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ZEITSCHRIFT
FÜR
CELTISCHE PHILOLOGIE
HERAUSGEGEBEN
VOM
KUNO METER
XTL BAND
HALLE A. S.
MAX I7ISM£Y£R
LONDON W, C.
WILLIAMS & NOSGATE
U, HENRI TTA STREET
COVENT GARDEN
NEW YORK
G. E. STECHEET & CO
151- IM WEsT 25th sTREET
1918
,1/1
w*-^
Inhalt.
Seite
W. Greiner, Owein — Ivain 5
J. Hopfner, Verkleinerungsformen altkeltischer Flufsnamen . . . 185
J. Pokorny, Beiträge zur ältesten Geschichte Irlands 195
K. Meyer, Das Ende von Balle in Scäil 232
R. T hur neysen, Tuirill Bicrenn und seine Kinder 239
— , Tochmarc Cruiun ocus Macha 251
— , Neuir. gäl. niata 254
J. Pokorny, Der Priester-Mörder 255
R. Thur neysen, Zur keltischen Literatur und Grammatik . . . . 271
K.Meyer, Mitteilungen aus irischen Handschriften 290
J. Pokorny, Vennischtes ^ 298
K. Meyer, Eine Auseinandersetzung 307
J. Pokorny, Nachtrag zum Aufsatz : Beiträge zur ältesten Geschichte
Irlands 308
Carl Marstrander, Altir, ^iWae 309
J. Pokorny, Beiträge zur ältesten Geschichte Irlands (3. Erainn,
Ddri(n)ne und die Ivemi und Darini des Ptolomäus) . . . 323
K. Meyer, Mitteilungen aus irischen Handschriften (Fortsetzung) . 358
R. Thurneysen, Zu irischen Texten 398
— , Miszellen (1. Ursprüngliches dm im Altirischen; 2. Ir. alaile;
3. titacht 'kommen'; 4. Der Übergang von v- in /"- im Irischen;
5. Ogom Svaqquci] 6. cürsachad; 7. Kymr. y aus m;^ ; 8. Kymr. heb) 408
K. Meyer, Altir. imb-ad-ci- 414
— , Altir. tinds 414
J. Pokorny, Zur Chronologie der Umfärbung der Vokale im Altirischen 415
K. Meyer, Mittelir.f ic = fuc •/* *^^_ <5*.
J. Pokorny, Die Endungen der 2. Sing. Präsentis im Altirische^^ ^ ^
(^ fiienARyl
IV
K Meyer, mac toimfen 431
— , Miszellen (1. Zar Datierung des Gelben Buchs von Lecan ; 2. Altir.
Gennaith; 3. Drei Menschenalter; 4. Cü Chorb and Echu Find
Füath nAirt; 6. Kymr. nolff; 7. Altir. swirse ; 8. Delbnae Nödot;
9. Altir. wöi 'mein'; 10. Altir. daüA/enn ; 11. Zu O'Davorens
Glossar; 12. Bisher unbelegte altir. Formen; 13. Altir. <o-/awc-) 432
Carl Marstrander, Einige Worte an Knno Meyer 442
Erschienene Schriften:
Revue Celtique XXXVI 3—4 445
A. G. van Hamel, Inleiding &c. . . 449
K. Meyer, An CrTnog 452
K. Meyer, Noch ein Kriegskuriosum 453
Nachträge und Berichtigungen 454
OWEIN — IVAIN.
Neue Beiträge zur Frage nach der Unabhängigkeit der cymriachen
Mabinogion von den Romanen Chrestiens.
Eiuleituug und Vorbemerkung.
Die vorliegende Arbeit, die ihre Entstehung einer Anregung
meines verehrten Lehrers Adolf Birch- Hirschfeld verdankt,
spll einen Beitrag liefern zu der vielumstrittenen sogenannten
Mabinogionfrage, zur Klärung des Verhältnisses der Vers-
romane Chrestiens zu den entsprechenden wälschen Erzälilungen
des Llyfr Goch o Bergest.
Diese Streitfrage ist nun in allerjüngster Zeit gerade
wieder in den Vordergrund getreten, nachdem es vorher längere
Zeit hindurch geschienen hatte, als sei die Untersuchung
darüber, welche Stellung und welchen Wert man den drei
Erzählungen von Peredur, Geraint und Owein zugestehen
müsse, endgültig und unwiderruflich abgeschlossen. Die in den
Einleitungen der trefflichen Ausgaben der Werke Chrestiens,
die uns Wendel in Förster geschenkt hat, von ihm und in der
im Jahre 1889 veröffentlichten Abhandlung von Othmer auf-
ofestellten Behauptungen blieben längere Zeit hindurch fast
unwidersprochen. Man schlofs sich im allgemeinen ihnen an,
und so wurde die Förstersche Ansicht, die drei cymrischen
Erzählungen seien unmittelbar von Chrestien abhängig, lange
Zeit die herrschende, und durch sie wurde „der Weg zur
richtigen Erkenntnis des Ursprungs der Artusepik ver-
barrikadiert" (Zenker).
Der nun gegenwärtig mit erbitterter Schärfe wieder-
aufgenommene Streit wurde veranlafst durch eine von Richard
Edens vei-falste Rostocker Preisschrift über:
„Erec- Geraint. Der Chretiensche Versroman und das
, wälsche Mabinogi."
Schon in den vorhergehenden Jahren — Edens veröffentlichte
seine Schrift im Jahre 1910 — hatten sich einzelne Stimmen
Zeitschrilt f. celt. Plülolotfie Xil, l. 1
2 WALTER GREINKR.
erhoben, die den Förster -Othmerschen Beweisführungen die
zwingende Kraft absprachen. Doch gelang es Förster immer
wieder in mehr oder minder sachlichen Entgegnungen sowie
anderen Veröffentlichungen seine Ansicht, die er. von geringen
Abweichungen abgesehen, im Ganzen unverändert aufrecht
erhieltj zur Geltung zu bringen.
Von Edens an kann man nun von einem gewissen „Um-
schwung der Lage" reden. An seine Schrift schlössen sich
zahlreiche Veröffentlichungen an, die sich teils mit dem engeren
Gebiete des Erec. teils aber auch mit der allgemeineren Frage
befafsten. Ich erinnere hier nur an die Fehde zwischen
Förster und Zenker- Edens im Literarischen Zentralblatt 1912,
an Försters Entgegnung in der Behrensschen Zeitschrift
(XXXVIIL 149—195), der Zenkers „Antikritik" folgte und
endlich an Browns Abhandlung: On the independent character
of the Welsh Owein. Windischs umfassende Schrift über das
keltische Britannien und Zenkers Entgegnung im Literatur-
blatt (1913, Nr. 5) fanden, da die Vollendung der Arbeit schon
zu weit gefördert war, nur in den Hauptsachen Berück-
sichtigung.
Es kann hier nicht der Zweck dieser Zeilen sein, all die
Zahl der einschlägigen Werke und Aufsätze anzuführen.
Eine „Geschichte der Mabinogionfrage", wenn man es so
nennen will, findet sich kurz bei Förster im ersten Aufsatz
aus dem oben erwähnten Streit (Spalte 1120). Libezug auf
die früheren und frühesten Forschungen auf unserem Gebiete
sei verwiesen auf die Zusammenstellungen bei Rauch und
Othmer; einen Überblick über die Ergebnisse namentlich de ■
neueren und neuesten Arbeiten gibt Windisch in dem Ab-
schnitt LH seiner Abhandlung, den er ., Gaston Paris,
W. Förster und H. Zimmer" überschreibt (Seite 250 f.).
Der eigentlichen Behandlung der Grundfrage nach dem
Verhältnis Ivain — Owein seien einige Worte über die so-
genannten Mabinogion an sich vorausgeschickt.
Die Handschrift befindet sich im Jesus College zu Oxford
und enthält nach den Angaben der Lady Guest, die zum
ersten Male eine vollständige englische Übertragung im Jahre
owEiN — ivAiN. ;;
1849 veröifentlichte, 720 Folioseiteii. Die ihren Tnlialt bildenden
wälscheu Erzählungen sind ilirem Stoffe nach wesentlich
verschieden.
Man hatte sich nun daran gewöhnt, die zunächst nur
den sogenannten „four branches" zukommende Bezeichnung
mabinogi auch auf die drei Erzählungen von Owein, Peredur
und Geraint zu übertragen, sie über sämtliche Geschichten
der Sammlung auszudehnen und so den Inhalt des Koten
Buches von Hergest als die Mabinogion schlechthin zu be-
zeichnen. Dagegen wandte man sich mehrfach, zuletzt Wendelin
Förster in dem schon oben erwähnten Aufsatz in der Zeit-
sjihrift für rom. Phil. Sicherlich ist dem zuzustimmen, dafs
sich hier eine ursprünglich unrichtige Bezeichnung eingebürgert
hat. Wenn ich aber trotzdem im Folgenden für die uns
besonders naheliegende Erzählung Jarlles y Ffynnawn (die
Dame von der Quelle) den Namen ]V[abinogi gebrauche, .so
geschieht dies lediglich in der Absiclit, mich mit der Mehr-
zahl der einschlägigen Arbeiten in dieser Beziehung in Über-
einstimmung zu setzen. Betreffs alles Weiteren kann ich auf
Zenkers Anmerkung zu Seite 1 seiner „Antikritik'' verweisen.
Das Wort mabinogi selbst ist nun auch Gegenstand mehr-
facher Erörterungen gewesen. Die einen — Hughes und Rhys,
auch Loth und Zimmer — verdeutschen es mit ^Lernstoft" des
Barden" (mabinog = literary apprentice!). während Evans das
AV'ort etwa mit dem uns aus der altfranzösischen Literatur-
geschichte geläufigen enfances (Enfances Ogier. enfances Roland
u. a. m.) aus dem lat. infantia bedeutungsgleich ansetzt. Ich
möchte — im Hinblick auf die späteren Ergebnisse der Unter-
suchung — in diesem Zusammenhange nicht verfehlen, auf
den einen möglicherweise bestehenden Zusammenhang des
Wortes mit Frau Mab, der Feenkönigin, hinzuweisen, die uns
durch Shelleys Dichtung bekannt und durch Shakespeares
berühmte Schilderung in Romeo und Julia vertraut geworden
ist. Dort heilst es I, 4:
„Sie ist der Feen Traum -Entbinderin:
Sie kommt, nicht gröfser als der Edelstein
Am Zeigefinger eines Aldermanns,
Und fährt mit einem Spann von Sonnenstäubchen
Den Schlafenden quer auf der Nase hin.
WALTER GREINER.
— — — — ich rede
Von Träumen, Kindern eines müfs'gen Hirns,
Von nichts als eitler Phantasie erzeugt,
Die aus so dünnem Stoff als Luft besteht
Und flücht'ger wechselt, als der Wind, der bald
Um die erfrorne Brust des Nordens buhlt.
Und schnell erzürnt, hinweg von dannen schnaubend.
Die Stirn zum taubeträuften Süden kehrt."
Die walisische Sammlung, das in der vorliegenden Gestalt
und Fassung aus dem 14. Jahrhundert stammende Red Book
of Hergest (Llyfr Codi o Hergest), auf dessen Text — in
der trefflichen französischen Übersetzung von Loth — die
folgende Untersuchung ruht, ist nun keinesfalls die erste
Niederschrift der cymrischen Erzählungen. Von Evans wurde
1909 der Text des White Book lierausgegeben, einer Hand-
schrift, die, wie uns Windisch in seiner Abhandlung Seite 231
berichtet, bis nahe an die Zeit Chrestiens heranreicht.
Noch nicht allzulange ist es her, dafs man über die Ent-
stehung des Red Book auch nur mit einiger Sicherheit ein
klares Bild hatte. War man früher geneigt, aus den un-
verkennbaren Spuren älterer Fassungen, mit denen wir uns
im Verlauf der Untersuchung mehrfach zu beschäftigen haben
werden, den Schlufs zu ziehen, dafs die cymrischen Erzählungen
in der uns überlieferten Form älter seien als Chrestiens Werke,
so gibt heute jeder Keltist zu, dafs die Handschrift des Roten
Buches in der Zeit nach Chrestien entstanden ist. Auch
Browns Untersuchung ,,0n the independent character of the
Welsh Owein" fulst auf dieser Tatsache.
Das Verhältnis des Red Book zum White Book gestaltet
sich nun nach Mary Rh. Williams, der auch Windisch zu-
stimmt, so, dafs für beide Handschriften eine gemeinsame
Quelle aus dem Jahrhundert Chrestiens anzusetzen ist.
Die Niederschrift der den französischen Romanen ent-
sprechenden cymrischen Erzählungen zeitlich genau fest-
zusetzen, ist bis jetzt noch nicht gelungen. Nach der einen
Seite hin ergibt sich ja eine Begrenzung des Spielraumes mit
voller Sicherheit: dafs die Erzählungen ihre gegenwärtige Form
in der romanischen Zeit — also nach 1066 — erhalten haben.
OWEIN — IVAIN. 5
dafür zeugen die französischen Lehnwörter, deren Unter-
suchung Windisch einen besonderen Abschnitt widmet. Die
(Frenze nach der anderen Seite hin ist weniger scharf zu
ziehen, obwohl der geistvollen und mühereichen Versuche, sie
zu finden, — es sei nur erinnert an Evans, der eine Nieder-
schrift der Mabinogion aus der ersten Hcälfte des 12. Jahr-
hunderts, also aus der Zeit vor Chrestien erschiiefsen wollte
— viele gemacht Avurden. Bestehen bleibt jedenfalls als grund-
legend, dafs. wie Windisch, dem ich in diesen rein keltischen
Fragen hauptsächlich gefolgt bin, feststellt (Seite 233) „die
handschriftliche Aufzeichnung der cymrischen Erzählungen
nicht mit voller Sicherheit bis in die Zeit vor Chrestien
zurück verfolgt werden kann". Folgen wir Evans und Loth
(Revue Celtique XXXII, 430), so haben sie ihre gegen-
wärtige Gestalt in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts
erhalten.
So mag es denn auf den ersten Blick am einfachsten er-
scheinen, die ganze Mabinogionfrage oder vielmehr die Kette
von E]inzelf ragen, die noch mehr oder minder der Klärung
harren, damit als gelöst zu betrachten, dafs man die den
französischen Versromanen entsprechenden, uns in einer nach-
weislich jüngeren Xiederschiift erhaltenen cj'mrischen Er-
zählungen als von den ersteren abhängig, als stark gekürzte
Wiedergaben der Werke Chrestiens ansieht. Dabei würden
natürlich die zahlreichen echt keltischen Bestandteile, deren
Vorhandensein niemand eigentlich geleugnet hat, lediglich als
„Beiwerk" (Förster) zu gelten haben, oder, wie Othmer sich
minder geschmackvoll ausdrückt, den Zweck verfolgen, „den
Schmuggel der unechten Ware zu decken".
„So gibt es denn keinen Forscher (!) mehr, der die
französische Abstammung dieser drei Erzählungen leugnete",
lälst sich Ph. Aug. Becker im Januarheft 1913 des Literatur-
blattes vernehmen. Man sieht, die Ansicht von der Ab-
hängigkeit der Mabinogion wird heute mit einer Bestimmtheit
geäufsert, die es dem L'nbefangenen redlich schwer macht,
vorurteilsfrei an die ganze Frage heranzutreten und die
keinesfalls so unerschütterlich fest gegründeten Ergebnisse
dei' Forschungen auf gegnerischer Seite einer Prüfung zu
unterziehen.
6 WALTER GREINER,
Försters gesamte Behauptungen und Beweisführungen
gipfeln immer und immer wieder in dem einen Satze:
„Kristian ist eben und bleibt der grofse Meister, dessen
Ruhm die Nachwelt nicht schmälern kann." (Einleitung zum
Lancelot XCVIIT).
Chrestiens Dichterrulim — das ist der Anfang und das
Ende, der eigentliche Hauptgrund der Veröffentlichungen
Wendelin Försters. Und über einen jeden, der au des Franzosen
Stellung in der Literatur und zu seinen Werken zu rütteln
wagt, giefst er die volle Schale seines Grimmes aus.
Es wird im Folgenden gezeigt werden, dafs auch bei der
Annahme der Unabhängigkeit der cymrischen P>zählungen
Chrestiens Gestalt keinesfalls von ihrem Glänze, von ihrer
Bedeutung verliert. Fern liegt es uns, ihn zu verkleinern;
bleibt doch auch auf dem Boden unserer Ansicht Grund genug,
ihm für Proben hoher dichterischer Gestaltungskraft und
reichster Ausdrucksfähigkeit dankbar zu sein,
„Ehrliche Anerkennung dem Franzosen, der uns
Kunstwerke hohen, unvergänglichen Wertes schuf —
Ehre aber auch dem Kymren, der uns Kunde gab
von alten, längst verschollenen Formen der Sage!-'
Und so mögen diese Zeilen zu einer gerechteren Würdigung
des Verdienstes beider beitragen.
Erster Abschnitt.
Eine Gegenüberstellung der beiden Fassungen.
Texte:
Wendelin Försters Teitau.sgabe des Löwenritters (Romanische Biblio-
thek V). i. Aufl.. 1912.
Les Mabinogion tradnits eu francais etc. par .1. Loth. Tome II, p. 1—45-
Edition euti^rement revne, corrigee et angmentee. Paris 1913.
Zum ersten Male wird auf den folgenden Seiten der
Versuch gemacht, die französische und die cymrische Be-
arbeitung des Ivainstoffes ihrem ganzen Vei-lauf nach Zeile
für Zeile einander gegenüberzustellen. Es geschieht dies vor
allem deshalb, um für die dann folgenden zusammenfassenden
OWEIN — IVAIN. 7
Ausführungen eine sichere Grundlage zu schaffen, dann auch
zu dem Zwecke, einmal eine übersichtliche Darstellung des
Gemeinsamen und des Trennenden, das beiden Werken eigen
ist. zu geben.')
Chrestiens Roman beginnt mit der Schilderung des glän-
zenden Hoftages zu Carduel. Für die Handlung selbst von
keinerlei Bedeutung, läfst sicli dieses Stück völlig als ein-
leitende Episode loslösen. Die Art dieser Eingangszeilen
erscheint mir jedoch zu formelhaft,'-) — es war eben eine der
durch die Mode und den literarischen Gesclimack des Publikums
gebotenen Einführungen, wie wir sie in gleichzeitigen Werken
mehrfach finden, — als dal's es sich der Mühe lohnte, den
Quellen für das sich so völlig in den gewohnten Bahnen be-
wegende Treiben der Ritter und Damen nachzugehen, wie
liies Holland in seiner Ivainausgabe und San Marte (eben-
dort angeführt) tun. Zudem erscheint es arg seltsam, das
Vorhandensein einer derartigen Quelle für Chrestien notwendig
vorauszusetzen; er, der ein echtes Kind seiner ritterlich
galanten Zeit war, dessen „Sinnesart die der höfischen Zeit-
genossen" war, dessen ..sittliche Anschauungen die seiner
adligen Hörer" (Gröber) sind, er, der die Höfe von Champagne
und Flandern aus eigner Anschauung kannte, war in dieser
Hinsicht doch wirklich nicht auf fremde Vorbilder an-
gewiesen. "»
Als beliebtes Modethema darf man wohl auch die Klage
über den Verfall der „guten alten Zeit" auffassen (v. 17— 28),
die uns zu wiederholten Malen in Dichtungen des gleichen
Zeitabschnitts begegnet. Mit leiser Verachtung, die Chrestien
wieder als echten, meisterhaften Interpreten höfischer An-
•) Zu der im Folgenden — auch in zitierten Stellen — durchgeführten
Schreibung des Namens Ivain vergleiche man W. Förster. Der Löwenritter,
4. Aufl., 1912. S. V, Anm. 2.
») Wolfram von Escheubach macht sich sogar schon über diese
stereotype Art der Eomaneiuleitung lustig:
Parz. 281. 16: „Artus, der meienbaere mau.
Swaz man von dem ie gesprach.
Zeinen ptinxten daz geschach.
Odr in des meien bluomenzit."
Man vergleiche auch Försters Anmerkung zu V. 6 des Ivain.
8 WALTEli GKEINER.
scliauuiigen. höfischer Minneideen') zeigt, wendet er j»ich von
den Minneverächtern, den Minneunkundigen, ab:
(25) ,,cil qui rien n'an santent,
Dient qu'il aimment, mes il mantent
Et eil fable et mansonge an fönt,
Qui s'an vantent et droit n'i ont."
„Lafst uns lieber von einer Zeit reden, da es noch proesce
und corteisie, da es noch höfische Tugenden gab!" fährt er
fort und wendet sich dann über ein kurzes Loblied auf den
..unsterblichen — darin stimme er völlig mit den Bretonen
überein — Artus", dem eigentlichen Thema des ersten Teiles
zu: der Erzählung des Calogrenant.
Bei den nun folgenden Versen, die bei Chrestien etwa als
Überleitung zu der Erzählung der abenteuerlichen Fahrt zu
gelten haben, setzt auch der Bericht des Kymren ein. Da der
Beginn beider Fassungen bemerkenswerte Abweichungen zeigt,
folgen hier ('hrestiens und des Kymren Bericht übersichtlich
nebeneinandergestellt, und zwar links Chrestien (die Zitate
nach Försters kleiner Ausgabe), und rechts das Mabinogi, das
in der französischen Übersetzung von J. Loth angeführt wird.
Chrestien. Mabinogi.
Gegenüber der leuchtenden
Farbenpracht in der Schilde-
rung des Franzosen fällt hier
die patriarchalische Einfach-
heit des Königshofes sofort ins
Auge: „L'empereur Arthur se
trouvait ä Kaer Llion sur
Wysc. Or un jour il etait
assis dans sa chambre en
compagnie. . ."
.Vor der Tür des Gemachs. Die nun genannten Ritter
in welches sich der König entsprechen den bei ('hrestien
zurückzieht, stehen Dodinel, aufgeführten, nur Gauvain
') So heilst's im Perceval: „Amors qui est si haute cliose
Et <le si grant doucenr auclose
Et precieuse chose et sainte. . .'•
OWEIN
IVAIN.
Sagremors, Ken, Gauvain und
Ivain.
Das auffallende Verhalten
des Königs nach der Festtafel
— der Ton liegt in y. 45 auf
a si grant feste, wie Kölbing
wird an diesei- Stelle nicht
erwähnt; weiter befindet sich
die Königin mit ihren Zofen
im Gemach, alle mit Hand-
arbeiten beschäftigt. Wohl
sind Binsen gestreut, wie es
bei festlicher Gelegenheit und
auch sonst alt vertrauter Brauch
war, aber von Pracht und
Luxus, von dem märchenhaften
Glänze der andere Schlösser
— auch im späteren Verlaufe
der Erzählung — umgibt, fehlt
jede Spur. Anstelle der reichen
Folge köstlicher Speisen, die
wir aus den Schilderungen
festlicher Mahle bei den alt-
französischen Dichtern kennen,
die auch in unserem Texte an
späterer Stelle zu wiederholten
Malen erwähnt werden, sind
hier recht einfache, fast rohe
Sitten dargestellt: „des tratt->
dies de viande, port^es par
le Chevalier Kei et des cru-
chons d"hydromel sont pour lui
(den Kymren ) ce qu'il y a de
plus delicat",sagt Piquet a.a.O
S. 122. Diese — fast gesucht,
erscheinende — Einfachheit am
Königshofe im Gegensatz zu
der feenhaften Schilderung an-
derer Schlösser im Owein wird
in einem späteren Abschnitt
zu beleuchten sein.
Das Fehlen des Pförtners,
wird (nach Lady Guest als ein
Zeichen der gröfsten Gast-
lichkeit) besonders erwähnt.
10
WALTER GREINER,
herA'orgehoben hat. [man ver-
gleiche hierzu Char. 36 .,apres
mangier ne se remut Li rois
d'antre ses conpeignons"] —
bietet den ängstlich mit Wah-
rung des Hof Zeremoniells be-
dachten Rittern — ihre Namen
sind oben genannt — Gelegen-
heit zu ausgiebigen Erörte-
i'ungen:
(44) „S'i ot de teus. cui mout
greva,
Et qui mout grant parole an
firent
Por ce, que onques mes nel
virent
A si gi-ant feste an chanbre
antrer"
Die vor der Tür des könig-
lichen Gemachs stehenden Rit-
ter lauschen einer — allerdings
wenig rühmlichen — Erzäh-
lung:
(59) ... „un conte,
Non de s'enor mes de sa honte^',
wie Chrestien bezeichnender-
weise gleich hinzusetzt, die
Calogrenant begonnen hat.
Es folgt sodann der uner-
wartete Eintritt der Königin,
die vom Gemache aus die
Unterhaltung verfolgt hat,
weiter ihr plötzlicher, etwas
seltsam anmutender Fall (den
übrigens Hartmann von Aue
wörtlich übernommen hat; bei
ihm heilst es v. 104 „und viel
enmitten under si.") Calogre-
nant benutzt die Gelegenheit,
Der König selbst führt sich
herzlich wenig vorteilhaft ein
mit den Worten: „Hommes. si
vous ne vous moquiez pas de
moi, je dormirais volontiers en
attendant mon repas." Loth4,7.
„Et l'empereur s'endormif,
heifst es weiter; kein Mensch
kümmert sich darum; die Rit-
ter lassen sich von Kei be-
wirten, und nach einigem Hin
und Her beginnt Kynon (Calo-
grenant) seinen abenteuer-
lichen Bericht, dem die Worte
vorausgehen:
4, 17 ... „ensuite nous te
dirons le meiUeur recit que
nous pouvous savoir.'^
•v:
OWETN
IVAIN.
11
der Königin ritterliche Hilfe
zu leisten, was ihm aber gar
seltsamen Lohn einträgt. Mit
vollem Bezug auf die eben be-
gonnene und doch wohl fast
beendete F^rzählung spottet
Ken über des (^efährten gegen-
wärtig so grofsen Mut und
feine corteisie und wird von
der Königin sogleich in die
Schranken zurückgewiesen,
worauf ein längeres Wort-
gefecht zwischen der Königin,
Ken und rjalogrenant anhebt.
Der letztere wird schliefslich
veranlafst, seine Erzählung
noch einmal zu beginnen. Er
folgt dem Wunsche und läfst
der Bitte um Gehör — ganz
im Stile der kunstmäfsigen
Sänger — einen Exkurs über
die Aufmerksamkeit folgen.
Als Probe eines solchen
Chrestienschcn Exkurses seien
die in Frage kommenden Verse
(150—174) in deutscher Über-
tragung wiedergegeben.
„Leiht mir nun Ohren und
auch das Herz! Denn was ihr
hört, ist wertlos, wenn es nicht
zugleich auch mit dem Herzen
aufgenommen wird. Es gibt
zwar Menschen, die das Gehörte
nicht eigentlich innerlich in
sich aufnehmen, es aber doch
loben; diese haben davon doch
nichts als den Schall, solange
das Herz nicht mit dabei ist.
Das Wort gelangt zum Ohr
12
WALTER GKEINER.
wie der Wind, der dahin fliegt;
aber es bleibt dort nicht und
hält sich nicht auf, sondern
eilt schon nach sehr kurzer
Zeit weiter, wenn das Herz
nämlich nicht gerüstet und
geneigt ist, den Sinn auf-
zunehmen, indem es das Ctc-
sprochene bei seinem Heran-
kommen an sich zieht, ein-
schliefst und bei sich zurück-
behält.
Die Ohren bilden lediglich
den Weg, gleichsam den Kanal,
auf dem die Stimme zum
Herzen gelangt, und das Herz
nimmt dann im Leibe die
Stimme, die durch die Ohren
eingetreten ist, an sich.
Darum muls der, welcher
mir jetzt zuhören will, Ohren
und Herz mir zur Verfügung
stellen, denn ich will nicht
etwa von etwas reden, das
mir im Traume erschienen ist,
noch will ich Märchen oder
bewufsteUnwahrheiten weiter-
verbreiten, womit euch ja leider
so viele andere immer abge-
speist haben, — sondern ich
werde euch berichten, was ich
in Wirklichkeit gesehen und
erlebt habe.'* |
Ks folgt nun in beiden Fassungen die abenteuerliche
Erzählung des Zugs nach der r-rewitterquelle.
Der wälsche Text beginnt
mW dem Versuch einer Cha-*
rakteristik des Helden:
OWEIX
IVAIN.
IB
Vor sieben Jahren (die Zeit-
angabe läfst sich nach Förster
nicht mit v. 2089 vereinen, wo
es heifst, dafs Laiidine ihren
Gemahl vor noch nicht ganz
sieben Jahren geheiratet liat.
Man tut am besten, den Wider-
sprüchen in zeitlichen und geo-
graphischen Angaben, die sich
bei Chrestien finden, keinerlei
Bedeutung beizumessen) ist
Calogrenant allein auf Aben-
teuer ausgezogen; ohne ein
bestimmtes Ziel zu haben,
schlägt er auf gut Glück einen
beliebigen Weg ein:
(180) „Et trovai un chemin a
destre
Parmi une forest espesse."
[Loth II, 5, 9] J'etais fils
unique de pere et de mere;
j'etais fougueux, d'une grande .
presomption; je ne croyais pas
qu'il y eüt au monde personne
capable de me surpasser en
n'importe quelle prouesse.
Apres etre venu ä bout de
toutes Celles que presentait mon
pays, je fis mes preparatifs et
me mis en marche vers les
extremites du monde et les
deserts."
Diese letzte Wendung des
Hinausziehens in weiteste
Fernen findet sich in unserem
Texte noch mehrmals; sie wird
in dem der Stilistik des Mabi-
nogi gewidmeten Abschnitt
näher betrachtet werden.
Auf seinem Ritt geriet (tom-
bai) auch er zu der Burg, die
ihm gastliches Obdach ge-
währt.
u
WALTER GREINER.
Auf mühsamen Pfaden
(182) .,Mout i ot voie feienesse,
De ronces es d'espines plainne".
reitet Calogrenaiit bis zum
Abend weiter, bis der Wald
— sein Name ist Broceliande,
heifst es v. 189 — sich lichtet
und er vor sich in der Ebene
eine Bui-g sieht.
Er reitet näher heran und
grüfst den Schlofslierrn, der
ihn sogleich bei der Hand er-
greift und zum Bleiben und
Übernachten einlädt.
Bemerkenswert sind im wäl-
sclien Text die allgemein über-
gangenen Worte: ä la iin, je
tombai. . . (L II, 5, 16), sie
sollen an späterer Stelle zur
Untersuchung herangezogen
werden. Zunächst gelangt der
Ritter in ein paradiesisch
schönes Tal:
..... un vallon le plus beau
du monde, couvert d'arbres
d'egale taille. . . (L II, 5, 16).
Ein Fluls (une riviere aux
eaux rapides) durcheilt das
Tal, ein Pfad zieht sich am
Ufer hin. Diesen verfolgt
Kynon bis zum Mittag und
reitet sodann am anderen Ufer
des Flusses, den er durchreitet,
weiter: ,,je le suivis jusqu'au
milieu du jour et je continuai
de l'autre cöte de la riviere
jusqu'ä nones." [L. II, 5, 19 f.].
Er gelangt in die Ebene,
an deren Ende (extremite
[L II, 5, 22]) sich das prächtige
funkelnde Schlofs, wohl eine
Wasserburg (baigne par les
flots 5, 23), erhebt.
Während nun die Erzählung
von der Aufnahme im Schlofs
bei Chrestien rein nichts des
Wunderbaren enthält, ist die
entsprechende Stelle des Ma-
binogi gekennzeichnet durch
all jene wunderbaren Bestand-
teile, die uns als reine Märchen-
züge und als echt keltische
älteste Sagenbestandteile in
OWEIN — IVAIN. 1')
den späteren Abschnitten der
Untersuchung wieder begegnen
werden. Darum soll auf die
hier überaus bezeichnenden
Schilderungen auch schon an
dieser Stelle etwas genauer
eingegangen werden. Beim
Nähei'kommen bemerkt K3-non
zw^ei Jünglinge mit blondem
Lockenhaar,
„deux jeunes gens aux che-
veux blonds frises, (5, 25), die
überaus kostbar und prächtig
gekleidet und ausgerüstet sind:
„portant chacun un diademe
d'or; leur robe etait de paile
jaune; des fermoirs d'or ser-
\ raieut leurs cous-de-pied; ils
I avaient ä la main un arc
d'ivoire; les cordes en etaient
de nerfs de cerf, leurs fleches
! dont les hampes etaient d'os
1 de cetaces avaient des barbes
i de plumes de paon; la tete
I des hampes etait en or; la
\ lame de leurs couteaux etait
\ aussi en or et le manche d'os
de cetace" (6, 11).
Sie sind mit Messerwerfen
\ beschäftigt. Bei ihnen befindet
; sich ein Mann, dessen Aus-
I sehen und Kleidung ebenfalls
i von märchenhaftem Glänze
umstrahlt ist:
„un homme aux cheveux
1 blonds frises, dans toute sa
1 force, la barbe fraichement
I rasee. II 6tait vetu d'une robe
; et d'un manteau de paile jaune;
16
WALTER GREINER.
Mit einem im Schlofsliofe
aufgehängten Gong ruft der
Gastgeber die Schlofsbewohner
herbei, den Gast zu bedienen :
(211) „ Anmi la cort au vavassor
(2U) Pandoit une table. Je cuit
Qu'il n'i avoit ne fer ne fiist
Ne rien, qui de cuivre ne fust".
Etwas merkwürdig nimmt
sich in diesem Zusammeniiange
in V. 220 das Wort anclos aus:
„Cil qui amont ierent anclos
Oirent la voiz et le son. , ."
Die Schlofsbewohner, von
denen wir nichts Näheres er-
fahren, gewähren nun dem
ritterlichen Gaste all die Hand-
reichungen und Bequemlich-
keiten, die aus den höfischen
Romanen geläufig sind.
Bei Chrestien tritt besonders
ein iiübsches Fräulein hervor:
(227) ,,üne pucele bele et jante;
(229) Ele fu longue et gresle
et droite.
De moi desarmer fu adroite".
Als beide dann allein sind,
gewährt sie ihm auch alsbald
ein trautes Schäferstündchen:
un lisere de til d'or bordait le
manteau. II avait aux pieds
deux hauts souliers de coi'dwal
bigarre, fermes chacun pai- nn
bouton d'or" (6, 10).
Der Kitter ist überaus höflich
und lädt Kynon sogleich ein,
ihm ins Schlofs zu folgen.
„II n'y avait d'autres habi-
tants que ceuxquise trouvaient
dans la salle," heilst es ö, 20.
Das heilst doch nichts anders,
als dafs das Schlofs völlig un-
bewohnt schien, bis auf die
drei Männer vor dem Tor und
die nun näher beschriebenen
im Saale versammelten Mäd-
chen. Diese sind ohne Aus-
nahme von berückender Schön-
heit und Anmut:
,,la plus laide d'entre elles
etait plus belle que la jeune
tiUe la plus belle que tu aies
Jamals vue dans Tile de Bre-
tagne; la moins belle etait
plus charmante que Gwenhwy-
var, femme d'Arthur, quand
! eile est la plus belle, le jour
! de Noei ou le jour de Päques.
I pour la messe" (7, 3i?
I Bei der Ankunft des Ritteis
I legen sie ihre Arbeit — Seiden-
I Stickerei — beiseite und leisten
I ihm Willekommendienste. Die
! einen reinigen und putzen die
i Waffen,
I „au point qu'on ne pouvait
I rien voir de plus blanc"
i (7. 12).
OWBIN
IVAIN.
17
(238) .,ele me mena seoir
kl plus bei praelet del munde.
( 'los de bas mur a la reoude".
,.Dem Gliickliclieii schlägt
keine Stunde" — sie dehnen
beide das ungestörte Bei-
sammensein, von dem der Ritter
ganz entzückt ist (v. 241 — 246)
so lange aus, dals der Wirt
um die Stunde des Nacht-
mahles sich höchst eigenhändig
auf die Suche nach seinem
Gast und dem schönen Fräu-
lein machen mufs und sie zu
beider lebhaftem Unwillen —
(247) „Mes tant me fist la nuit
de guerre
Li vavassors, qu'il me vint
querre,
Quant de soper f u tans et ore" —
auch an dem verschwiegenen
Platze findet. Die ganze Epi-
sode ist ein kleines Meister-
stück Chrestienscher Erzäh-
lungskunst, eine köstliche
Probe seines sonnigen Humors.
Und dieser Umstand mag es
entschuldigen, wenn diesen
Versen an dieser Stelle ein
etwas gröl'serer Raum zu-
gesprochen wurde, als ihnen
nach ihrer Bedeutung für den
Fortgang der Handlung zu-
kommt.
Die andern schirren das
Pferd ab,
„d'une fagon irreprochable,
aussi bien que les meilleurs
ecuyers de l'ile de Bretagne"
(8, 1).
Zeitschritt f. celt. Philologie XII, 1.
Auf das Wechseln der Klei-
der und das Waschen — sil-
berne Schüsseln und kostbare
Leinentücher werden gereicht
8, 4 — folgt alsbald .das Mahl,
o
18
WALTER GREI3SER,
Calogrenant ist ganz ent-
zückt von dem Mahle, wobei
allerdings der Umstand, dafs
die pucele an der Mahlzeit teil-
nimmt, ein gewichtiges Wort
mitsprechen mag:
(253) „. . . il fu del tot a ma
devise.
Des que devant moi fu assise
La pucele. . .*'
So kommt auch bald eine
angeregte Unterhaltung in
Gang, und als sich der Gast
am Abend verabschiedet, da
er noch vor Tagesanbruch
weiterreiten will, muls er ver-
sprechen, bei der Heimkehr
wieder im Schlofs des gast-
lichen Vasallen einzukehren.
„. . .
boisson
an dem die Mädchen teil-
nehmen, soweit sie nicht durch
das Servieren in Anspruch ge-
nommen .sind. Sowohl Geschirr
als Speise und Trank sind vor-
züglich:
„La table etait d'argent. et
les linges de table, de toile
fine; quant aux vases qui ser-
vaient ä table, pas un qui ne
füt d'or, d'argent ou de corne
de boeuf sau vage . . ."
il n'y avait pas de
ou de mets ä moi
connu qui ne füt repreaente
lä, avec cette difference que
mets et boisson etaieut beau-
coup mieux apipretes que par-
tout ailleurs" (8, 9 f.).
Das Mahl wird schwei-
gend eingenommen:
„Nous arrivämes a la moitie
du repas sans que l'homme ou
les pucelles m'eussent dit un
mot" (8, 18).
Auf diesen Unistand, aus
dem sich in einem späteren
Abschnitt immerhin auch für
das Ganze wichtige Schlüsse
ziehen lassen, hat meines Wis-
sens bisher noch niemand hin-
gewiesen.
Kynon äulsert auch noch
während des Mahles sein Be-
fremden über die Schweigsam-
keit seiner Tischgenossen, wor-
auf der Schlofsherr mit einer
ganz faden Ausrede erwidert:
„nous aurions cause avec
OVVEIN
IVAIN.
19
toi deja saus la crainte de te
troiibler dans ton repas, noius
allons le faire maintenant"'.
(8, 25).
Kynon erzählt nun von dem
Zweck und Ziel seines Aus-
zuges. Der Schlofsherr verrät,
dafs er wohl etwas in dieser
Richtung wisse, es aber seine
schweren Bedenken habe, da-
von zu sprechen:
„Si je ne croyais qu'il düt
t'en arriver trop de mal, je
tindiquerais ce que tu cher-
ches" (9, 4).
Bemerkenswert ist auch der
Satz, der diesen Worten voran-
geht:
„II me regarda et sourW'.
Die Vorstellung der Gefahr
reizt natürlich Kynon un-
gemein, und der Schlofsherr
gibt endlich nach und berichtet
folgendes :
Die Nacht soll Kynon hier
im Schlosse zubringen und am
folgenden Morgen ganz früh
ausreiten. Nun folgt die Be-
schreibung des Weges bis zum
Waldschrat, die Chrestien be-
kanntlich an dieser Stelle nicht
hat. Sie kehrt im Verlaufe
der cymrischen Erzählung noch
mehrmals in dergleichen Weise
— auch das ist ein nicht zu
unterschätzender Zug —wieder.
Der Weg selbst ist nun
nach der Angabe des Schlofs-
herrn folgender:
2*
20
WALTER GREINER,
(180) „Et trovai un chemin a
destre!"
„suis le chemin sur lequel
tu te ti'ouves tont le long de
cette vallee lä-bas jusqu'ä ce
que tu arrives au bois que
tu as traverse!" (9, 11).
Der Weg führt demnacli
zunächst wieder ein Stück
zurück, wenn man nicht an-
nehmen will, was später, zu
erörtern sein wird, dafs sich
das Schlofs des gastlichen
Ritters in einer rundgestaltigen
weiten Lichtung des Waldes
befindet.
Gar bald zweigt dann ein
Pfad zur Rechten ab, der zu
einer grofsen Lichtung führt
(une grande^ clairi^re unie
9, 15).
Auf dem Hügel (tertre), der
sich inmitten dieser Lichtung
erhebt, wird er den Wald-
schrat finden. Dieser wird nun
beschrieben:
„tu verras un grand homme
noir, aussi grand au moins
que deux hommes de ce monde-
ci; il n'a qu'un pied' et un
seul üeil au milieu du front;
ä la main il porte une massue
de fer. et je te reponds qu'il
n'5' a pas deux hommes au
monde qui n'y trouvassent leur
! faix. Ce n'est pas que ce seit
un homme mechant, mais il
est laid" (9, 17 f.).
Auch über die Stellung des
j Waldmenschen weifs der Gast-
I geber Genaueres:
OWEIN
IVAIN.
?1
„C'est lui qui est le garde
de la foret, et tu verras mille
animaux sauvages paissant
autour de lui'' (9, 21).
Von diesem Waldhüter wird
dem Ritter weitere Kunde zu-
teil werden. Allerdings darf
er sich nicht von dem Un-
willen des Eiesen abschrecken
lassen:
„II se montrera bourru ä
ton egard. . . " (9, 24). wird
aber endlich doch das erfahren,
wonach sein ritterliches Ver-
langen geht.
Am andern Morgen in aller Frühe erfolgt nun — in
beiden Fassungen — der Aufbruch.
Chrestien, der Höfische, hebt j
den herzlichen Abschied von
den gastlichen Freunden noch
besonders hervor. Bemerkens-
wert für die folgende Unter-
suchung ist V. 278:
„L'ostel gueires esloigne n'oi,
Quant je trovai an uns essarz
Tors sau vages et espaarz".
Es ist die Lichtung, in der
sich der Waldschrat (vilain)
aufhält. Das erschreckliche
Lärmen, das durch den Wald
schallt, stammt von Stieren
her, die, anscheinend wild und
herrenlos, einander bekämpfen,
weswegen auch Calogrenant
vorzieht, sich in Sicherheit zu
bringen :
(285) ... ,,de peor me tres
arriere;
Besonders hinzuweisen ist
hier auf eine mehrfach wieder-
kehrende Wendung:
„mon böte m'avait dit qu'il
etait grand; il etait bien plus
grand que cela. La massue de
fer qui, d'apres lui, aurait
Charge deux hommes, je suis
bien sür, Kei, que quatre
hommes de guerre y eussent
trouve leur faix" (10, 7).
22
WALTER fiKEINER,
Qne iiule beste n"est tant fiere
Ne plus orgnellense de tor".
Auf einem Baumstumpf sieht
er den Waldsclirat sitzen, der,
als ein Ausbund von Häfs-
lichkeit, für alle späteren
Schilderungen typisch g-ewor-
den ist. Er wird genauer be-
schrieben als in der cymrischen
Fassung; über 25 Verse hin-
weg erstreckt sich die Auf-
zählung seiner „Reize" (v. 288
— 313). Beim Herannahen des
Ritters springt er auf und
erwartet ihn schweigend, sodafs
Calogrenant zunächst glaubt,
dem Riesen — denn um einen
solchen handelt es sich zweifel-
los, wie aus v. 322 hervorgeht,
„S'ot bieii dis et set piez de
lonc' —
sei die Gabe der Rede versagt.
Auf die Frage des Ritters
stellt er sich als gewöhnlicher
Sterblicher
(330) „Je suis uns hon"
und als Hüter der Stiere vor.
Als Calogrenant diesen An-
gaben starke Zweifel entgegen-
setzt, gibt der - Waldmensch
alsbald weiteren Aufschlufs.
Die Tiere stehen völlig unter
seiner (Tewalt, der sie sich
ganz beugen:
(344) ,,N'i a cell, qui s'ost
movoir.
Des qu'eles me voient venir.
Car quant j'an puis une tenir,
Si la destraing par les deux corz
„Je saluai riionime noir qui
ne me repondit que d'une fagon
bourrue" heilst es 10. 12.
Auf die Frage („quel pouvoir
il avait surces aniniaux" [10,13]
des Kynon hin erbietet er sich
alsbald, eine Probe seiner
Macht zu geben. Seine Anrede
dem ., Menschenkind" gegen-
über ist „petit homme" (10, 15).
Er schlägt mit der Keule
einen der Hiist^he mit ge-
waltigem Schlag nieder. Der
Schmerzensschrei des Tieres
lockt die übrigen herbei. Sie
OWEIN — IVAIN,
23
As poinz, que j'ai et durs et-
forz,
Que les autres de peor traii-
blent
(350) Et tot anviron nioi s'assan-
blent.
Aussi coli por merci crier;
Ne nus iie s'i porroit fier
Fors moi,s'aiitr'eles s'estoitiiüs.
Que maintenaut ne fast ocis.
(355) Eiiisi siii de mes bestes
sire".
(855) „Einsi sui de mes bestes
sire".
Nun mufs auch Calogienant
über seine Person und das Ziel
seines Wegs Auskunft geben.
Auf die Bitte des Bitters. ilim
doch zu einem Abenteuer zu
verhelfen,
(364) ,,0r te pri et quier et
demant.
Se tu sez, que tu nie consoille
') Auch von den mehrfachen wörtlichen Übereinstimmungen wird in
eiiieiii späteren Abschnitt die Rede sein.
kommen in so grofser Zahl
und in so verschiedenen Arten,
dals Kynon fürchtet, umge-
rannt zu werden:
„des animaux en aussi grand
nombre que les etoiles dans
l'air au point que j'avais grand'
peine ä me tenir debout au
milieu d'eux dans la clairiere;
ajoutez qu'il y avait des ser-
pents, des viperes, toute Sorte
d'animaux'" (10, 18 f.).
Auf einen Befehl des Hege-
meisters hin gehen sie alle
wieder auseinander:
„II jeta les yeux sur eux
et leur ordonna d'aller paitre.
Ils baisserent la tete et lui
temoignerent le meme respect
que des hommes soumis a leur
seigneur" (10, 22).
Der Schlulssatz lautet fast
wörtlich mit Chrestien über-
einstimmend: i)
„Vois-tu petit homme, le
pouvoir que j'ai sur ces ani-
maux" (10. 25).
Kjmons Frage nach der Fort-
setzung des Wegs bringt den
Riesen in Wut: ,,Il se montra
rüde, mais il me demanda
neanmoins oü je voulais aller"
(10, 28).
24
WALTER GKEINER.
Oll d'avanture ou de nier-
voille".
Von einer „avanture" be-
hauptet der Waldschrat nichts
zu wissen:
(367) „ A ce. . . . faudras tu bien:
D'„ avanture" ne sai je rien,
N'onques mes n'an oi parier".
Seine Kenntnisse erstrecken
sich nur auf „mervoille", er
kennt das Geheimnis der Ge-
witterquelle von Barenton.
Diese g:anze Stelle ist nun
für die gesamte Untersuchung
von grofser Bedeutung, da sie
uns in der Figur des Wald-
schrats eine tj-pische Märchen-
gestalt, den „ Wegweiser "bezw.
„Warner • wiedererkennen
läfst.
Übergangen in dieser Hin-
sicht wurde bisher Chrestiens
V. 371
„Ci pres jusqu'ä une fon-
tainne" und v. 374
„Ci pres troveras or androit
Un santiei-, qui la te manra".
Der vilain warnt vor der
Gefährlichkeit des Abenteuers
(372) „N'an revandroies pas
sanz painne,
Se tu li randoies son droit".
Auch der Weg sei leicht
zu verfehlen:
(377) . . . „tost porroies des-
voiier.
Qu'il i a dautres voies mout".
Kynon soll auf dem an-
gegebenen Wege weiterziehen
„prends le cheinin au bout
de la clairiere et marche dans
la direction de cette colline
rocheuse lä-haut" (11, 1).
OWEIN
IVAIN.
25
Nun folgt in beiden Fassungen die Beschreibung der
Wunderquelle.
Der Gipfel des Hügels ist
flach, dort befindet sich ein
I freier Platz:
j „tu apercevras une plaine,
; une sorte de grande vallee
I arosee" (11, 3).
Inmitten dieser Lichtung
befindet sich nun die Gewitter-
Die Quelle scheint zu kochen,
trotzdem ihr Wasser eiskalt
ist. Über ihr breitet ein präch-
tiger Baum seine weitschat-
tenden Zweige aus
(382) „Onbre li fet li plus
biaus arbres,
Qu'onques poist feire Xature.
An toz tans la fuelle li dure,
Qu'il ne la pert por nul
iver"...
Wohl an dem Baume (denn
„i" in V. 386 auf arbre allein
zu beziehen, dürfte wohl am
nächsten liegen) ist mit einer
bis zur Quelle reichenden
Kette ein Becken befestigt,
über das wir im selben
Abschnitt zwei sich wider-
sprechende Angaben finden.
V. 386 heilst es
„Et s'i pant uns bacins de
fer", dagegen 419
„vi le bacin pandre
Del plus fin or qui fust a
vandre".
(Förster verweist in seiner
Anmerkung zu dieser Stelle
im Ivain auf einen Versuch
von Oornu. den Widerspruch
zu lösen.)
quelle unter einem grofsen
Baume:
„l'extremite de ses branches
est plus verte que le plus vert
des sapins" (11, 5).
(Es sei hier wieder auf die
noch mehrmals wiederkehrende
superlativische Ausdrucks weise
hingewiesen.)
Auf dem Rande der Quelle
werde er eine Platte aus Mar-
mor (dalle de marbre 11, 8),
auf dieser ein an silberner
Kette befestigtes Becken,
„de faQon qu'on ne puisse
les separer-' (11. 9)
finden.
26
WALTER GREINER
Der Stein ist nach des AYald-
mensclien Beschreibung über- |
aus prächtig:
(390) „Un perron tel, con tu ,
verras, ;
Je ne te sai ä dire quel,
Que je n'an vi onques nul tel". ;
Auf der anderen Seite er- ;
hebe sich eine Kapelle.
(393) . . . „une chapele
Petite, mes ele est mout bele", i
deren Zweck zunächst nicht
recht ersichtlich ist.
Das Wunder der Quelle \
selbst, um dessen willen sie '
den weitbekannten Namen i
trägt, ist nun folgendes: i
Gielst man aus dem Becken
Wasser aus der Quelle auf den
Stein (perron). so erhebt sich
alsbald ein gar furchtbares
Unwetter, vor dem alle Tiere
des Waldes
(399) „Chevriaus, ne dains. ne
cers, ne pors.
Nes li oisel'". . .
entsetzt fliehen.
Wer das Unwetter, ohne
grofsen Schaden zu nehmen,
überstehe, könne wahrlich von
Glück reden:
(404) .,se tu t'an puez departir
Sanz grant enui et sanz pesance.
Tu seras de meillor cheance
Que Chevaliers, qui i fust
onques".
Die letzte Zeile — der Hin-
weis auf das Schicksal derer,
die vorher das Abenteuer '
Kynon soll nun aus dem
Becken Wasser auf den Stein
giefsen :
„Prends la bassin et Jettes
en plein d'eau sur la dalle
(11. 10).
Dann weide alsbald ein
furchtbares Unwetter los-
brechen. Zunächst ein schreck-
licher Donnerschlag, dann ein
eisiger RegenguCs:
„c'est ä peine si tu pour-
ras la suppoi'ter la vie sauve;
ce sera une ondee de grele"
(12, 3).
OWEIN — IVATX.
27
wagten, ist zusammen mit 367 f.
für die schon oben angedeutete
Stellung des Waldmenschen
wieder bedeutsam.
Angefügt sei hier noch die
Schilderung des Unwetters bei
Chrestien:
(401) ... „tuverrassifoudroiier,
Vanter et arbres pegoiier,
PloYoir, toner et espartir". . .
M. führt nun die Schilde-
rung noch ein gutes Stück
weiter:
Nach dem Hagelwetter werde
sich der Himmel wieder auf-
hellen. An dem herrlichen
Baume sei aber kein einziges
Blatt mehr zu sehen:
„1\ n'y a pas sur l'arbre une
feuille (lue l'ondee n'aura
enlevee" (12, 5).
Dann werde sich ein
Schwärm Vögel auf dem Baume
niederlassen und einen herr-
lichen Gesang anstimmen. Zu
beachten ist wieder die Aus-
drucksweise:
„Jamals tu n'as entendu
dans ton pays (!) une musique
comparable ä leur chant" (12,8).
Gar bald aber werde er
in seinem Lauschen gestört
werden; —
„au moment oü tu y prend-
ras le plus de plaisir. . ."
(12, 10).
Denn er werde ein Klagen
und Stöhnen
„tu entendras venir vers toi
28
WALTER GREINER.
le long de la vallee gemisse-
ments et plaintes" (12, 11)
vernehmen. Das rühre von
einem kohlschwarzen Ritter
her, der alsbald erscheinen
werde. So sei sein Aussehen:
,, . . . monte sur un cheval
tout noir, vetu de paile tout
noir; la lance ornee d'un
gonfanon de teile fine tout
noir" (12, 13).
Wie aus dem Folgenden
im Bericht des Kj'mren klar
hervorgellt, hat der schwarze
Ritter die Aufgabe, den Gegner
im Kampfe des Pferdes zu
berauben.
„II t'attaquera le plus vite
possible. Si tu fuis devant
i lui,il t'atteindra; si tu l'attends,
i de cavalier que tu es, il te
j laissera pieton" (12, 15).
I Bestehe er aber dies Aben-
I teuer, dann sei es nutzlos,
noch weiter herumzuziehen.
Es sei hier nochmals Chr. „Si cette fois tu ne trouves
V. 404f. gegenübergestellt: pas souffrance, il est inutile
„. . . se tu t'an puez departir que tu en cherches tant que
Sanz grant enui et sanz pe- tu seras en vie" (12, 18).
sance.
Tu seras de meillor cheance
Que Chevaliers, qui i fust
onques,,.
Mit diesem Bescheid bricht nun der abenteuerlustige
Rittei" alsbald auf.
Der Weg nach der Quelle
ist nun nicht mehr allzuweit.
Chrestien bemifst ihn auf etwa
OWRIN — TVAIN.
29
drei Stunden; beim Aufbruch
ist es 9 Uhr vormittags:
(410) ,j^Espoir si fu tierce
passee
Et pot estre pres de midi,
Quant l'arbre et la chapele vi*'.
Die Schönheit des Baumes
wird mit den Worten gepriesen :
(413) „Bien sai de l'arbre ,
(c'est la ftns), i
Que ce estoit li plus biaus 1
pins,
Qui onques sor terre ereilst.
Ne cuit qu'onciues si fort pleüst,
Que d'eve i passast une gote,
Ein(^ois coloit par dessus tote".
Diese Stelle ist in mehr als ,
einer Beziehung merkwürdig.
Förster gibt im Yvain eine
Anmerkung dazu und sagt:
„Der Baum war so dicht be-
laubt, dafs beim stärksten
Regen kein Tropfen (durch
die Blätter) durchsickern
konnte".
Wie aber stimmt dazu die
Angabe, dafs es eine Fichte
sei, bei der doch die beschrie-
bene Erscheinung unmöglich
ist?
Die weiteren Erörterungen
— auch über den superlati-
vischen Ausdruck — müssen
in einen späteren Abschnitt
verwiesen werden. Bemerkt
sei nur noch, dafs die Un-
klarheit dieser Stelle seiner
Vorlage schon Hartmann ver-
anlafste, austeile der Fichte
Kynon reitet auf den Gipfel
des Hügels zu und ist alsbald
Ziel: „. . . je suivis le
am
chemin jusqu'au somraet du
tertre, d'oü j'apergus ce que
m'avait annonce l'homme noir"
(12, 21).
30
WALTER GRKINER.
des Franzosen eine breitästige
Linde zu setzen, wie sich eine
solche auch bei Siegfrieds
Quelle (Nib. 913) findet.
Das Becken ist liier, — der
Widerspruch,, in dem die Stelle
mit y. 886 steht, wurde schon
erwähnt.
(420) del plus fin or. qui fust
a vandre.
Onques ancor an nule foire".
Nun wird der Stein näher
beschrieben: es ist ein einziger
Smaragd, der auf vierEubinen
als Stützen getragen wird und
durchbohrt
(425) „Perciez aussi come une
boz",
ist, damit, meint Förster, das
daraufgegossene Wasser wieder
abfliefsen kann. Settegast ist
anderer Meinung. Er will
für das unverständliche boz
(„Schlauch") ein ponce [aus i
pumicem, cf. Gröber ALL. IV, i
452] setzen, sodals sich dann j
das perciez auf die Porosität
des Bimssteines beziehen würde.
Die Rubine sind auch von
strahlender Schönheit:
(427) Plus flanboianz et plus
vermauz,
Que n'est au matin li solauz.
Quant il apert an oriant".
Calogrenant ist nun begierig,
das Abenteuer zu bestehen.
Er folgt also der Vorschrift,
giefst Wasser auf den Stein
— köstlich ist V. 439:
Kynon findet alles genau so,
wie es der riesige Hüter be-
schrieben hat.
I Nach dem Ausgiefsen des
j Wassers erfüllt sich die Prophe-
j zeiung des Waldmenschen: zu
OWEIN — IVAIN.
ai
,,]i[es trop an i versai, ce
dot — " und ruft so das schreck-
liche Unwetter hervor, dessen
Wirkung furchtbar ist.
Der Ritter glaubt sein letztes
Stündlein nahe (446), so wütet
das Unwetter um ihn herum.
Blitz folgt auf Blitz, ununter-
brochen dröhnt heftigerDonner.
Hagelschauer und Regengüsse
lösen einander ab, und mancher
Baum des ^^'aldes fällt dem
Toben der Elemente zum
Opfer (440—450).
Dankbaren Herzens begrüfst
der Ritter das Aufhören des
Gewitters.
(451) „Mes Dens tant me ras-
seüra,
Que li tans gueires ne dura
Et tuit li vant se reposerent:
Quant Deu ne plot, vanter
n'oserent.
Et quant je vi Ter der et pur,
De joie fui toz a seür;
Que joie, s'onques la conui,
Fet tost oblier grant enui".
beachten ist die Steigerung im
Ausdruck: „Voilä aussitOt le
tonnerre et beaucoup plus fort
que ne m'avait dit l'homme
noir" (13, 1).
Niemand kann ein solches
Unwetter lebend überstehen,
heilst es:
.,ni homnie ni animal. surpris
dehors par l'ondee, n'en echap-
perait la vie sauve" (13, 4).
Nur mit grofser Anstrengung
kann sich Kjiion vor Schaden
schützen. Es sei hier auf die
Übertreibung hingewiesen:
.,Pas un grelon n'etait
arrete par la peau ni par la
chair, il penetrait jusqu'ä l'os"'.
(13. 6).
Auch der herrliche Baum
hat Schaden gelitten:
„il n'y avait plus une feu-
ille" (13, 12).
Von dieser vielumstrittenen
Stelle wird später noch die
Rede sein.
32
WALTER OUEINER.
Sobald wieder der Frieden '
in der Natur eingekehrt ist,
kommen die gefiederten Sänger :
herbei. Die ganze Stelle:
(460) ,.Vi sor le pin tant
amassez ,
Oisiaus (s'est qui croire m'an |
vuelle), I
Qu'il n'i paroit branche ne |
fuelle,
Que tot ne fust covert d'oisiaus,
S'an estoit li arbres plus biaus" ;
erscheint mir nicht völlig klar. \
Es ist nicht recht einzusehen, !
auf welche Weise die Vögel
das überaus dichte Laub (4 15 f.)
und die Äste verdecken sollen.
Eher hätte es sich doch um-
gekehrt verhalten müssen. Es
sei an dieser Stelle nur an-
gedeutet, dafs Förster in diesen
Zeilen, die er in M. als mils-
verstanden nachweisen will,
einen Hauptstützpunkt für
seine Ansicht von der Ab-
hängigkeit der cymrischen
Erzählungen von Chrestien
sieht.
Nun stimmen die Vögel
ihren herrlichen Gesang an, '
den Calogrenant mit einem
Oratorium vergleicht; jeder
singt seine eigene Stimme, und
doch klingt's zusammen in
wunderbaren Akkorden:
(465) „Et trestuit li oisel chan-
toient
Si que mout bien s'antracor-
doient.
Der Gesang der Vögel über-
trifft alles je Gehörte:
..je suis sür, Kei, de n'avoir
Jamals entendu. ni avant, ni
apres, de musique comparable
ä celle-lä" (13, 14).
OWEIN
IVAIN.
33
^fes divers clianz ehantoit
chascuns ;
Qu'onques ce. que ehantoit li
uns,
A l'autre chanter n'i oi".
Der herrliche Genuls, —
V. 472 steht für den Gesang
der Vögel der Ausdruck ser-
vise = Gottesdienst — dem sich
der Ritter freudig hingibt
(v. 470—478), wird jäh unter-
brochen durch das lärmvolle
Nahen des Verteidigers der
Quelle:
(480) „Bien cuidai que 11 fus-
sent dis:
Tel noise et tel fraint deme-
noit
Uns seus Chevaliers, qui venoit".
Voller Unwillen reitet der
Fremde eilends herbei:
(486) . . . „come mautalantis
Vint plus tost qu'uns alerions,
Fiers par sanblant come lions".
Mit weitschallender Stimme
fordert er Calogrenant zum
Kampfe heraus. Der Gedanken-
gang der beiden Streitreden,
der später zur Vergleichung
mit herangezogen werden kann,
sei hier in den wesentlichen
Punkten wiedergegeben. Zu-
nächst sei bemerkt, dals die
Stelle bei Chrestien viel weiter
ausgesponnen ist; den 25 Ver-
sen (491 — 516) stehen im M.
nur 5 Zeilen gegenüber.
Gleich der Anfang zeigt den
höfischen Dichter:
Zeitschritt t. oelt. Piiilologrie XII. 1.
„Au moment oü je prenais
le plus de plaisir ä les en-
tendre, voilä des plaintes ve-
nant vers moi. . ." (13, 16).
34
WALTER GREINER,
„Desfier me deiissiez vos"
heifst es v. 493. Es wird
Aufgabe eines späteren Ab-
schnittes sein, nachzuweisen,
dafs Chrestien, dessen Kompo-
sitionsweise an dieser bisher
noch nicht herangezogenen
Stelle klar zutage liegt, eine
ältere Fassung, die ihm un-
verständlich geworden war,
nach der ritterlich -höfischen
Seite hin umarbeitete.
Schweren Schaden und
schwere Kränkung habe ihm
der Angrii? des Ritters ge-
bracht:
(500) „Anviron moi est li
garanz
De mon bois, qui est abatuz".
Beachtenswert ist, dals
Chrestien noch hervorhebt,
dafs der fremde Ritter not-
wendig zur Verteidigung er-
scheinen muls:
(504) . . . „vos m'avez de ma
meison
Chacie a foudres et a pluie".
Zu dem oben Gesagten stimmt
dann wieder, dafs er die Be-
leidigung als ihm persönlich
angetan auffafst:
(506) „Fet m'avez chose qui
m'enuie,
Et dahez et, cui ce est bei".
Den Schlufs bildet der
Racheschvvur, der schon in
den Versen 497—99 enthalten
war:
Schmerzvolles Klagen ist die
Grundstimmung bei M.:
„Chevalier, que me voulais-
tu? Quel mal t'ai-je fait pour
que tu me fisses ä moi et ä
mes sujets ce que tu m'as fait
aujourd'hui? Ne sais-tu pas
que l'ondee n'a laisse en vie
ni creature humaine, ni bete
qu'elle ait surprise dehors?"
(14, 3 f.).
OWEIN — IVATN.
35
(515) ..Mes sachiez bien, que !
des or mes i
N'avroiz de moi triuwes ne pes".
Ob man den Versen 520
— 525 besondere Bedeutung
zusprechen soll, oder ob sie
— es sei erinnert an v. 59
... ,,un conte
Non de s'enor mes de sa honte"
— lediglich als Entschuldigung
für den für (,'alogrenant doch
gar so unrühmlichen Ausgang
des Kampfes gedacht sind, soll
später entschieden werden.
Calogrenant berichtet, dals
der Ritter ihm in jeder Be-
ziehung überlegen gewesen
sei; erwähnt sei:
(520) „Li Chevaliers ot cheval
buen
Et lance roide, et fu sanz dote
Plus granz de moi la teste tote",
sowie
(524) . . . „je f ui plus petiz de lui,
Et ses chevaus plus forz del
mien"
und endlich:
(533) . . . „la soe (lance) remest
antiere,
Qu'ele n'estoit mie legiere,
Ainz pesoit plus au mien
cuidier,
Que nule lance a Chevalier;
Qu'ainz nule si grosse ne vi".
M. wiederholt hier zunächst
die Beschreibung des Ver-
teidigers der Quelle; die Worte
sind dieselben wie oben (12,
13 f.). Alsbald beginnt dann
der Kampf.
36
WALTER GREINER.
Calogrenaut erleidet eine
schmähliche Niederlage; er
wird aus dem Sattel gehoben,
der Gegner bemächtigt sich
seines Rosses. wie es Recht
des Siegers ist, und reitet
ohne weiteres von dannen.
Die Verfolgung des Ritters
gibt Calogrenant auf:
(551) „Que folie feire dotasse",
und beschlielst, zu seinem
Gastfreund zurückzukehren.
So schimpflich hatte er sich
den Rückweg wohl kaum
gedacht! (546, 7; 560).
Die Aufnahme im Schlols
des vavassor ist wiederum
überaus herzlich; er findet bei
den Bewohnern Mitleid und
Trost bei seinem Milsgeschick
in der Kunde vom Schicksal
seiner Vorgänger und Leidens-
genossen. Kölbing (Ivens Saga)
bemerkt zu dieser Stelle, dafs
die logische Ungenauigkeit
der Verse 752 f. — „denn wer
getötet ist, kann eben nicht
zurückkommen" — sich so-
wohl in der Saga wie in
der schwedischen Bearbeitung
findet.
Unklar ist hier (U, 12) der
; Sinn des ..rnais":
' „Le choc fut rüde, mais je
fiis bientüt culbute'*.
Der Gegner führt Kynons
; Pferd mit sich fort als einzige
' Kampfesbeute:
! „II ne me fit merae pas
i l'honneur de me faire pri-
I sonnier; il ue me depouilla
pas non plus" (14, 14).
Auf dem Heimwege muls
Kynon noch den Spott des
"Waldmenschen einstecken:
. . . „c'est merveille que je
ne sois pas fondu de honte, en
entendant les moqueries de
l'homme noir" (14, 19).
Gern wird er im Schlofs
wieder beherbergt:
,,0n s'y montra encore plus
courtois que la nuit d'avant..."
(14, 22).
Des unheilvollen Abenteuers
wird mit keinem Wort Er-
wähnung getan, und Kynon
schweigt natürlich erst recht:
„Personne ne fit la moindre
allusion ä mon expedition ä
la fontaine. Je n'en soufflai
mot non plus ä personne".
' (15, 2).
OWEIN — IVAIN.
37
Im Schlulssatz seiner Er-
zählung gibt Calogrenant noch
einmal seiner Beschämung
Ausdruck:
Beim Aufbruch am anderen
Morgen erhält er ein präch-
tiges Rofs geschenkt:
„un palefroi brun fonce, ä
la criniöre toute rouge, aussi
rouge que la pourpre, comple-
tement equipe" (15,5), und
weiter unten heilst es von
dem Pferde:
„je ne le donnerais pas
encore pour le meilleur pale-
froi de l'ile de Bretagne"
(15, 11).
Brown zieht in seiner Ab-
handlung (On the independent
I character usw.) aus dieser
I Stelle den Schlufs, daXs dies
als so schön beschriebene
! Pferd wohl auch dem Feen-
I reiche (Otlier -World) ent-
stamme. Ich halte diese An-
nahme für gar zu wenig ge-
; stützt, da doch das dankbare
I Gefühl, das Kynon beim Ge-
' denken an diese Geschehnisse
I erfüllen mag, wahrlich Grund
I genug für ihn sein sollte, das
Geschenk des Gastfreundes
teuer und in Ehren zu halten.
Und dafs es von grofser
Schönheit ist, spricht doch
zunächst nur für den Edelsinn
des Gebers. Ich kann also
diesen Schlufs Browns nicht
für unbedingt zwingend halten.
Auch Kynon weist am Ende
noch einmal auf den Charakter
seines Abenteuers hin:
„Dieu sait que personne n'a
38
WALTER GRKINEE.
(577) .jEin^i alai. eiiisii reviug.
Au i-evenir por fol me ting;
Si vos ai conte come fos
Ce qu'onques mes conter iie
vos".
jamais avoue pour sun compte
une aventure moins heureuse
qne celle-lä" (15, 12).
i Im Anschlufs daran spricht
er sein Erstaunen aus, dafs
noch gar keiner von den Rit-
tern jemals etwas von diesem
Abenteuer, dessen Ort sich
doch innerhalb des König-
reichs befinde, gehört habe.
Damit schlielst in beiden Fassungen der Bericht von
dem ersten — vergeblichen und unheilvollen — Zuge nach
der Gewitterquelle.
Ivain tadelt nun Calogre-
nant, dafs er ihm, dem leib-
lichen Vetrer, sein Mifsgeschick
so lange verheimlicht habe
und erbietet sich, für ihn Rache
zu nehmen und die Schmach
zu tilgen.
Dieser plötzliche Entschlufs
gibt dem ränkesüchtigen Keu
wieder Gelegenheit zu hä-
mischen Ausfällen. [Die Stelle
595,6:
„Apres mangier saus reniuer
Va chascuns Noradin tuer"
ist von Förster zur Chrono-
logie der Werke Chrestiens
herangezogen woiden.] Für
Ivains impulsive Äufserung
hat er nur Hohn und Spott:
(6l0i ,.Et se vos anquenuit
songiez
Mauves songe, si remanez!"
Owein schlägt alsbald vor,
nach dem Schauplätze des
Abenteuers zu ziehen:
„Hommes, dit Owein, ne
serait-il pas bien de chercher
ä tomher sur cet endroit-lä?"
(15,21) [Siehe oben Seite 14!]
Kei wirft Owein Maulhel-
dentum vor:
... „ ce n'est pas la pre-
miere fois que ta langue pro-
pose ce que ton bras ne ferait
pas^' (15, 24).
OWEIN — IVAIN.
39
Mit schwerem Tadel weist
ihn die Königin zurück:
(615) „La vostre langue soit
honie.
Qiie tant i a d'escamonie!"
und auch Ivain selb.st fertigt j
Keu alsbald ab:
(646) „Ne vnel pas sanbler le ;
gaignon, ;
Qui se herice et regringne, ,
Quant autre mastins le re- |
chingne". j
Unterdessen ist auch der
König Artus aufgewacht, er
tritt zu den Rittern, die ihn
ehrfurchtsvoll begrüfsen (v.653
—655).
Die Königin ist erzürnt über
Keis Lästerzunge:
. . . „raieux vaudrait te voir
pendre, Kei, que tenir des
propos aussi outrageants en-
vers un homme comme Owein"
(15, 26).
Im M. ergreift hier Kei
nochmals das Wort:
„Par la main de mon ami,
princesse, tu n'en as pas
plus dit ä la louange d'Owein
que je ne Tai fait moi-meme"
(15, 3).
Artus wacht auf und ver-
mutet, er habe wohl gar ein
wenig geschlafen:
. . . „Arthur s'eveilla et
demanda s'il avait dormi
quelque temps. „Pas mal de
temps, Seigneur", dit Owein"
(16, 5).
M.S Charakterbild des Kö-
nigs wird noch vervollständigt
durch die folgenden ^Yorten
Arturs:
„Est-il temps de se mettre
ä table?'- — „II est temps^
Seigneur," dit Owein" (16, 8).
Darauf setzt man sich denn
zum Mahle.
Von der Königin über das
soeben von Calogrenant Er-
zählte unterrichtet, beschliefst
Artus alsbald, selbst das Aben-
teuer zu erforschen:
(662) ..Et fist trois seiremauz
antiers
L'ame Uterpandragon son pere
^^^* WALTER GttEINEK.
Et la soll fil et la sa mere,
Qu'il iroit veoir la fontainne".
Und zwar soll der Aufbruch
in Kürze erfolgen; in der
Nacht vor Johannis
(^68) . . . „la voille
Mou seignor saiiit Jehan
Batiste",
die ja allem, was mit der
Wunder- und Geisterwelt zu-
sammenhängt, so günstig ist
(siehe Beneckes Anmerkg. zu
Hartmanns v. 900), soll die
Quelle bereits erreicht sein.
Dieser Entschlufs des Königs
und die .Mitteilung, dafs sich ;
jeder an dem Zuge beteiligen
könne (671, 2), weckt am Hofe i
grölste Freude; — nur bei '■
einem nicht: Ivain, der mit
Recht seine Pläne arg bedroht ;
sieht. Schliefst er sich dem ;
höfischen Zuge an, so wird '
der Kampf an der Quelle
kaum ihm zufallen: Keu oder
Gauvain würden ihm sicher
zuvorkommen.
Darum bleibt nur eins: er
mufs noch vor dem König auf-
brechen und zur Quelle eilen:
(691) ... „il ne les atandra mie, ,
Qu'il n'a soing de lor con-
peignie,
Ein^ois ira toz seus son vuel
Ou a sa joie ou a son duel".
Es folgt nun eine kurze
Zusammenfassung des ge- |
samten Abenteuers bis zum ^
Kampf (695 — 722).
OWEIN — IVAIN.
