genetiv  des  Wortes  tech  'Haus'  {tige  <  Higjas  <  *tegesos) 
genommen  sein. 

Der  Grund,  weshalb  wir  so  wenige  Beispiele  der  Hebung 
(im  Verhältnis  zur  Senkung)  vorfinden,  ist  ganz  klar.  Denn 
vor  allem  wird  die  Hebung  durch  eine  ganze  Anzahl  von 
Konsonanten  und  Konsonantengruppen  gehindert,  was  allein 
schon  ungefähr  die  doppelte  Zahl  von  Senkungsfällen  erwarten 
Heise ;  aulserdem  aber  sind  auch,  wie  ich  oben  bewiesen  habe, 
die  vorhandenen  Hebungsfälle  auf  betonte  Silben  beschränkt, 
was  dann  im  ganzen  etwa  die  vierfache  Zahl  von  Senkungs- 
fällen erwarten  lälst. 

Das  0  im  seltenen  MOCOI,  MOCCOI,  MOCO  neben  regel- 
mälsigem  MUCOI  (wohl  dreisilbig)  dürfte  wahrscheinlich  auch 
durch  Senkung  entstanden  sein.  Dals  in  den  oben  erwähnten 
Formen  RITTAVVECCAS,  RITTAVVECC  die  Senkung  nur 
in  unbetonter  Silbe  eingetreten  wäre,  ist  nicht  anzunehmen. 
Da  es  sich  im  ersten  Teil  des  Wortes  um  den  Namen  einer 
eponymen,  mythischen  Ahnherrin  handelt,  haben  wir  entweder 
traditionelle  Schreibung  oder  Analogie  zum  Genetiv  RITEAS, 
wo  das  i  erhalten  bleiben  mulste,  vor  uns.  Es  wird  sich 
auch  in  vielen  anderen  Fällen  die  hergebrachte  Orthographie 
noch  längere  Zeit  nach  erfolgter  Umfärbung  erhalten  haben. 
Ebenso  erklärt  sich  in  Inschr.  212  das  Nebeneinander  von 
COLLABOTA,  LOBACCONA  und  LUGO  (sie  leg.),  wo  das  u 
nur  orthographisch  bewahrt  erscheint. 

Es  ist  ganz  selbstverständlich,  dals  sich  zur  Zeit  des 
Überganges  von  i,  u  in  e,  o  und  umgekehrt  eine  gewisse 
Unsicherheit  in  der  Orthographie  geltend  machen  mulste, 
wozu  noch  die  traditionelle  Erhaltung  mancher  umgelauteten 
Vokale  kam,"  so  dals  es  uns  nicht  befremden  darf,  wenn  i 

28* 


424  JULIUS   POKORNY, 

und'  e  sowie  u  und  o  gelegentlich  in  der  Schrift  verwechselt 
wurden. 

So  ist  TOGITTACC  (29)  sicher  für  *TOGETTACC  (zu 
arch.  ioceth,  air.  tocad  'Glück')  verschrieben,  ebenso  das  oben 
erwähnte  TIGIRN  (95)  für  *TIGERN  oder  *TEGERN.  SOGINI 
(198),  air.  (Corcii)  Sogain,  ist  offenbar  der  Genetiv  von  *SU- 
GENOS  'wohlgeboren'  und  mufs  für  *SOGENI  verschrieben 
sein,  da  in  unbetonten  Silben  die  Hebung  nicht  eintreten 
kann.  Das  o  kann  für  u  verschrieben  sein  oder  eine  Analogie- 
bildung darstellen,  da  su-  noch  in  der  Oghamzeit  vor  dunkeln 
Vokalen  zu  so-  geworden  war.  QRIMITIR  (56)  ist  für 
*QRIMITER  verschrieben,  das  wiederum  aus  altbritisch 
*PRIMITER  (eine  in  Anlehnung  an  lat.  primus  erfolgte  Um- 
bildung aus  spätlat.  prebiter  <  preshyter)  entlehnt  ist. 

Wenn  Mac  Allster  mit  seiner  Lesart  COMGINI  (123) 
recht  hätte,  könnte  man  GINI  als  für  GENI  stehend  ansehen; 
das  Fehlen  des  Mittelvokals  bei  erhaltener  Endsilbe  macht 
jedoch  stutzig.  Ich  lese  daher  CONGINI,  einen  Genetiv  von 
*CONGINNOS  das  Maskulinum  zu  gallisch  Conginna,  irisch 
Congenn  (Meyer,  Wortkunde  §  72).  Marstranders  Einwände 
gegen  die  Zusammenstellung  von  Conginna  und  Congenn  (Rev. 
Gelt.  36, 381/2)  sind  aus  der  Luft  gegriffen.  Gewils  hätte 
Conginna  lautgesetzlich  *Congann  ergeben;  das  palatale  ng 
ist  aber  ebenso  aus  den  obliquen  Kasus  in  den  Nominativ 
gedrungen,  wie  z.  B.  das  palatale  r  in  foirenn  'Schaar',  da 
v,rlnä  lautgesetzlich  nur  zu  *farann  geführt  haben  würde. 

Noch  zahlreicher  sind  die  Verwechslungen  von  o  und  w; 
so  steht  0  an  Stelle  des  zu  erwartenden  u  in  MEDDOGENI 
(176),  zum  tt- Stamm  medu-  gehörig,  ebenso  in  dem  mehrfach 
belegten  DOV(V)INIA(S)  (13,  20,  32  usw.),  dem  Genetiv  des 
air.  Heroinennamens  JDwihen  (Rhys,  Hibbert  Lect.  521);  der 
Name  hängt  entweder  mit  air.  duh  'schwarz'  zusammen  oder 
ist  als  *dw-Z/i-wä  9  (Wz.  *hhvi  'sein')  zum  Männernamen  Suibne 
und  zu  air.  dubae  'Trauer',  subae  'Freude'  zu  stellen.  In  jedem 
Fall  wird  er  wohl  mit  altem  u  angesetzt  werden  müssen, 
ebenso  wie  DOVAIDONA  (127),  DOVETI  (14),  DOVATUCI 

1)  Irrig  setzen  Marstrander  (oben  VII  378  Anm.)  und  Mac  Neill  einen 
yo- Stamm  an;  DOVINIAS  ist  der  regelmäfsige  Genetiv  eines  ä- Stammes 
*DÜBmA. 


ZUR  CHRONOLOGIE  DER  ÜMFÄRBÜNQ  DER  VOKALE.    425 

=  air.  Buothaig,  und  DOVALESCI  (129)  =  Duibleisc.  Diese 
Namen  enthalten  höchstwahrscheinlich  den  Stamm  duhu- 
' schwarz';  das  a  in  der  Kompositionsfuge  wird  analogisch 
durch  Einfluls  der  o -Stämme  an  Stelle  des  w  getreten  sein; 
wenn  dieser  Ersatz  noch  vor  Einsetzen  der  Senkung  ein- 
getreten wäre,  könnte  allerdings  das  o  in  DOVA-  lautgesetzlich 
aus  M  entstanden  sein;  altirisch  kann  das  m  aus  dem  Simplex 
restituiert  worden  sein;  andernfalls  hätte  das  a  keinen  Ein- 
fluls mehr  auf  die  Qualität  des  u  nehmen  können.  Das  pala- 
tale  b  in  air.  Duibleisc  ist  erst  später  durch  Assimilation  an 
das  vom  Simplex  beeinflulste  leise  entstanden  oder  kann  laut- 
gesetzlich aus  einer  Dublette  *Dubu-lescl  entstanden  sein. 

Ferner  steht  o  statt  u  in  LUGGODICA(S)  =  air.  Luig- 
deck,  vielleicht  auch  in  CONÜRI  (60,  61)  neben  lateinisch 
geschriebenem  Cunuri,  das  den  Stamm  *cuni-  'hoch'  oder 
*amo-  'Hund'  zu  enthalten  scheint;  ferner  in  CONUNETT  (60) 
=  CUN[A]NETTAS  (225)  =  air.  Connad.  Das  u  in  CONU- 
NETT mufs  für  a  verschrieben  sein;  der  Steinmetz  dachte 
offenbar  schon  an  das  folgende  CONÜRI,  dessen  u  mir  übrigens 
nicht  ganz  klar  ist.  Hierher  gehören  weiter  LOGITTI  (83) 
und  LOG...  (53),  die  den  Stamm  lugu-  enthalten.  Wegen 
abrit  Curcagni,  ac.  Circan  ist  auch  CORRC  (180)  neben  CURCI 
(46),  CüRCITTI  (17)  hierher  zu  stellen,  da  es  kaum  mit  air. 
*corcae  (später  coirce)  'Hafer'  und  Corcu  in  Stammesnamen 
zusammenhängt. 

Gelegentlich  kommt  auch  der  umgekehrte  Fall  vor,  dafs 
nämlich  u  an  Stelle  des  lautlich  berechtigten  o  geschrieben 
wird,  so  in  VEDUCURI  (175)  =  air.  Fidchuiri,  wo  wir  VEDU- 
CORI  erwarten,  ebenso  in  GOSSUCTTIAS  (41)  neben  regel- 
mälsigem  GOSOCTEAS  (mit  durch  Senkung  entstandenem  e). 

Was  VOREDRAN  (116)  neben  VURODDRANN  (72)  und 
UDDRAMETT  (198)  betrifft,  so  weils  ich  nicht,  ob  der  erste 
Name  nicht  auch  *VORUDRAN  gelesen  werden  darf;  UDDRA- 
würde  dann  die  älteste  Form  des  Stammes  darstellen,  VORUD- 
RAN  wäre  ein  regelmälsiges  Kompositum  mit  VOR-  (air.  for-) 
und  in  VURODDRANN  könnte  in  der  ersten  Silbe  Hebung 
und  in  der  zweiten  Silbe  (etwas  später)  Senkung  eingetreten 
sein;  mit  Gewilsheit  möchte  ich  mich  aber  darüber  vorläufig 
noch  nicht  äulsern. 


426  JULroS   POKORNY,   ZUR   CHRONOLOGIE   USW. 

Den  so  häufigen  Wechsel  von  u  und  o  kann  man  aber 
auch,  in  einem  Teil  der  Fälle  wenigstens,  auf  andere  Weise 
erklären.  In  West -Kerry  (andere  Dialekte  Munsters  habe 
ich  nicht  gehört)  wird  nämlich  altes  u  in  vielen  Fällen  derart 
offen  ausgesprochen,  dals  man  oft  zweifeln  kann,  ob  ein  u 
oder  0  vorliegt,  und  ich  habe  in  meinen  Aufzeichnungen 
dasselbe  Wort  bald  mit  o,  bald  mit  u  aufgezeichnet,  so  z.  B. 
in  duhh  'schwarz',  guth  'Stimme',  muc  'Ferkel'  usw. 

Bedenkt  man  nun,  dals  alle  DOVINIAS- Inschriften  und 
von  den  übrigen,  die  o  für  u  schreiben,  eine  grofse  Zahl 
(z.  B.  5, 14,  83)  aus  Kerry,  namentlich  aus  West -Kerry  stammen, 
so  wird  man  zu  der  Vermutung  geführt,  dals  die  heutige 
dialektische,  stark  offene  Aussprache  vielleicht  in  so 
alte  Zeiten  zurückgehen  könnte  und  in  den  Ogham- 
Inschriften  ihren  ersten  Niederschlag  gefunden  haben  dürfte. 

Mit  Rücksicht  auf  die  hier  nachgewiesene  Unsicherheit 
der  Schreibung  in  den  Ogham- Inschriften  wird  man  bei  der 
etymologischen  Verwertung  dieses  Materials  nur  mit  grölster 
Vorsicht  verfahren  müssen;  immerhin  aber  wird  man  mit 
einer  gewissen  Reserve  die  Vorgänge  der  Hebung  und  Senkung, 
wie  sie  oben  dargestellt  sind,  als  dargetan  annehmen  dürfen. 

Wien.  Julius  Pokorny. 


MITTELIR.  TIC  =  TUC. 


In  Aislinge  Meic  Con  Glinne  kommt  mehrmals  tic  vor,  wo 
man  tue  erwartet,  z.  B.  51, 13  tic  uhall  dö  'er  gibt  (eig.  kommt) 
ihm  einen  Apfel'.  Ebenso  51, 6.  87,  24  {ticimm  bulli  de).  Stokes 
meinte,  dafs  das  nur  Verschreibung  wäre,  aber  der  Gebrauch 
findet  sich  auch  sonst,  z.  B.  ticc  an  der  eck  aithne  fair  Cog.  92, 1. 
Es  handelt  sich  vielmehr  um  eine  volkstümliche  Substitution 
von  'kommen'  für  'geben',  die  ebenfalls  im  Kymrischen  vor- 
liegt, wo  dowch  statt  rhoddwch  gebraucht  wird.  Auch  unser 
studentisches  'ich  komme  dir  einen  Ganzen'  u.  dgl.  lälst  sich 
wohl  vergleichen. 

KüNG  Meyer. 


DIE  ENDUNGEN  DER  2.  SING.  PRÄSENTIS 
IM  ALTIRISCHEN. 


Über  die  Deutung  der  Endungen  der  2.  Sing.  Präs.  des 
Indikativs  und  ä- Konjunktivs  und  die  dabei  zur  Anwendung 
kommenden  Lautgesetze  herrscht  in  den  Handbüchern  völlige 
Unsicherheit. 