41
Bemerkenswert ist der
Schlufs seiner Gedankenreihe,
der wieder den ritterlichen
Ideenkreis vertritt:
(719) . . . „nus nel savra
Jusqu'a tant que il an avra
Grant honte oii grant enor
eüe".
Dem Entschlüsse folgt als-
bald die Tat: der Aufbruch
erfolgt noch in derselben Nacht.
Ivain entfernt sich ganz heim-
lich vom Königshofe, rüstet
sich zum Auszuge und reitet
von dannen, nachdem er sei-
nen Leuten unverbrüchliches
Schweigen auferlegt hat (723
—746).
Mühevoll und reich an Ge-
fahren ist der Weg:
(762) . . . (Ivains) ,,erra chascun
jor tant
Par montaingnes et par valees
Et par forez longues et lees,
Par leus estranges et sauvages,
Et passa mainz felons passages
Et maint peril et raaint de-
stroit,
Tant qu'il vint au santier tot
droit,
Piain de ronces et d'oscurte."
„Le repas termine, Owein
disparut" (16, 12).
Owein rüstet sich und bricht
beim Morgengrauen auf. Be-
merkenswert ist an dieser
Stelle die schon oben ange-
führte Redeweise:
(Owein) . . . „marche devant
lui au bout du monde et vers
les deserts des montagnes"
(16, 15).
und die Fortsetzung:
„A la fin, il tombe sur le
vallon. . ."
M. geht nochmals auf den
Weg genauer ein und ge-
braucht dabei nahezu die
gleichen Wendungen, die die
erste Schilderung (S. 15f.) ent-
hält. Beim Näherkoramen an
das gastliche Schlofs geschieht
alles, wie Kynon beschrieben
hat. Neu ist die Angabe (17,2),
42
WALTER GREINER,
Die Nacht verbring-t er im
gastlichen Schlols, das ihm an
Vorzügen aller Art noch weit
über die von Calogrenant ge-
gebene Schilderung hinaus-
zugehen scheint:
(779) . . . „plus de Wen et plus
d'enor
Trova assez el vavassor,
Qu'aii ne li ot conte ne dit;
Et an la pucele revit
De San et de biaute gant tanz,
Que n'ot conte Calogrenanz;
Qu'an ne puet pas dire la some
De buene dame et de prodome".
Weiter unten heilst es dann
sehr emphatisch:
(789) . . . „langue ne porroit
retreire
Tant d'enor, con prodon set
feire". |
dals die Mädchen auf goldenen
Stühlen sitzen.
Das Schlofs nebst allem,
was ihm dort begegnet, findet
Owein noch viel schöner als
ihm gesagt worden war:
„Owein les (die Mädchen)
trouva beaucoup plus heiles
et plus gracieuses encore que
ne l'avait dit Kynon" und
„La chere parut encore
meilleure ä Owein qu'äKvnon"
(17, 3 f.).
Alles geschieht nun. wie
beschrieben. Der Waldschrat
erregt des Ritters Erstaunen
üb seiner abschreckenden Häfs-
lichkeit:
(796) . . . „plus de qanit foiz se
seigna
De la mervoille, que il ot,
I M. wiederholt hier noch. ei-
nige Einzelheiten: das Schwei-
gen Avährend des (ersten Teiles
des) Mahles, Frage und Aus-
kunfterteilung, das Lächeln
des Gastgebers und endlich
das Satteln des Bosses am
Morgen durcli die Mädchen.
In der Lichtung des Wald-
menschen ist er erstaunt über
dessen Gröfse:
,,I1 chemiua jusqu'ä la clai-
riere de l'homme noir, qui lui
parut encore plus grand qu'ä
Kynon" (17, 17).
OWEIN — IVAIN.
43
Coniant Nature feire sot
Oevre si leide et si vilainne".
An der Quelle zaudert Ivain
nicht länger,
(802) „Sanz arester et sanz
seoir'*
ruft er in der bekannten Weise
das Unwetter hervor.
Nach dem Unwetter kommen
die Vögel und stimmen ihren
Gesang an. und noch während
des Gesangs kommt der fremde
Ritter, und der Kampf ent-
brennt. Von einer Herausfor-
derung findet sich an dieser
Stelle — im Gegensatz zu 491 f.
— nichts.
Es sei hier auf einen Vers
hingewiesen, der bei allen bis-
herigen Ivain-Uutersuchungen
unberücksichtigt blieb und
doch hier wenigstens angeführt,
Auf seine Frage hin erfährt
er die Fortsetzung des Wegs.
Er gelangt dann zur Quelle
und gielst das Wasser auf
den Stein.
Die schon mehrfach an-
geführten Wendungen, die
beim jedesmaligen Wieder-
holen eines Ereignisses eine
Steigerung der Wirkung oder
des Eindrucks auf einen Be-
teiligten ausdrücken, fehlen
auch hier nicht:
„aprös le tonnerre, l'ondee,
et les deux bien plus forts
que ne l'avait dit Kvnon"
(17, 24).
und einige Zeilen weiter wört-
lich mit der ersten Beschrei-
bung übereinstimmend:
„au moment, oü je prenais
le plus de plaisir ä leur
chant. . ." (17, 29).
Auch der entblätterte Baum
ist wieder erwähnt: ..Lorsque
Owein leva les yeux vers
l'arbre, il n'y avait phis une
feuille" (17, 26).
Von den Klagen, die nach
Kynons Bericht das Tal er-
füllen, hört Owein nichts:
... „il vit un Chevalier
venii* le long de la vallee"
(18, 1).
Alsbald entbrennt der hef-
tige Kampf.
14 WALTER GREINER,
die eigentliche Erörterung
wolle man an späterer Stelle
finden — werden soll.
Es sei hier nur festgestellt, ;
dafs in der entsprechenden I
Stelle der mifsgliickten Aben-
teuerfahrt des Calogrenant er-
wähnt wird, dafs der fremde
Ritter in jeder Beziehung dem
(jegner überlegen gewesen sei. :
Und im besonderen heifst es |
in den schon oben angeführten |
Vei-sen 532 f.: '
. . . „en pieces vola ma lance;
Et la soe remest antiere,
Qu'ele n'estoit mie legiere,
Ainz pesoit plus au mien cui-
dier,
Que nule lance a Chevalier;
Qu'ainz nule si grosse ne vi".
Dieser Zusatz, von dem sich
im M. nichts findet, ist, wie
schon oben gesagt, vom Fran-
zosen im Hinblick auf den
unrühmlichen Ausgang des
Kampfes gedacht; an der
jetzigen Stelle (818) ist er
nach Lage der Verhältnisse
zum mindesten unnötig; es
heilst hier einfach:
(818) „Chascuns ot lance roide
et fort".
Der Verlauf des auf beiden Seiten mit gröfster Er-
bitterung und höchster Kraftanwendung geführten Kampfes
ist in beiden Fassungen bis in die Einzelheiten hinein genau
übereinstimmend beschrieben. Der erste Anprall der Gegner
ist so furchtbar, dafs die Lanzen zersplittern und der Kampf
mit den blofsen Schwertern fortgesetzt werden mufs. Die
Kampfesschilderung selbst ist nun bei Chrestien erheblich
OWEIN — TVAIN.
45
lebendiger und weiter ausgeführt als beim Kymren. Endlich
gelingt es Ivain, dem Gegner mit einem furchtbaren Hieb
Helm und Kopf zu spalten und so die Entscheidung herbei-
zuführen. Tödlich verwundet, wendet sich der Besiegte als-
bald zur Flucht. Ivain folgt ihm auf dem Fulse, kann ihn
aber doch nie mit dem Schwerte erreichen. So jagen sie
beide in gröfster Eile dahin, bis der todwunde Ritter an der
Schwelle seines Schlosses ankommt.
Ivain ist arg verstimmt, dals
es ihm nicht gelingt, den Be-
siegten — lebend oder tot —
gefangen zu nehmen. Der
beilsende Spott Keus wird ja
sicherlich nicht ausbleiben,
wenn er ohne eine Kampfes-
beute an den Königshof zu- ;
rückkehrt. Auch hat er ja ;
sein dem Vetter gegebenes |
Versprechen noch nicht er- i
füllt, solange der Gegner noch ;
lebt oder sich ihm nicht er-
geben hat. Sie kommen bald M. hat hier die nicht gar
dem Schlols näher. so unwichtige Angabe, die
später zur Behandlung mit
herangezogen werden wird:
„Un graud chäteau brillant
apparut" (18, 10).
Auf dem Ritte durch die
Stralsen erblicken sie keinen
Menschen: '
(903) „N'ome ne fame ne tro-
verent
Es rues, par ou il passerent".
Auf diesen eigentümlichen
Zug, dafs das Schlols des
Ritters in weiterem Umkreise
menschenleer dargestellt wird,
soll später hingewiesen werden. ;
Das Tor des Palas enthält :
46
WALTER GRETNER,
eine verborgene Fallgatter-
vorrichtung und ist so eng,
dafs nicht zwei Personen zu
gleicher Zeit hindurchreiten
können. Der verwundete Ritter
passiert das Tor ohne Schaden.
Ivain aber, der mit der Ört-
lichkeit nicht vertraut ist, löst
unwillkürlich den Mechanis-
mus aus. Die Tür
(923) . . . „une porte colant
De fer, esmolue et tranchant'',
saust hernieder, und nur einem
glücklichen Zufall verdankt
Ivain seine Rettung. Da er
sich gerade in dem kritischen
Augenblick weit vorbeugt, um
den Gegner am Sattelknopf
zu fassen (935, 6), erreicht das
Gatter ihn selbst nicht mehr.
Sein Pferd aber wird dicht
hinter ihm entzweigeschnitten,
und Ivain selbst büfst noch
die Sporen ein.
Eine zweite Falltür, die
den Torraum nach innen ab-
schliefst, senkt sich und bietet
Ivain Halt. Der todwunde
Ritter ist noch durch das Tor
entflohen, aber Ivain ist im
Torraum eingeschlossen.
M. hat hier nur die Angabe:
„On laissa penetrer le Che-
valier noir, mais on fit re-
tomber sur Owein la herse"
(18, 12).
Das Fallgatter saust herab,
ohne Owein selbst Schaden
zu tun, es streift grade noch
den Sattel:
. . . „atteignit l'extrömite de
la seile" (18, 13),
trifft die Sporen und durch-
schlägt das Eofs.
M. setzt noch hinzu: „Les
molettes des eperons" — diese
Stelle, bei der M. für die
Sporen beim Franzosen die
Sporenrädchen setzt, also die
Spannung des Lesers steigert,
dürfte zur Charakteristik des
cymrischen Erzählers beitra-
gen — „et un morceau du
cheval resterent dehors, et
Owein, avec l'autre tronqon,
entre les deux portes" (18, 16).
So ist Owein ein Gefan-
gener:
„La porte Interieure fut
ferm^e, de sorte qu'Owein ne
pouvait s'echapper'' (19, 1).
OWEIN
IVAIN.
47
Es fol^t nun eine Beschrei-
bung des Torraumes, dessen
Wände kostbar bemalt sind,
und der überhaupt, wie aus
späteren Stellen hervorgeht,
sehr komfortabel eingerichtet
ist. Förster (yvain) gibt zu
dieser Stelle eine längere An-
merkung, vermag aber doch
die offensichtliche Unklarheit
nicht zu beseitigen. Es sei
hier nicht näher darauf ein-
gegangen, da die ganze Vers-
folge später genau zu be-
handeln sein wird.
Ivain ist schwer bekümmert:
ist es ihm doch nicht gelungen,
seinen Sieg vollständig zu
machen :
(9(53) ... „de rien si grant duel
n'avoit,
Con de ce, que il ne savoit,
Quel part eil an estoit alez".
Ein schönes Fräulein
(973) . . . „une dameisele
Sole, mout avenanz et bele"
kommt aus einem neben dem
Torraum gelegenen Zimmer.
Auch die Verse 976,7, in
denen, wie Förster sagt, die
Handschriften zwischen s'es-
raaia und l'esmaia schwanken,
(976) „Quant mon seignor
Owein trova,
Si l'esmaia ') mout de premiers".
„II etait dans le plus grand
embarras". . . (19, 3).
Durch das Tor hindurch
kann er auf eine Strafse
sehen ; Häuser stehen auf bei-
den Seiten, und ein liebliches
Mädchen kommt auf ihn zu.
Der typischen Bestandteile
der Beschreibung halber —
man vergleiche sie mit der
der Jünglinge im gastlichen
Schlofs! — sei diese hier an-
geführt:
. . . „une jeune Alle aux
cheveux blonds frises, la tete
») Im Gegensatz zu Förster, der sich in der 1. Auflage (1910) für
s'esmaia entscheidet, stimme ich doch — aus dem im Folgenden dargelegten
Grunde — für l'esmaia, übrigens die Fassung, die die Mehrzahl der Hand-
schriften bietet.
48
WALTER GREINER.
scheinen nicht ganz klar zu
sein, Sie, die ihm Hilfe bringt,
braucht ja, wie Förster richtig
sagt, nicht gerade zu er-
schrecken; immerhin bleibt
aber noch die Möglichkeit
bestehen, dals Chrestien es
dem Zufall überläfst, das
Fräulein gerade in diesem
Augenblicke herzuführen, oder
dals sie vor dem grausigen
Anblick des zerschmetterten
Pferdes schaudert. Entscheidet
man sich aber für die andere
Lesart und bedenkt, dals
Ivain noch öfters von seiner
Bangigkeit an dieser Stelle
spricht, dann liegt in dieser
Stelle ein immerhin nicht
zu unterschätzendes Beweis-
mittel für die späteren Aus-
fühiunsren.
ornee d'un bandeau d'or, vetue
de paile jaune, les pieds
chausses de deux brodequins
de cordwal tachete*' (19, ß).
Sie teilt ihm mit, dafs ihm
hier gi'ofse Gefahr drohe; der
Schlofsherr sei seinen schweren
Verletzungen erlegen und der
furchtbare Grimm der Schlofs-
bewohner richte sich gegen
den Mörder.
Sie spricht ihm Trost zu
und bietet ihm ihre Hilfe an
als Ausdruck des Dankes für
früher geleistete Ritterdienste,
Aber: „sie konnten zusam-
men nicht kommen", — da
weder ihr noch ihm der
Mechanismus des Tores ver-
traut war. So sprechen sie
durch die Toröffnung hindurch.
Owein erfährt von der ihm
bevorstehenden Gefahr; sein
Leben steht auf dem Spiel,
denn die Rächer des Erschla-
genen werden kurzen Prozefs
machen.
Etwas merkwürdig nehmen
sich die schon von Brown
hervorgehobenen, ganz in den
schon öfters erwähnten ty-
pischen Ausdrücken gehal-
OWEIX — IVAIN.
49
deren sie sich noch gern er-
innert. Bei der Erzählung
ihrer ersten Begegnung mit
Ivain mögen die folgenden
Verse für Chrestiens Charak-
terisierungskunst sprechen:
(1004) „Une foiz a la cort le roi
M'anvoia ma dame an message.
Espoir si ne fui pas si sage,
Si cortoise ne de tel estre,
Come pucele deüst estre;
Mes onques Chevalier n'i ot,
Qu'a moi deignast parier un mot,
Fors vos tot seul, qui estes ci;
Mes vos, la vostre grant merci,
M'i enorastes et servistes".
Sie gibt ihm einen unsichtbar
machenden Zauberring:
(1024) ... „s'il vos plest, sei me
randroiz,
Quant je vos avrai delivre".
Die Wirkungsweise des Rin-
ges ist nun die folgende:
(1027) „Si li dist qu'il avoit
tel f orce,
Come a dessor le fust l'escorce,
Qui le cuevre, qu'an n'an voit
point;
Mes 11 covient que l'an l'an-
point,
Si qu'el poing soit la pierre
anclose,
Puls n'a garde de nule chose
Cil, qui l'anel an son doi a;
Que ja veoir ne le porra
Nus hon, tant et les iauz overz".
Das hilfsbereite Fräulein
sorgt auch für Speise und
Trank und — was die Stelle
Zeitschrift f. celt. Philologrie XII, 1.
tenen Reden des Mädchens
aus:
..C'est vraiment grande pi-
tie,. qu'on ne puisse te delivrer.
Ce serait le devoir d'une
femme de te rendre Service.
Je n'ai jamais vu assurement
jeune homme meilleur que tai
pour une femme. Si tu avais
une amie, tu serais bien le
meilleur des amis pour eile;
si tu avais une maitresse, il
n'y aurait pas meilleur amant
que toi" (19, 12 f.).
Darum will sie ihm auch
helfen und zwar mit dem
Tarnring:
„Tiens cet anneau et mets-
le ä ton doigt, Tourne le
chaton ä l'interieur de ta main
dessus. Tant que tu le cacheras,
il te cachera toi-meme" (19,20).
50
WALTER GREINER,
bei Chrestien ganz verworren
macht, — für Schlafgelegen-
heit:
(1040) „Sei mena seoir an unlit
Covert d'une coute si riche,
Qu'ains n'ot tel li dus d'Oste-
riche".
Schon wird das Näherkom-
men der Schlofsmannschaft
hörbar. Die Mannen fahnden
nach dem Mörder ihres Herrn.
Das Mädchen zieht sich zurück
und läfst ihren Schützling
allein, nachdem sie ihm noch
Verhaltungsmalsregeln gege-
ben hat:
(1066) „Se de cest lit ne vos
movez",
werde alles Suchen der Krieger
vergeblich sein. Etwas merk-
würdig vom Standpunkte des
höfischen Dichters aus sind die
Verse 1072 f. j
„Si vos comanceront a querre '
Et dessoz bans et dessoz liz.
Ce seroit solaz et deliz
A home, qui peor n'avroit,
Que jant si avugl6 verroit;
Qu'il seront tuit si avugle,
Si desconflt, si desjuglö,
Que il esrageront tuit d'ire".
Man sollte doch meinen, dem
Ivain sei gerade nicht lächer-
lich zumute. Oder sollte hier !
ein Rest einer früheren Form
der Erzählung vorliegen, in
der Lunete durch ihre beson-
dere Stellung zu solchen —
uns in diesem Zusammenhange
Das Mädchen geht und gibt
vorher dem Ritter die Wei-
sung:
. . . „je serai sur le montoir
de pierre lä-bas ä t'attendre.
Tu me verras sans que je te
voie. Accours et mets ta main
sur mon epaule; je saurai
ainsi que tu es lä. Suis-moi
alors oü j'irai" (20, 4).
OWEIN — IVAIN.
51
etwas frivol anmutenden —
Worten ein Recht hätte?
Davon später!
Kaum ist das Fräulein ge-
gangen, da kommt auch schon
die Schar der Bewaffneten
hereingestürzt, um den Mörder
ihres Herrn zu suchen. Sie
finden aber nur die Sporen
und die vor dem Tore liegende
Hälfte des Pferdes:
(1093) „Et virent del cheval
tranchie
Devant la porte la meitie".
Als sie aber im Torraum
selbst nur den Rest des Pferdes
finden, packt sie Verzweiflung
und sinnlose Wut. Auf die
Verse Hilf.:
„Et disoient: Ce que puet estre?
Que ceanz n'a huis ne fenestre,
(Widerspruch!)
Par ou riens nule s'an alast,
Se ce n'iere oisiaus, qui volast,
Ou escuriaus ou cisemus,
Ou beste aussi petite ou plus;
Que les fenestres sont ferrees
Et les portes furent fermees",
usw. soll später eingegangen
werden. Ratlos stehen sie
beieinander; ein neues Suchen
beginnt, und ihr Grimm stei-
gert sich ins Ungemeine.
Die Schlolsbewohner müssen
bald ihr Suchen als vergeblich
aufgeben:
„Les hommes de la cour
vinrent en effet chercherOwein
ponr le mettre ä mort, mais
ils ne trouverent que la moitie
du cheval, ce qui les mit en
grande fureur" (20, 10).
Hier verändert M. zunächst
den Schauplatz der Handlung:
„Ovvein s'öchappa du milieu
d'eux, alla ä la pucelle et lui
mit la main sur l'ßpaule"
(20, 13).
52
WALTEB GREINER.
Das Mädchen führt ihn als-
bald zu einem grolsen und
schönen Zimmer, das, seiner
Beschreibung nach, dem bei
Chrestien an der widerspruchs-
vollen Stelle V. 963 f. entspricht:
„Owein promena ses regards
sur tout l'appartement: il n'y
avait pas un clou qui ne füt
peint de riche couleur, pas un
panneau qui ne füt decore de
diverses figures dorees"
(20, 17 f.).
Auf die wörtliche Überein-
stimmung an dieser Stelle sei
später hingewiesen.
Die nun folgenden näheren
Angaben verdienen wieder vom
stilistischen Standpunkte aus
Beachtung: Alles, was mit
Owein in Berührung kommt,
ist überaus kostbar:
„La pucelle alluma un feu
de charbon, prit un bassin
d'argent avec de l'eau, et une
Serviette de flne toile blanche
sur l'epaule, . . .
. . . eile plaga devant lui
une table d'argent dorö, cou-
verte d'une nappe de fine toile
jaune et lui apporta k souper"
(21, 4 f.).
Nun kommen die aus frü-
heren Anführungen geläufigen
superlativischen Schilderun-
gen:
„II n'y avait pas de mets
connu d'Owein dont il ne vit
lä abondance, avec cette diffe-
OWEIN — IVAIN. 53
rence que les mets qu'il voyait
etaient beaucoup mieux pre-
pares qu'ailleurs.
Nulle part il n'avait vii
offrir autant de mets ou de
boissons excellentes que lä.
Pas un väse de service qui
ne füt d'or ou d'argent" (2 1,9 f.).
Da schmaust und trinkt denn
i Owein bis in den Nachmittag
! hinein:
; „Owein mangea et but
' jusqu'ä une heure avancee du
temps de nones" (21, 15).
Zu dieser Zeit erhebt sich
' ein grofser Lärm im Schlosse,
und Owein erfährt auf seine
I Frage, dafs man dem Edel-
I mann die letzte Ölung gebe.
Owein legt sich zur Ruhe.
I Bei der nun folgenden Be-
schreibung des Lagers finden
sich wieder die gewohnten
Ausdrücke:
I „II eüt ete digne d'Arthur,
i tellement il etait bon, le lit
1 que lui fit la pucelle, de tissus
d'ecarlate, de paile, de cendal
j et de toile fine" (21, 21).
Der folgende Abschnitt, ein Meisterstück Chrestienscher
Stil- und Gedankenkunst, behandelt nun den so vielumstrittenen
Höhepunkt des ersten Teiles: Wie Ivain die Liebe der ver-
witweten Schlofsherrin gewinnt. Die vergleichende Gegen-
überstellung beider Fassungen schliefst sich hier in der Reihen-
folge der Geschehnisse, die bei beiden Verfassern starke
Abweichungen zeigt, an des Franzosen Gedicht an und setzt
die entsprechenden Abschnitte des Kymren zunächst ohne
Rücksicht auf ihre Reihenfolge, der ein späteres Wort vor-
behalten bleiben mag, daneben.
54
WALTER GREINER.
Der Schauplatz der Hand-
lung bei Chrestien ist — im
CTegensatz zu M. — immer noch
der Saalbau, in dem Ivain
gefangen wurde. Noch während
die Mannen mit verzweifeltem
Suchen beschäftigt sind, kommt
die Schlofsherrin:
(1146) ... „une des plus beles
dam es,
Qu'onques veist riens teriiene.
De si tres bele crestiiene
Ne fu onques plez ne parole".
Furchtbar sind die Aus-
brüche ihres Schmerzes:
(1150) . . . „de duel feire estoit
si fole,
Qu'a po qu'ele ne s'ocioit.
A lä foiiee s'escrioit
Si haut, qu'ele ne pooit plus,
Et recheoit pasmee jus.
Et quant ele estoit relevee,
Aussi come fame desvee
Se comangoit a descirer
Et ses chevos a detirer*'.
Durch den Torraum hindurch
wird nun auch die Leiche des
Schlofsherrn getragen. Dem
Zuge voran geht die Geist-
lichkeit:
Die Beschreibung der Schlofs-
lierrin (23, 3 f.):
. . . „une femme aux cheveux
blonds, flottant sur les deux
epaules, souilles ä leur extre-
mite de sang provenant de
meurtrissures. vetue d'habits
de paile jaune en lambeaux,
les pieds chausses de brode-
quins de cordwal bigarre [fast
wörtliche — etwas erweiterte
— Wiederholung der Beschrei-
bung der Lunete S. 47].
I Sie ist zudem von grofser
Schönheit:
;.I1 etait impossible de voir
! une aussi belle femme, Owein
' en etait bien persuade, si eile
avait eu son aspect habituel"
(23, 10). Auch ihre Schmerzens-
i rufe sind unaufhörlich:
i „C'etait merveille que le
i bout de ses doigts ne fiit
' ecorche, tant eile frappait avec
violence ses deux mains Tune
contre Tautre" (23, 8) und:
„Ses cris dominaient ceux des
gens et le son des trompettes
de la troupe" (23, 12).
E.s sei hier erinnert an
21, 17: ,,X ce moment, ils
entendirent de grands cris
dans le chäteau'*.
OWEIN — IVAIN.
(1160) „L'eve beneoite et la
croiz
Et li cierge aloient devaut
Avuec les dames d'un covant,
Et li texte et li an^ansier
Et li clerCj qui sont despansier
De feire la haute despanse,
A quoi la cheitive ame panse'*.
Der Schmerz der Dame stei-
gert sich ins üngemessene
beim Anblick der Bahre.
Da das Sachen nach dem
Mörder vergeblich war, schrei-
tet man jetzt zur Bahrprobe:
(1178) ... „anmi la sale amassa
Autor la biere uns granz toauz;
Que li sanz chauz, clers et
vermauz
Rissi au mort parmi la plaie,
Et ce fu provance veraie,
Qu'ancore estoit leanz sanz
faille
Cil, qui feite avoit la bataille,
Et qui Tavoit mort et conquis".
Das Mädchen gibt ihm, wie
schon oben erwähnt, die Aus-
kunft:
„On donne l'extreme onction
au maitre du chäteau" (21, 19).
In der Nacht, während der
ihm das Mädchen Gesellschaft
leistet (siehe oben 21, 19),
beginnt ein zweiter Lärm. Zu
beachten ist die Steigerung
im Beiwort:
„Vers minuit, ils entendirent
des cris pergants^' (21, 24).
„Der Schlofsherr ist ge-
storben," sagt das Mädchen.
Uud nach Tagesanbruch
wiederholt sich das Schreien
zum dritten Male:
„Un peu aprös le jour
retentirent des cris et des
lamentations d'une violence in-
exprimable" (Abermalige Stei-
gerung des Ausdrucks!) 22,3.
Es ist die Stunde der Bei-
setzung des Ritters, deren Be-
schreibung unmittelbar folgt.
56 WALTER GREINER,
Ks beginnt nunmehr ein
nochmaliges Suchen. Wie die
Wilden schlagen sie mit
Stöcken um sich, und Ivain.
der ja noch auf dem Bett
liegt, bekommt ein gut Teil
von den Schlägen ab:
(1192) „Si fu mout feruz et ;
botez I
Mes sire Yvains la, ou il jut, I
N'onques por ce ne se remut'*
— während er doch das erste j
Mal leer ausgegangen war: |
(1134) . . . „parmi les paroiz |
feroient !
Et parmi liz et parmi bans; |
Mes des cos fu quites et frans
Li liz, ou il s'estoit couchiez,
Qu'il n'i fu feruz ne tochiez".
Die Mannen stehen ratlos:
da muls der Teufel seine Hand \
im Spiele haben!
(1202) „Ce est mervoille et
deablie!" \
Nun bricht die Dame in ein :
Jammern tiefsten Schmerzes \
aus; ihr wilder Grimm richtet i
sich in einer Verfluchung gegen |
den feigen Mörder. Sie flucht ■
dem Himmel; alles das könne 1
doch nicht mit rechten Dingen
zugehen :
(1218) „Bien puis dire, quant ■
je nel voi, i
Que antre nos s'est ceanz mis i
Ou fantosmes ou anemis. j
S'an sui anfantosmee tote".
Oder sollte er gar feige sein? '
Dem Gatten gegenüber zeigte \
OWEIN — IVAIN.
57
er doch auch Mut! Hätte
dieser, der unvergleichliche
Held, gegen einen sichtbaren
Gegner gekämpft, dann wäre
wohl der Ausgang anders ge-
wesen !
Nun schreitet man zum
Begräbnis des Ritters, das
in aller Form (bei Chrestien
nur angedeutet) vollzogen
wird.
Das Fräulein nimmt an
alledem nicht teil; sie kommt
wieder zu Ivain, — den sie ja
nach Übergabe des Zauber-
rings hatte verlassen müssen
— und erfüllt nach einem
kurzen Gespräch, in dem Ivain
seine Angst offen bekennt
(1262—1270), seinen Wunsch,
doch ein wenig dem Leichen-
zug zuschauen zu dürfen:
„Ob ihm wirklich an dem
Anblick der Prozession so viel
gelegen war", meint Chrestien,
„oder ob er:
(1280) . . . „por la dame de la
vile,
Que il voloit veoir, le dist?"
Sie führt ihn zu einem
Fensterchen, von dem aus er
alles beobachten kann.
[Es sei hier noch einmal
die Szenerie vergegenwärtigt:
Die Nacht ist herum, und am
frühen Morgen erschallt das
dritte Jammergeschrei.]
„Owein se leva, s'habilla,
ouvrit la fenßtre et regarda
du cote du chäteau" (22, 8).
Dafs diese Stellung des
Helden beim Leichenbegängnis
eine weit glücklichere ist als
bei Chrestien, wo Ivain, der
noch im Torraum auf dem
Bett liegt, die Prozession ver-
folgt, soll an späterer Stelle
Erörterung finden.
WALTER GREINER,
Das Begräbnis selber wird
; mit gewaltigem Pomp voll-
I zogen; die Menge der Teil-
i nelimer ist gar nicht zu über-
sehen (22, 10 f.):
.,11 ne Vit ni commencement
ni fin aiix troupes qui rem-
plissaient les nies, toutes
completement armees; il y
avait aussi beaucoup de fem-
mes" — Browns Versuch, hier-
aus in einer älteren Form eine
Feenschar zu konstruieren,
dürfte doch wohl zu kühn
sein — „ä pied et ä cheval,
et tous les gens d'eglise de
la cite etaient lä chantant.
II semblait ä Owein que le
ciel resonnait sous la violence
des cris, du son des trompettes
et des chants des hommes
d'eglise".
Nun folgt die Beschreibung
der Bahre selbst, die, wie
ganz besonders der letzte Satz
zeigt, in den bekannten Stil-
formen sich hält:
„Au milieu de la foule etait
la biere, recouverte d'un drap
de toile blanche, portee par
des hommes dont le moindre
etait un baron puissant.
Owein n'avait jamais vu
assurement une suite aussi
brillante que celle-lä avec ses
habits de paile. de soie et de
cendal".
Ivain hört vom Fenster aus
die Totenklage der schönen
OWEIN — IVAIN.
50
Witwe. Die Worte, die sie
jetzt zum Ausbruch ihres
Schmerzes findet, sind auf :
einen erheblicli milderen Ton !
gestimmt (v. 1288—1299).
Gleich darauf aber gebärdet ,
sie sich wiederum — dieser i
Stimmungsumschlag erscheint i
mir nicht besonders glücklich |
gewählt — wie wahnsinnig, j
zerreifst die Kleider und mifs- j
handelt ihren Körper, so dafs |
Ivain sich nur mit Mühe zu- |
rückhalten kann: !
(1302) ,.A mout grant painne 1
se detient
Mes sire Ivain s, a quoi que tort,
Que les mains tenir ne li cort".
Aber das Fräulein rät ihm
warnend, ja keine Unvor-
sichtigkeit zu begehen und an
dem sicheren Platze ruhig
auszuharren (1305 — 1338).
Darauf verläfst sie ihn, und
Ivain bleibt allein zurück, von
Zweifeln geplagt. Ein hef-
tiger Widerwillen packt ihn
gegen den sicherlich nicht aus-
bleibenden Spott Keus, dem
er doch bei dem Bericht
von seinem wundersamen und
siegreichen Abenteuer keinen
sichtbaren Beweis bringen
kann.
Doch diesen Kummer ver-
süfst ihm die Liebe:
(1354) „Celes ranposnes a sejor
Li sont el euer batanz et
fresches,
60
WALTER GREINER,
Mes de son gucre et de ses
bresches
Li radoucist novele Amors,
Qui par sa terre a fet sou
cors".
I Reflexionen und Seelenana-
lysen sind nicht die Sache des
I Kymren. Er konstatiert le-
j diglich die Tatsache:
j „En la voyant, Owein s'en-
I flamraa de son amour au point
j qu'il en etait entierement
j penetre" (23, 14).
j Owein erkundigt sich nach
I ihr und erfährt, sie sei die
j durch vielerlei Vorzüge aus-
gezeichnete ,.Dame von der
Quelle":
. „On peut en verite te dire",
' repondit-elle, „que c'est la plus
' belle des femmes, la plus ge-
; nereuse, la plus sage et la
! plus noble; c'est ma dame;
: on l'appelle la Dame de la
Fontaine, c'est la femme de
I l'homme que tu as tu6 hier"
(23, 16).
Als Owein dem Mädchen
seine Liebe zu der Trauernden
gesteht, sagt sie verheifsungs-
voll:
„Dieu sait qu'elle ne t'aime
ni peu ne point" (24, 2).
Es soll einem späteren Ab-
schnitt vorbehalten bleiben,
zu untersuchen, welche Be-
deutung die Worte der Zofe
Lunete für die Handlung selbst
haben.
OWEIN — IVAIN.
61
Die Liebeswunde, die immer
schlimmer wird, je näher die-
jenige Person ist, die sie allein
heilen kann —
(1373) „Et la plaie d' Amors
anpire,
Quant ele est plus pres de
son mire.
Cele plaie a mes sire Ivains,
Don il ne sera ja mes sains"
— ist wahrlich hinreichend
Rache für die tödlichen Wun-
den des Ritters von der Quelle.
In farbenreichen und leben-
digen Worten wird nun der
Zustand des Helden beschrie-
ben. Die Verse 1356—1405
sind ein Preislied auf die Liebe,
die in gemütswarmen Tönen
und edler Sprache gefeiert
wird.
„Die Liebe", so heilst es
einmal, „hat all ihre gerin-
geren Stätten verlassen und
sich ganz über Ivain ergossen".
Dabei versäumt aber Ivain
nicht, seine Blicke unverwandt
nach der Dame zu richten.
Das Begräbnis ist vorüber,
die Menge zerstreut sich, und
nur die Herrin bleibt zurück.
Und wieder übermannt sie
der Schmerz:
(1412) . . . „sovant se prant a
la gole
Et tort ses poinz et bat ses
paumes
Et list an un sautier ses saumes,
Anlumine a letres d'or".
WALTER GBEINER,
Ivain verfolgt jede Bewe- i
guiig; seine Leidenschaft wird !
immer glühender, sie bringt |
ihn der Verzweiflung nahe. !
Ist's denn nicht überhaupt j
Wahnsinn, was er begehrt? j
Ist das Gefühl der Eache, die
sie ganz erfüllt, vereinbar mit
der Leidenschaft, die er ihr
entgegenbringt?
„Mag sie mich jetzt auch
hassen, die Zeit wird Wandel
schaffen; wer kennt nicht die
Wandelbarkeit des Frauen-
herzens?
(1436) . . . „Fame a plus de mil
corages.
Celui corage, qu'ele a ore,
Espoir Changera ele ancore".
Bis dahin heilst es sich in
Geduld fassen. Und nun folgt
ein weiteres prächtiges Preis-
lied der Frauenschönheit:
„Eine Schönre als sie, die von
Gottes Hand geschaffen, sah
ich nie!" (1462—1506).
Er ist dankbar für die
Gelegenheit, die Geliebte un-
bemerkt sehen zu können, und
sein Gefängnis wird ihm darum
gar köstlicher Besitz.
Er sieht, dafs die beiden
Tore, zwischen denen er einst
eingeschlossen war, offen ste-
hen, d. h. aufgezogen sind, —
aber er will sein Gefängnis
nicht ohne die Verzeihung der
Herrin verlassen:
OWEIN
IVAIN.
63
(1525) „II ne s'an alast mie
certes, |
Se eles li fussent overtes, |
Ne se la dame li donast |
Congie et si li pardonast j
La mort son seignor buene-
mant". i
Ja, selbst den Tod wird er |
lieber erleiden als ohne ihre
Vergebung fliehen:
(1540) „Morir viaut ainz que
il s'an aut".
Da kommt auch das Fräu-
lein zurück und ist aufs
höchste erstaunt, Ivain bei
so guter Laune zu finden.
Noch mehr wundert sie sich,
als der Ritter ihre Befreiungs-
voi-schläge zurückweist. Ivain
aber entgegnet ihr voll frohen
Vertrauens auf die Allgewalt
der Liebe:
(1572) „Je n'istrai de ceste
semainne
An larrecin ne an anblee.
Quant la janz iert tote assan-
blee
Parmi ces rues la defors,
Plus a enor m'an istrai lors,
Que je ne feroie nuitantre".
Das Fräulein bedient ihn
auch weiterhin in gleich vor-
trefflicher Weise.
Merkwürdig nehmen sich
die Verse 1584 f., die Schluls-
worte des Gesprächs zwischen
ihr und Ivain, aus, die zu den
bisher geschilderten Empfin-
64
WALTER GREINER.
diing-en doch in grellstem
Widerspruch stehen :
(1584) . . . „bien li sovint
De ce que il li avoit dit,
Que mout li plot ce que il vit,
Quant par la sale le queroient
Cil qui ocirre le voloient".
Die folgendenZeilen(v.l589f.)
geben uns Aufschlufs über das
Verhältnis der beiden Frauen-
gestalten zueinander, über die
Stellung des Fräuleins zur
Schlolsherrin :
(1589) „La dameisele estoit si
'bien
De sa dame, que nule rien
A dire ne li redotast,
A quoi que la chose montast;
Qu'ele estoit sa mestre et sa
garde".
Die Herrin ist des Lebens
überdrüssig, und alle Trost-
sprüche des Fräuleins ver-
fehlen ihre Wirkung. Der tote
Gatte war ohne Gleichen, nie
wird ihr ein Ersatz möglich
sein.
Hier schiebt M. die bei
Chrestien v. 1881 f. stehende
und dort eingehender zu be-
handelnde Wasch- und Putz-
szene ein. Das Mädchen begibt
sich dann ins Schlofs zu ihrer
Herrin :
„Elle ny trouva que tris-
tesse et soucis. La comtesse
etait dans sa chambre, ne
pouvant, dans sa tristesse,
supporter la vue de personne"
(24, 19).
Arg merkwürdig nehmen
sich die ersten Worte des
Fräuleins aus, die sie an
die Dame richtet, als diese,
schmerzgebeugt, ihren Gruls
nicht beachtet:
„La pucelle se fächa et lui
dit: „Que t'est-il arrive, que
tu ne repondes ä personne
aujourd'hui?" (24, 23).
Die Herrin beklagt sich in
herben Worten über die Teil-
nahmslosigkeit des Mädchens
— ein Zug, der bei Chrestien
völlig fehlt, trotzdem v. 1258
1 der Zofe Fernbleiben von der
! Leichenfeier besonders er-
wähnt wird — und gibt dabei
eine allerdings ziemlich nichts-
OWEIN — IVAIN.
65
„Wohl wird ein Ersatz mög-
lich sein", entgegnet die Zofe,
„vielleicht gar ein besserer!"
(1610) „Meillor, se vos le volez
prandre,
Vos randra il (Dieu!), sei pro-
verai".
Dies weist die Dame ent-
rüstet zurück.
(1612) „Fui, tes, ja voir nel
troverai".
i sagende Auskunft über des
i Fräuleins Stellung:
' „C'est moi qui t'ai faite
I riche" (24, 28).
Das Mädchen schlägt der
; Trauernden vor, doch anstelle
des mülsigen Jammerns lieber
nach einem Ersatz des Gatten
zu suchen. Hier folgen ihre
— wohl einen etwas gefühl-
losen Eindruck machenden —
Worte:
. . . „je n'ai jamais pense
que tu eusses si peu de sens.
II vaudrait mieux pour toi
chercher ä reparer la perte
de ce seigneur que de t'occu-
per d'une chose irreparable"
(24, 30).
Aber die Herrin ist un-
tröstlich; nichts wird ihr den
Verlust ersetzen können. Die
Entgegnung des Mädchens:
„Tu pourrais epouser qui
le vaudrait bien ou peut-
etre mieux" (25, 5).
bringt sie in heftige Erregung.
Viel wilder als beim Franzo-
sen schlagen hier die Wogen
ihres Grimmes:
„Par moi et Dieu, s'il ne
me repugnait de faire perir
une personne que j'ai elevee,
je te ferais mettre ä mort,
pour faire en ma prösence des
comparaisons aussi injustes.
Je t'exilerai en tout cas"
(25, 7).
Nun ist die Reihe des Ent-
Zeitschrift f. celt. Philologrie XU, l.
66
WALTER GBEINER.
Die Zofe schlägt alsdann
einen anderen Weg ein, die
Sinnesart der Dame umzu-
stimmen: sie weist auf den
bevorstehenden Zug des Königs
Artus hin, dessen Ziel ja die
Gewitterquelle ist. „Was soll
werden? — "
Die „Dameisele Sauvage"
ist die Übermittlerin dieser
Unglücksbotschaft (1619 f.)
Auf die Besatzung des
Schlosses sei kein sicherer
Verlals, darum werde Artus
das Land ohne jeden Wider-
stand erobern. Als sie aber
mit ihrem Rate eine schroffe
Zurückweisung erfährt, ver-
lälst auch sie ihre Herrin.
Im Verlaufe der Zeit greift
auch bei der Dame eine
ruhigere Überlegung Platz.
Sie läfst sich auch von den
weiteren Ausführungen der
schlauen Zofe überzeugen:
Der Einwurf, ihr Gatte sei
unersetzlich, sei nicht richtig.
rüstetseins am Fräulein, sie
verläfst alsbald die Herrin.
Diese geht der Gekränkten
bis zur Zimmertür nach und
hustet, die Zofe kommt auf
ihre Aufforderung zurück:
„Par moi et Dieu", dit la
dame, „tu as mauvais ca-
ractöre (!), mais puisque c'est
mon interet que tu veux
m'enseigner, dis-moi comment
cela se pourrait" (25, 20).
Die Zofe steckt den „mau-
vais caract^re" ohne weiteres
ein und beginnt auf die Not-
wendigkeit einer Verteidigung
der Quelle hinzuweisen:
„Tu sais-qu'on ne peut
maintenir ta domination que
par vaillance et armes. Cherche
donc au plus tot quelqu'un
qui la conserve" (25, 23).
IVAIN — OWEIN.
07
die echten Ritter seien doch
mit ihm nicht ausgestorben:
(1674) „Cuidiez vos, que tote
proesce
Seit morte avnec vostre seig-
nor?
Qant aussi buen et §ant meillor |
An sont reraes parmi le monde". |
Sie solle gleich einen nennen, |
fordert die Herrin. Die Zofe |
aber versichert sich erst der l
Zusage, dals die Dame beim j
Folgenden nicht in Zorn gegen |
sie gerate.
So beginnt denn das rede- |
gewandte Fräulein die Ein- |
führung Ivains vorzubereiten:
„Wenn zwei Ritter sich im
Kampfe messen, ist dann der
Sieger nicht besser und hel-
denhafter als der Überwun-
dene? Darum
(1705) ... „miauz vaut icil, qui
conquist
Vostre seignor, que il ne flst.
II le conquist et sei chaga
Par hardemant an jusque ga,
Si qu'il l'anclost an sa meison".
In harten Worten schilt nun
die erzürnte Witwe die Zofe.
Diese, unwillig über den Bruch
des gegebenen Versprechens,
geht und benutzt die Zeit,
nach ihrem Schützling Ivain
zu sehen.
Während der Nacht bereits
quälen Gewissensbisse die
Herrin, sie fühlt Reue ihrer
unzeitigen Schroffheit wegen.
5*
68
WALTER GREINER.
Als ob der Ritter vor ihr
stände, beginnt sie jetzt ein
förmliches Verhör, dessen Er-
gebnis die Überzeugung ist,
dals der Sieger im ehrlichen
Kampfe doch eigentlich schuld-
los ist:
(1768) „Donc n'as tu rien vers
moi mespris,
Ne vers lui n'eüs tu nul tort".
Als nun die Zofe am anderen
Morgen wiederkehrt und ihre
Kunst — „son latin" 1787 —
fortsetzt, ist die Sinnesände-
rung der Dame vollendet. Sie
bittet die Zofe um Auskunft
über den künftigen Schützer
ihres Landes. Ist er ihrer
würdig, dann will sie ihn zu
ihrem und der Quelle Herren
machen. Aber ihr guter Ruf
darf keinesfalls darunter lei-
den:
(1807) „Mes il le covandra si
feire,
Qu'an ne puisse de moi retreire
Ne dire: „C'est cele qui prist
Celui, qui son seignor ocist".
(Diese letzten Worte stellt
Förster als Motto des ganzen
Ivain seiner Einleitung zum
yvain' und * voran.)
Das Fräulein kann mit ihren
Antworten alle Bedenken zer-
streuen. Der Name Ivain, der
guten Klang hat, ist ihrer
Herrin wohl bekannt:
(1816) „Par foi, eist n'est mie
vilains,
Nur ein Ritter vom Artus-
hofe kann hier in Frage kom-
men:
. . . ,,il ne peut y avoir d'autre
homme ä defendre la fontaine
que quelqu'un de la cour
d'Arthur" (25, 28).
IVAIN
OWEIN.
69
Aiuz est mout fraus, je le sai
bien,
Si est fiz au roi Uriien". ;
So wird denn die HeiTin ,
von Ungeduld gepackt; die \
fünf Tage, die sich das Frau- |
lein als Frist ausgebeten hat ',
(1821), sind ihrer Sehnsucht j
viel zu lang. Noch heute oder i
spätestens morgen soll er da j
sein ! |
Unmöglich! ;
(1824) „Dame, ne cuit que nus i
oisiaus
Poist an un jor tant voler".
Der schnellste Bote soll so-
fort sich nach dem Königshofe
begeben, um die Ankunft des
Ritters in möglichst kurzer
Zeit zu bewirken. '
Die Ungeduld der Herrin
möchte ihm Flügel anheften:
(1836) . . . ,,se bien esforcier se \
viaut,
Fera de deus jornees une.
Et anquenuit luira la lune,
Si reface de la nuit jor".
Sein Lohn wird reichlich
sein!
Unterdessen soll die Witwe
mit ihren Vasallen Rat ab-
halten, was nun geschehen
solle:
(1848) „Por la costume main-
tenir
De vostre fontainne deffandre,
Vos covandroit buen consoil
prandre".
Die Zofe selbst erbietet sich,
einen Ritter vom Königshofe
zu holen:
,,J'irai doiic ä la cour, et
honte ä moi, si je n'en reviens
avec uu guerrier qui gardera
la fontaine aussi bien ou mieux
que celui qui l'a fait avant"
(25, 30).
ro
WALTER GREINER.
Sie solle (h\ü Eingehen einer
neuen Ehe als zwingende Not-
wendigkeit hinstellen, und mit
dieser Lösung werde sie all-
gemeine Zustimmung finden,
denn jeder werde froh sein,
die eigne Haut nicht zu Markte
tragen zu müssen:
(1865) „Car, qui peor a de son
onbre,
S'il puet, volantiers se des-
conbre
D'ancontre de lance ou de dart;
Car c'est mauves jeus a coart".
Wieder mahnt die Dame
zur Eile; die Zofe bricht,
scheinbar zur Befolgung des
Befehles, auf und geht wieder
zu Ivain:
(1879) „Et cele faint, qu'ele
anvoit querre
Mon seignor Ivain an sa terre".
Dieser wird nun für die
bevorstehende Vorstellung auf-
geputzt. Unter hilfreichem
Beistand des Fräuleins wird
er gebadet, wie es der Sitte
entsprach , wohl gepflegt,
mit prächtigen Kleidern ge-
schmückt (1881—93) und mit
kostbarem Schmuck angetan,
sodafs er einen gar stattlichen
Eindruck macht.
Das Mädchen scheidet von
der Dame, um ihren Auftrag
scheinbar auszuführen. Sie
geht aber geradeswegs zu
Owein.
Es sei hier der entsprechende
— bei M. an etwas früherer
Stelle eingefügte — Abschnitt
gegenübergestellt und be-
sonders wieder auf die regel-
mälsig wiederkehrenden An-
gaben über die Kostbarkeit
all des Verwendeten hinge-
wiesen:
„La pucelle se leva et al-
luma un feu de charbon,
remplit une marmite d'eau et
la fit chauffer. Puis eile prit
une Serviette de toile blanche
et la mit autour du cou
d'Owein. Elle prit un gobelet
d'os d'elephant, un bassin
d'argent, le remplit d'eau
chaade et lava la tete d'Owein.
Puis eile ouvrit un coffret de
IVAIN — OWEIN.
71
Nun eilt die Zofe — nach-
dem alles vorbereitet ist — zur
Herrin, ihr die Rückkehr des
Boten zu melden. Diese harrt
des Retters voller Sehnsucht;
als sie von seiner Anwesenheit
hört, ist ihre Ungeduld nicht
mehr zu zügeln:
(1899) „Ceanz est il? — Vaing-
ne donc tost!"
Aber ohne Zeugen soll die
Unterredung stattfinden:
(1902) „Gardez que n'an i
vaingne plus;
Que je harroie mout le quart'*.
Die Zofe kehrt zu Ivain
zurück. Sie hält ihm zunächst
ihre Freude noch verborgen
bois, en tira un rasoir au
manche d'ivoire, dont la lame
avait deux rainures dorees"
(24,31).
Das nun aufgetragene Mahl
ist überaus kostbar:
„Owein n'avait jamais eu de
comparable ä celui-lä, ni d'un
Service plus irreprochable"
(24, 14).
Diese gesamten superlati-
vischen Stellen, die sich durch
die ganze Erzählung ziehen
und — wie zu zeigen sein
wird — sich an manchen
Punkten häufen, sollen später
im Zusammenhang behandelt
werden.
Das Mädchen wartet mit
Owein den Ablauf der ge-
bührenden Zeit ab, dann eilt
sie zur Gräfin, die sie freudig
bewegt begrülst (26, 10, „qui
la reQut avec joie"), bringt sie
doch gute Kunde! (26, 12).
Am folgenden Tage soll die
Unterredung stattfinden. Die
Herrin will dafür sorgen, dafs
keine Zeugen da sind:
„Je ferai debarrasser la
maison en vue d'un entretien
particulier" (26, 16).
Die Unterredung in der
Darstellung des Kymren ist
auf einen erheblich kühleren
Ton gestimmt.
72
WALTKK ftREINEK.
und bericlitet ihm. dafs die
Herrin sie wegen der ihm
geleisteten Hilfe arg gescholten
liabe. Dennoch habe sie er-
laubt, ihn zu ihr zu führen:
(1922) „Avoir vos viaut an sa
prison,
Et s'i viaut si avoir le cors,
Que nes li cuers n'an soit de-
fors'",
Ivain ist alsbald bereit,
mit ihr zur Dame zu gehen
(Wortspiel mit dem prison.)
Voller Zagen betritt nun
Tvain an der Hand des Fräu-
leins das Zimmer der Dame, i
die durch ihr Schweigen die
Verwirrung des Ritters nur
noch mehr steigert. Die Zofe
macht ihm lieftige Vorwürfe
wegen seiner Blödigkeit; köst-
lich ist für die Charakteri-
sierung des Mädchens v. 1 966/7: !
. . . ., Chevaliers I et peor
n'aiiez
De ma dame, qu'ele vos morde'-.
P'r soll sie um Vergebung
bitten, und Ivain ergibt sich
ihr alsbald auf Leben und Tod.
Auf die Frage, was ihn
denn bewege, sich ihr völlig
Als am andern Tage die
verabredete Stunde naht, wird
Owein prächtig gekleidet. Die
Beschreibung der Gewänder
enthält wieder die typischen
Schilderungen:
„Owein revetit une robe,
un surcot et un manteau de
paile jaune, rehausse d'un
large orfrei de lil d'or; ses
pieds etaient chausses de bro-
dequins de cordwal bigarre,
fermes par une figure de Hon
en or" (26, 18).
(Der Schuhschnalle in Löwen-
gestalt dürfte in diesem Zu-
sammenhang noch keine tiefere
Bedeutung beizumessen sein.)
Die anfängliche Freund-
lichkeit der Dame (. .. „qui les
accueillit d'aimable fa^on"
26, 23) schwindet gar schnell,
als sie den Eintretenden näher
ansieht :
... „ce seigneur n'a pas
l'air de quelqu'un qui a voyage.
Par Dieu et moi, ce n'est pas
un autre que lui qui a fait
sortir l'äme du corps de mon
seigneur" (26. 27).
Darauf setzt das Mädchen
von neuem mit ihren (Über-
redungskünsten ein :
„Tant mieux pour toi, prin-
cesse, s'il n'avait pas 6t6 plus
fort que lui, il ne lui eüt pas
IVAIN
OWEIN.
73.
zu ergeben, bekennt er nach
einer Rechtfertigung seine
glühende Leidenschaft in be-
geisterten Worten.
Die rein geschäftliche Frage
nach der Quelle beantwortet
Ivain in günstigem Sinne, und
der Vertrag wird gleich ge-
schlossen:
(2036) „Sachiez donc, bien
acorde somes".
Daran schliefst sich un-
mittelbar die Vasallenver-
sammlung. Alles ist schon
vorbereitet, die Schlofsbewoh-
nei- sind schon von der Not-
lage ihrer Herrin, die immer
wieder betont Avird, unter-
richtet:
(2045) . . . ,,jel ferai yor le
besoing:
Ci meismes a vos me doing;
Qu'a seignor refuser ne doi
Buen Chevalier et ftl de roi".
Da Ivain einen überaus
günstigen Eindruck auf die
Versammlung macht, fallen
die Worte des Seneschalls,
der zur Zustimmung rät, auf
fruchtbaren Boden.
Nach einem hohen Lobe auf
Ivains Heldenehre wird denn
auch beschlossen, die Hochzeit
unmittelbar folgen zu lassen.
Die Hochzeitsfeierlichkeiten
Ivains mit Laudine (ihr Name
wird 2151 genannt:
„Laudine de Landuc,
La dame, qui fu fiUe au duc
euleve l'äme du corps; on n'y
peut plus rien, c'est une chose
faite" (26, 29).
Die Herrin will erst
Rat ihrer Leute hören.
den
Die Dame weist auf die
notwendige Verteidigung der
Quelle hin und stellt ihre
Leute vor die Wahl, entweder
solle einer von ihnen der Nach-
folger ihres Gemahls werden,
oder ihr solle die freie Wahl
eines Ersatzes bleiben. Man
entschliefst sich für den letz-
teren Weg.
74
WALTER GKEINER,
Laudunet, dont an note un
lai".
Über diese Stelle wird im
Zusammenhang mit anderen
Quellenangaben, deren Vor-
handensein im Ivain Förster
bekanntlich leugnet, später zu
handeln sein) beginnen als-
bald; ihre Schilderung er-
streckt sich von v. 2151—2169.
Die Hochzeit wird alsbald
gefeiert, und Ivain ist nun
Verteidiger der Quelle. M.
hat hier noch ein Nachwort,
auf das wir später zurück-
kommen werden, ganz eigen-
tümlichen Charakters:
„Owein garda la fontaine
avec lance et epee, voici
comme: tout Chevalier qui y
venait, il le vendait pour
toute sa valeur. Le produit,
il le partageait entre ses
barons et ses Chevaliers; aussi
n'y avait-il personne au monde
plus aime de ses stijets que
lui. II fut ainsi pendant trois
annees" (27, 15).
An dieser Stelle hat M.
einen gröfseren Zeitabschnitt
gewissermalsen als Pause ein-
geschoben. Bemerkt sei noch,
dafs nach Windisch sich an
dieser Stelle — wie auch
Brown a. a. 0. bemerkt, —
ein deutlicher Absatz in der
Niederschrift sich findet.
OWEIN — IVAIN. iO
Eines Tages findet Gwalch-
mei den König in sehr übler
Laune, die den Verlust Oweins
zur Ursache hat. Als ob eine
völlig neue Geschichte be-
ginne, fährt der Bericht an
dieser Stelle fort:
„Un jour que Gwalchmei
se promenait avec l'empereur
Arthur, il jeta les yeux sur
lui et le vit triste et soucieux.
Gwalchmei fut tres peine de
le voir dans cet etat. . ." (28, 3).
: Artus meint, die Erzählung
des Kynon sei sicherlich schuld
an Oweins Verschwinden, das
er nicht länger ertragen könne:
. . . ,,si je suis encore une
quatriöme (annee) sans le voir,
mon äme ne restera pas dans
I mon Corps" (28, 9).
Auf Gwalchmeis Rat hin,
der ein Aufgebot der gesamten
Truppenmacht — von dem
eigentlich nie die Rede gewesen
war — für unnötig hält, zieht
der König mit seinem Gefolge
selbst aus. Zweck der Ex-
pedition ist bei M. lediglich
< der, Owein aufzusuchen.
. . . „venger Owein s'il est
tue, le delivrer s'il est pri-
sonnier, et l'emmener avec
toi s'il est en vie" (28, 16).
Ein stattlicher Zug wird
I alsbald zusammengestellt:
I „Ils etaient au nombre de
I trois mille sans compter les
j subordonnes" (28, 21).
76
WALTER GREINER.
Kynon ist natürlicli Führer.
Im gastliclien Schlofs, dessen
Anblick in den typischen
Ausdrücken geschildert wird,
nächtigen alle. Die folgenden
Zeilen:
„Malgre leur grand iiombre
on ne s'apercevait pas de leur
presence dans le chäteau"
(28, 28)
wolle man wegen ihrer Be-
deutung für die spätere Unter-
suchung im Auge behalten.
Pracht und Luxus sind über-
all, me schon an den früheren
Stellen:
„Eis n'avaient jamais vu
auparavant de Service irre-
prochable en comparaison de
celui des femmes. Le Service
pour les valets des chevaux,
cette nuit-lä, ne se üt pas
plus mal que pour Arthur
lui-meme dans sa propre cour"
(29, 1).
Der Weg geht weiter über
die Lichtung des Waldmen-
schen. Auf die stete Stei-
gerung des Ausdrucks soll
auch hier noch einmal hin-
gewiesen werden:
„Ils arriverent aupres de
l'homme noir; sa stature parut
encore beaucoup plus forte k
Arthur qu'on ne le lui avait
dit" (29, 7).
Dann gelangt der Zug —
der Weg wird noch einmal,
wenn auch gegen die vor-
OWEIN — IVAIN.
77
Artus hat seinen versproche-
nen Zug nach der Quelle, die
hier wie auch öfter als „mer-
voille" bezeichnet wird, aus-
geführt. Ken verleumdet wie-
derum mit scharfer Zunge den
„Helden'' Ivain, wird aber
von Gauvain energisch zurück-
gewiesen.
Der König selbst ruft das
Unwetter hervor, und Ivain
kommt eilends herbei.
herigen Stellen etwas gekürzt,
beschrieben — zur Gewitter-
quelle.
Kei bittet den König um
den Vortritt bei den bevor-
stehenden Kämpfen; er wird
ihm gewährt, und sogleich
schreitet der Seneschall zum
Hervorrufen des Unwetters,
das noch einmal beschrieben
wird:
. . . „Jamals ils n'avaient
entendubruit ni ondee pareille"
(29,19). ,
Bemerkenswert ist die fol-
gende Angabe:
„Beaucoup d'hommes de
rang inferieur (warum gerade
diese?) de la suite d' Arthur
furent tues par l'ondee" (29, 20).
Auch der entblätterte Baum:
„Lorsqu'ils lev^rent les yeux
vers l'arbre, ils n'y apergu-
rent plus une feuille" (29, 22),
weiter das Erscheinen der Vö-
gel wird nochmals beschrieben :
. . . „Jamals, assurement, ils
n'avaient entendu musique
comparable ä leur chant"
(29, 25).
78
WALTER GREINER.
Keu, den der selbst uner-
kannt bleibende Ivain sofort
an den Waffen (2243) erkennt,
rüstet sich zum Kampf. Beim
ersten Anprall zersplittern die
Lanzen, dann gelingt es Ivain,
den Gegner aus dem Sattel
zu heben. „Damit begnügt
sich sein edler Sinn":
(2258) „Plus d'enui feire ne li
quiert"
hebt Chrestien besonders her-
vor. Ivain nimmt Kens Pferd
an sich, das er dem Könige
übergibt. Der Verlauf des
Kampfes hat vielen Freude
bereitet:
(2261) „S'an fu mout bei a
tes i ot.
Et fu assez, qui dire sot:
„Ahi, ahi! come or gisiez
Vos, qui les autres despisiez".
Dann kommt Owein in der
gleichen Ausrüstung wie einst
der frühere Quellenverteidiger :
. . . „monte sur un clieval
tout noir, vetu de paile tout
noir, venant d'une allure ar-
dente" (29, 27).
Kei reitet dem Ankommen-
den entgegen, und der Kampf
beginnt. Nach kurzem Kampfe
lieart Kei besiegt am Boden.
[In der Erzählung des Kym-
ren nimmt nun die folgende
Handlung einen wesentlich
abweichenden Verlauf. Die
Kämpfe werden in den fol-
genden Tagen fortgesetzt und
finden ihr Ende erst in dem
Zweikampf zwischen Owein
und Gwalchmei (Gauvain!),
der ja bei Chrestien, an viel
OWBIN — IVAIN..
79
späterer Stelle eingefügt, den
Gipfelpunkt einer ganz an-
deren Abenteuerreihe bildet.
Über die Vor- und Nachteile
der einen oder der anderen
Fassung soll hier nicht ge-
rechtet werden; dies bleibe
für später; im Folgenden soll
vielmehr — anschliefsend an
den Gang der Handlung bei M.
— lediglich eine Gegenüber-
stellung der beiden Darstel-
lungen des Zweikampfes der
Freunde gegeben werden.]
Nach dem für Kei gar so
unrühmlichen Ausgange des
Kampfes zieht man sich auf
beiden Seiten zur Nachtruhe
zurück.
Am anderen Morgen wagt
Kei mit des Königs Erlaubnis
einen zweiten Kampf mit dem
Ritter, der den gleichen Ver-
lauf nimmt. Nur schlägt dies-
mal Owein schon kräftiger zu:
. . , „il jeta un coup d'oeil
sur lui; et, hü donnant du
pied de sa lance sur le front,
il entama heaume, coiffe, peau
et meme chair jusqu'ä l'os, de
I toute la largeur du bout de
' la hampe" (30, 10).
Zum zweitenmale kehrt Kei
als Unterlegener zu den Seinen
zui'ück, und das gleiche Los
ereilt auch all die übrigen
Ritter, die nacheinander den
Kampf wagen. So bleiben
zuletzt nur noch Artus und
80
WALTER GREINER.
Gwalchmei übrig. Der König
rüstet sich schon, lälst aber
dem Gefährten den Vortritt.
Dieser ist so gerüstet, dafs
er Owein gegenüber uner-
kannt bleibt:
. . . „comme il etait revetu
' d'une couverture de paile qiie
■ lui avait envoyee la fille du
comte d'Anjou, lui et son
cheval, personne de l'armee
ne le reconnaissait" (30, 21).
Der Zweikampf der beiden Freunde.
Mit furchtbarer Wucht stür-
men die Gegner aufeinander :
los, sie schlagen einander
schwere "Wunden, die Lanzen
zersplittern, und selbst als
sich beide mit den Schwertern
zu Leibe gehen, will keine
Entscheidung fallen.
Nach einer kurzen Pause,
die durch Versöhnungsversuche
(zwischen den um das Erbe
streitenden Schwestern) aus-
gefüllt wird, entbrennt der
Kampf von neuem. Blutüber-
strömt schlagen die beiden
Ritter aufeinander los, bis des
Abends Dämmern zugleich mit
der völligen Erschöpfung der
wackeren Streiter zur Unter-
brechung zwingt.
Der Kampf wogt mit er-
bitterter Schärfe lange Zeit
unentschieden hin und her,
bis die hereinbrechende Nacht
Einhalt bietet.
Am anderen Morgen nimmt
der Zweikampf seinen Fort-
gang. Mächtige Lanzen („des
lances epaisses", 31, 5) sind
jetzt beider Streitwaffen, aber
auch dieser Tag bringt keine
Entscheidung. Am dritten Tage
wählen beide noch schwerere
Waffen:
„ils allerent au combat avec
des lances solides, grosses et
epaisses" (31, 6).
Bis zum Mittag vermag
jeder den Angriff des Gegners
abzuwehren. Dann reifsen von
dem furchtbaren Anprall die
Gurte beider Pferde, die Ritter
OWEIN
IVAIN.
81
Ivaiii schlägt dem Gegner
einen Waffenstillstand vor, der
doch für beide nichts Un-
ritterliches in sich schliefse:
(6238) ,,Ja ne cuit, blasme ne
reproche
J aiiens, se nuiz nos depart"'
und zollt seiner grofsen Tapfer-
keit herzliche Worte aufrich-
tiger Bewunderung. Hierauf
gibt sich Gauvain zu erkennen.
Ivain wird von furchtbarem
Schrecken ergriffen, nach ver-
zweifelten Klagen über sein
Mifsgeschick nennt auch er
seinen Namen und verspricht
reiche Entschädigung für die
Wunden des Kampfes.
Jeder schreibt dem andern
den Sieg zu, jeder preist die
ausgezeichnete Tapferkeit des
Gegners; sie fallen sich voller
Rührung um den Hals (6311).
Der König tritt mit seinem
Gefolge zu den beiden Rittern,
die noch , immer, jeder für
seinen Teil, ablehnen, den
Gegner überwunden zu haben.
Zeitschritt f. celt. Philologrie XII, 1.
fallen zu Boden, erheben sich
aber alsbald, um den Kampf
wiederum zu Fuls weiter-
zuführen.
„Jamals, de l'avis des spec-
tateurs, on n'avait vu deux
hommes aussi vaillants, ni si
forts. S'il y avait eu nuit
noire, eile eüt ete eclairee
par le feu qui jaillissait de
leurs armes" (31, 14).
Gwalchmei verliert infolge
eines heftigen Schlages des
Gegners den Schutz des Visiers,
so dafs sein Gesicht vor Owein
offen daliegt.
Oweins Worte sind sehr
kühl gehalten:
„Sire Gwalchmei", dit alors
Owein, „je ne te reconnaissais
pas ä cause de ta couverture;
tu es mon consin germain"
(31, 20).
Keiner will Siegel* sein.
Owein fährt fort: „Tiens mon
ep6e et mes armes.'* — „C'est
toi qui es le maitre, Owein,"
repondit Gwalchmei, „c'est toi
qui as vaincu; prends donc mon
epee." (32, 2).
Schlielslich kommt der König
herzu, dem Streit der beiden
Freunde ein Ende zu machen.
6
82
WALTER GREINER,
Schliefslich schlichtet er ihren
(und der Schwestern) Streit.
Wir hatten Chrestiens Dar-
stellung verlassen an der Stelle,
wo Schadenfreude über die
Niederlage Keus alle be-
herrscht. Ivain führt dem
König das Pferd des Besiegten
zu und gibt sich auf des
Herrschers Wunsch hin zu
erkennen. Die Nennung seines
Namens löst bei allen helle
Freude aus, aulser bei Keu.
Nach einer Erzählung seiner
Abenteuer lädt Ivain den König
samt seinem Gefolge zu sich
ins Schlofs ein. Der König
sagt gern zu:
(2308) „Li feroit huit jorz toz
antiers
Enor et joie et eonpaignie".
Noch immer weigert sich jeder,
als des anderen Überwinder zu
gelten. Sie fügen sich endlich
dem Urteilsspruche des Königs:
„Donnez-moi vos epees", dit
Arthur, „et ainsi aucun de
vous n'aura vaincu l'autre"
(32, 11).
Owein begrülst den König
auf das herzlichste, und alle
nehmen gern an der Freude
teil:
„L'armee accourut vers eux.
II eut tant de presse et de
häte pour voir Owein et l'em-
brasser, que peu s'en fallut,
qu'il n'y eüt des morts. Ils
passörent la nuit dans leurs
Pavillons" (32. 14).
Als Artus die Absicht kund-
gibt, weiter zu ziehen, bittet
ihn Owein, seinem Schlofs
einen Besuch abzustatten:
„II y a aujourd'hui trois
ans que je t'ai quitte, et que
cette terre m'appartient. De-
puis ce temps jusqu'ä au-
OWEIN
IVAIN.
83
Ein Bote wird vorange-
schickt, um die Festvorberei-
tiingen im Schlosse zu ver-
anlassen.
Einen beträchtlichen Raum
nehmen bei Chrestien die
lebensvollen Schilderungen
des festlichen Empfangs ein.
Grofser Jubel herrscht über-
all, und eine unaufhörliche
Reihe glänzender höfischer
Feste beginnt, der ritterlichen
Minne ganzer Glanz geht von
dem Leben im Schlofs aus.
Aus der ganzen Schilderungs-
reihe — die nichts des Aufser-
gewölinlichen bietet — heraus
sei nur auf ein Bild hinge-
wiesen, das in der späteren
Untersuchung wiederkehren
wird. V. 2395 — 241.') werden
Gauvain und die Zofe, die ja
Lunete heilst, mit Sol und
Luna verglichen, und dieser
Umstand wird in Settegasts
Abhandlung eingehend er-
örtert.
Als die für das Königsfest
angesetzte Zeit sich ihrem
Ende nähert, bemühen sich
die Ritter, Ivain zum Mit-
ziehen zu veranlassen. Gauvain,
der Sprecher der Ritterschaft,
richtet an ihn ernste Worte
über die Gefahr des „Verlie-
gens":
jourd'hui, je pi'epare un ban-
quet pour toi. Je savais que
tu irais ä ma recherche. Tu
viendras donc avec moi pour
te debarrasser de ta fatigue,
toi et tes hommes. Vous aurez
des bains" (32, 20).
M. findet sich mit dem
Königsbesuch sehr schnell ab:
... „le festin qu'on avait
mis trois ans ä preparer, ils
en vinrent ä bout eu trois
mois de suite. Jamals banquet
ne leur parut plus confortable
ni meilleur" (32. 27).
Artus will Owein mit sich
führen, um ihn an den Höfen
vorzustellen:
„Arthur songea alors au
depart, et envoya des messa-
gers ä. la dame pour lui de-
mander de laisser Owein venir
avec lui, afin de le montrer
aux gentils hommes et aux
6*
84
WALTER GREINER,
(2484) „Comant? Seroiz vos or
de gaus/,
Ce disoit mes sire Gauvains,
,,Qui por lor fames valent
mains?
Honiz soit de sainte Marie,
Qui por anpii'ier se marie!"
Den ununterbrochenen dring-
lichen Mahnungen der Freunde
kann sich Ivain doch nicht
verschliefsen, er verlangt Ur-
laub von seiner Dame, der
ihm auch bewilligt wird. Aber
nach Verlauf eines Jahres
solle er wieder zurückkehren,
oder:
(2564) . . . „l'amors devandra
haine,
Que j'ai a vos, seürs soiiez,
Certes, se vos trespassiez
Le terrae, que je vos dirai".
Ivain scheidet in grofsem
Schmerze; trostlos lang er-
scheint ihm die Zeit der Tren-
nung. Beim Abschied gibt
ihm Laudine noch einen
wunderkräftigen Ring:
(2604) „Prison ne tient ne sanc
ne pert
Nus amanz verais et leaus,
Ne avenir ne li puet maus,
Mes qu'il le port et chier le
taingne,
Et de s'araie li sovaingne
EiuQois devient plus durs que
fers.
Cil vos iert escuz et haubers".
Schmerzliche Szenen spielen
sich beim Abschied ab. Ivain
dames de l'ile de Bretagne"
(32, 30 f.).
Die Dauer des Urlaubs be-
trägt bei M. nur drei Monate.
Nur ungern gibt die Gräfin
Owein frei:
„La dame le permit malgre
la peine qu'elle en eprouvait"
(33, 5).
[Es sei schon hier darauf
hingewiesen, dafs der Ring
\ bei M. an dieser Stelle gar
nicht erwähnt wird, trotzdem
aber im späteren Verlauf der
Handlung auf einmal auf-
; taucht.]
OWETN — IVAIN.
85
kann sich nicht trennen. Nur
widerwillig zieht er mit: der
König hat es wohl vermocht,
den Leib mitzunehmen, aber
das Herz bleibt bei Laudine.
(2640-2666).
Der stillen Hoffnung Ivains,
man werde bald zurückkehren,
gibt Gauvain wenig Nahrung;
er führt Ivain von einem
Turnier zum anderen:
(2670) „Car as tornois s'an vont
andui
Par toz les leus, ou l'an tornoie".
Längst schon ist das eine
ausbedungene Jahr des Ur-
laubs verflossen, es geht schon
stark ins zweite hinein. Aber
immer wieder treibt Gauvain
zu neuen Taten, zu neuen Tur-
nieren, aus denen Ivain stets
ruhmvoll hervorgeht (2684). So
kommen sie nach Cestre, wo der
König Hof hält. Etwas merk-
würdig erscheint hier Chrestien
die Angabe seiner Quelle über
den Besuch des Königs:
(2685) „Et dist li contes, ce me
sanble,
Que li dui conpaignon ansanble
Ne vostrent an vile desQandre,
Ainz flrent lor paveillon tandre
Fors de la vile et cort i
tindrent;
Qu'onques a cort de roi ne
vindrent,
EinQois vint li rois a la lor".
T)a erinnert sich denn Ivain
mit o-rofsem Schmerze seines
Auf einen wesentlich ab-
weichenden Ton ist die ent-
sprechende Stelle in M. ge-
stimmt; nichts von all dem
tiefen Weh, das des Franzosen
Schilderungen durchzieht:
86
WALTER GREINER.
gegebenen Versprechens, das
er nun treulos gebrochen liat.
(2701) . . . ..trespassez estoit
li termes;
A grant paiiine tenoit ses
1er m es,
Mes honte li feisoit tenir".
Ivain wird erst aus seinem
Brüten aufgeschreckt durch
die Ankunft einer Botin, die
geradeswegs auf ihn zureitet.
Die Verse 2709/10:
„Ne nus ne fu a son des(;andre,
Ne nus n'ala son cheval
prandre",
erinnern lebhaft an die in
V. 1009 beschriebenen Er-
lebnisse am Königshofe. Sie
entbietet allen höfischen Gruls.
aufser Ivain, dem Wort-
brüchigen:
(2719) „Le desleal, le tra'itor,
Le mangongier, le jeingieor".
Chrestien schiebt hier —
als Worte der Zofe gedacht —
einen Exkurs über die wahre
Liebe ein, von der Ivains
„leeres Gerede'- (2722) gar
so weit entfernt sei. (2722
-2761).
Darauf wird Ivain im Namen
der Herrin als Wortbrüchiger
verurteilt und verstofsen.
Die Botin fordert von Ivain
die Rückgabe des vvunder-
kräftigen Ringes, und Ivain
fügt sich — wie in einem
schweren Traume (2775) —
ihrem Verlangen.
„Owein alla avec Arthur
dans nie de Bretagne. TJne
fois arrive au railieu de ses
compatriotes et de ses com-
pagnons de festins, il resta
trois annees au lieu de trois
mois" (33, 6).
Macht schon die oben aus
diesem Grunde wörtlich an-
geführte Schilderung des Wort-
bruches Oweins den Eindruck,
als solle an dieser Stelle ein
deutlicher Abschnitt gemacht
werden, so wird dieser Ein-
druck nur verstärkt, wenn
man die Worte näher be-
ti-achtet, die die Fortführung
des Berichtes einleiten:
..Owein se trouvait, un jour,
ä table a Kaer Llion sur
Wysc, . . r (38, 10).
Die Beschreibung der Botin
sei, der vielen charakteristi-
schen Züge halber, auch hier
wiedergegeben:
. . . „une jeune ftUe se pres-
sen ta, montee sur un cheval
brun, ä la criniere frisee; eile
le tenait par la criniere. Elle
etait vetue de paile jaune.
La bride et tout ce qu'on
apercevait de la seile etait
d'or'" (33. 11).
Sie geht auf Owein zu und
nimmt ihm den — wie oben
angedeutet an der ersten Stelle
bei M. nicht erwähnten —
Ring ab mit den Worten:
OWEIN — IVAIN.
87
Chrestieu betont an dieser
Stelle wieder — wie auch bei
der Ankunft des Fräuleins —
das höfische Zeremoniell; die
Botin bricht alsbald auf:
(2778) „Puis si comande a Deu
le roi
Et toz les autres fors celui
Cui ele leisse an grant enui".
IvaAn, der erst nach und
nach gleichsam aus einer Er-
starrung wieder zu sich kommt,
wird von tiefer Reue und
grofsem Schmerz ergiiffen;
ihm steigen Fluchtgedanken
auf. Verzweiflung packt ihn,
er fürchtet, in der Gesellschaft
der Menschen seinen Verstand
zu verlieren und stürzt — von
niemand aufgehalten — aus
ihrer Mitte hinweg. Bald
liegen die Zelte weit hinter
dem Flüchtling, da bricht der
Wahnsinn aus:
(2804) „Lors li monta uns tor-
beillons
El Chief si granz, que il
forsane". . .
In diesem Zustand zerreifst
er seine Kleider und flieht
immer weiter in die Einöde,
sodals alles Suchen seitens der
Ritter vergeblich bleibt.
Einem jungen Burschen, der
im Walde nach Wild schielst,
nimm'^ er die Waffen ab, um
sich mit ihrer Hilfe seinen
„C'est ainsi qu'on traite",
dit-elle, ,,un trompeur, un
traitre sans parole: honte sur
ta barbe!« (33, 17).
Darauf reitet sie schnur-
stracks von dannen.
Nach dem Scheiden der
Botin übermannt der Schmerz
Owein:
„Le Souvenir de son expe-
dition revint ä Owein, et il
fut pris de tristesse" (33, 19).
Voller Zagen und Sorgen
bringt er die Nacht zu, und
am anderen Morgen reift der
Entschlufs in ihm, die Ein-
samkeit zu suchen. M. bringt
hier wieder den schon mehr-
fach angeführten Ausdruck:
. . . „il alla aux extremites
du monde et aux montagnes
desertes" (34, 2).
Hier verwildert er voll-
ständig — von dem eigent-
lichen Wahnsinn erwähnt M.
nichts :
. . . „il continua ainsi jusqu'ä
ce que ses habits fureut uses,
et son Corps pour ainsi dire
aussi; de longs poils lui pous-
serent par tout le corps"
(34, 3).
88
WALTER GREINER.
Lebensuuterlialr zu erwerben.
So führt er ein fast tierisches
Leben im Walde, seine Kleider
zerreilsen bei dem unaufhör-
lichen, planlosen, nur vom
Erhaltung^strieb geleiteten Um-
herstreifen, südai's er, als
die erste menschliche Woh-
nung ihm auf seiner Irrfahrt
begegnet, fast nackt ist.
Er kommt zufällig an eine
Einsiedlerhütte, deren Be-
wohner vor Furcht und Ent-
setzen sich in seine Wohnung
einschliefst, dem Flüchtling
aber doch aus ^Mitleid Speise
und 'l'rank durch ein kleines
Fenster zukommen läfst. Die
schlichte Nahrung schmeckt
Ivain köstlich. Hunger ist ja
der beste Koch:
(2854) ... „a toz mangiei's est
sausse fains".
Es bildet sich zwischen
beiden ein förmlicher still-
schweigender Vertrag heraus:
Ivain bringt dem Einsiedler
das Wild, das dieser dann
zubereitet.
Wesentlich mehr ins Mär-
chenhafte geht die gleiche
Stelle bei M.:
,.I1 fit sa compagnie des
animaux sauvages, il se nourrit
avec eux, si bien qu'ils devin-
rent familiers avec lui" (34-, G).
Das unruhvolle und un-
stete Leben reibt natürlich
seine Kräfte gar bald völlig
auf:
„Mais il finit par s'affaiblir
au point de ne pouvoir les
suivre" (34. 8).
Da verläfst er denn aus
freiem Entschlufs seine selbst-
gewollte Verbannung und nä-
hert sich wieder menschlichen
Stätten. Er kommt zu einem
märchenhaft schönen Garten:
„II descendit de lamontagne
ä la vallee, et se dirigea vers
un parc, le plus beau du
monde, qui appartenait k une
comtesse veuve" (34, 9).
OWEIX — IVAIN.
89
Eine Dame in Begleitung
zweier Mädchen findet ihn
eines Tages, als sie den Wald
betreten, schlafend. Sie suchen
lange nach einem Erkennungs-
zeichen, bis endlich eine Narbe
im Gesicht die Gewifsheit gibt,
dafs der nackte Schläfer und
der vielgerühmte Ivain eine
Person sind. Mit dem Staunen
über Ivains traurigen Zustand
verbindet sich bei ihnen der
Wunsch, der Held möge doch
recht bald wiederhergestellt
werden, um der Dame seine
Hilfe aus arger Bedrängnis
leisten zu können.
Die drei Frauen eilen so-
gleich nach dem Schlosse, um
die wunderkräftige Salbe zu
holen. [Die Verwendung einer
Salbe zur Heilung des Irrsinns
als eines inneren Leidens steht,
wie schon Hertel a. a. 0. S. 46
erwähnt, an dieser Stelle in
der altfranzösischen Literatur,
die sonst mehrfach Heilsalben
kennt, einzig da.] Über die
Die Beschreibung des Parkes
wird vom Kymren — man sieht
nicht recht ein zu welchem
Zwecke — weiter ausge-
sponuen:
. „ün jour, la comtesse et
ses suivantes allerent se pro-
mener au bord de l'etang qui
etait dans le parc, jusqu'ä la
hauteur du milieu de l'eau"
(34, 12).
Der Eindruck, den Owein
auf die Frauen macht, wird
bei M. als schrecklich ge-
schildert:
. . , „elles aper^urent comme
une forme et une iigure
d'homme. Elles en congurent
quelque crainte, mais, nöau-
moins, elles approcherent de
lui, le täterent et l'exami-
nörent" (34, 15).
Da sein Zustand gar so be-
klagenswert erscheint, soll ihm
schnell Hilfe werden:
„ Elles virent qu'il 6tait tout
couvert de teignes, et qu'il se
dessechait au soleil" (34, 18).
Die Dame geht ins Schlofs
zurück und gibt dem einen
Mädchen die Salbe („une fiole
d'un onguent precieux" 34,21),
auch Kleider für den Ritter,
sowie ein Rofs.
00
WALTER GREINER,
Herkunft der Salbe sehe man
die Worte der Dame v. 29521:
„Card'un oignemant me sovient,
Que me dona Morgue, la sage.
Et si me dist, que nule rage
N'est an teste, que il n'an ost".
Das Fräulein führt auch
ein prächtiges Rofs mit sich,
auf welches man kostbare Ge-
wänder für Owein geladen hat.
Mit, der Salbe soll sie dem
Schlafenden die Schläfen ein-
reiben
(2970) „Les tanples solement
l'an oingne
Et le remenant bien li gart;
Qu' 11 n'a point de mal autre
part
Fors que solement el cervel".
Die Zofe begibt sich zu
Ivain, verbraucht aber, dem
Gebor, der Herrin zuwider, die
ganze Salbe:
(3000) „Les tanples et le front
l'an froie
Et tot le cors jusqu'a Tartoil.
Tant li froia au chaut soleil
Les tanples et trestot le cors,
Que del cervel li issi fors
La rage et la raelancolie".
Hierauf verbirgt sie sich,
um das Erwachen Ivains ab-
zuwarten.
Alsbald erfolgt nun Ivains
Heilung vom Wahnsinn: er
erwacht und erkennt mit
Schrecken und Scham seinen
traurigen Zustand:
Die Dame gibt dann dem
Mädchen Verhaltungsmafsre-
geln:
„Frotte-le avec cet onguent
dans la direction de son coeur.
S'il y a encore de la vie en
Uli, cet onguent le fera lever.
Epie ce qu'il fera" (35, 3).
Das Mädchen geht nun zu
dem schlafenden Owein und
handelt nach dem Gebot ihrer
Herrin, nur verstreicht sie den
ganzen Vorrat der Salbe.
Sie zieht s^ich damit zurück,
bringt das Pferd mit den Klei-
dern in seine Reichweite und
beobachtet das Kommende.
Gar bald gibt Owein Le-
benszeichen von sich:
... „eile le vit se gratter
les bras, se relever et regarder
sa peau. II eut grande honte,
OWEIN — IVAIN.
9t
(3020) „Mes nuz se voit come
un ivoire,
S'a grant honte, et plus grant
eüst,
Se il s'avanture seilst;
Mes n'an set plus, que nuz se
trueve".
Der Versuch, sich zu er-
heben, um sich zu bekleiden,
scheitert an seiner grofsen
Schwäche. Die Fiifse versagen
ihm den Dienst, sodafs das
Fräulein endlich zur Hilfe-
leistung hei'beieilt. Sie führt
ihm ein Pferd zu, und beide
reiten nach dem Schlosse, wo
er freundliche Aufnahme finden
soll.
tellement son aspect etait re-
poussant" (35, 9).
Unterwegs wirft das Fräu-
lein von einer Brücke aus die
leere Salbenbüchse ins Wasser,
um sich den Vorwürfen ihrer
Herrin wegen ihrerVerschwen-
dung zu entziehen:
(3094) . , . „eile dira que au
passer
Mit Aufgebot aller seiner
Kräfte schleppt er sich zu
dem Pferde hin und zieht die
i Kleider an. Kaum gelingt es
ihm, in den Sattel zu kom-
men. Da nähert sich das
Mädchen zu Oweins grofser
Freude :
„II se montia joyeux vis-
ä-vis d'elle. . ." (35, 16).
Auf dem Wege zum Schlofs
erfährt Owein Näheres über
das umliegende Land und seine
Besitzerin :
„C'est ä une comtesse veuve.
qu'appartient ce chäteau fort
lä-bas. Son mari, en raourant,
lui avait laisse deux comtes,
et aujourd'hui, eile n'a plus
d'autre bien que cette demeure:
tout le reste lui a ete enlev^
par un jeune comte, son voisin,
parce qu'elle n'a pas voulu
devenir sa femme" (35, 17).
Oweins Entgegnung ist le-
diglich: „C'est triste" (35,23).
02
WALTER GREINER,
Del pont einsi li meschai,
Que la boiste en l'eve cha'i".
Im Schlofs wird Ivain von
der Herrin freundlich auf-
g-enommen, das Fräulein aber,
nach dem Verbleib der Salbe
gefragt, bringt unter vier
Augen ihre Lüge an. Die
Dame ist allerdings arg er-
zürnt über den Verlust der
Salbe, die unersetzlich sei:
(3124) „Si ai perdu de mon
avoir
Tot le meillor et le plus chier".
Dennoch soll Ivain nichts
an guter Aufnahme und Be-
handlung vermissen, da er ja
eigentlich unschuldig ist:
(3129)... ,,ce seroit trop vilains
jeus,
Qui d'un domage feroit deus".
So schreitet denn Ivains
Besserung unter sorgsamster
Pflege stetig fort:
(3134) „Sei baingnent et son
Chief 11 levent
Et le fönt rere et reoigner;
Car l'an li poist anpoignier
La barbe a piain poing sor
la face.
Ne viaut chose, qu'an ne li
face".
Owein bekommt die Herrin
gar nicht zu sehen:
. . . „la jeune fille le mena
ä une chambre confortable,
alluma du feu, et le laissa"
(35, 26).
Dann begibt sie sich zur
Herrin, die sie auf ihr Ge-
ständnis hin nur mit leisem
Vorwurf straft:
„II m'est difficile de te faire
des reproches ä ce sujet. Ce-
pendant il etait inutile pour
moi de depenser en onguent
precieux la valeur de cent
vingt livres pour je ne sais
qui" (36, 3).
Owein aber, befiehlt die
Dame, soll dafür nicht hülsen,
er soll gut verpflegt werden.
Das tut denn das Mädchen
auch:
„eile le pourvut de nourri-
ture, boisson, feu, lit, bains.
jusqu'ä ce qu'il füt retabli"
(36, 8).
Stilistisch bemeritenswert ist
der Schlulssatz:
„Les poils s'en allerent de
dessus son corps par touffes
ecailleuses. Cela dura trois mois,
et sa peau devint plus blanche
qu'elle ne l'avait ete" (36, 10).
OWEIN -
In die Zeit des Aufenthaltes
Ivains fällt ein Augriff des
Grafen Alier auf das Schlofs.
Die Bewohner eilen zu den
Waffen, um das Besitztum
der Herrin vor Plünderung
und Zerstörung zu schützen.
IVAIN.
93
Ganz ähnlich wie an einer
früheren Stelle (21, 24 und
später) leitet M. die Alier-
Episode ein:
..Un jour, Owein entendit
du tumulte dans le chäteau,
et un bruit d'armes ä l'in-
terieur" (36, U).
Darauf heifst es wieder —
genau wie oben:
„II demanda k la pucelle
ce que signifiait ce tumulte"
(36, 16).
Owein, der hier im Gegen-
satz zu der französischen
Fassung selbst die Initiative
ergreift, bittet um ein Pferd,
I das ihm auch bewilligt wird.
I [. . . „les meilleures (cheval et
j armes) du monde", heifst es
wieder.] Ein weiterer Paralle-
! lismus mit der schon hier
i mehrmals herangezogenen
Stelle aus der Quellenfahrt
findet sich in den folgenden
Worten. Wie der Herr des
gastlichen Schlosses lächelt,
„II me regarda et sourit"
(9, 3), als Kynon seinen Plan
vorträgt, so lacht auch die
Gräfin:
„La comtesse se mit ä rire"
(36, 27) als sie von Oweins
Kampfesmut hört.
Schlielslich könnte man in
diesem Sinne auch noch die
Beschreibung des Pferdes m
beiden Fassungen anführen.
Hier wie dort erhält der Ritter
94
WALTEE GREINER.
— an der erstereii Stelle
allerdings als Trost für sein
Mifsgeschick — ein prächtiges
Rofs, dessen Schönheit jV'de.s-
mal über alles bisher Da-
gewesene hinaus erhoben wird :
. . . ,,je ne le donnerais pas
encore pour le meilleur pa-
lefroi de l'ile de Bretagne-
(15, 11) und
... ,,il n'en a, assurement,
Jamals eu en sa possession de
pareils" (36, 29).
Owein erhält nun das Rofs.
Vielleicht darf man in den
Worten der Gräfin —
„J'aime mieux qu'il les
prenne que de les voir devenir
la proie de mes ennemis,
I demain, malgre moi, et cepen-
dant je ne sais ce qu'il veut
en faire- (36, 30)
— die sonst nicht recht ver-
ständlich sind, da doch die
Zofe von den Kampfesabsichten
Oweins berichtet hat (36,26),
eine weitere Parallele sehen
und zwar zu den Worten des
gastlichen Ritters:
. • • „si je ne croyais qu'il
düt t'en arriver trop de
mal, je t'indiquerais ce que tu
cherches" (9, 4).
Und endlich f^ei noch das
Aussehen des Pferdes selbst
in beiden Stellen herangezogen,
womit dieseGegenüberstellung.
auf die zurückzukommen später
Gelegenheit sein wird, beendet
OWEIN
IVAIN.
95
sei. Die beiden Stellen lauten:
. . . „un palefroi brun fonce,
k la criniere tonte rouge, aussi
rouge que la pourpre, com-
pletement eqnipe" (15, 5) und
. . . „un gascon noir, parfait,
portant une seile de hetre, et
une armure complete pour
cheval et cavalier" (37, 4).
Mit zwei Knappen als Be-
gleitern bricht Owein nach
dem feindlichen Heer auf,
dessen Gröfse ganz aufser-
ordentlich ist:
„En arrivant devant Tarmee
du comte, ils ne lui virent ni
commencement ni fin" (37, 8).
[Man vergleiche hierzu die
schon oben angeführte Stelle:
„II ne Vit ni commencement
ni fin aux troupes qui rem-
plissaient les rues" (22, 9)].
Owein läfst sich den Stand-
ort des Grafen bezeichnen,
schickt die Knappen zurück
und stürmt zum Angriff vor.
Ivain, dessen Kräfte unter
der vorzüglichen Pflege zurück-
gekehrt sind, vollbringt im
Kampfe, an dem er sogleich
teilnimmt, Wunder der Tapfer-
keit, die die Dame vom Turm
aus mit Bewunderung verfolgt:
(3235) „Onques ne fist de Du-
randart
Rolanz des Turs si grant essart
An Roncevaus ne an Es-
paingne".
Ö6
WALTER GREINER,
Aliers Leute werden zuiück-
gescblageu, dieser selbst, der
sich zur Flucht wendet, wird
in der Nähe seines Herren-
hauses (recet 3277) gefangen
genommen.
Er mufs versprechen, sich
in die Gefangenschaft der
„dame de Noroison" (3287) zu
begeben, dann führt ihn Ivain
der Schlofsherrin zu.
Der Graf verpflichtet sich,
von weiteren Angriffen auf
das Land abzustehen, zudem
den an ihrem Eigentum Ge-
schädigten vollen Ersatz zu-
kommen zu lassen. Damit gibt
sich denn Ivain zufrieden und
bricht auf.
Die Herrin ist über sein
plötzliches Scheiden sehr er-
zürnt, hat sie doch den treff-
lichen Helden sich zum Gemahl
ersehen; ihre bewundernde
Zuneigung wandelt sich in
Hafs, als sich Ivain durch
nichts von seinem Entschlüsse
abbringen läfst. Er reitet als-
bald fort.
In einem Walde wird Ivain
durch ein lautes Schmerzens-
geschrei aus seinen Gedanken
aufgeschreckt.
Der Gegner wird von Owein
alsbald aus dem Sattel gehoben,
dann als Besiegter zum Schlofs
gebracht:
„En depit de toutes les
difficultes, il arriva avec le
comte au portail, aupres des
ecuyers" (37, 19).
Owein übergibt seinen Ge-
fangenen der Herrin mit den
Worten:
„Tiens, voici, l'equivalent
de ton onguent beni" (37, 22).
Nachdem dieser noch reich-
liche Bufse versprochen hat:
„Pour avoir la vie sauve,
le comte rendit ä la dame ses
deux comtes; pour avoir la
liberte, il lui donua la moitie
de ses domaines ä lui, et tont
son or, son argeut, ses joyaux
et des otages en outre ainsi
que tous ses vassaux"(37,24f.).
Dann scheidet Owein vom
Hofe der Dame.
Diese bittet ihn, zu bleiben
und bietet ihm Hand und
Herrschaft an — alles ist ver-
geblich. Owein reitet fort. Der
Ausdruck ist wieder der schon
mehrfach angeführte:
(Owein) ... „se dirigea vers
les extremites du monde et la
solitude" (37. 30).
Owein hört einen Schrei, der
sich noch zweimal wiederiiolt:
... „il entendit un cri de
douleur dans un bois, pnis un
OWEIN
IVAIN.
97
In einer Schlucht |
(3342) . . . „une parfonde gau- :
dine"
findet er einen gar seltenen
Kampf: eine Schlange ringt
mit einem Löwen:
(3348) „Vit un lion an un
essart
Et un serpant, qui le tenoit
Par la coe et si li ardoit
Trestoz les rains de flame
ardant".
Nach kurzem Überlegen,
wem er helfen solle, dem be-
drängten Löwen oder der
feuerspeienden Schlange, zieht
er sein Schwert und geht
dem Reptil zu Leibe, das er
bald völlig zerstückelt; leider
büfst der Löwe ein Stück
seines Schweifes ein.
Nun erwartet Ivain den
Angriff des Löwen, dem er
doch neuen Schmerz bereitet
hat, aber es geschieht ein
Wunder:
(3392) „Oez, que fist li lions
donques!"
Der Löwe kommt auf Ivain
Zeitschrift 1. celt. Philologie Xu. 1.
second. puis un troisieme"
(38, 2).'
Der Ursache nachgehend
findet er
„une eminence rocailleuse
au milieu du bois, (also wieder
eine clairiere, ein tertre, wie
später zu erörtern sein wird)
et un rocher grisätre sur le
penchant de la colline" (38, 4).
In einer Felsspalte „dans
une fente du rocher" liegt
eine Schlange mit einem Löwen
im Kampfe.
Hervorgehoben sei hier noch,
dafs M. die Farbe des Löwen
als schwarz angibt (un lion
tout noir 38, 8).
„Chaque fois que le lion
essayait de s'echapper, le ser-
pent s'elangait sur lui et le
mordait" (38, 8).
Owein schlägt mit furcht-
barem Hieb die Schlange mit-
ten entzwei, dann reinigt er
l sein Schwert.
98
WALTER GREINER,
ZU, dem er sich unter Tränen
der Rührung ergibt:
(3400) . . . „tote sa face moilloit
De lermes par humilite"
Ivain trocknet sein Scliwert
und zieht weiter.
Der Löwe begleitet ihn
ständig und sorgt durch Er-
jagen von Wild für Lebens-
unterhalt. So führen beide ein
gemeinsames Leben, der Löwe
erhält von Ivain seine Nahrung
und bewacht Ritter und Rofs
zur Nachtzeit.
So ziehen sie umher und
kommen eines Tages durch
Zufall an die Gewitterquelle,
(3490) „Tant qu'avanture a la
fontainne
Dessoz le pin les amena",
die natürlich in Ivain all den
Jammer über sein Geschick
Wiederaufleben läfst; er zieht
sich, als er vor Schmerz zu-
sammenbricht, durch einen un-
glücklichen Zufall eine "Wunde
mit seinem Schwerte zu.
Der treue Löwe mag nach
diesem vermeintlichen Selbst-
mord seines Herrn nicht weiter-
leben, sein alsbald unternom-
mener Versuch, auch sein
Leben zu enden, wird noch
im letzten Augenblicke durch
Ivains Erwachen aus der Ohn-
macht vereitelt. Ivain bricht
nun in verzweifelte Klagen
aus über sein verpfuschtes
Leben (—3562).
Beim Weiterziehen sieht er,
wie der Löwe nicht von seiner
Seite weicht:
... ,,il vit le lion le suivre
et jouer autour de lui comme
un levrier qu'il aurait eleve
lui-meme" (38, 14).
Owein läfst den Löwen an
der herbeigeschafften Nahrung
teilnehmen, sodals sich zwi-
schen beiden ein förmlicher
Vertrag herausbildet.
OWEIN — IVAIN.
99
Von der nahen Kapelle aus,
die ja schon bei der früheren
Beschreibung der Quelle er-
wähnt wurde (v.393, 4), hat
eine arme Gefangene Ivains
Klagen mit angehört und ruft
ihn nun an:
(3573) „Je sui", fet ele, „une
cheitive,
La plus dolante riens qui vive".
Sie klagen nun beide um
die Wette; jeder nimmt das
gröfsere Leid für sich in An-
spruch. Das Fräulein berichtet
von ihrem traurigen Los:
(3595) . . . „demain serai ceanz
prise
Et livree a mortel juise".
Noch immer setzt Chrestien
das Kunstmittel des Streites
der beiden um das traurigste
Geschick fort und läfst so
die Gefangene ihre ganze Lei-
densgeschichte nach und nach
aufrollen. Der Grund ihrer
Einkerkerung sei, dafs man
sie des Verrates bezichtigt
habe. Die Hoffnung, die ihr
der Ritter bezüglich ihrer
möglichen Befreiung macht,
Die Weiterführung der Er-
zählung des Kymren wird nun
mit einer überaus bezeichnen-
den Stelle eingeleitet:
„Pendant qu'il etait ainsi
occupe, il entendit un grand
gemissement, puis un second,
puis un troisieme, tout pres
de lui" (39, 1).
Auf Oweins Fragen gibt
sich die — eine nähere An-
gabe über den Ort ihrer Ein-
schliefsung fehlt völlig — Ge-
fangene alsbald zu erkennen:
„Je suis Lunet, la suivante
de la dame de la Fontaine"
(39, 5).
100
WALTER GREINER.
weist sie zurück:
Menschen gibt es,
helfen können:
(3625) „Li uns
nur zwei
die ihr
est mes sire
Gauvains,
Li autre est mes sire Ivains",
und gerade um diesen letz-
teren dulde sie eigentlich so
Schweres. Da gibt sich denn
Ivain zu erkennen und ver-
mutet mit Recht in der Ge-
fangenen die hilfreiche Lunete.
Sie erzählt nun ihr Schicksal
seit Ivains Fortzug:
Sein Wortbruch hatte die
Herrin in argen Zorn und
glühenden Hals versetzt.
Der Seneschall, der ihr schon
längst die Vertrauensstellung
bei der Herrin nicht gönnte,
erreichte durch Intriguen leicht
ihre Gefangennahme. Findet
sie innerhalb der gestellten
Frist keinen Verteidiger, so
soll sie den Tod erleiden.
Schuld an allem trage nur
der Ritter, der vom Artushofe
her gekommen sei, ihre Herrin
geheiratet und dann treulos
verlassen habe. Ihrem An-
denken ist er noch heute teuer:
„C'etait pour moi un ami,
celui que j'aimais le plus au
monde" (39, 11).
Als sie den Ritter eines
Tages gegen die Verleumdun-
gen zweier Kammerdiener ver-
teidigt habe, sei sie der Frei-
heit beraubt worden. Wenn
nicht der Ritter, der alles
verschuldet habe, am fest-
gesetzten Tage selbst zu ihrer
Verteidigung erscheine, sei ihr
Leben verwirkt. Ihre Hoffnung
ist gering, da sie niemand hat,
Owein zu suchen. Aber ihr
Vertrauen auf ihn ist uner-
schütterlich:
„Es-tu süre que si ce Cheva-
lier le savait. il viendrait te
OWEIN
IVAIN.
101
All ihr Suchen ist bisher
vergeblich gewesen, auch am
Artushofe habe man ihr nicht
helfen können, da Gauvain
nach der entführten Königin
fahnde.
Unter der Bedingung, dafs
er unerkannt bleibt, sichert
ihr Ivain seinen Beistand zu,
und die Zofe entlälst ihn mit
herzlichen Wünschen für das
Gelingen des Rettungswerkes.
defendre? — „J'en suis süre
par moi et Dieu" (39, 21).
Tvain bricht nun mit dem
Lö\v«Mi auf und gelangt zu
einem befestigten Haus. Die
Owein teilt sein Mahl mit
der Zofe, und sie plaudern
bis zum Morgen. Auf seine
Frage hin weist ihm das
Mädchen den Weg nach einem
Quartier. Die Beschreibung
des Weges, der wieder von
der Quelle ausgeht, sei hier,
der Ähnlichkeit mit den ent-
sprechenden Stellen in Kynons
und Oweins Quellenfahrt we-
gen, angeführt:
... „va lä, ä la traverse,
suis le chemin le long de la
riviere, et, au bout de peu de
temps, tu verras un grand
chäteau surmonte de nom-
breuses tours. Le comte ä
qui appartient le chäteau est
le meilleur homme du monde
pour ce qui est du manger"
(40,1 f.).
Während der Nacht hat der
Löwe treulich Wacht gehalten:
„Jamais guetteur ne veilla
aussi bien son seigneur que
ne fit le Hon pour Owein, cette
nuit-lä" (40, 7).
Der Weisung des Mädchens
folgend, gelangt Owein zum
Schlofs.
102
WALTER GKEINER,
Knappen, die ihm zum Empfang
entgegeneilen, weichen ent-
setzt vor dem Löwen zurück.
Ihr Verlangen, der Ritter
möge doch das Tier draufsen
lassen, schlägt Ivain mit der
Zusicherung völliger Harm-
losigkeit des Löwen ab. Die
Begriifsung seitens derSchlofs-
bewolmer ist überaus herzlich,
und für einige Zeit herrscht
eitel Jubel und Freude.
Doch bald tritt der Aus-
druck schweren Kummers an
die Stelle des Jubels; die
Furcht vor einem unmittelbar
bevorstehenden Schrecknis
bannt schnell alle Fröhlichkeit:
(3826) ... „d'une avanture s'e.s-
maient,
Qu'il atandent a l'andemain".
Der Löwe folgt ihm zahm,
doch erweckt er überall Furcht:
„Le lion alla se coucher ä
l'ecurie du cheval; aussi per-
sonne de la cour n'osa ap-
procher de celui-ci" (40, U).
Owein wird sehr gut auf-
genommen:
„On soigna parfaitement son
cheval, et on mit de la nourri-
j ture an abondance devant lui"
I (40, 12).
I Bei der Beschreibung des
I Mahles fehlen nicht die ty-
I pischen Worte:
„Nulle part, assurement,
Owein n'avait vu un service
aussi bien fait que la (40, 16).
Unsägliche Traurigkeit la-
gert aber auf allen Gesichtern:
„Mais chacun des habitants
etait aussi triste que la mort"
(40, 17).
Am Mahle nimmt derSchlofs-
herr nebst seiner schönen
Tochter teil:
„Jamals Owein n'avait vu
une personne plus accomplie
qu'elle" (40, 20).
Der Löwe legt sich während
des Mahles zu Oweins Füfsen
und bekommt ebenfalls seinen
Anteil.
Das einzig Störende ist die
Leichenbittermiene der Tisch-
genossen:
OWEIN — IVAIN.
m
Ivain erhält auf seine teil-
nehmende Frage nach dem
Grunde der Bestürzung als-
bald den folgenden Bescheid:
Die schwere Bedrängnis
rührt her von einem Riesen,
Harpin de la Montaingne, der
des Schlolsherrn schöne Toch-
ter begehrt und diesem als
Rache für deren Verweigerung
ständig schweren Schaden zu-
fügt. Auch die sechs Söhne
des Schlolsherrn j die in der
Blüte ihrer Jugend stehen —
(3863) ... „ sis fiz Chevaliers
avoie,
Plus biaus el monde ne savoie"
— hat er geraubt; zwei haben
schon den Tod von ihm emp-
fangen, und die übrigen werden
morgen ihr Leben lassen müs-
sen, wenn nicht ein Vertei-
diger sich findet oder wenh
nicht ihre Freiheit mit der
Preisgabe der Tochter erkauft
wird. Keinen Tag sind sie bis-
her vor dem Wüten des Riesen
(jaianz 3856) sicher gewesen.
„Le seul defaut qu'Owein
trouva lä, ce fut la tristesse
des habitants" (40, 24).
Auch hier schweigt man
wieder" bis zur Mitte des
Mahles, wie schon an den
früheren Stellen (8, 18 und
17, 7):
„Au milieu du repas, le
comte souliaita la bienvenue
ä Owein" (40, 25).
Owein fordert zum Froh-
sinn auf:
„II est temps pour toi"
dit Owein, „d'etre joyeux"
(40, 26) und erhält sogleich
einen Bericht über die Ursache
des Schreckens:
Ein Ungeheuer
[. . . „un monstre, qui tue
les hommes et les mange". . .
(41, 2).
„II a figure d'un homme,
mais pour la taille, c'est un
geant" (41, 6).]
aus dem Gebirge habe seine
beiden Söhne auf der Jagd
geraubt und drohe mit deren
Ermordung vor den Augen des
Vaters, wenn nicht ihm die
Tochter ausgeliefert werde.
Owein hat auf alles dies
nur wieder (man vergleiche
die Erwiderung auf die Schil-
derung von der Notlage der
verwitweten Gräfin 35, 23) die
Antwort:
„C'est. as.sur6ment. triste".
(41, 7).
104
WALTER GREINER.
Auf Ivains Vorwürfe, warum
er sich denn nicht an des
Königs Artus Hof gewandt
habe, erwidert der Schlofsherr,
dal's ja niemand wisse, wo der
treffliche Gauvain sei, der den
Entführer der Königin suche.
Ivain, der ja, wie wir wissen,
am gleichen Tage noch eine
grolse Waffen tat vorhat, ver-
spricht Hilfe zu leisten und
hält sein Wort auch der Mutter
(einerSch westerGauvains 3983)
und der Tochter gegenüber.
Zur Charakteristik seines —
schon mehrfach angedeuteten
— ritterlichen Sinnes dienen
die Verse 3978 f., in denen er
den Dank der Unglücklichen
ablehnt. Da kehrt denn wieder
Hoffnung und Freude ins
Schlofs ein; es folgt die Nacht-
ruhe. Bezeichnend für den
höfischen Dichter ist der Ex-
kurs 40001, in dem erörtert
wird, dafs Ivain doch nichts
Unmögliches versprochen hat,
Auf die Frage, wofür er
sich denn nun entscheiden
wolle, entgegnet der Schlofs-
herr, dafs er lieber die Söhne
opfere als die Tochter ge-
schändet sehe:
„Je trouve, en verite, plus
digne de lui laisser detruire
mes fils qu'il a eus malgre
moi, que de lui livrer, de ma
main, ma fiUe pour la souiller
et la tuer'^ (41, 9).
Etwas unvermittelt — da
doch Owein noch gar nicht
sich zur Hilfeleistung ver-
pflichtet hat — kommen mir
die Worte vor:
„Et ils s'entretinrent d'autres
sujets" (41, 12).
Owein bleibt die Nacht im
Schlofs.
OWEIN — IVAIN.
105
wie es zunächst scheinen mag.
Denn wenn der Riese früh am
Morgen kommt, bleibt dem
Helden noch Zeit genug, die
Rettung der Lunete auszu-
führen.
Am anderen Morgen warten
sie lange vergeblich auf das
Erscheinen des Riesen; als die
Zeit der Messe und des Kirchen-
gebetes vorbei ist, teilt Ivain
den Schlofsbewohnern seinen
unerschütterlichen EntschluTs
zum Weiterzug mit; eine ernste
Pflicht rufe ihn weg. Diese
Nachricht weckt natürlich bei
allen neue Bestürzung, wieder
dringen sie in ihn, und Ivain
steht in furchtbarem Seelen-
kampfe unentschlossen da, aus
dem er erst durch das plötz-
liche Erscheinen des Riesen
erlöst wird,
Chrestien gibt — bei M. fin-
det sich nichts dergleichen —
eine nähere Beschreibung des
grälslichen Zuges.
Der Riese führt die Jüng-
linge mit sich, die er grausam
milshandelt:
(4092) . . . „a son col un pel
tenoit
Grant et quarre, agu devant,
Dont il les botoit mout sovant".
Diese selbst sitzen, elend
bekleidet, auf Schandmähren,
und ein tückischer Zwerg fol-
tert sie unaufhörlich:
Am andern Morgen kündet
schreckliches Getöse das Nahen
des Riesen (man vergleiche
wieder den typischen Aus-
druck!):
.,Le lendemain, ils enten-
dirent un bruit incroyable:
c'etait le g^ant qui venait
avec les deux jeunes gens"
(41, 14).
106
WALTER GREINER,
(4106) „N'onques ne les finoit
de batre
D'une corgiee a quatre neuz,
Don mout cuidoit faire que
preuz ;
Si les batoit si qu'il seignoient".
Vor der Burg angekommen,
wiederholt der Riese seine
grausamen Bedingungen, die
den unglücklichen Vater in
hellen Grimm und furchtbare
Klagen ausbrechen lassen.
Ivain bereitet sich zum Kampf
und zieht unter den Segens-
wünschen aller hinaus. Auf
die hohnvollen Schmähreden
des Gegners läfst sich Ivain
gar nicht ein; er schlägt dem
Gegner schlimme Wunden,
bricht aber selbst unter den
schrecklichen Streichen des
Riesen zusammen. Da greift
der Löwe in den Kampf ein,
um seinem Herrn zu helfen!
Owein bricht mit dem treuen
Löwen zum Streite auf.
Der Löwe beteiligt sich von
Anfang an am Ringen, und
zwar, wie es heifst:
„Le lion se battait avec lui
avec plus de succes qu'Owein"
(41, 21).
Auf das voller Hohn ge-
äulserte Verlangen des Riesen
sperrt Owein den Löwen ins
Schlols ein und begibt sich
alsbald zur Fortsetzung des
Kampfes, die vom treuen Tiere,
das den Verlauf beobachten
kann, mit wütendem Gebrüll
begleitet wird. Als der Löwe
seinen Herrn in furchtbarer
Bedrängnis sieht, überspringt
er die trennenden Mauern und
eilt ihm zu Hilfe.
OWEIN — IVAIN.
107
Schwere Wunden bringt er
dem Riesen bei, und ein mit
übermenschlicher Kraft ge-
führter Hieb Ivains lälst ihn
endlich tot zusammenbrechen.
Durch das Getöse seines Falles
erschreckt, eilen die Burg-
bewohner herbei, und eitel
Freude herrscht über den
glücklichen Ausgang. Ivain
fordert, die Geretteten sollen
sich mit dem tückischen Zwerg
als Beute Gauvain vorstellen:
(4280) „Car per neant fet la
bonte,
Qui ne viaut qu'ele soit seüe",
und auf die Frage nach seinem
Namen nennt er sich den
„Löwenritter":
(4291) . . . „li Chevaliers au Liou
Vos dis, que je avoie non".
Nun gibt es für Ivain keinen
Aufenthalt mehr; trotz aller
Bitten eilt er fort, die Zofe
zu retten. Das Anerbieten des
Schlolsherrn, die Söhne als
Waffengenossen mit sich zu
nehmen, lehnt er ab, allein
mit seinem Löwen macht er
sich auf den Weg.
Er kommt gerade im Augen-
blicke höchster Not an. Der
Richtprozefs ist bereits im
Gange; man hat die Gefan-
gene schon aus der Kapelle
herausgeführt, entkleidet und
gefesselt, um sie den Flammen
zu übergeben.
Das Vertrauen auf seine gute
Den mächtigen Streichen des
Löwen erliegt der Gegner bald;
er sinkt tot zu Boden.
Nun gibt 0 wein dem Schlols-
herrn seine Söhne wieder.
Owein weist alle Bitten,
I doch noch zu bleiben, zurück
I und eilt zur Befreiung der
Lunete.
Bei seiner Ankunft an der
Richtstätte ist der Scheiter-
haufen bereits entzündet, eben
schleppt man das Opfer herbei:
. . . „deux beaux valets bruns,
aux cheveux frises, amenaient
la pucelle pour l'y jeter"
(42, 7).
lOS
WALTER GREINEB,
Sache gibt ihm Mut, er stürzt
eilends vorwärts und erhebt
mit lauter Stimme Einspruch
gegen die Ungerechtigkeit. Er
sieht Lunete, die bereits ganz
in ihr trauriges Los ergeben
ist, und fragt sie nach den
Anklägern, Diese sind Keu
und seine beiden Brüder, auf
deren höhnische Reden hin
Ivain die Verteidigung der
Zofe alsbald übernimmt. Der
von Keu gestellten Bedingung,
der Löwe dürfe nicht am
Kampfe teilnehmen, unterwirft
sich Ivain sogleich.
In sinnloser Wut stürmen
die drei Gegner auf Ivain los,
in blindem Eifer zersplittern
sie ihre Lanzen. Dem beson-
neneren Ivain gelingt es, den
Seneschall durch einen mäch-
tigen Stols mit der Lanze zu
Boden zu werfen, wo er re-
gungslos liegen bleibt. Noch
immer hat sich Ivain der
wütenden Streiche der beiden
anderen Gegner zu erwehren,
und als dann noch derSeneschall,
der sich von seiner Betäubung
erholt hat, wieder in den
Auf die Frage Ivains berufen
sie sich auf den bestehenden
Vertrag; die Frist sei abge-
laufen und der Retter Owein
nicht erschienen. Oweins An-
trag, für den Fehlenden ein-
treten zu dürfen, wird an-
genommen.
So beginnt denn der Kampf;
Owein hat schweren Stand
gegen die beiden Gegner, so
dafs der Löwe wieder ein-
greift. Auf ihr Verlangen
sperrt er das Tier in die
Kapelle ein, deren Ausgang
er mit Steinen verrammelt.
IVAIN — OWEIN.
109
Kampf eingreift, scheint der
Retter zum grolsen Schmerz
der Umstehenden verloren.
Da verläfst der Löwe sein
Gefängnis und stürzt sich zu-
nächst auf Keu, der bald mit
tödlichen Wunden am Boden
liegt. Der treue Löwe, dem die
beiden Überlebenden schwere
Wunden zufügen, wird wieder
von Ivain unterstützt, und die
Gegner eigeben sich.
[Auf einen Parallelismus
möchte ich aber an dieser
Stelle doch noch aufmerksam
machen. Es handelt sich um die
Beschreibung der Wunden, die
der Löwe schlägt. Die ent-
sprechende Stelle bei M. ist
dem unmittelbar vorhergehen-
den Kampfe mit dem Riesen
entnommen :
(Der Löwe)
(4526) „Fet del hauberc volar
les mailies,
Et contre val si fort le sache,
Que de l'espaule li esrache
Le tandron atot le coste.
Quanqu'il ataint l'an a oste
Si que les antrailles li perent".]
Nicht nur der wackre Strei-
ter selbst, auch der Löwe hat
schwere Wunden erlitten, aber
Lunete ist frei:
(4576) „Ore est Lunete bau-
de et liee,
Quant a sa dame est acordee.
Owein gerät trotz tapfer-
sten Wehrens durch die Über-
macht der Gegner in arge
Bedrängnis, sodafs der den
Kampf wiederum beobachtende
Löwe seinen Kerker abermals
sprengt, um Hilfe zu leisten.
In kurzer Zeit liegen die
Gegner von des Löwen
Streichen niedergestreckt, am
Boden.
(Le lion) „donna, sur l'epaule
du grand homme, un tel coup
de griffe, qu'il le dechira jusqu'ä
la jointure des deux hanches,
et qu'on voyait les entrailles
lui sortir du corps" (41, 30 f.).
M. leitet hier den Abschluls
des Abenteuers ein:
110
WALTER GREINER,
Si ont tel joie demenee.
Que nule janz si grant ne
firent".
Die beiden Gegner Ivains
werden zum Feuertode ver-
urteilt, „und das mit Recht!"
sagt Chrestien:
(4572) „Car ce est reisons de
justise,
Que eil, qui autrui juge a tort,
Doit de cele meisme mort
Morir que il li a jugiee".
C'est ainsi qu'ils sauv^rent
Lunet du feu" (43, 2).
Bei M. schliefst hier die
eigentliche Handlung, und die
\ folgenden Zeilen sind ganz —
ihrer Form und ihrem Inhalt
nach — auf den Ton gestimmt,
in den die meisten unserer
Volksmärchen ausklingen:
„Owein et Lunet allerent
ensemble aux domaines de la
Dame de la Fontaine; et quand
Owein en sortit, il emmena
la dame avec lui ä la cour
d' Arthur, et eile resta sa
femme tant qu'elle vecut"(43,3).
Auf das Schicksal der —
nun doch verwaisten — Quelle
wird mit keinem Worte Bezug
genommen. Dieser Umstand
wird für die Beweisführung
mit heranzuziehen sein.
Mit diesem Abenteuer, nach
dem also Owein die Versöh-
nung mit seiner Dame erlangt,
schliefst die eigentliche Hand-
lung der kymrischen Erzäh-
lung. Die noch folgende —
dem Chrestienschen „Pesme
IVAIN — OWEIN.
111
Avanture" entsprechende —
Schilderung von Abenteuern
ist durch die oben angeführten
Schlufsworte deutlich als Epi-
sode gekennzeichnet. Von ihr
und über Vor- und Nachteile
einer jeden der beiden Fassun-
gen wird an späterer Stelle
zu handeln sein.
Eitel Jubel und Freude
herrscht nun über das Gelin-
gen des Rettungswerkes, wieder
wird der gefeierte Held zum
Verweilen eingeladen. Alles
lehnt er ab; er kennt nur das
eine Ziel: Die Versöhnung
mit Laudine.
Um nun die weitere Aus-
spinnung der Handlung zu
rechtfertigen, greift Chrestien
zu einem Kunstmittel. Laudine
selbst, die den Retter der
Zofe, der sich „der Löwen-
ritter" nennt, nicht erkennt,
bittet ihn, zu bleiben. Seine
Strafe sei doch nun verbüfst,
meint sie. Aber alles ist ver-
gebens, und so lälst sie denn
Ivain weiterziehen, der ihr im
Augenblick des Scheidens noch
eine ziemlich deutliche An-
spielung auf beider Verhältnis
zuruft:
(4632) „Dame, vos an portez
la clef,
Et la serre et l'escrin avez,
Ou ma joie est, se nel savez".
In gi'ofser Besorgnis scheidet
Ivain vom Hofe; Lunete. die
112
WALTER GREINER,
ihn ja allein kennt, muXs
Schweigen geloben. Grolse
Sorge bereiten Ivain die Wun-
den des Löwen, die das wackere
Tier so geschwächt haben, dals
er es — weich gebettet auf
seinem Schild — tragen muXs.
Das nun folgende Abenteuer,
das die Entscheidung des Erb-
streits der beiden Schwestern
(der Töchter des Herrn de la
Noire Espine) zum Gegenstand
und den schon oben der kym-
rischen Fassung gegenüber-
gestellten — Zweikampf Ivains
mit Gauvain zum dramatischen
Höhepunkt hat, ist nun aus-
schlielsliches Eigentum des
Romans. Ihm entspricht im
Mabinogi rein nichts. Die
Handlung sei in den folgenden
Zeilen in grolsen Zügen um-
rissen. Bemerkt sei noch, dals
in den Rahmen dieses Aben-
teuers Chrestien die schon
oben erwähnte — vom Kymren
als völlig losgelöste Episode
behandelte — Geschichte vom
„Chastel de Pesme Avanture"
eingefügt hat.
Voraus geht Ivains Unter-
kunft in dem Schlosse eines
gastfreien Ritters, wo seinen
und des Löwen Wunden die
sorgsamste Pflege zuteil wird.
Dann (4703 f.) beginnt die
Schilderung des eigentlichen
Abenteuers, die sich über 400
Verse erstreckt.
OWEIN
IVAIN.
118
Nach dem Tode des „Herrn
vom Schwarzen Dorn" ist ein
wilder Streit um Nachfolge
und Erbe zwischen den beiden
Töchtern entbrannt. Die ältere
sucht am Königshofe Schutz
und Beistand und findet Gau-
vain, der inzwischen zurück-
gekehrt ist, als Streiter für
ihre Sache, die andere macht
sich auf die Suche nach dem
„Löwenritter", dessen Ruhm
die ganze Welt erfülle und
den zu finden ihr nach vielen
Mühen endlich auch mit Hilfe
der Lunete gelingt.
Auf dem Wege — Ivain ist
alsbald zur Hilfeleistung be-
reit — gelangen sie an das
grausige Schlofs, das „Chas-
tel de Pesme Avanture".
Ein sonderbarer Empfang
wird ihnen hier zuteil: alle
Leute, denen sie begegnen,
warnen ängstlich vor dem Be-
treten des Schlosses, besonders
eindringlich sind die Mahn-
worte einer alten Dame, die
ihm von der schlimmen „co-
stume" berichtet. Doch alle
Warnungen sind vergeblich;
Ivain und der Löwe folgen
dem Pförtner ins Schlofs.
Ivain gelangt in einen wei-
ten Saal,^ die Arbeitsstätte
der Seidenweberinnen, die —
nahezu dreihundert an der
Zahl (5194) — mit kostbarer
Arbeit beschäftigt sind.
Zeitschrift f. celt. PLüologie XII, 1.
M. leitet seinen Bericht mit
einer kurzen Zusammenfassung
des Ganzen ein:
„Alors il (Owein) prit le
chemin de la cour de Du
Traws (le Noir Oppresseur),
et se battit avec lui. Le lion
ne quitta pas Owein avant
qu'il ne l'eüt vaincu" (43, 8).
Im Saale des Schlosses sieht
Owein 24 Frauen von be-
rückender Schönheit:
„vingt-quatre femmes, les
plus accomplies qu'il eüt jamais
vues" (43, 12).
114
WALTER GREINER.
In ihrem Äufseren bieten
sie den Anblick ärgster Dürf-
tigkeit:
(5199) . . . „desliees et des-
Qaintes
An i ot de povrete maintes,
Et as memeles et as cotes
Estoient lor cotes derotes
Et les chemises as cos sales".
Hunger und Not stehen auf
ihren Gesichtern geschrieben,
und der Anblick Ivains lälst
sie alsbald in Tränen und
Klagen ausbrechen.
Der Pförtner schilt und
bedroht Ivain' heftig; da er
ablehnt, auf des Ritters Frage
hin nähere Auskunft über das
Schicksal der Mädchen zu
geben, sucht Ivain selbst sich
Klarheit zu verschaffen. Er
wendet sich an die Arbeite-
rinnen selbst und erhält fol-
genden Bescheid:
(5256 f.) Vor langen Jahren
sei einmal der König der Jung-
fraueninsel auf einer For- i
schungsreise auch zu diesem i
Schlofs gekommen. Den Kampf i
mit den das Schlofs bewoh- i
nenden Teufelssöhnen —
(5271) . . . „deus fiz de deable,
Si nel tenez vos mie a fable!"
fürchtend, erklärt sich der
tölpelhafte König zu jedem
Tribut bereit. Man einigt sich
nun auf dreilsig Jungfrauen
während jedes Jahres der
Lebensdauer der beiden Un-
Aber ihr Aussehen ist über-
aus ärmlich und spricht von
bitterer Not:
„Elles n'avaient pas, sur
elles toutes, pour vingt-quatre
sous d'argent, et elles etaient
aussi tristes que la mort"
(43, 13).
Auf seine Frage nach dem
Grund ihres Schmerzes be-
richten sie ihm:
Sie sind mit ihren Männern
einst hierhergekommen und
freundlich aufgenommen wor-
den. Dann, während man sie
in einen Zustand der Bewufst-
losigkeit versetzt habe, seien
ihre Gatten getötet, sie selbst
aber all ihrer Habseligkeiten
beraubt worden. Die Leichen
der Gemordeten aber finden
sich mit vielen anderen Op-
fern zusammen noch im Schlofs,
OWEIN — IVAIN.
its
getüme. Am selben Tage, an
dem diese den Tod erleiden,
ist auch die Stunde ihrer (der
Mädchen) Befreiung gekom-
men. Aber ihre Hoffnung ist
fast geschwunden. Die beiden
Ungetüme knechten sie schwer,
kläglich ist der Lohn ihrer
Arbeit. Und stets packt sie
neuer Schmerz, wenn ein neues
Opfer das Schleis betritt, denn
noch keinem der zahlreichen j
Ritter ist es geglückt, den
Kampf mit den Ungetümen
lebend oder gar als Sieger zu
überstehen.
Alles das hat sich auf einem
Hof (prael 5191, 5228) ab-
gespielt; die Burg selbst —
ein vielleicht nicht zu unter-
schätzender Zug — ist voll-
ständig menschenleer:
(5347) „Lors va tant, qu'il vint
an la sale,
N'i trueve jant buene ne male".
Hierauf gelangt Ivain in
einen Garten, sein „Gefolge" —
(5360) „Mes sire Ivains el
vergier antre
Et apres lui tote sa rote",
womit doch eigentlich nur das
Fräulein und der Löwe ge-
meint sein können — mit ihm.
Hier bietet sich seinen Augen
ein liebliches Bild, ein Idyll
nach all dem Traurigen. Ein
liebreizendes Mädchen sitzt
im Garten und liest den Eltern
vor. Beim Nahen Ivains sprin-
und auch Owein, so fürchten
sie, wird deren Zahl nur ver-
mehren.
Owein trifft mit dem Noii'
Oppresseur zusammen, der ihn
freundlich begrüfst:
„II Vit venir ä lui un Che-
valier qui l'accueillit avec
autant de courtoisie et d'af-
fection qu'un frere: c'etait le
•Noir Oppresseur" (44, 7).
116
WALTER GREINER.
gen alle auf und begrüfsen
ihn auf das herzlichste, bieten
ihm auch, als der Abend naht,
ein gutes Quartier.
Am andern Morgen — nach
der Messe (5457) — will Ivain
weiterziehen, was ihm aber
vom Herrn des Schlosses ver-
wehrt wird. Erst muls er
sich der strengen Satzung des
Schlosses unterwerfen. Er muf s
gegen die beiden Ungetüme
kämpfen, denen sich jeder
Besucher des unheimlichen
Schlosses entgegenzustellen
hat. Der Preis des Siegers
ist die schöne Tochter des
Schlolsherrn. Ivains Weige-
rung, um diesen Lohn zu
kämpfen, versetzt den Ritter
in argen Grimm, er vergiXst
sich so weit, dem Löwenritter
Feigheit vorzuwerfen. Um diese
Beleidigung von sich abzu-
wehren, greift Ivain zu den
Waffen und bereitet sich zum
Kampf gegen die herankom-
menden Ungetüme — „Li fil
au netun" werden sie 5513
genannt (über ihre Ableitung
sehe man Settegasts Ivain-
studie). Ihr Anblick ist so
schaudervoll, dals selbst der
Löwe sich mit Grausen wen-
det (5525—5535); er gerät
in furchtbare Erregung und
Kampfeswut. Auf Verlangen
der Gegner muls Ivain ihn
einsperren.
OWEiy
IVATN.
117
Dem überaus heftigen und
wilden Anstunn der Böse-
wichter vermag Ivain nicht
zu widerstehen; furchtbar sind
die Hiebe, die sie mit ihren-
Keulen austeilen.
Der Löwe, der von seinem
Gelals aus die Bedrängnis
seines Herrn sieht, bricht aus
und eilt ihm zu Hilfe. Der
eine der Gegner wird getötet,
der andere bittet um Gnade.
Nach diesem glücklichen
Ausgange eilen alle Schlofs-
bewohner herbei, ihre Freude
kundzugeben. Die Hand des
schönen Fräuleins muXs Ivain
leider zurückweisen, er erbittet
sich dafür die Befreiung der
armen Mädchen, die ihm auch
gern bewilligt wird. Auf eine
nochmalige Weigerung Ivains
hin, die Hand der Tochter
zu nehmen, gerät der Schlols-
herr, der sich schwer belei-
digt glaubt, in heftigen Zorn
und wird nur mit Mühe durch
das Versprechen Ivains be-
sänftigt, er werde nächstens
wiederkommen und um die
Hand des Fräuleins anhalten.
Unter dieser Bedingung
darf Ivain endlich weiter-
ziehen, mit ihm gehen die
befreiten Arbeiterinnen , die
ihren Retter aus Dankbarkeit
ein Stück geleiten.
Der Begegnung folgt un-
mittelbar Herausforderung und
Kampf.
Owein bleibt Sieger, und der
Ritter ergibt sich und bittet
um Schonung seines Lebens.
Bemerkenswert ist der erste
Satz seiner Rede, auf den
später wieder zu verweisen
sein wird:
„Seigneur Owein, il 6tait
predit que tu viendrais ici
pour me soumettre. Tu es
venu et tu l'as fait" (44, 17).
Um das Leben zu retten,
verspricht er, sein schändliches
Treiben aufzugeben:
„J'ai ete en ces lieux un
spoliateur, et ma maison a ete
une maison de depouilles; donne-
moi la vie, et je deviendrai
I hospitalier, et ma maison sera
un hospice pour faible et fort,
■ tant que je vivrai, pour le
: salut de ton äme" (44, 19).
I Am anderen Morgen bricht
! Owein mit den armen Ge-
' fangenen auf:
; . • . „il emmena avec lui les
'. vingt-quatre f emmes avec leui*s
chevaux, leurs habits, tout ce
qu'elles avaient apporte de
■ biens et de joyaux" (44, 24 f.)
118
WALTER aKEINER.
Unterwegs trennen sie sich;
die Frauen suchen ihre Heimat
auf, und Ivain zieht weiter,
den Erbstreit der Schwestern
zu schlichten.
Im Folgenden sei nun der
Abschlufs der Handlung beim
französischen Roman kurz
skizziert. Ivain kommt mit
dem Fräulein und der hilfe-
suchenden Tochter des „Herrn
Er bringt sie zum Artus-
hofe, wo sie gastlich auf-
genommen werden und von
wo aus sie zum Teil ihrer
Heimat zustreben. Grofse
Freude herrscht über Oweins
Wiedererscheinen :
„Si Arthur s'etait raontre
joyeux vis-ä-vis de lui au-
paravant, apres sa premiere
disparition, il le fut encore
plus cette fois" (45, 3).
Auf die Schlufs Worte des
kyinrischen Berichtes, die Spu-
ren eines weiteren Abenteuers
enthalten,
— „Owein resta, ä partir de
lä, k la cour d' Arthur, comme
Penteulu, tres aime d' Arthur,
jusqu'ä ce qu'il retourna vers
ses vassaux, c'est-ä-dire les
trois Cents epees de la tribu
de Kynvarch et la troupe des
corbeaux. Partout oü il allait
avec eux. il etait vainqueur"
(45, 8) -
wird an späterer Stelle zurück-
zukommen sein.
Damit schliefst der Text
des Kjinren:
„ Cette histoire s'appelle
l'histoire de la Dame de la
Fontaine" (45, 14).
IVAIN — OWEIN.
119
vom Schwarzen Dorn" endlich
am Königshofe an; den Löwen
hat Ivain im letzten Quartier
zurückgelassen, da er an dem
ritterlichen Kampfe nicht teil-
nehmen darf.
So stehen denn gar bald
die beiden Freunde, die einan-
der nicht erkennen, sich als
grimme Feinde auf dem weiten
Kampfplan gegenüber: „so
wohnen Liebe und Hafs dicht
nebeneinander", sagt Chrestien
in einer längeren Betrachtung.
Der Verlauf des Kampfes |
— er endet unentschieden —
wurde ja schon an früherer
Stelle dem entsprechenden
Berichte des Kymren gegen-
übergestellt. Durch Ausgleichs-
versuche des Hofes, die aber
alle an dem Starrsinn der
erbgierigen Schwestern schei-
tern, zeitweilig unterbrochen,
setzt sich der Kampf lange
Zeit immer wieder unent-
schieden bleibend fort, und
erst die Erkennungsszene
macht ihm ein Ende. Der
Erbstreit der Schwester wird
schlielslich durch eine „forma-
listische Überrumpelung" der
älteren seitens des Königs
geschlichtet. Nach Beendigung
des Kampfes findet sich auch
der Löwe wieder bei seinem
Heri-n ein.
Nun strebt die Handlung
mit Macht dem Ende zu. Ivain
120 WALTER GBEINER,
fafst den Entschluls — was
er eigentlich nach Lage der
Verhältnisse schon längst hätte
tun können und sollen — die
Dame von der Quelle, die un-
versöhnliche Laudine, zur
Nachgiebigkeit zu zwingen.
Sein Plan ist der: er will zur
Gewitterquelle ziehen und von
dort aus durch unaufhörliche
Angriffe den Starrsinn der
Herrin beugen.
Wieder ist es Lunete, die
schlaue Zofe, die endlich die
Versöhnung in die Wege leitet.
Wieder spielt ihre List, die
ja von jeher ihr hervortre-
tender Charakterzug im Ver-
laufe der Handlung war, eine
grolse Rolle. Die letzten Verse
des Romans bringen uns noch
gleichsam ein „Moment der
letzten Spannung" : noch ganz
kurz vor dem Gelingen des
Versöhnungswerkes scheint
alles wiederum an der Hart-
näckigkeit der Herrin zu
scheitern, bis sie endlich, um
das der Zofe gegebene Ver-
sprechen nicht zu brechen —
die ganze Handlung zeigt in
ihrer Anlage viel Ähnlichkeit
mit den Szenen, die die Wer-
bung Ivains um Laudine schil-
dern — ihren und Ivains Bitten
sich geneigt zeigt und Ivain
wieder unter aller Jubel und
Freude in sein Heim einzieht.
OWEIN — IVAIN. 121
Zweiter Abschnitt.
Untersuchungen über den Stilcharakter beider Werke.
Es wird sich auf den nun folgenden Seiten zunächst
lediglich um eine Feststellung von Tatsachen handeln, — um
eine (sit venia verbo!) „Aufnahme des Tatbestandes" unter
Zugrundelegung der vorhergehenden Gegenüberstellung.
Um einmal in dem bereits gewählten Bilde zu bleiben:
Vielgestaltig und gar heftig sind — wie schon in der Ein-
leitung hervorgehoben wurde — die Vorwürfe, die man dem
Kymren machte und die man noch heute von der gleichen
Seite her — teilweise etwas verändert, teilweise aber noch
in der ursprünglichen Form — aufrechterhält. Mehr oder
minder scharf in ihrer jeweiligen Fassung, haben sie doch
alle einen gemeinsamen Kernpunkt: die Behauptung, der
Kymre habe den französischen Roman einfach übertragen.
Wie man sich dann bei der Verfechtung dieser Ansicht mit
den nicht wegzuleugnenden echt keltischen Bestandteilen
abzufinden weifs, die, wie zu erörtern sein wird, an das
innerste Gefüge des Stoffes heranreichen, dafür soll an
späterer Stelle ein bezeichnendes Beispiel gebracht werden.
Knüpfen wir an an ein Wort Ph. Aug. Beckers aus der
schon mehrfach erwähnten „Besprechung" (lucus a non
lucendo!) des Zenkerschen Werkes im Literaturblatt 1913,
Heft 1. Dort ist von einem „grofsartigen Parallelismus" der
französischen und der cymrischen Fassung die Rede, der sich
bis zu dem Punkte der Handlung erstrecken soll, an dem der
Löwe in den Gang der Geschehnisse eingreift.
Wird diese Behauptung durch die wirkliche Sachlage
gerechtfertigt? — Dieser Frage sei zuerst nähergetreten.
Ich möchte nun in meiner Stellungnahme zu Beckers
Ansicht fast noch weiter gehen als Zenker und nicht lediglich
die „Grolsartigkeit" dieses Parallelismus, soweit man von
einem solchen im strengen Sinne eigentlich reden kann, in
Frage stellen. Dafs er — selbst wenn er in vollstem Mafse
vorhanden wäre — an sich nicht beweiskräftig ist, dafs die
Inhaltsgleichheit oder gar nur Ähnlichkeit zweier Werke aus
sich selbst heraus keinesfalls den Schlufs rechtfertigt, das
122 WALTER GREINER,
eine sei vom anderen abhängig, ist ja schon des öfteren dar-
getan worden.
Der Beckerschen Behauptung nun im besonderen, dieser
Parallelismus ziehe sich durch die Handlung beider "Werke
bis zum Eingreifen des Löwen, sei hier auf Grund der eben
durchgeführten Gegenüberstellung beider Fassungen, die in
dieser erweiterten Form erst in letzter Stunde der Arbeit
eingefügt wurde, entschieden entgegengetreten. Gleich die
ersten Blätter unserer Texte zeigen in vielen Punkten —
nicht lediglich des von den Gegnern so oft angeführten
„äulsereu Beiwerks", sondern auch des innersten psycho-
logischen Gefüges — eine teils geringere, teils erhebliche
Abweichung.
Hätte sich wohl der Kymre, der den Roman des Franzosen
überträgt und zur Unterhaltung seiner Landsleute zurecht-
stutzt, die farbenprächtigen, lebensvollen Schilderungen z.B.
des glänzenden Hoftages entgehen lassen? Dafs er Sinn für
dergleichen hat, zeigt doch deutlich genug seine im Gegen-
satz zu Chrestien weiter ausgesponnene Beschreibung des
prunkvollen Leichenbegängnisses, von der noch im Verlauf
dieses Abschnittes Proben gegeben werden sollen. Wohl
finden wir auch im Mabinogi Berichte von schimmernder
Pracht und von Luxus, von Gold, Silber und köstlichem
Geschmeide, — aber, wie zu zeigen sein wird, gerade nicht
am Königshofe, sondern an anderen Stätten, die dadurch einen
gar eignen Glanz gewinnen.
Wie schon Brown in seiner mehrfach angeführten Ab-
handlung (On the independent character of the Welsh Owein)
ausdrücklich hervorhebt, ist aus diesem Abschnitt allein,
der ja lediglich die Ergebnisse der Gegenüberstellung vereinen
soll, eine endgültige Lösung der gesamten Frage logischer-
weise nicht zu erwarten: „Within the limitations of this
method a thorough settlement of the question is perhaps
impossible."
Damit dürfte auch die von Becker aus dem Parallelismus
gezogene Schlufsfolgerung gerichtet sein.
Nichtsdestoweniger ergeben sich doch schon hier .eine
Reihe wesentlicher Punkte, die als eine wichtige Stütze des
Folgenden nun zunächst behandelt werden sollen.
OWETN — TVAIN. 123
Es sei hierbei mit der am meisten auffallenden Er-
scheinung begonnen.
Das Mabinogi bleibt an Umfang ganz erheblich hinter
dem Romane Chrestiens zurück. Das ist eine bekannte Tat-
sache, die auch in der Mehrzahl der einschlägigen Schriften
Erwähnung findet.
Geht man nun den Ursachen dieses auffallenden Unter-
schiedes im Umfange nach, so ergeben sich deren haupt-
sächlich zwei:
1. Die kymrische Fassung lälst ganze Stücke, ja stellen-
weise ganze Abenteuer vermissen, die bei dem Franzosen
mehr oder minder weit ausgeführt sind.
2. Das Tempo der Erzählung, des Fortschreitens der
Handlung, ist in der wälschen Erzählung ein völlig anderes —
ein im Ganzen wesentlich strafferes, zielbewufsteres.
In den Einzelheiten werden beide Punkte noch an späterer
Stelle genauer zu behandeln sein.
Und eine weitere Beobachtung ergibt sich hier: Wie schon
Othmer seinerzeit für das Verhältnis des kymrischen Gereint
zum französischen Erec fand, ist das Mafs der Kürzung nicht
in allen Teilen — durch den gesamten Verlauf der beiden
Werken gemeinsamen Handlung hindurch — das gleiche.
Wie in grolsen Zügen bereits der vorangehenden Gegenüber-
stellung Owein-Ivain zu entnehmen ist, laufen im Anfang —
in der Exposition der Handlung — beide Fassungen in engerer
Berührung nebeneinander her als in den späteren Teilen, doch
geht — es sei dies hier noch einmal hervorgehoben — die
Beckersche Annahme eines „grolsartigen Parallelismus" selbst
inbezug auf diesen ~ einleitenden — Teil der Erzählung
noch zu weit.
Edens hat in seiner Schrift (Seite 50 f.) ein ganz über-
sichtliches Schema aufgestellt, das zeigen soll, wie sich die
einzelnen Teile des Chrestienschen Erec inbezug lediglich auf
den Umfang zu den ihnen inhaltlich entsprechenden Stücken
des Mabinogi verhelten.
Zu diesem Zwecke hat er eine rein äulserliche Zer-
gliederung des französischen Textes in Abschnitte von je
500 Versen vorgenommen. Auf Grund einer Umfangsver-
gleichung dieser Abschnitte mit den entsprechenden Stücken
124 WALTER GREINER,
des kymrischen Textes gelaugt Edens zu dem Ergebnis, dals
wohl gegen das Ende hin bei beiden Werken sich weiter-
gehende Abweichungen feststellen lassen, dafs aber von einer
stetigen Divergenz, von einer planmäfsig oder gleichartig zu-
nehmenden Kürzung des Romans seitens des Kymren keine
Rede sein könne.
Es dürfte an dieser Stelle genügen, lediglich darauf hinzu-
weisen, dals die Behauptung der steten Divergenz beider
Werke von Othmer stammt, — sie findet sich allerdings auch
mehrfach bei Förster. Othmer war schnell bei der Hand, sie
auf Rechnung einer ständig zunehmenden Unlust des wälschen
Kompilators am Stoff oder einer sich dauernd steigernden
Nachlässigkeit zu setzen, was natürlich nicht ohne Weiteres
gerechtfertigt erscheint.
Ich habe nun die gleiche Zusammenstellung für das Ver-
hältnis Owein-Ivain vorgenommen und dabei — der Einfach-
heit halber und weil der Umfang der einzelnen Teilstücke gar
nicht von Bedeutung für das Ergebnis ist — die von Edens
eingeführten Abschnitte von je 500 Versen beibehalten. Bei
einer Umfangsvergleichung der so gewonnenen Teile mit den
ihnen inhaltlich entsprechenden des Mabinogi ergibt sich die
nachstehende Reihenfolge, zu der bemerkt sei, dals — wie
auch bei Edens — die am wenigsten gekürzten Stücke am
Anfang stehen.
I, II, VII, III (enthält bei M. den Zweikampf zwischen
Owein und Gwalchmei) IV, VIII, V, VI, IX, XI, XII, X.
Abschnitt XIII und XIV (also bei Chrestien Vers 6001-6818)
haben im Mabinogi nicht Entsprechendes.
Es liegt also im Wesentlichen das Verhältnis ganz ähnlich
wie bei Erec- Geraint, und die von Edens begründete Auf-
fassung, dals von einer planmäfsig sich steigernden Kürzung
des Chrestienschen Werkes durch den Kymren nicht die Rede
sein könne, ist auch für den Ivain giltig.
Die von Edens gezogene Schlufsfolgerung, dafs die beim
Franzosen sich allein findenden Stücke auch dem Bestreben
des höfischen Dichters, die einmal üblich gewordene Länge
des Abenteuerromans zu erreichen, ihren Ui-sprung verdanken
können, möchte ich an dieser Stelle — es wird später auf
diesen Punkt zurückzukommen sein — durch einige Worte
IVAIN — OWEIN. 125
Wendelin Försters unterstreichen. Sie finden sich auf Seite XVII
der Cliges- Einleitung und lauten:
„Allein um dem Roman die richtige Länge zu geben,
greift der Dichter zu einem bereits früher (im Erec!) be-
handelten Thema, dem Verliegen des Ritters, das er diesmal
(mit E. verglichen) auf den Kopf stellt . . ."
Auch Windisch hat sich in seiner den neuesten Stand des
keltistischen Teiles der Frage darstellenden Abhandlung über
„Das keltische Britannien" (Abh. d. kgl. sächs. Ges. d. Wiss.;
phil. bist. Kl. 1912) zu der Frage der „Divergenz" geäuTsert.
Auch er wendet sich gegen Othmers voreilige Schlulsfolgerung
und schliefst sich dem oben ausgeführten Gedankengange mit
den Worten an:
„Wenn zwei Versionen derselben Geschichte zu Anfang
genauer übereinstimmen als gegen Ende, so kann das auf
gedächtnismäfsige Überlieferung hindeuten. Gegen Ende wird
das Gedächtnis schwächer. Daher stellen sich am Ende die
Variationen am ehesten und am stärksten ein. Auch die Zu-
fügung von neuen Stücken geschieht am einfachsten am Ende."
Zum Schlufs dieses ersten Punktes sei nun noch einmal
der Gedanke herangezogen, der diese Ausführungen einleitete.
Es war von den zahlreichen Abweichungen beider Fassungen
die Rede, die hier lediglich festgestellt, später aber näher
herangezogen werden. Der Wert des Trennenden in beiden
Bearbeitungen ist für die Untersuchung ihres Verhältnisses
überaus wichtig; sie bedient sich der aus der Erörterung der
Eigenheiten des Kymren gewonnenen Erkenntnisse als der
Grundlage. So nähert sich der letzte Teil der Arbeit der von
Becker aufgestellten Forderung: festzustellen,
„welche von den beiden Fassungen, der kymrischen oder
der Chrestienschen, im einzelnen Falle logischer, natürlicher,
widerspruchsfreier, verständlicher, sinngemälser und mithin
ursprünglicher ist."
Gleich im folgenden Satze sagt Becker: „Das ist die un-
sichere (?) Basis, auf der operiert werden muls, weil es keine
andere gibt."
Dafs man aber schon früher das Wesensungleiche in
beiden Werken erkannte, möge durch zwei Belege erhärtet
werden, zuerst des zeitlich älteren Holland Äulserung:
126 WALTER GREIN ER,
„Durchgehende Übereinstimmung- mit dem französischen
Gedicht bietet übrigens das Mabinogi nicht dar."
Bei weitem entschiedener spricht sich William H. Carruth
in einem Artikel aus, der 1889 in den Modern Language
Notes erschien und der Veröffentlichung der Försterschen
Ivain- Ausgabe auf dem Fufse folgte. Dort heilst es:
„Any one who reads the two works without prejudice
will certainly question the correctness of the assertation that
they bear a close resemblance one to the other."