I.   Die  ä-Terba  {möraid  'macht  grols'). 

Indikativ  unverbunden  mör{a)i,  verbunden  ■m6r{a)i. 
Konjunktiv  „  mör{a)e,  „  •mör{a)e. 

Als  Gründform  kommt  für  beide  verbundene  Formen  nur 
*-mör-ä-s,  für  die  unverbundenen  nur  *mör-ä-si  in  Betracht,  da 
bei  den  ä -Verben  Indikativ-  und  Konjunktivstamm  zusammen- 
gefallen sind.  Die  Verschiedenheit  der  altirischen  Formen  ■ 
erklärt  Thurneysen  (Hdb.  §  558)  dadurch,  dals  das  indika- 
tivische -i  aus  den  Paradigmen  der  starken  {*beri  <  *bher-e-si 
'trägst')  und  der  l" -Verben  {*rimi  <  *nm-i-si  'zählst')  ein- 
gedrungen sei.  Das  -(a)e  des  Konjunktivs  sei  regelrecht  aus 
*-äsi  entstanden. 

Pedersen  (Gramm.  II 343,  355)  nimmt  ebenfalls  an,  dals 
•äst  zu  -(a)e  geworden  sei.  Die  verbundene  Konjunktivform 
erklärt  er  jedoch  aus  *bher-ä-jei  oder  *bher-ä-ei.  Bezüglich 
der  Indikativformen  scheint  er  gleichfalls  Thurneysens  Ansicht 
zu  teilen.  Merkwürdigerweise  lälst  er  -asi  (mit  kurzem  a) 
regelrecht  zu  -(a)i  werden,  indem  er  ben(a)i  'schlägst'  auf 
*bhi-na-si  zurückführt.  Da  im  Irischen  lange  Vokale  in  un- 
betonten Mittelsilben  schon  früh  wie  kurze  Vokale  behandelt 
worden  sind,  will  mir  ein  solcher  Unterschied  in  der  Behandlung 
durchaus  nicht  einleuchten.    Da  intervokalisches  s  nach  dem 


428  Julius  pokorny, 

Zeugnis  der  Ogham- Inschriften  noch  vor  dem  Endsilbenschwund 
kurzer  Vokale  geschwunden  sein  mufs,  handelt  es  sich  hier 
um  das  Problem  auslautender  Vokale  nach  Hiatus  in  un- 
betonten Silben,  das,  soviel  ich  sehe,  noch  niemals  systematisch 
behandelt  wurde.  Meine  Untersuchungen  haben  mich  zu 
folgendem  Ergebnis  geführt: 

1.  Auslautendes  altes  S  (+  geschwundener  Konsonanz) 
schwindet  nach  i  (j)  spurlos: 

du{i)ni  (Vok.  Sg.)  'Mensch'  <  *dunije;  meite  (Gen.  Sg.) 
'Grölse'  <  *metijes  (oder  *metijäs?). 

2.  Auslautendes  e,  das  aus  jo-,  ja  (+  geschwundener 
Konsonanz)  entstanden  ist,  bleibt  in  jedem  Falle  erhalten: 

ass{a)e  'leicht'  <  *assae  <  *ad-sthäjo-;  tuaithe  (Gen.  Sg.) 
'Volk'  <  iöthe  <  töthea  <  *teutijäs. 

3.  Auslautendes  altes  ^  (+  geschwundener  Konsonanz) 
bleibt  (aulser  nach  i,  f)  stets  erhalten : 

-cüal{a)e  'er  hörte'  <  *köcMove  <  *kuklove;  -leb{a)e  'er 
starb'  <  *bebase,  ■acc(a)e  'er  sah'  <  *aJc'oh''ose  <  ad-]c''e-k''os-e. 

Nach  Regel  1  hätte  *ad-k''e-k''ois-e  (mit  früh  geschwun- 
denem s)  air..  *acc(a)i  ergeben  müssen ;  da  aber  das  Präs.  ad-ci, 
das  nur  auf  "k^iset,  nicht  aber  auf  *k'eset  zurückgehen  kann, 
zur  Annahme  einer  Wurzel  k^eis  zwingt  (Skr.  ca-k§-ate,  das 
von  Pedersen  II 490  herangezogen  wird,  ist  also  fern  zu  halten), 
muls  man  annehmen,  dafs  das  im  Perfektum  berechtigte  oi 
der  Wurzelsilbe  analogisch  durch  das  häufigere  o  der  e-Wurzeln 
ersetzt  worden  ist  (KZ  47, 164  ist  entsprechend  zu  verbessern). 

4.  Auslautendes  -ä  (+  geschwundener  Konsonanz),  mit 
dem  -ö  zusammengefallen  ist,  bleibt,  aufser  nach  altem  oder 
neu  entwickeltem  i,  j  (Regel  2)  unverändert  erhalten : 

■cüala  'ich  hörte'  <  *köc}ilova  <  *kuklova]  {do)-roiga  'ich 
habe  gewählt'  <  *roigösa  <  *pro-gegousaA) 

5.  Auslautendes  -#  (+  geschwundener  Konsonanz)  bleibt 
in  jedem  Falle  erhalten: 

mudu  (Dat.  Sg.)  'vergeblich'  <  *madovü]  -deccu  'ich  sehe' 

<  *dskiju  <  *Je-en-Ä''/s-ö;  assu  (Dat.  Sg.)  'leicht'  <  *assajü 

<  *ad-sthä-jö. 


0  J.  F.  35, 181  mufa  es  natürlich  überall  gegout-  statt  gtgeus-  hcifsen. 


DIE   ENDUNGEN  DER  2.  SING.  PRÄS.   IM   ALTIRISCHEN.       429 

Wir  sehen  also,  dals  auslautende  Vokale,  aufser  nach  j, 
durchweg-  unverändert  erhalten  bleiben,  dals  ferner  i  beim 
Zusammentreffen  mit  e  (1.)  den  Sieg  davon  trägt;  halten  wir 
uns  weiter  vor  Augen,  dafs  geschwundenes  auslautendes  -i 
auf  den  vorhergehenden,  der  Hebung  zugänglichen  Vokal 
anders  wirkt  als  -e,  also  nach  Konsonanz  nichtr  zu  e  geworden 
sein  kann,  so  werden  wir  a  priori  auch  die  Erhaltung  des  i 
nach  Vokal  erwarten  dürfen  und  somit  die  Vermutung  auf- 
stellen : 

6.  Auslautendes  -^  (+  geschwundener  Konsonanz)  bleibt 
in  jedem  Falle  erhalten. 

Wenn  wir  dann  sehen,  dals  den  Grundformen  *möräsi 
'du  machst  grols',  *bhinasi  'du  schlägst'  im  Altirischen  m6r{a)i 
und  ben(a)i  entsprechen,  werden  wir  nicht  daran  zweifeln, 
dals  hier  wirklich  lautgesetzliche.  Formen  vorliegen!  Und 
wenn  im  Konjunktiv  eine  Form  mörae  erscheint,  so  werden 
wir  doch  nicht  diese  Form  als  lautgesetzlich  und  die  andere 
als  analogisch  zu  erklären  suchen !  Um  so  mehr,  als  sich  das 
Schicksal  des  auslautenden  -i  ganz  zwanglos  in  das  Lautgesetz 
fügt,  das  wir  unter  Zusammenfassung  des  bisher  Gesagten 
aufstellen  könneii: 

Auslautende  Vokale  (+  geschwundener  Konsonanz) 
bleiben,  aufser  nach  j,  nach  unbetontem  Vokal  unver- 
ändert erhalten;  ja,  Jo  bleiben  als  e,  je  als  i,  jü  als  u. 

Die  Indikativformen  der  ä-Verba  sind  somit  lautgesetzlich, 
nur  ist  die  unverbundene  Form  verallgemeinert  worden,  teils 
um  den  Zusammenfalls  mit  der  verbundenen  3.  Sg.  zu  verhüten, 
teils  nach  dem  Muster  der  i-Verba,9  wo  unverbundene  und 
verbundene  2.  Sg.  {*rmn-si  und  rimi-s)  lautgesetzlich  zusammen-  • 
gefallen  waren. 

Die  Deutung  der  Konjunktivformen  auf  -(a)e  ist  nun 
nicht  mehr  schwer :  Ich  habe  (KZ  46, 282)  nachgewiesen,  dafs 


^)  Bei  jenen  ä-Verben,  die  auf  alte  -ö/o-Stämme  zurückgehen,  mufsten 
ebenfalls  die  verbundene  und  unverbundene  2.  Sg.  zusammenfallen ,  da  so- 
wohl -äjes  wie  -äjesi  zu  -{a)i  führten.  Wenn  auch  der  Ersatz  der  -äjo- 
durch  ä- Stämme  noch  vor  der  Synkope  erfolgte,  könnten  doch  in  diesem 
Falle  die  alten  Endungen  bewahrt  worden  sein  und  ebenfalls  als  Muster 
gedient  haben. 


430  JULIUS  POKORNY, 

die  verbundene  3.  Sg.  des  Konj.  Präs.  der  ?-Verba  ihre  Endung 
den  ä-Verben  entnommen  haben  muls.  Umgekehrt  wurde 
nun,  um  einen  Unterschied  von  der  2.  Sg.  des  Indikativs  zu 
schaffen,  die  Endung  -e  des  Konjunktivs  der  «-Verba  auf  die 
ä-Verba  übertragen,  also  mör(a)e  statt  mör{a)i  durch  Einfluls 
von  rime  usw. 

Nach  Feststellung  obiger  Auslautgesetze  dürfen  nunmehr 
tan{a)e  'dünn',  mad{a)e  'vergeblich'  nicht  mit  Thurneysen 
(Hdb.  §  205)  auf  *tanavi-,  bzw.  *madavi-  zurückgeführt  werden; 
es  sind  vielmehr  *tanovos,  *madovos  anzusetzen  (vgl.  oben  nmdu), 
die  dann  durch  Angleichung  an  die  jo- Stämme  (Pedersen  §  427) 
zu  tan{a)e,  mad{a)e  wurden.  Die  (nur  im  Britischen  nach- 
weisbaren) Nebenformen  mit  -avo-  (abr.  madau,  mbr.  tanau) 
sind  nicht  mit  Pedersen  (11 15)  durch  Suffix  Wechsel,  sondern 
nach  dem  von  mir  kürzlich  (J.  F.  38, 000)  festgestellten  Laut- 
gesetz zu  erklären,  wonach  im  Gallo -Britischen  die  Lautgruppe 
ova  zu  ava  wurde,  z,  B.  c.  natu  'neun'  <  *navan  <  *novan 
<  *nevn.  Es  handelt  sich  also  hier  um  gelegentlich  verall- 
gemeinerte Femininformen,  *madavä  regelrecht  aus  *madovä  usw. 

II.   Die  'T-Yerba  {nmid  'zählt'). 

Indikativ  unverbunden  rimi,  verbunden  -rimi 
Konjunktiv         „  rime,         „  -rime. 

Der  Indikativ  geht  auf  *nmlsi,  *-rJmis  zurück.  Die  Grund- 
formen des  Konjunktivs  sind  *rimijäsi,  *-rlmijns,  die  regelmälsig 
unverbunden  *nmi,  verbunden  -rime  ergaben.  Da  jedoch  im 
Indikativ  kein  Unterschied  zwischen  beiden  Formen  bestand, 
wurde  im  Konjunktiv  das  verbundene  -rime  verallgemeinert. 
Das  als  Zeichen  des  Konjunktivs  empfundene  -e  wurde  sodann 
auf  die  ä-Verba  übertragen,  um  auch  hier  einen  Unterschied 
zwischen  Indikativ  und  Konjunktiv  zu  schaffen.  Ebenso  wurde 
es,  vermutlich  durch  Vermittlung  der  ä-Verba,  übertragen  auf 

III.   Die  starken  Yerba. 

Wenn  zu  herid  'trägt',  ren{a)id  'verkauft'  die  Konjunktiv- 
formen -herae,  -riae  (anstatt  *-hera,  *-ria)  lauten,  können  sie 
nur  der  gleichen  Analogiebildung  ihren  Ursprung  verdanken. 


DIE   ENDUNGEN   DER   2.  SING.  PRÄS.   IM   ALTIRISCHEN       431 

Nach  dem  Muster  des  Konjunktivs  drang  dann  im  Laufe  der 
altirischen  Periode  auch  im  Indikativ  die  Verallgemeinerung 
der  Endung  -i  allmählich  durch  (Thurneysen  §  554). 

Der  Ausgang  aller  der  erwähnten  Analogiebildungen  liegt 
somit  beim  Indikativ  der  l-Verba,  wo  in  der  2.Sg.  verbundene 
und  unverbundene  Flexion  lautgesetzlich  zusammengefallen 
waren. 

Wien.  Julius  Pokorny. 


MAC  TOIMTEN. 