Der zweite der allgemeinen — sich über das gesamte
Gefüge der Handlung erstreckenden — Beobachtungen wird
sich wesentlich auf dem stilistischen Gebiete bewegen.
Es wurde schon mehrfach im Verlaufe der Gegenüber-
stellung auf besondere stilistische Eigentümlichkeiten des
kymrischen Textes hingewiesen, die nun hier näher betrachtet
werden sollen.
Zunächst eine kurze Bemerkung über die wörtlichen
Übereinstimmungen, denen ja Othmer in seiner Arbeit so
überaus grolse Beweiskraft und Bedeutung zuspricht. Auch
in unseren beiden Texten fehlen sie nicht, wie aus den
folgenden Beispielen hervorgeht. Die ersten drei Stellen
wurden schon von Rauch in seiner Dissertation (Die wälische,
französische und deutsche Bearbeitung der Ivainsage; Berlin
1869) herangezogen; da sie dem genannten Werke unverändert
entnommen wurden, ist der keltische Text nach der Ausgabe
der Lady Guest angeführt, in der sich unsere Geschichte im
ersten Bande findet.
j Chrestien 549 (nach d. Ausg.
Mab. I, 49,50. | V.Holland; bei Förster 543.)
. . . „and he did not even ] „Qu'onques puis ne me regarda,
bestow so much notice on me ! Mon cheval prist et moi leissa."
as to imprison me." i
|. Chr. 560:
M. 1,50. (Holland; = Förster 562)
. . . „and that night I came i „Quant je ving la nuit a Tostel,
to the same Castle where I had | Trovai mon oste tot autel,
OWEIN — IVAIN.
127
been the night preceeding.
And I was more agreeably
entertaiued tliat night than
I had been the night before . . .
. . , and none of the inmates
alluded to my expedition to the
fountain,"
M. I, 57.
„The couch, which the
maidens had prepared for him,
was meet to Arthur himself,
it was of scarlet and für. ..^
Aus(s)i lie et aus(s)i cortois,
Come il avoit fet eingois."
(Rauch möchte an dieser
Stelle die Lesart des Vatikans
vorziehen:
„Onques de rien ne m'aparcui,
Ne de sa fiUe ne de lui
Que moins volentiers me
veissent . . .
Come il avoient fet l'autre
nuit")
Chr. 1040:
(Holland, = Foerster 1040)
Sei mena seoir an un lit
Covert d'une coute si riebe
Qu 'ainz n'ot tel li dus
d'Osteriche."
Diesen Stellen seien nun noch die folgenden hinzugefügt.
Bemerkt sei, dafs der keltische Text wieder nach Loths
trefflicher Übertragung gegeben wird.
Loth II, 17,22.
„Owein prit le bassin et en
jeta plein d'eau sur la dalle."
Loth 17,3.
„Owein les (die Mädchen im
Schlofs des gastlichen Ritters)
trouva beaucoup plus heiles
Chr. 803.
„Versa sor le perron de piain
De l'eve le bacin tot piain."
Chr. 782.
... „an la pucele revit
De san et de biaute gant tanz,
Que n'ot conte' Calogrenanz."
») Die nach der Ausgabe der Lady Guest zitierten Stellen lauten bei
Loth (1913):
II; 14,14 „II ne me fit meme pas l'honneur de me faire prisonnier".
14,22 „J'arrivai cette nuit au chäteau oü javais passe la nuit prece-
dente. On s'y montra encore plus courtois que la nuit d'avant. . .
Personne ne fit la moindre allusion ä mon expedition a la
fontaine".
21,21 „II eüt ete digne d' Arthur lui-m€me, tellement il etait bon, le
lit que lui fit la pucelle, de tissus d'ecarlate, de paile. . ."
128
WALTER GREINBR,
et plus gracieuses encore que
ne l'avait dit Kynon."
Loth 12, 18.
„Si cette fois tu ne trouves
pas souffrance, il est inutile
que tu en clierches tant que
tu seras en vie."
Loth 20, 17.
„Owein promena ses regards
sur tout Tappartement: il
n'yavait pas un clou qui ne
füt peint de riebe couleur, pas
un panneau qui ne füt decore
de diverses figures dorees."
Loth 41, 30.
... (le lion)
„donna, sur l'epaule du grand
homme, un tel coup de griffe
qu'il le dechira jusqu'ä la join-
ture des deux hanches, et qu'on
voyait les entrailles lui sortir
du Corps."
Loth. 12, 5.
„D n'ya pas sur l'arbre une
feuille que l'ondee n'aura
enlevee."
Chr. 404.
... „se tu t'an puez departir
Sanz grant enui et sanz pesance,
Tu seras de meillor cheance
Que Chevaliers, qui i fust
onques."
Chr. 963.
(Ivain)
„Kernest dedanz la sale anclos
Qui tote estoit cielee a clos
Dorez et paintes les meisieres
De buene oevre et de colors
chieres."
Chr. 4526.
(le lion)
„Fet del hauberc voler les
mailies
Et contre val si fort le sache,
Que de Tespaule li esrache
Le tandron atot le coste',
Quanqu'il ateint, an a oste',
Si que les antrailles li perent."
Chr. 460.
„Vi sor le pin tant amassez
Oisiaus (c'est qui croire m'an
vuelle),
Qu'il n'iparoit brauche ne fuelle,
Que tot ne fust covert d'oisiaus.„
Was ist von diesen wörtlichen Übereinstimmungen — die
sich teilweise über den Ausdruck eines ganzen Gedankens
erstrecken, teilweise aber nur auf einem einzelnen Worte
beruhen — zu halten?
Zunächst eine kurze Bemerkung über die Bewertung ihrer
Beweiskraft für die Abhängigkeit des einen Werkes vom andern.
OWEIN — IVAIN. 129
In Beckers Darlegungen füllen sie den Punkt V (Spalte 20).
Es wird an dieser Stelle eine Äulserung von Gaston Paris
angeführt, der durch eben diese Erscheinung — inbezug
anfänglich auf Erec- Geraint — an sich zur Annahme der
UnWahrscheinlichkeit der Unabhängigkeit M's geführt worden
sei. Sie steht in dem im 20. Bande der Romania veröffentlichten
Aufsatz und heilst:
„II y a des coincidences textuelles, dans des details qui
ne tiennent pas au fond du recit, qui ne sauraient etre fortuites".
Dals, wie gleich weiter auszuführen sein wird, gelegentliche
wörtliche Übereinstimmungen zweier Werke nicht notwendig
die Abhängigkeit des einen vom andern beweisen, dals viel-
mehr zu einem direkten Abhängigkeitsverhältnis wesentlich
mehr gehört, findet sich bei Edens auf Seite 36 seiner Unter-
suchung ausgesprochen:
„Wörtliche Übereinstimmungen beweisen nur dann die
direkte Abhängigkeit eines Werkes von einem andern, wenn
sie als dem Stil des letzteren eigentümlich zu erkennen sind".
Auf zwei der oben angeführten Stellen soll näher ein-
gegangen werden. Zunächst sei Mab. 20,17 = Chr. 963 f.
besprochen, bekanntlich die Beschreibung des Torraumes
zwischen den beiden Fallgattern, der dem Ivain zum Kerker
wird. Wohl klingen hier die Worte zusammen — wie auch
bei der später ausführlich zu betrachtenden Stelle M. 12, 5 f.
= Chr. 460 (die Vögel auf dem Baume), — aber der ihnen
zugrundeliegende Sinn ist — hier wie dort — völlig verschieden.
Chrestien läfst in seiner Schilderung ein künstliches Himmels-
gewölbe den Raum überspannen; wie die Wände, so ist auch
die Decke reich bemalt, und über die dunkle Bläue sind —
den funkelnden Sternen vergleichbar — Goldnägel gesät.
Wichtig hierzu ist noch die Anmerkung, die Wendelin Förster
im yvain3 zu cielee gibt. Es heilst dort, dafs die an dieser
Stelle bei Chrestien beschriebene Art der Deckenverzierung,
die im Mittelalter gewöhnliche sei. Belege von Schilderungen
ähnlicher Art wolle man z. B. bei Borsdorf (Die Burg im
Claris und Laris und im Escanor. Diss. Berlin 1890) nachlesen.
Und nun nehme man des Kymren Bericht, der von diesem
— doch sicherlich äulserst wirksamen — Motiv nichts hat.
Von einer künstlerisch ausgeschmückten Decke, gar einer
Zeitschrift f. celt. Philologie Xu, i. y
130 WALTER GREINER,
solchen, die die Illusion des Himmelsgewölbes erwecken soll,
ist hier mit keinem Worte die Rede. Die buntbemalten —
nicht einmal vergoldeten — Nägel, über die jede Angabe fehlt,
sind einfach die zur Festigung des Balkenwerks und der
Falltüren eingefügten Schrauben, sodals also hinter der zu-
fälligen Gleichheit der Worte sich ein ganz anderer Sinn
verbirgt.
Die zweite der hier näher zu betrachtenden Überein-
stimmungen (es handelt sich um M. 17, 3 f. = Chr. 782) ist
schon von Edens herangezogen worden. Bei Chrestien wie
bei dem Kymren findet sich eine superlativische Ausdrucks-
weise bei der Schilderung der Reize der bezw. des Mädchens:
„Ihre Schönheit war tausendmal gröfser, als ich nach der
Beschreibung erwarten konnte."
Gehen wir von der oben zitierten — gewifs völlig
einwandfreien — Edensschen Behauptung aus, so verlieren
diese eben angeführten Stellen erheblich an der ihnen zu-
gesprochenen Bedeutung. Es möge in diesem Zusammenhange
genügen, das zusammenfassende Urteil Windischs anzufügen:
„Ich habe bis jetzt keine Stelle gefunden, an der ein
kymrischer Ausdruck und eine kymrische Konstruktion die
genaue Wiedergabe des französischen Ausdrucks und der
französischen Konstruktion wäre."
Betrachtet man im Besonderen die zuletzt besprochene —
bei Chrestien nur an zwei Stellen gebrauchte Ausdrucksweise
— schlielslich gehört Mab. (Lady Guest) I, 57 [in Loths
Ausgabe (1913) 11,21,21] = Chr. 1040 dem Sinne nach auch
hierher — so ergibt sich, dafs sie im kymrischen Text noch
erheblich öfter auftritt als Edens angab. Und sie ist nicht
etwa ein besonderes Merkmal der Geschichte Jarlles y
Ffynnawn an sich, sondern findet sich — mehr oder minder
zahlreich — auch in den anderen Stücken der Sammlung,
wofür Belege leicht beizubringen sind.
Bei einer Durchsicht der Geschichte von der Dame von
der Quelle nach dieser Richtung hin habe ich etwa 60 Stellen
gefunden, an denen gleichartige Wendungen wiederkehren,
sie sind also dem Kompilator von M. in Fleisch und Blut
übergegangen. Sie seien im folgenden angeführt; auf die
jeweilige besondere Bedeutung einzelner Stellen für die
OWEIN — IVAIN. 131
Komposition des Ganzen hinzuweisen . bleibe - für später vor-
behalten. Die Reihenfolge der Stellen im kymrischen Text
war auch im allgemeinen mafsgebend für ihre Anordnung
in der folgenden Aufstellung. Eine Ausnahme wurde nur
gelegentlich zum Zwecke der Ermöglichung einer besseren
Übersicht über sachlich zusammengehörige Stellen gemacht.
Die Zitate sind nach Loth gegeben (Ausgabe v. 1913).
4, 17 ... „ensuite nous te dirons le meilleur recit que nous
pouvons savoir."
5,6 „Commence. toi, par ce que tu sais de plus remar-
quable."
5, 10 ... „je ne croyais pas qu'il y eüt au monde personne
capable de me surpasser en n'importe quelle prouesse."
5,12 „Apres etre venu ä bout de toutes Celles (aventures)
que presentait mon pays'* . . .
7, 3 ... „la plus laide d'entre elles etait plus belle que
la jeune fille la plus belle que tu aies jamais vue
dans l'ile de Bretagne; la moins belle etait plus char-
mante que Gwenhwyvar, femme d' Arthur, quand eile
est le plus belle, le jour de Noel ou le jour de Päques
pour la messe." Dazu vergleiche man aus Kulhwch
et Olwen, 191, 10: [Ausgabe von 1899] (le coursier)
„etait plus prompt que la chute de la premiere goutte
de rosee de la pointe du roseau sur le sol au moment
oü eile est le plus abondante au mois de juin."
7, 10 ... six autres prirent mes armes et les laverent dans
un bassin au point qu'on ne pouvait rien voir de plus
blanc.
7, 21 (Die sechs Mädchen) . . . .,le (das Pferd) debarrasse-
rent de tout son equipement d'une fagon iiTeprochable,
aussi bien que les meilleurs ecuyers de l'ile de
Bretagne."
8, 14 ... il n'y avait pas de boisson ou de mets connu ä
moi qui ne füt represente lä; avec cette difference
que mets et boisson etaient beaucoup mieux appretes
que partout ailleurs.
132 WALTER GREINER,
10. 4 . . . il me sembla bien voir lä au moins trois fois plus
d'animaux sauvages que ne m'avait dit mon böte.
10. 7 ... mon böte m'avait dit qu'il (der Waldscbiat!) etait
grand: il etait bien plus grand que cela.
17, 17 H (Owein) chemina jusqu'ä la clairiere de Thomme
noir, qui lui parut encore plus grand qu'ä Kynon.
29. 8 . . . sa stature (des Waldschrats) parut encore beau-
coup plus forte ä Arthur qu'on ne le lui avait dit.
10, 8 La massue de fer qui, d'apr^s lui, aurait Charge deux
hommes, je suis bien sür, Kei, que quatre hommes de
guerre y eussent trouve lern* faix.
11. 5 ... l'extremite de ses branches (des Baumes an der
Quelle!) est plus verte que le plus vert des sapins.
12, 5 . . . il n'y a pas sur l'arbre une feuille que l'ondee
n'aura enlevee.
12, 8 ... Jamals tu n'as entendu dans ton pays (!) une
musique comparable ä, leur chant.
13.14 ... je suis sür de n'avoir jamais entendu, ni avant,
ni apres, de musique comparable ä celle-lä.
29, 25 . . . jamais, assurement, ils n'avaient entendu musique
comparable ä leur chant.
12. 15 II t'attaquera le plus vite possible.
13,1 Voilä aussitot le tonnerre et beaucoup plus fort que
ne m'avait dit l'horäme noir.
17, 24 . . . un coup de tonnerre, puis apres le tonnerre, l'ondee,
et les deux bien plus forts que ne l'avait dit Kynon.
29, 19 . . . jamais ils n'avaient entendu bruit ni ondee pareille.
13. 16 Au moment oü je prenais le plus de plaisir k les
entendre, voilä des plaintes venant vers moi.
15, 11 ... je ne le (das Rols) donnerais pas encore pour le
meilleur palefroi de l'ile de Bretagne.
15, 13 ... personne n'a jamais avou6 pour son compte une
aventure moins heureuse que celle-lä.
OWEIN — IVAIN. 133
17,3 Owein les (die Mädchen) trouva beaucoup plus belies
et plus gracieuses encore que ne l'ayait dit Kynon.
17, 6 La chere parut encore meilleure ä Owein qu'a Kynon.
19, 15 „Je n'ai jamais vu assurement un jeune homme
meilleur que toi pour une femme."
19, 17 „Si tu avais une amie, tu serais bien le meilleur des
amis pour eile; si tu avais une maitresse, il n'y aurait
pas meilleur amant que toi." <
21, 1 ... il n'y avait pas un clou qui ne füt peint de riche
couleur, pas un panneau qui ne füt decore de diverses
figures dorees.
21. 9 II n'y avait pas de mets connu d'Owein dont il ne vit
lä abondance, avec cette difference que les mets qu'il
voyait etaient beaucoup mieux prepares qu'ailleurs.
21. 13 Nulle part il n'avait vu offrir autant de mets ou de
boissons excellentes . . .
21. 14 Pas un vase de service qui ne füt d'or et d'argent . . .
21, 21 II eüt ete digne d' Arthur, tellement il etait bon, le lit
que lui fit la pucelle ...
22, 19 Owein n'avait jamais vu assurement une suite aussi
brillante que celle-lä avec ses habits de paile, de
soie et de cendal.
23. 10 II etait impossible de voir une aussi belle femme.
23, 17 „Cest la plus belle des femmes, la plus genereuse, la
plus sage et la plus noble . . .
24, 1 „Dieu sait", dit Owein, „que c'est la femme que
j'aime le plus."
24, 14 Owein n'en avait jamais eu de comparable (souper)
k celui-lä, ni d'un service plus irreprochable.
28, 1 ... aussi n'y avait - il personne au monde plus aime
de ses sujets que lui.
29, 1 Ils n'avaient jamais vu auparavant de service irrepro-
chable en comparaison de celui des femmes.
134 WALTER GREINER,
31, 14 Jamals, de l'avis des spectateurs, on n'avait vu deux
liorames aiissi vaillants, ni si forts.
32, 29 Jamals banquet ne leur parut plus confortable nl
meilleur.
34, 10 ... (Owein) se dlrlgea vers un parc, le plus beau du
monde . . .
36, 12 . . . sa peau devint plus blanche qu'elle ne l'avait ete.
36, 20 Owein demanda si la comtesse avait cheval et armes. —
„Oui", dit-elle, „les mellleures du monde."
86,29 ... „il n'en a, sürement, Jamals eu en sa possesslon
de pareils."
40, 4 „Le comte ä qui appartient le chäteau est le meilleur
liomme du monde ce qui est du manger."
40, 7 Jamals guetteur ne veilla aussi blen son seigneur que
ne fit le lion pour Owein, cette nuit-lä.
40, 16 Nulle part, assurement, Owein n'avait vu un service
aussi bien fait que lä.
40, 20 Jamals Owein n'avait vu une personne plus accomplie
qu'elle.
43,12 n y apergut vingt-quatre femmes, les plus accomplies
qu'il eüt Jamals vues.
43, 18 ... chacune avec l'liomme qu'elles aimaient le plus.
45,3 Si Arthur s'etait montre joyeux vls-ä-vis de lui
auparavant, apres sa premiere dlsparition, 11 le fut
encore plus cette fols.
Nicht gerade in der grammatischen Form des Superlativs
gehalten, aber doch dem Sinne nach in gleicher Weise hierher
gehörig, lassen sich noch die folgenden Belege anführen :
5,9 „J'etais fils unique de pere et de mere. . ."
5, 14 ... „(je) me mis en marche vers les extremites du
monde et les deserts."
34, 2 . . . il (Owein) alla aux extremites du monde et aux
montagnes desertes.
OWEIN — IVAIN. 135
37, 30 (Owein) ... „se dirigea vers les extremites du monde
et la solitude."
10, 17 . . . aussitöt ä sa voix, accoururent des animaux en
aussi grand nombre que les etoiles dans l'air.
13, 6 Pas un grelon n'etait arrete par la peau et par la
chair, il penetrait jusqu'ä l'os.
28,28 Malgre leur grand nombre, (M. spricht kurz vorher
von 3000, ohne die „subordonnes" !) on ne s'apercevait
pas de leur presence dans le chäteau. ^
29, 3 Le Service pour les valets de chevaux, cette nuit-lä,
ne se fit pas plus mal que pour Arthur lui-meme dans
sa propre cour.
32. 14 II y eut tant de presse et de häte pour voir Owein
et l'embrasser, que peu s'en fallut qu'il n'y eüt des
morts.
31.15 S'il y avait eu nuit noire, eile eüt et6 eclairee par
le feu qui jaillissait de leurs armes.
Was bei näherer Betrachtung der vorstehenden Sätze
weiter auffällt, ist die häufige — man möchte fast sagen
regelmälsige — Wiederkehr der gleichen Ausdj'ücke, ja sogar
der gleichen Worte in den durch das Band der sachlichen
Zusammengehörigkeit verknüpften Stellen.
Immer wieder, wenn es gilt, dieselbe oder eine ganz
ähnliche Situation zu schildern, kehren die gleichen Worte
und Bilder wieder, die auf diese Weise etwas Typisches ge-
wonnen haben. Was sie uns im Einzelnen für die Art und
Weise der Komposition unseres Textes zu sagen haben, zu
erörtern, ist hier nicht der Platz, hier handelt es sich zunächst
wiederum lediglich um eine Aufstellung unter den oben
gegebenen Gesichtspunkten.
Aus den auf den vorhergehenden Seiten angeführten
Textstellen sei an dieser Stelle nur hingewiesen auf den sich
dreimal wiederholenden Ausdruck:
„il alla vers les extremites du monde et la solitude".
Besonders zahlreich treten diese Wiederholungen auf bei
der Schilderung von Einzelheiten, Ausrüstungsgegenständen,
136 WALTER GREINER,
Kostümen, Waffen, Schmucksachen, Hausrat u. a. m., in denen
überall eine überaus grofse Pracht entfaltet wird. Das
Mabinogi versäumt es — und das wird noch näher zu betrachten
sein — bei keiner Gelegenheit, die handelnden Personen auch
dem ÄuXseren oder gegebenenfalls nur dem Äufseren nach
unter völligem Verzicht auf Charakterisierung zu beschreiben.
In diesen Stellen zeigt der Kymre eine naive Freude am
Schönen, am Leuchtenden, Glänzenden und Prunkvollen.
So ist es vor allem der köstliche Zindel (cendal, ein Lehn-
wort aus dem Französischen) der bei den Beschreibungen der
Ritter und Damen des Kymren eine grofse Rolle spielt, sowie
ein fast noch häufiger erwähnter Seidenstoff, der „paile"
genannt und dessen meistens als in leuchtenden Farben ver-
wandt Erwähnung getan wird.
5, 25 ... „deux jeunes gens aux cheveux blonds frises,
portant chacun un diademe d'or; leur robe etait de
paile jaune; des fermoirs d'or serraient leurs cous-de-
pied; ils avaient ä la main un arc d'ivoire; les cordes
en etaient de nerfs de cerf; leurs flaches dont les
hampes etaient d'os de cetac6s avaient des barbes de
plumes de paon; la tete des hampes etait en or; la
lame de leurs couteaux etait aussi en or et le manche
d'os de cetace".
6, 10 ... „un homme aux cheveux blonds frises, dans toute
sa force, la barbe fraichement rasee. II 6tait vetu
d'une robe et d'un manteau de paile jaune; un lisere
de fil d'or bordait le manteau. II avait aux pieds
deux hauts souliers de cordwal bigarre, fermes chacun
par un bouton d'or".
Die gleichen Schilderungen wiederholen sich — teilweise
gekürzt — auf Seite 16 unseres Berichtes bei der Beschreibung
von Oweins Ankunft im gastlichen Schlofs. Die Belegstellen
wolle man oben bei der Gegenüberstellung nachlesen.
19,6 ... „une jeune fiUe (die Zofe als Retterin des ge-
fangenen Owein) aux cheveux blonds frises, la tete
ornee d'un bandeau d'or, vetue de paile jaune, • les
pieds chausses de deux brodequins de cordwal tachete".
OWEIN — IVAIN. 137
21.21 ... „II eüt ete digne d' Arthur, tellement il etait bon,
le lit que lui fit la pucelle, de tissus d'ecarlate, de
paile, de cendal et de toile fine".
23, 3 ... „une femme (die um den Gatten trauernde Laudine)
aux cheveux blonds, flottant sur les deux epaules. . .
. . . vetue d'habits de paile jaune. . .
... les pieds chausses de brodequins de cordwal bigarre".
24, 5 ... „eile (Lunete) prit une serviette de toile fine. . .
Elle prit un gobelet d'os d'elephant, un bassin d'argent. . .
. . . un rasoir au manche d'ivoire, dont la lame avait
deux rainures dorees".
26, 18 „Owein revetit une robe, un surcot et un manteau
de paile jaune, rehausse d'un large orfrei de fil d'or;
ses pieds etaient chausses de brodequins de cordwal
bigarre, fermes par une figure de lion en or."
29, 27 (Der Verteidiger der Quelle) . . . „monte sur un cheval
tout noir, vetu de paile tout noir."
30. 22 (Gwalchmei) . . . „etait revetu d'une couverture de
paile ..."
33, 11 ... „une jeune fiUe (Lunete als Botin der erzürnten
Laudine) se pr^senta, montee sur un -cheval, ä la
criniere frisee . . .
Elle etait vetue de paile jaune. La bride et tout ce
qu'on apercevait de la seile etait d'or."
42, 7 ... „deux beaux valets bruns, aux cheveux frises,
ameuaient la pucelle ..."
8, 9 „La table etait d'argent, et les linges de table, de
toile fine; quant aux vases qui servaient ä. table, pas
un qui ne füt d'or, d'argent ou de corne de boeuf
sau vage ..."
8, 2 . . . on nous apporta aussitot des aiguieres d'argent
pour nous laver et des serviettes de fine toile, les
unes vertes, les autres blanches."
12, 13 (Der Verteidiger der Quelle) . . . „mont6 sur un cheval
tout noir; la lance ornee d'un gonfanon de toile fine
tout noir."
138 WALTER GRETNER.
21, 5 ... „une serviette de fine toile blanche . . .
... eile plaga devant lui une table d'argent dore,
couverte d'une nappe de fine toile jaune . . ."
22, 16 ... „la biere, recouverte d'un drap de toile blanche."
22, 19 „Jamals Owein n'avait vu une suite aussi brillante
que Celle- lä avec ses habits de paile, de soie et de
cendal".
Eine weitere Beobachtung — die dritte" der allgemeinen — ,
die hier in den Kreis der Betrachtungen zu ziehen sein wird,
ist die der häufigen Verwendung der Zahl drei, im besonderen
bei der Beschreibung oder Aufzählung sich wiederholender
Begebenheiten.
Man darf sogar sagen, die Zahl drei ist die einzige
bestimmte Zahlangabe, deren sich der Kymre im Verlaufe
seiner Erzählung bedient.
Sie findet sich in unserem Text an folgenden Stellen:
10, 4 ... „il me sembla bien voir lä trois fois plus
d'animaux sauvages que ne m'avait dit mon hote."
28,2 „II fut ainsi pendant trois annees."
28,21 „Ils etaient au nombre de trois mille, sans compter
les subordonn^s."
38,2 ... „il entendit un cri de douleur dans un bois, puis
un second, puis un troisi^me."
32,20 „II y a aujourd'hui trois ans que je t'ai quitte et
que cette terre m'appartient."
23, 27 „Le festin qu'on avait mis trois ans ä preparer. on en
vint ä bout en trois raois de suite."
Dafs diese Ausdrucksweise dem Kompilator des Mabinogi
ganz geläufig ist, mögen einige Stellen aus den übrigen
Stücken des Roten Buches erhärten:
M. I, 36 (Loth, Ausgabe von 1889)
„11 lui adressa la premiöre fois la parole, puis une
seconde, puis une troisieme, sans obtenir de reponse."
OWEIN — IVAIN. 139
(Man vergleiche hierzu das bekannte Wort aus Faust I:
„Du mufst es dreimal sagen!")
M. II, 108, 6 (aus dem Peredur)
„Tu y verras un buisson. Au pied du buisson il y a
une pierre plate. Une fois lä, demande par trois fois
quelqu'un pour se battre avec toi."
Dazu kommt noch — womit aber keinesfalls gesagt
werden soll, dafs diese Auswahl auf Vollständigkeit Anspruch
macht — eine Stelle aus M. I, 39 (Ausg. v. 1889): "^
Drei der Genossen Rvylls müssen vergeblich ausreiten,
ehe es dem Helden selbst gelingt, die Dame zu erreichen.
Schliefslich gehört hierher auch noch die Szene unseres
Textes, in der Owein als Gefangener im Schlofs der Laudine
die dreimal sich wiederholenden Klagen der Schlofsbewohner
vernimmt:
L., 21, 17 „A ce moment, ils entendirent de grands cris dans
le chäteau."
21, 24 „Vers minuit, ils entendirent des cris per^ants."
22,2 „Un peu apres le jour retentirent des cris et des
lamentations d'une violence inexprimable."
Über das „Kunstmittel der Steigerung", das sfch in der
Geschichte der Dame von der Quelle und auch in den übrigen
Teilen des Red Book noch mehrfach findet, ebenfalls über die
Deutung der Dreizahl, wird noch an späterer Stelle zu
reden sein.
Damit seien diese allgemeinen und stilistischen Streif-
züge durch die wälsche Erzählung vorläufig abgeschlossen.
Wie sich leicht aus der Menge des angeführten Stoffes
ergibt, nehmen die eben zitierten und angeführten Stellen mit
ihren behäbigen, breiten Schilderungen, ihren mehr oder
minder ausgedehnten Wiederholungen einzelner Ausdrücke, ja
vielfach ganzer Sätze und Satzfolgen, im Rahmen des Textes
einen ziemlich beträchtlichen Raum ein. Genauer drückt
dies William H. Carruth in dem bereits erwähnten Artikel
(Modern Language Notes 1889) aus: Es sei weiter interessant,
140 WALTEE QREINER.
dals dieses „Beiwerk" (im Sinne Försters) die Hälfte des
Romans ausmache und den gesamten Inhalt des Mabinogi bilde.
Nun würde es zwar sicherlich zu weit gehen, diese
Äulserung von Carruth, die sich doch ebensogut auf die
Kompositionsart M's bezieht, lediglich für unsere bisherigen
— rein formellen — Beobachtungen in Anspruch zu nehmen;
immerhin hat sie doch auch für diese Erörterungen volle
Gültigkeit.
Da nun all dem auf den vorhergehenden Seiten Hervor-
gehobenen im französischen Roman rein nichts entspricht,
ergibt sich schon hieraus ein weiteres Beweismittel gegen die
Behauptung, dafs die kymrische und die französische Ivain-
bearbeitung eng nebeneinander herlaufen.
Das Gleiche spricht auch Wilmotte in seiner Rezension
der Othmerschen Dissertation aus (zitiert bei Edens S. 75):
„Les differences de detail sont beaucoup plus nombreuses
que la dissertation ne le dit."
Und es sei auch hier unter ausdrücklichem Hinweis auf
das in der Einleitung wiedergegebene Wort Zenkers aus
einem Briefe an den Verfasser noch das Urteil wiederholt,
das Edens im Anschluls an die eben zitierte Aufserung über
Othmers Arbeitsmethode fällt:
„Duixh das Verschweigen solcher Abweichungen wird
aber bewirkt, dals sich der uneingeweihte Leser die Über-
einstimmung der beiden Versionen viel weitergehend denkt
als sie tatsächlich ist."
All die Bilder, die hier an uns vorüberzogen, sie stellen
im wesentlichen das dar, was die Gegner das „Beiwerk"
nennen. Sie geben der Handlung als solcher — auch an den
Stellen, an denen sich beide Fassungen näher als sonst stehen
— die besondere Färbung und den eigenen Reiz, der jedem auf-
fällt, der unbefangen den kymrischen Text auf sich wirken läfst.
Und so leiten diese Bestandteile recht eigentlich über
zur Behandlung der Frage nach den sogenannten „keltischen
Elementen", die natürlich im Rahmen dieses Abschnitts nur
insofern herangezogen werden können, als sie nicht vorzugs-
weise einer einzelnen Episode angehören — das bleibe für
später — , sondern auf den Gesamtverlauf der Erzählung Be-
ziehung haben.
OWEIN — IVAIN. 141
Der Begriff „keltisch" mufs nun hier zunächst eine Ein-
schränkung erfahren. Es soll nicht gesagt werden, dafs all
das zu Behandelnde letzten Endes spezifisch keltisch, keltischen
Ursprungs, ist — innerhalb der Grenzen, die in der Sagen-
forschung der Möglichkeit einer genauen Lokalisierung oder
Ursprungsergründung eines literarischen oder Sagenmotivs
überhaupt gezogen sind — ich nenne vielmehr in diesem
Zusammenhange „keltisch" all die Eigenheiten, die die kym-
rische Fassung als solche kennzeichnen. Es ist also „keltisch"
hier keine Ursprungsbezeichnung, sondern zunächst ledigliclr«*
eine Fundortbezeichnung.
Selbst die unwiderlegliche Tatsache, dafs wir überaus
charakteristische Eigentümlichkeiten schon in der Form der
kymrischen Erzählung finden, wird von gegnerischer Seite
angefochten. Zwar liegen die schwersten Angriffe auf stoff-
lichem Gebiete, — zn dem im nächsten Abschnitt über-
gegangen werden soll — doch spielen ÄuXserungen wie die
in der Einleitung angeführte von Othmer und die sich ' in der
Ivain-Einleitung Seite XXX findende Förstersche („pavillon
Charge de couvrir la marchandise") stark auf das vorliegende
Gebiet herüber.
Vor der eigentlichen Behandlung der Hauptfragen des
Verhältnisses Owein-Ivain seien noch einige Worte über den
Weg, der dabei zu begehen sein wird, gestattet.
Es wurde schon oben (Seite 125) die Grundlage der ge-
samten Forschung nach einem Ausspruch Ph. Aug. Beckers
hergestellt. Es handelt sich im engeren Sinne darum — wie
schon in der Einleitung gesagt wurde — die allgemein auf-
fallenden und doch so viel umstrittenen Eigentümlichkeiten
der kymrischen Fassung ihrem Wesen nach zu untersuchen.
Diese Erörterungen werden sich — um dem entworfenen
Plane treu zu bleiben — über zwei Abschnitte verteilen, von
denen der erste die formellen, stilistischen oder allgemeinen
Beobachtungen auf Grund der vorliegenden Auszüge enthalten,
der andere sich im Wesentlichen in das Gebiet des Stoff-
geschichtlichen, des vielumkämpften Gebietes der Sagen ver-
gleichung hinüberbewegen soll.
Dieser Weg, der uns zum Ergebnis zu führen bestimmt ist
wird in einer Beziehung — nämlich auf die Verbindung und
142 WALTER GREINER.
die Art der Verknüpfung beider Teile — zum ersten Male
auf diesen Blättern beschritten. Untersuchungen, die sich mit
einzelnen Gebieten der beiden Hauptteile befassen, sind da-
gegen mehrfach vorhanden und sollen bei der Zusammen-
fassung der Ergebnisse in gebührender Weise herbeigezogen
werden.
Es ist natürlich dabei — das sei noch einmal hervor-
gehoben — an einen unbefangenen Beobachter gedacht, dessen
Blick — um Becker einen gegen die Verfechter der Unab-
hängigkeit geschleuderten Ausdruck (wenn auch nicht mit
voller Schärfe!) zurückzugeben — noch nicht durch irgend
welche Vorurteile beeinflufst (bei Becker heilst es: „durch
das Phantom der Unabhängigkeit getrübt", L. g. r. Ph. 1913
Spalte 26) ist.
Es mufs immer wieder unbedingt daran festgehalten
werden, dafs eine Erörterung des Verhältnisses beider Fas-
sungen notwendig von einer vergleichenden Gegenüberstellung
beider Werke auszugehen hat. Dies ist in der Tat die einzige
Grundlage, die sich bietet. Dafs man auf ihr allein fufsend
die ganze Frage nicht restlos lösen kann, wurde schon oben
gesagt. Das spricht aber keinesfalls gegen die Brauchbarkeit
der Methode zur Erschliefsung des durch sie zugänglichen
Teiles.
Schwere Vorwürfe wurden — ich denke aus der Reihe
der jüngsten Veröffentlichungen hierbei namentlich an den
letzten Streitartikel Wendelin Försters in der Behrensschen
Zeitschrift, der bekanntlich an Zenkers „Mabinogionfrage" an-
knüpft, — in fast ununterbrochener Folge von Förster und
einem Teile seiner Anhänger gegen alle diejenigen erhoben,
die diese — einzig mögliche und richtige — Basis einer
Klärung der Frage annahmen. Sie wurde von dieser Seite
her — was schlielslich den Eingeweihten nicht überrascht —
« von Grund auf verworfen und dies zum Teil mit Ausdrücken,
die sich oft nicht unwesentlich über den Rahmen dessen
hinausbewegen, was bisher im Streite der Meinungen guter
Brauch war. So heilst es einmal, — wenn ich mich recht
erinnere in eben diesem Artikel — man begnüge sich damit,
den alten Unsinn immer und immer wieder aufzufrischen, und
was dergleichen Äufserungen mehr sind, von Beckers ^home-
OWEIN — rVAlN. 143
rischem Gelächter", das ja durch Zenker die gebührende
Antwort fand, ganz zu schweigen.
Demgegenüber sei zum Schluls dieser Bemerkungen aufs
entschiedenste betont, dafs es für den, der dazu beitragen
will, das Verhältnis unserer beiden Fassungen zu ergründen,
keinesfalls letzten Endes darauf ankommen kann, all die zahl-
reichen, sich in fast ununterbrochener Folge wiederholenden
Behauptungen und Angriffe Försters zu widerlegen, ihnen im
einzelnen nachzugehen und auf ihnen die Untersuchung auf-
zubauen.
Es gibt eben für die vorliegende und alle Untersuchungen,
die sich auf diesem Gebiete bewegen, nur die eine und einzige
Basis, die oben vorgezeichnet wurde. Und so sei erklärt, dafs
jede weitere Diskussion von vornherein ergebnislos bleiben
wird und mufs, solange uns die Gegner nicht auf die aus
ihren eigenen Reihen (Becker!) heraus gebilligte und auf-
gestellte Grundlage folgen.
Es ist eine irrtümliche Anschuldigung, die Förster erhebt
und die sich auch bei Becker findet, wenn es heilst, dafs
diejenigen, die die Unabhängigkeit M's verfechten, letzten
Endes dahin streben, die Bedeutung Chrestiens — „des
genialen Sohnes der Champagne", sagt Becker einmal — zu
schmälern.
Ich habe schon im Vorwort den Leitgedanken dieser
Untersuchung niedergeschrieben. Es heifst dort am Ende,
und damit stimme ich vollständig mit Windisch überein:
„Ehre dem Franzosen, der uns Kunstwerke hohen, un-
vergänglichen Wertes schuf — .
Ehre aber auch dem Kymren, der uns Kunde gab von
alten, längst verschollenen Formen der Sage."
Es wurde schon oben gesagt, dafs der auffällige Längen-
unterschied der beiden Werke, insbesondere damit der geringe
Umfang des Mabinogi im Vergleiche zu dem Roman Chrestiens
auf zwei Hauptursachen zurückzuführen sei.
Von diesen erwähnten Gründen würde der zweite, der
sich also auf das bezieht, was oben als „Tempo der Erzählung"
kurz bezeichnet wurde, hier vorzugsweise in Frage kommen.
144 WALTER GREIN ER,
während die Erörterung der anderen Beobachtung, dafs M.
Kürzungen aufweist, die sich über ganze Abenteuer, ja
Abenteuerfolgen erstrecken, im Zusammenhange mit den Fragen
der Komposition, mit den Erörterungen der Stoffgeschichte
und Motivwandlung betrachtet werden soll.
Es ist zweifellos richtig, wenn Becker im Literaturblatt
inbezug auf die Abweichungen und Eigenheiten M's, von
denen ja bisher nur der formelle Teil und dieser wiederum
lediglich als statistisches Material in Frage kam, sagt:
„Nun ist aber der springende Punkt nicht lediglich die
Konstatierung dieser Abweichungen, sondern die Frage, ob
durch sie eine völlige Verschiedenheit der kymrischen Fassung
postuliert wird."
Ich möchte die weiteren Betrachtungen anschlief sen an
die der eben zitierten Äulserung unmittelbar folgenden Worte
aus ebendemselben Artikel, in denen behauptet wird:
Der Kymre habe nicht nur die bei der Übertragung
eines poetischen Werkes in die Prosa und bei der Über-
tragung eines Werkes in eine fremde Sprache unumgänglich
notwendigen Modifizierungen vorgenommen, sondern „er hat
die G-eschichte, die er wiedergab, frei umschrieben und stark
reduziert, wobei er teilweise nachlässig änderte und teilweise
systematisch umgestaltete."
Damit ist der Inhalt des Folgenden gegeben als die
Behandlung der Frage nach der Berechtigung der Beckerschen
Behauptung, als eine Darstellung des Gesamtcharakters des
kymrischen Berichtes.
Die früher — in den Kinderjahren der Mabinogion-
forschung — weitverbreitete ^nsicht, dals man es in unserem
Bericht mit einem Literaturwerke aus einem weit vor dem
Chrestiens zurückliegenden Zeitabschnitt zu tun habe, ist ja
durch die neueren und neusten Ergebnisse der keltistischen
Forschung endgültig zerstört worden. Darauf habe ich schon
in der Einleitung hingewiesen.
Auch dafs man in der uns vorliegenden Fassung M's
nicht einen Überlebenden aus weitentschwundeneii Zeiten sehen
darf, an dem alle Wandlungen und Entwicklungen ohne
merklichen Einflufs vorübergegangen sind, wurde bereits
angedeutet.
OWEIN — IVAIN. 145
Ich sehe — und damit stimme ich wieder mit Windisch
überein — im Mabinogi nicht ein Beispiel ursprünglichster
Erzählungskunst, ein schlichtes Volksmärchen von ungetrübter
Reinheit, als welches man ja zeitweise den reizvollen kymrischen
Bericht aufzufassen geneigt war, sondern ich meine, dafs sich
leicht darlegen läfst, dafs unser Text eine in gewissem Sinne
kunstmälsige Bearbeitung durch eine oder mehrere Mittels-
personen erfahren hat.
Nimmt man mit Windisch — der bekanntlich bei der
Frage nach der „Divergenz" (ich wähle, wie schon früher,
diesen Ausdruck hier lediglich der Kürze halber; dafs er das
wahre Verhältnis niclit unbedingt trifft, wurde ja gezeigt) sich
darüber äufsert — die Möglichkeit einer zeitweisen Über-
lieferung von Mund zu Mund an, einer Überlieferung also,
bei der sich die starren Formen des durch die Schrift fixierten
Wortes auflösen, Leben und Wandlungsfähigkeit bekommen,
dann wird man sich dieser Ansicht nicht verschlielsen können.
Es dürfte überflüssig sein, hier auf die Grundgesetze ein-
zugehen, nach denen sich ein Motiv unter den Händen
verschiedener Interpreten wandelt, zumal einzelne der dabei
wirksamen Faktoren noch im späteren Verlaufe der Unter-
suchung herangezogen werden.
Es gilt vielmehr hier zunächst einmal den oben erwähnten
Spuren kunstmäfsiger Bearbeitung nachzugehen.
Ich sehe diese hauptsächlich an zwei Stellen. Auf die
eine — im Verlaufe des Textes an zweiter Stelle stehende —
wurde schon oben hingewiesen. Sie findet sich bei der Schil-
derung von Oweins Gefangenschaft im Schlofs der Laudine.
21, 17 „A ce moment ils (Owein und die Zofe) entendirent
de grands cris dans le chäteau".
21, 24 „Vers minuit ils entendirent des cris pergants."
22,3 „Un peu apres le jour retentirent des cris et des
lamentations d'une violence inexprimahle.'*
In den drei sich innerhalb eines verhältnismälsig kurzen
Textabschnittes — es ist bei Loth knapp 3/^ Seite — folgen-
den Sätzen, die alle die gleiche Tatsache erzählen, nämlich
die, dafs die Schlolsbe wohner ihrem Schmerz über den Tod
des Ritters lauten Ausdruck verleihen, ist nun von dem oben
Zeitschrift f. celt. Philologrie Xn. l. l(j
146 -WALTER GREINER,
angeführten Prinzip der breiten, behaglichen Wiederholung
der gleichen Situation mit den gleichen Worten in klug be-
rechnender Absicht abgewichen worden.
Jede der beiden auf den ersten Bericht vom Schmerz der
Schlofsbewohner folgenden Stellen enthcält gegenüber der
vorhergehenden eine wohlerwogene Steigerung des Ausdrucks.
Damit wird der Gefahr der Eintönigkeit, die sonst wohl vor-
handen gewesen wäre, wirksam begegnet und zu gleicher
Zeit ein zweiter Zweck erreicht: die Aufmerksamkeit, die
Spannung des Hörers wird auf ihren Gipfel gebracht. Und
so erhält die ganze Schilderung etwas Dramatisches, sie ver-
liert sich nicht in der Eintönigkeit stereotyper Wiederholungen,
sondern schreitet zielbewufst vorwärts, den Hörer durch
ständige planmälsige Steigerung der Ausdrucksmittel dem
Gipfelpunkt der Handlung zuführend, der Neigung Oweins zu
Laudine :
23, 14 „En la voyant Owein s'enflamma de son amour au
point qu 'il en etait parfaiteraent penetre."
Dieses „Kunstmittel der Steigerung", wie ich es nennen
möchte, findet sich aber in unserem Texte noch des öfteren
verwendet. Ich denke hierbei weniger an die Stellen nament-
lich im ersten Teile des kymrischen Berichtes, von denen
schon oben die Rede war und deren Schema sich etwa so
ausdrücken läfst:
„Dies oder das war viel eindrucksvoller und überraschender
für mich, als ich es nach den Angaben, die man mir machte,
erwarten konnte" — von diesen soll später die Rede noch
einmal sein.
Es handelt sich vielmehr hier zunächst um zwei weitere
Stellen, an denen der Kymre im Gegensatz zu der uns in
Chrestiens Roman überlieferten Gestalt den Ausdruck dahin
steigert, dals er — um einmal ein Wort aus dem Laokoon
zu gebrauchen, den „fruchtbarsten Augenblick" wählt. Wie,
was sich ohne weiteres ergibt, seine Schilderungen an Lebendig-
keit, an Kraft des Eindrucks auf den Hörer gewinnen, ist ja
dort gesagt worden.
Nun zu unseren beiden Texten selbst! Die in Frage
kommenden Stellen finden sich in der ersten Hälfte der Ivain-
geschichte.
OWEIN — IVAIN. 147
Wem es gelingt, die Gewitterquelle zu erreichen und.
das in der vorgeschriebenen Weise erregte Unwetter ohne
schwere Gefährdung seines Lebens zu überstehen, dem wird
ein gar köstlicher Genufs zuteil in dem lieblichen Gesang der
Vögel, die sich auf dem Baume niedersetzen. Die Freude
des Hörers wird aber bald gestört durch das Erscheinen des
kampfbereiten Verteidigers der Quelle. Dieser Verlauf der
Handlung ist ja zu bekannt, es genüge hier diese kurze
Skizzierung.
Chrestien gibt von dem Eindruck, den der herrliche
Gesang (der bekanntlich v. 472 servise == „Gottesdienst" ge-
nannt wird) auf den lauschenden Eitter macht, die folgende
Schilderung:
470 „De lor joie me resjoi,
S'ecoutai tant qu'il orent fet
Lor servise trestot a tret;
Qu'ains mes n'o'i si bele joie,i)
Ne mes ne cuit, que nus hon l'oie,
475 Se il ne va oir cell,
Qui tant me plot et abeli,
Que je m'an dui por fol tenir.
Tant i fui que j'oi venir
Chevaliers " usw.
An der entsprechenden Stelle bei Ivains Zug nach der
Quelle heilst es kurz:
808 „vindrent li oisel
Es firent joie merveilleuse
Sor la fontainne perilleuse.
Ainz que la joie fust remese,
Vint, d'ire plus ardanz que brese,
Li Chevaliers "
Der Kymre hingegen rühmt in gleicher Weise wie Chrestien
in der durch die Anmerkung besonders hervorgehobenen Stelle
die überwältigende Schönheit des Gesanges, geht aber dann
') Übrigeng eine weitere wörtliche Übereinstimmung mit Mab. 13, 14:
. . . „je suis 3ür, Kei, de n'avoir jamais entendu, ni avaut ni apres, de
musique comparable k celle-lä".
10*
148 WALTER GUEINER,
in der Kunst der dramatischen Schilderung über den Bericht
des Franzosen hinaus. Gegenüber dem matten und farblosen
478 „tant i fui que j'oi venir"
verleiht er der ganzen Schilderung erhöhtes Leben dadurch,
dafs er den Begriff der Steigerung einführt. Mit sicherem
Blick für das Wirksamere Wcählt er für das Erscheinen des
schwarzen Ritters den Augenblick, den — es sei noch einmal
auf den Laokoon zurückgegriffen — auch der Maler wählen
würde, wenn er das reizvolle Idyll im Bilde darstellen sollte:
Voller Freude lauscht der Ritter den ersten Tönen, die
aus den Zweigen zu ihm dringen; mehr und mehr steigert sich
sein Entzücken über den unerwarteten Genufs, und als es
seinen Höhepunkt erreicht hat, als er völlig im Lauschen ver-
sunken dasteht, — da, in eben diesem Augenblick erscheint
der Ritter.
So malt es der Bericht des Kymren:
13, 16 „Au moment oü je prenais le plus de plaisir ä les
entendre, voilä des plaintes venant vers moi . . .",
und an der entsprechenden Stelle heilst es:
17,29 „Au moment oü il prenait le plus de plaisir ä leur
chant, il vit un Chevalier ..."
Dabei sei noch darauf hingewiesen, dafs die „plaintes"
— von deren Bedeutung noch zu reden sein wird — einen
weit wirksameren Gegensatz zu dem Vorhergehenden bilden
als das Lärmen
481 „Tel noise et tel fraint demenoit
Uns seus Chevaliers, qui venoit"
des Ritters bei Chrestien.
Die andere Stelle, an der ich im Berichte des Kymren
eine kunstmäfsige Bearbeitung sehen möchte, würde im
wesentlichen vom gleichen Standpunkt aus zu bewerten sein.
Ich meine hier Mab. 18, 13 f = Chr. 942, die Beschreibung
von der Verfolgung des todwunden Ritters durch Ivain. Sie
erreichen beide das für den Fliehenden Rettung bietende
Schlols und durchjagen den Torraum mit dem gefährlichen
Fallsratter:
OWEIN — IVAIN. 149
942 „Que li chevaus marcha le fiist,
Qui tenoit la porte de fer.
Aussi con deables d' anfer
945 DesQant la porte contreval,
S'ataint la sele et le cheval
Deriere et tranche tot parmi;
Mes ne tocha, la De merci,
Mon seignor Ivain fors que tant,
950 Qu'au res del dos li vint reant.
Si qu'anbedeus les esperons
Li trancha au res des talons."
So entgeht also Ivain mit knapper Not dem sicheren
Tode. Der Kymre läfst den Verfolger noch etwas glücklicher
sein und beweist zugleich einen schärferen Blick für die
Situation. Ich erinnere aus den eben angeführten Zeilen
daran, dafs der glückliche Ausgang für den Helden nur da-
durch herbeigeführt wurde, dafs sich Ivain weit vorbeugt,
um den Gegner am Sattelbogen
937 ... „a l'arQon deriere le tint"
zu fassen. Vergegenwärtigt man sich diese Lage, so erscheint
es glaubhafter, dafs lediglich die letzten Ausläufer der Sporen,
die Sporenrädchen („les molettes des eperons" 18, 15) ge-
troffen werden als diese selbst. Im letzteren Falle dürfte es
kaum ohne eine Verletzung des Verfolgers abgegangen sein.
Damit schliefse ich diese Erörterungen und wende mich
im folgenden zur Behandlung der oben skizzierten Frage
nach dem Allgemeincharakter M's.
Hierüber liegen nun aus früheren — älteren, neueren
und neuesten — Veröffentlichungen mehrere Urteile vor, die
zu berücksichtigen sein werden. Sicher ist, — das dürfte aus
all dem bisher Besprochenen zur Genüge hervorgehen und
wird, namentlich was das Stoifliche anbetrifft, noch des
weiteren erörtert werden — dafs der kymrische Bericht keines-
falls den Eindruck einer Übersetzung oder Übertragung macht.
Demgegenüber könnte der Einwand erhoben werden, dafs es
der Kymre verstanden habe, all die Spuren, die auf eine
solclie Arbeitsweise schliefsen lassen, sorglich zu tilgen. Dafs
150 WALTER GREINER,
davon keine Rede sein kann, hat schon Brown gegen Ende
seiner letzten Abhandlung (On the independent character of
the Welsh Owein) erklärt, worauf ich noch zurückzukommen
gedenke.
Es sei begonnen mit der Besprechung der oben ange-
führten Beobachtungen und allgemeinen Ergebnisse.
Es war gezeigt worden, dals das Mabinogi eine Reihe von
Eigentümlichkeiten formeller Art hat, denen im französischen
Roman nichts entspricht. Waren diese Eigentümlichkeiten
oben lediglich statistisches Material, so soll im folgenden auf
ihr Wesen etwas näher eingegangen werden. Es wird sich
dabei allerdings nicht vermeiden lassen, die scharfen Grenzen,
die diesem Abschnitt anfänglich gezogen waren, das eine oder
andere Mal zu überschreiten, um aus dem Stofflichen einiges
heranzuziehen, im allgemeinen aber sollen sich diese Er-
örterungen noch auf formellem Gebiete bewegen.
Von der äufseren Form des kymrischen Berichtes sei
zunächst gesagt, dals sich in seinem Verlaufe an verschiedenen
Stellen Spuren deutlicher Abschnitte noch heute erkennen
lassen. Ich habe oben schon bei der Gegenüberstellung
gelegentlich auf die.se bereits von anderer Seite festgestellte
und erörterte Tatsache hingewiesen.
Bekanntlich schliefst die Schilderung der Hochzeit Oweins
und der Dame von der Quelle im Mabinogi mit den Worten:
„Owein garda la fontaine avec lance et epee, voici
comme: tout Chevalier qui y venait, il le renversait et le
vendait pour tonte sa valeur. Le produit, il le partageait
entre ses barons et ses Chevaliers; aussi n'y avait-il personne
au monde plus aime de ses sujets que lui. II fut ainsi
pendant trois annees" (27, 15).
Die Fortsetzung des Berichtes lautet sodann:
„Un jour que Gwalchmei se promenait avec l'empereur
Arthur, il jeta les yeux sur lui et le vit triste et sou-
cieux" (28,3).
Eine spätere Stelle — die Schilderung des Abschieds
Oweins von der Dame von der Quelle — bietet das gleiche
Bild:
OWEIN — IVAIN. 151
„Ovvein alla avec Arthur dans l'ile de Bretagne. Une
fois arrive au milieu de ses compatriotes et de ses compag-
nons de festins, il resta trois annees au lieu de trois
mois" (33,6).
Der Fortgang lautet dann wieder:
„Owein se trouvait, un jour, ä table ä Kaer Llion sur
Wysc" (33,10).
Dazu kommen noch die folgenden Belege:
„C'est ainsi qu'ils sauverent Lunet du feu" (43,2).
Diesen Schlufssatz möchte ich in Parallele setzen — als
typischen Märchenausgang — zu:
„Cette histoire s'appelle l'histoire de la Dame de la
fontaine" (45,14).
„Owein et Lunet allerent ensemble aux domaines de la
Dame de la Fontaine; et, quand il en sortit, il emmena la
dame avec lui ä la cour d'Arthur, et eile resta sa femme
tant qu'elle vecut'- (43, 3).
„Owein resta, ä partir de la, ä la cour d'Arthur, comme
Penteulu, tres aime d'Arthur, jusqu'ä ce qu'il retourna
vers ses vassaux, c'est -ä-dire les trois cents epees de la
tribu de Kynvarch et la troupe des corbeaux. Partout oü
il allait avec eux, il etait vainqueur" (45, 8).
Man wird hier einwenden, dafs — abgesehen einmal von
den letzten vier Sätzen (43, 2 f.), die ja deutlich den Charakter
eines formelhaften Schlusses volkstümlicher Erzählung, des
Märchens, tragen — die Anknüpfung eines neuen Geschehnisses
mit unbestimmten Ausdrücken wie un jour que u. a. m. im
Mabinogi auch sonst wiederkehre und sich dabei auf Stellen
berufen wie:
34,9 „II descendit de la montagne ä la vallee et se
dirigea vers uu parc, le plus beau du monde, qui
appartenait ä une comtBsse veuve.
Un jour, la comtesse et ses suivantes allerent se
promener au bord de l'etang qui etait dans le parc.
jusqu'ä la hauteur du milieu de Teau."
152 WALTER GREINER,
Es leuchtet aber ohne weiteres ein. dals zwischen der
letzten und den oben angeführten Stellen ein Unterschied von
grundlegender Bedeutung besteht. Diese eine Stelle mit dem
völlig bedeutungslosen „un jour que" spricht aber keinesfalls
gegen die geäulserte Ansicht. Die Wesens- bezw. Ursprungs-
erörterung dieser Erscheinung sei für später vorbehalten.
Ich wende mich jetzt dem eigentlichen Hauptteile zu,
der Frage nach dem Stilcharakter, dem Gesamteindrucke des
Mabinogi.
Versucht man einmal den kymrischen Text an sich zu
überdenken, strebt man danach, sich einmal freizumachen
von allen vergleichenden oder abwägenden Betrachtungen
inbezug auf Chrestiens Werk, so dürfte sich etwa der folgende
Gesamteindruck M's ergeben:
„Le Mabinogi fait l'impression d'une oeuvre naive, ecrite
par un conteur disposant d'un fond d'idees restraint et ä qui
les conceptions et les expressions de la poesie populaire sont
f amilieres." i)
Diesem — ebenso einfachen und im ganzen treffenden —
Urteil möchte ich die weiteren Erörterungen anschliefsen.
Dafs ich nicht völlig auf seinem Boden stehe, ist den oben
gegebenen Ausführungen über die Stellen, an denen ich eine
kunstmäfsige Bearbeitung zu sehen glaube, zu entnehmen.
Weit davon entfernt, den Kymren nun etwa über den Dichter
zu erheben, meine ich doch, dafs der Ausdruck „fond d'idees
restraint" vielleicht doch etwas zu scharf erscheint.
Es wurde schon oben gesagt, dafs die Handlung im
Mabinogi knapper gefafst ist als im Roman des Franzosen.
In ruhigem Flusse, ohne Abschweifungen reflektierender oder
moralisierender Art reiht sie Geschehnis an Geschehnis, und
diese einfache Folge der Tatsachen wird lediglich unter-
brochen durch die Schilderungen märchenhafter Pracht, die
oben angeführt wurden und auf die gleich des näheren ein-
gegangen werden soll.
Läfst man all die glänzenden Bilder, die der kunstlos
und schlicht erzählten Handlung als schimmernder Schmuck
eingefügt scheinen, noch einmal am Auge vorübergleiten, so
') Piquet: Etüde sur Hartraanu (VAue. Thise, Paris 1898.
OWEIN — TVAIN. lo3
findet man bald ein geraeinsames Band, das all die über den
gesamten Verlauf des Mabinogi zerstreuten Schilderungen
eint. Der eigentümliche Reiz, der über der ersten Stelle
(Kynons Ankunft im gastlichen Schlofs) ausgebreitet liegt,
ist dem ganzen Texte eigen. Ihm wenden wir uns im fol-
genden zu.
Es berührt zunächst seltsam, im ganzen Texte nicht
einen Versuch einer Charakterisierung einer handelnden Person
zu finden; einen schüchternen Ansatz, den ich als eine spätere
Hinzufügung betrachten möchte, mag man allerdings in den
ersten Worten der Erzählung des Kynon sehen:
„ J'etais fils unique de pere et de mere; j'etais fougueux,
d'une grande presomption, je ne croyais pas qu'il y eüt au
monde personne capable de me surpasser en n'importe quelle
prouesse. Apres etre venu ä bout de toutes Celles que
presentait mon pays, je fis mes preparatifs et me mis en
marche vers les extremites du monde et les deserts" (5, 9).
Dies ist, wie schon gesagt, die einzige Stelle, an der
eine Charakterschilderung versucht wird. Sonst beziehen sich
all die Angaben, die eine nähere Beschreibung irgend einer
Person enthalten, aussei) lief slich auf das Äufsere. Mit einer
Freude am. Schönen und GMänzenden berichtet der Kymre
von den prächtigen Gewändern und den kostbaren Geräten
und Waffen. Und sieht man genauer zu, so findet sich ein
roter Faden, der sich durch all diese Schilderungen zieht: es
ist all den auftretenden Peisonen — oder genauer gesagt,
einer später noch zu erörternden Gruppe von Personen —
eine Reihe von auf serlichen Erkennungszeichen eigen, durch
die sie sich von den anderen Gestalten deutlich abheben.
Es sei hier nur erinnert an die fast in allen Einzelheiten
übereinstimmenden Beschreibungen der Jünglinge und des
freundlichen Ritters vor dem gastlichen Schlofs, dann an
Laudine, an Lunete u. a. m. In diesen äufserlichen Angaben
— von denen ja oben eine grofse Zahl angeführt wurde —
erhebt sich zeitweise die Sprache des Kymren aus dem trocknen
Ton des — ich möchte fast sagen — Chronisten, dem sie
öfters bedenklich nahe kommt, zu lebensvoller Schönheit und
überraschender Farbenpracht.
l''>4 WALTER GREINER.
Es sei hier noch einmal auf die Stelle hingewiesen, an
der die Schönheit der Mädchen gepriesen wird: sie übertreffen
selbst die als Ideal der Anmut berühmte Königin:
. . . „la plus laide d'entre elles etait plus belle que la
jeune fille la plus belle que tu aies jamais vue dans l'ile
de Bretagne; la moins belle etait plus charmante que
Gwenhwyvar, femme d'Arthur, quand eile est le plus belle,
le jour de Noel ou le jour de Päques, pour la messe" (7, 3).
Dem stelle ich noch einmal die oben zitierte Beschreibung
aus Kulhwch et Ol wen zur Seite:
. . . „le coursier etait plus prompt que la chute de la
premiere goutte de rosee de la pointe du roseau sur le sol
au moment oü eile est le plus abondante au mois de juin".
Dies sind Bilder von fast bestrickender Pracht, wie wir
sie im Roman vergeblich suchen. Wie schon gesagt wurde,
wiederholen sich die gleichen Ausdrücke, die gleichen Um-
schreibungen namentlich in dem, was ich die Quellengeschichte
nennen möchte, mehrfach, ohne in das Einerlei stereotypen
Wortgeklingels zu verfallen. Und dafs diese Gefahr vermieden
wird, liegt, sagte ich, an dem Kunstmittel der Steigerung.
Gegenüber diesem Reichtum, ja Überflufs an äufserlichen
Schilderungen fällt der Mangel einer jeden Individualisierung
der handelnden Personen durch den Kymren mehr und mehr
auf. Es ist ein unbestreitbares Verdienst, ein grofser Vorzug
Chrestiens, dals er zu den Taten und Gestalten, die er
schildert, in ein persönliches Verhältnis tritt, ihre Handlungen
mit reflektierenden Betrachtungen begleitet. Die Schönheit
dieser Stellen — in Ermangelung einer besseren wolle man
sich des oben wiedergegebenen Exkurses über die Aufmerk-
samkeit erinnern (v. 150-175) — ist einem jeden bekannt,
der sich in die Meisterwerke des Dichters vertieft. Mag auch
gelegentlich einmal — vielleicht sogar vielfach — der reine
Genufs durch eine etwas ermüdende Subtilität und durch
Haarspaltereien und Spitzfindigkeiten getrübt sein, wir möchten
doch diese reflektierenden Teile in den Schöpfungen Chrestiens
nicht missen. An mehreren Stellen — auf sie wurde oben
in der Gegenüberstellung hingewiesen — finden sich bei ihm
Charakterschilderungen insbesondere der Helden. Ich erinnere^
IVAIN — OWEIN. 155
hier nur an das Gespräch zwischen Ivain und der Zofe im
Torraum (hier wird des Helden ritterlicher Sinn der beim
höfischen Feste allgemein zurückgesetzten und unbeachteten
Lunete gegenüber gepriesen), dann an die — wenn auch nur
kurze — Charakteristik des Verhältnisses der Zofe zu der
Herrin, die der Schilderung der diplomatischen Mission Lunetes
vorangeht und die man allerdings nicht gern missen möchte.
Von alle dem hat M. rein nichts. Als dem Owein die
Notlage der verwitweten Gräfin, die der Graf Alier hart be-
drückt, berichtet wird, hat er für sie lediglich die Worte:
„C'est triste" (35, 23).
Und ebenso heilst es bei der Erwähnung der Qualen des
Vaters, dem die beiden Söhne durch den Riesen geraubt sind:
„C'est assurement triste, dit Owein" (41,1).
An Stellen gleicher \\t — da mir die Auszüge aus
Geraint -Erec nicht mehr vorliegen, kann ich es nicht durch
Beispiele erhärten — dürfte Othmer auch vorzugsweise
gedacht haben, wenn er dem Kymren gegen das Ende hin
Nachlässigkeit oder steigende Unlust am Stoff vorwarf.
(Damit soll aber keinesfalls gesagt werden, dafs sich die
Othmersche Behauptung ausschliefslich auf diese oder ähnliche
Textstellen stütze.)-
Wie diese Erscheinung auf andere Weise folgerichtiger
und im Zusammenhang mit all den anderen Erscheinungen
erklärt werden kann, davon wird gleich die Rede sein.
Ich möchte nun die weitere Behandlung der Frage nach
dem Charakter M's dahin präzisieren, dafs der Gegenstand
des folgenden Abschnitts der Untersuchung der Stellung M's
innerhalb der Literaturgattungen gewidmet sein soll. Welcher
Dichtungsform gehört das Mabinogi an?
Schon Piquet sagte — die Äufserung wurde oben an-
geführt — , dafs wir uns als Kompilator M's jemanden zu
denken haben,
.,ä qui les expressions de la poesie populaire sont familieres."
Diese Worte schlielsen allerdings die Möglichkeit nicht
aus, dafs — um einmal zu der Grundfrage der Arbeit selbst
mich zu wenden — eine zielbewufste Bearbeitung und Um-
gestaltung des durch Chrestien bekannt gewordenen Stoffes
nach der Seite des Volkstümlichen hin stattgefunden habe.
156 WALTER GREINRR.
Gegen diese Annahme erheben sich jedoch schwere
Bedenken.
Zunächst spricht der oben erörterte Längenunterschied
der beiden Werke dagegen. Es war das Prinzip der Bearbeiter
jener Zeiten, die überlieferten oder übernommenen Stoffe durch
Hinzufügung von Eigenem oder anderweit Entlehntem zu
erweitern. Dies konnte umso leichter geschehen, als man
über Entlehnungen weit weniger streng dachte als in unseren
Tagen. So war es leicht möglich und wurde zum oft geübten
Brauch, Episode um Episode einem überlieferten Stoffe an-
oder einzufügen. Dieses Verfahren der Erweiterung über-
nommener Motive und Stoffe ist ja aus dem in Frage
kommenden Zeitabschnitt zu bekannt, als dals noch längere
Erörterungen nötig wären. Um so seltsamer aber mutet es
an, für das Verhältnis unserer beiden Texte gerade das vom
Gewöhnlichen abweichende Verfahren anzunehmen, M. als eine
vorsätzlich kürzende Bearbeitung des französischen Romans
zu betrachten, zumal das Mabinogi auf mich (und darin
stehen mir viele Ansichten zur Seite) keinesfalls den Eindruck
einer gekürzten, zusammenfassenden Übertragung oder Be-
arbeitung macht
Im gleichen Sinne äufsert sich Windisch a. a. 0. S.221:
„Zuerst habe ich bei einer Vergleichung des kymrischen
Ovveintextes mit dem altfranzösischen Ivaintexte die Über-
zeugung gewonnen, dafs keiner dieser beiden Texte vom
anderen abhängig ist, wenn wir nicht annehmen wollen, dafs
der Nacherzähler seine Worte absichtlich so ganz anders
gewählt habe, um seine Abhängigkeit nicht erkennen zu lassen.
Die Verschiedenheit in der Art der Erzählung ist umso auf-
fälliger, als die Handlung in allen ihren Teilen bis in Einzel-
heiten hinein dieselbe ist und nur gegen Ende eine gröfsere
sachliche Verschiedenheit zutage tritt." (Dafs ich bezüglich
des Maises der Übereinstimmung in der Handlang von
Windischs Ansicht abweiche, ist ja auf Grund der Gegenüber-
stellung hervorgehoben worden.)
Und an einer späteren Stelle (Seite 273). sagt Windisch
wieder:
„Diese durchgehende sprachliche Verschiedenheit im Aus-
druck ist für mich ein Hauptgrund, — trotz der grofsen
OWEIN — IVAIN. 1 57
Übereinstimmung in der Sache — , weshalb ich Chrestiens
Dichtungen nicht als die Vorlage der kymrischen Erzählungen
ansehen kann".
Dem gelinden Zweifel — den Windisch an der zuerst
angeführten Stelle und im gleichen Sinne noch einmal S. 273
äulsert:
„Wenn übrigens der Welschmann wirklich die Dichtungen
Chrestiens zu diesen Erzählungen in Prosa umgewandelt hätte,
so konnte er kein unbedeutender Mann gewesen sein. — Das
Bild, das Förster von ihm entwirft, würde ihm nicht gerecht
werden", — glaube ich doch begegnen zu können. Gegen
die bewufste und kunstmälsige Angleichung (um eine solche
würde es sich doch dann sicherlich handeln) an das Volks-
tümliche spricht vor allem noch ein Umstand.
Gesetzt, es sei wirklich M. auf dem Boden des Chrestienschen
Romans erwachsen und von den in diesem lebenden Ideen
durchdrungen, — wie erklärt sich dann von diesem Stand-
punkt aus die patriarchalische, fast dürftig anmutende Ein-
fachheit am Königshofe, die im schreienden Gegensatz steht
zu den Schilderungen, die vom Schlofs des gastlichen Ritters
und von dem der Laudine gegeben werden? Ich sehe auf
der eben genannten Basis keinerlei Möglichkeit, diese gewii's
auffallende Erscheinung zu erklären. Anzunehmen, dafs die
kymrische Erzählung zeitlich so weit nach Chrestiens Roman
entstanden sei, dafs inzwischen der Ruhm Arturs und all der
heroische und höfische Glanz, der ihn umgab, habe verblassen
können, geht nicht wohl an, nicht allein deshalb, weil gegen
diese Ansicht Stellen aus dem kymrischen Texte selbst sprechen.
Ich denke hierbei an Loth (1913) II, 7, 3; 21, 21 und 29, 1.
So bleibt denn nur die eine Möglichkeit, anzunehmen,
dals der kymrische Bericht in seiner patriarchalischen Ein-
fachheit — die sich auch besonders dadurch kennzeichnet,
dafs Artus seinen Waffengenossen gegenüber noch als Meth-
und Gastmahlspender aufgefafst wird — eben all die schim-
mernde Pracht und den höfischen Glanz noch nicht kannte, den
das Mittelalter um die Gestalt des dux bellorum gols, dafs
er — zum wenigsten stellenweise — auf Formen der Sage
zurückgeht, die weit vor der uns durch Chrestiens Werk
bekannten Fassung liegen.
158 WALTER GREINER,
Sodann spricht noch manches Andere gegen eine bewulste
Angleichung an das Volksmälsige. So scheint es mir un-
erklärlich, wie man die Gestalt Ivains, die ja — wie schon
oben gesagt wurde — bei Chrestien trefflich charakterisieit
ist, eines Mannes, der sich Rechenschaft gibt über seine Taten,
kurz: dessen Seelenleben uns näher gebracht wird, — wie
man eine solche Gestalt derart abschwächen konnte. Ich
weifs sehr wohl, dals eine solche Entwicklung an sich möglich
und auch durch Beispiele nachweisbar ist (Ich verweise auf
Piquets Dissertation, in der einmal hiervon die Rede ist.), so
seltsam auch ein solcher Vorgang am Helden selbst berühren
würde. Ich denke dabei nicht an den Mangel der Charak-
terisierung überhaupt, der gleich als auf ganz andrer Grund-
lage beruhend erörtert werden soll, ich meine vielmehr damit
Stellen, wie die oben angeführten:
„C'est triste, dit Owein".
„C'est assurement triste, dit Owein".
Es sei hier mit diesen beiden Gründen abgebrochen, da
ich im späteren Verlaufe der Arbeit noch auf diesen Punkt
zurückzukommen gedenke.
So dürfte also jetzt die Äufserung Piquets nach Beseitigung
der geäufserten Bedenken dahin zu präzisieren sein, dafs
es heilst:
Das Mabinogi zeigt — hier kommt natürlich zunächst
wieder lediglich der formelle Teil zum Ausdruck — deutliche
Merkmale der Volkspoesie, und, um gleich zum Folgenden
überzugehen: im besonderen des Märchens.
Wir fanden oben als stilistische Haupteigentümlichkeiten
des Mabinogi die folgenden:
1. Die Handlung ist auf ein knappes Mafs zusammen-
gedrängt, sie schreitet stetig fort; nachdenkliche Betrachtungen
der Geschehnisse und Personen und psychologische Feinheiten
sind ihr fremd.
2. In diese knappe Fassung der Handlung sind Schil-
derungen von hohem poetischen Reiz eingefügt (dals sie nicht,
wie behauptet wird, äufseres, entbehrliches Beiwerk bilden,
wurde des öfteren gesagt und soll noch erörtert werden), die
alle in Superlativen gehalten sind und gegebenenfalls vor
OWEIN — IVAIN. 159
arger Übertreibung- nicht zurückschrecken. Sie alle werden
verbunden durch einen gemeinsamen Gedanken: sie bringen
Bilder einer Gegend, eines Reiches von berückender Schönheit
und Pracht.
3. So oft die gleiche oder gar nur eine ähnliche Situation
geschildert wird, gefällt sich der kymrische Bericht in breiten,
behaglichen Wiederholungen, in denen selbst die gleichen
Ausdrücke, die in den vorhergehenden Stellen vorausgingen,
wieder verwandt werden. Die Eintönigkeit dieser Berichte
wird dadurch aufgehoben, dafs jeder folgende Bericht dem
vorhergehenden gegenüber eine gewisse Steigerung der Aus-
drucksmittel enthält.
4. Diese Wiederholungen finden sich auch inbezug auf
bestimmte Zahlenangaben; es wurde schon 'oben auf die aus-
schliefsliche Verwendung der Dreizahl hingewiesen, i)
Legt man sich aber nun — und damit komme ich zum
Ergebnis dieses formellen Teiles — die Frage vor, welcher
Literaturgattung diese gewifs auffallenden Kennzeichen des
kymrischen Berichtes eigen sind, so ergibt sich die Tatsache,
dafs sie sich völlig decken mit all den Eigentümlichkeiten,
die dem Volksmärchen — sei es auch in einer im I^aufe der
Zeiten geänderten Form — seinen unzerstörbaren Reiz geben,
ihm jenen unverwischbaren Zauber verleihen, der uns allen
vertraut ist.
Da ich mich auf den vorhergehenden Seiten gegen die
Möglichkeit einer bewufsten Bearbeitung M's nach der Seite
des Volksmäfsigen hin gewandt habe, ist eine noch weit
schärfere Fassung der Behauptung möglich:
Die Geschichte von der Dame von der Quelle hat die
— nicht auf dem Wege kunstmäfsiger Umgestaltung auf-
gepappten — Eigentümlichkeiten des Volksmärchens; ihre
Psychologie, ihre stilistischen Kunstmittel sind völlig die uns
aus jener Literaturgattung vertrauten.
') Eine Ausnahme in dieser Beziehung bildet lediglich die eine Stelle,
an der von der Keule des Waldschrats die Rede ist:
„La massue de fer qui, d'apres lui, aurait charge deux hommes, je
suis bien sur, Kei, que quatre hommes de guerre y eussent trouve leur
faix" (10, 8).
160 WALTER GKEINER.
Durch die oben unter 3. aufgestellte Beobachtung wurde
schon Rauch auf den Typus des Märchens geführt. Er sagt
Seite 53:
„Sich wiederholende Ereignisse werden mit der Aus-
führlichkeit des Volksmärchens unermüdlich mit refrainartig
wiederkehrenden Ausdrücken erzählt".
Auch Piquet äulsert sich auf Seite 178 seiner Abhandlung
im gleichen Sinne:
„Suivant les lois du conte populaire, les memes recits
sont faits dans des termes identiques et les memes expressions
reviennent dans des situations analogues".
Auch das Märchen kennt keine eigentliche Charakteristik
der handelnden Personen, höchstens insofern, als es einen
Typus vom anderen abgrenzt. Eine individualisierende Cha-
rakterschilderung oder Seelenanalyse wird man stets vermissen.
Setzt aber das echte Märchen — dieses ist natürlich hier
allein gemeint — zwei aus seinem reichen Vorrat typischer
Gestalten, die jedem bekannt sind, der sich an diesem un-
erschöpflichen Quell labte, einander gegenüber, so macht sich
die Neigung geltend, jeden der beiden zum Extrem auszubilden.
Und mit solchen Erörterungen rühren wir an die Anfättge
der Erzählungskunst überhaupt, ein Gebiet, auf dem „Wahrheit
und Dichtung" in der uns vorliegenden Literatur sich in
buntem Wechsel mischen, sodals man hier wohl versucht ist,
an des Mephistopheles Wort zu denken:
„Was diese Wissenschaft betrifft.
Es ist so schwer, den falschen W^eg zu meiden,
Es liegt in ihr so viel verborgnes Gift
Und von der Medizin ists kaum zu scheiden".
Es würde hier zu weit führen, auch nur auf ganz nahe
an unser Gebiet reichende Streitfagen einzugehen, auch würde
ihre gelegentliche Berührung im folgenden Teile angebrachter
zu behandeln sein.
Bemerkt sei hier nur, dafs wir auch auf diesem Gebiete
schweren Angriffen Försters zu begegnen haben. " Ich erinnere
hier nur, um etwas ganz Naheliegendes herauszugreifen, an
die „Besprechung" der Brownschen Ivainstudie im Yvain^,
Anmerkung zu Seite XXXI, XXXIV, XLIX-LII.
OWEIN — IVAIN. lt)l
Das Märchen also kennt keine individualisierende
Charakteristik, es stellt einen Typus dem anderen gegenüber,
wurde oben gesagt. Und mit wenigen derben Strichen wird
solch ein Charaktertypus gezeichnet, oft genug genügt ein
Satz, ein Wort, um ihn zu kennzeichnen.
Dals die primitive Erzählungskunst des Märchens zum
Extremen neigt, wurde schon oben gesagt. Es dürfte über-
flüssig sein, dies weiter auszuführen; ein jedes, auch all die
tiefen deutschen Volksmärchen, geben davon Proben. Diese
Entwicklung kann gegebenenfalls so weit gehen, dals die
geschilderten Gestalten an Wirklichkeit, an LeJjensfähigkeit
verlieren, dafs sie uns lediglich als Träger, als Verkörperung
einer Tugend oder Untugend, als Vertreter einer Idee, eines
guten oder bösen Prinzips erscheinen.
Eines der beliebten Kunstmittel des Märchens, das sich
gleichfalls durch zahlreiche Beispiele belegen läfst, ist die
Wiederholung, nicht lediglich einer Schilderung oder Be-
schreibung (davon war oben die Rede), sondern eines Vorgangs,
eines Abenteuers, einer Handlung.
Mit einem jeden, der ihm auf seinem Wege begegnet,
schliefst „Hans im Glück" seinen ihm in seiner Beschränkt-
heit so vorteilhaft erscheinenden Handel ab, und ein jedes
Mal — dies führt zu den oben gegebenen Erörterungen
zurück — erscheint der Kontrast zwischen dem Hingegebenen
und dem dafür Eingetauschten gesteigert.
Viele suchen vergeblich die mühsamen Wege zu über-
winden, deren Hemmungen ein jedes Mal aufs neue mit der
gleichen Treue erzählt werden, doch nur dem Einen gelingt
es, die Wunderblume zu finden.
Das sind Bestandteile des Märchens, die zu allgemein
bekannt sind, als dals ich noch weitere Beispiele dafür
anzuführen brauchte, zumal ich in einem späteren Abschnitt
darauf zurückkommen werde.
So finden wir auch in unserem Texte die Beschreibung
des Weges nach der Quelle ein jedes Mal in breiter Aus-
führlichkeit beschrieben; eine jede Stufe des Zuges nach ihr
wird in jeder Beschreibung wiederholt, soweit sie für die
Komposition der Handlung — das wird noch zu zeigen sein —
von Belang ist.
Zeitschrift f. celt. Philologrie XH, l. H
1Ö2 WALTER GREINEß,
Eines jeden Abenteurers gastliche Aufnahme im Schlofs
des Ritters nach beschwerlicher Reise durch montagnes und
deserts, eines jeden Begegnung mit dem Waldmenschen gibt
unser Bericht mit der gleichen Treue wieder.
Zu alledem kommen nun noch die Schilderungen eines
Reiches der Pracht und Schönheit, das alle Erwartungen und
Vorstellungen übersteigt. Dals es dem Kymren nicht darauf
ankam, über eine überlieferte Gestalt des Stoffes noch nach-
träglich diesen eigenen Schimmer auszugielsen, dafs es nicht
anzunehmen ist, dafs all diese Schilderungen eines im
schroffsten Gegensatze zu der nüchtern erzählten Abenteuer-
reihe stehenden Gebietes nachträglich mit bewulster Absicht
aufgeleimt wurden, habe ich schon oben gesagt.
A priori ist es sehr wohl möglich, einen fertig vor-
liegenden Stoff in ein völlig verändertes Milieu zu übertragen,
ihm ein gänzlich verändertes äulseres Gepräge zu geben.
Sobald sich aber dem genauen Beobachter die Überzeugung
aufdrängt, dals es sich bei dieser anderen Fassung nicht
lediglich um die Ausschmückung mit äufseren Zutaten
handelt, dals vielmehr all die Eigentümlichkeiten tief in der
Natur des Stoffes, in der Konzeption der Motive 'beruhen,
dann bleibt nur die Annahme einer Wesensverschiedenheit
von Grund auf als zu Recht bestehend.
Und so ist es mit unseren beiden Texten, das dürfte zur
Genüge aus all den bisherigen Untersuchungen, die über dies
Gebiet vorliegen und aus dem hier Dargelegten klar hervor-
gehen.
Und damit komme ich zum letzten Teile meiner Unter-
suchung; dem Stofflichen, dem ich einige Worte über die
Quellennachweise im Ivain vorausschicken möchte.
Dritter Abschnitt.
Beiträge zur Stoff- und Motivgeschichte.
Die nun folgenden Untersuchungen seien mit einer Frage
eingeleitet, die schon des öfteren behandelt worden ist. Es
ist die Frage nach den Quellenangaben im Ivain Chrestiens.
OWEIN — IVAIN. 163
Förster behauptet bekanntlich, dafs im Ivain im Gegen-
satz zu all den anderen Dichtungen des Franzosen jede
Andeutung einer Quelle fehle (Yvain^ XVIII) und sieht in
den Schlufsversen unseres Romans
6814 „Del Chevalier au lion fine
Chrestiiens son romanz einsi;
Qu'onques plus conter n'an oi,
Ne ja plus n'an orroiz conter,
S'an n'i viaut mangonge ajoster"
eine leere Formel, der keinerlei Bedeutung beizumessen sei.
Aus dem Fehlen jeglicher Quellenangaben zieht^ nun
Förster den gewichtigen Schlufs:
„Soviel ist mir aber wenigstens sicher, dafs das völlige
Schweigen über jegliche Quelle, der einzige Fall in seinen
Werken, einen bestimmten Grund haben mufs, und diesen
finde ich darin: Der Roman vom Löwenritter ist überhaupt
nach keinem livre und auch nach keinem conte gearbeitet,
sondern eine freie Schöpfung des Dichters".
Diesen Schlufs kann ich nicht als zwingend anerkennen.
Wir haben zunächst keinen Grund, gerade dieser einen Angabe
Chrestiens zu mifstrauen, wenn er sagt, dafs er mit einer
Fortführung des Romans — „Es ist doch wohl klar," sagt
Förster, „dafs der Dichter in derselben Weise noch weitere
7000 Zeilen neuer Abenteuer anreihen konnte!" — einen
Fehler begehe, den er selbst an seinen Zeitgenossen rügt.
Und wie ich schon oben erörterte, war das „mauQonge ajoster",
die willkürliche Erweiterung eines gegebenen oder überlieferten
Stoffes durch Eigenes oder Fremdes, gegebenenfalls beides in
buntem Wechsel verwoben, in jener Zeit das gewöhnliche
Verfahren.
Ich gebe gern zu, dafs die oben erwähnten Zeilen etwas
Formelhaftes an sich tragen, vermag aber diesem Umstand
keine weitere Bedeutung beizumessen. Zunächst haben wir
uns doch an Chrestiens Wort zu halten und ihm die gleiche
Wahrheit und Tragweite zuzumessen, die den Quellenhin-
weisen in den übrigen Werken des Dichters von selten
Försters ohne Bedenken zuerkannt wird. Ich sehe also keinen
Grund ein, diese Stelle gerade abweichend von allen übrigen
zu behandeln und betrachte den Versuch Försters, aus der
11*
164 WALTER GREINER,
Art dieser "Worte auf die Entstehungsweise des Romans zu
schliefsen, als verfehlt.
Zudem ist die oben angeführte Stelle nicht einmal die
einzige, die mir auf eine mehr oder minder nahestehende
Quelle hinzuweisen scheint. "William H. Carruth hat in seinem
Aufsatz (Foersters Chevalier au Lion and the Mabinogi.
Modern Language Notes, 1889) noch die folgenden aufgeführt:
2151 „Prise a Laudine de Landuc,
La dame, qui fu fiUe au duc
Laudunet dont on note un lai".
2685 „Et dist li contes, ce me sanble,
Que li dui conpaignon ansanble
Ne vostrent an vile desQandre".
Allzuviel wird man aus diesen dürftigen Angaben für
unseren Zweck nicht herauslesen können. "Wir erfahren
lediglich von einem lai, das den Vater der Laudine zum
Gegenstand hat und von dem -Chrestien direkt oder indirekt
Kenntnis hatte. Ob es in näherer Beziehung zu unserem
Texte stand, ob sein Inhalt sich auch nur mit einjem Teile
des von Chrestien behandelten Stoffes deckte, oder ob sich
die Dichtung auf eine völlig verschollene Geschichte bezog,
können wir nicht entscheiden. Und ebenso ist es mit der
zweiten Quellenangabe, die noch durch die Worte „ce me
sanble" als höchst problematisch gekennzeichnet wird.
Weit davon entfernt, in diesen unbestimmten und un-
genauen Angaben etwa die zuverlässigen Hinweise auf eine
genau kenntliche und von Chrestien benutzte Quelle zu sehen,
wende ich mich nur gegen die Förstersche Ansicht, dals im
Ivain jede derartige Stelle fehle. Es gibt deren vielmehr,
wie gezeigt wurde, auch in unserem Texte, und sie sind nicht
schlechter und nicht besser als die ihnen entsprechenden in
anderen Literaturwerken der gleichen Zeit.
Und vor allem wende ich mich dagegen, dafs aus dem
Fehleu einer untrüglichen Quellenangabe — die man nach
Lage der Verhältnisse und unter Eücjtsichtnahme auf das
Folgende besser gar nicht verlangen sollte — der Schlufs
auf die freie Erfindung des Stoffes von Seiten Chrestiens
gezogen wird.
OWEIN — IVAIN. 165
Aus Quellenangaben der vorerwähnten Art, und zwar
weder aus ihrem Vorhandensein noch aus ihrem Fehlen, lälst
sich meines Erachtens überhaupt nichts schliefsen, weder nach
dör einen noch nach der anderen Seite hin, und so- scheiden
sie als Beweismittel einer stoffgeschichtlichen Untersuchung
in jedem Falle aus.
Es bestand eben in jenen Zeiten einmal kein moralischer
Zwang, einen von aulsen her in den ursprünglichen Verband
der Stoffkonzeption eingefügten Teil als solchen zu kenn-
zeichnen. Nach seinem Belieben und ohne sich irgend-
welchen Vorwürfen des Publikums, das lediglich sensa^ons-
lüstern war — novis rebus studebant, der alte Charakterzug
unserer westlichen Nachbarn! — auszusetzen, durfte der
Dichter mit fremden Motiven frei umspringen: der Zweck
heiligte die Mittel. Es soll dies kein — im besonderen kein
gegen Chrestien gerichteter — Vorwurf sein. Stand er auch
weit über denen, die er oft in den heftigsten Worten
schmäht, — ich wurde einmal bei seinem ehrlichen Grimme
über die „Stümper" an ein Wort aus dem Faust erinnert:
„Sitzt ihr nur immer! Leimt zusammen,
Braut ein Ragout aus andrer Schmaus",
— so war er doch viel zu sehr ein Kind seiner Zeit, er, der
sein Publikum und dessen literarische Bedürfnisse genau kannte
und ihnen bereitwilligst entgegenkam, als dafs ihm in dieser
Richtung eine gar so absonderliche Ausnahmestellung zu-
zuerteilen wäre.
Auf der anderen Seite besagt das Vorhandensein von
Quellennachweisen, Hindeutungen oder Anspielungen der vor-
gezeichneten Art auch wieder gar nichts, insofern als man —
um die Glaubwürdigkeit eines Berichtes zu erhöhen — eine
fingierte Quelle angab, auf die das seltsame Geschehnis
zurückgehe.
' Ich erinnere an die zahlreichen Stellen dieses Inhalts bei
Chrestien und füge eine der Emeckeschen Dissertation ent-
nommene Auswahl an.
Cliges: 24—26, 3317.
Krec: 5738, 5390, 424, 967, 3678, 5330, 6876, 6764, 5938,
6247, 6520, 6790, 6767.
Ivain: 6535, 6800, 6816—6818.
166 WALTER GREINER,
(janz abgesehen sei hier von bewufsten Irreführungen
des Lesers durch wissentliche und absichtliche Hinweise auf
falsche, den tatsächlich benutzten völlig fernstehende Quellen,
ein Verfahren, das nach dem eben Gesagten ebenfalls nicht
auf serhalb des Bereichs des Möglichen liegt. Nimmt man
noch hinzu, dafs bei diesem Verfahren notwendig eine Ent-
wicklung zum Formelhaften eintritt, so kann über den Wert
solcher Stellen kein Zweifel mehr sein.
Im Sinne der eben gegebenen Darlegungen spricht sich
auch Carruth a. a. 0. aus:
„In some familiär cases of wholesale cribbing the Operator
has made no acknowledgement of his obligations and, on
the other band, it was common to refer to a fictitious source
in Order to win more authority and credence".
Die Ergebnisse einer Untersuchung dieser Quellennach-
weise sind also in der Tat kümmerlich genug, für die Ent-
stehung und Stoffgeschichte des sie enthaltenden Dichterwerkes
sagen sie rein nichts. Und selbst dem, der sich trotz all
diesem auf sie als glaubhafte Zeugen stützt, liefern sie keinerlei
Ausbeute inbezug auf die Art der in ihnen erwähnten Quelle;
diese selbst bleibt nach wie vor völlig iöi Dunkeln.
Damit sei dieser Abschnitt beendet und sein Ergebnis
noch einmal zusammengefafst:
Aus dem Fehlen oder Vorhandensein von Quellenangaben
der erwähnten unbestimmten Art auf die Entstehungs- und
Kompositionsweise der Dichtung zu schlief sen, entbehrt jeder
Berechtigung. Und damit scheiden diese Hinweise von selbst
aus unserer Untersuchung aus.
Und nun komme ich zum letzten Teile meiner Unter-
suchung: dem Stofflichen. Es wurde oben gesagt, dafs auf
einer Vergleichung beider Texte allein die Frage nach dem
Verhältnis Owein-Ivain nicht restlos gelöst werden kann.
Dies gilt nicht lediglich für die im ersten Teile gegebenen
formellen und stilistischen Erörterungen, sondern auch in
vollem Mafse für das Folgende. Immerhin wird auch hier die
oben bezeichnete Basis noch beibehalten und nur im Falle sie
unzulänglich erscheint auf Weiterliegendes eingegangen werden.
OWEIN — IVAIN. 167
Ich knüpfe an an das Ergebnis des allgemeinen Teils.
Es war gezeigt worden, dafs das Mabinogi von der Dame
von der Quelle den Stilcharakter und die unverkennbaren
Eigentümlichkeiten des Märchens in vollem Mafse besitzt; es
war begründet worden, dafs, da von einer nachträglichen,
kunstmälsigen Bearbeitung nach der Seite des Volksmärchens^
hin keine Rede sein kann, der kymrische Text als ein Märchen
bezeichnet werden mufs.
Die Grundlage all des Bisherigen waren stilistische und
formelle Untersuchungen. Sie sollen nun nach der stofflichen
Seite hin ergänzt werden.
Es war oben mehrfach von einem gemeinsamen Bande
die Rede, das den gesamten Verlauf des kymrischen Berichtes
umschlinge, sich durch alle Teile ziehe und ihm sein eigen-
artiges Gepräge verleihe. Von diesem soll jetzt des näheren
noch gehandelt werden.
Zunächst sei noch auf zwei Besonderheiten M's hin-
gewiesen, deren Erörterung die Einleitung zu Browns jüngster
Veröffentlichung bildet.
Auf die an erster Stelle von Brown behandelte „In-
konsequenz" jVI's bezüglich des Ringes, der dem Helden von
der Dame gegeben wird und der den zeitweiligen Träger
gegen allerlei Schaden schützt, habe ich schon in der
Gegenüberstellung hingewiesen. Während bei Chrestien die
Verse 2600 — 2613 die Übergabe des Ringes an den Helden
zum Gegenstand haben, fehlt beim Kymren jeder Hinweis
auf diese notwendige Handlung. So mufs uns die dem
Chrestienschen Verse 2777:
;,Si 11 oste l'anel del doi"
entsprechende Stelle (Loth II, 33, 15)
„Elle s'avan^a en face d'Owein, et lui enleva la bague
qu'il avait au doigt"
als völlig unvermittelt auffallen. Eine Lücke klafft an dieser
Stelle, die unverkennbar und unbestreitbar ist. Es soll auf
einmal dem Helden etwas weggenommen werden, von dessen
Vorhandensein wir überhaupt keine Kenntnis erhalten haben.
Diese Lücke im vorliegenden kymrischen Bericht aus-
zufüllen, bietet sich zunächst auf unsrer bisherigen Basis
168 WALTER GREINER.
keinerlei Möglichkeit. Wie aber unter Berücksichtigung einer
durch Brown in geistvoller Weise erschlossenen und in den
im Mabinogi noch erhaltenen Spuren noch erkennbaren früheren
Fassung dieser Widerspruch zu lösen ist, möge man dort
nachlesen.
Eine gleich schwere Inkonsequenz konstatiert Brown
Mab. 19, 12 = Chr. 1001 f.
Es sind dies die ersten Worte, die die als Retterin er-
scheinende Zofe dem zwischen den Toren eingeschlossenen
Helden zuruft. Ihnen liegt in beiden Fassungen eine gewisse
Vertraulichkeit zugrunde :
Chr. 1001 „Sachiez bien, se je pooie
Servise et enor vos feroie!
und Mab. 19,11:
„C'est vraiment pitie, dit la pucelle, qu'on ne puisse
te delivrer. Ce serait le devoir d'une femme de te rendre
Service."
Soweit ist alles klar. Während aber nun Chrestien diese
vertrauliche Hilfsbereitschaft mit einer früheren engeren Be-
ziehung zwischen Owein und Lunete begründet und so völlig
ausreichend erklärt, gibt M. über die Entstehung der Sympathie
der Zofe für Owein keinerlei Aufschluls. Dies berührt zunächst
um so merkwürdiger, als die Ausdrücke im M. noch bei weitem
mehr Vertraulichkeit in sich tragen als die ja auch erheblich
kürzeren Worte der Zofe bei Chrestien.
Den Schlufs, den Brown am Ende dieses Abschnittes
zieht, vermag ich keinesfalls als notwendig und gerechtfertigt
anzuerkennen.
Das Vorhandensein von Lücken im kymrischen Bericht
an Stellen, die bei Chrestien dem Verständnis keinerlei Schwie-
rigkeiten bieten, spricht keinesfalls für die Wahrscheinlichkeit
eines "lost leaf" (Brown) oder — mit anderen Worten — für
eine Abhängigkeit M's vom französischen Roman.
Ich stütze mich hierbei auf einen Ausspruch Piquets
(a. a. 0. S. 179), in dem es heilst, dals sich auch von unserem
Standpunkt der Unabhängigkeit M's aus eine völlig befrie-
digende und ausreichende Erklärung der Kompositionsfehler
— soweit solche überhaupt letzten Endes unbestreitbar vor-
handen sind — im Märchen ergibt:
OWETN — IVAIN. 169
„II est naturel que le recit ancien — die erschlossene und
zu fordernde ältere Fassung der Oweingesehichte, auf die
unsere beiden Texte zurückgehen, — presente des maladresses,
des gaucheries, que Chretien, poete de talent et d'une edu-
cation superieure, a facilement evitees, et cet argument de
M. Othmer se retourne contre lui."
Zudem scheint mir — und damit komme ich zum letzten
Abschnitt — hier etwas ganz Anderes vorzuliegen. An der
zuerst besprochenen Stelle — der auf den Ring bezüglichen
— einen Mangel des kymrischen Berichtes festzustellen, darum
kommen wir mit allen geistvollen Konstruktionen nicht herum.
Dals aber die Annahme eines lost leaf, mit der Brown rasch
bei der Hand ist, keinerlei zwingende Kraft hat, dürfte aus
der gegebenen Erklärung hervorgehen.
Ich habe schon oben auf den Höhepunkt des ersten Teiles
unserer Handlung hingewiesen, auf die Neigung Oweins zur
Schlolsherrin.
Genau wie mir dort die lapidare Kürze des Berichtes im
Gegensatz zu den gewifs schätzenswerten und trefflichen
ReflelJiionen, mit denen Chrestien uns die aufflammende Leiden-
schaft des Helden erklärt, keinesfalls als ein Mangel M's
erscheint, so auch hier.
Hiels es dort — die Stelle wurde bereits oben einmal
angeführt:
„En la voyant, Owein s'enflamma de son amour au
point qu'il en etait parfaitement penetre",
und erscheint uns dieser plötzliche Schritt vom Standpunkt
der primitiven Psychologie des Märchens — allgemein ge-
sprochen — völlig genügend erklärt, so meine ich, sollte man
auch hier von dieser Basis ausgehen.
Owein ist eben — dazu komme ich gleich im Schluls-
abschnitt — der wahre Held des Märchens, der über alle
Schwierigkeiten siegt; er ist der Held, dessen Bestimmung es
ist, ins Schlols, ins Reich der Laudine einzudringen, das allen
übrigen Menschenkindern durch Hemmungen verschiedenster
Art verschlossen bleibt. Und vergegenwärtigt man sich den
noch aus der früheren Fassung herüberschimmernden Rest
der ehemaligen Stellung der Zofe als der Botin, die den
Zugang zum Wunderreiche dem Auserwählten ermöglicht oder
170 WALTER GREraER,
erleichtert, bedarf es dann noch einer Erklärung für die
Worte, mit denfen sie den Retter — um einmal auf das von
Förster herangezogene Motiv der Befreiung, das ja auch
Ehrismann erwähnt, zu kommen — begrüfst, begrüfsen muls?
Und so ziehen sich diese Spuren der von Brown, Ehris-
mann und vielen anderen erschlossenen und geforderten älteren
Fassung durch unseren ganzen Text und vereinen sich in
ihrer Fülle, über- die eine beträchtliche Zahl von Einzel-
untersuchungen vorliegt, zu dem einen Gesamtergebnis der
Untersuchung. Aus dem reichen bearbeiteten Material wähle
ich aus technischen Gründen einige wenige Beispiele, die sich
über das gesamte Gebiet erweitern und ergänzen lassen und
auch schon in diesem Sinne behandelt worden sind. Immer
und immer wieder ist es das Eine: Die Märchenmotive und
Sagenbestandteile, die wir noch in den Romanen des Franzosen
deutlich erkennen, sind im Mabinogi in einer zweifellos als
älter und ursprünglicher erwiesenen Fassung enthalten. Und
so gibt es für die oben konstatierte Wesensungleichkeit der
beiden 0 Weinbearbeitungen nur die eine Möglichkeit: Eine
direkte Abhängigkeit des einen vom anderen ist nicht zu
erweisen. Aus dem erörterten Charakter M's ergibt sich
vielmehr für das Verhältnis beider nur die eine Möglichkeit
einer Erklärung:
Wir müssen für Owein sowohl als auch für Ivain eine
Entwicklung aus einem gemeinsamen Grundstoff annehmen,
dessen Beschaffenheit nicht ohne weiteres erklärt werden
kann. Dieses nun, die geforderte gemeinsame Quelle beider
Werke, mag von den beiden uns vorliegenden Endpunkten der
Entwicklung verschieden weit entfernt liegen. Der Gang der
Entwicklung selbst kommt für den engeren Zweck der Unter-
suchung nicht in Frage, dafs aber beide Fassungen sich im
angedeuteten Sinne zurückverfolgen lassen, ist Gegenstand so
vieler Forschungen gewesen, dafs es hier als gefestigtes
Ergebnis genannt werden kann. Dort mag man auch all die
Einzelheiten nachlesen, die nun im Endergebnis zusamraen-
gefalst werden sollen.
Zuvor aber sei wenigstens an einem Beispiel die Wahrheit
des eben Gesagten erhärtet.
OWEIN — IVAIN. 171
Folgen wir einmal dem Gange der Handlung, so würde
als erster Gegenstand der Betrachtung das gastliche Schlofs
auf dem Wege zur Gewitterquelle in Frage kommen.
Die Beschreibung des Weges nach dort ist bei Chrestien
ziemlich unbestimmt, auf die Entfernung des Schlosses vom
Königshofe oder auf die Dauer von Kalogrenants Abenteuer-
fahrt lälst sich auch nicht das mindeste schliefsen. Dals an
eine grölsere Entfernung gedacht ist — ganz im Sinne des
Märchens, in dem einer in die weite Ferne zieht, um Un-
erhörtes zu erleben — , scheint mir in dem „trovai" = „da
stiefs ich einmal zufällig auf einen Weg", zu liegen. — Ehris-
mann hat ja den planlos auf Abenteuer ausziehenden Ritter
mit deF Dümmliugssage (Parzival!) in Verbindung gebracht
und ihn als echten Märchentypus hingestellt. — Mühevoll
und an Gefahren reich ist der Weg, und nur dem Beharrlichen
winkt das Ziel.
Wie schon oben in der Gegenüberstellung gesagt wurde,
schiebt M. in die Schilderung des Weges zum Schlofs noch
ein Motiv ein, das bei Chrestien fehlt und das ich — im
Anschluls an schon mehrfach in einschlägigen Arbeiten
gegebene Erörterungen — „das Paradiesgartenmotiv" nennen
möchte.
Der Kymre gibt die Beschreibung eines Tales, in das
der Ritter zufällig gelangt („ä la fln je tombai . . . ." wurde
ja schon oben zitiert); dieses Tal ist von überraschender
Schönheit und wird von einem Fluls durchströmt, der in
seinem weiteren Laufe auch den Fuls des Schlosses bespült:
5, 16 ... „un vallon le plus beau du monde, couvert d'arbres
d'egale taille."
Zu diesen Worten gibt Lady Guest in ihrer Mabinogion-
Ausgabe eine gröfsere Anmerkung, in der sie ausführt, dafs
das Motiv der gleich gewachsenen Bäume, eines solchen be-
rückend schönen Tales sich in der keltischen Literatur häufig
finde. Sie belegt das durch eine Stelle aus dem Barden
Gruffydd ab Adda:
„In the furthermost of this forest he saw a level
green Valley and trees of equal hight"
— also genau dasselbe Motiv, das im Owein vorkommt.
172 WALTER GREINEB,
Der Vollständigkeit halber bringe ich nocli die andere von
Lady Guest an dieser Stelle angeführte Schilderung gleichen
Inhalts:
Sie stammt aus Chaucers Flour and Life:
„Wrethen in fere so well and cunningly,
That every brauch and leafe grew by mesure
Plaine as a bord, of an height by and by."
Das Motiv des vom Flufs durchzogenenen Tales vor dem
Schlosse, zu dem der Held zieht, habe ich nun — bei gelegent-
lichem Suchen; diese Zitierung macht also auf Vollständigkeit
keinen Anspruch! — an zwei Stellen im Peredur wieder-
gefunden, die hier folgen:
Loth II, 98 (Ausgabe von 1889):
„Dans la jeunesse du jour, Gwalchmei arriva dans une
vallee arrosee par une riviere oü il apergut un chäteau
fort > avec une grande cour et couronne de tours süperbes
et trös elevees. II vit en sortir un Chevalier partant pour
la chasse montö sur un palefroi d'un noir lujsant. . ."
Gwalchmei grülst ihn, es folgt ein herzlicher GegengruTs,
dann die Einladung zur Nachtruhe — alles wie in unserer
Geschichte.
Dasselbe Motiv wird nun bis > wiederholt S. 101;
dann folgt:
„II (Peredur) suivit quelque temps la grand'route,
puis il prit un chemin qui le mena ä travers un bois. En
en sortant il apergut un chäteau qui lui parut habite."
So ist dies Motiv als im besonderen auch dem Kymren
eigentümlich und geläufig nachgewiesen.
Der Schlofsherr nun, der bekanntlich zu einer Gestalt
von märchenhafter Pracht ausgebildet erscheint, führt den
Helden ins Innere des Schlosses. Dabei ist meines Erachtens
noch eine Stelle besonders bemerkenswert.
Bei Chrestien ruft er durch ein Gongzeichen die Bewohner
„eil qui amont ierent anclos" (220) zusammen. Dies erschien
uns oben in der Gegenüberstellung mit Recht als ein recht
sonderbarer Ausdruck, der nunmehr geklärt werden soll.
OWEIN — IVAIN. 173
Des Kymren Bericht weicht an dieser Stelle nicht un-
wesentlich ab. Der Ritter wird ins Innere der Schlofs-
gebäude selbst geführt und findet dort im Saal die Mädchen
versammelt, deren Schönheit ja in den oben zitierten Aus-
drücken gepriesen wird.
Da aber heilst es, und diese Fassung wirft auch auf das
Rätsel in des Franzosen Bericht Licht.
,11 n'y avait pas d'autres habitants que ceux qui se
trouvaient dans la salle. La se tenaient vingt-quatre
pucelles. . ." (6, 20).
Es erscheint uns befremdlich, im Ritter, seinen beiden
Begleitern und andrerseits den Mädchen die einzigen Bewohner
des Schlosses sehen zu müssen. Die beiden Jünglinge, die
dem Ritter so völlig gleichen, verschwinden auch alsbald füi'
immer aus der eigentlichen Handlung und treten erst wieder
in der entsprechenden Szene im späteren Verlaufe der Hand-
lung auf, oder, wenn wir den Begriff der typischen Märchen-
gestalt auch hier anwenden, sie erscheinen jedesmal, wenn
ein Ritter sich der Burg naht.
So mag ihre Einfügung . in die Handlung im Mabinogi
zunächst völlig zwecklos erscheinen. Von unserem Stand-
punkte aus, dals wir nämlich M. im Grunde als ein echtes
Märchen betrachten, meine ich aber doch ihre Einfügung
völlig rechtfertigen zu können.
Antti Aarne geht in seiner Abhandlung (Vergleichende
Märchenforschungen, Helsingfors 1907) auf die Veränderungen
ein, die ein Volksmärchen im Laufe der Zeiten erfährt und
stellt für eben diese Wandlungen, die sich nach bestimmten
Gesetzen des Denkens und der Phantasie vollziehen, Richt-
linien auf, aus denen ein Entwickelungsgaog mir hier in
Frage zu kommen scheint:
„Eine ganz gewöhnliche Erscheinung ist in den Volks-
märchen auch die Vervielfältigung eines Ereignisses oder
Gegenstandes" (§.671).
Es bietet sich bei einer ausführlicheren Untersuchung des
gesamten Ivainstoffes — die ich mir unter Verwendung des
aus räumlichen Gründen in dieser Arbeit nicht verwendeten
Materials für später vorbehalten möchte — Gelegenheit, auf
dieses Motiv und sein mehrfaches Vorkommen in unsrer
174 WALTER GREINER,
Geschichte noch des näheren einzugehen. Hier sei nur gesagt,
dals ich die beiden Jünglinge, die neben dem Ritter den
jeweils Ankommenden begrülsen, einfach vom oben erwähnten
Standpunkte aus als Varianten der Hauptfigur auffasse, die
ihre Existenz lediglich dem Bestreben verdanken, der Szene
mehr Eindrucksfähigkeit und Lebendigkeit zu geben.
Doch um wieder zum Ausgangspunkte zurückzukommen!
Es wurde gesagt, es sei auffallend, dals als einzige Bewohner
des Schlosses nach dem Berichte des Mabinogi — Chrestiens
Angaben sind ganz allgemein gehalten und geben auf diese
Frage keinerlei Antwort — nur eben der Schlofsherr (die
beiden Jünglinge bleiben aus dem eben erörterten Gedanken-
gange heraus beiseite!) und die Mädchen genannt werden.
Auch hierin möchte ich ein Märchenmotiv sehen („Märchen"
hier wie im ganzen Abschnitt in jenem erweiterten Sinne
gebraucht, von dem Ehrismann a.a.O. spricht!), das in unserem
Texte noch einmal verwandt wird und sich im Mabinogi noch
deutlicher zeigt als im französischen Roman.
Hertel (Verzauberte Örtlichkeiten und Gegenstände in
der altfranzösischen erzählenden Dichtung; Diss. Göltingen
1908) spricht im ersten Abschnitt -^on den Feenschlössern.
Dort heilst es:
„Abgesehen von der grolsen Pracht (Brown!) weisen sonst
die Feenschlösser keinen wesentlichen Unterschied im Vergleich
zu den menschlichen Schlössern auf. Im Innern aber zeigt
sich das Übernatürliche des Schlosses und seiner Bewohner
auf mancherlei Weise, wobei einige Züge häufiger wiederkehren."
So finde man das Schlofs häufig völlig menschenleer.
Dafür gibt H. zwei Belege, den einen aus dem Guingamor:
(392) „De ce li a samble le pis
C'ome ne feme n'i trova."
den anderen aus dem Parthenopeus de Blois:
(895) „Mais tot li samble cose huisdive
Quant il n'i voit rien nule rien."
Hertel geht auch auf die allgemeinen Kennzeichen der
Märchenschlösser ein.
Sie bieten, wie schon erwähnt wurde, ein Bild gröfster
Pracht, die kostbarsten Baustoffe und der herrlichste Schmuck
OWEIN — IVAIN. 175
sind verwandt, und meist erkennt man diese Bauwerke schon
von weitem durch den Glanz — auch in unserem Texte heilst
es ja „etincelant" — , den sie bis in die Ferne hin ausstrahlen.
Ich erinnere nur an den Eindruck, den im Märchen der
Ritter nach dem Zuge durch das paradiesisch schöne Tal vom
funkelnden Schlois erhält. Dals dagegen Chrestiens nüchterne
Schilderung:
191 „ ... vi une bretesche . . .
195 Et vi le baille et le fosse
Tot anviron parfont et le."
farblos und matt erscheint, braucht nicht erst gesagt zu
werden.
So ist auch mit dem Eingangstor, über dessen Schilderung
ja schon oben des näheren berichtet wurde. Wohl ist es an
dieser Stelle Chrestiens Verdienst, der Beschreibung noch
einen besonderen Reiz dadurch zu verleihen, dafs er den
Raum zwischen den beiden Fallgattern in überaus kunstvoller
Weise von einem gemalten Sternenhimmel überwölbt sein
läfst, doch finden wir auch beim Kymren Angaben, die auf
prächtige Ausgestaltung schlief sen lassen.
um auf das Vorige noch einmal zurückzukommen, nämlich
die Erörterung der Tatsache, dals die Feen- oder Märchen-
schlösser oft als völlig menschenleer beschrieben werden, sei
gesagt, dals dieser Zug auch in unserem Text noch einmal
wiederkehrt und zwar nicht lediglich in der Wiederholung
des eben erwähnten Berichtes bei der Erwähnung von Oweins
Zug nach der Quelle, bei seiner Einkehr im gastlichen Schlosse,
sondern bei der Beschreibung der Verfolgung des todwunden
Ritters. Es heilst dort in beiden Fassungen, dafs der fliehende
Verteidiger der Quelle und der ihm auf dem Fulse folgende
Sieger im Zweikampf auf ihrem rasenden Ritte selbst durch
die Stralsen des der Burg vorgelagerten Fleckens
Chr. 903 „N'ome ne fame ne troverent
Es rues, par ou il passerent"
keinem Menschen begegnen, und als im M. Owein vom Tor-
raum aus freie Aussicht nach einer Stralse hat, erblickt er
niemand, bis endlich dann das Fräulein ihn aus seiner
Bedrängnis rettet.
176 WALTER GREINER,
So finden wir in unseren beiden Berichten Märclienmotive
in Hülle' und Fülle, und alle sind im kymrischen Text teil-
weise noch deutlicher erkennbar, teilweise in ursprünglicherer
Form erhalten. Es sei an dieser Stelle noch einmal der
Ehrismannschen Abhandlung (P. B. B. 30, 14 f.) gedacht, sowie
auch der Settegastschen Ivainstudie.
Brown führt zur Erklärung der Tatsache, dals aulser
dem Schlofsherrn und den schönen Mädchen niemand das
Schlofs bewohnt, eine Anzahl von Belegen aus irischen Sagen
an, in denen uns dies Motiv stets wieder entgegentritt. Schon
Villemarque gibt in einer Anmerkung eine Erklärung dieser
Stelle im wälschen Text und äufsert sich auf Grund einer
Angabe im Itinerarium Cambriae des Giraud le Gallois cap. X
dahin, dafs die Sitte des Empfangs durch junge Mädchen im
12. Jh. allgemeine wälsche Sitte gewesen sei. Dies erscheint
mir als Beweisgrund weniger geeignet; stärkere Stützen der
eben gebrachten Ansicht, dafs wir in diesen Angaben echt
keltische Sagenbestandteile sehen müssen, meine ich, bilden
die von Brown angeführten Belege (a. a. 0. 160, 4 f.).
Aus ihnen möchte ich zwei auswählen, die mir besonders
an die im vorliegenden Text enthaltenen Stellen anzuklingen
scheinen.
Echtra Condla Chaim (Windisch, Kurze Gram. 118—121).
„There are no people there except women and maidens."
Dazu füge ich aus Browns Zusammenstellung noch das
Folgende aus Serglige Conculaind (Irische Texte I, 217, —
vor allzu weitgehender Vergleichsheranziehung dieser Dichtung
namentlich inbezug auf den Wahnsinn Ivains warnt Windisch
an mehreren Stellen!)
„a place that bands of women, frequent"
und an andrer Stelle:
„I saw women in a Company;
I saw many maidens also''.
Dieser unverkennbaren Märchenzüge in der Schilderung
alles dessen, was mit dem Schlosse des gastlichen Ritters
zusammenhängt und von dem wir vieles im Schlofs der Laudine
wiedererkennen, dann endlich ins Eeich der Fomore (Brown'
a. a. 0.!) übertragen, im Schlofs des Noir Oppresseur, in dem
OWEIX — IVAIN. 177
wir mit Settegast Anklänge aus dem Minotaurus- Motiv der
Alten wiedererkennen, liefsen sich noch viele anführen. Ich
verweise auf Browns Deutung all dieser Züge, des Schweigens
während des Mahles, des kostbaren Gerätes u. a. m.
Als Kynon-Calogrenant (und im späteren Teile Owein-
Ivain; diese beiden Handlungen laufen ja, wie schon oben
gesagt wurde, völlig parallel) den Ritter im Schlofs nach
einem Abenteuer fragt, — bei Chrestien geht bekanntlich der
Zug zum Abenteuer nach der Nachtruhe im Schlofs unmittelbar
weiter bis zum Gehege des Waldschrats, von dem dann Ivain
erst Aufschlufs erhält, während im M. diese Hinweisung auf
das Abenteuer zwei Personen zugeteilt ist — (der Waldmensch
als Variante des Ritters?) — heifst es im Mabinogi:
„II me regarda et sourit" (9, 3).
Ich habe schon in der Gegenüberstellung auf diese Worte
hingewiesen und sie in Parallele gesetzt zu denen, die die
Entgegnung der vom feindlichen Nachbar (dem Alier Chrestiens)
hart bedrängten Gräfin auf Ivains Verlangen nach Rols und
Waffen enthalten:
„La comtesse mit ä rire" (36, 26).
Für diese und die den beiden angeführten unmittelbar
folgenden Stellen:
„Si je ne croyais qu'il düt t'en arriver trop de mal, je
t'indiquerais ce que tu cherches" (9, 4).
und
„J'aime mieux qu'il les (das Rofs und die Waffen)
prenne que de les voir devenir la proie de mes ennemis
demain malgre moi, et cependant je ne sais ce qu'il veut
en faire" (36, 30)
sehe ich nun auf Grund unserer^ Ansicht vom deutlich
erkennbaren ursprünglicheren Feenmärchencharakter der
Geschichte von Owein und Laudine eine Möglichkeit völliger
Erklärung.
Diese Erklärung würde sich auch gleichzeitig über eine
Stelle aus dem Beginn unseres Berichtes erstrecken, über die
Ankündigung der Erzählung des Calogrenant.
Man erinnert sich dals diese erste Erwähnung der wunder-
samen Reise nach der Gewitterquelle in beiden Fassungen
Zeitschrift f. celt. Philologie XII, l. 12
178 WALTER GREINER,
mit geradezu sich diametral gegenüberstehenden Ausdrücken
geschieht. Man vergleiche:
Chrestien 59 f. (Calogrenanz)
„Qui lor ot comancie un conte
Non de s'enor, mes de sa honte"
und Mab. 4, 17
. . . „ensuite nous te dirons le meilleur recit du monde
que nous pouvons savoir".
Dazu nehme ich noch den Nachsatz des Berichtes in
beiden Fassungen:
Chr. 577 „Einsi alai, einsi reving,
Au revenir por fol me ting;
Si vos ai conte come fos
Ce qu'onques mes conter ne vos".
und Mab. 15, 12
„Dieu sait que personne n'a jamais avoue pour son
compte une aventure moins heureuse que cella-lä".
Wiederholungen des gleich bei Chrestien zu kennzeich-
nenden Gedankengangs finden sich noch anläfslich der Auf-
forderung von selten der Königin, die Geschichte auch ihr
zu erzählen:
142 „Certes, dame, ce m'est mout grief
Que vos me comandez a feire"
und in Ivains Versprechen:
589 „J'irai vostre honte vangier".
Von dem oben erörterten Standpunkte aus ergibt sich
nun zur Erläuterung dieser Differelizen zwischen beiden
Fassungen das Folgende:
Falst man „Owein" als Märchen, dann bedarf schlief slich
derjenige, der auf ein wunderbares Abenteuer auszieht und
dem sein Unternehmen fehlschlägt, nicht im mindesten der
Entschuldigung für sein Milsgeschick; wohl kann er es bedauern
und das Mitgefühl derer wecken, die seinem Berichte lauschen,
doch gibt es für ihn keinen Grund zu Selbstanklagen und
Vorwürfen.
OWEIN — IVAIN. 179
Beim Roman liegt nun dies alles völlig anders. Wir
finden bei Chrestien — das dürfte zur Genüge hervorgehoben
^yin _ den Schimmer des Märchens verblafst, vieles mag
ihm unverständlich geworden und mit seinem Bestreben, die
ihm vorliegenden Stoffe nach einer bestimmten Idee um-
zugestalten, sie einem Leitmotiv unterzuordnen, unvereinbar
erschienen sein.
Vor allem war er genötigt, vieles verstandesgemäfs zu
erklären, wofür M. als echtes Märchen einfach die nackte
Tatsache hat.
Seine Helden sind eben höfische Ritter, deren Ansichten
von dem Ideal der corteisie beeinflufst sind und denen am
rühmlichen Bestehen eines jeden Abenteuers, an einem makel-
losen Ehrenschild alles gelegen ist.
„Miauz vaÄt ancor, ce m'est avis.
Uns cortois morz qu'uns vilains vis"
heilst es in unserem Texte selbst.
Und so mufs es auch dem Calogrenant als einem echten
Vertreter dieses höfischen Prinzips überaus peinlich sein,
gerade der Königin — die ihn seiner erst eben bewiesenen
Galanterie halber besonders hoch schätzen mochte — einen
Bericht von den unrühmlichsten Stunden seines Lebens zu
geben. Von dem märchenhaften Charakter all der Stätten
und Gestalten, an die der Ritter gelangt, denen er auf seinem
Zuge begegnet, sind nur noch Spuren im Roman zu finden,
und so erscheint das ganze Abenteuer in einem wesentlich
dem Alltäglichen sich nähernden Rahmen.
Es ist ein Kampf zweier Ritter, wie er alltäglich statt-
gefunden haben mag; als wunderbares Element bleibt im
ersten Teil des Romans bei Chrestien lediglich die Wunder-
quelle bestehen.
Und so mufs denn Calogrenant, — der ja nicht gegen
einen „otherworld-hero" kämpft, sondern gegen einen Ritter
aus Fleisch und Blut wie er selbst einer ist, — sich seines
unrühmlichen Abenteuers schämen und seine Ehre wieder-
herzustellen suchen. Daher rühren all die Hinweise auf die
Schande, auf das Ehrenrührige, die ihn fast zur Verzweiflung
brachten.
21*
180 WALTER GREINER,
Und darum — um den Calogrenant nicht in gar so
schlechtem Lichte erscheinen zu lassen — mulste Chrestien
den Gegner, den Verteidiger der Quelle, in jeder Weise über-
legen sein lassen.
Er ist nach Chrestiens Schilderung bei weitem gröfser
als der Ritter selbst:
(Le Chevalier) „fu sanz dote
Plus granz que moi la teste tote".
Auch ist sein Pferd bei weitem kräftiger:
(525) „Et ses chevaus plus forz del mien"; seine Lanze
bedeutend kampffester als die eigene; kurz: „es war kein
Wunder," sagt Calogrenant, „dals ich nicht Sieger war,
denn ich war ja meinem Gegner in keiner Weise gewachsen."
Bei M. haben wir von alledem nichts. Vom Gegner
Kynons wird lediglich das Aussehen beschrieben, das sich in
den gewohnten Ausdrücken bewegt, und dann folgt ganz
unmittelbar die Mitteilung der Tatsache, dals Kynon im
Kampfe überwunden wird. Ganz selbstverständlich steht es
da. Kynon ist eben nicht der Held des Märchens, dem der
Weg zum Schlofs der Laudine, der Heldin des Märchens,
offensteht, der allein unter allen anderen alle Schwierigkeiten
überwindet. Kynon ist nicht in dem Malse individualisiert
wie Calogrenant bei Chrestien; ich möchte sagen, Kynon ist
lediglich ein Typus, nämlich der Typus des Einen, der im
Märchen vor einem Anderen, dem echten Helden des Stoffes,
vergeblich auszieht.
Um einmal noch ein Analogon aus unseren tiefen deutschen
Volksmärchen zu bringen:
Seit Jahren hat kein Mensch den Weg durch die dichte
Rosenhecke gefunden, keiner hat durch die Waberlohe, die
Brunhilde auf hohem Felsen umgibt, zu schreiten vermocht;
alle, die zu Dornröschens Schlols, zum Walkürenfelsen zu
dringen strebten, sie mulsten unverrichteter Sache umkehren.
Nur dem Einen gelingt das Wagnis, dem Prinzen, dem Sieg-
fried, dem echten Helden des Märchens. Er allein siegt über
die Schwierigkeiten, die allen anderen unüberwindlich schienen.
Und noch eins scheint mir bei den Personen im gast-
lichen Schlofs bemerkenswert: die Stellung des Schlolsherm
OWEIN — IVAIN. 181
selbst. Dals er über den Mädchen steht — ein Motiv, das,
allerdings ins Schlimme (Browns Fomore-Schlösser!) gewandelt,
noch einmal in unserer Geschichte wiederkehrt — mag hier
aulser Betracht bleiben.
Ich meine vielmehr hier seine Stellung zum jeweiligen
Helden des Abenteuers, zu dem Ritter, der im Schlofs an der
Grenze des Reichs der Wunder, an der Schwelle des Feen-
reiches, Halt macht und Einkehr hält.
Die schon oben angeführten Worte, die er an den Fremden
richtet, sind überaus bezeichnend für seine Bedeutung im
Aufbau der Handlung:
„Si je ne croyais qu'il düt t'en arriver trop de mal,
je t'indiquerais ce que tu cherches" (9, 4)
und unmittelbar vorher:
„D me regarda et sourit" (9, 3).
Aus diesen Äufserungen möchte ich eine zwiefache Stel-
lung und Aufgabe des Ritters entnehmen:
1. „je t'indiquerais ce que tu cherches". Der Gastfreund
weifs also vom Quellenabenteuer und gibt dem ihn Fragenden
bereitwilligst Auskunft über den Weg, der zum Ziele führt.
Er vertritt die typische Märchengestalt des Wegweisers.
2. Die Worte: „si je ne croyais qu'il düt t'en arriver
trop de mal" und „il me regarda et sourit" lassen mir in
ihm die Gestalt des treuen Eckardt, des Wamers, wie man
sie nun nennen will, erscheinen. Aulser dem Weg zum
Abenteuer kennt er aber auch die dort drohende Gefahr. Als
Variante dieser Warner- und Wegweisergestalt im gleichen
Text möchte ich den Waldschrat auffassen und zum Belege
dessen, dafs wir im M. wiederum die ältere Form erkennen
können, seien die SchluTsworte seiner Rede angeführt:
(404) . . . „se tu t'an puez departir
Sanz grant enui et sanz pesance,
Tu seras de meillor cheance
Que Chevaliers, qui i fust onques"
und im Mabinogi 12, 18:
„Si cette fois tu ne trouves pas souffrance, il est inutile
que tu en cherches tant que tu es en vie."
182 WALTER GREIN ER,
Bereits Elirism an n (Märchen im höfischen Epos P.B.B.30,14f.)
hat die Gestalt des Wegweisers und Warners als typische
Märchenfigur nacligewiesen. Über seine Bezieliungen zu
Laudine, die inbezng auf die Lage seines Schlosses bereits
oben angedeutet wurden und auch Gegenstand mehrfacher
Erörterungen waren (Brown, Settegast, Ehrismann!) kann ich
hier hinweggehen.
Über Ehrismanns Arbeit sei in diesem Zusammenhange
noch ein kurzes Wort gesagt. Die Untersuchung geht aus
von dem schon von Saran (P. B. B. 21, 290) festgestellten
episodischen Gefüge der Artusromane.
Es ergebe sich für all diese Dichtungen alsbald eine
Zweiteilung in höfische Partieen, die lediglich den Zweck des
Kolorits, der Stimmung usw. verfolgen, und in die hier
wesentlich in Frage kommenden Partieen, all die Geschehnisse,
Abenteuer und Fahrten, die in den Verband der glänzenden
Eahmenerzählung, in den Dienst einer über dem Ganzen
stehenden Idee gebracht werden. Den mehr oder minder
hervorgehobenen Mittelpunkt bildet in jedem Falle die glän-
zende Gestalt des Königs.
Die Keime all dieser heroischen Bestandteile sind nun
alte, liebe Bekannte, es sind Märchen- und Sagenmotive, —
das wurde schon oben gesagt. Damit soll kein Vorwurf er-
hoben werden gegen alle diejenigen, welche, Chrestien als
Meister an der Spitze, uns den französischen Versroman,
das höfische Epos, schufen. Ich habe es im Verlaufe der
Untersuchung schon mehrfach hervorgehoben, und fast mag's
banal erscheinen, es noch einmal zu wiederholen. Das Ver-
dienst all der Dichter, die uns Kunstwerke von Einheitlichkeit.
Schönheit und Gedankenreichtum schenkten, bleibt für immer
bestehen.
Anders ist es vielleicht mit denjenigen, die ich als die
Epigonen bezeichnen möchte, diejenigen, welche die weise
Beschränkung, in der sich ja erst der Meister zeigt, aulser
acht lielsen und sich in planlosem Aneinanderreihen von
Abenteuern gegenseitig überboten.
Das ist eine Entwicklung, die ja wohlbekannt ist. Und
auf diesem Wege folgte dem klassischen Ritterroman der
Zeit Chrestiens der Verfall. So wurde der als Kunstwerk
OWEIN — IVAIN. 188
von hohem Werte, von einheitlicher Durchführung geschätzte
Artusroman, dessen Glanz im Laufe der Jahrhunderte nicht
verblich, abgelöst von der Travestie.
Und so entstanden in zügellosem Aneinanderreihen un-
vereinter, bunt gemischter Abenteuer unter Verzicht auf jedes
einende Band jene Parodieen, als deren bekanntestes Beispiel
ich den Don Quixote des Cervantes nennen möchte, in dem
wir auch ein Motiv aus dem Ivain wiederfinden: den Wahnsinn
des Helden in der einsamen Wildnis.
Und daran schliefst sich ein weiteres, das das Ergebnis
der Darlegungen vereinen soll:
Sind es auch Menschen von Fleisch und Blut, mit
menschlichen Tugenden und menschlichen Schwächen, die uns
Chrestien schildert, sind ihre Schicksale, wenn auch aufser-
ordentlich, so doch zum grofsen Teile vom rein menschlichen
Standpunkte aus behandelt und in ihrer Individualpsyche
meist begründet, so steht doch hinter ihnen etwas Anderes,
etwas Höheres.
Ich wüfste nicht, wie ich der Fortführung dieses Gedankens
besser Ausdruck verleihen könnte, als durch die unübertreff-
lichen Worte Gröbers (a.a.O. S. 497):
„Handeln und Leiden gehen über Menschenmafs hinaus,
und die Natur, die den Menschen umgibt, ist nicht die gekannte,
sondern eine Natur voller Wunder und geheimnisvoller Kräfte,
wie sie in Zeiten vorgestellt wird, wo dem Göttlichen moralische
Tendenzen noch nicht beigelegt werden.
Fremd dem durchaus auf christlich -moralischer Grund-
lage beruhenden nationalen Heldengedicht, konnte diese
Auffassung von einer Märchenhaftes wirkenden Natur, wie
schon betont, nur aus heidnisch - keltischer Überlieferung
stammen und von dort in die ritterliche Epik übergeführt
worden sein."
Und damit komme ich zum Schlufs. Mag es auch einer
späteren Zeit gelingen, die oben als unbestimmt hingestellte
Zeit der Abfassung oder Niederschrift unserer kymrischen
Texte zu klären, vielleicht gar insofern, als man möglicher-
weise gar eine mehr oder minder mittelbare französische
Beeinflussung unseres Textes durch Literaturwerke etwa der
Zeit Chrestiens nachweisen zu können glaubt, was tuts?
184 WALTER GREINER, OWEIN — IVAIN.
Wir hängen uns nicht zäh an den Laut der Worte in
der uns doch schlielslich aus einer langen Entwicklungsreihe
durch Zufall überlieferten Fassung des kymrischen Berichtes.
Bestehen bleibt, dals er das Wesentliche des Artusromans in
köstlicher Frische aus einer Zeit uns überlieferte, da diese
Stoffe noch selbst im Werden waren. Der wälsche Owein
ist kein ungetrübtes Feenmärchen mehr, das wurde bereits
gesagt, doch wurzelt er zu tief im Boden des Volksmäfsigen,
des Volksmärchens, als dafs auf all den Wanderungen nnd
Wandlungen sich sein Charakter und sein Gepräge hätte
verwischen lassen.
Pölsneck. Walter Greiner.
VERKLEINERUNGSFORMEN ALTKELTISCHER
FLUSSNAMEN.
Das Gesetz keltischer Kosenamenbildung ist bekannt.
Kuno Meyer hat in seinen Beiträgen zur keltischen Wort-
kimde (Sitzungsberichte der Kgl. PreuTs. Akademie der "Wissen-
schaften 51, 1912, II. T. S. 1147 ff.) noch besonders darauf
hingewiesen. Uns interessiert zumal jene Bildungsform, bei
der der zweite Teil zusammengesetzter Namen einfach unter-
drückt und das Verkleinerungssuffix an den ersten Stamm
gehängt wird. Übrigens ist diese Art von Koseformen auch
auf dem Gebiete des Germanischen nicht unbekannt. Darauf
verweist u. a. H. Hirt in Etymologie d. nhd. Sprache (IV. Bd.
in Mathias' Handbuch) S. 310. Nach ihm ist der bekannte
Name Wulfila die verkleinerte Kurzform eines zweistämmigen
mit 'Wolf zusammengesetzten Personennamens. Dafs sich
nun das Gesetz der Kosenamenbildung im Irischen auch auf
Ortsnamen erstrecke, hat angedeutet H. Zimmer in Zeitschr.
f. vgl. Sprachf. XXXII S. 171f. Im Folgenden soll gezeigt
werden, wie das oben ausgesprochene engumgrenzte Kosenamen-
gesetz in der Bildung altkeltischer Flulsnamen seine Ver-
wendung findet. Es möge genügen, auf einzelne Beispiele
hingewiesen zu haben: an eine irgendwie erschöpfende Arbeit
ist dabei nicht gedacht worden. Vorausgesetzt wird die
Selbständigkeit des Wortes ara 'Ache', die ich im Gymnas.
Progr. d. „Stella matutina" in Feldkirch v. J. 1915 zu er-
weisen suchte.
Diminutivsuffixe scheint es im Altkeltischen gar manche
gegeben zu haben. So war nach Holder, Altcelt. Sprachsch.
1, 1439 ein solches -enna, wie es sich in Fl. Idenna, h. Eyssene
südl. V. Uzes Dep. Gard in Frankreich findet, zum unverklei-
186 ISIDOR HOPFNER,
nerten Id-anus, h. Aie z. Rhone (ebend.). Häufiger ist das
Verkleinerungssuffix -ella wie in Mos-ella 'Mosel' (z. Rhein) zu
Mosa 'Maas'; Ind-ella h. Andelle (z. Seine) zu Inda h. Inde
(z. Roer), Nig-ella (Holder II, 747) zu Ni(/-er 'Neckar'. Auch
das in Personennamen so häufig auftretende -illa fehlt nicht;
es erscheint z. B. in Ilar-iUa h. Mareil in der Touraine (Holder
II, 428), ebenso -iiUa wie in Med-uUa h. Midouze (z. Adour).
Dals auch -ita und -isa verkleinernd waren, möchte man aus
manchen Beispielen abnehmen wie aus Arg-ita h. Bann in
Irland (Holder I, 214) zu Arg-öna h. Argen z. Bodensee (bei
Förstemann^- Jellinghaus, Altdeutsches Namenbuch IL Bd.
Orts- und sonst, geogr. Namen I, 191) und Arga bei Buchs in
der Schweiz (Mohr, Codex dipl. I Nr. 93). Noch günstiger
steht die Sache bei -isa. So haben wir zur Amhla (Amel)
den Zuflufs AmU-isa bei Emmels in der Rheinprovinz (vgl.
Holder 111,591 und Förstern. II, 376), zur Nita (Nette) den Neben-
fluls Nit-issa (Förstern. 11,389; Holder II, 746 u. 751), zur
Rovora (Ruwer) die Boverisse (Riveris) bei Holder II, 1237
und 1239, wenn anders -isa und -issa dasselbe ist.
Doch all diese Suffixe mögen hier unbeachtet bleiben.
Nur dreien soll eine besondere Aufmerksamkeit geschenkt
sein, nämlich -tiV'-, -?co- und -in^-. Vgl. Holder II, 21; 11,47;
III, 25. Beispiele für -ul'^-, ohne Koseformen zu sein, bieten
unter andern: Arula, das nach Holder I, 231 für die Aigre
(Frankreich) und I, 219 {Arola) für die Schweizer Aar, nach
Nagl, Geogr. Namenkunde S. 95, für die Salzburger Arl bezeugt
ist: Verkleinerung zu Am 'Ache' (Vgl. Hopfner, Das kelt.
Ära in Flulsnamen, Feldkirch 1915); Fl. Bersula auf der Tab.
Peut. in Norditalien, zu *Bersa, Berse h. Beerse in Nordbrabant
(bei Förstem. I, 405); Fl. Unda h. Url (bei Zahn, Freisinger
Urk. Nr. 74) zu Ura h. Eure bei (Holder III, 34).
Beispiele zu -fc'>- sind: Fl Liger - icits h. Loiret z. Liger
(Loire) bei Holder 11,221; Renicha (aus Rmica vgl. Holder s.v.)
h. Rench z. Rhein (bei Förstemann II, 567); Warica (aus
*Varicu) h. Warge z. Ambleve (bei Holder III, 109) zu Fl.
Vara z. Magra (Italien). Beispiele zu -in^- sind Nersina
z. Nersa h. Niers z. Maas; Sarine (aus *Sarma) in der Schweiz
zu Sara (Holder s. v.); Warclna h. Vertschenne (aus *För?cma),
also mit doppeltem Suffix, zu Vara (bei Holder III, 106);
VERKLEINERUNGSFORM KN ALTKELTISCHER FLUSSNAMEN. 187
Liyericinus ebenso (bei Holder II, 221). Übrigens denken beim
Suffix -m"- nach dem Vorgang d'Arbois de Jubainvilles manche
an ligurischen Einfluls. Vgl. darüber weitläufig Marstrander
in Zeitschr. f. celt. Phil VII, 377 Nr. 1. Holder hat für Suffix
-in^- wohl ein Hundert keltischer Namen angeführt. Es mögen
nun in alphabetischer Ordnung die nach Art der oben um-
grenzten Kosenamen gebildeten Flufsnamen auf -ul^-, -ic^-,
-m^- folgen.
1. Älbula z. Rhein in Graubünden, Verkleinerung zu
*Alh-ara ' Weils-bach ', erhalten in Albarine i^Alb-ar-lna)
z. Aie z. Ehone. Vgl. die Nebenform Älhana h. Alben z. Traun
(bei Hopfner Ära S. 14). Zu Älhula, das auch ligurisch zu sein
scheint {Älhula ^= Tiber is), gehört als männliche Form J.Z&oZm5
(^Älhulos) h. Rialbero z. Secchia (in Mon. Germ. Hist. Dipl.
Karl. I (= MGHDC) 323.
2. Angela, h. Angel z. Werse z. Ems (bei Förstem. 1, 135)
aus *Ängula zu Fl. Äng-ara 'Eng-bach' z. B. Anger z. Ruhr
(bei Förstem. I, 1 52, der beides für deutsch hält ( Anger-bacli
und Angel-bach); allein im 8. Jahrhundert kann Angara kaum
Ängar-aha sein). Man vgl. Änger h. Indre und Ängeriscus
Nebenfluls zur Anger (bei Holder III, 623). Dafs aber unser
Angela früher *Ängula geheilsen haben mufs, ergibt sich mit
Notwendigkeit aus dem Ortsnamen in Ängullo (aus *Ängiilion)
h. Tor Angel an eben diesem Flusse. — Doppeltes Suffix
scheint aufzuweisen:
3. Ängulis h. Angolin (Holder I, 154), also wohl aus
*Ängulina. Im Deutschen sagen wir dafür entweder Eng-
oder Klein-bach.
4. Äpula h. Appelbach z. Nahe (bei Förstem. I, 171),
Verkleinerung zu *Äp-ara 'Wasserbach'. Eine Weiterbildung
von Apula ist Äpulia h. Pouille (bei Holder III, 646), wohl
zunächst einen Ort bezeichnend. Die Frage, ob es ein gallisches
Wort apa (< aqa) gegeben habe, wagt auch Holder III, 639
nicht zu entscheiden; aber Namen wie Am -apa (zu Ärnus,
nach Stokes keltisch), Äl-apa neben Äl-ara, Ärel-apa (wohl
aus *Ärul-apa) sprechen entschieden für sein Dasein. Haberl
in ZCP VIII, 91 nimmt es darum ohne weiteres als un-
bestrittenes Wort an. Doch als einfaches Wort wurde es zu
Flufsnamen ebensowenig verwendet wie unser 'Wasser', wohl
188 ISIDOR HOPFNER,
aber in Zusammensetzung und zwar wie es scheint nicht blols
als zweites Glied, sondern auch als erstes. Dazu mag Ap-
ornm h. Loch Aber in England gehören (Holder 1, 263). Nach
Bück (Förstem. 1, 182) gibt es ein Kelt. apar 'tiefes Wasser' (?).
Vgl. auch den Pflanzennamen ap-ar-ia (Holder 1, 165), gerade
so gebildet wie Sal-ar-ia (Holder II, 1299) h. Ubeda la
vieja in Spanien, vom Fl. Sal-ara 'Sal-(weiden)bach' (Hopfner
Ära S. 24). Zum angenommenen *ap-ara 'Wasser-bach' wäre
dann Ap-onus (Lucan. VII, 193) li. Abano mit seinem berühmten
Bad bei Padua, die Nebenform.
5. Aquila a. 713 h. die Eichel z. Saar (b. Holder 1, 168).
Das Adjektiv dazu heilst Aculinsis, der Ort daran Aculia,
der jedenfalls gleichnamige Fluls, von dem Aqiiileia den Namen
hat, 'AxvXig (siehe die Formen alle bei Holder I, 168); daraus
ergibt sich mit Notwendigkeit der ursprüngliche Flulsname
*Aq-ula {Ac-ula) und das ist die hypochoristische Form zu
AcJcara (Aq-^ara) h. Agger zu Sieg (Förstem. I, 160). Dieses
Wort scheint auch zu stecken in der Zusammensetzung
Ov+ac-\-ara (Ovacara) ' Schaf- wasser-bach' h. Ocker z. Ecker,
worin auch Förstem. (II, 456) und Lohmeyer das einfache
AcJcara erkennen. Ebenso scheint es zu sein in Wocara (aus
Vo-{-aq + ara Unter + wasser + bach) h. Loclibach bei Trier,
(Holder III, 423). In diesem Namen also mag aqa 'Wasser'
(Stokes 5) stecken. Auf gallischem Gebiet sollte das Wort
freilich zu apa werden; allein manches q in dieser Stellung
hat sich, vielleicht unter volksetymologischem Einfluls des
Lateinischen, erhalten. Vgl. Fl. Sequana h. Seine. Holder II,
1057 führt eine beträchtliche Zahl an. Auch könnten solche
Formen vorgallisch, aber immerhin noch keltisch sein, her-
rührend aus jener Zeit, da die späteren Inselkelten noch auf ihrer
Wanderschaft waren. Vgl. Diefenbach, Celtica II, 1 S. 202 ff.
6. Astico(s) z. Bacchiglione {Retenö(n) = 'Hgiöavög
b. Holder 11, 1178) in Tirol, Kurzform zu *Ast-ara (vgl. Ast-
ar-iäcus h. Astarac in Frankreich b. Holder I, 249) oder Ast-
apa (0. Astapa h. Estepa in Spanien?). Holder I, 249 denkt
beim Stamm ast- an baskisches asta 'Fels'. Vielleicht ist es
aus *aq-ist- zusammengezogen.
7. Atila h. Attel z. Inn in Bayern (Förstem. I, 235) aus
*Atula z. Atara h. Atter in Oberösterreich (Lamprecht, Orts-
VERKLEINERUNGSFORMEN ALTKELTISCHER FLÜSSNAMEN. 180
verrzeichnis d. Landes ob. d. Ems s. v.) vielleicht 'Sumpf-bach'
(Hopfner Ära 16).
8. Bonica h. Pnnig z. Etscli (Vintschgau) bei Schneller,
Beiträge z. Ortsnamenkunde Tirols a. d. J. 1258, zu *Bon-ara
'Grenz-bach' von bonu- Ende (Stokes 177), auch von Schneller
so gedeutet. Vgl. v. Bon-arda (aus *Bon-ar'ita) bei Förstern.
I, 539 und Bon-or-oda bei Holder I, 487.
9. Brigulus hei Ps.-Plutarch Fl. 6 für den späteren Arar
z. Sauconna (Holder I, 544), zu *Brig-ara. Vgl. Fl. Brigana
Quellfluls der Donau (Holder III, 940, der an die y'hragh
'leuchten' denkt), wohl aus mhi-ric-ulus 'Nebengrabenbach'
von rica (Holder II, 1182). Über dieses h{i) vgl. Haberl
ZOP X, 88.
10. Budica (bei Scr. Rer. Gall. 9, 648) zu *But-ara 'Hütten-
bach', erhalten in Putera rivuliis (Förstern. I, 611, der mit
Recht im anlautenden p ein b sieht: es stammt aus Bayern),
von *buta 'Hütte' bei Holder III, 1011. Der Ortsname mit
anderem Suffix heilst Butiliaco {*Btd-ul-i-äcum) h. Budlich
b. Trier mit dem Flufsnamen Budelicha {*Biit-ul-ica) bei
Förstem. I, 609. '
11. Chunil-bach a. 1170, dann später Kunnil-bach (bei
Förstem. I, 1752), aus *Cün-üla, Verkleinerung zu *Cün+ära
'Wolf-bach' (?), erh. in Cunere, h. Quinder in Friesland (bei
Förstem. 1, 1752). Man vgl. dazu die Ortsnamen wie Cunico
(Norditalien) und Cimia b. Holder I, 980.
12. Kupul-bach (2 mal) in den Breves Notitiae X, 1,
herausgegeb. v. P. W. Hauthaler, Progr. d. Borromäums in
Salzburg 1897/98 S. 32. Über die verschiedenen Deutungen
ebendort Nr. 10, aus *Ctipula zu *Cup-ära erh. Copara h. Kupfer
z. Kocher (in Württemb. Viertelj. Hefte 1906 S. 198 N). Über
den Stamm cup- vgl. Walde, Lat. etym. Wörterbuch ^ s. v.
cüpa (coppa).
13. Dubia, h. Dubbel in Südholland, aus *J[)üb-üla zu
Dub-ura 'Schwarzach' erh. in Fl. Tubara und Dubar-gawe
Taubergau (b. Förstem. I, 756). Vgl. 0. Duberis h. Tufers
(b. Mohr Cod. Dipl. I, Nr. 32) aus Dub^-är-is. In der Nähe
liegt Awanera, die romanische Übersetzung zu Duberis. Vgl.
Hopfner, Keltische Ortsnamen in Vorarlberg S. 3 (Festschrift
d. W^issenschaftlichen Vereins f. Vorarlberg 1917).
190 ISIDOR HOPFNER,
14. Dumilicha, h. Dierabach z. Donau b. Förstern. 1, 763,
aus *Büm'id-ica mit doppeltem Suffix aus *Düm-\-ära
'Büliel-bach' zu mir. diima 'Hügel' b. Holder I, 1367. Vgl.
den Fl. Düm + är-ana z. Cordevole in Südtirol und Dumella
h. Dommel z. Maas (Förstern. I, 738).
15. Isula, h. Jjssel bei Utrecht b. Förstem. 1, 1592 zu
Isära b. Holder I, 72 (viermal). Schon Stolz 2, Die Urbevöl-
kerung Tirols S. 100 bringt das Wort Isel (Berg) mit Isara{s)
und Isarcus in Zusammenhang.
16. Iscula h. Ischl z. Traun (b. Umlauft, Geogr. Namen-
buch V. Österr.- Ungarn S. 94, Iscola b. Förstem. 1, 1603), zu
I.sc-\-ära 'Wasserbach' (bei Holder II, 122).
17. Lalecus, unbestimmt in Script. Eer. G. V, 738 aus
*Lab-icos zu Lab-\-ara b. Holder II, 113 (fünfmal).
18. Lavinus, h. Lavino z. Pediara in Norditalien (in
MGHDK I, 369) z. *Lavära Baden-bach (?). Vgl. 0. Lavara
b. Ptol. II, 5 (in Spanien) und Fl. Lav-agna Küstenflülschen
an d. Riviera (ligurisch). ^
19. ? Ligula, h. Evola z.Arno (Grässe- Benedict- b. Orbis
latinus s. v.) zu Lig + ara (in Rev. Celt. XX, 361, sonst
gewöhnlich Liger) h. Loire. Dazu haben wir die verschiedensten
Formen wie Liger icus, Ligericinus, Ligorium (alle b. Holder s. v.)
und Ligerula (b. Grässe-B. s. v.), nach d'Arbois de Jubainville
alle ligurisch.