Zimmer,  Kelt.  Studien  11  S.  26  Anm,,  fafste  in  diesem 
Ausdruck  toimten  in  subjektivem  Sinne  und  paraphrasierte 
O'Davorens  Erklärung  .i.  döigh  ni  döigh  (§  1596)  mit  'einer 
der  zu  sagen  pflege:  es  ist  wahrscheinlich,  es  ist  nicht  wahr- 
scheinlich'. Wie  aber  ein  anderer  Eintrag  bei  O'Davoren 
zeigt,  ist  das  nicht  die  Bedeutung.  Es  heilst  dort  §  62  arnd 
tuca  ein  forsan  eclais  in  mac  toimden  nö  nocho  gdbann  in 
mac  sa  abdaine  arnd  tuca  altrannas  cisa  ar  eicin  forsin  eclais, 
d.  h.  man  wählt  keinen  Sohn,  dessen  Vater  zweifelhaft  (ein 
Gegenstand  der  Mutmalsung)  ist,  zum  Abte,  damit  die  für 
seine  Erziehung  schuldigen  Pflegegelder  nicht  der  Kirche  zur 
Last  fallen.  Es  soll  also  döigh  ni  döigh  das  Hin-  und  Her- 
gerede der  Leute  über  den  vermeintlichen  Vater  ausdrücken. 

KuNO  Meyer. 


MISZELLEN. 


1.   Zur  Datierung  des  Gelben  Buchs  Ton  Lecan. 

'  Bei  der  Besprechung  desjenigen  Teiles  dieser  Handschrift, 
welcher  S.  299 — 330  des  Faksimiles  umfafst,  erwähnt  Atkinson 
auf  S.  2  der  Einleitung  nur  die  eine  Schreibernotiz  318  b  10,  ^ 
wonach  Murchad  ö  Cuindlis  'wahrscheinlich  1399'  diesen  Teil 
geschrieben  habe.  Er  übersieht  dabei  eine  ganze  Reihe  weiterer 
Notizen,  nach  denen  wir  aulser  dem  Namen  auch  Zeit  und 
Wohnsitz  des  Schreibers  genau  bestimmen  können.  Ich  drucke 
sie  hier  sämtlich  ab. 

S.  307  a  m.  s.  atä  in  dub  ag  leagad  7  atä  Domnall  'sa 
galar  farlr. 

S.  308  a  m.  s.  pläig  coitcheand  a  n£irm«  uile  'sa  blTa- 
dain  sea. 

Dies  bezieht  sich  auf  die  von  den  Annalen  zum  Jahre  1398 
erwähnte  Pestilenz.  So  heilst  es  in  denen  von  Loch  Ce: 
'pläigh  mhor  in  hoc  anno',  und  in  denen  von  Clonmacnois: 
'There  was  a  great  plague  generally  throughout  all  Ireland 
this  year.' 

S.  309  m.  s.    Eomill  in  drochmemram  7  olcus  na  sTne  sinn. 

S.  311a  m.  s.    ...  Ua]ter  mac  Daibid  a  Burcc  ane  farlr. 

Dies  bezieht  sich  auf  den  ebenfalls  1398  erfolgten  Tod 
Walter  de  Burgos  durch  die  Engländer  von  Munster.  Vgl. 
ALC:  'Uater  mac  Daibhid  a  Burcc  do  marbhadh  la  Gallaibh 
na  Mumhan.' 

S.  311  b  m.  s.    a  Müscraigi  Treithirne  doscribus  in  mbec  sa. 

Nach  Hogan  ist  M.  T.  die  heutige  Baronie  Clanwilliam 
in  der  Grafschaft  Tipperary. 


0  So  mufs  es  statt  318  a  14  heilsen. 


KUNO   MEYER,   MISZELLE».  433 

S.  312  m.  s.    Ata  in  duine  's  a  phläig  a  n-entig  riud. 

Hier  beklagt  sich  also  der  Schreiber  über  die  Haus- 
geiiossenschaft  eines  von  der  Seuche  des  Jahres  Befallenen. 

Die  nun  folgenden  Notizen  beziehen  sich  alle  auf  Ereig- 
nisse des  Jahres  1399. 

S.  316  m.  c.  Dogabad  baili  na  Gaillme  areir  for  na  Gallaib 
CO  n-imad  cacha  maithiusa  and. 

Hier  handelt  es  sich  um  die  Einnahme  von  Galway  durch 
Uilleag  a  Bure,  die  in  der  nächsten  Notiz  noch  einmal  er- 
wähnt wird. 

S.  318  b  10.  Dieser  schon  von  Atkinson  auf  S.  19  gedruckte 
Eintrag  lautet:  Murchad  ö  Cuindlis  do  scrib  in  lebar  sa  dö 
fen  in  hlladain  tanaisti  thainic  rig  Saxan  a  nEirmn  . .  J) 
aisti  f  a  essTd  7  uilc  imda  do  denum  isin  hlladain  si  Her  Gall- 
aib  7  Gäedelaib  7  piaig  choitchenn  for  dainib  7  ceathraib  Erew» 
isin  hlladain  chetnsL.  7  c. 

Dann  folgt  in  derselben  Spalte  Z.  47  der  längste  und 
historisch  wichtigste  Eintrag. 

Uilc  imda  do  denum  isin  hliadain  sea  .i.  rIg  Saxan  d'aith- 
rlgad  le  hiarla  da  muindtir  fein  7  fairrge  do  theacht  tar 
Flondrus  uile  .i.  tigernus"^)  iarla  don  leith  tair  do  Saxanaib. 
Et  iarla  Deasmuman  do  bädad  for  Siüir  7  baile  na  Gaillme 
do  gabail  le  hUilleag  a  Bürcc  7  is  dirim  a  tucad  ass  da  cach 
uile  maith  it^V  6r  7  airgead  7  cach  maithius  archeana.  Derb- 
airrdi  imda  d'faicsin  isin  blladain  cetna  7  6es  toirimtheachta 
d'faicsin  co  follus  indti.  Cith  fola  d'ferthain  a  Cnoc  Rafand 
isin  aimsir  chetna  gorba  lan  do  chrü  7  d'fuil  na  cnuic  7. na 
tulcha  'na  timchell  7  araill  d'ingantaib  ele  isin  bliadain  chetna 
7  c.  7  is  inganta  lind  ina  cach  nl  dib-sin  in  long  ceannaig 
do  loscad  ar  lär  na  fairrge  möire  7  när  fedad  a  teasargain 
gan  loscad  le  huisce  na  le  säile. 

Von  all  diesen  Ereignissen  finde  ich  in  den  verschiedenen 
irischen  Chroniken  nur  den  Tod  des  Grafen  von  Desmond 
durch  Ertrinken  im  Flusse  Suir  verzeichnet  (AU  1399). 

Auf  dasselbe  Jahr  weist  natürlich  die  Erwähnung  der 
Entthronung  Heinrich  IL    Weder  die  grofse  Wassersnot  in 


*)  Unleserlich. 

*)  Darüber  no  cathair. 


434  KÜNO   MEYER, 

Flandern,  noch  der  Blutregen  von  Cnoc  Rafann  (in  der  Graf- 
schaft Tipperary,  zwei  engl.  Meilen  nördlich  von  Cahir),  noch 
die  Verbrennung  des  Handelsschiffes  auf  dem  Meere,  die  dem 
Chronisten  so  besonders  wunderbar  erscheint,  noch  die  Ein- 
nahme und  Plünderung  von  Galway  duixh  William  de  Burgo, 
sind  sonst  verzeichnet. 

2.  Altir.  Gennaith. 

In  den  Glossen  zu  Columbas  Hymnus  'Altus  Prosator'  im 
Liber  Hymnorum  findet  sich  zu  dem  Worte  zabulus  die  folgende 
Bemerkung  (The  Irish  Lib.  Hymn.'  edd.  Atkinson  and  Bernard 
I,  S.  72  b  39): 

.i.  focul  grecda  deconsiliarius  interpretatur  uel  infirmus 
iar  gennaith. 

Mit  dem  letzten  Worte  wuIste  Atkinson  (ib.  II,  S.  159) 
nichts  anzufangen.  Es  ist  zu  lesen  iar  nGennaith  'nach 
Gennadius'.  Der  Hinweis  ist  auf  eine  Stelle  in  einer  theo- 
logischen Schrift  des  Gennadius,  wohl  nach  einem  Zitat  bei 
Baeda. 

3.  Drei  Mensclienalter. 

In  dem  altirischen,  ursprünglich  noch  heidnischen  cetnacl 
n-äisse  genannten  Gedicht  (Ir.  T.  III53),  was  ich  mit  'Gebet 
um  langes  Leben'  wiedergegeben  habe  (Illinois  Studies  II, 
S.  19),  wird  um  eine  Lebenslänge  von  drei  Menschenaltern 
gebeten  {tri  äes  dorn  dorataiterf).  Eine  gleiche  Lebensdauer  ver- 
heilst der  Feenkönig  lubdän  in  '  Aided  Fergusa'  (SG.  1 248, 31) 
demjenigen,  der  sich  in  seinem  Waschbottich  (dabach)  badet: 
Mo  dabach  i  lleith  re  ndabaig  ndeisi, 
teit  i  n-üesaib  co  fo  thri      gach  Uen  fothruiges  estiA) 

Es  ist  dabei  gewils  an  eine  Lebenszeit  von  neunzig 
(dreimal  dreilsig)  Jahren  gedacht.  So  wünscht  auch  noch  ein 
kymrischer  Barde  namens  Cawrdaf  (W.  E.  Jones)  der  Prinzessin 
Victoria  zur  Feier  ihrer  Mündigwerdung  am  24.  Mai  1837  tair 
oes'^)  (was  ja  auch  fast  in  Erfüllung  gegangen  ist),  eines  der 
vielen  Beispiele  von  der  durch  Jahrtausende  unverändert  an- 
dauernden Tradition  keltischer  Poesie. 


1)  So  die  Handschrift. 

")  tair  oes  iddi!    Gweithoedd,  S.  273. 


MISZELLEN.  435 

4.    Cü  Chorb  and  Echu  Find  Füatli  nAirt. 

The  following  poeni  now  edited  and  translated  for  tlie 
first  time  deals  with  tlie  seven  battles  said  to  have  been 
foiight  against  Munster  by  Cii  Chorb,  son  of  Mug  Corb,  Kiug 
of  Leinster  in  the  third  Century,  with  the  help  of  Echaid  or 
Echu  Find  Füath  nAirt,  son  of  Fedilmid  Kechtaid.  Echu 
was  the  leader  of  the  Fothairt  (Fotharta),  a  tribe  that  was 
expelled  from  Tara^)  together  with  the  Laiches,  and  settled 
in  Leinster. 2)  Probably  because  of  the  help  given  by  them 
to  the  King  of  Leinster  they  are  called  cUathaire  Lagen 
'battle-fighters  of  Leinster'  in  Rawl.  B  502, 119  a  2.  The  account 
given  by  Keating  (Irish  Texts  Soc.  VIII,  p.  308)  differs  in 
several  details  from  the  one  given  in  our  poem,  more  particu- 
larly  in  the  names  of  the  battles,  and  in  identifying  'Ath 
Truisten  with  'Ath  IJ) 

The  poem  has  been  preserved  in  the  two  manuscripts 
to  which  we  owe  most  of  our  Information  on  the  ancient 
history  and  traditions  of  Leinster,  viz.  Rawlinson  B  502  (p.  83  b) 
and  the  Book  of  Leinster  (p.  35  b).  It  is  composed  in  rinnaird, 
with  quantitative  assonance  in  the  first  line  *)  and  consonance 


*)  As  to  the  cause  of  their  expulsion  see  a  poem  in  Eriu  VI,  p.  157. 

*)  Hence  tbey  and  the  Laiches  are  called  forsloinnti  Lagen  {da  prim- 
forsluinniud  Lagen,  Rl.  119a 2).  This  term  is  thus  explained  in  Kawl. 
502, 1'i0b27:  Hit  forslointi  tra  la  Hüib  Neill  7  Connachto  7  Ultu  7  Laigniu 
7  Mumain  cach  öen  nad  beir  genelach  cosna  cethri  bägaib  arddaib  seo  .i. 
CO  Niall  la  Hü  Neill,  co  hEocbaid  Mugmedöin  ia  Connacbtu,  co  Cathäir 
Mär  la  Laigniu,  co  hAilill  nAulom  la  Muimuiu  (sie).  Issed  dosguT  for- 
slointi dona  clannaib  süeraib  asrubramar,  ma  tbeis  nech  dTb  asa  chrTch 
fodeissin  do  chomaittreib  i  crTchaib  ailib,  axnal  dochüatar  Ciannachta 
7  Gäilenga  7  Delbna  ö  Chaissiul  hi  crTch  Neill  7  amai  dochüatar  ö  Temair 
secht  Fothairt  do  aittreib  i  crTch  Laigen  7  na  Deissi  hi  crTch  Muman;  ar 
is  CO  Feideilmid  Rechtaid  adfedar  geneloigi  na  nDeissi  Muman  7  na 
nDeisse  mBreg. 

^)  Go  dtugadar  maidhm  orra  ag  'Ath  Troistean  re  raidthear  'Ath  'I 
ag  Bearbha,  1.  4802. 

*)  In  the  third  verse  of  the  first  stanza  we  should  read  togae  (tugae) 
or  tuige.  See  Thurneysen,  Zu  ir.  Hss.  II,  S.  24.  It  is  evidently  the  togae 
of  Fei.  Jan.  6  and  Nov.  7,  by  Stokes  considered  as  a  variant  of  togu,  which 
is  not  likely  as  togu  occurs  Frei.  123.  It  is  a  byform  of  tuige  'cover,  shelter'. 
Cf.  tuga  (tuige)  co  füatchai  Triads  140;  tre  talman  togha  (sie  leg.) 
CZ  V  24,  §  4. 


436  KUNO   MEYER, 

in  tlie  third.  The  quatrains  are  linked  except  6/7.  i)  In  §  10 
we  should  perhaps  read  Caih  Maige  with  L,  which  would 
give  a  link  with  Miiman.  No  link  is  reqdred  in  §  11,  as 
the  stanza  begins  with  the  same  word  as  the  preceding  one. 
The  first  verse  of  the  poem  has  one  syllable  too  many,  a 
licence  permitted  where  proper  names  enter.  So  far  as  one 
can  judge  from  the  language,  the  poem  is  probably  not  older 
than  the  10*^  Century. 

1  Fedeilmid^)  athair  Echach,      [ba]  amra  in  3)  duine, 
ba  flaith,  ba  fial  toga[e]      for*)  lath  nErenn  n-uile.^) 

2  Eocho^)  ö  rodlomad      dia')  thecosc,  tren  medair,^) 
secht  cetaib  for  conair      docomlai^)  a  Temair. 

3  Docechaing  10)  a")  Bregaib      i  ILife*^)  laind  fogair,i3) 
CO  rräncatari*)  Laigin      a  les  nech  dia  cobair. 

4  Cü  Chorb  i^)  co  secht  cetaib      nlmleiced  i^)  im  grTssa, 
dloratha  im'")  Breg  büassa,      cor  threb  and  nöi  missa. 

5  Macc  Moga  Corbb  cennmair      ocus  Eocho  aignech 
glanait  slüagui»)  Mumnech      do  chlär  Lifi'^)  Laignech. 

6  Lin  catha  rofersat^o)      feib  marcach,  nirt  traigthech, 

ba  fri  Echaig^i)  n-ilchach22)     altlethan23)  ard  ailchech.^*) 

7  Leth  Laigen  do  Echaig^s)      dar  cach  cath  rochuiri,26) 
is  forblaith^^)  co  nglaini^s)      Con  Corb  foraib  mli.29) 

8  Is  si  sin  30)  in  chommaid      ar  thossach,3i)  ar  mochacht,^^) 
Con  Corb  cen  nach  clethalt      ocus  clainne  Fothart. 

9  Fotharta  rofersat^s)      secht  catha,  gargg  bunad, 

oc  cosnam  chirt^*)  Lagen      fri  mörthüatha  3^)  Muman. 

10  Cath  Trusten,  36)  cath  Gabra,      cath  Feä  feib  tindrem,") 
cath  Crüaich  cetaib  comram,      cath  Commair  tri  ninber.'s) 

11  Cath  Ardda  Scol  39)  sciathaig    fri^o)  Tüathmumain  tüathaig, 

*)  Notice  Temair :  docechaing  2, 3.  ')  Feidlimid  L  »)  om.  L 

*)  dar  L  »)  uile  L  «)  Eocliaid  R  0  f^o  L  «)  medar  RL  »)  dochumlae  R 
")  dochechaing  R  ")  do  L  '=)  hilLiphe  R  ^'^)  fodair  L  ")  rancatar  R 
")  Chorp  L  '«)  nimleced  R  nileiced  L  ")  in  R  '«)  sluago  L  »s)  Liphe  R 
")  rofersat  R  »i)  Eochaid  R  »')  nilchaig  RL  ")  altlethain  L 

")  aichlech  R  ")  Eochaid  R,  Ech-  L  ")  rochuire  RL  «^)  forflaith  L 
*•)  figlaine  RL  ")  forthaib  huile  R,  form  uile  L  «»)  j  gein  L 

•0  tossach  L  "-)  mochat  L  ")  Fothart  rodafersat  L  »*)  ocosnam 
cirt  R  "^)  ri  morthuathaib  L  ")  Maige  L  ")  tinnrem  R,  tindru  L 
••)  nusci  L        ")  scoil,  with  punctum  deleus  over  i  L        *")  for  L 


MISZELLEN.  437 

ba  talc^)  tli  diar  triathaib '-)      catli  Ätha  hl  üathaig. 
12  It  e  sin  secht  catha      romemdatar  3)  remib 

for  mörthüatha*)  Muman      fri  cach  fugal  fedil.    F. 

Translation. 

1  Fedelmid  the  father  of  Ecliu,  famous  was  the  man,  he  was 
a  ruler,  he  was  a  generous  shelter  over  all  the  land  of  Erin. 

2  When  Echu  was  expelled  at  his  bebest  —  a  severe  sentence  — 
he  set  out  upon  the  road  from  Tara  with  seven  hundreds. 

3  He  marched  from  Bregia  into  the  neighbouring  land  of 
Liffey,^  until  the  men  of  Leinster  needed  some  one  to 
help  them. 

4  Cü  Chorb  with  seven  hundreds  would  not  let  him  into 
trouble;6)  he")  was  refused  the  wealth  of  Bregia,  so  that 
he  dwelt  there  nine  months. 

5  The  son  of  bigheaded  Mug  Corb  and  valiant  Echu  drive 
the  hosts  of  the  Munstermen  off  the  Leinster  piain  of  Liffey. 

6  The  number  of  battles  which  they  fought  by  virtue  of 
horsemen,  by  the  strength  of  foot-soldiers,  was  against 
Echu  the  triumphant,  the  broad- jointed ,  the  noble,  the 
rock-like. 

7  A  half  of  Leinster  (was  given)  to  Echu  for  every  battle 
he  fought,  the  brilliant  rule  of  Cü  'Chorb  is  over  them  all. 

8  This  is  the  first  and  earliest  covenant  without  any  con- 
cealment  of  Cü  Chorb  and  the  clan  of  the  Fotharta. 

9  The  Fotharta  fought  seven  battles,  a  fierce  beginning,  in 
defending  the  right  of  the  men  of  Leinster  against  the 
great  tribes  of  Munster. 

10  The  battle  of  Truistiu,»)  the  battle  of  Gabar,  the  battle 
of  Fea  by  the  strength  of  attacks,  the  battle  of  Cruach 
with  hundreds  of  contests,  the  battle  of  Commor  tri  nUsce.^) 


>)  tailc  L      ')  do  l^chaib  L      »)  romebdatar  R      *)  morthuathaib  L 
=*)  I  propose  to  read  i  ILifi  laincl,  which  I  translate.  *)  Read  perhaps 

nlnleiced,  which  I  translate.  As  to  the  plural  of  griss,  literally  '  live  coals, 
hot  embers'  in  the  sense  of  'vexation,  trouble'  cp.  cen  bet,  cen  grissa 
SR  3958.  Cp.  also  rob  gris  ös  cach  rig  anhüas  RC  XX  52, 16,  which  should 
be  rendered  'may  he  be  (like)  hot  embers  on  every  king  from  above'. 
'')  i.  e.  Echu  «)  of  the  Maigue  L  ^)  Here  for  the  sake  of  the  rhyme  inber 
has  taken  the  place  of  the  usual  iisce,  which  is  actually  the  reading  of  L 

Zeitschrift  £.  celt.  Philologfie  Xn,  3.  29 


438  KUNO   MEYER, 

11  The  battle  of  Ard  Scoli)  of  shields  against  tribeful 
Thomond;  a  stout  comfort  to  our  lords  was  the  battle  of 
dread  'Ath  'I. 

12  Those  are  the  seven  battles  which  were  broken  before 
them  upon  the  great  tribes  of  Munster  by  every  true 
account. 

5.   Kymr.  tincerdd. 

Dies  Wort,  welches  'Stümper,  Pfuscher'  bedeutet,  stellt 
eine  höchst  gelungene  Volksetymologie  dar,  indem  es  aus 
engl,  tinker  'Kesselflicker'  entlehnt,  mit  dem  heimischeö  tin 
(ir.  tön)  im  Doppelsinne  von  engl,  'bottom'  in  Verbindung 
gebracht  und  an  cerdd  'Kunst,  Handwerk'  angeglichen  worden 
ist.  Das  tritt  besondei^s  deutlich  in  dem  folgenden  penill^) 
hervor,  in  welchem  es  zu  pencerdd  'Meister  der  Musikkunst' 
in  Gegensatz  gebracht  wird: 

Gtvell  gan  adyn  llwyrfalch  lledjfol 
Fod  yn  dincerdd  yn  wastadol, 
^  Na  dysgu  hod  yn  hencerdd  hynod 

Gan  un  fyddo  gwell  ei  ivyhod. 


6.  Kynir.  nolff. 

Dies  bei  Richards  und  Pughe  aus  Eichard  Morris  (gest. 
1779)  verzeichnete  Wort  ist  ein  gutes  Beispiel  für  meine 
Behauptung,  dafs  die  englischen  Lexikographen  gut  täten, 
die  englischen  Lehnwörter  in  den  keltischen  Sprachen  zu 
berücksichtigen.  Es  ist  nämlich  eine  weder  bei  Murray  noch 
Wright  belegte  Form  von  aulf,  dem  heutigen  oaf,  mit  vor- 
geschlagenem n.  Das  aus  altn.  dl  fr  'Elfe'  entlehnte  Wort 
findet  sein  genaues  Gegenstück  in  der  Bedeutung  'Tropf,  Ein- 
faltspinsel' im  hamburgischen  Dialekt,  wo  man  nach  Richey 
een  dummen  olf  sagte. 


>)  ArdscuU  near  Athy,  Hogan,  Onom. ,  where  a  reference  to  our 
passage  should  be  added. 

")  Aus  'Diliau  y  Delyn,  sef  Casgliad  o  Benillion  Cymraeg  i'w  canu 
gyda'r  tannau '.    Caernarfon.    Ohne  Jahr.    (S.  38). 


MISZlüLLEN.  439 

7.  Altir.  suirse. 
Dies  Wort  findet  sich  öfters  in  den  Annalen  von  Ulster 
(A.  D.  916,  944),  wo  eine  Winterkälte  als  so  stark  geschildert 
wird,  comtar  suirsi  primlocha  7  primaibne  Erenn  du  thraigtJie- 
chaib  7  marclaigih  (A.D.  855).  940  wird  suirissi  geschrieben. 
Wir  haben  darin  das  mit  so-  komponierte  Partizipium  von 
rethim  (risse).    Es  ist  etwa  'leicht  befahrbar'  zu  übersetzen. 

8.  Delbnae  NodoU 

In  AU  817  druckt  Hennessy  in  regione  Delbnae  Nodot 
und  auch  O'Malley,  'The  Language  of  the  Anuals  of  Ulster' 
S.  74  behält  diese  Lesart  bei,  obgleich  beide  Hss.  Loäot  schreiben. 
Wir  haben  es  mit  dem  Gen.  der  undiphthongierten  Form  des 
Personennamens  Luada  =  kymr.  Litdd  zu  tun.  Wenn  die 
Gegend  später  Delbna  Nüadat  heilst  (BB  191b  10),  so  liegt 
hier  derselbe  Einsatz  des  bekannteren  Namens  für  den  selteneren 
vor  wie  in  Mag  Läadat  (LL374a),  dem  heutigen  Maynooth. 

9.  Altir.  mui  *meiii'. 

Diese  betonte  Form  des  Possessivpronomens  der  1.  Pers., 
ursprünglich  der  Genetiv  des  Personalpronomens  (Thurn.  Handb. 
§  440),  kommt  in  der  älteren  Dichtung  und  Kunstprosa  oft 
zur  Verstärknng  des  unbetonten  Possessivums  vor,  und  zwar 

(a)  der  unbetonten  Form  vorangestellt,  (b)  hinter  dem  Nomen. 
Ich  gebe  einige  Beispiele:  (a)  tacud  iar  mär  mäi  mo  chdmaine 
Lib.  Hymn.  ed.  Atkinson  1 184  =  tocad  iar  mär  möi  {.i  mei) 
mo  chslmaine  El  502, 126  b  21  in  einem  Adomnän  zugeschriebenen 
Gebete.  Ebendaselbst :  rect  möi  {möe  R)  mo  Christ  cumachtach. 
Ferner  moai  (leg.  maoi)  mo  rose  Amra  SenEin  §  10,  CZ  III 224. 

(b)  säeru  mo  gene  maoi  O'Dav.  1034;  domicfa  tl  mo  macäin 
müi  ib.  1555.  Die  letztere  Konstruktion  liegt  auch  an  einer 
wenigstens  im  Faksimile  verschriebenen  Stelle  in  LL  126  a  54 
vor:  tucthar  öm  rig  mtccra  escra  cftach  usw.  Statt  mucra  ist 
gewifs  zu  lesen  müi  ra  {=  la).  Dafs  miic  hier  ein  sonst  nicht 
belegtes  und  angeblich  aus  dem  Nordischen  entlehntes  Wort 
für  sKanne'  sein  soll,  wie  Marstrander,  Bidrag  S.  41  glaublich 
machen  will,  ist  nicht  anzunehmen. 

29* 


440  KÜNO   MEYER, 

10.  Altir.  daithfenn. 

Dies  Nomen  zu  di-aith-s{u)enn  'wegjagen,  verjagen'  findet 
sich  CZ  111450,3:  daithfenn  {daiffenn  H)  im  nem,  was  im 
Gegensatz  zu  hithbethu  for  nim,  ib.  449, 18  steht.  Zur  Ver- 
schmelzung von  di-  mit  aith-  vgl.  din-  aus  di-in-,  Toffunn, 
die  gewöhnliche  Form  des  Nomens  zu  to-senn,  ist  ursprünglich 
Dativ  zu  toffann,  wie  buith  zu  both  usw.  Gen.  coin  taffaind 
LL14bl2. 