20. Lemlna z. Po bei Turin zu *L^m-^ära 'Ulmenbach'
in 0. Limeriaco (aus {^Lemi-är-i-äcon b. Holder 11,223 und
Fl. Lem-äna h. Lympne in England (b. Holder II, 172).
21. Lisola, Föns in pagö Segestrico (b. Pardessus, Diplo-
mata etc. II, 374), aus *Lis-üla zu Lis-^ära, h. Liserflufs in
Kärnthen (b. Holder II, 191). Zeus denkt an körn, les 'Gras'.
22. Mut icus, unbestimmt (b. Script. R. G. 9, 525) z.
*Mat-\-ära (b. Holder 11,457) erh. in Matra h. Moder zu
Rhein. Vgl. Hopfner Ära 22, der es als 'Berg-bach' deutet.
Vgl. auch Maticha h. Mattig z. Inn, aus *Mat-Xca und
23. Mattola, h. Madellbach im Vinschgau (bei Unter-
forcher, Rätoromanisches aus Tirol S. 56), aus *Matula.
24. Med Ulla, h. Medouze z. Adour (b. Holder II, 527),
vielleicht zunächst 0., = *Med-ul-ia (Vgl. Med-ul-lon bei.
Holder s. v.), zu ""Med-^-ära 'Mittelbach' im 0. Med+ar-ciis
VEBKLETNERÜNGSFOKMEN ALTKELTISCHER FLUS8NAMEN. 191
h. Marcq (b. Holder s. v.). Vgl. Fl, Mediana h. Mayenne
(b. Holder II, 495).
25. Morga, z. B. Morg z. Genfersee (b. Holder II, 628,
siebenmal), = *Mör-tca 'Seebach' zu *Mör+ära. Yg\. Morar
Loch in England.
26. NabUs, vielleicht die Elbe (Zeuls) bei Holder 11,671,
aus *Nuh-ül-is zu Nah + aros 'Quellbach' h. Naber (bei Holder
II, 670).
27. Onghlna z. Po in Piemont, zu Ong+ara 'Herde-
oder Feuer-bach' (?) z. Pesarina z. Degano z. Tagliamento in
Kärnthen.
28. Bemulo{s) z. Oglio {Ollios b. Holder 11, 846) zu
*Rem+äru 'Vorderbach' in Fl. Rem-ar-de (aus *Rem-är-ita)
z. Seine.
29. Becul-ah, h. Raglach am Raglbach z. Regen
(Regänus), aus *Ric-ula zu *Ric+ara 'Grabenbach' (*Wca) in
Richara h. Reker-Dijk in Nordholland (bei Förstern. II, 577
und II, 567).
30. Risela, h. Risle (b. Holder II, 1193) zu Ris+ara
z. Drau (b. Resch Aetas millenaria S. 93), wohl aus *Ris-ula.
Vgl. 0. Rlsan h. Reisen b. Erding in Bayern (Förstem. II, 602).
Ris- dürfte aus RXc-is- (v. rica) entstanden sein.
31. Salica, h. z. B. die Selke (nach Holder 11, 1307 =
die kleine Saale), zu ÄaZam-pach in Tirol (bei Sinnacher,
Beiträge II, 580). Vgl. auch Salera h. Sauldre z. Cher (bei
Holder II, 1305) und Salina z. Ebro. Vom gleichen Stamm,
wenn nicht etwa ein säl- und ein säl- zu unterscheiden sind,
gibt es manche andere Formen wie Sala 'Saale', Salona 'die
kleine Seille' zu Seille, Salia 'Seille', Salisa 'Selse' z. Rhein
(bei Holder s. vv.).
32. Sannna z. 111 z. Rhein in Vorarlberg (bei Holder II,
1339), 2u Sam-\-ara h. Somme (bei Holder II, 1336); Holder
denkt an samo- Sommer. Vgl. 0. Sam-ar-ate mit dem Suffix
von Arel-ate {*Ärul-ate) bei Flechia Di alcune forme de' nomi
locali deir Italia superiore p. 91.
33. S ciitticho (aus *Scut-icos), h. Schutt bei Lofer in
Salzburg (bei Förstem. II, 98) zu Scut+ara h. Schutter z. Rhein
(b. Holder II, 1409).
192 ISIDOR HOPFNER,
34. Tamina z. Rhein in Graubünden mit dem Ort Tamins
in der Nähe, zu Tam-\-aros h. Tamar • Schwarzach' in England
(b. Holder II, 1713).
35. Tabula, h. Scheide ? (bei Holder II, 1690) zu Taher
h, Segura in Spanien (Holder ebend.) vielleicht beide zum
Stamm tav- still (Stillbach); vgl. Tava h. Tay und Tavia
h. Taggia bei Genua (Holder II, 1774).
36. Vidula, h. Vesle z. Aisne (b. Holder III, 288) zu
Vidros (aus *Vid-äros) 'Holz-bach' (zu vidu-s), später Bordaa
b. Holder III, 293.
37. Vistüla (wenn keltisch), h. Weichsel (bei Holder III,
404) zu Visier (aus *Vist-\-aros) h. Vistre und Vesdre (bei
Holder III, 404). Holder denkt dabei an Istros (aus ve-{-Istros?).
Übrigens heilst der Fluls bei Ammian 22, 8 Visula (zu Vis
-\-ara), bei Plin. n. h. 4, 100 Visculus (zu *Viscara).
Es muls hinzugefügt werden, dafs von den 37 Beispielen
vorgeführter Flufsnamen in verkleinerter Form einige auch
Kurzformen aufweisen wie Fl. Alba b. Holder 1, 77 (6 Beispiele),
Fl. Isca b. Holder II, 77 (2 Beispiele), Fl. Naba b. Holder II,
693 f. z. B. die Naab z. Donau usw., die meisten davon werden
jedoch sofort als Kurzformen gefühlt. So \venig es z. B. im
Deutschen einen Flulsnamen 'Wasser' schlechthin gibt, so mag
es auch im Keltischen keine Isca ('Wasser') gegeben haben.
Die unter diesem Namen auftauchenden Worte sind demgemäls
Kurzformen wie z. B. im Deutschen die Stille (z. Schmal-Kalde)
die früher Stillache hiefs. Als Kurzformen dürfen sie jedoch
nicht zum Ausgangspunkt unserer Diminutivformen genommen
werden. So wenig also nach Hirt Wulfila ein Diminutiv von
Wolf ist, so wenig ist es auch Iscula von Isca.
Statt des gewöhnlichen Ära können sich die Kelten auch
ein Synonym als zweiten Bestandteil des Flulsnamens gedacht
haben. So gehört Fl. Äl-isa, h. Auze (z. Aube) in Frankreich
ebensowohl zu FI, Al-ara als zu Fl. Al-apa (alle bei Holder
III, 565, 546) h. Wölpe (z. Weser). Doch ist -apa verhältnis-
mäfsig selten und kann schwer kontrolliert werden, weil es
frühzeitig in -ava überging und sich mit gleichlautendem
Suffix vermengte.
VERKLEINERUNGSFORMEN ALTKELTISCHER FLUSSNAMEN.
193
Mauclimal läfst sich das in diesen Zeilen angedeutete
Gesetz haarscharf nachweisen. So haben mr Ästico als Ver-
kleineruno- von *Ästara angenommen. Tatsächlich heilsen
denn auch die Anwohner LastarolU (aus V*Ästaruln). Vgl.
Ch Schneller, Skizzen und Kulturbilder aus Tirol S. 286.
Verzeichnis der besprociienen
(Zahl = Seite)
Keltenworte.
Ackara ri(ufs) 188
Aculia Fl. 188
Acylis Fl. 188 j
Alapa Fl. 192
Alara Fl. 192 1
Alba Fl. 192 1
Albana Fl. 187 |
Albarine Fl. 187 '
Albolus Fl. 187
Albula Fl. 187
Alisa Fl. 192
Ambla Fl. 186
Arablisa Fl. 186
Angara Fl. 187
Anger Fl. 187
Angeriscus Fl. 187
Angiilis Fl. 187
AnguUo (in) 0(rt) 187
Aponuä Fl. 188
Aporum 0. 188
Apula Fl. 187
ApuUa Fl. 187
Aquila Fl. 188
Aquileia 0. 188
Ära Fl. 186
Arelate 0. 191
Arelapa Fl. 187
Arga Fl. 186
Argita Fl. 186
Argona Fl. 186
Arnus Fl. 187
Amapa Fl. 187
Arola Fl. 186
Arala Fl. 186
Astapa 0. 188
Astariacu3 0. 188
Astico Fl. 188
Atara Fl. 188
Atila Fl. 188
Berse Fl. 186
Bersula Fl. 186
Bonica Fl. 189
Bonarda 0. 189
Bonoroda 0. 189
Brigana Fl. 189
Brigiüus Fl. 189
Budelicha Fl. 189
Bndica Fl. 189
Buteliacun 0. 189
Chunnilbach Fl. 189
Copara Fl. 189
Cunere Fl. 189
Cunia 0. 189
1 Cunico 0. 189
' Dubia Fl. 189
Duberis 0. 189
Dumarana Fl. 190
Dumella Fl. 190
Dumilicha Fl. 190
Idami3 Fl. 186
Idella Fl. 186
; Idenna Fl. 185
i Inda Fl. 186
! Inda Fl. 186
1 Indella Fl. 186
I Isara Fl. 190
! Isarcus Fl. 190
1 Isula Fl. 190
Isca Fl. 190
Zeitschrift £. celt. Philologie XII, i.
Iscara Fl. 190
Iscula FI. 190
Kupul-bach Fl. 189
Labara Fl. 190
Labecus Fl. 190
Lastarelli 193
Lavagna Fl. 190
Lavara 0. 190
Lavinus Fl. 190
Lemana Fl. 190
Lemina Fl. 190
Limeriacus 0. 190
Ligara Fl. 190
Liger Fl. 190
Ligericas Fl. 190
Ligericinus 190
Ligorium Fl. 190
Ligula Fl. 190
Lisara Fl. 190
Lisola Fl. 190
Marina Fl. 190
Maticha Fl. 190
Maticus Fl. 188
Matra Fl. 190
Medarcus 0. 190
Mediana Fl. 191
MeduUa Fl. 190
Medullou 0. 190
Morga Fl. 191
Morar See 191
Mosa Fl. 186
Moseila Fl. 186
Naba Fl. 191
13
104
ISIDOR HOPFNER, VEKKr.KIXEkUNGSFORMEN USW.
Nabaros Fl. 191
Nablis Fl. 191
Nersa Fl. 186
Nersina Fl. 186
Niger Fl. 186
Nigella Fl. 186
Nita Fl. 186
Nitissa Fl. 186
Ongara FI. 191
Oüghina Fl. 191
Putera Fl. 191
ßeculah Fl. 189
Eemarde Fl. 191
Reraicha Fl. 191
Eemulo Fl. 191
Renicha FI. 186
Richara Fl. 191
Risara Fl. 191
Risela Fl. 191
Risan 0. 191
Rovora Fl. 186
Rovorisse Fl., 0. 186
Sala Fl. 191
Salara Fl. 191
Salaria 0. 191
Salera Fl. 191
Salia FI. 191
Salica Fl. 191
Salisa Fl. 191
Salina Fl. 191
Salona Fl. 191
Samara Fl. 191
Samarate 0. 191
Samiua Fl. 191
Sara FI. 186
Sarine Fl. 186
Scutara FI. 191
Scutticho Fl. 191
Taber Fl. 192
Tabula Fl. 192
Tamaros Fl. 192
Tamina Fl. 192
Tava Fl. 192
Tavia FI. 192
Tubara FI. 189
Üra Fl. 186
Urula FI. 186
Vara Fl. 186
Vidros FI. 192
Vidula FI. 192
Visara FI. 192
Visculus Fl. 192
Visier FI. 192
Vistula FI. 192
Visula Fl. 192
Warcina Fl. 186
Warica FI. 186
Wocara Fl. 186.
Feldkirch.
IsiDOR Hopfner.
BEITRÄGE
ZUR ÄLTESTEN GESCHICHTE IRLANDS. 0
2. Der gae holgae uud die nördliche, nicht -iberische
Urbevölkerung der Britischen Inseln.
Nur dem Mangel an geschulten Arbeitskräften ist es
zweifellos zuzuschreiben^, dafs über die wichtige Frage des
gae holgae bisher so gut wie keine Ergebnisse erzielt werden
konnten. Dem Keltenforscher drängen sich eben von allen
Seiten derart viele, lockende Probleme auf, dals dabei zahl-
lose wichtige Dinge unerörtert bleiben müssen.
Die älteste Erklärung bringt den Namen jenes wunder-
baren Speeres mit holg , Bauch' zusammen, weil er infolge
seiner "Widerhaken beim Herausziehen den Bauch seines Opfers
auf reif se. Wir haben hier deutlich eine sekundäre, etymo-
logische Spekulation vor uns — lucus a non lucendo! — die
wir ohne weiteres abweisen können.
Einen noch merkwürdigeren Erklärungsversuch bot John
Rhys (Hibbert Lectures, S. 481), der meinte, dafs der gae
holgae, weil er zumeist auf der Oberfläche des "Wassers ge-
schleudert werde, die über dem Meere auf steigen ä»e Sonne
darstelle, die mit ihren Strahlen die "Wolken durchbohre.
"Wenn es einmal heilst, dafs Cü Chulainn den Speer von oben
auf seinen Gegner niedersausen lälst, so war dies natürlich
wieder die Sonne, die hoch oben am Himmel die Wolken
zerteilt.
Kuno Meyer hat dann behauptet (Contributions, S. 236
Anm.), dals gae holgae für gae bolcae stünde, und dals in
diesem bolcae der Genetiv Sg. von hole 'Spalte, Kluft' stecke;
0 Siehe auch XI. Band, 2. Heft, S. 189-201.
13*
196 JULIUS POKOENY,
gae holcae würde also 'der gespaltene Speer' genannt worden
sein, 'eine Waffe nach Art einer Heugabel'. Aber es ist ja
schon in den ältesten Hss. das g überliefert, und ebenso weist
die moderne Aussprache ein g, nicht ein c auf, während hole
'Spalte', wenn es wirklich existierte, wegen des cymr. hwlch
ein c gehabt haben muls.
In jüngerer Zeit hat Rhys eine neue Erklärung des gae
holgae versucht (Proceed. Int. Congr. for the Study of Relig.11,206),
indem er das Wort mit 'Speer der Göttin Bolg' wiedergibt.
Diese Göttin ^Bolg\ deren Existenz er aus den Worten ^maic
Ailella Erand de holgae'' (LL 324 d) erschlielst, soll eine Licht-
oder Feuergöttin gewesen sein, da holg zur Wurzel hhelg
'glänzen' gehöre, und dem Volke der Fir JBolg den Namen
gegeben haben. Gae holgae hätte nur den 'Speer der Bolg'
oder 'Speer der Fir Bolg' bezeichnet und der Name habe mit
der Gestalt oder Eigenschaft der Waffe nichts zu tun. Diese
Erklärung schwebt völlig in der Luft. Aufserdem ist nicht
einzusehen, weshalb de nicht ebensogut oder besser zu dza
'Gott' gehören könnte. Was soll seine Übersetzung: 'son of
Ailill of the Erna of the goddess Bolg" bedeuten'? Dals
Ailill, der gleich darauf als 'Sohn des Noithe' bezeichnet wird,
ein Sohn der 'Göttin Bolg' gewesen sei, kann es kaum heifsen,
und dals die JErainn Nachkommen oder Anbeter der 'Göttin
Bolg^ gewesen sein sollen, dafür liegt ebenfalls keinerlei
Anhaltspunkt vor. Wenn aber eine beigefügte Glosse von
Ailill Erann sagt: is e toisech arränic faga 'er ist der Erste,
der den Wurfspeer erfunden hat', so kann man wohl über
die Übersetzung nicht länger im Zweifel bleiben. Ailill Erann
ist offenbar der mythische Erfinder jenes geheimnisvollen gae
holgae und als solcher heilst er ^dia holgce' = dia holg-gce 'der
Gott des Bolg -Speeres'; holg-gce {*bolgo-gaison) ist natürlich
nur eine andere Ausdrucksweise für gae holgae (*gaisos holgios),
wobei holgae wahrscheinlich das abgeleitete Adjektivum zum
Substantiv holg darstellt. Ailill Erann ist ja der eponyme
und somit mythische Ahnherr des Stammes der Erainn und
wird als solcher natürlich göttlich verehrt worden sein.
Um zum Verständnis des Ausdruckes gae holgae zu gelangen,
müssen wir vor allem über die wahre Natur jener geheimnis-
vollen Waffe genügenden Aufschluls suchen.
BEITRÄGE ZUR ÄLTESTEN GESCHICHTE IRLANDS. 197
Bei verschiedenen Gelegenheiten, so beim Kampfe Cü
Chulainns mit Loch, mit seinem Sohne Conlae und mit Fer
Diad erfahren wir, dafs der gae bolgae eine Waffe war, die
nur im Wasser verwendet werden konnte und dals jede
durch ihn verursachte Wunde tödlich war, da er beim Heraus-
ziehen dem Getroffenen stets den Leib aufrifs.
Für unsere Zwecke reicht es vollkommen hin, die aus-
führlichste darauf bezügliche Stelle hier wörtlich anzuführen
(Windisch, Täin, S. 554 ff., dem ich mit einigen Änderungen
folge):
„Und er (Cü Chulainn) bat den Laeg ... um den gac
holgae. Mit diesem verhielt es sich so: für den Flufs wurde
er zurecht gemacht und in der Gabel (des Fufses) wurde er
geschleudert; die Wunde eines einzigen Speeres wurde durch
ihn beim Eindringen in eine Person verursacht, aber die von
dreilsig Spitzen beim Herausziehen, und er konnte nicht aus
dem Körper der Person genommen werden, bis dieser nicht
rings herum aufgeschnitten worden war.
Da kam Laeg vorwärts zu den Uferrändern des Flusses
und zu der Stelle der Abdämmung des fliefsenden Wassers und
der gae bolgae wird geschärft und aufgelegt. Er füllte den
Teich und er staute den Flufs und er schränkte die Flut der
Furt ein.
Fer Diads Wagenlenker sah . . . dafs er die Teiche füllte
und dafs er hinging, den gae bolgae nach unten aufzulegen.
Deshalb ging Id hinauf und machte (die Bahn) frei für den
Flufs und öffnete die Eindämmung und machte die
Vorrichtung von dem gae bolgae ab. Cü Chulainn
wurde (vor Zorn) über und über purpurn und rot, als er
sah, dafs seine Vorrichtung von dem gae bolgae* ih-
gegangen war."
(Noch zweimal gelingt es Fer Diad's Wagenlenker, die
Abdämmung des allzureilsenden Flusses zu verhindern, und
die „Vorrichtung" vom gae bolgae herunter zu nehmen, bis
er schlielslich von Laeg niedergeworfen und gefesselt wird).
„Und er ging eilig sehr hochgemut weg von ihm, so dafs
er den Teich (die teichartige Verbreiterung des Flufsbettes
oberhalb der Furt) füllte und den Flufs staute und den gae
bolgae auflegte. . .
K'S JULIUS POKORNY.
Dann bediente Cü Chulainn den yae bolgae vermittelst
der Gabel seines herrlichen, rechten Fulses. . . Er warf ihn
mit voller Wucht auf Fer Diad, so dals er durch den festen,
dichten, eisernen Leibpanzer . . . ging."
(Nachdem Fer Diad infolge dieser schweren Verwundung
gefallen war, befahl Cü Chulainn seinem Wagenlenker):
„Schneide nunmehr Fer Diad auf und nimm den gae holyae
aus ihm heraus, denn ich kann nicht ohne meine Waffe sein.
Laeg kam und schnitt den Fer Diad auf und nahm den gae
bolgae aus ihm heraus."
Aus der vorausgehenden Schilderung erhellt ganz deutlich,
dals der gae bolgae eine Waffe gewesen sein muls, über deren
Gebrauch der Erzähler selbst nicht mehr ganz im klaren war.
Denn einen Speer, der mit dem Fulse an der Oberfläche des
Wassers entlang geschleudert wird, wird es kaum jemals
irgendwo gegeben haben. Ziehen wir noch in Betracht, dals
aufser dem genannten Ailill Erann, von dem wir übrigens gar
nichts Näheres wissen, nur Cü Chulainn im Besitze jener
Waffe gewesen ist, deren Gebrauch er während seines Auf-
enthaltes in Schottland von der Zauberin Scathach gelernt
hatte, so wird diese Ansicht nur bestätigt. Dazu stimmt
weiter, dal's sie im Besitze eines Ulster-Helden ist — auch
Ailill Erann stammt, wie ich im nächsten Aufsatze zeigen
werde, aus Ulster — und aus Schottland herrühren soll, denn
im Norden, der erst allmählich und viel später als der Süden
keltisiert worden war, haben sich auch eine Eeihe anderer,
uralter Bräuche erhalten, die im übrigen Irland längst aus-
gestorben waren und ebenfalls von den Schreibern der Hss.
nicht mehr recht verstanden wurden, wie z. B. das Männer-
kindbett, u. a. m. (vgl. Zimmer, oben IX S. 100—101.)
Einem derartigen Milsverständnisse entspringt zweifellos
die Auffassung, dafs der gae bolgae mit 'der Gabel des Fulses'
geschleudert worden wäre, wie sich glücklicherweise genau
zeigen läfst.
In der ältesten Version des Kampfes mit Fer Diad heilst
es (YBL, 2689): Gaibtfhji Cü cona laclair 7 imambeir da Fir
Diad. 'Cü Chulainn fafst ihn (den gae bolgae) mit seiner
ladar und schleudert ihn auf Fer Diad'. Hier ist also nur
von ladar die Eede, was sowohl 'Fufs', wie auch 'Hand'
BEITRÄGE ZUR ÄLTESTEN' GESCHICHTE IRLANDS. ^
bedeuten kann; die Grundbedeutung 'ist jedenfalls 'Gabel'.
Jedermann wird ladar hier als 'Hand' auffassen, um so mehr,
als bei anderen Gelegenheiten nie gesagt wird, dafs der Held
den gae bolgae mit dem FuTse schleudert.
Die jüngere Version (LL 3943) hat an der gleichen Stelle
i lladair a chossi 4n der Gabel seines Fulses', was offenbar
auf eine irrtümliche Auffassung des jüngeren Redaktors zurück-
zuführen ist, der bei einer derart mit übernatürlichen und
wunderbaren Begebnissen erfüllten Erzählung begreiflicher-
weise auch nichts dabei fand, dafs unser Held den Speer mit
dem Fufse geschleudert haben sollte. Bei manchen wilden
Völkern kommt es übrigens vor, dafs der Bogen mit dem
Fulse gespannt wird, aber ich möchte in unserem Falle nicht
mit Sicherheit darauf schlielsen, dafs die vorkeltischen Ur-
bewohner Irlands einen solchen Brauch gekannt hätten, wenn
das auch ganz gut möglich gewesen wäre. Vielleicht liegt
hier sogar eine dunkle Erinnerung an etwas derartiges vor.
Wieso der Schreiber der Täin dazu kam, ladar als 'Fufs'
aufzufassen, erklärt sich mir daraus, dafs er irrtümlich annahm,
die "Waffe werde vom flief senden Wasser fortgetragen; der
Held mufste sich also, um die Waffe in Bewegung zu setzen,
entweder auf die Oberfläche des Wassers herunterbeugen,
oder sie aber, was ja einem Akrobaten, wie Cü Chulainn,
keinerlei Schwierigkeiten bereiten konnte, mit dem Fufse
fortstofsen, was für ihn jedenfalls schon deshalb gegeben war,
weil er so zu gleicher Zeit einen Speer mit der Hand auf
seinen Gegner schleudern konnte.
Dafs wir übrigens auch in dem Gleiten der Waffe an
der Oberfläche des Wassers keinen ursprünglichen Zug sehen
dürfen, ist nicht nur aus der Natur der Sache gegeben, sond€?rn
auch deshalb, weil Cü Chulainn bei seinem Kampfe mit Eocho
Glass (Ir. Texte II, 184) 'den gae bolgae in die Höhe warf,
so dafs er jenem von oben auf den Panzerhelm auf dem
Kopfe fiel und durch ihn hindurch in die Erde fuhr'. Ebenso
tötet er in der Sage Äided JEnfir Äifi, (Eriu I, 114 ff.), die
nicht jünger sein kann, als die Tdin, seinen Sohn Conlae im
Meere mittels des gae bolgae, wobei von einer Abdämmung
der Flut, wie in der Tain, natürlich keine Rede sein kann.
Wesentlich ist bei der ganzen Sache nur, dafs die Waffe
200 JULIUS POKORNY,
beim Kampfe im Wasser verwendet wird; alles andere
ist jüngere Ausschmückung oder irrtümliclie Auffassung.
Dafs schon der Schreiber der Täin über die wahre Natur
der Waffe völlig im unklaren war, geht auch daraus hervor,
dafs er wiederholt von einer 'Vorrichtung' {mdell) spricht,
die zum Schleudern der Waffe nötig ist, ohne dafs er uns
jedoch zu sagen weifs, worin eigentlich diese geheimnisvolle
Vorrichtung bestanden habe.
Was den Namen gae holyae betrifft, so können wir ihn
etymologisch nur mit bolg 'Sack, Blase" (zur Wz. hheljh
'schwellen, blasen') zusammen bringen. Bolgae könnte auf
*bolgios zurückgehen und eine adjektivische jo- Ableitung zu
bolg darstellen, ebensogut aber könnten wir annehmen, dafs
ein ursprüngliches Kompositum holg{g)ae (^holgo-gaisos) 'Blasen-
Speer' später als Adjektivum gefafst worden wäre, weshalb
dann gae nochmals vorausgestellt wurde.
Bezüglich des gae holgae läfst sich also folgendes mit
Gewifsheit feststellen:
1. Der Name bedeutet 'Blasen-Speer' oder 'Sack-Speer.
2. Es handelt sich um eine Waffe, die nicht ohne eine
gewisse 'Vorrichtung' geschleudert werden kann.
3. Die Waffe wird ausschlief slich mit dem Wasser in
Verbindung gebracht.
4. Es handelt sich um eine Art Harpune mit Wider-
haken.
5. Die Waffe war in geschichtlicher Zeit nicht mehr in
Gebrauch und wird in der Tradition aus Ulster und Schott-
land, den am spätesten keltisierten Gebieten der britischen
Inseln, hergeleitet.
Ich bitte nun die verehrten Fachgenossen, nicht zu er-
schrecken, wenn ich behaupte, dafs dieser gae bolgae nichts
anders sein kann, als die mit Wurfholz, Leine und Fang-
blase versehene Harpune der Eskimo.
Die Beschreibung dieser höchst sinnreichen Jagdwaffe
entnehme ich dem Werke „Eskimoleben" des berühmten
Forschers Fridtjof Nansen (Leipzig 1903, S. 28 ff.).
Der aus Treibholz verfertigte Schaft der Harpune trägt
am Ende einen gewöhnlich aus Walrofszahn geschnitzten
langen Knochenzapfen, dei- durch ein Riemengelenk derart
BEITRÄGE ZUR ÄLTESTEN GESCHICHTE IRLANDS. 201
mit dem Schafte verbunden ist, dals er bei starkem Druck
oder Stofs von der Seite aus dem Gelenk geht, anstatt ab-
zubrechen. Auf diesem Zapfen sitzt die eiserne Harpunen-
spitze, die gleichzeitig an der Fangleine befestigt ist. Die
Spitze ist mit Widerhaken versehen, so dals sie dort,
wo sie einmal eingedrungen ist, fest sitzt; überdies ist
sie derart eingerichtet, dafs sie im Fleisch in eine Quer-
lage gerät, sobald der Seehund sie abzuschütteln
versucht.
Die Spitze wird vor dem Gebrauche auf den Knochen-
zapfen gesteckt und die mit ihr verbundene Leine am Harpunen-
schafte mit Hilfe eines Knochenstückchens so angehakt, dals
Schaft und Spitze fest zusammen halten.
Am anderen Ende der Leine ist die ziemlich grofse
Fangblase befestigt; diese besteht aus der Haut eines jungen
Ringseehundes (Phoca foetida), die abgebälgt, enthaart und
am Kopfe, den vorderen und hinteren Gliedern luftdicht
zugebunden und getrocknet worden ist.
Sobald die Harpune den Seehund getroffen hat, geht der
Zapfen sofort aus dem Gelenk, wodurch ein Abbrechen des
Schaftes verhindert wird; gleichzeitig löst sich die Harpunen-
spitze, die im Körper stecken bleibt, samt der Fangleine
vom Schaft. Der Schaft treibt nun auf dem Wasser, bis er
vom Eigentümer wieder aufgefischt wird. Die am anderen
Ende der Fangleine befindliche Blase, die auf dem Verdecke
des Kajaks liegen geblieben war, wird, sobald das Tier
getroffen ist, ins Wasser geworfen, und zeigt dem Jäger die
Stelle an, wo der Seehund mit der Spitze im Leibe unter-
zutauchen versucht; gleichzeitig hindert die Blase das Tier
am Untertauchen und Fortschwimmen. •
Um die Harpune weiter und mit gröfserer Wucht schleudern
zu können, hat der Eskimo eine Erfindung gemacht, durch
die er sich von allen seinen Nachbarn, den asiatischen wie
den amerikanischen Stämmen unterscheidet. Diese Erfindung
ist das Wurf holz, das nur bei den Eskimo, den Austral-
negern und am oberen Amazonenstrome vorkommt. Das Wurf-
holz hat im oberen schmalen Ende ein Loch, in das ein schräg
nach hinten gerichteter Zapfen an der Seite des Harpunen-
oder Lanzenschaftes hineinpalst, und dazu noch ein Loch
202
JULIUS POKORNY.
^Vaffe .„sanken in LrizonI eftu ""' '"'"■' '^ "" ^»
wärts. Indem man p/^ !, v. ? '""^ wnrfbeieit rttck-
^chnellt, lörsfc das un ,.e Fn^'""^ '''""'' "^'='' ^o™«
Während man mit d m obe e« End. T "'' »"P-ne los,
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-• -Uie rätselhafte 'Vorrichtnna' ^-^ ; 77^ j-
Schleudern des ,a. bol,j„e IZ2Z L ^ „^^ *" '^""'
anderes sein als das Wm-fhli ? ,* • ''änn kaum etwas
BEITRÄGE ZÜK ÄLTESTKN GESCHICHTE IRLANDS. 2' '3
•Vorrichtung' {sieg inn indell). Wie er Cü Chulainn erblickte,
warf er den Speer auf ihn. Cü Chulainn warf dem Speere
eine 'Vorrichtung' entgegen; die Lanze dreht sich gegen ihn
(Eochu) um, so daXs sie dem Pferde durch den Hals fuhr." Hier
kann es sich natürlich nur um das Wurfholz allein handeln;
gemeint ist offenbar, dafs der Held mit seinem Wurfholze den
Speer auffängt und auf den Absender zurückschleudert.
Dafs das Wurfholz in Irland bald ungebräuchlich geworden
war, erklärt sich ohne weiteres dadurch, dals die Irländer
über genug Metalle verfügten, um ihre Speere entsprechend
schwer und weittragend zu machen, während die Eskimo
genötigt waren, in Ermangelung genügender Metallmengen zu
anderen Mitteln zu greifen.
Dafs auch die für ein Volk von Seehundsfängern berechnete
Harpune mit Fangleine und Blase keine allzu lange Lebens-
dauer in Irland haben konnte, ist ebenso verständlich.
3. Die Harpune konnte in Verbindung mit der Blase
natürlich nur im Wasser Verwendung finden — zu Lande
wäre der 'Blasen-Speer' völlig sinnlos gewesen.
4. Die Eskimo-Harpune besitzt nicht nur starke Wider-
haken, sondern ist auch derart konstruiert, dafs die Spitze beim
Versuche, sie abzuschütteln, im Fleisch in eine Querlage gerät.
5. Die für die in Irland angesiedelten Eskimo unpraktisch
gewordene Blasen -Harpune raufste sich naturgeraäls am
längsten auf den schottischen Inseln und den benach-
barten Küsten Irlands erhalten. Dafs es einen eigenen „Gott
des Blasenspeeres" gab und dieser Speer zum Attribut des
mythischen Halbgottes Cü Chulainn gemacht worden war, der
ihn in Schottland kennen gelernt hatte, stimmt aufs beste zu
unserer Theorie von einer uralten, halb vergessenen Waffe.
Es handelt sich jetzt nur noch um die Beantwortung der
Fragen: Ist es möglich, dafs Eskimo in gröfserer Zahl nach
Irland kommen konnten, und haben wir sonst noch Anhalts-
punkte dafür?
Beide Fragen kann man ohne weiteres mit „ja" be-
antworten.
Bezüglich der ersten Frage belehrt mich Herr Professor
Pöch dahin, dals wir uns dabei nicht die Erdkarte in Mercators
Projektion, sondern die Erde vom Nordpol aus gesehen vor
204 JULIUS POKORNY,
Augen halten müssen. Daraus ergibt sich, dals rings um den
Pol herum, in Europa, Asien und Amerika eine kaum unter-
brochene Reihe mongolischer Völkerschaften sitzt, und dals
sich die einzige scheinbare Lücke bei den britischen Inseln
findet. Prof. Pöch bemerkt weiter, dals auch zwischen Europa
und Amerika hier keine unüberbrückbare Lücke klaffe, weder
für die Völker, noch für deren Kulturgüter, und dafs die Ent-
fernungen keine zu grofsen seien, namentlich nicht für Völker,
die solche tüchtige Seefahrzeuge hatten. Es sei also a priori
als wahi-scheinlich vorauszusetzen, dals auch auf den britischen
Inseln derartige Völker einst vorhanden gewesen seien, um so
mehr, als wir um den Nordpol herum eine lückenlose Ver-
breitung von Fellbooten bei den erwähnten Völkern finden.
Derartige Fellboote finden sich aber auch auf den britischen
Inseln, weshalb vorauszusetzen ist, dafs auch die Völker, die
um den Pol herum im Besitze solcher Fahrzeuge waren,
dereinst dort ansässig gewesen sind.
Nun zur zweiten Frage.
Jedermann, der das ländliche Irland oder die schottischen
Inseln durchstreift hat, müssen die merkwürdig hälslichen kleinen
Menschen mit den unregelmäfsigen, oft verwitterten Gesichts-
zügen aufgefallen sein, die nach ihrem Äufseren weder den
blonden Kelten und Germanen, noch den dunkelhaarigen Nach-
kommen der Iberer zugerechnet werden können, obwohl sie sich
fast überall mit diesen oder jenen vermischt haben und den
ursprünglichen Typus nicht mehr rein darstellen.
Meiner Erinnerung nach sind diese Leute ziemlich klein,
obwohl nicht ausgesprochen zwerghaft, mit pechschwarzem,
glattem, straffem, zwirnartigem Haar (das Haar der „Iberer"
ist gekräuselt oder gelockt) und braunen oder (infolge der
Mischung) blauen Augen und dicken Lippen ; leicht prognathisch,
mit Kinnbacken, die dem Gesichte einen breiten Eindruck
geben, obwohl es sich um Langschädel handelt. Besonders
aufgefallen ist mir in einigen Fällen (die allenfalls einer
Mischung mit anderen Elementen ihren Charakter verdanken
könnten?) die ungewöhnliche Länge der unteren Gesichtshälfte,
die dem Gesichte oft einen unheimlichen Ausdruck verleiht.
Das Profil verläuft fast geradlinig in ziemlicher Länge von
der Unterlippe bis zur Biegung des Kinns, die etwa einen
BEITRÄGE ZUR ÄLTESTEN GESCHICHTE IRLANDS. 205
Winkel von 40 o/p einsclilielst. Es befindet sich also zwischen
dem Zalinfächerfortsatz und dem Kinn vorsprang keine Kon-
kavität, so dafs das Kinn gar nicht aus dem Unterkiefer
herausmodelliert erscheint, was das ganze Untergesicht un-
gemein massig und brutal erscheinen lälst.
Es scheint das derselbe Typus zu sein, den Hector Maclean
bei seiner anthropologischen Untersuchung der schottischen
Hochländer als „breitgesichtigen Kelten" bezeichnet, der
sich nach ihm durch dunkle Haut, dunkle tiefliegende Augen,
schwarzes Haar und hervorragendes Kinn auszeichnet und
angeblich von düsterem, leidenschaftlichem Temperamente sein
soll, dabei aber viel Selbstbeherrschung besitzt (Anthropol.
Review IV).
Schon vor mehr als 30 Jahren hat der hervorragendste
englische Anthropologe John Beddoe, dessen Arbeiten mir erst
nach meinen eigenen Beobachtungen bekannt wurden, ganz
ähnliche Erfahrungen gemacht. Er sagt darüber (The Races
of Britain, p. 9 — lU): „Ich glaube, es lälst sich wahrscheinlich
machen, dafs sich in der heutigen Bevölkerung von Wales und
England Spuren einer mongolischen Rasse finden.
Ihr bedeutsamstes Kennzeichen ist das schiefe oder
chinesische Auge, dessen äufserer Winkel in horizontaler
Linie etwas höher liegt, als der innere. Damit verknüpft
findet sich zumeist eine mandelförmige Gestalt des Auges und
eine merkwürdige Verdickung des oberen Augenlides; diese
letzteren Eigenschaften können auch ohne mandelförmige
Gestalt des Auges vorkommen, jedoch mit einer dem gleichen
Typus angehörigen Physiognomie. Ich habe Aufzeichnungen
über 34 Personen mit schiefen Augen. Ihre Köpfe umfassen
eine weite Spanne relativer Breite von 72 bis 86 ' 6 und der
durchschnittliche Längen-Index ist 78 • 9, also nicht viel gröfser,
als der Durchschnitt in England und Wales. Aber in anderer
Beziehung sticht der Typus deutlich hervor. Die Backen-
knochen sind fast immer breit; die Augenbrauen schief, in
der gleichen Richtung wie die Augen; das Kinn zumeist
schmal oder eckig; die Nase ist oft konkav oder flach, selten
gebogen, und der Mund ist ziemlich zum Vordringen geneigt.
Die Stirn ist gewöhnlich ein wenig zurückliegend ; der Hinter-
hauptvorsprung liegt hoch und der Nasion -Inion- Bogen ist
200 JULIUS POKORNY,
ziemlich kurz, so dafs man zur Vermutung geführt wird, dafs
das Kleinhirn kaum von den rückwärtigen Lappen bedeckt
sei. Die Iris ist zumeist hellbraun oder dunkelbraun und das
Haar straff, dunkelbraun, schwarz oder rötlich.
Kein einziges Beispiel dieses Typus ist mir unter den
Köpfen aus Ost-England, die icli zu messen Gelegenheit hatte,
untergekommen und sehr wenige aus Irland. Ich glaube aber,
dafs sich leicht Beispiele dafür in den gebirgigen Gegenden
von Connaught, namentlich an den Grenzen von Sligo und
Eoscommon finden lielsen.
Ich habe ihn selten in Schottland bemerkt, aber er kommt
auf den Shetland -Inseln vor."
Beddoes Bemerkung über die wahrscheinliche Häufigkeit
jenes Typus in Irland kann ich vollauf bestätigen; ich habe
ihn wiederholt in der Pfarre Partry am Westufer des Lough
Mask feststellen können und es verdient hier hervorgehoben
zu werden, dafs nachweisbar früher in Partry (altir. Part-
raige) Pikten safsen, wie denn auch das p im Anlaut auf
eine nicht-gälische Bevölkerung hinweist.
Ich möchte auch glauben, dafs ein von Beddoe (S. 239 f.)
nicht hierher gezählter Typus auf jene mongoloide Ur-
bevölkerung zurückzuführen sei, wofür schon dessen Vorkommen
im äufsersten Norden und Westen Schottlands spräche. Er
sagt über die Bewohner der Shetlands- Inseln: „Schwarzes
Haar kommt bei ihnen vor und zwar nicht sehr selten. Es
findet sich zumeist bei Personen von entschieden ugrischem
Aussehen und melancholischem Temperament. Derselbe Typus
findet sich in Wlck und ich habe ihn an mehreren Personen
aus Nordost -Sutherland und der gälischen Pfarre Latheron
in Süd-Caithness festgestellt. Diese Leute mögen die Über-
reste der ugrischen Sklaven der nordischen Eindringlinge oder
möglicherweise die Nachkommen eines alten ugrischen Stammes
sein, dessen rätselhafter Name bei Ptolemäus als hoch im
Norden wohnend erhalten ist ..."
Von den äulseren Hebriden sagt er: „In Lewis findet
sich neben der nordischen Rasse eine kleine, untersetzte,
stumpfnasige, dunkelhaarige, oft auch dunkeläugige Rasse,
wahrscheinlich der Urbevölkerung angehörig, und möglicher-
weise finnisch, deren Zentrum in Barvas zu liegen scheint."
BEITRÄGE ZOR ÄLTESTEN aESCHICHTE IRLANDS. 207
Warum au Finnen, oder besser , gesagt Lappen (denn
diese sind hier offenbar gemeint; die Benennungen vermengen
oft Sprache und Rasse) nicht zu denken ist, werde ich
weiter unten zeigen; auch die Theorie importierter Sklaven
erscheint mit Rücksicht auf die weite Ausbreitung jenes
Typus wenig wahrscheinlich, weshalb ich ihn unbedenklich
der von Beddoe an anderen Stelle genannten mongoloiden
Urbevölkerung zurechne. Da diese heute nirgends mehr
rein erhalten ist, mufsten sich ja durch mehr oder minder
tiefgreifende Vermischung mit Iberern, Negroiden, Kelten und
Germanen mit der Zeit verschiedene Variationen
herausbilden.
Ich erinnere hier auch an die Beschreibung, die Harris
(The Higlilands of Scotland in 1750) im 18. Jahrh. von ge-
wissen Bewohnern der nördlichen und östlichen Küsten Irlands
entwarf: „Sie sind von untersetzter Gestalt, haben kurze,
breite Gesichter, dicke Lippen, hohle Augen und Stumpfnasen,
und scheinen von den westlichen Iren verschieden zu sein,
da sie von ihnen Clann Gall „Abkömmlinge der Fremden"
genannt werden".
Wie ist nun eine solche mongoloide Bevölkerung nach
den britischen Inseln gekommen? Ihr Vorkommen in ent-
legenen, ehemals von Pikten und Fir Bolg bewohnten Gegenden
Irlands, die ihre Bevölkerung kaum je gewechselt haben,
beweist schon zur Genüge, dafs es sich nicht um sekundäre,
fremdartige Einschläge, etwa durch fremde Seeleute und späte
Einwanderer in geschichtlicher Zeit handeln kann.
Es lassen sich also nur zwei Möglichkeiten ausdenken:
Entweder handelt es sich bei dem mongoloiden Typus um
Nachkommen der paläolithischen Bewohner Süd-
en glands oder aber es hat noch in späteren Epochen eine
Einwanderung mongoloiderElemente stattgefunden,
von der die Archäologie keine Zeugnisse bewahrt hat.
Ich will hier gleich vorausschicken, dafs ich beide
Theorien für möglich halte.
Unter der paläolithischen oder älteren Steinzeit versteht
man j, bekanntlich die Periode, die von der vorletzten (oder
letzten) wärmereu Zwischeneiszeit bis an das Ende des Eis-
zeitalters reicht. Da während der eigentlichen Eisperioden
208 JULIUS PÜKORNY,
(von den Zwischeneiszeiten abgesehen) ganz Irland 9 und der
nördliche Teil von England bis East Eiding (Yorkshire) oder
Lincolnshire mit Eis bedeckt waren, kommen als mögliche
Vorfahren der geschichtlichen Bewohner Englands natürlich
nur die paläolithischen Jäger Süd-Englands in Betracht.
Menschliche Überreste aus jener Zeit hat mau wohl ge-
funden und feststellen können, dafs es sich bei einem Teile
derselben um Menschen von durchschnittlich 1,52 Meter Höhe
handelte, aber die Zahl der gut erhaltenen, sämtlich sehr
langköpflgen Schädel ist derart klein, dafs man aus dem Fehlen
mongoloider Schädel gar keinen Schlufs ziehen darf, nament-
lich, weil jene mongoloide Bevölkerung nur dünn gesäet gewesen
sein dürfte.
Wenn wir uns noch dazu vor Augen halten, dafs die
paläolithische Periode nach den Schätzungen der bedeutendsten
Forscher höchstens 380, mindestens aber 80 Jahrtausende ge-
dauert haben mufs, so ist ganz klar, dafs wir, besonders bei
der Spärlichkeit und Unsicherheit der Funde, damit rechnen
müssen, dafs in diesen ungeheuren Zeiträumen doch gewifs
aufser der Neanderthal- und Cro Magnon-Rasse noch andere
Kassen den Boden Englands betreten haben können.
Beddoe bemerkt ganz richtig (op. cit. S. 13): „Durch die
Untersuchungen von Ecker, Ranke und Von Holder über die
ethnologische Geschichte Süddeutschlands wissen wir ganz gut,
dafs es möglich ist, dafs ein grofser Teil der Bevölkerung
durch lange Zeiträume hindurch in den gewöhnlichen Begräbnis-
plätzen fast gar nicht vertreten ist. Der mongoloide Typus,
den ich besprochen habe, existierte — falls er wirklich einen
Rassentypus und nicht blofs das harmonische Zusammentreffen
zufälliger Eigenschaften darstellt — wahrscheinlich schon vor
der neolithischen Zeit in diesem Lande."
Das Nicht-zu-Tage-treten mongoloider Schädel beweist
also gar nichts gegen das Vorhandensein einer mongoloiden
Urbevölkerung in paläolithischer Zeit, da wir ja auch bezüglich
der anderen Rassen nur wenige sichere Beweise haben. Die
Gründe, die dafür sprechen, werden wir gleich kennen lernen.
•) Der wahrscheinlich paläolithische Schädel vou Sligo mufs natürlich
in eine solche wanne Zwischeneiszeit verlegt werden.
BEITRÄGE ZUR ÄLTESTEN GESCHICHTE IRLANDS. 209
Ich will nur vorher erwähnen, dafs die bisher herrschende
Ansicht, dafs zwischen der älteren und jüngeren Steinzeit eine
unüberbrückbare Kluft bestünde, bereits gründlich überwunden
ist. In Frankreich und Deutschland hat man diesbezügliche
Übergangsstufen schon entdeckt; in England zwar noch nicht,
aber das liegt wohl nur daran, dals eben derartige Funde noch
nicht ans Tageslicht gekommen sind.
Es gibt ja keinen plausiblen Grund, warum gerade beim Über-
gang von der kalten Eiszeit in die gemäfsigte neolithische Periode
die Menschen, die in Frankreich am Leben blieben, in England
ausgestorben sein sollen, und wenn von den 48 Säugetierarten
der paläolithischen Zeit 31 Arten im Neolithikum fortlebten,
dürfen wir ja dasselbe von den menschlichen Bewohnern, die weit
weniger von der Flora und dem Klima abhingen, voraussetzen.
Man hat aus dem Vorkommen von Schädeln, die den
paläolithischen Cro-Magnon-Typus zeigen und die in neoli-
thischer Zeit oder gar noch später gefunden wurden, ebenso
auch wie aus heute auf den britischen Inseln vorkommenden
Schädelformen (obgleich derartige Formen aus paläolithischer
Zeit infolge der Spärlichkeit des Fundmaterials nicht nach-
zuweisen sind), mit Recht den Schluls gezogen, dafs jene
Rasse schon in paläolithischer Zeit dort gewohnt hatte; mit
dem gleichen Rechte ziehe ich aus dem heutigen Vor-
kommen mongoloider Typen den Schlufs, dafs damals
vielleicht auch eine mongoloide Rasse in Südengland
wohnte, eine Möglichkeit, die auch Beddoe zugibt, wenn er
sagt (1. c. p. 9): „Wenn unsere paläolithische Rasse wirklich zu
den Ahnen oder wenigstens den nahen Verwandten der Eskimo
zählt, wie Boyd Dawkins es haben will, so ist es zu mindest
möglich, dafs sie Nachkommen hinterlassen haben, die sich
mit den neolithischen Rassen und ihren Nachkommen von heute
vermischt haben."
Es ist natürlich denkbar, dafs jene in Südengland wohn-
haft gewesene mongoloide Bevölkerung mit der Zeit ausge-
storben wäre, ohne nahe Verwandte zu hinterlassen, aber mit
demselben Rechte dürfen wir uns auf der Erde umsehen, ob
es nicht doch noch irgendwo solche gibt.
Die einzige lebende Rasse nun, deren Schädel sowohl
lang wie auch mongoloid sind, finden wir in den Eskimo.
Zeitschrift f. celt. Philologie XII, l. 14
210 JULIUS POKORNY,
Die Eskimo bewohnen lieute die ganzen polaren Küsten-
striche, anj^efang-en von der Nordost-Spitze Asiens, der
Tchuktschen-Halbinsel und den nördlichen Inseln des Berings-
meeres bis über die ganze Nordküste Amerikas hinüber zum
südlichen Teil der Ostküste Grönlands. In ältester Zeit be-
wohnten sie noch einen weit gröfseren Teil der Nordost-Ecke
Asiens und es ist nach den neueren Untersuchungen ziemlich
sicher, dafs wir ihre älteste erkennbare Urheimat im östlichen
Asien zu suchen haben.
Wie will man aber die Eskimo mit einer paläolithischen
Bevölkerung Nord Westeuropas zusammen bringen?
Wenn wir uns eine Karte der Kopfformen Europas und
Asiens ansehen, so fällt uns auf, dafs die Eskimo in Nordost-
Asien eine einsame Insel von Langköpfigkeit inmitten der
kurzköpfigen mongoloiden Bewohner der Nordküsten Asiens
bilden, und wir werden schon dadurch zu der Vermutung
geführt, dafs früher einmal ein unmittelbarer Zusammenhang
zwischen den Eskimo und den langköpfigen Bewohnern Europas
bestanden haben mufs, der erst durch das Vordringen kurz-
köpfiger Völker von Süden her unterbrochen wurde.
Archäologie und Geschichte bestätigen denn auch jene
Vermutung, denn es steht nach Nordenskjöld fest, dafs die
nordsibirischen Völker „unzweifelhaft aus einer Mischung
mehrerer, früher kriegerischer und wilder, und von fremden
Eroberern von Süden .nach dem Norden gejagten Rassen"
bestehen.
Einen Zusammenhang der paläolithischen Bewohner
Englands mit den Eskimo hat man aus kulturellen Gründen
schon vor langer Zeit vermutet.
Als erster liat S. Nilsson eine derartige Theorie auf-
gestellt, die dann von W. Boyd-Dawkins näher ausgearbeitet
wurde.
Auch Franz Boas^) hat auf die Ähnlichkeit zwischen
prähistorischen Harpunenspitzen in Europa und Schnitzereien
der Eskimo, sowie zwischen prähistorischer Ornamentik in
Europa und der des arktischen Kulturkreises in Amerika
^) „Die Resultate der Jesup-Expeditiou" in dem Buche „Internationaler
Amerikanisten-Kongrefs", Wien und Leipzig, 1908.
BEITRÄGK ZUR ÄLTESTEN GESCHICHTE IRLANDS. 211
aufmerksam gemacht und sich für die mögliche Richtigkeit
der Dawkins'schen Theorie ausgesprochen. '
Dieser selbst hat seine Theorie in der letzten Zeit ein
wenig modifiziert und sagt darüber: i)
„Die Eskimo leben von Fischerei, Vogelfang und Jagd
und gebrauchen Werkzeuge aus Stein, Knochen, Hörn und
Elfenbein, die tatsächlich mit denen identisch sind, welche die
Höhlenbewohner in Südfrankreich benutzten. Das geht sogar
bis ins kleinste Detail. So entspricht z. B. die Steinlampe
der Eskimo der in der Höhle von Kostelik in Mähren ge-
fundenen und den kleineren Exemplaren, die zur Beleuchtung
der mit Fresken gezierten Höhlen von La Monthe in Mittel-
frankreich und Altamira (bei Santander) in Nordspanien
dienten. Die in Umrissen, Schnitzereien oder Malereien dar-
gestellten Tierfiguren sind auch der gleichen Art und be-
zeugen, dafs die Kunst dieselbe war.
Auf den Einwurf, dafs wilde Stämme, die unter ähnlichen
Bedingungen leben, unabhängig dieselben Geräte erfinden
könnten, und dafs daher die Übereinstimmung der Geräte
nicht notwendig einen Zusammenhang zwischen deren Be-
nutzern beweise, läfst sich antworten, dafs es heute auf der
Erde keine Völker gibt, die die gleiche Reihe von Geräten
benützen, ohne mit einander eine Zeitlang in Berührung ge-
wesen zu sein. Die roheren und einfacheren Formen, wie
Keile, Bohrer und Schaber, verdankten wahrscheinlich ihre
Entstehung den äulseren Umständen, aber wo eine ganze
Reihe von Geräten übereinstimmt, die für verschiedene Zwecke
bestimmt sind und sich in manchen Fällen über das Niveau
der gewöhnlichen Bedürfnisse des Lebens von Wilden erheben,
hat das Argument eines tatsächlichen Zusammenhanges be-
deutende Beweiskraft."
Der Vf. weist dann nach, dafs das Rentier, der Moschus-
ochse, das Murmeltier, der Polarfuchs, das Haselhuhn und die
Schnee-Eule, die den paläolithischen Bewohnern West-Europas
als Nahrung dienten, auch von den paläolithischen Bewohnern
Nord- Asiens, wie heute von den Eskimo, gejagt wurden, und
dafs sowohl die paläolithischen Jäger Westeuropas, wie die
') Journal of the Royal Anthropol. Institute, 1910, S. 259 f.
14*
212 JULIUS POKORNY,
Nord- Asiens und die Vorfahren der Kskinio das Mainiuuth,
das wollhaarige Rhinozeros, den Auerochs. den Bison und
den Elch gejagt hatten. Er fährt hierauf fort:
„In allen diesen Tatsachen sehe ich einen geliäuften Be-
weis für die Ansicht, dafs die Höhlenbewohner ihre Kultur
den Eskimo durch Vermittlung der postglazialen Jäger Nord-
Asiens übertragen hatten. Allerdings glaube ich nicht mehr,
dals dadurch eine Identität der Rassen bewiesen wird. Die
Übertragung kann durch Berührung von Stämmen vei-schiedener
Rasse erfolgt sein.
Im Grofsen und Ganzen scheint es mir, dafs das physische
Verhältnis zwischen Eskimo und Höhlenbewohnern eine offene
Frage bleibt, die nicht endgültig beantwortet werden kann,
bevor wir nicht mehr Nachweise als heute über die paläo-
lithischen Jäger Sibiriens und mehr aus den Höhlen Europas
besitzen. Wie die Sache jetzt steht, gehört der Höhlen-
bewohner mit der nördlichen Gruppe der Säugetiere zusammen
und kann wahrscheinlich mit ihnen aus Asien, wohin er am
Ende der Pleistocen-Periode zurückkehrte."
In der Meinung, dafs die paläolithischen Höhlenbewohner
(der Ausdruck ist etwas unglücklich gewählt, da die von ihm
gemeinten Einwanderer aus der Zeit des jüngeren Diluviums
weder ausschlief slich, noch vorwiegend in Höhlen wohnten)
wieder nach Asien zurückgekehrt seien, steht Boyd-Dawkius
ziemlich allein da; wir haben keinen Grund, etwas derartiges
anzunehmen.
Dafs solche mongolische Typen heute namentlich auf den
Britischen Inseln deutlich erhalten sind, könnte man dadurch
erklären, dafs sich jene Bevölkerung mit dem zurückweichenden
Eise nach Norden zurückzog und daher schliefslich dort zurück-
bleiben mufste, und dafs dann die relative Isoliertheit der
britischen Inseln ihrer Erhaltung besonders günstig gewesen
wäre.
Ein Zusammenhang der mongolischen Elemente auf den
Britischen Inseln mit den Eskimo ist also kulturhistorisch
mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit anzunehmen; auch anthro-
pologisch spricht nichts dagegen und manches dafür.
Die Eskimo werden charakterisiert durch übergrofse
Langköpfigkeit — sie haben längere Schädel als irgend ein
BEITRÄGE ZUR ALTESTEN GESCHICHTE IRLANDS. 213
europäisches Volk von heute (in englischen Museen befind-
liche alte Eskimo -Schädel weisen einen durchschnittlichen
Index von 73 • 8 — 71 • 8 auf) — dasselbe gilt von manchen stein-
zeitlichen Bewohnern Englands; sie haben aber trotzdem ein
breites Gesicht (ebenso die von mir beobachteten mongolischen
Typen), hohe Backenknochen und platte Nase, das schiefe,
mongolische, mandelförmige Auge und eine durchschnittliche
Körpergröfse von 1-50 — 160m; alles Eigenheiten, die von
Beddoe auch bei den britischen Mongoloiden festgestellt
worden sind.
T. Rice Holmes hat in seinem vorzüglichen Buche 'Ancient
Britain' behauptet, dafs die Theorie einer Abstammung der
Eskimo von den paläolithischen Bewohnern Westeuropas 'von
jedem neueren Forscher abgelehnt' worden sei. Ich habe die
von ihm (S. 389, Anm. 2) zitierten Stellen aufmerksam durch-
gelesen, kann aber in ihnen keine motivierte Ablehnung
finden, die irgendwie überzeugend wirken würde. W. H. Flower
(Journ. Anthrop. Inst. 1885, S. 387) gebraucht überhaupt nur
ganz allgemeine Redensarten, und in den beiden anderen an-
geführten Arbeiten von H. P. Steensby und Schultz-Lorentzen
finden -sich ebensowenig entschiedene Gegenbeweise. Rice
Holmes hat sich hier offenbar im Gegensätze zu seiner sonst
geradezu bewunderungswürdigen Gründlichkeit einer kleinen
Flüchtigkeit schuldig gemacht.
Ich möchte also jedenfalls die Möglichkeit eines urzeit-
lichen Zusammenhanges zwischen einem Teile der paläolithischen
Bewohner Englands und den Eskimo betonen, bis jemand eine
bessere Lösung der Frage vorbringt, wenn auch natürlich
von einem sicheren Beweise vorläufig keine Rede sein kann.
Bei dieser Gelegenheit will ich auch darauf hinweisen,
dafs Schlitz in den steinzeitlichen Flächgräbern von Ostorf
und Roggow in Mecklenburg sehr merkwürdige Entdeckungen
gemacht hat (Archiv f. Anthrop., 1909, 5. 283 f). Er fand
dort eine Reihe von Schädeln, die sich von allen anderen
nordischen Steinzeitschädeln wesentlich unterscheiden und
einer anderen, wahrscheinlich von fernher eingewanderten
Rasse angehören müssen.
Von jenen Schädeln, deren Index sich zwischen 68 • 75
und 73-18 bewegt, sind 8 dolichokephal, orthokephal und
214 . JULIUS POKORNY,
hypsikeplial, also extreme Langköpfe mit hoher, schmaler
Stirne mit geringem Abstände der Stirnhöcker, vorstehender
Nase, eingezogener Nasenwurzel und breiten und starken
Wangenbeinen, also breitem (resicht, das mit einem schmalen
Untergesichte verbunden ist; 6 zeigen ein prognathes Profil
und breite, niedere Augenhöhlen.
Wie Schlitz bemerkte, gleichen diese Schädel am ehesten
dem Eskimoschädel von Godthaab; ebenso zeigten die 17 alten
Eskimoschädel, die im Journal of the Anthrop. Inst, of Great
Britain a. Ireland (1906) beschrieben sind, die gleiche Lopo-
kephalie.
Ob es sich tatsächlich hier um eine mit den Eskimo ver-
wandte Rasse handelt, läfst sich natürlich vorläufig noch nicht
entscheiden; wenn wir aber die engen Beziehungen zwischen
dem südlichen Skandinavien und den Britischen Inseln, über
die ich weiter unten sprechen werde, ins Auge fassen, so
scheint es mir möglich, dafs es sich vielleicht um eine Kolonie
der mongoloiden Bevölkerung der Britischen Inseln handeln
könnte, da der ganzen Lage des Fundortes nach eine Ein-
wanderung zur See wahrscheinlich erscheint. Das soll natür-
lich nicht mehr als eine tastende Hypothese sein, sicheres
lälst sich auch nicht einmal annähernd darüber sagen.
Da in paläolithischer Zeit nur Süd -England andauernd
bewohnt war, ist es noch nötig, einige Worte über Irland
und Schottland zu sagen. Betreffs Schottlands liegt die
Sache sehr einfach, da seine ersten neolithischen Bewohner
selbstverständlich aus England gekommen sein müssen.
AV. J. Knowles hat gezeigt'), dafs in Irland in neo-
lithischer Zeit gewisse Geräte, wie sie in der paläolithischen
Zeit üblich gewesen waren, in Gebrauch standen, und da Irland
während der letzten Eiszeit unbewohnbar war, folgt daraus
mit Notwendigkeit, das jene Geräte von den Nachkommen der
paläolithischen Bewohner Englands oder Frankreichs, die nach
Irland herübergewandert waren, herrühren müssen.
Da in der jüngeren Steinzeit Nord-England und Irland in
regen Beziehungen zueinander standen, dürfen wir wohl ver-
muten, dals Irland, und zwar Nord -Irland, seine ältesten Be-
») Journ. Roy. Soc. Antiqu. Ireland, 5th ser., VII, 1897, p. If.
BEITRÄGE ZUR ÄLTESTEN GESCHICHTE IRLANDS. 215
wohner zu Beginn der neolithischen Zeit auf dem Wege über
Nord-England erhalten hat. und dafs unter diesen Einwanderern
sich sowohl Angehörige der Cro-Magnon-Rasse wie auch vor
allem mongoloide Typen befunden haben werden, da nament-
lich die letzteren noch heute deutlich nachweisbar sind. Eine
Einwanderung aus Frankreich ist ebenso denkbar, dürfte aber
doch wohl erst etwas später erfolgt sein; ethnologisch würde
das wenig Unterschied bedeuten, da zum Teil die gleichen
Kassenelemente damals auch im nördlichen Frankreich vor-
handen gewesen sein dürften. Man braucht sich nur die Karte
anzusehen, um die Priorität einer Einwanderung aus Nord-
England und Süd-Schottland wahrscheinlich zu machen. Man
möge mir hier nicht entgegenhalten, dafs ja die Kelten Irland
offenbar von Frankreich aus erobert hatten, als England
schon längere Zeit in ihrem Besitze war; der Grund dürfte
darin liegen, dafs die britischen Kelten, deren Einw^anderung
in England ich um 400 v. Chr. ansetze, in den nächsten 100
Jahren noch nicht so weit nordwestlich vorgedrungen waren,
dals eine Besetzung Irlands mit Notwendigkeit daraus ge-
folgert werden mülste. Die erste Einwanderung paläolithischer
Bewohner erfolgte offenbar über die schottische Halbinsel
Cantyre, von wo die Entfernung nach Nord -Irland nur un-
gefähr 20 km beträgt.
Schon 1909 hatte ich John Mac Neill die hier vertretenen
Theorien zur Begutachtung unterbreitet, worauf er mir am
8. 12. 1909 antwortete:
„Ich halte es für wahrscheinlich, dals in Irland zwei
neolithische Völkerströme zusammen trafen. Neolithische
Menschen erscheinen in Irland sofort nach der Eiszeit, Ihre
Spuren finden sich in Sandlagern, die unmittelbar über dem
eiszeitlichen Terassenschotter (boulder-clay) ruhen, selbst
wenn fünf aufeinanderfolgende Sandlager, die Ergebnisse von
fünf Senkungen der irischen Küste unter die Meeresoberfläche,
über dem ersten Sandlager (gravel-bed) aufgeschichtet sind.
Daraus schliefse ich, dals es hier eine neolithische Rasse gab,
die, gleichwie die Eskimo, Lappen und Nordasiaten an der
Grenze der Eiszone lebte, und dals sich diese Rasse in einer
dünnen Linie rings um den Nordpol herum erstreckte. Wie
die heutigen Eskimo dürfte jenes Volk trotz seiner weiten
216 JULIUS POKOBNT,
Verbreitung nicht zahlreich gewesen sein. Als die Eiszone
von England und Irland schliefslich gegen Nordwesten zurück-
ging, konnte dieses Volk natürlich nicht dem Eise folgen, wes-
halb seine Nachkommen noch heute auf diesen Inseln zu finden
sein müssen.
Aulser dieser gab es in Westeuropa eine andere Rasse,
die Nordwest- Afrika, die pyrenäische Halbinsel, Sardinien,
Korsika, die Balearen und Südfrankreich bis zur Rhone be-
wohnte. Nach dem Ende der Eiszeit, vielleicht lange nachher,
drang diese Hasse weiter nördlich vor und erreichte England
und Irland. Dieser Rasse denke ich, gehörten die Iberer an.
Die andere Rasse hat keinen Namen. ..."
Nach meiner und Mac Neill's Ansicht handelt es sich also
darum, dafs dereinst vielleicht ein unmittelbarer Zusammen-
hang zwischen den paläolithischen Bewohnern Englands und
denen Ost- Asiens bestanden habe, derart, dafs eine ununter-
brochene Reihe mongoloider Völkerschaften sich über den
Nordrand von Europa bis nach Asien und vielleicht noch
weiter östlich nach Amerika hinüber erstreckt hatte.
Man könnte natürlich auch daran denken, dals jene
raongoloide Bevölkerung von Grönland oder Nordamerika zu
Schiff herüber gekommen sei, man darf aber nicht annehmen,
dafs Eskimo-Stämme schon in so früher Zeit bis an die Ost-
küste Amerikas und nach Grönland vorgedrungen seien. Es
käme aufserdem eher nur Grönland in Betracht, da Amerika
wohl etwas zu weit entfernt ist; eine sichere Folgerung läfst
sich daraus allerdings nicht ableiten, da das Meer in den
ältesten Zeiten ein viel geringeres Verkehrshindernis dar-
stellte, als die undurchdringlichen Urwälder des Festlandes,
und auch weite Entfernnungen für tüchtige Seefahrer selbst
damals kein Hindernis bildeten.
Immerhin ist aber an eine Einwanderung aus Grönland
in paläolithischer Zeit, wahrscheinlich auch in der jüngeren
Steinzeit Englands nicht zu denken.
Man ist heute der Ansicht, dafs die Besiedlung Grönlands
durch die Eskimo verhältnismäfsig spät erfolgt sei, doch gibt
uns die Anwesenheit des gae bolgae in Irland einen Anhalts-
punkt dafür, es sei denn, dafs man an dessen Herkunft aus
Nordamerika denken wollte, oder an die Möglichkeit, es handle
BEITRÄGE ZUR ÄLTESTEN GESCHICHTE IRLANDS. 217
sich um ein Erbstück aus paläolithischer Zeit.i) Die An-
nahme, dafs die Urbe wohner der britischen Inseln unabhängig
von den Eskimo den Blasenspeer erfunden hätten, wäre auch
denkbar, ist mir aber unwahrscheinlich.
Der gae bolgae kommt schon in der ältesten Version der
Täin vor, die handschriftlich ins 7. oder 8. Jahrh. n. Chr.
zurückgeht und spielt als die Hauptwaffe des gröfsten irischen
Nationalhelden eine sehr wichtige Kolle. Die Ereignisse, die
in der Täin mit Zuhülfenahme allerlei mythischen Beiwerkes
verherrlicht werden, müssen sich aus historischen Gründen,
die ich ein anderes Mal klarlegen werde, im Laufe des 3.
oder 4. Jahrhunderts n. Chr. abgespielt haben und wir haben
keinen Grund anzunehmen, dafs der gae bolgae eine spätere
Zutat sei. Weil ferner die Natur des gae bolgae schon den
Schreibern des 8. Jahrh. und ihren Vorgängern im 7. und
6. Jahrh. nicht mehr ganz klar war, müssen wir annehmen,
dafs auch jenem ein recht hohes Alter zukomme und es
erscheint recht wahrscheinlich, dafs der Blasenspeer den Kelten
nicht nach dem 2. Jahrh. n. Chr. bekannt geworden sei. Sie
werden ihn wahrscheinlich von der Urbevölkerung Nordost-
Irlands und Nordwest-Schottlands kennen gelernt haben, unter
denen sich wohl zugewanderte Eskimo befunden haben werden,
die an der Westküste Schottlands und Nordküste Irlands
den Seehundsfang nach der Väter Art mit Blasenspeer und
Wurfholz betrieben haben mögen. Wir können also unbe-
denklich annehmen, dafs jene Zuwanderung von Eskimo nicht
lange nach dem Beginne unserer Zeitrechnung und vielleicht
auch noch etwas früher stattgefunden habe.
Es müssen also schon damals Eskimo auf Grönland oder
wenigstens schon an der Ostküste Nordamerikas angelangt
gewesen sein.
Gewils sagt eine Gemeinschaft von Kulturgütern noch
nichts zwingendes über die Besiedlung aus, aber die wichtige
Rolle, die der gae bolgae in der irischen Tradition einnimmt,
^) Aus den Fuuden geht hervor, dafs man schon damals in Westeuropa
das Wurf holz gekannt hatte, es ist aber wenig Avahrscheinlich , dafs sich
die Faugblase nach Ende der Eiszeit noch so viele Jahrtausende lang in
Irland und Schottland erhalten haben würde.
218 JULIUS POKORNY,
beweist doch etwas mehr, da man sie ohne Annahme einer
Siedlung von Eskimo, die den Kelten den Gebrauch jener
Waffe wiederholt handgreiflich vor Augen geführt haben
müssen, nicht recht verstehen könnte.
Meine Ansicht, dafs die vorkeltische (von Urzeiten her mit
den Eskimo in Ostasien verwandte mongoloideV) Bevölkerung
der britischen Inseln in späteren Zeiten durch gelegentliche
Zuwanderung von Eskimo aus Grönland oder Nordamerika
verstärkt wurde, wird dadurch bestätigt, dafs in der Tat
vom Jahre 62 vor Chr. bis auf unsere Tage Eskimo
auf ihren gebrechlichen Kajaks von Nordamerika, bezw.
Grönland an die Küsten Westeuropas gelangt sind.
Ad. de Ceuleneer hat (Archiv f. Anthropologie 1891,
S. 339 f.) gezeigt, dafs schon 62 v. Chr. Eskimo an die Küste
Germaniens verschlagen wurden (Mela III. 45, Plinius IL 67),
die dann ein König der Sueben oder der Rhäter (diese ver-
mittelten ja den Handel zwischen Norditalien und den Rhein-
gegenden) dem Metellus Celer zum Geschenk machte; wegen
ihrer dunklen Hautfarbe wurden sie von den Römern für
Inder gehalten. Eine Sklavenbüste im Louvre, die aus dem
1. Jahrh. vor Chr. stammt und deutlich den Typus eines
Indianers der Nordstaaten zeigt, ist in diesem Zusammenhange
sicher bemerkenswert. Eine Landung angeblicher „Inder"
in Lübeck im Jahre 1160 ist bei Äneas Silvius (Opp. geogi'.
et bist., cap. 2) bezeugt; nach Bembo (Historiae Venetae VII
257) traf im Jahre 1508 ein französisches Schiff in der Nähe
Englands einen Kajak mit sieben Fremdlingen, die nach der
Beschreibung zweifellos Eskimo aus der Davis Street gewesen
sein müssen. Ceuleneer gibt noch Belege für derartige Ver-
schlagungen aus den Jaliren 1682 und 1689. Über die Fahrten
von Eskimo nach Nordeuropa handelt auch Hans Plischke
(Petermanns Mitt, 1916, 93), der aber nur das schon von
Ceuleneer gebrachte Material in anderer Anordnung wiedergibt.
Gelegentlich der Diskussion über einen Vortrag, den ich
über die Urbevölkerung der britischen Inseln hielt, bemerkte
Herr Prof. Pöch (Sitzungsber. d. Anthrop. Ges. Wien, 1916,
S. 32/33):
„Es liegt im Museum zu Aberdeen ein grönländisches
Kajakboot, das, wie historisch nachgewiesen ist (vgl. Mac
BEITRÄGE ZUR ÄLTESTEN GESCHICHTE IRLANDS. 219
Ritchie in Peterraanns Mitteilungen 1911, I 284 und II 312),
an die Küste Schottlands verschlagen wurde. Dafs der Insasse
desselben auch zweifellos ein Eskimo war, ist sichergestellt.
Der Mann wurde in seinem Kajak gefangen, starb aber bald
darauf. Es wird dieses Kajakboot wohl kaum das einzige
gewesen sein, das seinen Weg dorthin gefunden hat, vielmehr
werden solche Verschlagungen und vielleicht auch Eeisen im
Laufe der Zeiten oft vorgekommen sein. Dies allein sagt
natürlich nichts Zwingendes über die Besiedlung aus, aber Be-
ziehungen zwischen Grönland und den britischen Inseln sind
zweifellos festgestellt. Auf gleiche Weise dürften Reisen auf
finnischen Fellbooten vom Osten her stattgefunden haben, wie
ein zweites, a, a. 0. beschriebenes und ebenfalls abgebildetes
Kajak darzutun scheint.''
Den erwähnten Beweisgründen dürfen wir gewils die
von dem Marquess of Bute (Cymrodor, 1883) erwähnte münd-
liche Tradition hinzufügen, derzufolge Eskimo in Grofs-
britannien gewesen sein sollen und die auch das Vorhandensein
sehr kleiner Leute auf der schottischen Insel Lewis darauf
zurückführt. Im Zusammenhange mit dem übrigen Stoffe ge-
winnt sie eine Beweiskraft, die ihr allein allerdings kaum
zugekommen wäre.
Über die Möglichkeit einer Einwanderung von Grönland
über Island und die Far Öer braucht wohl erst kein Wort
verloren zu werden, da ja Island von Grönland nicht weiter
als eine gute Tagereise entfernt ist.
Aber auch von der Nordostküste Amerikas (die Eskimo
safsen einst südwärts bis nach Massachusetts) konnten Kajaks
mit Leichtigkeit nach den britischen Inseln gelangen, indem,
sie mit dem Labradorstrom südöstlich in den Golfstrom und
von da geradewegs an die Küsten der britischen Inseln ge-
trieben worden sein dürften. Die Eskimo sind aulserdem die
kühnsten Seefahrer Amerikas; ihr Bedürfnis nach Speise und
Trank konnten sie unterwegs leicht durch das Fleisch und
Blut gefangener Seetiere befriedigen, was uns auch Kardinal
Bembo von den Eskimo des Jahres 1508 berichtet.