11.  Zu  O'Davorens  Glossar. 

§63. 

conad  ragbad  mac  no  ingen  de  asa  aici.  Hier  haben  wir 
das  Subst.  aicce  (ü)  f.  ' Pflegeschaft',  von  dem  ich  Kelt.  Wortk. 
§  161  gehandelt  habe.  Pedersen  macht  mich  darauf  aufmerk- 
sam, dafs  es  auch  Wb  5  b  27  vorliegt  (is  'na  n-aicci  atdi),  wo 
die  Herausgeber  des  Thesaurus  an  aicce  'Nähe'  gedacht  haben. 
Wir  finden  es  ferner  Br.  D.  D.  §  8 :  altrom  a  maicc  eter  theora 
aicce  (i  teora  aicce  St). 

§  1073. 

Hier  ist  die  Glosse  zu  lesen:  is  ard  in  codnaigetu  don 
c[h\anuid  canus  in  [n-lemain  \n-^imrind  cen  indlrgi  nü  cen  in- 
dmmni  'hoch  ist  die  Meisterschaft  des  Cano,  welcher  die  rings- 
gereimte emain  ohne  Unrichtigkeit  oder  ohne  Unsicherheit 
singt'.  Das  Lemma  stammt  aus  einem  bei  O'Mulc.  §  537 
zitierten  Gedichte.    Vgl.  Kelt.  Wortk.  §  56. , 

^;S?'  1190. 

Hier  übersetzt  Stokes  das  sprichwörtliche  Uanchar  cach 
guide  mit  'dement  every  prayer'.  Es  ist  aber  cäcJi  zu  lesen, 
guide  als  Dativ  zu  fassen  und  zu  übersetzen  'ein  jeder  ist 
liebenswürdig,  wenn  man  ihn  bittet'  ('every  one  is  amiable 
for  being  supplicated').  Einen  ähnlichen  Fehler  begeht  Stokes 
in  §  1272,  wo  slän  cäch  mairnes  mignlmu  zu  lesen  und  zu 
übersetzen  ist  'jeder,  der  Missetaten  verrät,  geht  frei  aus'. 

12.  Bisher  unbelegte  altir.  Formen. 

Zu  Thurneysen,  Handbuch  §  390.  Ein  altes  Nom.  tricho 
findet  sich  Anecd.  III 60, 27,  Laws  IV  336, 23,  Gen.  trichot  ib.  26. 


MISZELLKN.  441 

Zu  §  414.  -de-  kommt  noch  vor  in  do-de-güiset  Laws  IV  334, 2; 
no-de-dlüthai,  do-de-n-immairgg  ib. 

Zu  §  431.  flada  'vor  ihm'  Trip.  136,28;  mise  'über  ihr' 
RC  XI  452, 4. 

Zu  §  441  und  481.  ala-ai  'der  andere  von  ihnen'  Eawl. 
502,  113  b  29  {ar  nl  frlth  ala-äi  do  thacru  'denn  der  andere 
von  ihnen  wurde  nicht  gefunden,  um  zu  plädieren'). 

Zu  §  454.  Auch  die  singulare  Form  cisne  kommt  auf 
einen  Plural  bezogen  vor,  z.  B.  Laws  IV  338, 2 ;  Triads  §  239. 

Zu  §  787.  Zu  cid  lautet  der  Plural  cetis  in  Mael  Muru 
Othna's  Gedicht  Canam  bunadas  na  nGöidel  (Ir.  Nenn.  S.  224), 
wo  LL  in  ciamdis  geändert  hat. 

Zu  §  332.  Statt  larsnaib  findet  sich  Laws  IV  176, 5  iarnaib. 

Zu  §  897.  Zu  noch  is  =  i.  e.  stellt  sich  noch  der  Plural 
noch  it,  Laws  pass.;  ferner  noch  hld  (=  blt)  II  388, 13,  noch  ßl 
I  102, 7. 

13.  Altir.  to-fäisc-. 

Die  Herausgeber  des  Thes.  Pal.  übersetzen  II 250, 10  macc 
saele  an  tofäsci  delc  'a  splendid  salve  which  binds  a  thorn'. 
Es  handelt  sich  aber  um  die  Entfernung  des  Doms  aus  der 
Wunde,  und  so  ist  das  Verbum  mit  'hinausdrücken,  ausquetschen' 
zu  übertragen  (to-  wie  öfter  im  Sinne  von  'hin,  weg').  Die- 
selbe Bedeutung  liegt  CZ  III 453,  30  in  lind  tofäiscthi  fola  hi 
Xtennaind  vor  'die  blutige  Flüssigkeit,  welche  bei  der  Bufse 
ausgepreist  wird'.  In  Dinds.  §  62  heilst  es  von  Aidne  mac 
Allgubae,  dafs  tofäscud  a  da  glac  (BB382b9)  'das  Ringen 
seiner  Hände'  genügte,  um  aus  den  Knöcheln  Feuer  heraus- 
springen zu  lassen. 

Berlin-Wilmersdorf.  Kuno  Meyer. 


EINIGE  WORTE  AN  KUNO  MEYER. 


Ihre  kleine  Erwiderung  (oben  S.  307)  auf  meine  Kritik 
Itires  „Zur  keltischen  Wortkunde  I— VI"  veranlafst  mich  zu 
folgenden  Bemerkungen:  ,  ' 

1.  Die  Bemerkung  über  die  Futurumsform  gegna,  Ir.  Texte 
IP  246  ist  ganz  unrichtig.  Sie  übersehen,  daCs  gegna  vor  dem 
n  einen  Vokal  verloren  hat,  was  natürlich  nicht  der  Fall  ist 
in  dem  von  ihnen  postulierten  dorognad. 

2.  Dafs,  ich  mich  nicht  blindlings  Ihrer  Lesart  irischer 
Handschriften  anschlief sen  kann,  wird  Ihnen  unter  anderem 
folgendes  klarmachen.  In  der  CZ  X373  sagen  Sie,  dafs  die 
Lesung  darrmart  Acad.  Dict.  106,4  (Eawl.  85b20)  „durch  un- 
genaues Lesen  des  Herausgebers  verschuldet  ist",  und  dafs 
„die  Hs.  richtig  darrinart  hat".  Ferner  soll  ich  Ihnen  zu- 
folge („Zur  kelt.  Wortkunde"  IV  S.  957)  BB  111  b  35  das 
dallduinin  der  Handschrift  irrtümlich  als  dalldumin  gelesen 
haben. 

Bitte  schlagen  Sie  diese  Stellen  nochmals  nach.  Bestehen 
Sie  auf  Ihrer  Kritik,  verspreche  ich  Ihnen,  auf  die  Sache 
zurückzukommen. 

Meinerseits  gebe  ich  gern  zu,  dafs  ich  die  Richtigkeit 
Ihrer  Lesung  dorognad  zu  Unrecht  angezweifelt  habe.  Doch 
behaupte  ich  Ihnen  entgegen  nach  wie  vor,  dafs  wir  es  hier 
unmöglich  mit  einer  älteren  Form  von  dorönad  zu  tun  haben 
können.  Es  ist  geradezu  undenkbar,  dafs  eine  derartige  Form 
sich  in  einem  Gedicht  erhalten  haben  sollte,  dessen  Ortho- 
graphie sonst  von  der  ersten  bis  zur  letzten  Zeile  im  höchsten 
Grade  regelrecht  ist.  Eine  Schreibweise  doroghnadh  =  dorö- 
nadh  möchte  ich  meinesteils  eher  für  ein  Zeichen  des  jungen 
Alters  der  Handschrift  halten;  sie  müfste  offenbar  durch 
graphischen  Anschlufs  an  doghni  entstanden  sein. 


CARL  MARSTRANDEK,   EINIGE  WORTE  AN  KÜNO  MEYER.      443 

Aber  palst  denn  eine  Perfektform  überhaupt  in  den  Zu- 
sammenhang hinein  ?  Die  Form  steht  umgeben  von  Präteritums- 
formen, das  Gedicht  enthält  überliaupt  keine  einzige  Perfekt- 
form, denn  rorith  in  Str.  16  steht  nicht,  wie  Sie  meinen,  für 
rordith]  adroairle  der  Str.  8  ist  mir  unklar;  Ihre  Analyse 
*ad-ro-ad-rale  widerstrebt  den  Lautgesetzen.  Perfektformen 
enthalten  auch  nicht  die  anderen  Gedichte  Ihres  „Über  die 
älteste  irische  Dichtung  I"  {rohi  Fürs.  Laidc.  I  Str.  18  ist  un- 
richtig; die  Urschrift  hatte  wahrscheinlich  dohi);  der  Grund 
liegt  natürlich  im  Gegenstand. 

Man  sieht  sich  also  zu  der  Annahme  genötigt,  dafs 
dorognad  ein  Schreibfehler  ist.  In  dem  Falle  kann  die  Ur- 
schrift kaum  etwas  anderes  als  dorogbad  gelesen  haben  (zum 
Infin.  torghdl:  dorogbad  inna  targabäla,  Ir.  Pen.  §  29). 

Eine  Stütze  für  Ihre  Auffassung  von  omungnath  dürfte 
vielleicht  LL  377  a  geben :  is  on  Labraid  sin  ßl  grdin  7  gert- 
acht  7  omun  ....  for  Laignib  iter  firu  Erend.  ^ 

3.  Dals  die  Lesart  inloing  ollam  anamain  O'Dav.  1072 
gegen  das  Versmals  verstolsen  solle,  kann  ich  nicht  zugeben. 
Die  handschriftliche  Überlieferung  weist  auf  inloing  hin,  vgl. 
Cormac  s.  v.  anamain,  wo  YBL  und  LB  mit  O'Dav.  inloing 
lesen.  Man  hat  doch  kein  Recht,  das  ältere  und  seltenere 
inloing  zugunsten  des  inellaing  ohne  zwingenden  Grund  fort-, 
zuschieben. 

4.  Dafs  riched  eine  Stammform  rigi-  enthalten  sollte,  ist 
durchaus  nicht  erwiesen.  Meine  Vermutung,  dafs  das  Wort 
von  einer  verhältnismäfsig  späten  Zusammenrückung  von  ri 
und  dem  in  machad  vorliegenden  Substantiv  '*sed  herrühre, 
läfst  sich  nicht  ohne  weiteres  von  der  Hand  weisen.  Die 
Zusammensetzung  kam  sicherlich  in  den  Klöstern  zustande. 

5.  Wagen  Sie  wirklich  auf  Grundlage  der  vereinzelten 
Schreibweise  rete  (mit  Strich  über  dem  t)  Rawl.  B  502,  92  d  25, 
ein  irisches  retert  mit  palatalem  t  zu  postulieren,  wenn  das 
Wort  in  derselben  Handschrift  retaire  92  h  22,  93  c  50  ge- 
schrieben wird,  und  dies  überhaupt  die  einzige  nachweisbare 
Form  in  allen  irischen  Handschriften  ist?  Ihrem  Einwand, 
dafs  t  mit  Strich  darüber  in  Rawl.  B  502  nicht  als  tair  auf- 
gelöst werden  darf,  kann  ich  kein  Gewicht  beilegen;  meinem 
Eindruck  gemäfs  kommt  t  mit  Strich  darüber,  abgesehen  von 


444      CARL  MAKSTKANDER,   EINIGE  WORTE  AN  KUNO  MEYER. 

eter,  etir  (lat.  inter),  in  dieser  Handschrift  hauptsächlich  in 
lateinischen  Worten  vor. 

Ihr  Hinweis  auf  feiere  ist  mir  ganz  unverständlich. 

6.  „Vielmehr  haben  wir  es  in  epidios  sowohl  als  in  echde 
mit  einer  gewöhnlichen  adjektivischen  Bildung  auf  -idio- 
zu  tun." 

Gegen  diese  unrichtige  Bemerkung  habe  ich  mich  gewendet. 

7.  „"Wenn  ich  §  33  die  Bildungen  auf  -sech  von  Worten 
wie  gaillsech  ausgehen  liefs." 

Aber  dies  tun  Sie  ja  nicht.  Sie  sagen  Ja  ausdrücklich, 
dals  Sie  „von  Femininen  wie  Idiches  ausgegangen  sind  und 
sich  an  Bildungen  wie  gaillsech  . . .  angeschlossen  haben",  was 
doch  etwas  ganz  anderes  ist. 

8.  Bezüglich  des  sehr  umstrittenen  cet  bin  ich  sicher, 
Sie  werden  erfahren,  dafs  Ihre  Erklärung  geringe  oder  keine 
Zustimmung  finden  wird.  Sie  müssen  uns  erstens  erklären, 
wie  licet  zu  ir.  cet  führen  konnte.  Hier  genügt  Ihre  "bus  aus 
Omnibus"- Theorie  nicht.  Femer  scheint  es  kaum  wahrscheinlich, 
dals  der  Schreiber  von  Arm.  das  verkürzte  cet,  der  von  Mil. 
aber  das  angeblich  ältere  lecet  (warum  nicht  licefi)  benutzt 
haben  sollte,  falls  beide  Formen  aus  dem  Lateinischen  licet 
herrührten.  Freilich  bin  ich  noch  nicht  in  der  Lage,  sowohl 
licet  wie  cet  in  einem  und  demselben  Texte  nachzuweisen. 
Aber  das  dürfte  wohl  durch  die  wenigen  Belege  von  licet 
begründet  seih. 

Kristiania,  August  1918.  Carl  Marstrajjder. 


ERSCHIENENE  SCHRIFTEN. 


Revue  Celtique,  vol.  XXXVI  Nos  3— 4.    Annees  1915—16. 

Die  Kriegsnöte  haben  es  den  Herausgebern  nicht  ermöglicht, 
während  der  zwei  Jahre  mehr  als  dies  Doppelheft  erscheinen  zu 
lassen  und  sind  wohl  auch  hauptsächlich  an  der  mangelhaften  Druck- 
legung und  der  ungewöhnlich  grofsen  Menge  von  Druckfehlern 
schuld,  die  besonders  die  Lektüre  der  irischen  Gedichte  auf  S.  262  ff. 
erschweren.  Aus  dem  bunten  Inhalt  hebe  ich  nur  einiges  hervor. 
.  An  erster  Stelle  steht  ein  Artikel  Marstranders  über  'Thor  en  Irlande'. 
Er  und  andere  haben  also  seinen  Beitrag  zu  'Maal  og  Minne'  I 
S.  80  —  89  (1915)  für  richtig  und  wichtig  genug  gehalten,  ihn  in 
eine  Weltsprache  übersetzen  und  in  einer  Fachschrift  erscheinen  zu 
lassen.  Das  ist  im  Interesse  unserer  Wissenschaft  sehr  zu  beklagen, 
die  Gefahr  läuft,  durch  so  phantastische  jeder  positiven  Grundlage 
entbehrende  Behauptungen  diskreditiert  zu  werden.  Mai"stranders 
bis  ins  Einzelnste  hinein  verfehlte  Deutungen  und  Schlüsse  werden 
manche  Fachgenossen  an  Zimmers  verwegenste  Aufstellungen  auf 
demselben  Gebiete  erinnert  haben.  Mir  persönlich  aber  riefen  sie 
eine  Szene  ins  Gedächtnis,  die  sich  im  Mai  1917  im  Rauchzimmer 
der  'Ryndam'  abspielte,  als  das  Schiff,  welches  die  österreichische 
Gesandtschaft  aus  Washington  an  Bord  hatte,  sich  der  Nordküste 
Schottlands  näherte.  Da  stellte  ein  ungarischer  Konsul  die  Behauptung 
auf  und  fand  damit  grofsen  Beifall,  die  Schotten  seien  einer  der 
yersprengften  Stämme  Israels,  was  sich  handgreiflich  aus  dem  Namen 
der  nach  den  Hebräern  genannten  Hebriden  und  aus  dem  Geschlechts- 
namen der  M'Cabe,  den  Nachkommen  der  Makkabäer,  ergebe.  Es 
ist  wirklich  um  kein  Haar  besser,  wenn  Marstrander  ein  irisches 
Ascaill  als  'Asenhain',  die  Bezeichnungen  miUnter  Tomair  als 
'peuple  de  Thor',  maithi  Tomair  als  'les  illustres  de  Thor',  ein 
angebliches  Tomar  togach  als  'Thor  l'Electeur',  Tomar  täebach  als 
'Thor  au  large  üanc'  deutet,  oder  dann  Balldair,  mit  'Kinder 
Balders',  ßaile  Balldair  mit  'Baldersheim'  übersetzt  und  daraufhin 
die  Behauptungen  wagt,  die  Skandinaven  Dublins  hätten  noch  zu 
Ausgang  des  10.  und  zu  Anfang  des  11.  Jahrhunderts  dem  Thor 
geopfert,  der  Kultus  dieses  Gottes  habe  sich  zum  Nachteil  desjenigen 


446  ERSCHIENENE    SCHRIFTEN. 

Odius  ausgebreitet,  eine  skandinavische  Kolonie  in  Cork  habe  Balder 
als  ihren  Schutzgott  verehrt,  und  was  dergleichen  mehr  ist.  Er 
hat  damit  gegen  seine  eigene  auf  S.  362  ausgesprochene  Warnung 
gesündigt,  die  man  nur  unterschreiben  kann:  'Les  recherches  sur 
les  uoms  de  lieu  et  de  personne  exigent,  plus  que  tout  autre  chose, 
la  plus  consciencieuse  exactitude  dans  l'examen  critique  des  sources. 
Les  materiaux  doivent  etre  soumis  k  l'ordre  chronologique. '  Gerade 
gegen  die  letzte  Forderung  hat  er  besonders  verstofsen.  Da  die 
Gefahr  naheliegt,  dals  Germanisten  und  andere,  die  nicht  in  der 
Lage  sind,  das  Vorgebrachte  nachzuprüfen,  einem  Fachgelehrten 
blindlings  folgen,  wie  das  ja  leider  auch  in  dem  ähnlichen  Fall 
Zimmers  geschah,  so  will  ich  eine  ausführliche  Widerlegung  lieber 
an  einer  Stelle  anbringen,  von  wo  sie  weitere  Kreise  erreicht. 

Van  Hamels  Abdruck  des  Gedichtes  auf  Crimthann  aus  Rawl. 
B  502,  85  b  erheischt  folgende  Verbesserungen.  In  Str.  1  hat  die  Hs. 
molbda.  In  Str.  4  lies  fintöir,  Str.  5  mifrech  in  quantitierendem 
Gleichklang  mit  Cathbad  und  nathrach,  Str.  6  n-antrenn,  in  Str.  13 
Enna,  Str.  14  Huaisliu  mit  der  Hs.,  die  ferner  richtig  Cniachan 
hat.  In  Str.  15  lies  Samäire,  Str.  16  Mugnae,  Str.  20  hirchrann, 
Str.  24  Torchdü  ni  tholcmaith  nostoimdim ,  Formcel,  Fordniimm, 
Str.  26  m'inhed,  wie  Rawl.  öfters  statt  ined,  inad  schreibt.  In  Str.  27 
hat  die  Hs.  timthach,  Str.  28  asrubairt.  Lies  's  ed  ronanacht.  In 
Str.  31  steht  noi  t'igrad  in  der  Hs.  und  grad  statt  grane.  In  25  a 
liest  LL  na  sargud  dö  7  dilgud.  Str.  23  a  ist  Gluis  in  Olais  zu 
ändern.  Das  Fcs.  hat  inasc  ail.  Serge  ist  gewifs  mit  O'Curry  in 
Serad  zu  bessern,  was  Eeim  mit  gsbam  und  Konsonanz  mit  dälam 
gibt.  In  der  letzten  Strophe  lies  leimm  dar.  Zu  den  Anmerkungen 
wäre  zu  sagen,  dafs  es  nicht  verständlich  ist,  warum  lergloir  in 
Str.  4  der  Alliteration  wegen  eine  bessere  Lesart  als  lergmöir  sein 
soll,  da  das  l  von  löir  doch  nicht  alliterieren  kann.  Clär  Cathbad 
ist  eine  dichterische  Bezeichnung  für  Ulster.  In  Str.  10  ist  röen 
gewifs  richtig ,  aber  Reim  mit  röemid  gibt  es  nicht.  Str.  24  sind 
Torchäil,  Formäel  und  Fordruimm  Namen  von  Hügeln  in  der  Baronie 
Gorey  in  der  Grafschaft  Weiford.  O'Curry  würde  sich  gefreut  haben, 
durch  die  Lesart  Torchdü  (R)  eine  Bestätigung  seiner  Identifikation 
von  Torchair  (LL)  mit  Torchill  Mount  zu  erhalten  (Ms.  Mat.  S.  489  n.  59). 
Mide  'Meath'  ist  ursprünglich  Neutrum.  Was  die  Bindung  der 
Strophen  untereinander  anbetrifft,  so  tut  diese  in  §  13  und  19  nicht 
not,  weil  das  Anfangswort  der  vorhergehenden  Strophe  wiederholt 
wird.  In  solchen  Fällen  fehlt  die  Bindung  regelmäfsig.  VgL  z.  B. 
Fei.  Öing.  Epil.  v.  181  —  209,  wo  alle  Strophen  mis  Is  anfangen, 
ib.  237—284  (Drong),  321—360  {Adsluindiu),  445—560  (Romiöerae). 

In  den  Gedichten  aus  Brüssel  ist  S.  276/7  §  29  tecmaig  und 
eccnaid  zu  lesen,  in  §  34  dibh  a  ndls,  wl  füille  fis,  wo  föille  auf 
Oighe  reimt,  §  41  und  50  Egipt  im  Reim  mit  Enirt,  §  42  ainsedh 
(:  tairsedh),  §  46  Müra  na  muir,  §  53  flrian,  §  61  Ni  raibhe. 


ERSCHIENENE    SCHKIFTKN,  447 

Marstranders  absprechende  und  z.  T.  in  wenig  höflichem  Tone 
gehaltene  Kritik  meiner  'Keltischen  Wortkunde'  (S.  335  flf.)  macht 
ihm  keine  Ehre  und  wird  besonders  all  denen  unerfreulich  sein, 
welche  wissen,  was  er  mir  alles  schuldig  geworden  ist.  Es  ist  auch 
zu  tadeln,  dai's  er  von  den  reichen  Wortsammlungen  der  irischen 
Akademie,  die  ihm  zur  Verfügung  stehen,  keinen  besseren  Gebrauch 
zu  machen  gewulst  hat.  Wie  so  oft  bei  seinem  Wörterbuch,  ver- 
wirrt er  auch  hier  öfters  den  Leser  durch  eine  Menge  Zitate,  die 
dieser  doch  wieder  im  einzelnen  prüfen  mufs.  So  habe  ich  schon 
erwähnt,  dafs  er  in  dem  Artikel  über  den  und  deiti  die  strittige 
Frage  dm-ch  ein  Wirrwarr  von  mehrfach  wiederholten,  oft  falschen 
Belegstellen  nur  verdunkelt.  Er  setzt  ein  Substantiv  den  an,  während 
nur  gelegentlich  dem  Reim  zuliebe  so  für  denn  geschrieben  wird, 
mischt  unter  die  Beispiele  für  das  Adj.  den  solche ,  die  einen  Kasus 
des  Adj.  dlan  und  sogar  des  Subst.  dian  (ä)  f.  enthalten  und  zieht 
daraus  falsche  Schlüsse.  In  Acall.  2677  läfst  er  dein  auf  itid  reimen 
statt  auf  ßin,  nimmt  O'Davorens  dein  A.  glan  für  bare  Münze, 
während  es  sich  doch  um  das  dem  doss  zustehende  Versmass  dlan 
handelt,  setzt  in  SR  domun  den  statt  des  ganz  gewöhnlichen  domun 
dlan  an,  ebenso  druine  den  1943  gegen  den  Reim  u.  dgl.  mehr. 
Wenige  Seiten  hätten  genügt,  um  das  Richtige  und  Neue,  was  M. 
bringt ,  zusammenzustellen.  Man  fragt  sich ,  was  Artikel  wie  z.  B. 
der  über  genit  (S.  387)  eigentlich  bezwecken.  Was  er  über  celt, 
maehad,  üsca,  mathmarc,  cnatarbärc,  cnaplong,  Fuidbech,  Suidbech 
sagt,  ist  wenig  überzeugend,  während  seine  Ansichten  über  cet,  rlched, 
dorognad,  omungnath,  Cathäir,  Dlmma,  Inaepius,  aithben,  geliti^) 
geradezu  unrichtig  sind.  Um  zu  zeigen,  wie  oberflächlich  M.  bei 
aller  Umständlichkeit  zu  Werke  geht,  und  wie  wenig  ihm  der  ab- 
sprechende Ton  zukommt,  will  ich  kurz  seine  Bemerkungen  über 
aithben  (S.  337)  widerlegen,  worin  er  meine  Übersetzung  des  Wortes 
mit  '  frühere  Gattin '  bekämpft.  Er  schlägt  allen  Ernstes  vor,  athben 
in  rig  Airt  (Zeitschr.  7111254  §  17)  mit  'das  Unweib  des  Königs  Art' 
zu  übersetzen.  Das  wird  er  freilich  keinem  Leser  weilsmacheu,  aber 
es  zeigt,  wie  flüchtig  er  sich  die  Texte  ansieht  und  sich  um  eine 
genaue  Übersetzung  herumdrückt,  während  er  dreist  behauptet, 
'la  traduction  de  Meyer  manque  completemeut  de  base'.  König  Art 
war  tot  und  athben  bedeutet  schliefslich  nichts  anderes  als  'Witwe'. 
Unverzeihlich  aber  ist  es,  dafs  er  den  Charakter  einer  Dame,  gegen 
die  auch  nicht  das  Geringste  vorliegt,  verleumdet  als  ob  sie  eine 
Taitu  oder  gar  von  deutscher  Abkunft  gewesen  wäre :  '  les  mauvaises 
qualites   de  Medb  se   laissent  clairement  aper^evoir'!    Schliefslich 


1)  Wie  die  Lesart  geilte  von  B  in  Cog.  174,9  zeigt,  steht  geliti  in 
Hs.  D  nicht  "  mit  Rückassimilation "  von  glinne  (!)  für  geniti,  sondern  ent- 
hält svarabhakti,  das  D  bekanntlich  mit  Vorliebe  schreibt.  So  pafst  es 
auch  gut  zu  ammaidi,  das  M.  in  seinem  Zita;t  aiisläfst. 