Das Meer bot in alter Zeit dem Verkehr viel weniger
Hindernisse als der Landweg, und wenn wir uns die Be-
siedlung der Südsee-Inseln vor Augen halten, wobei Meeres-
220 JULIUS POKORNY,
fahrten von 3000 km und mehr keine Seltenheit waren,
werden wir uns über die Reisen der Eskimo nicht gar so sehr
wundern dürfen.
Dals solche Reisen, in gröfserer Zahl wiederholt, in dünn
bevölkerten Gegenden geradezu zu Besiedlungen führen konnten,
ist auch nach dem Gesagten nicht weiter wunderbar. Für
liäufigere derartige Vorkommnisse sprechen auch die zahlreichen
Geschichten, die z. B. auf den Orkney- und Shetlands - Inseln,
aber auch in Schottland, von seltsamen Wesen erzählt werden,
die bald als Menschen, bald als Robben auftauchen und eine
„Haut" besitzen, die sie abwerfen können und dann zu ganzen
Menschen werden.
„Spätere Erzählungen von Wallace (1682) und Brand
(1701) über die Orkneys lassen nun klar durchblicken, um
was es sich bei den Meerleuten handelt. Beide beschreiben
den Meermann so wie wir es heute von den Grönländern
kennen, die eigenartige „Haut" wird als Kajak erkannt, das
allerdings im Wasser mit den Insassen fest verbunden, für
den argwöhnischen Naturmenschen leicht ein besonderes
Wasserwesen vortäuschen konnte. Hier handelt es sich
zweifellos um gelegentlich von Grönland oder Island ver-
schlagene Kajakgrönländer, die bei den auf dem Nordatlan-
tischen Ozean vorherrschenden Südwest- und Westwinden
nach Osten zu vertrieben wurden" (Archiv für Anthropologie,
1909, S. 82).
Einen weiteren Anhaltspunkt für Beziehungen zwischen
den Eskimo und den Urbewohnern der Britischen Inseln
wollten manche in den Ähnlichkeiten, die zwischen den
Winterhäusern der Eskimo und den unterirdischen Hügel-
wohnungen in Irland und Schottland bestehen sollen, gefunden
haben. Während ich aber für die Winterhäuser der Eskimo
die vorzügliche, mit Bildern und Grundrissen versehene
Monographie von Ernst Sarfert (Archiv f. Anthropologie, 1908,
S. 119 — 215) zur Verfügung habe, ist mir eine ähnliche
umfassende Arbeit über die irischen und schottischen Hügel-
wohnungen weder bekannt, noch zugänglich.
Ich bin daher aufser stände, ein abschliefsendes Urteil
über jene Beziehungen zu fällen, und will hoffen, dafs bald
jemand anders das Versäumte nachholt.
BEITRÄGE ZUR ÄLTESTEN GESCHICHTE IRLANDS. 221
Vorläufig begnüge ich mich, darauf hinzuweisen, dal's
sowohl die Winterhäuser der grönländischen Eskimo, wie
auch die Hügelwohnungen Irlands und Schottlands aus un-
behauenen Steinen und Erde verfertigt und oben mit Rasen
bedeckt sind, so dafs sie von aufsen unscheinbaren Hügeln
gleichen. Beiden ist ferner die Gangtüre gemeinsam, eine
tunnelartige Verlängerung der Türöffnung, so dafs man nur
durch einen langen, engen Gang in das Haus gelangen kann.
So ist der Eingang zu einem derartigen Hügel bei Kirkwall
über 4V2 Meter lang, aber nur 38,1 cm hoch und 55,8 cm
breit. Bei beiden ist der Eingang so eng und niedrig, dafs
man nur in kriechender Stellung hineingelangen kann, und
selbst dann ist der Zutritt oft nur kleinen und schlanken
Personen möglich. Was die Konstruktion und den Grundplan
anbelangt, so weifs ich über die irischen Erd Wohnungen
nichts Sicheres zu sagen; es sind mir ganz verschiedene
Formen in verschiedenster Grölse und Höhe bekannt.
Die steinernen sogenannten „Bienenhäuser" Irlands zeigen
eine bemerkenswerte Ähnlichkeit mit den Häusern der Eskimo;
vgl. z.B. die Illustration eines solchen unterirdischen Baues
aus Dowth bei Coffey, New Grange (p. 49), dessen ungewöhnlich
langer, gleichfalls mit Steinen und Erde bedeckter Zugang
zum Teil tiefer liegt, als das Haus (eine Sache, die bei den
Eskimo -Häusern fast die Regel ist, da man dadurch das
Eindringen der kalten Luft verhindert), mit Fig. 55 und 61
im Archiv f. Anthrop., S. 174 und 179.
Sehr auffällig ist jedenfalls, dals sich die Hügelwohnungen
aufser in Schottland hauptsächlich in den nordöstlichen Teilen
Irlands, also in Gegenden finden, welche den Hauptsitz def
Pikten bildeten, die offenbar den gröfsten Prozentsatz nicht-
keltischen Blutes aufwiesen.
Wenn Rice -Holmes mit seiner Behauptung recht hat,
dafs kein einziges Erdhaus als älter als die britische Bronze-
zeit erwiesen werden kann, so würde das ja gerade für einen
möglichen Zusammenhang mit den Wohnungen der Eskimo
sprechen, da diese gewifs nicht früher aus Grönland oder
Nordamerika herübergekommen sind.
Ihre Rolle -als die Elfen und Zwerge des Volksglaubens
ist ja ebenso verständlich, wenn wir annehmen, dals jene
222 JULIUS POKORNY,
Erdhäuser erst von den in der Bronzezeit, also später als die
Iberer, eingewanderten Eskimo errichtet worden waren. Das
eine scheint mir jedenfalls sicher, dafs sie vor den ersten
Kelten dort gewesen waren, wie ich ein anderes Mal zeigen
werde, und das genügt Ja vollständig.
Ob man es wagen darf, einen Zusammenhang zwischen
den in Nordamerika gebräuchlichen Schwitzbadehäusern und
den in Irland seit alter Zeit benutzten Badehäusern anzu-
nehmen, möchte ich zur Diskussion stellen. Vorläufig ist
weder das Alter noch die Herkunft der irischen Schwitzhäuser
genügend klargestellt. (Vgl. Wood -Martin, Pagan Ireland,
p. 197, Joyce, Smaller Social History, p. 278.)
Die Behauptung Mac ßitchies (Celtic Review VI, 175),
dafs einer der unterirdischen Räume in New-Grange genau
im Grundplane mit den Winterhäusern der Eskimo
Grönlands übereinstimme, bezieht sich offenbar auf den
von mir schon erwähnten Fall des „Bienenhauses". Nach
Coffey (New Grange, p. 49) scheinen derartige Räume jünger
zu sein, als die Grabhügel, und dienten deutlich als Wohn-
räume. Sollte die Übereinstimmung als genügend beweis-
kräftig erweisen, so müfsten wir wohl annehmen, dafs die
betreffenden Bauten von Nordamerika nach Irland gekommen
sind, nicht aber umgekehrt, da sowohl die Meeresströmungen
wie auch die erwähnten geschichtlichen Tatsachen für das
erstere sprechen.
Mac Ritchie hat auch gewii's mit der Annahme recht, dafs
der Glaube an die in den Feenhügeln hausenden Elfen wenigstens
zum Teil auf die ersten Berührungen der eindringenden
Kultur mit der kleineren vorkeltischen Bevölkerung zurück-
zuführen ist.
An Zwerge braucht man, wie er meint, allerdings dabei
nicht zu denken; schon eine durchschnittliche Körpergröfse
von 1,50 cm, wie wir sie bei den paläolithischen und manchen
neolithischen Bewohnern Englands oder bei den später zuge-
wanderten Eskimo voraussetzen dürfen, würde genügen, diese
in der späteren Volksphantasie zu „Zwergen" zu degradieren.
Dafs die nördliche, vorkeltische Bevölkerung, wenn auch nur
teilweise, unterirdische Hügelwohnungen benützte, würde schon
genügen, dafs man dann sämtliche Hügel als Elfenwohnungen
BEITRÄGE ZUR ÄLTESTEN GESCHICHTE IRLANDS. 223
ansah, auch Grabhügel, die niemals als Wohnstätten gedient
hatten.
Interessant ist die von Mac Ritchie zitierte Stelle
(BB250a, b) in der gesagt wird, dafs När, die Tochter des
Pikten Lotan a sidaib no do Chruiihentuaith „aus den Feen-
hügeln oder dem Piktenlande" gekommen sei. An anderer
Stelle (LU) wird erzählt, dafs König Crimthann, dessen Vor-
gänger bisher zu Cruachan in Connaught begraben worden
waren, von jener Nar, seiner Gattin, die von den „Tuatha Dea"
{Tuatha De Ddnann) abstammte, überredet worden war, sich
selbst in dem erwälmten ßrugh im Boyne-Tale begraben zu
lassen, wo die Vorfahren seiner Frau bestattet lagen. Hier
werden also „Pikten" (gemeint sind die irischen Pikten von
Meath) den Bewohnern der Feenhügel und den alten Göttern,
die in der christlichen Tradition später zu Elfen degradiert
worden waren, gleichgestellt.
Ebenso interessant ist der in der 1. Hälfte des 15. Jahrh.
verfafste Bericht des Bischofs von Orkney, Thomas TuUoch
in seinem Buche „De Orcadihus Insulis^, wo er sagt, dafs im
9. Jahrhundert, als die Skandinavier unter Harald Haarfagr
nach den Orkneys kamen, die Inseln von zwei Rassen be-
wohnt waren, deren eine die 'papae oder Priester (d. h. irische
Missionäre), die andere aber die Feti (Pikten?) waren. Von
diesen Feti berichtet er, dafs sie „nicht gröfser als Zwerge
an Gestalt waren, aber wunderbar geschickt im Bauen von
Burgen", und dafs sie zu Zeiten in „kleinen unterirdischen
Häusern" Zuflucht suchten.
Die „Zwerge" dürften hier nur volkstümlicher Übertreibung
ihre Entstehung verdanken. Wir werden natürlich auch nicht
annehmen müssen, dafs alle oder die meisten Pikten Irlands
und Schottlands jener eskimoiden Rasse angehörten, was schon
wegen ihrer starken Mischung mit der iberischen, südlichen
Urbevölkerung und den Kelten unwahrscheinlich ist, aber es
ist begreiflich, dafs sich im unwirtlichen Norden Irlands und
Schottlands die eskimoide vorkeltische Rasse länger in ver-
hältnismäfsiger Reinheit erhalten konnte, als anderwärts.
Man kann schliefslich auch das Zahlensystem der
Eskimo dem auf den britischen Inseln gebräuchlichen gleich-
setzen; zwingend ist diese Gleichsetzung allerdings deshalb
224 JULIUS POKORNY,
iiiclit, weil auch andere vorarische Völker das gleiche Zahlen-
system hatten, was man z. B. wegen des frz. quatre-vingt für
die Ligurer erscblielsen mufs; ebenso ist ja das lateinische
Zahlensystem von I bis XX nichts anderes als eine genaue
Darstellung des 5er-Systems, bei dem V die Hand und I den
einzelnen Finger wiedergibt (Zimmer Sitzb. Preus. Ak. 1910,
S. 1059), und das durch arische Italer von den vorarischen
Bewohnern übernommen worden ist, die offenbar hier auch
Ligurer waren.
Auf den britischen Inseln waren, wie ich ein anderes
Mal zeigen werde, Ligurer wohl niemals in ausschlaggebender
Anzahl ansäfsig; als zweite vorkeltische Kasse kommen vor
allem Iberer in Betracht. Soweit mir bekannt ist, läfst sich
ein 5er-System bei den Iberern nicht nachweisen; sollten sie
zur Zeit ihrer Einwanderung ein anderes Zahlensystem
besessen haben, so wäre allerdings der Vergleich mit dem
5er-System der Eskimo nicht ganz bedeutungslos, einstweilen
aber müssen wir uns blofs mit der Möglichkeit eines un-
mittelbaren Zusammenhanges begnügen.
Die Eskimosprache hat nur Namen für die ersten
fünf Ziffern, die an den Fingern abgezählt werden; „sechs"
heilst „der erste Finger der anderen Hand", usw., über „zehn"
müssen die Füfse aushelfen, so dafs der Eskimo bis zu „zwanzig"
kommen kann, was „ein ganzer Mensch zu Ende" heilst. Hier
haben die mathematischen Begriffe der Eskimo ihr Ende.
Derselbe Zustand mufs auch einst bei der Urbevölkerung
der britischen Inseln geherrscht haben, denn im Irischen
heilst heute noch „elf" aon . . . deag = \-{-2xh (deag, air.
deec = dveipenqvou „zwei Fünfer"), im Kymrischen „sechzehn"
un ar bymtheg = 1 + 15 (3x5), usw.
Während im Altirischen noch die idg. dekadischen Zehner-
zahlen vorhanden gewesen waren, ist im Neuirischen ebenso wie
im Kornischen, Kymrischen und Bretonischen das System der
Zwanzig an ihre Stelle getreten, also 30 = 10 + 20, 40 = 2 x 20,
usw. Auch im volkstümlichen Englisch wird zumeist threescore
für „60" und fourscore für „80" gebraucht. Zimmer hat ferner
darauf aufmerksam gemacht, dafs im Kymrischen ugeint „20"
zur Bezeichnung einer grofsen Zahl oder Menge verwendet
wird, und weiter auf das altirische Runensystem von 20 Buch-
BEITRÄGE ZUR ÄLTESTEN OESCHICHTE IRLANDS. 225
Stäben hingewiesen . das in 4 Stäbe zu je 5 Buchstaben ein-
geteilt ist.
Dafs die keltischen Elfen nur bis fünf zählen können
(Rhys, Celtic Folklore) ist im Zusammenhange mit der Theorie,
dafs die Elfen zum Teil eine Erinnerung an die Urbevölkerung
darstellen, besonders wichtig.
Es unterliegt für mich nicht dem geringsten Zweifel, dafs
der schon im ersten Aufsatze (oben XI 189 ff.) besprochene
Gebrauch der Hautboote, des Coracle's, auf den britischen
Inseln ebenfalls zu den Merkmalen einer ehemaligen Kultur-
gemeinschaft mit den Eskimo gehört.
Dals das Hautboot nicht keltischen Ursprungs sein
kann, habe ich bereits nachgewiesen. Was die Skandinavier
betrifft, so kann es nach den Untersuchungen von Trebitsch
(Archiv f. Anthrop. N. F. XI 170) für ausgemacht gelten, dafs
die dort lebenden Lappen Fellboote benutzt haben, während
es recht unwahrscheinlich ist, dafs dasselbe bei den Germanen
der Fall war, weil diese, wie Nansen (Nebelheim I, 250 ff.)
gezeigt hat, schon in der Bronzezeit seetüchtige Holzschiffe
besassen.
Dals ein organischer Zusammenhang zwischen den irischen
Hautbooten und dem Eskimokajak besteht, ist schon daraus
gegeben, dafs derartige Boote lückenlos rings um den Nordpol
herum verbreitet sind, und da in den gleichen Gegenden
mongoloide, unter einander verwandte Völker sitzen oder
gesessen haben, ist es klar, dafs auch ihre Erzeugnisse ver-
wandt sein werden.
Dafs heute das irische Hautboot von dem Eskimokajak
in der Bauart verschieden ist, ist selbstverständlich und ^
beweist gar nichts. Der gedeckte, kunstvoll hergerichtete
Kajak der Eskimo war nämlich ursprünglich gewifs nicht
anders beschaffen, als das viel primitivere irische Hautboot.
Weil aber in Irland genug Holz zur Herstellung weitaus
besserer Fahrzeuge vorhanden war und die Bewohner des
Landes auf den Seehundsfang nicht angewiesen waren, blieb
hier das Hautboot in seiner ältesten Gestalt erhalten; anders
war es natürlich mit den Eskimo, die in den unwirtlichen
Polargegenden lebten und deren ganzes Leben nur von dem
Seehuudsfange ab hing; hier mufste sich der ganze Scharfsinn
Zeitschrift f. celt. Phüolofirie XII, i- 15
226 JULIUS POKORNY,
des Volkes darauf konzentrieren, aus dem schlechten Materiale
ein möglichst seetüchtiges Fahrzeug herzustellen, was ihnen
denn auch in bewunderungswürdiger Weise gehmgen ist.
Wenn wir nun die Frage nach der Herkunft des irischen
Hauthootes stellen, und die Wahl zwischen einem Lande
haben, das reich und fruchtbar war und aufserdem Holz
zur Herstellung von besseren Fahrzeugen im ÜberÜusse auf-
wies, dessen Bevölkerung weder auf die Seehundsjagd, noch
auf die Schiffahrt dringend angewiesen war, — und einem
anderen Lande, wo das letztere der Fall und aufserdem
anderes Material als Tierfelle und ein wenig spärliches Holz
zum Schiffbau nicht zur Verfügung war, so müssen wir uns
selbstverständlich für das zweitgenannte Land entscheiden.
Das Hautboot gehört also zu den Kulturgütern, die, gleichwie
der Harpunenspeer mit Blase und Wurfholz, von den Polar-
ländern nach Irland gekommen sind. ■
Es wäre schliefslich auch die Annahme denkbar, dals
das Hautboot in Irland entstanden wäre, als es noch nahe
der Eiszone lag, aber im Zusammenhange mit der offenbar
viel später erfolgten Entlehnung des Blasen -Speers werden
wir auch in unserem Falle den Gedanken späterer Entlehnung
vorziehen.
Da sich die älteste Erwähnung von Hautbooten bei den
Bewohnern der Britischen Inseln (Oestrymnides) bei Avienus
(103 f.) findet (vorausgesetzt, dafs es sich hier um eine
Wiedergabe der Nachrichten des Himilko — um 500 v. Chr. —
und nicht um einen von Avienus -selbst gemachten Zusatz
handelt), zu mindest aber bei Timäus (354 — 256 v. Chr.), der
sie der Reisebeschreibung des Pytheas (322 v.- Chr.) entnommen
hat, so müssen, falls man eine Entlehnung von den Eskimo
annimmt, Eskimo schon längere Zeit vor 500 (oder 322)
vor Chr. nach den Britischen Inseln gekommen sein,
wozu ja auch stimmt, dafs die um 300 v. Chr. in Irland ein-
wandernden Kelten die Hautboote bereits im Besitze der
Urbevölkerung vorgefunden hatten.
Es safsen also schon lange vor 500 (oder 322) vor Chr.
Eskimo an der Nordostküste Nordamerikas oder an der Küste
Grönlands und ihre erste Einwanderung kann un-
bedenklich vor der Ankunft der Kelten, somit noch
BEFTRÄGK ZUR ÄLTESTEN (JESCHICHTE IRLANDS. 227
in der Bronzezeit der Britischen Inseln angenommen
werden.
Da in der Bronzezeit ein reger Verkehr zwischen Spanien
und Irland archäologisch nachgewiesen werden kann, so liegt
natürlich der Gedanke sehr nahe, dals auch die iberischen
Lusitanier Spaniens, die nach dem Berichte Strabo's (III S. 155)
Fellboote besafsen, diese auf dem Umwege über die Britischen
Inseln — möglicherweise auch direkt aus Nordamerika —
erhalten haben.
Zu meiner Theorie einer Entlehnung der irischen Hautboote
von den Eskimo kann ich noch hinzufügen, dafs die bei den
Indianern Nordamerikas früher vorkommenden „bull-
boats-', die bekanntlich den Fahrzeugen der Eskimo nach-
gebildet sind, aus einem kreisrunden Gerüst von Weiden-
zweigen mit einer darübergespannten Bisonhaut verfertigt
waren, so dafs sie, wie Trebitsch richtig hervorhebt,
ganz den in Irland am Boyne üblichen Rundbooten
glichen.
Es wäre vielleicht der Mühe wert, zu erforschen, wie
sich das keltische '^korukos „Hautboot" zu türkisch helelc,
kaik und zu eskimo kajak verhält. Indogermanisch scheint
jedenfalls das keltische Wort nicht zu sein, ebensowenig wie
das vielleicht dem Keltischen entlehnte griechische xcogvxog
„Ledersack".
Es wäre möglich, dafs das Keltische die älteste Form
des Eskimo -Wortes bewahrt hätte, aus dem sich dann das
heutige kajak entwickelt haben könnte; der Wandel von
intervokalischem r zu j kommt in nichtarisclien Sprachen oft
genug vor, ebenso der Wandel von r zu l, woraus dann wieder
i werden kann. Einen Wandel l > j kennen z. B. das
Syrjänische und Ostjakische. Die Vokale machen natürlich
gar keine Schwierigkeiten.
Vielleicht äufsert sich einmal ein Kenner jener Sprachen
näher darüber. Könnte nicht auch der Name der Kor-
jaken, den man vom Tschuktschischen chorana „Renntier"
ableitet, von einem Worte korjak (= Hautboot?) abgeleitet
sein?
All das würde dann mit Sicherheit die Herkunft des
keltischen Hautbootes von den Eskimo erweisen.
15*
228 JULIUS POKORNY.
Ich hatte oben (XI 201) bemerkt, dafs wir kein einziges
glaubwürdiges Zeugnis über Hautboote bei den Festlandskelteii
besäfsen. Nun behauptete Schulten (Numantia, S. 62), dafs
solche Boote „bei den Venetern') und an der Küste der
Bretagne" vorkämen, und berief sieh dabei auf Avienus.
Z. 103f.
Ein Blick auf die zitierte Stelle zeigt aber, wie grundlos
Schulten's Behauptung ist. Dort ist nämlich nur von den
Bewohnern der Oestrymnides die Rede; die Oestrymnides sind
aber den Kassiterides gleich zu setzen, die in unserem Falle
die Britischen Inseln bezeichnen, wie Rice -Holmes (Ancient
Britain, S. 483 f.) einwandfrei nachgewiesen hat. Schulten hat
sich öfter derart irreführende Zitate zuschulden kommen
lassen.
Von anderen Seiten ist gelegentlich der Gedanke aus-
gesprochen worden, dafs Lappen (irrig „Finnen" genannt) bei
der Entstehung der vorkeltischen Bevölkerung der Britischen
Inseln beteiligt gewesen seien.
An und für sich wäre es ja nicht unmöglich, dafs sie
neben den Eskimo in Betracht kämen. Dafs gelegentlich
Lappen von Skandinavien bis nach Schottland gekommen sind,
ist ganz zweifellos, denn im 17. und 18. Jahrhundert wurden
Lappen mit Kajaks bei den Orkney Inseln gesehen und eines
ihrer Fellboote befindet sich noch heute im Science and Art
Museum in Edinburgh (MacRitchie a. a. 0.). Dafs schon in
der Bronzezeit Handelsverbindungen zwischen den britischen
Inseln und den nicht -lappischen Bewohnern Skandinaviens
bestanden haben, ist ebenfalls sichergestellt.
Aber von derartigen Beweisen, wie sie uns für die
Anwesenheit von Eskimo zur Verfügung stehen, ist keine
Spur vorhanden, im Gegenteil. Die neolithische Ur-
bevölkerung der britischen Inseln ist durchwegs lang-
köpfig, ebenso die in jüngster Zeit von Dr. Beddoe und mir
beobachtete nicht -arische und nicht -iberische Bevölkerung
Irlands und Schottlands, die Lappen hingegen waren und
*) Schulten hätte sagen müssen „oberitalischen Venetern", da hier
jedermann an die gallischen Veneter denken würde. tJbrigens erscheint
mir diese Nachricht des Lucanus (Pharsalia, 131) nicht ganz sicher.
BEITRÄGE ZUR ÄLTESTEN GESCHICHTE IRLANDS. 229
sind ausgesprochene Kurzköpfe. Bevor also nicht Kurzköpfe
unter der ältesten Bevölkerung der britischen Inseln nach-
gewiesen werden, mufs die lappische Theorie als unbewiesen
zurückgestellt werden.
Bei dieser Gelegenheit möchte ich auch darauf hinweisen,
dafs das Druidentum höchstwahrscheinlich unter der nörd-
lichen Urbevölkerung Irlands und Schottlands seinen Ursprung
genommen hat. Die Gründe, weshalb es nicht echt keltisch
sein kann, habe ich bereits wiederholt (Mitteil. d. Anthropol.
Ges. Wien, 1908, verbesserte Auflage in der Celtic Review
1908 und Sraithsonian Report for 1910, p. 583f.) dargelegt.
Aber auch bei den Iberern, die anerkauntermalsen den Haupt-
teil der vorkeltischen Urbevölkerung darstellen, findet sich
aufserhalb der Britischen Inseln nichts Ähnliches. Wenn es
aber aus der nördlichen, mongoloiden Urbevölkerung hervor-
gegangen ist, so ist ja klar, dals wir im iberischen Spanien
und in den keltischen Landen aufserhalb Galliens vergebens
danach suchen müssen, wogegen die Zauberpriester der Eskimo
und anderer mongoloider Polarvölker eine treffliche Parallele
zu den keltischen Druiden darstellen.
Weitere, in meiner Arbeit nicht erwähnte Belege für den
nicht-indogermanischen Charakter der irischen Druiden bringt
MacRitchie in einem Aufsatze in der Celtic Review (VI, 257 f.).
Er macht daselbst auch auf die hochinteressante Tatsache
aufmerksam, dafs gelegentlich die Druiden den mythischen
Bewohnern der Elfenhügel gleichgesetzt wurden, wofür er
einige Belege aus der irischen Literatur beibringt. Die
Bedeutung jener Tatsache für meine Theorie liegt ja auf der
Hand; sind doch die „Druiden" Skandinaviens niemand anders,
als die dortige nicht-arische lappische Bevölkerung, die ^ auch
zweifellos bei der Bildung der skandinavischen Zwerg -Sagen
eine Rolle gespielt hat. Das Gleiche lälst sich mit demselben
Rechte von der mongoloiden Bevölkerung der Britischen Inseln
sagen.
Vielleicht bezieht sich der Name der bei Ptolemäus als
Bewohner der Grafschaft Antrim, des äufsersten Nordostens
Irlands, genannten Bhobogdn, falls er für gesprochenes ro-
buchti (zu irisch ro-hocht 'sehr arm') steht, auf unsere, zu
seiner Zeit wohl noch nicht keltisierte, piktisch reskimoide
230 JUF.IUS rOKOUNY.
Urbevölkerung. Der Name würde den bestmöglichen Sinn
geben und es ist sehr wahrscheinlich, dafs wir liier einen von
den benachbaren Kelten gegebenen Namen vor uns haben, da
bei der Armut jener Kiistenbewohner fremde Tvaufleute kaum
direkt in Beziehungen zu ihnen getreten wären.
Zum Schlüsse will ich die Ergebnisse unserer Unter-
suchungen kurz zusammen fassen:
1. Aus heute auf den Britischen Inseln vorkommenden
Rasse-Typen und aus der Anwesenheit mongoloider Volker in
ununterbrochener Linie rings um den Nordpol läfst sich die
Anwesenheit einer mongoloiden Rasse erschliefsen. Zur
Erklärung einer derartigen Besiedlung kommen zwei Möglich-
keiten in Betracht, die vielleicht alle beide dazu beigetragen
haben werden; die zweite ist wohl am ehesten gesichert:
I. Eine inongoloide Rasse bewohnte vielleicht
schon in paläolithischer Zeit die Britischen Inseln.
Dafür könnte man geltend machen:
a) Die Gleichartigkeit der Kultur der paläolithischen
Bewohner Englands und der ursprünglich in Ostasien an-
sässigen Eskimo.
b) Die Eskimo sind, gleichwie die heutigen mongoloiden
Bewohner Englands, das einzige Volk, das Langköpfigkeit mit
mongoloiden Merkmalen vereinigt, könnten also den Urbe wohnern
Englands verwandt sein.
c) Bei der geringen Zahl paläolithischer Schädelfunde
kann der Mangel au mongoloiden Schädeln nicht als Gegen-
grund angeführt werden.
IL Mongoloide Menschen (es kommen aus anthropo-
logischen und ethnographischen Gründen nur Eskimo in
Betracht) sind noch vor Einwanderung der Kelten,
vielleicht auch später noch, aus Grönland oder Nordost-
Amerika eingewandert:
a) Das Hautboot, das schon um 500 (oder 332) v. Chr.
bezeugt ist, dürfte von den Eskimo entlehnt sein.
b) Der in der irischen Literatur eine wichtige Rolle
spielende gue hohfac ist der Harpune mit Blase und Wurfholz
gleichzusetzen und muls wohl spätestens im 2. Jahrh. n. Chr.
von den Eskimo entlehnt sein, wenn er nicht unabhängig von
ihnen erfunden worden war.
BEITRÄGE ZUR ÄLTESTEN (iESCHICHTE IRLANDS. 231
c) Gelegentliche Reisen von Eskimo nach den Britischen
Inseln sind von 62 v. Chr. an bis auf unsere Tage historisch
bezeugt und spielen auch in den Volkssagen eine grofse Rolle.
d) Das Zahlensystem der Eskimo ist mit dem der Ur-
be wohner Englands und Irlands identisch, was aber Zufall
sein kann.
e) Vielleicht besteht auch ein Zusammenhang zwischen
den Winterhäusern und Badehäusern der Eskimo und den
unterirdischen Hügelwohnungen und Schwitzhäusern auf den
Britischen Inseln.
2. Auf das Konto der nördlichen , von den Iberern ver-
schiedenen, vorkeltischen Bevölkerung der Britischen Inseln,
sind wahrscheinlich die Einrichtung des Druidentums, wie
auch die Sagen über zwerghafte Bewohner der „Feenhügel"
zu setzen.
3. Im Gebiete der Pikten finden sich die meisten
Anzeichen für die Anwesenheit einer nicht-iberischen Ur-
bevölkerung. Die Pikten werden also eine oberflächlich
keltisierte Mischung von der nördlichen Urbevölkerung mit
den in der jüngeren Steinzeit von Süden her zugewanderten
Iberern und den im 3. und 4. Jahrhundert n. Chr. eingewan-
derten Kelten darstellen.
4. Irland wird seine älteste Bevölkerung vom be-
nachbarten Schottland, wohin die paläolithischen mongoloiden
(und andere) Bewohner Englands nach Ende der Eiszeit nach-
gerückt waren, erhalten haben.
Als nächste Einwanderer kamen schon nach kurzer Zeit
iberische Stämme aus Westfrankreich.
5. Lappen lassen sich in der vorkeltischen Bevölkerung
der Britischen Inseln nicht nachweisen.
Selbstverständlich spielt jene eskimoide, vorkeltische Be-
völkerung infolge ihrer geringen Zahl bei der rassischen
Zusammensetzung des keltischen Volkstums nur eine ver-
schwindend kleine Rolle.
Wien. Julius Pokorny.
DAS ENDE VON BAILE IN SCÄIL
aus Rawl B 512, fol. 103 b 2.
(Vgl. Zeitschr. f. celt. Phil. UI, S. 466.)
41. 'Däil de forsin cailech (.i. i n-äin dldiii a cath Al-
niaine), for Fergal clethblugaid Herenn. armacli Lini, arsid Äi.
Bebaid la Laighniu iarna r? Fergal hi cath Almaine,
biaid ar mör isin chath. \mias co Reirenn airbriu,
hi töeth ind rlgrad moinech iramon cailech ass amrii.
.XII. I nDermaigh roadnaclit Fergal. Unde dictum est:
Rena fuiligud hi röi tailcc arbertad catha cli.
indiu for lär Dermaigi aicsiii Fergaili ni ni.
42. 'Däil de for Flaitlibertach. lud re bTa«, is lais fir-
fidhir cath Droma Corcain fri Temraigh antüaid. Cinsed ainm
hüa Conaing (flu fo talraain). Atcöinfed Göidhil .xxui. hliadna
bass rl Flaithbertach. C'onbeba ec üatba fo täilcentaig .i. i
nArd Macha i n-ailithre atbath clericus i n-ailaid na rig.
43. 'Däil de for Aed Alden (.i. Altan no'vnen loci ubi
nutritus est), Aed airdri. Deich mbliadna. Firfid cath cos-
crach gein cath Säiltiri arangeba bidh ni däu na da calh i.«-
ind öenlöu, cath Ätha Da Charnda, cath Ätha Medöin. Memaid
for cenel Conaill. Glanfaid Arii. Falguba Ulad. Memaiss for
Äed re nÄed (.i. Ron macc Beicci ßairche), int Äed aurbaig
(.i. cath Focharta) fo/ma fan leth a anmse hi muir (.i. rön) mär.
Do maigh Laigen gebaid grith. bid slöged n-aurde/c
fon mbith.
Au raäirt hi tüaiscirt Liphi. Dighail iiath Almaine i n-ebbela
cach amra, ürßd ail uchbad, (fo. 10 ta 1) gebaid Göedhelu co
muir etir Coud is Mumain. Cath Ceuindsa,
cath i nEochind da rii ararabebat tigernai.
DAS ENDE VON BAILE IN SCAIL. 2ßS
Bied mairc m6r hi cach taigh iarsiii cath a Seredmaig,
bläid ernbas im rfgu sain can im colaind nAeda.
Doföeth in ri ö Srüb Braiu for brü Locha Sailcitaiii.
Hi Claain makc Nöiss roadnacht Äed Aldän.
44. 'Dail de for Domnall macc Murcadtiae. ßoinfitir
catha (i. cath S[e]i'edmaigi) riam. Nöifitir fir i ndarddäin.
Atbeba Bregaib. Ec atbai hi tailcentaigh i) .i. i nimliuch
[a. XX. bliadan. ■
45. 'Dail de for Niali Frosach. Catha ili 'na flaith. Ni
ba friss firfithir.
Bebaid ec atbui la fuil, berthair hi tire dar muir
.i. CO Hi Col«m Cilli. Secht mbliadna namä .1 Dondchad ex-
pulsit eum de regno suo.
46. 'Dail de for Donnchad. Ticfa flaith Dondcadae triüin.
Coicligid insi Scott gignidir nacli tain.
Is lais doregat in slüaig timchell Cairnd Fiachrach
antuäith.
ibait üäig lommae cröu for brü Locha Luglochtau.
Tröethbaid Brega borrcathaib. Mör cath airthir fuäta ürßd.
Bied CO n-imniud acain^) in maten hi Forcalad.
re nDond Midi'memais cath inid abbaill Congalach.
Cath Srubrach arasela canan geba men re nDund Midi for
flni, for anfine. Gentair tailcend gnTBi co fini aramba Fiachru
(.i. mac Cathail). Ar a belaib sinit fir Tar tuidecht ö Lai-
gillib (.i. for Äed n-Ingor).
Di lär Tauten rüanaid glö,'^) rüinfid riäm hi fochlse,*)
consäidhfe co cendaib troch die domnaich im Chlöenloch.
Cath (fo. 104 a 2) Etain Tairb, biat ili mairb.
Fomnais (.i. Äed Muinderg) i niBricc Fanat imbi rii tress
linduind tessad bodbai. Bid comaimser dö in dondf^r co mag
di lar Liphi rüed rafiastar cäch. Cellach ainm da n-ocht
hliaclna bass ind amsir in Duind Midi,
Önd hüair rega^ cota muir firscel gona Follaraain
(.i. maioc Con Congalt).
^) tailtenCaigh Hä.
-.) .i. cenu.
'} .i. aatk Cairnd maicc Uäirthind.
*) V über se.
234 KUNO MEYER,
Gert trtchat hliadna nama co cend rlgi Dondcada.
Biäid golgairi hi cech maigh hi tosssach ind üar-erraigh.
In Dond Mide bebais aitt die mairt fö täilcentaig
.i. hi Clüain Eraird.
47. 'Dail de for Äed n-lngor, forsin gercc. xxui.hliadna
a flaitli.
Ts he in tÄed cernach ciüaid coscracli brisfess büed:
fomnas da na mbued for Cloitig. dofoirtbe firu ceni töith-
.«ad rig.
Fodercfa Bandae fo dii, fiistöethsat slüaig Mide
.i. Findach ta. Euäid äir tiiüm dosfoirtbi.
Atbeba dond Ceina ciüaid in tan ainfes bid iar nibüaid.
Citha garcc a gaile graphand. Dofortbi täilcentaig i. tcr-
raann Aird Macha. TrP.nchathach ceniüil Conaill, dergtresach
Temarraaigi, slögindredach Clairi, costadach Liphi.
Slüaig doregat ö Srüb Brain isin mis iar n-üargaim,
is lais ibait fiäich fuil for seichib ic Derclüacliair
(.i. Druim RTg).
In slüag doficfe fri cle cül a catha fri Tlachtge
Äedh findi cumm/ja chnes, meniais riäm siardes.
Intan söifes dar fri cle arambeba Finacht?^.
(fo. 104 b 1) In Ard Macha sepultus est Aedh. Macc Düuflatha
ingeni Flaithbertaigh ia\ßicc Longsich Äedh Ordnidi. Ic Äth
Da Fertge hi Conaillib atbath per conflictionem Mael Cänaigh.
48. 'Däil de for Conchabor macc Donnchada. GBbaid
Goidelu cota muir macc mnä Condacht. Cäin breo briiighi
Breghmaighi. xiiii. ar techta Temuir cassra tocaid ina re.
Tüaruscba«/ tichtain geinti.
Ind-oin diden, cöinti tuir. artha etsecht Conchobuir.
Hi Clüain Iraird sepultus est.
49. 'Dail de for Niall Cailli dodanesfa (.i. Temair). Firfid
cath Crüachan (.i. cath Leithi Caim), catli Dairi Chalcalg for
geinli. Niell hi muir, Niell lii nguiu, Niell hi tein.i) Ce<-
masscach (.i. HBrenn). Teora hliadna dec. I nArd Macha
roadnacht Niell iarna bädud hi C-dlahtd .i. hi Linde Nöill.
50. 'Däil de for Mael Sechlaind. Ni fiastar uech rüna
a cÄr/diu, tuitet tri duind Eignsei la dubai a gossa. Is leis
') See FM., p. 472.
DAS KNDK VON BAILE IN SCAIL. 235
firfidhir fert ftngaile uc Clöin. Dian fichta fri lieclitranda
(.i. Gaullu). Slüag-dortad (.i. co Mumain) Forchäi fescur tess
cüaird for Hermn ata laidi legfaitir (.i. düan Patrini). Die
raairt riglii Roiss dofuit atbai i röi Ruis (.i. Aröc iiigeu rlg
Fer Cül matliair Mail Seclila?«(?). xur. h\iadna. Hi CAüain
maAcc Nöis roadnacht.
51. 'Dail de forsin cöel cresen (i. cleirech dognid) for
Oed Ölach (.i. FinnlTath mac GormlaMa ingeni Dondcada
7 Neil! Calni). Slüagadach Liplii, crüach Clöitigi, graiphnech
Crüachan. Is leis firfidir catli Leitrecli Daigri (.i. cath Cilli
Üa nDaigroe) gair riana dltli (.i. öenbliadain rena ditli .i. ria
ec). ladaid dorcha mor hi cetäin cetligaimrid.^) xiu. hliadna.
I Räith Adomnse atbath Äed. I nArd Macha roadnachtt.
52. (fo. 104 b 2) 'Dail de forsin mewd mbrecach, for Flau d
Sindse, firfes bröen fingaile for a braitliri. Tecat airdhi ili
'na flaith .i. teclit Diiiim (.i. ailitliir ö Röim) dia foicertar är
uGöidel ic Duiblind (.i. ind ailitliir). Bas coel a clü do rlg
Crüachan .i. Äed macc Conchab«/r romarbati isin chath. Na
secht nduba Temrach (.i. septem anni mali). Firfid forbais
for täilcentaig (.i. Ard Macha) co n - echtraudaib (.i. Gaill .i.
maicc Imair). Brisfid for ßreifuechw. Firfid cath Grellaighi
Eilti,. cath Maigi Ailbi (.i. Öengus a macc robris 7 Laigin)
CO eilt. Brecaid etaig 'na re. Grüaca a cennaib, glasmes
ndoine 'ua re. Sithflaith (.i. Fland) toicctech fristrecha a
chüaine feini friss (.i. a secht maicc). Bas duimrecht for cresiön
cäd. Domnach aindin ardafich i nderiud in fogmair. xxxuii.
bliadna. Flann ingen Düngaili rlgh Osraide mater eins. Lxxui.
setatis suae anno moritiir. Hi Clüain maicc Nöis raadnacht.
53. 'Dail de for Niell nGlündub glanf«^' röi Rüadra,
ririss flaith forbwsach Lini, laechbuillech Locha Lebind^ Loisc-
fid Cüalaind co fo di. Drongach Clari. Cathach Crüachan.
cetudach Coba, mörbuiilech Bairchi, breoach Sleibhi Cailggi
frisna gaibtAcr cath Oirggne, cath Codail (.i. Grellaig Eilti
for Niell ria Fland) dia fich fuil feirniu, cath Trathca Eol-
thaile) for Connachta. Cotnüallai Albba (.i. Msel Mairi a
mäthalr, ingen Cinseda maicc Alpin rig Albban) artt lapchda
*) leg. cetgaimrid.
") leg. Trachta Eothaile.
236 KÜNO MEYEE.
Liphi, ririss nöil Locliae Leibind, die mbia fe innund fe ille
in lüan ös Martartaig. Bias bröen cröu ös Tailtin (.i. cath
ktha Cliath in romarbad Niell). Teora bliadna co leith namä
dodacliich, nodaibae. Cöka hliadna a aes hnili. I nDruim
Chailli rucad, hi Cenandus roadnacht Niall. Teora hliadna
döu i riglii Ailigli.
54. 'Dail de for Crissalach (.i. reisi fingail) (fo. 105 al)
Codail Dond a ainm (.i. Msel Febail ingin^) Flaind maicc
Conaing mater eins). Cäin brnth breoach brissfes catlia crü-
aidai, croithfes indnu for Tailtin. Togach Temracb. Timgair
glallse CO Daball. Is he firfes cath Febla for fini, for anfine.
Cath Cüaland. Imed toraidh 'na re. Grlan na flrinde (.i. losöp
comarba Pätraic nö ceili). Cüinflder hüas Cüalgiu beinn dom-
nach etir dl calainä. xxu. hliadna.
55. 'Dail de for Cass find colla, Congal Cerna (.i. Ligach
a mathair, ingen Flaind). Firfld deich mbliadna flaith in
chon bic.
Bertfaid mör ö Laignib milliud a bäiguil nintoimela leth
a saiguil.
Laech a Cernu madup hi biat brönaig a foghlaide,
fer find for accai rigi. biath hüati a chomdini.
Hi Mainistir roadnacht Congalach.
56. 'Däil for Domnall mac da leithi (.i. alleth tes; tüaid
dind Erinn) .i. Domnall dalta athbach (.i. tüath Athbiach ronalt
.i. Üi Ertuile). Eo find fessach, foranach Cnogbai, cetudach
Assail, ollbuidnech Uisnig. Firfid cath Bri Hell (.i. for Carrach
Calma). Baudmaidm Lettrech Ainge (.i. cath Cilli Mona) hi
töethsat .rir. 1. gilla im Fingin Corad.
cath Sleibi Cüa fo di ocus matan Grophtini.
Tessbaidh etha (.i. gorta) di Maig Cuind. se bliadna imluim
(.i. tercai).
Doföeth, cid alaind a lii, in luän hi Carnd Furbaidi
(.i. Furbaidi Mend Macha roadnacht ann nö forbba na ndaine
CO n-adnacal and), xxiir. bliadna .1. cöic hliadna a ses.
57. 'Däil de for Sroiptinid Macha (.i. teni dar Macha 'ua
re .i. niachairi) .i. Mael Sechlaind (.i. macc Dünflatha ingine
Mmredaig) miad ngärcc mör drech dür dechrais ar thuro
') le)f. iuifeii.
DAS ENDE VON BAILE IN SCilL. 237
Temrach. Tolcach Etair. Losetech Liphi, fessach Cüaland,
graiphnech Crüachan, cridhi nathrach, firfid cath fri Cläriu,
cath Iroriss (.i. cath Cairn Fordroma), cath Moistin. Brian
regnat hie. Mör matan Ätha (.i. matan Midhi). Marb di öul
meda. Crüas iar ngail domnaeh hi Telehinaib.
XXX. ur. bliadna namä hi rigi huli damöla (.i. rue Bnano
XX. himach rlgi Herind).
58. (fo. 105 a 2) 'Däil de for chllabehless (wo Cliabach .i.
cliab fota mör occai) Cloitige .i. Flaithbertach, firfes cath
Locha Bricrend, breccftt* är im Cnämchailli. Clöifid firu ö
Ess Ruäid (.i. Cenel Conaill). Ririss röi Locha Lebind. Bebais
ec ätbai hi täilcentaigh .xur. bliadna namä.
59. 'Däil de for Ossgamain nAssail, Murchad nüall Gäidel
ngür, grianbili find, fer tren datta, dälbüadach Etair, üar-
galach Midlüachra (.i, slige), loisctech Lini. Firfid cath Luäch-
maighi, gebaid forbais Locha Lein (.i. dar CrTst bid marb
Brian and). Linfaid Caisil co slüaghaib. Sinfid firu for
Tarbgnii. Fiche bliadwa namä.
60. 'Däil de for Öengus öenaig Fänatt, coscrach rii.
Firfid (.i. Öengus) in cath tess amni. Firfid cath hi Maig
Cruind (.i. Sondchad Cairnd Aisi .i. SIeibe Ftlait) tria chin da
da mac comdäni (.i. Cjtmascach 7 Li«0), dia mbl^ ben cen
ceili, dia mbiat fir tregtaig thuill.
Ni bu adass mäthair böid cath hi Cenindass consöid.
Corr loegbili (.i. Öengus) cetäin i nAUmaig Liphi. Atmbela
Öengus, firfidir a n-är (.i. ö Laigrt«& .i. ar*)). xxii. hliadna
namä.
61. 'Däil de forsin tarbainech (.i. Murchad) a Ailiuch.
Conrainnfi a ainm fri muir .i. Muiredach mörbuidnech. Is he
scerus foilgi fri Laigniu. Cath Bri Leith brisfid Tor Bref-
nechau. Cath Selca, cath Mona Tuircc. larnoin Airbrech Iar
sein hi töetlisat tri Muredaigh. Dofuitt di daigir (.i. teine
geläu) dia mäirt hi Telenmaig. xui. bliadna nö .xxx. no .xiii.
Sic exemplaria uariantur.
62. 'Däil de for dondainech nDabaill .i. Äed Engach
(.i. en fiachach .i. en uisci, nö quod uerius est .1 labar), dia
') Dazu am Rande fech.
*) Steht über .xxii.
238 K. MEYER. DAS ENDK VON BAILK IX SCÄIL.
tuicebat bärca for Ess Ruäidli. Lin raäini (fo. 105 b 1) n-ingnad
'na re. Firfid cath hi töethsat na da Dünlang- .i. cath Maisten
(.i. for Laigniu). Täilcend gignid 'na re .i. Tipraiti tor sTtliaig-
fes couru Herenn. Bid si iar cäin cresien. Is he a leclit
canair döu (.i. do ÄedO) madan i n-Üachtur Ocha. xui. bliadna.
63. 'Däil de for ossnadacli Uisnig .i. C erb all (wo Cairell).
caur cuäid^) ciichach Banda, buidnech Brea. Brisfid cath
Locha Da Chaech lä iar methrud niBervhai. Mor cath Skini
seh<5tai. Tuicebat di n-ingen tes Brephni. Brisfid cath Cloan,
clöifid turchu im Luimnech. Loiscfld tesgabair (.i. Osraigi).
XU. hliadna nama. Dothuit hi Fidga Tar sein di bir ois fo
talmain.
64. "Däil de for Tartrög nAilig (.i. ni geib rl aili Temraig
ass) .i. Fergal foltgarb, cüanaig Bregmaige. Firfid cath
Sleibi. Slüag fri röi roth. Riris giallu Cairnd Lugdach. Firfüü
cath mor Midi. Brogfaid Cnamcailli. Tüaruscbäil tenedh lois-
cess toirthiu. Sith mbecc, olcc mor.
Dotuit (.i. Fergal) la be n-aidche n-än, oc Findcarnd tic
a brecdal.
xuii. hliadna. Comflaithius for Herinn iar sein. Tri noi
mbliadna .i. eo tl Fiand.
65. 'Däil de for Fl and Cinuch tigflaith Herenn, cinid
do Sil Cuind dou is cuit Cuind gaibess. Töla n-echtrand 'na
re (.i. Gaill loingsi Iub«V Domnand). Imed cech toraid. Lin
cath ngarc firfidi. Crüach mor im Chnämchailli. Aurscartad
n-echtrand. Sith find teora mhliadna cöicat fongenat düili
De. Bid sain a dealb cech räithi. Eoi- (fo. 105 b. 2) thfid fal
(.i. doch) find fo tri. Teora griana. Tri samlaithi.
Ainim cressin eiliges ar chel tintan for Reiinn ind ech.
Nöifidir tegdaisi täilcend fria cimbal nguth ina re. Regaid ec
aitti Iar sein di cretair creissin hi Temuir. Finet.
') doved MS.
-) leg. crüaid.
Berlin. Kuno Meyeu.
TUIRILL BICRENN UND SEINE KINDER.
Die Geschichte von Tuirenns (Tuirills) Kindern teilt mit
anderen irischen Sagten das Geschick, dai's sie zunächst in ihrer
spätesten Bearbeitung herausgegeben worden ist, von deren
Handschriften keine über das 18. Jahrhundert hinaufgeht, i)
Falls diese, was möglich, aber bis jetzt nicht erwiesen ist, von
demselben Mann herrührt, der auch den Tod der Kinder
Uisnechs modernisiert hat, so wird sie immerhin dem
15. — 16. Jahrhundert entstammen, da diese Erzählung sich in
der Handschrift Edinb. LUX findet, die dem 16. Jh. anzugehören
scheint (Mackinnon a. 0. 159). Der Text hat früh seinen
Herausgeber gefunden in 0' Curry, Atlantis IV (1863), S. 158 ff.
(abgedruckt in Gaelic Journal II 33 ff.) und abermals in
0' Duffy, der ihn unter dem Titel Oidhe Chloinne Tuireann
(Dublin 1902) gedruckt und übersetzt hat. Obgleich schon
0' Curry, Atlantis III 394 f., und d' Arbois a. 0. auf die ältere
Fassung der Sage, die dem spätem Bearbeiter als Grundlage
gedient hat, aufmerksam machen, ist sie bis jetzt nicht
gedruckt worden.
Sie findet sich als einer der wenigen Einschübe in der
Version des Lebor Gabala, die ich mit B III, van Handel mit
Bb bezeichnet hat, in beiden Handschriften, nämlich in
Rawl. 512, fol. 93 V, a (=R) und im Buch von Lecan, fol. 28 v^)
(= L). Sie besteht aus einem prosaischen Abschnitt und
einem angehängten Gedicht, von dem aber R leider nach
seiner Sitte nur die erste Strofe anführt. Scheinbar ist das
') S. d' Arbois de Jubainville, Essai d' un catalogue S. 9 f. ; Mackinnon,
Catal. of Gaelic Mss. in the Advocates' Library Edinburgh, S. 166.
^) Hier steht wenigstens das Gedicht; die Seitenzahl der Prosa habe
ich mir nicht notiert.
240 R. THURXEYSEX
Gedicht nur eine Wiederholung der Prosa-Erzählung; aber
eine Vergleichung beider zeigt ohne Weiteres, dafs vielmehr
das Gedicht die Grundlage bildet, auf der die Prosa beruht;
diese rührt deutlich erst von dem Manne her, der den Text in
das Lebor Gabiila eingeschoben hat.
Das Gedicht, das Str. 18 ff. ganz abrupt den Bericht über
Tuirills Krankheit in die Erzählung einschiebt, scheint mir
zwei wirkliche Lücken zu haben, die eine hinter Str. 3, die
andere, wenn ich den Text richtig verstehe, hinter Str. 21.
Aber schon dem Prosa- Bearbeiter lag nicht mehr vor.
Anderseits scheint es mir ursprünglich mit Str. 24 geschlossen
zu haben. Die letzte Str. 25, die den Tod Lugs durch Mac
Cuill mac Cermata erzählt, ist vielleicht im Ansehlufs an
Flann Manistrech (s.u.) beigefügt worden.
Was die in der Erzählung auftretenden Wesen betrifft,
so heilst der Vater im Gedieht im Nominativ und Genitiv
Tu(i)rill Piccrenn (einmal Biccrcnn^) Str. 1), in der Prosa da-
gegen Tii{i)rill Picrco oder Bicreo. Diese Form findet sich
auch in Flann Manistrech 's Gedicht: Esiid a colclm cen on
(Turin Ficrco LLlla 24) und in der Erzählung , Sehlacht von
Mag Tured' {Turild Bicreo im Ackusativ, RC. XII 58 § 12),
nach denen Turill in der ersten Schlacht von Mag Tured fiel;
sie ist vielleicht von dem Prosaisten daher übernommen worden.
Die Einfügung der Geschichte in das Lebor Gabäla
machte darum einige Schwierigkeit, weil die Genealogien
nicht übereinstimmten. Im Gedicht ist Ethliu (Gen. Ethlcnn)
der Vater Lugs. Dagegen im Lebor Gabäla wird zwar Lug
bald mac E{i)thnenn (woraus Ethlcnn durch Dissimilation
entstanden ist), bald mac Celn genannt; aber Eithne ingen
Baiair ist seine Mutter, Cian mac Bein -Cedit (oder Dlancecht)
sein Vater.-) Unser Interpolator hilft sich, indem er sagt,
Ethlend (so bildet er auch den Akkusativ) habe daneben den
Namen Cm gehabt.
Ferner sind in unserer Geschichte die drei Brüder Brian,
luchair und lucharba Söhne von Tn(i)rill. Dagegen im Lebor
*) In R in Bicrell verderbt.
*) LL. 9a, Z. 9—8 v. u. Eochaid ua Flainn (ebeud. 10b 31) nennt Lug
mac Eithne (Reim : Creklne) ; derselbe Genitiv RC. XII 74, § 55.
TOIKILL BICRENN üilD SEINE KINDER. 241
Gabäla erscheinen Brian, lucharba und luchair, die drei
dee Danann, als Söhne von Delbffith mac Ogma, während
Tuirill, Sohn von Catt und von Etan, der Tochter von
Diancecht, nur als Grofsvater von Coirpre, dem ßi der
Tuatha De Danann, auftritt.') Auch hier zieht sich der
Interpolator aus der Klemme, indem er Delbaeth mac Ogma
den zweiten Namen Tuirill Picreo oder Bicreo beilegt, nicht
nur in dem Einschub, sondern schon vorher im Text des
Lebor Gabäla;^) er scheint ihn von Tuirill mac Caitt, den das
ursprüngliche Lebor Gabdia kennt, unterscheiden zu wollen.
Auch sonst schwankte die Überlieferung. Wieder einen
andern Vater zeigt der Abschnitt LL 30 d unten: Tri De
Donand i. tri meic Bressa metc El{aihan) d. Brian 7 luchar
7 lucharba. Es folgt eine Beschreibung ihrer Tracht und
ihrer Waffen, dann ihres Hausstandes. Und in den irischen
Verslehren (S. 58 §111), wo der Schluls derselbe ist, heilst es:
Tri De Donand A. tri mtic Bresa meic Elathan, batar he a
n-anmand A. Brian 7 Huar 7 IliuchorJ)
Aus dem Gedicht von Flann Manistrech seien noch die
übrigen auf Personen unseres Textes bezüglichen Verse hier
gedruckt (LL IIa 28 und IIb 2 ff. 4):
Ro'marbsat Cein'^} ciayi 0 thaig. Brian luchurba ocxts luchair
Brian luchurba is luchair and. tri dee tuathe D(anann)^)
marba gc Mana ös Muir Mend. do Idim Loga m(etc) Ethl{enn).
Do'cer Cermait Milbel mos. la Lug m{ac) Ethl(enn) amnas
Doroch{air) Lug ös tuindt(rä). la Mac Cuill m(ac) Cermata.
,Es töteten den Ce(i)n fern von zu Haus Brian, luchurba und
luchair . . . Brian, luchurba und luchair dort, die drei Götter
der Tuath Danann, starben bei Man über der Irischen See durch
') LL 10a 28ff. Vgl. Corp(re) file m{ac) Tuarda meic Turill usw.,
ebend. Z. 20.
*) Et don Delbaeth sin ba haium Tuirill Bicreo R.
*) In der Anmerkung habe ich dort auch die spätere .Fassung des
Lebor Gabala (im Buch von Ballymote 35 a) mitgeteilt, wo die drei Brüder
Triall, Brian und Cet heifseu.
*) Vgl. BB 35 a 45 f. und 35 b 18 ff.
») In BB Cian.
•) tuathe d. d. die Hss.; aber dee ist hier wohl zweisilbig.
Zeitschrift f. celt. Philologrie XII, 1. 16
242 R. THÜRNEYSEN,
die Hand von Lug mac Ethlenn. Cermait Honigmund der
schöne fiel durch den grimmigen Lug mac Ethlenn . . . Dann
fiel Lug über der (Meeres-) Woge durch Mac Cuill mac
Cermata.'
Also hier heilst der von den Dreien umgebrachte Vater
Lugs Cein, was auch in gewissen Handschriften des Lebor
Gabäla (R) als Nebenform von Cian vorkommt; sein Name
Ethliu in unserem Gedicht ist vielleicht nur durch den
Verfasser aus mac Ethlenn erschlossen. Flann weicht auch
darin ab, dals nach ihm Lug die drei tötet, während sie sich
im Gedicht mit ilim aussöhnen, wenn auch um hohen Preis.
Aber das kann eine eigene Änderung von Flann sein, da er
sämtliche Tuatha De Danann sich gegenseitig umbringen
lassen will, wohl mit der stillen Absicht, seine Landsleute, die
noch immer an das Fortleben dieser alten Götter glauben
mochten, endgiltig von diesem Glauben zu befreien. Der
moderne Bearbeiter hat sich dann gewissermafsen in der
Mitte gehalten; er nennt den Vater Cian und lälst Brian,
luchar und lucharbha zwar nicht durch Lughs Hand fallen,
aber doch nicht ohne seine Schuld und Veranlassung
sterben.
Die Sage oder vielmehr direkt unser Gedicht ist in der
Finn- Ballade verwertet, die Stern in der Festschrift Stokes,
S. 7 ff, aus LL 207b veröffentlicht hat, wo sie sich unter den
Dinnsenchas-Gedichten befindet, obschon sie keinen Ortsnamen
erklärt; ferner nach dem Buch von Lismore, fol. 153b 2 in
dieser Zs. III 433 f. Drei Krieger, Namens Sela (Sei Lism.),
Dorait {Donait Lism.) und Domndn kommen zu Finn und
bringen den jungen Hund des Königs von Hiruaith (Gen.
Hiruaithe) mit, der in LL Salinnis, in Lism. Failinis heilst;
die letztere Form hat auch der spätere Bearbeiter der Sage,
der also auch diese Ballade gekannt hat. Sie bringen den
Hund in eine Quelle, deren Wasser sich dadurch in Wein
verwandelt. Der Balladendichter hat also, wie unser Prosaist,
die zwei Hunde von Str. 14 und 15 des älteren Gedichts, die
ich für zwei verschiedene Tiere halte, als einen Hund an-
gesehen; da man aber in die Haut eines lebenden Hundes
kein Wasser giefsen kann, läfst er umgekehrt den Hund im
Wasser gewaschen werden (Str. 12). Dals ihm auch Str. 15 des
tüIKILL BICRENN UND SEINE KINDER. 243
Gedichts im Ohre klang, zeigt sich in seiner Str. 11, wonach
der Hund in der Nacht ein Feuerklumpen icatr thened) war,
ein deutlicher, wenn auch nur äufserlicher Anklang an cü
i n-aidchi, caera euch dia der Vorlage; erst später (Str. 18)
wird der Hund getötet und seine Haut nach Tech Merchi
(Meirce) gebracht. Über die Vorgeschichte des Hundes
berichtet Str. 10, dafs er einst Lug gehört hatte, dem ihn die
meic Turend Bicrend gebracht hatten. Hier tritt zuerst, also
immerhin schon im 12. Jahrhundert, die Form Tu{i)renn für
Tuirill auf, teils wohl durch das damit verbundene Bicrenn
veranlafst, teils etwa auch durch tu{i)renn , Weizen', das in
Str. 18 des älteren Gedichts damit reimt. Sie bleibt dann
die geltende für die ganze Folgezeit. Die jüngere Fassung
des Lebor Gabdla (BB 35 a 40) setzt in Flanns Gedicht
Tureann Bigreo für das ältere Turill Picreo (LL) ein. Der
Verfasser von Cöir Anmann (IT III 2, 356, § 155), der
unsern Prosabericht kennt, nennt den Vater Tuirenn Beg-
greann und erklärt den Beinamen aus grenn heg , kleiner
Bart'. Dem schliefst sich der moderne Erzähler an, der
von dann Tuireann Beagreann spricht, also den Namen
unflektiert lälst. Wie er im übrigen mit dem Stoffe des
alten Textes verfahren ist und wie er seine lange Geschichte
daraus herausgesponnen hat, ist nicht meine Absicht hier aus-
zuführen. Er hat orce ,Schofshund' als orc mifsverstanden
und daher Lugs Vater sich in ein Schwein verwandeln lassen.
Was die Zeit unseres Textes betrifft, so gehört die Prosa,
Me oben bemerkt, dem Bearbeiter B III des Lebor Gabdla
an, der sicher noch im 12. Jahrhundert, nicht lange nach
Vollendung der ersten Fassung tätig gewesen ist. Da die
Finn -Ballade, die auf dem Gedicht beruht, schon in LL
steht, mufs dieses etwas älter sein, also mindestens in die
erste Hälfte des 12. Jahrhunderts gehören; es kann aber
leicht im 11. Jahrhundert entstanden sein, früher nach den
Sprachformen jedoch nicht. Es läfst sich nur sagen, dals der
Verfasser (abgesehen von der wohl sekundären Schlulsstrofe)
das Gedicht von Flann Manistrech (f 1056) nicht zu
kennen scheint; denn er hätte keinen Grund gehabt, Lug
einen andern Vater zu geben. Aber diese Unkenntnis kann
Zufall sein.
16*
244 R. THÜRNEYSEN,
Obschon das Gedicht älter ist als die Prosa, bringe ich
die beiden Texte in derselben Reihenfolge, die die zwei
einzigen Handschriften bieten.
I. Imt[h]echta Tuirill Picreo 7 a mac A. Bridn, lucbair,
lucharba, is ed at'fedar hi sunn. 7 do Delbaeth mac Ogma
ba hainm in Tuirill Picreo. 7 is iat a meic romarbsat Eth-
lend athair Logha — 7 is dö ba ainm C^n — , dialuid i rieht
ind oirce don Bruigb. Con'ndecliuid Lug do digail a athar
f Ortho, nocoro'icdais 6raic a athar fris. Et isl an ^raic
con'aitecht uaidib .i. da ech rig innsi Sicil ar Muir Toirren,
Gaine 7 Rea a n-anmann, nls'millet gona no tonna no
tinnte.
Gal Assail do derg[ör] druimmnech, dI beo dia'telcenn
fuil 7 nrteit urchar n-imruill de, acht con*räiteri) ,ibar*
de. Da'räiter dawa ,aithibar', doToich^) for eüla fo c[h]6töir.
Croicend muici Düisi, cech oen fö'teged thsebh,^) ba slän
dia guin 7 dia galar; med .iii. seched sendam e.
7 se muca Essaig,*) a marbad side cech n-aidchi, acht
coro'mardais a cnäma cen combacÄ cen coenäm, badis bi fo
e[h]etöir ar cech laithiu.*)
Cuilew riggobann^) na Hiruaidhe,^) cü ind-aidche caora
i-llaithiu; cech linn läithir^) i«a croicend, is fin.^)
Ocus faillsiugM(i innsi Caire Ceinnfinne fil fo drc[h]leithiö)
etir Erinw 7 Albain, 7 mess na habla fail fo muir i fail na
hinnsi sin. ^
Conid dib sin ro hicad öric Logha.
IL Do galar') Turill Bicreo immoro dia himthechtaib
ro'sir cech follus^) 7 cach ndiamair dia Tcc 7 nrfuair,
cora'n-icc3) Diancecht, ar ba sl a ingen .i. Etdn ingen
Diancecht a mäthair. Do'rigne dig scethrig d6, coro'sc^ tri
lomanna asa belaib. Is ann at'ib an dig i cnuc uachtair
Archse,^) cororaebdatar tri lomanna assa belaib s) .i. loim
L 1) corait-L. ") doriac/ii R. ') taob R. *) assaig R.
i) nomhartais bii ar cacÄ laithe L. *) riggobonn L, rig gabann R.
') Hiruaithiu R. «) laitir R. ») 7 «dd R. »<>) dichil L.
U. >) Dogabar L. ') f alias R. ') coronnicc R. ♦) Forcha R.
») beol-fis«.
TUIRILL BICKENN UND SEINE KINDER. 245
n-uar i-lLoch n-Uair 7 loim ainndinn i-lLoch Ainnind, loim
iairw i-lLoch lairn, coiüd uaidib ar'femat anmanna iarsin
faibliud sa.
in. De quibus hoc Carmen:
1. Etsid in senchas') sluagach. fo'chan ecsi ilbuadach
con'eicius2) düib digrais bann, imthechta Twnll Biccrenn.3)
2. Tuirill Piccrenn ba bechta. atha/r na ndee n-airc[h]elta,
anmand na ndea ös gach bla. Brian luchair is lucharba.
3. Batar na dee iar tola. hie Ethlinn*) athair Loga
dö luidh Ethliu forsin mBruigh. hi-rricht oirce fo diamair.
4. Nrfitir Lugh luaighed gail. cia dib romarb a athair
acJit rop aniair[s]each fri seall. ar mwcaib TuriW Piccrend.
5. Iar sin siacht co dfne in trir. con-erbairt friü cen mlbrlg: *)
,atmaid dam aigedh m athar. is foraib nf'diglathar,'
6. At'bertatar friss ind fir. triana cairdine calmdil:
,nocho'chelam cadla in cair. his sinne ro-marb h athair.'
7. Iar sin at-bcrt fWu Lugh lond. aithesc n-imamnws
n-^troram:
,na[r]ab olcc mo mewma ruib. nom'firraidh do ascadhaibh.'
8. ,Caidet aiscedha cen feil, conaighe a daghmeic«) Ethlend?
is fos'geba mon orta.innid') dun a n-airmerta.'
9. ,Dä n-ech ata ferr fo nimh. fil oc righ insi Siccil
Gainne ocus Rea regda guis. nis'cumgad eca Ernmuis.'
19. Gsßi Assail d 6r druimnech dir. marb forsa-telgenn fer») fir
ni'cicherr") imrol a ghal. acht cowa'n-garaio) „iubar".
11. Dia-n-eber^i) „athibar" friss. do'inntoi^O ^^^^ c[h]umga
chniss
eo* toraig in läim dia'luid. nl bäigh tor bonwän anbsaid.
12. Croccenn ro'boi im muicc Düise. ba d ingantaib na düse
cip e fö'teit toeb nl tar. 5 gacA galar bidh öghslän.
13. Ocus s6 mucca Essaigh. cia no'rainndis tor essair
at'raightis at heat bll. acht co'martais a cnämai.
14. Ocus cuil^n comhul ngle. riggobonn na Hiruaide
ba ffn gach linn lathar ngell. nos* tallad 1 3) Ina c[h]roccenn.
in. ^) a senchus B. ') conndecius R. *) tuirill bicrell R.
*) etlenu Bs. *) cenn imbrig Es. «) daghm-c Es. ') inne Es.
*) fir Es. ») nicsecher Es. ">) conangairt-Äs. ") Dianebur Es.
") noinnto Es. ") nostaltar Es.
240 K. THURNEYSEN,
15. Cuilen fuil ie Luehraib Lia. cü ind-aidche eseru eacÄ dia
mene'thuccaid Hb in coin. natait ior eül for conair.
16. Aidlid abaill aillem li. dos'fuil i fail Findchairi
ata fo diamair arauigh. ced düib hec mene'fagbaigb.
17. Firinde ocus faibledh fudr. In senchasaibh na ssersb^w^r
is don faibliudh sgmhglice sith. ro'gle« iiin ericc etsid .e.
18. An galar ro'gob T«/ill. ropo eheist dia chaMnt[h]uirind
coro'n-icastar Dian-CecA^. tWa drungo drona dagdrec/»^.
19. Do"sc6th tri lomanw Ös blai. hi cnuce ard uachtair Archai
lotar tar beolu ind fir find, iomm n-uar lomm n-iairn
lomm n-aindinw.
20. Hit 6 inn sin a n-anmann. dia'fsetatari^) togarmand
anmand na^s) loch lathar ngell. di galur Turili Piccrenn.
21. Tuirill Piccrenn can doiuidh. can dia mäthaiv dia athair
eia berait at*b(?rthar frib. a ses na hBicsi eitsid. E-.
22. Lotar meic Tuiriil for cai. corancatar gach rorai
iar siriudh döib in domain. fuaratar a coemchobair.
23. Do'dechatar ass for cül. dochum Loglia coa laecbdün
tucsat a lessa leo ille. is do dälaib na heicse. E-.
24. Ropad aibind lim a Di. dia'sallind find fochraicce
aiccsin slofgh tairbcrtaig tigh airbcrtaig aurdraic
ei[t]sid. E-.
25. Lugh ciarbo letartha a lüth. la mac Cermada ar e[h]omh-
tnüth
gae Islaia Cuill ro-chliss ce« c[h]lith. cor-briss a druim
cia eitsid.
* *
I. Die Wanderungen von Tuirill Picreo und seinen
Söhnen Brian, luchair, lucharba, dajs wird bier berichtet.
Und Tuirill Picreo war ein Name von Delbaeth mac Ognia.
Und es sind seine Öölme, die Fithlenn den Vater von Lug
(und der hieis [auch] Cen) töteten, als er in Grestalt eines
Schofshundes nach dem Bruig') ging. Da kam Lug seinen
'♦) diafaemtatar Hs. »») la Es.
l. *) Bruig Maie iad Oic oder Bruig na Boiune, der bekannte Elfen-
bezirk am Boyne-Flufs, Grafschaft Meath.
TUIRILL BICRENN UND SEINE KINDER. 247
Vater zu rächen, bis sie ihm das Wergeid für seinen
Vater zahlen würden. Und das Wergeid. das er von ihnen
verlangte, war:
Die zwei Pferde des Königs der Insel Sizilien im Mittel-
ländischen Meere, die Gaine und Rea hiefsen; Wunden oder
Wogen oder Feuer schädigten sie nicht.
Der Speer Assais aus rotem gebuckeltem (?) Gold; 2) der
lebt nicht, dem er eine blutige Wunde schlägt, und man
tut mit ihm keinen Fehlwurf, wenn man nur ibar (,Eibe')
zu ihm sagt. Wenn man dann aith-ibar sagt, kommt er
sofort zurück.
Die Haut des Schweins von Düise(?); jeder, unter dessen
Leib sie kam, der wurde heil von seiner Wunde und von
seiner Krankheit; sie hatte die Gröfse von drei Fellen alter
Ochsen.
Und die sechs Schweine Essachs; man könnte sie jede
Nacht schlachten, wenn nur ihre Knochen unzerbrocben und
unzernagt blieben, wären sie jeden Tag sofort [wieder] lebendig.
Der junge Hund des königlichen Schmieds von Hiruaid;
der ist nachts ein Hund, am Tag ein Schaf. Jede Flüssigkeit,
die in seine Haut gegossen wird, wird Wein.^)
Und die Entdeckung der Insel von Caire Ceinnfinn (,Weirs-
köpfiger Strudel'), die zwischen Irland und Schottland ver-
steckt liegt, und die Frucht des Apfelbaums, der unter dem
Meer bei dieser Insel ist.
Damit wurde Lugs Wergeid bezahlt.
IL Was aber die Krankheit von Turill Bicreo [und] seine
Wanderungen betrifft, so durchsuchte er jedes offene und
jedes versteckte Land für seine Heilung und fand sie nicht,
bis ihn Dianceeht heilte. Denn dessen Tochter Etan »ingen
Diancecht war seine (Turills) Mutter. Der bereitete ihm
einen Brech- Trunk, so dafs er drei Schlucke aus seinem Munde
s]f)ie. Auf dem Hügel von Ober-Archa3i) trank er den Trunk,
so dafs drei Schlucke aus seinem Munde hervorbrachen: ein
*) tJber druimneck als Beiwort von dergör 8. Windisch, Täin B6 Cualnge,
S. 392 Anm. ») Der Prosa -Bearbeiter vermengt die zwei Hunde von
Str. 14 und 15.
n. *) Der Uisnech-Hügel, s. Hogan, Onomasticon s. v. Cnoc Uachtair Erca.
248 B. THURNEYSEN,
kalter (uar) Schluck in den Loch Uair, ein Schluck aindenn
in den Loch Ainninn, ein Schluck Eisen {iarn) in den Loch
lairn, so dals sie von ihnen den Namen annahmen nach
dieser Sage.
IIL De quibus hoc Carmen :
L Hört die kriegerische Geschichte, die die siegreiche Dicht-
kunst besingt, dafs ich euch — eine treffliehe Tat —
die Wanderungen von Tuirill Biccrenn verkünde.
2. Tuirill Piccrenn — das war sicher — war der Vater der
Götter des Raubes; die Namen der Götter über jeder
Fläche sind Brian, luchair und lucharba.
3. Die Götter waren nach ihrem Wunsch bei Ethliu, dem
Vater Lugs. Ethliu ging zum Bruig hin, heimlich, in
Gestalt eines Scbofshunds.
4.i)Lug, der Tapferkeit übte, wui'ste nicht, wer von ihnen
seinen Vater getötet hatte; aber er war eine Weile mifs-
trauisch-j gegen die Söhne von Turill Biccrenn.