448  ERSCHIENENE   SCHRIFTEN. 

Wäre  noch  zu  bemerken,  dafs  auf  S.  389,  Z.  21  statt  'Meyer'  'moi- 
meme'  zu  lesen  ist. 

Sehr  zu  begrülsen  ist  die  Fortsetzung  yon  Loth«  'JRemarques 
et  Additions',  worin  dieser  belesenste  Kenner  des  älteren  Kymrisch 
manches  Verfehlte  in  Morris  Jones'  Grammatik  richtig  stellt.  Zu 
dem  Zitat  aus  dem  Buch  von  Aneurin  84, 1  (S.  408) 

bu  bleich  bu  twlch  tande 

möchte  ich  bemerken,  dal's  sich  twlch  hier  schön  zu  dem  ir.  tolc  (ä) 
f.  'Durchbruch,  Bresche',  also  einem  Synonym  von  bwlch,  stellt. 
Siehe  Beispiele  des  Wortes  bei  Windisch,  Tochmarc  Ferbe,  zu  Z.  108, 
wozu  noch  tolc-biiülech  'Breschenschläger'   (RC  XXIV 202)  kommt. 

Der  satirische  Nekrolog  auf  mich  (S.  423),  der  denen  auf  Anwyl, 
Mackinnon  und  Rhys  folgt,  stellt  sich  ebenbüi'tig  manchem  an  die 
Seite,  was  seit  1914  in  England  über  mich  geschrieben  worden  ist.  ^) 
Man  findet  da  dieselbe  hirnlose  Wiederholung  von  Schlagwörtern 
der  gelben  Presse,  dieselbe  lächerliche  Unkenntnis  und  Verdrehung 
deutscher  Verhältnisse,  dieselbe  krankhafte  Verzerrung  einfacher 
und  natürlicher  Vorgänge  und  eine  neue  Bestätigung  des  Wortes, 
das  der  tapfere  E.  D.  Morel  im  Oktober  1914  seinen  Landsleuten  ins 
Gesicht  warf:  'Your  vision  is  distorted,  your  judgment  is  impaired'. 
Nur  versteigt  sich  der  Engländer  doch  nicht  so  leicht  zu  solchen 
Höhen  des  Aberwitzes  wie  der  Franzose.  Eine  Besprechung  solch 
geistiger  und  seelischer  Verirrungen  gehört  in  eine  psychiatrische 
Zeitschrift.  Damit  aber  der  Leser  nicht  glaubt,  dafs  ich  übertreibe, 
drucke  ich  den  Artikel  hier  vollständig  ab. 

"On  pourra  s'etonner  qu'ä  cette  liste  de  morts  nous  ajo.ution8 
M.  Kuno  Meyer.  Le  celtiste  de  l'Universite  de  Berlin  est  toujours 
vivant,  et  meme  bien  vivant,  si  l'on  eu  juge  par  l'activite  qu'il  a 
deployee  en  ces  derniers  mois.  Mais  imaginons  qu'il  soit  descendu 
dans  la  tombe  vers  la  mi-juillet  1914,  ä  une  epoque  oü  personne, 
en  France  du  moins  ou  en  Angleterre,  ne  soup^onnait  l'abominable 
attentat  qui  se  pr^parait  contre  la  paix  du  monde.  Chacun  eüt  ete 
unanime  ä  deplorer  la  perte  d'une  philologue  de  grand  merite,  dont 
l'urbanite  rehaussait  l'erudition.  Quelle  difference  aujourd'huil  La 
guerre  a  fait  tomber  la  masque  et  decouvert  le  visage.  Les  celtistes 
etrangers  ont  reconnu  avec  stupeur  le  vrai  caractere  de  leur  collegue 
de  Berlin.  Ce  pretendu  apotre  des  etudes  celtiques  n'etait  qu'un 
commis  voyageur  en  pangermanisme.   II  paraissait  humain  et  loyal, 


•)  Bei  manchen  dieser  Äufseriingen  war  das  Motiv  der  Schreiber, 
ihre  eigenen  Interessen  zu  fördern,  freilich  nur  zu  offensichtlich.  Von 
solchen  schrieb  mir  im  Januar  1915  ein  Freund:  'Let  me  assure  you  that 
we  look  with  indignation  on  words  that  have  been  written  by  those  who 
owed  you  much,  and  who  have  shewn  no  loyalty  or  fidelity  but  to  them- 
selves,  even  in  this  crisis,  as  in  all  past  oues.' 


ERSCHIENENE   SCHRIFTEN.  449 

dövone,  nniquement,  et  de  toutes  ses  forces,  au  servic«  desinteresse 
de  la  science.  En  fait,  sons  le  couvert  de  la  science,  il  travaillait 
au  triomphe  de  rhegemonie  gerraanique ;  ä  la  faveur  de  l'hospitalite 
anglaise,  il  preparait  les  voies  aux  hordes  casquees  qui  devaient 
conquerir  Liyerpool  et  Londres,  en  passant  par  Dublin.')  II  avait 
sa  place  marquee  dans  le  plan  de  mobilisation  de  l'Etat-Major 
prussien,  il  etait  enrole  d'avance;  il  a  rejoint  son  poste  dfes  le  pre- 
inier  jour  aupres  des  Irlandais  d'Ameriqae.  Ainsi,  il  s'est  rendn 
complice  du  crime  le  plus  monstrueux  qui  ait  ete  perpetrö  contre 
'  l'humanite.  II  a  accepte  les  odieuses  maximes  des  Clausewitz  et 
des  Treitschke,  et  jusqu'ä  l'hypocrisie  de  la  'guerre  defensive' 
declaree  par  l'Allemagne  au  monde,  de  cette  'guerre  de  vie  et  de 
mort'  comme  on  l'a  appelee  outre  Rhin,  entendez  de  vie  pour 
TAUemagne  et  de  mort  pour  les  autres.  'La  civilisation  humaine  sera 
allemande  ou  eile  ne  sera  plus',  tel  etait  apparemment  le  mot  d'ordre 
des  barbares  qui  ont  repandu  ä  plaisir  sur  les  regions  les  mieux  policees 
de  l'univers  la  devastatiou  et  l'incendie ,  le  pillage  et  l'assassinat. 
Herr  Professor  Kuno  Meyer  a  trouvee  cela  juste  et  beau.  On  dira 
qu'il  a  suivi  le  mouvement  imprime  ä  tonte  la  nation,  qu'il  a  marche 
d'accord  avec  ses  coUfegues  des  uuiversites  allemandes.  Cela  n'excuse 
pas  son  attitude  ä  nos  yeux  et  ne  doit  rien  changer  ä  celle  que 
nous  prendrons  ä  son  egard.  L'homme  que  nous  regardions  comme 
un  confrfere  s'est  devoile  un  ennemi.  II  le  restera.  Nous  ne  voulons 
plus  le  connaitre,  ni  avoir  aucun  rapport  avec  lui.  Pour  ceux  entre 
nous  qui  se  faisaient  jadis  un  houneur  et  un  plaisir  de  le  recevoir 
ä  leur  table  et  dans  leur  foyer,  il  est  desormais  mort  et  bien  mort. " 
Folgen  noch  einige  Sätze,  in  denen  gesagt  wird,  dafs  man 
trotzdem  grofsherzig  genug  sein  wird,  meinen  wissenschaftlichen 
Arbeiten  auch  in  Zukunft  die  Aufmerksamkeit  zu  schenken,  welche 
sie  verdienen.  So  gesellt  sich  zu  allem  übrigen  auch  noch  der 
englische  cant.  K.  M. 

A.  G.  van  Hamel,  Inleiding  tot  de  keltische  Taal-  en  Letter- 
kunde, bij  J.  B.  Wolters,  Groningen,  den  Haag  1917 
(Neophilologische  Bibliotheek),  VI  108  S.,  f.  1, 90. 

Gegenüber  den  bisher  erschienenen  Einfühningen  in  die  keltische 
Sprach-   und   Literaturwissenschaft   hat  das   vorliegende   Büchlein, 

')  Schade,  dafs  Loth  nicht  Henry  Sweets  anonym  gedrucktes  jeu 
d'esprit  'Home  Rule  in  Ireland.  Before  and  after'  (University  Press, 
Clontarf.  3145)  gekannt  hat.  Li  seiner  heutigen  geistigen  Verfassung 
hätte  er  gewifs  Sweets  Scherz  "that  Vogelsang  (d.  h.  der  verstorbene 
F.  N.  Finck)  and  Mittermayer  (ego)  were  neither  more  nor  less  than  Ger- 
man  Jew  spies  of  their  Imperial  master"  (S.  16)  als  volle  Wahrheit  ge- 
nommen. Oder:  "The  whole  circumstances  of  their  visit  are  suspicious. 
What  business  had  two  foreigners  to.  come  and  teach  the  Irish  their  own 
language?" 


450  ERSCHIENENE   SCHRIFTEN. 

abgesehen  davon,  dafs  es  in  billiger  Separatausgabe  vorliegt,  noch 
den  Vorteil,  dafs  es  von  einer  einzigen  Hand  herrührt  und  somit 
ein  abgeschlossenes,  harmonisches  Ganzes  bildet.  Wenn  es  auch 
nicht  viel  Neues  bringt,  so  erfüllt  es  dennoch  vollauf  seinen  Zweck, 
um  so  mehr,  als  es  leicht  und  gefällig  geschrieben  ist  und  auch 
solchen  literarischen  Problemen,  die  in  das  Gebiet  der  allgemeinen 
Literaturwissenschaft  hinüber  spielen,  gebührende  Aufmerksamkeit 
widmet,  ohne  sich  auf  trockenes,  rein  deskriptives  Vorgehen  zu 
beschränken.  i 

Im  einzelnen  wäre  zu  bemerken: 

S.  2.  Namentlich  mit  Hinblick  auf  die  heillose  Verwirrung  in 
einem  Teil  der  anthropologischen  Literatur  wäre  es  richtig  gewesen, 
an  dieser  Stelle  auch  den  Begriff  des  anthropologischen  Kelten  fest- 
zulegen, der  zweifellos  der  hochgewachsenen,  langköpfigen,  blonden, 
blauäugigen  nordischen  Rasse  angehörte. 
,     ^  S.S.    'Tauber' mufs  auf  eine  Grundform  mit  langem  Q  zurück- 

gehen und  kann  daher  nicht  unmittelbar  kymr.  ä.xcfr  gleichgesetzt 
werden. 

S.  11.  Die  alte  irische  Form  des  Provinznamens  Connaught 
lautet  Connachta. 

S.  21.  Da  der  942  gedichtete  'Circuit  ofireland'  unzweifelhaft 
als  mittelirisch  anzusprechen  ist,  muXs  das  Ende  der  altirischen 
Periode  bereits  um  920  hemm  angesetzt  werden. 

S.  26.  Seither  hat  Walde  nachgewiesen,  dafs  das  Irische  und 
Lateinische  im  Gegensatz  zum  Sabellischen  und  Gallo  -  Britischen 
tatsächlich  auf  eine  gemeinsame  Grundsprache  zurückgehen  und  dafs 
die  Entstehung  des  „Urkeltischen"  erst  nach  der  Trennung  jener 
beiden  Sprachen  erfolgte.  * 

S.  27.  Daran,  dafs  eine  ganze  Reihe  syntaktischer  Eigen- 
tümlichkeiten der  keltischen  Sprachen  auf  nichtidg.  Einflüsse  zurück- 
zuführen sind,  darf  man  wohl  nicht  zweifeln. 

S.  29.    Für  *ken7i-i  lies  *koenn-i. 

S.  30.    Für  Oerkelt.  -ö»  lies  -ans  (idg.  -ms) ,  für  -äs  lies  -ans. 

S.  31.  kymr.  tri  'drei'  kann  nur  auf  den  Akkuss.  *trins 
zurückgehen. 

S.  35.    Die  gallische  Form  von  Lug  ist  Lugus. 

S.  38.  Der  Nominativ  zu  Cathbad  heifst  Cathuh  und  nicht 
Cathhu. 

S.  39.  Zur  Sage  von  Cü  Roi  vgl.  meine  Ausführungen  oben 
S.  339 — 41,  die  das  Verhältnis  Cü  Rois  zu  Cü  Chulainn  wohl  in 
ganz  anderem  Lichte  erscheinen  lassen.  Wenn  v.  H.  kurz  die  Ent- 
stehung der  Sage  behandelte,  hätte  er  wohl  auch  meine  Abhandlung 
(Mitt.  Anthrop.  Ges.  Wien  XLII)  berücksichtigen  müssen,  die  keines- 
wegs, wie  Thurneysen  und  Baudiich  meinen,  mit  ihren  Deutungen 
im  Widerspruche  stehen.  Die  Zahlen  beweisen  zweifellos,  dafs  es 
sich  um  einen  alten  Mondmythos  handelt;  dieser  Moudmythos  wurde 


ERSCHIENENE   SCHRIFTEN.  451 

dann  mit  den  Personen  der  Halbgötter  Cü  Roi  und  Cü  Chulainn  und 
weiterhin  mit  dem  Sagen -Motiv  der  verborgenen  Seele  verknüpft. 
Ich  habe  mich  nur  mit  der  mythischen  Grundlage  der  Sage  be- 
schäftigt, einer  Gnindlage,  die  viel  älter  ist,  als  die  Einwanderung 
der  Kelten  in  Irland.  Dieser  Mythos"  wurde  sodann  in  Caher  Conree 
lokalisiert  und  mufs  natürlich  das  älteste  Element  darstellen.  Erst 
mit  dem  Augenblick  der  Lokalisation  setzt  das  weitere  Schicksal 
der  Sage  ein,  wie  es  von  Thurneysen  behandelt  wurde.  Leider 
wissen  viele  Gelehrte  noch  immer  nicht  die  mythische,  vorhistorische 
Grundlage  von  der  folkloristischen,  historischen  Weiterentwicklung 
zu  scheiden.  Beide  stehen  nicht  gegen-  sondern  hintereinander;  die 
Mythenforschung  läfst  sich  am  besten  mit  der  vergleichenden  Sprach- 
forschung, die  (hier  von  Thurneysen  und  Baudisch  angewandte) 
folkloristische  Sagenforschung  mit  der  rein  einzelsprachlich  philo- 
logischen Forschung  vergleichen.  Mythen  konnten  nur  im  Kindes- 
alter der  Menschheit  entstehen ;  durch  ihre  Übertragung  auf  wirkliche 
Verhältnisse  entstanden  dann  die  Sagen.  Auf  historisch -literarischem 
und  philologischem  Wege  läfst  sich  nur  die  Sage  zurückverfolgen; 
weiter  rückwärts  mufs  die  vergleichende  Mythenforschung  einsetzen. 

S.  44.  Die  Auffassung  v.  Hs.  von  der  eigentlichen  Natur  der 
Ulster -Sage  ist  irrig  und  gerade  das  Gegenteil  ist  richtig.  Er 
meint,  Cü  Chulainn  sei  ein  Mensch  mit  einem  menschlichen  Vater, 
dem  erst  später,  im  Zeitalter  der  Romantik,  ein  göttlicher  Vater 
und  andere,  übernatürliche  Eigenschaften  angedichtet  worden  seien. 
Dasselbe  gelte  auch  von  Conchobar,  Medb  und  Ailill.  Nun  hat  aber 
Kuno  Meyer  nachgewiesen,  dafs  Cü  Chulaiuns  menschlicher  Vater 
Sualtam  einer  gelehrten  Erfindung  sein  Dasein  verdankt;  aufserdera 
heifst  jener  ausdrücklich  „der  Sohn  der  Göttin  Deichtire"  und  sein 
Oheim  Conchobar  wird  „ein  Gott  auf  Erden"  genannt.  Zusammen 
mit  zahllosen  anderen  Beweisgründen  wird  man  nicht  daran  zweifeln 
dürfen,  dafs  Cü  Chulainn  und  Conchobar  alte  Göttergestalten  sind 
und  erst  später  euhemerisiert  wurden. 

S.  52.  Englisch  brehon  ist  nicht  eine  Wiedergabe  des  ir.  brithem, 
sondern  des  Genetivs  breitheman  (sprich:  brehnn).  Unverzeihlich  ist, 
dafs  von  den  drei  besten  modernen  irischen  Schriftstellern:  Pädraic 
'0  Conaire ,  Padraic  Mac  Piarais  und  Pädraic  '0  Siochfhradha  nicht 
einmal  einer  genannt  wird. 

S.  57,  Anm.  1.  Kymr.  mcr 'Stadt'  kann  nicht  auf  l&t.  castra 
zurückgehen.    Vgl.  Pedersen,  G.  G.  A.  1912,  S.  26/27. 

S.  62.    Statt  cruith  lies  cruit  und  statt  Gywydd:  Cywydd. 

S.  84.  Cormac  mac  Airt  ist  keinesfalls  eine  historische  Person 
(s.  oben  S.  350/51).  Die  Idee,  dafs  in  der  Gestalt  Finns  verschiedene 
Figuren  zusammengeflossen  sind,  ist  gewifs  richtig. 

S.  85.  Im  Gegensatz  zu  meinen  Ausführungen,  in  denen  ich 
die  Qaleoin  als  Germanen  erklärt  hatte  (oben  XI 169  ff.) ,  will  sie 
Y.  H.  als  britische  Kolonisten  deuten.    Dadurch  erhalten  wir  aber 


452  ERSCHIENENE   SCHRIFTEN. 

keinerlei  Aufsclilufs  über  das  Suffix  in  Ga{i)ling  -<  *Galingi ,  das 
katim  anders  denn  germanisch  sein  kann.  Auch  Völkernamen  auf 
-igni  sind  im  Keltischen  sonst  unbekannt. 

S.  88.  Conn  Cetchathach  und  Art  mac  Cuinn  dürfen  ebenso- 
wenig wie  Cormac  als  historische  Personen  behandelt  «rerden  (oben 
S.  350/51),  wie  denn  überhaupt  die  frühe  Geschichte  Irlands  nur  mit 
der  gröfsten  kritischen  Vorsicht  historisch  verwertet  werden  darf. 
Über  den  irischen  Ursprung  der  Namen  Oscar  und  Oisin  s.  Fianaigecht 
S.  XVIII  Anm.  1. 

In  der  Bibliographie  vermifst  man  das  in  kritischer  Beziehung 
und  für  die  Urgeschichte  Englands  unentbehrliche,  vorzügliche  Buch 
von  Rice -Holmes:  Ancient  Britain  and  the  Invasions  of  Julius  Caesar. 
Auf  S.  105,  Z,  4  mufs  es  anstatt  O'Curry  richtig  O'Growney  heifsen. 
Die  neukymrische  Grammatik  von  E.  Anwyl  hätte  nicht  übergangen 
werden  dürfen. 

Zum  Schlüsse  bemerke  ich  nur  noch,  dafs  mir  das  Kapitel  über 
den  keltischen  Arthur  besonders  gut  gelungen  erscheint  und  namentlich 
allen  Romanisten  nicht  warm  genug  empfohlen  werden  kann.  Man 
vermifst  nur  einen  Hinweis  auf  die  Wichtigkeit  der  römischen 
Okkupation  für  die  Entwicklung  der  Sage,  da  jene  in  den  folgenden 
unruhigen  Zeiten  vielfach  als  goldenes  Zeitalter  gefeiert  wurde. 

Julius  Pokorny. 

K.  Meyer,  An  Crinög.  Ein  altirisches  Gedicht  an  eine  Syneis- 
akte  (Sitzungsber.  der  Kgl.  preufs.  Akademie  der  Wissen- 
schaften 1918.    XVIII  S.  362  — 374). 

S.  366  §  1  lies  cubaid.  Vielleicht  ist  doch  mit  ^F)  ronniOsam 
zu  lesen  und,  wie  Marstrander  vorschlägt,  'wir  dünkten  uns  grofs' 
zu  übersetzen. 

S.  371  §  5  lies  düairc.    Mit  §  4  vgl.  LL  369  m.  i. 

Anlege  deit  indä  midöl 

ocus  fällte  fri  fledöl 

tu  it  luing  6  allen  d'aileön 

'Erwünschter  ist  dir  als  Mettrunk  und  Wilkomm  zum  Trinkgelage 
wie  du  in  deinem  Schiif  von  Eiland  zu  Eiland  fährst'. 

Zu  minbad  tacrdd,  a  De,  duit  (§  11)  vgl.  menbad  tacrdd  latt, 
a  Ri  LL  374  b  25.  immom  c[/i]ein-se  (ib.)  kann  doch  wohl  kaum 
'um  mich  selbst'  bedeuten,  da  die  particula  augens  dann  an  falscher 
Stelle  wäre.  Vgl.  m'ainm-ae  fein  s.  Conc.  §  13.  Thurneysen  schlägt 
vor  'was  meine  Zeit  {cian)  betrifft'  zu  übersetzen.  Dann  wäre 
a  rdd  rot  Objekt  zu  atberamn  '  ich  würde  das  verwegene  Wort  aus- 
sprechen '. 

Dafs  über  den  Umgang  und  das  Zusammenleben  mit  Nonnen 
die  Ansichten  und  Bestimmungen  der  altirischen  Kirche  auseinander 


ERSCHIENENE   SCHRIFTEN.  453 

gingen,  zeigt  u.a.  folgende  Strophe,  die  ich  der  dena  heil.  Ciardn 
zugeschriebenen  Regula  entnehme  (Eriu  II  S.  228): 

Cia  bet  caülecha  it  arrad,      legthair  i  riaglaib  aili,^) 
fri  Crist  diam  glan  do  chride,      bia-sa  i  fiaith  nime  airi. 

'  Sind  auch  Nonnen  in  deiner  Gesellschaft  (so  liest  man  in  den  Regeln 
eines  andern),  wenn  nur  dein  Herz  Christus  gegenüber  rein  ist,  so 
wirst  du  deswegen  (doch)  im  himmlischen  Reiche  sein'. 

Zu  Änm.  3  auf  S.  363  läfst  sich  noch  aus  H.  3. 18, 19  a  folgende 
Bestimmung  hinzufügen:  tuillem  bathais  7  comnae  is  midies  .%.  do 
fiur  grdid,  acht  ni  rwca  dia  chaillig  no  dia  mac  berar  dö  iar  techt 
gräid  'die  Gebühr  für  Taufe  und  Kommunion  steht  dem  Ordinierten 
zu,  nur  soll  er  sie  nicht  seiner  Nonne  geben  oder  seinem  Sohn,  der 
ihm  geboren  wird,  nachdem  er  ordiniert  worden  isl.'  K.  M. 


NOCH  EIN  KRIEGSKURIOSÜM. 


Gerade  da  ich  abschlielsen  will,  kommt  die  Nachricht 
aus  England,  dals  die  Stadt vätier  von  Liverpool  die  Anschaffung 
des  'Archivs  für  celt.  Lexikographie'  für  die  Bibliothek  der 
Stadt  verweigert  haben,  weil  mein  Name  auf  dem  Titel  steht. 
Zur  Belustigung  meiner  Leser  setze  ich  den  Bericht  der  'Times' 
darüber  her.  Er  ist  aber  zugleich  ein  trauriges  Zeugnis  für 
den  Tiefstand  der  Bildung  und  den  Mangel  an  Humor  in  den 
Mittelklassen  Englands.  Übrigens  wird  mein  alter  Freund 
und  Schüler  Thomas  Burke  wohl  recht  haben,  wenn  er  das 
Manöver  als  weniger  gegen  mich  als  gegen  die  irische  Partei 
des  Sta'dtrats  gerichtet  bezeichnet. 

"Liverpool  City  Council  yesterday  rejected  by  65  votes 
to  19  a  proposal  to  purchase  the  work  'Archiv  für  celtische 
Lexikographie',  one  of  the  authors  of  which  is  Kuno  Meyer. 

Alderman  Burgess  said  that  Kuno  Meyer  was  a  German 
of  the  worst  type.  He  was  the  spoilt  pet  of  Liverpool  üni- 
versity,  acted  as  a  coUeague  of  Casement  in  Germany,  stirred 


^)  Strachau  schlug  vor  leider  i  riagla  aili  zu  lesen,  was  mir  nicht 
ganz  klar  ist. 


454  NOCH  EIN  KRIEGSKURIOSÜM.   —  NACHTRÄGE. 

up  sedition  in  Ireland,  and  afterwards  went  to  America,  wliere 
he  employed  himself  in  spitting  out  venom  on  the  band  that 
fed  him. 

Councillor  Burke  declared  that  the  main  body  of  the 
book  was  written  three  centuries  before  Kimo  Meyer  t^s 
born.  That  was  a  patriotic  demonstration  got  up  deliberately 
to  drag  his  (the  speaker's)  countrymen  in. 

Alderman  Watts  said  if  they  had  any  of  Meyer's  books 
in  the  library  they  should  bui^n  them. 

Councillor  John  Clancy  did  not  agree  with  Councillor 
Burke's  remarks.  Far  from  Meyer  being  a  friend  of  Ireland, 
his  name  had  been  removed  from  the  Freemen's  Roll  in  Dublin 
and  Cork."  K.  M. 


NACHTRÄGE  UND  BERICHTIGUNGEN. 


Die  arg  verstümmelte  elfte  Strophe  des  Mael-Isu  zu- 
geschriebenen Gedichtes  (XII,  S.  296)  findet  sich  richtig  in 
Anmchairdes  Manchäin  Leiih,  VII 311  §  20. 

XII,  S.  297.  Bas  hier  abgedruckte  Gedicht  Mo  labrad 
C0C.  steht  atich  Addit.  30, 512,  fol.  35  b  2,  mit  den  Lesarten 
charus  (§  1),  mandrad  (§2),  a  athair  cacha  und  laide  (§  3). 
Statt  agrad  (§  2)  ist  adrad  zu  lesen  (Marstrander). 

Ibid.  Z.  14  ist  statt  Rawl.  B.  503  zu  lesen  Rawl.  B.  477. 
Die  Handschrift  stammt  aus  dem  Anfang  des  17.  Jahrhunderts. 


Druck  von  Ehrhardt  Karras  G.  m.  b.  H.  in  HaUe  (Saale). 


PB  1001  .Z5 
V.12  SMC 


Zeitschrift  f/r 
CELTiscHE  Philologie  / 
AJG-7434  (ab)