5. Darauf kam er zur Schar der drei und sagte zu ihnen
nicht ohne Gewicht: , Gesteht mir den Mord meines
Vaters ein, und er wird an euch nicht gerächt'.
Q. Die Männer sagten zu ' ihm bei diesem erwünschten
Freundschaf tsvertrag: ,Wir verhehlen es nicht, der Tadel
ist am Platze: wir sind's, die deinen Vater getötet
haben'.
7. Darauf gab ihnen der grimmige Lug eine scharfe,
leichthinige =*) Antwort: , Damit ich euch nicht zürne,
befriedigt mich mit Geschenken'.
8. , Welches sind die Geschenke — ohne Trug — , die du
verlangst, edler Sohn EthliusV Und du wirst sie erhalten
für den Erschlagenen. Gib uns ihre Ausrüstung^) an.'
9. ,Die zwei besten Pferde unter dem Himmel, die beim
ni. *) Hier fehlt wohl eine Strote, die deu Tod Ethlin's berichtete. Ver-
mutlich geschah der Mord unwissentlich. ^) Die Stelle ist unsicher, da
die Handschrift amairech liest und meine Übersetzung eigentlich sei statt
seil verlangt, das durch den Reim Piccretm gesichert ist. Ein seil , Blicken'
kann es nicht sein, da Lug erst nachher (Str. 5) zu den dreien hingeht.
^) So etwas mufs ätromm wohl hier bedeuten. *) airrnert ist sonst ein
Synonym von ge(i)ss, s. Windisch, T. B. C, Glossar. Aber in Ml. über-
setzt airim)bert 'apparatus' und 'instructus'.
TÜIRILL BICRENN UND SEINE KINDER. 249
König der Insel Sizilien sind, Gainne und Rea, welche
Stürm ischkeit erlangen werden (?); Emmas' Tod^) hat
keine Macht über sie.
10. Der Speer Assais von gebuckeltem (?) richtigem Golde —
tot ist der, auf den ein wahrer Mann ihn schleudert;
seine Tapferkeit wird keinen Fehlwurf tun, wenn er ihn
nur ,iubar' (ibar) ruft.
11. Wenn er ,aihihar' sagt,») kehrt er in der Enge seiner
Haut zurück, bis er die Hand erreicht, von der er aus-
gegangen ist; es ist kein Prahlen mit unbeständiger
Bitterlauge (?).
12. Die Haut, die Duises Schwein umgab — es gehörte zu
den Wundern des Schatzes — : wer es auch ist, unter
dessen Leib sie kommt — es ist keine Schande — , der
wird von jeder Krankheit völlig heil sein.
13. Und die sechs Schweine Essachs — obschon sie auf der
Unterlage zerlegt würden, sie würden lebendig aufstehn,
wenn nur ihre Knochen übrig blieben.
14. Und der junge Hund des königlichen Schmieds von
Hiruaid — eine klare Hinzufügung — : jede Flüssigkeit
wurde zu Wein — eine Grundlage für Pfänder — , die
in seiner Haut Platz fand.
15. Der junge Hund, der bei Luchrai Lia') ist, ein Hund in
der Nacht, ein Schaf an jedem Tag — wenn ihr den
Hund nicht mitbringt, kommt euren Weg nicht zurück!
16. Sucht den Apfelbaum von schönstem Glanz auf, der bei
Findchoire (,dem weilsen Strudel') ist; er ist draulsen
verborgen; ihr dürft sterben, wenn ihr ihn nicht findet!' —
17. Wahrheit und Fabel hab ich gefunden in den Geschichten
der edeln Scharen: zur fein -klugen langen (oder ,Vang-
lebigen'?) Fabel gehört das Wergeid. Hört!
18. Die Krankheit, die Turill befiel, die war eine schwierige
Sache für seinen lieben Weizen, s) bis ihn Diancecht heilte
durch feste Scharen guter Sprüche.
*) D.h. wohl ,Tod dnrch Waffen' oder , gewaltsamer Tod'. «) Oder
passivisch: ,weun gesagt wird'. Man erwartet übrigens einen Subjunktiv.
^) ic luchraib lia ist doch wohl ein Ortsname. *) Wohl ,für seine Saat
seine Kinder'. Der Prosaist scheint tüiriud verstanden zu haben.
250 K. THURXEYSEN, TUIRILL BICKENN UND SEINE KINDER.
19. Er spie drei Schlucke aus über der Fläche auf dem hohen
Hügel von Ober-Archae; es traten über die Lippen des
schönen Mannes ein kalter Schluck, ein Schluck Eisen,
ein Schluck aindenn.
20. Das sind ihre Namen, wovon sie ihre Benennung erhielten,
die Namen der Seen — eine Grundlage für Pfänder —
von der Krankheit des Tuirill Piccrenn.^)
21. Tuirill Piccrenn, woher ist er gekommen? woher stammte
seine Mutter, sein Vater? Obschon . .,'o) es wird euch
gesagt werden; ihr Leute der Wissenschaft, hört!>i)
22. Die Söhne Tuirills machten sich auf den Weg, so dals
sie auf jedes Feld kamen. Nachdem sie die Welt durch-
sucht hatten, fanden sie, was ihnen gut half.
23. Sie kamen wieder zurück zu Lug zu seiner Kriegerburg;
sie brachten, was er brauchte, mif dahin; es gehört zu
den Stoffen der Dichtkunst.
24. Schön dünkte es mich, o Gott, wenn ich — ein herrlicher
Lohn — den Anblick der spendenden (?), dichten Schar '2)
erwarten dürfte, der energischen (?), berühmten; o hört!
25. Lug, obschon sein Ungestüm durch Cermaits Sohn bei
gemeinsamem Eifern zerschnitten war — der Speer von
Mac Cuill sprang ohne Hehl und zerschmetterte seinen
Rücken, obschon ihr (es) hört.
•) Die Konstruktion ist ziemlich ungefüge. '") berait verstehe ich nicht
recht. Kaum ci at- berat zu lesen: , Obschon sie sagen: „es wird euch
gesagt werden". — Vielleicht: , Mögen sie [es als Beute] davontragen'.
") Hier fehlt doch wohl eine Strofe, in der die Herkunft Tuirills behandelt
war. '2) Gemeint ist natürlich die himmlische Schar.
Bonn, Oktober 1917. R. Thukneysen.
TOOHMARC CRUINN OCÜS MACHA.
Die untenstehende Fassung der Geschichte, die sowohl
den ces, den Schwächezustand der Ulter in der Tain Bo
Cuailnge als den Ortsnamen Emain Macha erklären will, ist
meines Wissens bis jetzt nicht gedruckt, ja nirgends ver-
zeichnet, und so mag sie, obgleich sie zweifellos die jüngste
der verschiedenen Versionen ist, hier zum Abdruck kommen.
Sie findet sich in dem Sammelband Trin. Coli, (Dublin), H. 3, 18,
S, 46 b.
Zwei ältere Fassungen hat Windisch, Berichte der Sachs.
Ges, der Wissenschaften, Philol-hist, Kl, 1884, S. 336 ff., heraus-
gegeben, wohl die früheste (bei Windisch II) nach Harl.
5280,1) eine andere (I) nach LL.2) In der Sagenliste A führt
die Geschichte den Titel: Tochmarc mna Cruinn (meic Agno-
main). Benutzt ist die Sage auch im Prosa-Dinnsenchas von
Ard Macha (Folk-Lore IV 4801; RC XVI 45).
Der Redaktor unserer Version kennt zweifellos Windischs
Fassung I, wie der Stammbaum von Cruinn zeigt; ferner das
Dinnsenchas, da er, wie dieses, die Begebenheit in die Zeit
König Conchobors versetzt; aufserdem die Sagenliste A, nach
der er den Titel oder vielmehr die Unterschrift seiner Erzäjilung
gestaltet als: Tochmarc Cruinn 7 Macha; auch die Namens-
form Cruinn hat er ihr oder dem Dinnsenchas entnommen,
während der Mann in den älteren Fassungen Cruinnchu oder
Cruinniuc heifst,^) Ob er auch Fassung II benutzt, ist zweifel-
haft; 64" könnte ihr den Namen des Schwächezustandes als
') Sie findet sich aufserdem YBL (Faks.) 211 b 40, Buch von Fermoy
fol. 33 a und R. I. A., B. 4. 2 fol. 127 v.
') Aufserdem in R. I. A., C. I. 2, fol. 15 r, b.
') Nur Harl. (aber nicht YBL) hat Einmal Cruind. - - •
252 R. THURNETSEN.
ces naidhen verdanken, da sie wenigstens in YBL in ceas
naigen betitelt ist (dafür in Harl. noinden ülad wie in I; im
Dinns. ces oited).
Cruinn mac Agnamain m/c Fir-Ulac? .i. Mtiredach Muin-
derg a quo üicuntur JJlaid do Däil- Fiathach, mic Fiathach
mic Firuirme mic Daire mic Dluthm^ mic Dedsiw m/c Ech-
dach.^) Dos'rala asa dün siartuaigh, cofaca in mnai ina dochum.
Nisfaca riam mnai bo caime dealb näs in mnai dosTala. Do'ben-
daiges'^) cäch dia ceile dib. 'Cia do cinel no tb atharda no
t ainm, a ingen?' ol Cruinn. — 'Naxeil ort' ar in ingen,
'Macha ingen Bruide mic Ceite^) mic Cruindcon mic Delbalth
mic NecÄ^ain mic Echac/i Gai[r]b mic Duach Temen mic
Breis mic Elathan mic Dealbalth mic Neid mic Indaith mic
Allaicb mic Taid mic Tabairn' bar in ingen. 'Bandrai 7
bancttwtachtach me' ol in ingen. — 'In'fuil ecosc fir agat,
a ingenV ol Cruinn. — 'Nim'thä' ol in ingen. — 'An Eil
feis lem?' ar Cruinn. — 'Diamo che^ lem cumacbtaib bunaidh'
ar Macha ingen Bruide. — 'Is cet em lium sa' ol Cruinn.
Berid Cruinn leis dia tig in ingin 7 faidis ina coimleabaid an
aidche sin.
7 bid sT Wiadain occa gan fis do Ulltuib, co'tarla dola
docum aonaig UlaJ. CoToibh a n-eochu a[c] comling 7 a
macrad 'Ni molta et/r' ol Cruinn, 'atE<) ben asidach^) agum'
ol Cruinn, 'no'fägbec? na heocho 7 in macrafrf'. Dob olc la
Ooncobor in t-aithesc sin do raid Cruinn. 'TabmV let in ben'
ar Cowcobor. — 'Nrtiubg^r' ar Cruinn. — 'Is eigen duit a
tabart no do ceann' ar Concobor. Gluaisis Cruind dia toig 7
indisid in t-aithesc sin do Macha. Dob olc la Macha sin 7 teit leis
CO h-Emain Macha. '...«) dom, a Concobor' ol Macha; 'dia'nderna,
bud aithrech let 7 let sil co bräth'. Do'ling Macha frisna heochu
gwrFMS'fägaib. *Ö ros*fägt(5 na heocho' ol Macha, 'fägaim in
ces naidhen for.Ultaib co brath'. Berid Macha dis d oentairbert.
') eth- dia Hs. ") Oder zu lesen: dos'rala dö. ßendaiges? ») Viel-
leicht Ceide. *) 2 (= da) Hs. *) Glosse .1. torrach. «) Die Hs. hat
hier die Verschreibung: cohem- macharraig (wobei das c von macha in f
korrigiert scheint). Es ist also Macha mit einem folgenden Wort zusammen-
geronnen.
TOCHMARC CRÜINJf OCUS MACHA. 253
At'bäth Macha ann don rith sin. Conad he tochmarc Cruind
7 Macha conuice sin.
Cruinn, der Sohn Agnomains, des Sohnes von Fer Ulad
(d. i. Muredach Rot-Hals), nach dem die Ulaid (Ulter) genannt
sind, aus Däl Fiatach, dem Sohne von . . usw.i) Er ging
aus seiner Burg nach Nordwesten und sah ein Weib auf sich
zu kommen. Nie hatte er ein Weib von schönerer Gestalt
gesehen als das Weib, das ihm begegnete. Sie begrüfsten
sich gegenseitig. 'Welches ist dein Geschlecht oder dein
Vaterland oder dein Name, Mädchen?' sagt Cruinn. —
'Ich will es dir nicht verhehlen', sagte das Mädchen. 'Ich
bin Macha, Tochter von Bruide, Sohn von Ceite, Sohn von
Cruinniuc (oder 'Cruinnchu') . . usw.,"^)' sagte das Mädchen.
'Ich bin eine Zauberin (Druidin) und eine Kraftbegabte' sagte
das Mädchen. — 'Bist du mit einem Manne ausgestattet,
Mädchen?' sagte Cruinn. — 'Nein', sagte das Mädchen. —
'Willst du mit mir schlafen?' sagte Cruinn. — 'Wenn es mit
den (Zauber-)Kräften meines Stammes gestattet ist', sagte
Macha, Bruides Tochter. — 'Gewifs gestatte ich es' sagte
Cruinn. Cruinn nimmt das Mädchen mit sich nach Haus,
und sie schlief diese Nacht in seinem gemeinsamen Lager.
Und sie war ein Jahr bei ihm ohne Wissen der Ulter, bis
es zum Besuch der Festversammlung der Ulter kam. Ihre
*) Der Stammbaum ist eine Vereinigung des Stammbaums in LL
(Windisch a. 0. 339, 36fif.): Cruinniuc mac Agnomain m. Curir-Ulad m.
Fiatach m. XJrnxi . . Curir-Ulad is de do'gainnter Ulaid mit einer von
unserer Geschichte unabhängigen Genealogie, die sich z. B. Rawl. 502,
S. 161c 37 if. findet: . . m. Ogamuin m. Fiachach Fir-Umai m. Daire
m. Dlutliaich m. Deitsin m. Echdach m. Sin . . Man bemerke namentlich
die Verschmelzung von Fiatach m. Umti und Fiachach Fir-Umai zu
Fiathach m. Firuirme. Ob » die Gleichstellung _des Eponymen der Ulter
mit Muredach Muinderg, einem irischen Oberkönig aus Däl Fiatach
(Rawl. ^02, S. 156 b 32) , nur ein Einfall unseres Verfassers oder älter ist,
bleibe dahingestellt.
') Mit Nechtain schwenkt dieser Stammbaum in den der Tuatha De
Danann ein, wie er im Lebor Gabala aufgestellt ist; vgl. LL 10a 16: Cacher
T Nechtain da mae Namat m Echach Gairh m. Duach Themen m. ßressi
(Breis B) m. Delbceith m. Neit und ib. 2 : Neit m. Indui m. Allui m. Thait
m. Thabuim, ferner 9 a 29 : Breas mac Eladan.
254 R. THÜRNEYSEN, TOCHMARC CRÜINN OCUS MACHA.
Pferde liefen zur Wette und ihre Knaben. 'Die sind gar nicht
zu loben', sagt Cruinn; 'icli habe eine schwangere Frau, die
würde die Pferde und die Knaben hinter sich lassen'. Conchobor
verdrols diese Rede, die Cruinn tat. -Bringe die Frau mit
dir!' sagte Conchobor. — 'Ich werde sie nicht bringen', sagte
Cruinn. — 'Du mufst sie bringen oder deinen Kopf [verlieren]',
sagte Conchobor. Cruinn ging nach Hause und erstattete
Macha diesen Bericht. Das verdrols Macha und sie geht mit
ihm nach Eraain Macha. '. . . mir, Conchobor', sagte Macha;
'wenn du es tust, wird es dich und deinen Samen immer
reuen'. Sie sprang mit den Pferden um die Wette und liefs
sie hinter sich. 'Nachdem ich die Pferde hinter mir gelassen
habe', sagte Macha, 'hinterlasse ich den ces naiden auf den
Ultern für immer.' Macha gebiert zwei [Kinder] in einer
Geburt. Macha starb dort von dem Lauf.
So weit das Freien von Cruinn und Macha.
Bonn, Oktober 1917. R. Thürneysen.
NEUIR. GÄL. NIATA.
Wenn in altirischer Zeit bei Synkope zwei Spiranten
zusammenstiefsen, von denen mindestens einer stimmlos war,
entstand da ein stimmloser oder ein stimmhafter Verschlufslaut?
Darüber gehen Pedersens und meine Ansicht auseinander (vgl.
Idg. Forsch. XXVII, Anzeiger S. 16). Pedersen I 418 sieht in
neuir. cloigeann 'Schädel' (schon mittelir. Gen. cloicgne TBC,
ed. Windisch 798) aus *cloch'chenn mit g aus chch die regel-
mälsige Entwicklung, ich (Handb. § 134) in neuir. ^rdcmVe
'Barmherzigkeit' aus *tröy'chaire, mit k aus ych. Die Richtig-
keit meiner Annahme erweist wohl gäl. niata 'courageous',
neuir. niata, niadhia, neata 'strong, fierce, intent, morose (of
looks)' aus *niath'da zu altir. nta, G. niad 'Held', also mit
t aus thö. Eine analogische Umgestaltung des isolierten Ad-
jektivs ist nicht anzunehmen.
R. Thürneysen.
DER PRIESTER-MORDER.
Im Jahre 1909 veröffentlichte Douglas Hyde unter dem
Titel Sgealuidhe fior na seachtmhaine (Gill & Son, Dublin)
eine in der irischen Volksüberlieferung einzig dastehende
Reihe von sieben Erzählungen, die nach Art der orientalischen
Rahmenerzählungen zu einem Ganzen zusammengefalst sind
und zwar so, dafs auf jeden Tag der Woche eine Geschichte
entfällt.
Um so wichtiger wäre es gewesen, dals der Herausgeber
die sieben Geschichten, genau so, wie er sie von Phroinsias
'0 Conchubhair im Armenhause zu Athlone vernommen, der
Öffentlichkeit vorgelegt hätte. Leider aber hat der Heraus-
geber von neuirischen Texten sehr vorsichtig vorzugehen, da
diese vorwiegend zur Lektüre der Jugend bestimmt sind und
es ängstlich vermieden werden mufs, irgendwelche Dinge zu
veröffentlichen, die allenfalls einen Widerstand der Geistlich-
keit hervorrufen könnten, da ein solcher für die Bestrebungen
zur Wiederbelebung der nationalen Sprache äulserst ver-
hängnisvoll werden könnte.
Daher dürfen wir es dem verdienten Herausgeber nicht
übel nehmen, dafs er die siebente Geschichte entfernt hat und
dafür an zweiter Stelle die anderwärts von ihm aufgezeichnete
Geschichte vom Gobdn Saor eingeschoben hat. Dr. Hyde hat
mir auch persönlich seine Überzeugung ausg"esproclien , dafs
die von ihm entfernte Geschichte ursprünglich nicht zur
Originalreihe gehört habe; welche Geschichte aber ehedem
an ihrer Stelle stand, können wir natürlich heute nicht mehr
feststellen.
Um aber den Märchenforschern Gelegenheit 'zu geben,
die Rahmenerzählung in ihrer vollen Ursprünglichkeit kennen
256 JULIUS POKORNY,
ZU lernen, war Dr. Hyde so gütig, mir seine Aufzeichnungen
zu überlassen, aus denen ich nun den irischen Text der aus-
gelassenen Erzählung genau wie er aus dem Munde des
Erzählers flofs, wiedergebe und eine Übersetzung samt einigen
sprachlichen Bemerkungen hinzufüge.
Dr. Hydes Text habe ich genau nach der Handschrift
abgedruckt, nur in den Worten nö, tu, Uirigh habe ich das
Längezeichen stillschweigend ergänzt, da es nach seinen
eigenen Angaben von ihm in diesen drei Fällen nur aus
Bequemlichkeit weggelassen worden war.
Text.
1. Insan t-shean-aimsir, nuair bhi m'athair mör 'na
bhuachaill bheag, bhi länamhain phosta 'na gcomhnuidhe
a n-aice le h-Äth-cinn. Sean do bhi ar an bhfear agus Mäire
do bhi ar an mnaoi. Bhi siad bliadhain agus fiche pösta agus
nl raibh aon chlann aca. Bhiodh siad ag troid le cheile go
minie mar gheall air sin.
2. Aon oidhche amhäin, nuair bhiodar ag clampar mar
ba ghnäth leo, shiubhal fear mör agus cöta mör dubh air,
isteach chuca, agus d'fhiafruigh, cad e an t-adhbhar a rabhadar
ag troid agus ag clampar mar sin.
"Innis dam e agus b'[fh]eidir go bhfeadfainn a shocrug-
hadh" ars an fear mör.
"Nl feidir leat" arsa Sean.
"Bionn se do mo bhualadh agus do mo mhaslughadh
maidin agus trathnöna, lä agus oidhche, nuair nach bhfuil
dann agam", arsa Mäire.
"B'[fh]eidir go bhfuil se nios fearr gan dann ar bith",
arsa fear an chöta dhuibh, "acht beidh dann agaibh fös".
"Ni'l do mhagadh ag teastäil uainn", arsa Sean, "agus
anois, cia thü fein nö cad do thug annso thii"?
"Is cuma dhuit-se" ars an fear mör, "acht geallaim duit
go mbeidh mac ög ag do mhnaoi seacht mi ö'n oidhche anocht,
agus deirira rud eile leat — bheadh dann mhac agus inghean
agad bliadhanta roimhe seo muna mbeidh do shagart parräiste.
Nac[h] cuimhne leat an chead-am thäiiiig se ag iarraidh coirce
ort? Nl raibh tu acht mi pösta an uair sin. Thairg tu dhä
stüca dhö, acht ni ghlacfadh se uait e. Ni thiubh'rthä-sa
DER PRIESTER -MÖRDER. 257
nios mo 'na sin do, agus d'iißüiigli se uait go iieaigach,
agus dubhairt "beidh do bhean mi - thorthamhail fad mo
bheatha-sa".
Tä cogar cluaise agam le li-innseacht duit; tarri) amacli
tamall beag annso!"
3. Chuaidli Seän amach, agus dubhairt fear an chota
dhuibh leis:
"Tä fliios agad go ndearna an sagart sin eagcoir mhor
ort, agus b'[fh]eidir go mbudh mhaitli leat sasadli do bhaint as."
"Dar m'anam, budh mhaith liom, da bhfeudfainn sin a
dheanamh i ngan- fliios do na daoinibh."
"Bhearfaidh mise slighe dhuit le säsadh iomlän do bhaint
as, ma ghlacann tu mo cliömhairle-se, agus ni bheidh fhios ag
aon duine beö air, acht agad -so agus agam-sa. Acht sul mä
n-innsighim an t-shlighe sin duit, caithfidh tu mionna thabhairt
go nglacfaidh tu mo chomhairle agus go gcongbhöchaidh tu
mo rün."
"Bhearfad an mionna", arsa Seän.
Tharraing fear an chota dhuibh biobla amach, agus
dubhairt:
"Mionnaigh ar an leabhar so, agus abair na focla so mo
dhiaidh mar deirim leat-sa iad.
"Abair leat", arsa Seän.
"Glac an leabhar", arsa fear au chota dhuibh, agus abair:
"Mionnaighim ar an leabhar so — i lätliair De — go nglacfad
cömhairle — Üdäis ata i läthair — le säsadh do bhaint — as mo
shagart parräiste — faoi an eagcoir do rinne se orm — i dtosach
mo shaoghail phosta."
Dubhairt Seän na focla sin 'na dhiaidh agus annsin phog
se an leabhar.
4. "Anois", arsa Üdäs "seo dhuit mo sgian nimhe, agus
teirigh ar maidin amärach go tigh an t-saga^i't agus abair
leis gur thuit tu i dtom(?) peacaidh'^) mharbhtha, agus nach
dtig leat aon t-shuaimhneas fhäghail in do choinsias go
») Mir ist nur die einsilbige Form tar bekannt; es kommt aber ein
zweisilbiges tarra vor; um dieses dürfte es sich handeln. Lies daher: tarr'.
'^) Ich schlage vor zu lesen: i dtrom-peacadh „schwere Sünde" ; dasjp
wird oft nach m nicht aspiriert. Dann ist natürlich auch marbhtha zu lesen.
Zeitschrift f. celt. Philologie Xu, 1. 17
258 .JULIUS POKORNT,
ndeanaidh se d'fhaoisidin. Bhearfaidh se annsin thü go h-äit
uaigneach faoi sgäil na gerann mör ata ag bun a ghäirdin.
Nuair bheas tu ar do ghlünaibh tarraing amacli an sgian
nimhe agus tabhair sathadh laidir dho. Tuitiidh se marbh
agus ni bheidh eölas ag aon duine cia mliarbh e. Ni thagann
braon fola as lorg sgine nimhe".
"Nl maith liom an sagart do mharbhadh" arsa Seän,
"agus ni mharbhochad e. Tä aithreachas mor orm, go dtug
m6 mo mhionna agus sgaoil me uaidh."
"Ni thig liom do sgaoileadh, mar tä gacli uile fhocal do
mhionnaigh tu, sgriobhtha insan leabliar agus ni fheudfadh
an meid sagart easbog agus cleire ata 'san dorahan do sgaoi-
leadh anois. Mar sin de, dean an obair, nö bainfidh mise
säsadh asat-sa."
Bhi faitchios mor ar Sheän roinih fhear an chota dhuibh.
D'iarr se a eiteach, acht nior fhead se. Nior thäinig na focla
thar a bheal, agus nuair budh mhian leis "ni dheaufad" do rädh,
'se dubhairt s6 "deanfad an obair". D'imthigh fear an chota
dhuibh uaidh annsin agus chuaidh seisean ar ais chum an tighe.
5. Dubhairt Maire leis, nuair thäinig se ar ais:
"Shaoil me gur chum an bhaile mhöir do bhi tu imthighthe.
Ära, cad do chongbhaigh amuigh annsin tLü ag comhrädh leis
an leath-amadän sin?"
"Ni leath-amadän e, acht fear firiuneach", arsa Seän,
"fear a bhfuil eölas mör aige", ar se.
"'Seadh, eölas mör ar mhagadh", arsa Maire.
"Bi 'do thost, nö bainfidh mise an teanga asad", arsa
Seän. Thug si freagradh eigin air när thuig Seän, acht is
gnäthach le bean an focal deireannach do bheith aici.
6. Ar maidin lä ar n-a mhärach, chuaidh Seän go teach
an t-sagairt. Chömhnuigh an sagart so i dteach mör imeasg
crann, agus ni raibh aon teach eile ann i bhfoigseacht
ceathramhadh mhile dhö. Ni raibh istigh i dtigh an t-sagairt
acht buachaill aimsire agus a mhäthair fein do blii ag deanamh
tioghbhais dö. Nuair thäinig Seän, bhi an sagart amuigh leis
fein ag bun a gharrdha, faoi sgäile na gerann, agus e ag
leigheadh i leabhair urnaighthe.
"Go mbeannaighidh Dia d[h]uit" arsa Seän.
DER PRIESTER -MÖRDER. 259
•'Go mbeannaigliidli Dia agus Muire dhuit", arsa an sagart.
"Cad do thug annso t[li]ü?"
" Tä trom-ualach de pheacadh marbhtha ar m'anam boclit
agus thäinig nie le faoisidin do dheanamh leat, mä 's e do thoil e."
Chuir an sagart a ghleus beannaighthe faoi n-a mhuineal
agus chuaidh Sean ar a ghlünaibh 'na läthair.
" Tnnis dam anois do pheacaidli",i) ars an sagart, ag seasamli
OS a chionn, acht sul mä r' fheud se aon fhocal eile do rädh,
thug Seän säthadh de'n sgin nimhe dhö. Leig an sagart gäir
mhör as agus thuit se marbh.
7. Bhi mäthair an t-sagairt go direach ag flUeadh ö'n
m'baile mör an uair sin, Chualaidh si an ghair agus rith si
amach. Rith si go töin an ghäirdin. Chonnaic si an sagart
marbh. Chonnaic si Seän agus an sgian nimhe in-a läimh.
"Tä mo mhac marbh agad", ar sise, "acht crochfaidh
mise thü chomh cinnte agus tä an sgian sin in do läimh."
"Duine marbh, ni thugann se fiadhnaise (finneidli) uaidh",
arsa Seän, agus leis sin thug se säthadh eile do'n mhäthair
agus thuit sise marbh. Annsin chuir se an sgian i nglaic an
t-sagairt agus d'fhäisg se na meara thimchioll uirri, 'san gcaoi
go saoilfeadh na daoine gur mharbh an sagart a mhäthair i
dtosach, agus gur mharbh se e fein 'na dhiaidh sin. Thug
se do na boinn^) annsin ag dul abhaile.
8. Lean se böthairin uaigneach a raibh sean-sgeathacha
mora ar gach taoibh de. Nuair bhi se dul sios an böthairin
seo thäinig fear an chöta dhuibh amach o bhun sean-sgeiche
agus dubhairt le Seän:
"Rinne tu an obair go maith nuair mharbh tu an bheirt".
D'fheuch Seän ar an bhfear mör agus thug se faoi deara
nach cosa acht crüba do bhi faoi, go raibh a eadan chomh
dubh le töin phota, agus go raibh a dhä shüil ar lasadh mar
dhä splanca teineadh. Thäinig crith air le teann faitcliis
agus dubhairt se: "Cia thü fein?"
"Is ball de'n diabhal me", arsan fear mör, "is fada atä
se ag brath ort-sa, acht tä tu aige anois. Bhearfaidh me
^) Lies: pheacadh.
') boinn ist offenbar der gesprochene Dativ Plur. von bonn „Sohle".
17*
2ß0 .lULTÜS POKORNY,
späs la agus bliadhain duit anois, agus ni fheicfidh tu me
ans go mbeidh an re sin caithte, Seo dhuit sporän oir. Thi?
leat bheith ar meisge gacli uile oidhche anois. Tabhair neart
le n-öl do na fir 6ga ag^iis cuir ar meisge iad cliomh minie
agus is maith leat."
Leis sin chuaidh se isteach faoi bliun na sgeiche aris.
9. Chuaidh Seän abhaile agus croidhe trom aige. D'fhia-
fhruigh an bhean de cä raibh se.
"Nach cuma dhuit-se", ar seisean. "Tabhair aire do
d'chuid gnaithe (gnodh) fein agus na bac iiom-sa, nö bhear-
faidh me dhuit an rud a thug an tincear do'n asal — bualadh
maith."
Leis sin thog s6 a lämh le dorn do bhualadh uirri, acht
bhi sise r6idh dhö agus bhuail si e le lüb an phota idir an
da shüil agus shin si ar an urldr ^. D'eirigh seisean, fuair
greim ar an teangais^) agus bhiodar, gach 'ar le buille, go
raibh an cisteannach dearg le n-a gcuid fola. Acht insan
deiveadh do bhain an fear an t- shüil as an mnaoi le burr an
teangais agus c[h]uir si sin crfoch leis an troid. Bhi an bhean
dall agus leath-mharbh leis an m^ad fola do chaill si, agus
bhi Seän go h-an-dona i ndiaidh na mbuilK do fuair s6 ö'n
lüb, agus bhi a cheann agus a leithcinn gearrtlia go mör.
D'fhag se an bhean annsin agus d'imthigh se fein leis go
dtf an baile mör. Thosaigh se ag öl annsin agus nlor bh'
fada go raibh dream dena buachaillibh 'na thimchioll, agus
e ag tabhairt le n-61 doibh.
10. Nuair thäinig an buachaill aimsire abhaile an träthnöna
sin go tigh an t-sagairt ni raibh aon duine insan tigh roimhe.
Shaoil s^ nach dtainig mathair an t-sagairt ar ais 6'u mbaile
m6r fös agus go raibh an sagart ait eigin ar cuairt. Chuaidh
se amach an cül-dorus agus sios an casdn go bun an gharrdha.
Chonnaic s6 an sagart agus a mhiUhair sinte marbh annsin
agus sgian i Idimh an t-sagairt. Rith se amach ag glaodach
chomh h-ärd agus d'fheud se ar na comharsannaibh agus
nior bh' fada go raibh an dit lau de dhaoinibh. Cuireadh
fios ar ghiuistis^) agus thäinig s^ le n-a chuid fear. Budh
') Lies: dteangais.
*) Wegen der unten vorkommenden Formen ist iuisiis zu lesen.
DER PRIESTER -MÖRDER. ' 261
i tuairim na ndaoine go mbudh 6 an buachaill aimsire do
mharbh an sagart. Gabhadh 6 agiis seöladh chum priosüin i.
11. Chuaidh bean cömharsan go teach Shedin leis an
nuaidheacht d'innseacht, acht nuair clionnaic si Maire gan süil
ina ceann agus an t-urldr dearg le fuil, chuir sl liügh agus
beic aisti. Chruinnigh na cömharsanna agus nior bh' fada
go dtäinig an iuistis agus a chuid fear leis. D' innis an bhean
döibh gach nidli do thuit amach agus an cliaoi ar' bhain Sedn
na süile aisti. Chuir an iuistis fir ar thöir agus gabhadh 6 7
cuireadh e chum priosüin i n-^infheacht le buachaill an
t-shagairt.
12. I gceann tri Id tugadh lad i läthair an iuistis arfs.
Ni raibh aon fhiadhnuise a n-aghaidh Sheäin acht Mäire
agus ni raibh fiadhnuise ar bith i n-aghaidh an bhuachaill
aimsire. Shaoil an iuistis agus na fir dlighe go mbudh 6 an
sagart f^in do- rinne an choir agus sgaoileadh amach an
buachaill aimsire, acht fuair Sedn s4 mi i bprlosün.
13. An Id thainig Sedn amach ö'n bprlosün bhl mac ög
ag Mdire, acht mo bhrön! Bhl lorg sglne nimhe ar a chldr-
^adain. Nuair chonnaic Sedn e chaill s^ a chiall, rith se amach
as an tigh agus d'imthigh s^ le mire tre na bailteachaibh ag
glaodhach:
„Td mac ag mo mhnaoi dhaill agus lorg sglne nimhe ar
chldr a eadain."
B' fhlor dhö sin agus nl h-^ amhdin go raibh an lorg
sin ar chldr- eadain an naoidheandin. Acht bhl crüba cam-
roilig air mar bhi ar fhear an chöta dhuibh.
14. Nuair d' innis Sedn a sgdal insna bailteachaibh
chuaidh s^ go dtl an baile mör agus nlor bh' fada.go raibh
si dall ar meisge. Chruinnigh na buachailll 'na thimchioll
agus thosaigheadar ag 61. Nlor bh' fada aihisin go raibh
Sedn ar mire leis an m^ad do bhl ölta aige agus leig s6 an
rün amach gur bh'6 f^in do mharbh an sagart agus a
mhdthair.
Gabhadh 6 an dara h-uair agus nuair tugadh e i Idthair
an bhreithimh, shaoil se an nidh do cheilt agus mar nach
raibh aon fhiadhnaise Ididii' 'na aghaidh. shaoil an breitheamh
262 JULIUS POKORNY,
a sgaoileadh amach aris, niiair thdinig guth ag rddh: „Föil!
föil!^) Td se cionntach, td an fhiadnaise ag teacht".
Bhi fuinneög na ciiirte nr fhosgailt agus tluiinig flach
dubh ag eitill isteach uiiri. Shuidh an flach ar druim
chathaoire agus ar an möimid choniiaic gach duine do bhi
insan gcüirt go raibh an sagart marbh agus a rahdthair 'na
seasamh annsin ar gach taoibh de'n fhiach dubh.
Chonnaic Sedn iad agus chuir s6 sgread as:
"Ora. a bhreithimh, td me cionntach, is mise do mharbh
iad!"
"Cad fdth mharbhais iadV" arsan breitheamh.
"Mharbh m^ iad le sgin nimhe do thug Üdds ball de'n
diabhal dam agus ta lorg na sgine ceadna ar chldr-^adan mo
mhic 'san mbaile indiu.
15. Tugadh breitheamhnas bdis ar Shedn annsin agus
nuair rinneadh sin, chuaidh an flach dubh amach aris ar an
bhfuinneoig ag eitill agus d' imthig an sagart agus a mhathair
as amharc.
16. I gceann tamaill 'na dhiaidh sin crochadh Sedn agus
nior bh' fada go bhfuair Mdire agus an naoidheandn crü-
bach bds.
Acht td an triiir aca le feicedl gach uile oidhche fös, ar
uair an mheadhon- oidhche insan t-shean-roilig mhaoil inar'
c[h]uireadh iad.
Sin deireadh le mo sg^al anois, agus ma leigeann an
chuideachta onörach so dham, b^idh sg^al eile agam döibh
oidhche amdrach.
Übersetzung.
1. In der alten Zeit, als mein Grofsvater ein kleiner
Knabe war, lebte in der Nähe von Headford^) ein Ehepaar.
Hans hiefs der Mann, die Frau Marie. Einundzwanzig Jahre
lang waren sie verheiratet und hatten keine Kinder. Oft
pflegten sie deswegen miteinander zu streiten.
^) Sonst immer föill; wohl auch hier so zu lesen.
'^) Ein kleiner Ort unweit des Ostufers des Lough Corrib in der Graf-
schaft Galway, westlich von Tuam.
DER PBIESTER- MÖRDER. . 263
2. Eines Abends, als sie sich wie gewöhnlich untereinander
zankten, trat ein grofser Mann in langem, schwarzem ßocke
herein und fragte, weshalb sie derartig miteinander stritten
und sich zankten.
„Sage es mir, und vielleicht kann ich den Streit schlichten",
sprach der grofse Mann.
„Du kannst es nicht", entgegnete Hans.
„Er schlägt und beschimpft mich früh und abend, Tag
und Nacht, weil ich keine Kinder habe", sagte Marie.
„Vielleicht ist es viel besser, keine Kinder zu haben",
meinte der Mann im schwarzen Rocke, „aber ihr werdet noch
Nachkommenschaft bekommen".
;,Deinen Spott brauchen wir nicht", sagte Hans, „und
übrigens, wer bist du denn oder was hat dich her-
gebracht ? "
„Das kümmert dich nichts", entgegnete der grofse Mann,
„aber ich verspreche dir, dals deine Frau sieben Monate nach
dem heutigen Abend ein Knäblein zur Welt bringen wird
und ich sage dir noch etwas anderes: Du würdest schon vor
Jahren Söhne und Töchter gehabt haben, wenn dein Pfarr-
priester nicht gewesen wäre. Erinnerst du dich nicht mehr
daran, wie er das erste Mal kam, um von dir Hafer zu ver-
langen? Damals warst du erst einen Monat verheiratet. Du
botest ihm zwei Garben an, aber er wollte sie von dir nicht
nehmen. Mehr als das würdest du ihm nicht gegeben haben
und er ging zornig von dir und sagte: „Solange ich lebe, wird
dein Weib unfruchtbar bleiben."
Ich muls dir heimlich etwas zuflüstern; komm hier auf
ein Weilchen hinaus!"
3. Hans ging hinaus, und der Mann im schwarzen Rocke
sprach zu ihm:
„Du weifst, dafs- jener Priester dir ein grolses Unrecht
angetan hat und du hast möglicherweise Lust, dich an ihm
zu rächen."
„Meiner Seele, ich täte es gerne, wenn ich es ohne Wissen
der Leute tun könnte."
„Ich werde dir einen Weg weisen, um volle Genugtuung
von ihm zu erlangen, wenn du meinen Rat befolgst und kein
264 JULIUS POKORNY,
lebender Mensch wird davon wissen, dich und mich aus-
genommen. Aber bevor icli dir jenen Weg weise, mulst du
schwören, dafs du meinem Rate folgen und mein Geheimnis
bewahren wirst,*'
„Ich werde den Eid leisten'*, sagte Hans.
Der Mann im schwarzen Rocke zog eine Bibel hervor
und sprach:
„Schwöre auf dieses Buch und sprich mir die Worte nach
wie ich sie dir vorsage.*'
„Sprich nur zu", sagte Hans.
„Nimm das Buch"', sagte der Manu im schwarzen Rocke,
und sprich: „Ich schwöre bei diesem Buche — im Angesichte
Gottes — dals ich den Rat des Judas, der hiei' anwesend ist,
befolgen werde, — um mich zu rächen — an meinem Pfarr-
priester — des Unrechts wegen, das er mir angetan — am
Beginne meines ehelichen Lebens."
Hans sprach jene Worte nach und küfste hierauf
das Buch.
4. „Jetzt^, sagte Judas, „nimm hier mein vergiftetes
Messer und gehe morgen früh zum Hause des Priesters und
sage ihm, dafs du in eine schwere Todsünde verfallen bist
und dafs du keine Ruhe in deinem Gewissen finden kannst,
bevor er nicht deine Beichte entgegengenommen habe. Dann
wird er dich zu einem abgelegenen Orte unter dem Schatten
der grofsen Bäume am Ende seines Gärtchens hinführen.
Sobald du auf deinen Knien liegst, ziehe das vergiftete Messer
hervor und versetze ihm einen kräftigen Stofs. Er wird tot
niederfallen und kein Mensch wird wissen, wer ihn getötet
hat. Ein vergiftetes Messer läfst keinen Blutstropfen heraus-
fliefsen."
„Ich habe keine Lust, den Priester zu töten", erwiderte
Hans, „und ich werde es nicht tun. Ich fühle grofse Reue,
dals ich den Eid geleistet habe, und entbinde mich davon!"
„Ich kann dich nicht davon entbinden, da ein jedes Wort,
das du geschworen hast, in das Buch hineingeschrieben wurde,
und alle Priester, Bischöfe und Geistliche in der Welt könnten
dich jetzt nicht davon entbinden. Deshalb tue dein Werk,
oder ich werde mich an dir rächen!"
DER PRIESTER -MÖRDER. 265
Hans fürchtete sich sehr vor dem Manne im schwarzen
Rocke. Er versuchte, ihm zu widersprechen, aber er ver-
mochte es nicht. Die Worte kamen nicht über seine
Lippen, und als er sagen wollte: „ich werde es nicht tun",
sagte er: „ich werde das Werk vollbringen". Dann verliefs
ihn der Mann im schwarzen Rocke und er ging ins Haus
zurück.
5. Als er zurückkam, sagte Marie zu ihm:
„Ich dachte, du wärest in die Stadt i) gegangen. Wahr-
haftig, was hat dich denn hier draulsen im Gespräch mit dem
Halbverrückten so lange zurückgehalten?"
„Er ist kein Halb verrückter, sondern ein echter Manu,
ein Mann, der ein grofses Wissen besitzt."
„Ja, ein grolses Wissen im Verspotten", erwiderte Marie.
„Schweig' still, oder ich werde dir die Zunge herausreifsen!"
rief Hans. Sie antwortete irgend etwas, was Hans nicht
verstand, aber eine Frau muls ja immer das letzte Wort
haben.
6. Am nächsten Morgen ging Hans zum Hause des
Priesters. Dieser Priester wohnte in einem grofsen, von
Bäumen umgebenen Hause, und es befand sich im ÜQikreise
von einer Viertelmeile kein anderes Haus in der Nähe. Im
Hause des Priesters lebten aulser ihm nur ein Diener und
seine eigene Mutter, die ihm den Haushalt führte. Als
Hans hinkam, befand sich der Priester allein am Ende eines
Gartens unter dem Schatten der Bäume und las in einem
Gebetbuche.
„Gott segne dich", sagte Hans.
„Gott und Maria mögen dich segnen", erwiderte der
Priester.
„Was hat dich hierher geführt?" ^
„Die schwere Last einer Todsünde liegt auf meiner armen
Seele, und ich bin gekommen, um dir zu beichten, wenn du
es erlaubst."
') Gemeint ist Headford. baue mör kommt für sich allein nur einmal
als Stadtname vor, nämlich als Name der Stadt Ballymore in der Graf-
schaft Westmeath.
266 JULIUS POKORNY,
Der Priester legte seine geweihte Stola') um den Hals
und Hans warf sich vor ihm auf die Knie.
„Erzähle mir jetzt deine Sünde!" sagte der Priester,
indem er sich vor ihn hinstellte, aber bevor er noch ein
weiteres Wort sagen konnte, versetzte ihm Hans einen Stofs
mit dem giftigen Messer. Der Priester stiefs einen lauten
Schrei aus und fiel tot nieder.
7. In diesem Augenblicke kam gerade die Mutter des
Priesters aus der Stadt zurück. Sie hörte den Schrei und
lief hinaus. Sie eilte bis ans Ende des Gartens, sah den
Priester tot daliegen und Hans mit dem vergifteten Messer
in der Hand.
„Du hast meinen Sohn getötet", rief sie, „aber ich werde
dich an den Galgen bringen, so wahr jenes vergiftete Messer
in deiner Hand ist."
„Ein Toter gibt kein Zeugnis", sagte Hans und damit
versetzte er auch der Mutter einen Stofs, und sie fiel tot
nieder. Hierauf legte er das Messer in die Hand des Priesters
und preiste dessen Finger rings um dasselbe, damit so die
Leute glaubten, der Priester habe zuerst seine Mutter getötet
und dann sich selbst umgebracht. Dann machte er sich rasch
auf die Beine, 2) um nach Hause zu gehen.
8. Er folgte einem einsamen kleinen Seitenwege, zu dessen
beiden Seiten hohe alte Sträucher wuchsen. Wie er diesen
Weg entlang ging, kam der Mann im schwarzen Eocke unter
einem alten Strauche hervor und sagte zn Hans:
„Du hast deine Arbeit gut vollbracht, als du alle beide
umbrachtest!"
Hans blickte den grofsen Mann an und bemerkte, dals
er nicht Füfse, sondern Klauen hatte, dafs sein Angesicht so
schwarz war wie der Boden eines Topfes, und dafs seine Augen
wie zwei Feuerfunken glühten. Vor entsetzlicher Angst begann
er zu zittern und sagte:
„Wer bist du eigentlich?"
1) Wörtlich: „sein geweihtes Instrument,"
■) Das ist offenbar die Bedeutung des Idioms „thug se do na
boitm".
DER PRIESTER -MÖRDER. 267
„Ich bin ein Glied des Teufels", sprach der grofse Mann.
„Lange schon hat er ein Auge auf dich geworfen, aber
jetzt gehörst du ihm. Ich werde dir jetzt eine Frist von
einem Jahr und einem Tag geben und vor Ablauf jener Zeit
wirst du mich nicht wieder sehen. Da hast du eine Börse
voll Gold. Du kannst dich jetzt jede Nacht betrinken. Gib
den jungen Männern viel zu trinken und mache sie berauscht,
so oft es dir gefällt."
Damit verschwand er wieder unter dem Busche.
9. Hans ging schweren Herzens nach Hause. Die Frau
fragte ihn, wo er gewesen sei.
„Geht das dich etwas an?" erwiderte er, „Kümmere dich
um deine eigene Arbeit und lasse mich in Ruhe, oder ich
werde dir das geben, was der Kesselflicker dem Esel gab —
tüchtige Prügel."
Damit hob er seine Hand, um sie mit der Faust zu schlagen,
aber sie war darauf vorbereitet und schlug ihn mit dem Topf-
haken zwischen beide Augen und streckte ihn zu Boden. Er
erhob sich, fafste die Feuerzange i) und sie schlugen auf-
einander los, bis die Küche von ihrem Blute ganz rot war.
Aber schliefslich stiefs der Mann der Frau mit dem Ende der
Feuerzange die Augen 2) aus und das machte dem Streite
ein Ende. Die Frau war blind und durch den grofsen Blut-
verlust halbtot und Hans befand sich infolge der Hiebe, die
er mit dem Haken bekommen hatte, recht elend, und sein
Kopf und seine Wangen s) waren tüchtig zerhauen.
Er verliefs darauf seine Frau und wanderte fort bis in
die Stadt. Dort begann er zu trinken und es dauerte nicht
^) Ein Wort teangais finde ich nirgends; es handelt »ich offenbar um
eine Kontamination von ir. tean-chair „Feuerzange" und einem Lehnwort
aus dem englischen „tongs". Für das letztere spricht auck^ der unten
folgende Genetiv teangais, der zeigt, dals das Wort indeklinabel ist.
*) an t-shüil „das Auge" bedeutet hier „beide Augen", wie auch
deutlich aus dem Folgenden hervorgeht; wenn nur ein Auge gemeint wäre,
müfste es nach irischem Sprachgebrauche leath-shüil heifsen.
') leithcinn „Wangen", sg. leithceann ist, wie die ebenfalls in
N. Connaught vorkommende Form leicionn zeigt, eine Art Kontamination
zwischen leaca „Wange" (gen. leacan) und leath-cheann oder leith-cheann
„eine Seite des Kopfes".
2ß8 JULIUS POKORNY,
lange, so war er von einer Schar junger Leute umgeben,
denen er zu trinken gab.
10. Als der Diener an jenem Nachmittage ins Haus des
Priesters heimkehrte, war kein Mensch im Hause.
Er glaubte, dafs die Mutter des Priesters noch nicht aus
der Stadt zurückgekommen und dals der Priester irgendwohin
zu Besuch gegangen sei. Er ging bei der Hintertüre hinaus
und schlug den Weg zum Ende des Gartens ein. Da sah er
den Priester und dessen Mutter tot hingestreckt und das ver-
giftete Messer in der Hand des Priesters. Er lief hinaus,
indem er, so laut er konnte, nach den Nachbarn rief, und es
dauerte nicht lange, so war der Ort voll von Menschen. Man
schickte nach dem Eichter und er kam mit seinen Leuten.
Die Leute waren der Meinung, dafs der Diener den Priester
ermordet habe. Er wurde festgenommen und ins Gefängnis
geführt.
11. Eine Nachbarin kam zum Hause Hansens, um die
Neuigkeit zu erzählen, aber wie sie Marie ohne Augen in
ihrem Kopfe und den Boden rot von Blut sah, schrie und
jammerte sie laut. Die Nachbarn versammelten sich und es
dauerte nicht lange, so kam der Richter mit seinen Leuten.
Die Frau erzählte ihnen alles, was vorgefallen war und
wie ihr Hans die Augen ausgestolsen hatte. Der Richter
schickte Leute zu seiner Verfolgung aus und er wurde er-
griffen und zusammen mit dem Diener des Priesters ins Ge-
fängnis gesteckt.
12. Nach drei Tagen wurden sie dem Richter abermals
vorgeführt. Gegen Hans trat nur Marie als Zeugin auf,
gegen den Diener aber überhaupt niemand. Der Richter und
die Geschworenen waren der Meinung, dafs der Priester selbst
das Verbrechen begangen habe und der Diener wurde frei-
gelassen; Hans aber erhielt sechs Monate Gefängnis.
13. An dem Tage, an welchem Hans das Gefängnis verliefs,
brachte Marie ein Knäblein zur Welt, aber oh weh! Auf
seiner Stirne trug es das Bild des vergifteten Messers. Sowie
Hans das sah, verlor er seinen Verstand, lief zum Hause
hinaus und durcheilte im Irrsinn die Dörfer, indem er rief:
DER PRIESTER- MÖRDER. 200
„Meine blinde Frau hat einen Knaben zur Welt gebracht
und er trägt das Bild des vergifteten Messers auf der Stirne."
Das stimmte, aber das Kindlein trug nicht nur jenes Bild
auf der Stirne, sondern hatte auch Klumpfüfse, gerade so, wie
der Mann im schwarzen Rocke.
14. Zur Zeit, da Hans die Geschichte in den Dörfern er-
zählte, kam er bis in die Stadt und es dauerte nicht lange,
so war er schwer betrunken. Er sammelte die jungen Männer
um sich und sie begannen zu trinken. Binnen kurzem war
Hans durch das viele Trinken in einen Zustand des Irreseins
gekommen und dabei liels er sich das Geheimnis entschlüpfen,
dafs er selbst den Priester und dessen Mutter getötet habe.
Er wurde zum zweiten Male ergriffen und sobald er vor den
Richter geführt wurde, gedachte er die Sache zu verbergen,
und da kein gewichtiger Zeuge gegen ihn auftrat, wollte ihn
der Richter abermals freilassen, als eine Stimme ertönte:
„Warte, warte! Er ist schuldig, der Zeuge kommt schon!"
Das Fenster des Gerichtshauses öffnete sich und ein
schwarzer Rabe flog herein. Der Rabe setzte sich auf die
Lehne eines Stuhles und im selben Augenblicke sah jeder
Mensch, der im Gerichtsgebäude war, dafs der tote Priester
und dessen Mutter zu beiden Seiten des schwarzen Raben
standen.
Hans sah sie und stiefs einen Schrei aus:
„Wahrhaftig, oh Richter, ich bin schuldig, ich habe sie
getötet !"
„Weshalb hast du sie getötet?" fragte der Richter.
„Ich habe sie mit einem vergifteten Messer getötet, das
mir Judas, ein Glied des Teufels, gab, und das Bild des
gleichen Messers ist heute auf der Stirne meines Sohnes
•daheim."
15. Hierauf wurde das Todesurteil über Hans gefällt, und
als das geschah, flog der~schwarze Rabe wieder zum Fenster
hinaus und der Priester und seine Mutter verschwanden,
16. Kurze Zeit später wurde Hans gehängt und bald
fanden auch Marie und das Kindlein mit dem Klumpfüfse
ihren Tod.
270 JULIUS POKORNT, DER PRIESTER -MÖRDER.
Aber die drei kann man noch jede Nacht zur Mitter-
nachtsstunde in dem alten, verödeten Friedhofe sehen, in dem
sie beigesetzt wurden.
Damit ist nun meine Geschichte zu Ende, und wenn es
diese ehrenwerte Gesellschaft mir gestattet, werde ich euch
morgen abend eine weitere Geschichte erzählen.
In dem Büchlein von Dr. Hj'de hat man sich also die
zweite Geschichte fortzudenken, so dafs die dritte als die
zweite, die vierte als die dritte usw. erscheint, und unsere
Geschichte ist an letzter Stelle anzufügen.
Ebenso ist der Text auf S. 82 und 83 dahin zu ändern,
dafs auf S. 82 Zeile 1 — 6 von unten wegfallen; auf S. 83 ist
sodann Zeile 11 von unten an Stelle von Sheas an naoid-
htamh ftar zu lesen: D'eingh fear eile und nach Zeile 7 von
unten ist einzuschieben:
Shtus an naoidheamh fear ann sin. „Seadh^, aduhhairt
se, „is mise. St an, is mise do mharhh an sagart ayus a mhd-
thair le syin nimhe do thug JJdds hall de'n diabhal dam. Td
gach uüe fhocal d'd ndubhairt se mo thaoibh-se fior.
Da die eben angeführten Veränderungen in dem mir über-
sandten Teil von Hydes Manuskript nicht enthalten sind, habe
ich sie, so gut ich konnte, aus Eigenem gegeben, indem ich
mich bemüht habe, mich ganz in den Geist des Erzählers
hinein zu versetzen. Es kann sich hier auch höchstens um
einige kleine Verschiedenheiten im Ausdrucke handeln.
Wien. Julius Pokorny.
ZUR KELTISCHEN
LITERATUR UND GRAMMATIK.
1. Morand und sein sin.
Zur Ergänzung der Morand-Marerialien, die Stokes IT III,
1, 188 ff. und ich oben 11, 56 ff. herausgegeben haben, möchte
ich die Erzählung in LL 126 a 30 ff. zum Abdruck bringen, ob-
schon das Ende durch den Ausfall des Blattes hinter 126 ver-
loren gegangen ist. Sie ist von dem Redaktor III der Prosa über
die Ermordung der freien Geschlechter Irlands (RC 20, 335 ff.)
benützt worden, wie wörtliche Anklänge zeigen. Aber auch in
II (oben 11,63 § 12) mag die Vorstellung, dals Morand die
Rückkehr von Feradach veranlafsi hat, auf ihr beruhen.
In den Genealogien, die die Nachkommen Ebers aufzählen
und über deren Handschriften man K. Meyer, Rawlinson B. 502,
Introduction S. XIII, und ZCP 7, 521 vergleiche, findet sich
in einigen Handschriften (Rawl. 502 S. 147 a 51; B. von Bally-
mote 171 b 6) hinter der Geschichte von Noinniu (Ncenne) Noi-
brethach, der gleich nach seiner Geburt neun Urteile fällte,
der Satz: is he in tres mac ro'labair {a n-Ermn) iarna gern
fo chstöir. Morann mac Moen 7 Äi mac Olloman inna dö aili,
'er ist einer der drei Knaben, die (in Irland) gleich nach ihrer
Geburt sprachen; Morand Moens Sohn und Ai OUoms Sohn
sind die beiden andern'. Nur BB. fügt hinter Mprund mac
Mcein ein : dian - ebairt : garg he tonn . fuar be gceth . solus be
coindel. Das spielt auf die unten folgende Geschichte an.
Ihr Verfasser hat sich die Aufgabe gestellt, diese drei
Wunderkinder vorzuführen. Die Geschichte von Ai mac Ollo-
man, der zu den Tuatha De Danann gehört, ist völlig, die
von Morand fast ganz erhalten, aber die von Noinniu Noi-
272 R. THÜRNEYSEN.
brethach weggefallen. Mit der Morand - Geschichte will er
zugleich eine Erklärung geben, weshalb JForand sowohl der Sohn
von Msen als der Sohn von Coirbre Katzenkopf genannt wird.
Er kennt wohl das Gedicht: SöercJ/lamla Erenn inU (oben
11, 57), sicher 'Morands Fürstenspiegel'. Der Bote zu Feradach
Find Fechtnach (Nere, der hier nicht genannt wird) ist als
sein Sohn gefafst wie im Kommentar zu Amra ChoUiimb Cliille,^)
und Morand lebt noch unter Feradach als Richter in Irland.
Der Sprache nach ist die Geschichte nicht alt, geht vielleicht
nicht übers 12., jedenfalls nicht übers 11. Jahrhundert hinauf.
* *
*
Cia treide cetna'labratar iarna genemain fo-) chetöir; cid
ro'labraiset? Ni hannsa. Ai mac Olloman mwc Delhceüh et
Morand mac Cairpri Chind Chaitt et Noiuniu Nuibrethach.
Is de chetus ro'labrastar Oe macc Olloman A. Bai Fiachu
mac Delbo3/^/i ri Herewn for cuairt rig 7 a brathair 'na farrad
.i. OUora mac Delhceith. Bätar laa and ic tomailt i n-Inis
Tige i n-iarthur Herenw .i. in ri Fiachu 7 a brathair Olbm.
Leth in tige oc cechtar de. A drüi dawa for belaib ind rig
.i. Fiachach. Ö ro'bätar oc tomailt a fessi, dothset athach
gsethe möre tarsin tech. Conos'tarat uile i socht mör met in
delma. 'Cid forcanas ind athach?' ar Fiach^t frisin druid. —
*Is sed forcanas' or in drüi, 'dän iiignad do thurcbäil i
n-Hermw'. — 'Cinnas däna 6n?' or in ri '7 cia 6'ngenend 7
cia bale rngenfe?' — 'Dan bas chomgräid frit gräd so' ol in^
drüi 'et bid is tig seo genfes 7 bid 6n mnai üt tall do bräthar '
genfes. Is torrach 7 beraid mac innossa 7 bid comgraid frit so.
Et ticfa grad amra alle and bas uasliu, dia'fogenat for ngräda
si .1. grad ecalsi.' — Ra'firad trä uili anisin. Ra*genair in
mac fo chetoir 7 ro'thriall in ri a marb«<i in meic, coro'thair-
misc a atha?V .i. Ollom ; ar niba lia in ri is taig andäsu/e. In tan
ro'bäs ocond imrädud imme, co'cualatar in mac oca rad: 'Domurc-
baid süas coro"acilliur in rig'. Turgabair suas iar sin. 'Ni dam
sa dot inchaib, a Fiachrai' orse. — 'Cid do'ber duit?' ar
*) lu der Hs. Eg'erton 88, fol. 9 v, a ist ein kurzer Gesetzestext Comus
Ae Moraud in den Muud gelegt, der ihu Nere, als dem künftigen Richter,
tiberliefert; s. O'Grady, Catal. of Ir. Mss., S. 88f.
•■«; fo Ha.
2ÜS KELTISCHEN LlTEEATÜR UND GRAÄIMATIK. 073
in Yi — 'js^i hannsa. Mo bruii? mo länamuin lonchore co
ndabaig diiiidlugse tucthar öm lijr mucra escra [126b] cuach
carpa^ calg tricha bo brö fiann. Fiach ö^) Fiaclina dam sa
in sin uile' ar in mac. — 'Do'berthar' ar Fiacbu. 'Cia ainm
regas arin mac sa i fect sa?' — 'Tabar Ai fair' ar in drui.
Conid assain tra ro'ainmniged ai airchetail .i. 6 Ai mac OUo-
man. Et is si sein ai ceta*erbairt Ai mac OWoman.
Morand immoro mac Cdirpri Chind Chait, is de ro'labrastar
sede .i. Ro'marbtha lasin Corpre hisin cech soerchland ro-boi
i n-Hermn. Ar ba di athechthuatliaib Herewn dö. Et ro'gab
rige n-Herenw ar ecin. Et rap olc a rlge, ar ni'bid acht oen-
gränna i cind [cecha desi et oendircu a-ccind]^) na cuslindi
7 oendircu i-mmulluch na darach ina re. ßuctha tri meic don
Chairpn hisin 7 ro'badidis leis fo clietöir; ar ba doig ropdis
torathair, fo bithin no-bltis a cathbairr fö cennaib. In tres mac
rucad .i. Morand, ro'thriall in cetna do denam fris i. a bädud.
Ro-herbad da öclach leis da chur i mbeolu na tuinne. ö
ra'laiset uadib e i tuind mara, brissis in tond in cathbarr 7
töcbaid in tond uasa in mac, con^accatar a gnüis for barr nk
tuinne. Is and as'bert som: 'Garg be tond' ar in mac.
Fo'lengat chuce na öcläig 7 do'föcbat süas. 'Nacham'turcbaid'
arseseom, 'üar be gseth'. — 'Cid do'genam din mac sa?' ar
indara fer. — 'Do'genam' ar in fer aile 'fäcbam e i teig ar
beind chloche i ndorus tige na cerda .i. Mien a ainm side,
cerd ind rig. Et cometam in mac, düs in'lessaigfe in cerd e.'
Ö do'chuaid side assa thig, con'acca in mac isin teig 7 ncm-
beir leis isin tech. 'Fursain caindel a ben' arse, *con-acther
in frlthi sea fuarusa'. Tucad cucu iar sin caindel. Conid and
atbert Morand: 'Solus be caindell.' Ro'alt in mac la Moen
iar sin fora seilb fein. Ro'fetatar immoro na öclaig üt narbo
lesseom in mac.
Fecht and iarum do-lluid Carpre do 61 lenna do thig
Möin. In träth rop dniu döib oc 61, luid in mac as )5ach ucht
i n-araile, con'dechaid i n-ucht Chairpn. 'Ro-malnigther in
gein' ar Carpre; 'coich in mac sa?' la osnaid moir do chur.
») fiacho. 0 Ms.
') Die eingeklammerten Worte scheinen zu streichen, vgl. tiair
ni'bidh acht cengraine a cend cacha cuidinde 7 cenderca a mullach cacha
darach, RC 20, 335 § 1.
Zeitschrift f. celt. PhUologrie Xn, 1. 18
'3:7'4 R. THUBNEYSENF^
Fo'cheird dawa a mäthair in meic .i. ben Charpr?' osnaid alle.
'Cid i-taid?' ar Möen; 'in format nofargeib? Cid inmaln lern
sa in mac 7 cid raac dam, ropad ferr lern combad lib si e ara
met far serce lim 7 ara riachtain a lessa düib.' — 'Nrtharla
trä ani hisein düinni' ar Carprc. — 'Maitli em a Chorpri' ar
in dias öclach üt, 'ropad maith a luäg: neicli do'berad duit
mac amlaid.' — 'Ropad maitli imworo' ar Carpre; 'ro'beraind
a chomthrom de argut dara cliend 7 ropad trian de ör. Acht
nl tarba a rad, ar is erlabra dimäin a ndo'gnid.' — 'AmaZ
bid oca nobemmis' ar na öcl^cli, 'fo'naiscther fort so'. —
Fo'naiscther fair. Ö ro'naidmed fair, foieügat na öclaig cuce
co'tucsat in mac Ina ucht et coro'dilsigset do. 'Is e in mac
sa' arsiat 'rucsam uait dia badud et is sed so da'rönsam deV
— 'Is fir uile' ar in cerd. — Is de sin trä ro'bai mac Main
fairseom. Et it e sin teöra bria^Ära toesecha roTäid Morawd
iarna genemain fo chetoir .i. 'Garg be tond. tJar be g^th.
Solus be caindel.'
Gabais trä Mor and ardbrithemnacht Hereww iar sin. 7 ba
marb a athair seom .i. Cairpre. Et roiaid seom a mac co
Feradach Find Fechtnach i crich n-Alban dia'thocuriud i-rrige
nHereww. Ar ro'theich side ria Corpn dar muir innund arnaro'
marbtha leiss. Cotänic side fö gairm seom 7 co'rragab ardrige
Hereww. Ocus Morand i n-ardbrithewnacÄ^ Herenw. Et . . .
Welches sind die drei, die gleich nach ihrer Geburt zuerst
gesprochen haben, und was haben sie gesprochen? — Das ist
nicht schwer (zu sagen): Ai der Sohn Glioms des Sohnes Del-
baeths und Morand Sohn von Coirpre Katzenkopf und Noinniu
Noibrethach.
Das zunächst ist der Anlafs, bei dem Ai Glioms Sohn
gesprochen hat: Fiachui) Delbseths Sohn, der König von
Irland, war auf einer königlichen Rundreise und sein Bruder
Gliom Delbaeths Sohn in seiner Begleitung. Eines Tages
schmausten sie, König Fiachu und sein Bruder Gliom, in
') Vollgeschrieben lautet der Name in diesem Text abwechselnd
Fiachu {gen. Fiachach), Fiachra und Fiachna. Auch im Lebor Gabäla
heilst er bald Fiacha bald Fiachna mac Delbceith je nach den Hand-
schriften.
ÄÜR KELTISCHEN LITERATUR UND GRAMMATIK. 275
Inishthee im Westen Irlands. Jeder nahm eine Hälfte des
Hauses ein. Audi war sein Druide in Gej^enwart des Königs
Fiaclui. Als sie beim Verzehren ihres Schmauses waren, kam
ein gewaltiger Windstofs über das Haus, so dats die Gröfse
des Getöses sie alle verstummen machte. 'Was verkündet der
Windstols?' sagte Fiachu zum Druiden. — 'Er verkündet'
sagte der Druide, 'dafs eine wunderbare (Dicht)kunst sich in
Irland erheben wird'. — 'Was für eine Kunst ist das' sagte
der König, 'und von wem wird sie erzeugt, und wo wird sie
erzeugt werden?' — 'Eine Kunst, die gleichen Kang haben
wird wie dein Rang' sagte der Druide, 'und in diesem Haus
wird sie erzeugt werden und von der Frau dort deines Bruders
wird sie erzeugt werden. Sie ist schwanger und wird jetzt
einen Sohn gebären, und der wird von gleichem Rang sein
wie du. Und es wird ein anderer, höherer Rang (Grad)
kommen, dem eure Ränge dienen werden, nämlich der Rang
der Kirche'. — Das alles wurde nun wahr. Der Knabe wurde
sofort geboren, und der König wollte den Knaben töten. Das
verhinderte dessen Vater Ollom; denn der König Ifatte nicht
mehr Leute im Haus als er. Während man darüber sprach,
hörten sie den Knaben sagen: 'Hebt mich in die Höhe, dafs
ich zum König spreche'. Er wird darauf hochgehoben. '(Gib)
mir etwas bei deiner Ehre, Fiachra' sagte er. — 'Was soll
ich dir geben?' sagte der König. — 'Das ist nicht schwer
(zu sagen): mein Land, meine Ehe, ein Speisekessel mit einem
Fafs als Dichtkunst-Gebühr (?)») werde von meinem König
gebracht, Schweine (?), ein Schöpfgefäls, ein Becher, ein Wagen,
ein Schwert, dreifsig Rinder, eine Handmühle, eine Krieger-
schar. Das alles schuldet'^) mir Fiachna' sagte der Knabe. —
'Es wird gegeben werden' sagte Fiachu. 'Welchen Namen
soll der Knabe nun erhalten?' — 'Man nenne ihn Ai' sagte
der Druide. Darnach wurde da die Kunstdichtung {ai airchetaiT)
genannt, nach Ai Glioms Sohn. Und das ist das Ki^nstgedieht
{ai), das Ai Glioms Sohn zuerst sagte.
Morand anderseits, der Sohn von Coirpre Katzenkopf, der
hat bei folgendem Anlafs gesprochen. Durch diesen Coirpre
0 Genitiv von dluig, das nach Cöntrib. s. y. mit dual und dil
ungefähr gleichbedeutend scheint?
•) Wortspiel mit fiach und Fiachna (Fiachu).
18*
276 R. THÜRNEYSEN,
waren alle freien Geschlecliter. die in Irland waren, ermordet
worden. Denn er gehörte zu den Ziusbauern-Stämmen Irlands.
Und er bemächtigte sich des Königtums von Irland mit Gewalt.
Und seine Königsherrscliaft Avar übel, denn es fand sich nur
ein Korn am Ende des Halms und eine Eichel im Gipfel der
Eiche zu seiner Zeit. Diesem Coirpre wurden drei Söhne
geboren, und sie pflegten sofort von ihm ertränkt zu werden;
denn sie schienen Milsgeburten (Monstra), weil ihre 'Helme'
um ihre Köpfe waren. Der dritte Sohn, der geboren wurde,
Morand — dem wollte er dasselbe antun, d. h. ihn ertränken.
Zwei Jünglinge wurden von ihm beauftragt, i) ihn in den
Schlund der Woge zu werfen. Als sie ihn in die Woge des
Meeres geworfen hatten, zerbrach die Woge den 'Helm', und
die Woge hob den Knaben über sich, so dafs sie sein Gesicht
auf dem Gipfel der Woge sahen. Da sprach er: 'Rauh ist 2)
Woge' sagte der Knabe. Die Jünglinge springen zu ihm hin
und heben ihn empor. 'Hebt mich nicht empor' sagte er,
'kalt ist Wind'. — 'Was sollen wir mit diesem Knaben
machen?' sagte der eine Mann. — 'Was wir machen sollen?'
sagte der andere Mann; 'wir wollen ihn in einer Hülle
(Ledersack) an dem Zinken eines Steines lassen vor dem Hause
des Schmieds (dessen Name ist Maen, der Schmied des Königs),
und wir wollen den Knaben bewachen und sehen, ob der
Schmied sich seiner annehmen wird'. — Als dieser aus seinem
Hause kam, sah er den Knaben in der Hülle und nahm ihn
mit ins Haus. 'Zünde eine Kerze an, Frau' sagte er, 'damit
man den Fund sieht, den ich getan habe '. Darauf wurde die
Kerze zu ihnen gebracht. Da sprach Morand: 'Hell ist Kerze'.
Darauf wurde der Knabe durch Maen aufgezogen mit seiner
eigenen Habe. Jene Jünglinge wufsten aber, dafs der Knabe
ihm nicht gehörte.
Einst kam nun Coirpre zum Biertrunk zum Hause
Msens. Wie sie am schönsten beim Trinken waren, ging
der Knabe von einem Schofs zum andern und kam (so) in
Coirpres Schofs. 'Das Kind soll reich ausgestattet werden'
0 Der Text ist wohl nicht ganz in Ordnung. Lies Roherbad dias üclach?
') be soll das kindliche Stammeln nachahmen. Die jüngere Erzählung
IT III, 1, 189 hat ihm einen erhabeneren Spruch in den Mund gelegt, der ia
der Verslehre II § 125 überliefert war.
ZUR KELTISCHEN LITERATUR UND GRAMMATIK. 27?
sagte Coirpre; 'wessen Sohn ist es?' indem er einen schweren
Seufzer ausstiefs. Auch die Mutter des Knaben, Coirpres Frau,
Stiels einen Seufzer aus. 'Was habt ihr?' sagte Maen; 'erfafst
euch Neid? Obschon der Knabe mir wert ist und obschon er
mein Sohn ist, es wäre mir lieber, er wäre der eure, weil ich
euch sehr liebe und ihr ihn nötig habt'. — 'Das ist uns eben
nicht zuteil geworden' sagte Coirpre. — 'Wohlan, Coirpre'
sagten jene zwei Jünglinge, 'einen guten Lohn würde der
erhalten, der dir so einen Sohn gäbe'. — 'Freilich einen
guten' sagte Coirpre; 'ich würde für ihn sein Gewicht an
Silber geben und ein Drittel davon sollte Gold sein. Aber
es hat ja keinen Nutzen das zu sagen, denn ihr führt eine
eitle Rede'. — 'Als könnten wir es tun' sagten die Jünglinge,
'so gelobe es'. — Er gelobte es. "Wie er es gelobt hatte,
sprangen die Jünglinge zu ihm hin, legten den Knaben in
seinen Schols und erklärten ihn für sein Eigentum. 'Dieser
Knabe ist es' sagten sie, 'den wir von dir erhalten haben um
ihn zu ertränken, und das haben wir mit ihm gemacht'. —
'Es ist alles wahr' sagte der Schmied. — Deshalb hiefs er
'Maens Sohn'. Und das sind die drei ersten Worte, die Morand
gleich nach seiner Geburt gesprochen hat: 'Rauh ist Woge.
Kalt ist Wind. Hell ist Kerze.'
Später erhielt nun Morand das Hoch-Richteramt Irlands.
Und sein Vater Coirpre starb. Und er sandte seinen Sohn
zu Feradach dem Schönen-Glücklichen ins Gebiet von Albion,
ihn zur Königsherrschaft über Irland zu holen. Denn dieser
war vor Coirpre übers Meer hinüber geflohen, um nicht von
ihm getötet zu werden. Auf seine Berufung hin kam er und
erlangte das Hochkönigtum Irlands. Und Morand war Hoch-
Richter von Irland. Und ...
Zum Schluls noch ein Wort zu sin maic Moin (sin Mor^inn),
von dem seit dem 9. Jahrhundert viel die Rede ist. Es
bezeichnet nach den Erklärern einen Ring oder eine Schlinge
oder ein Halsband, das zur Ermittlung der Wahrheit diente.
Nach Cormacs Glossar 1160 war es eine Epistel, die Morand
um den Hals trug, wenn er Recht sprach; wenn er falsch
urteilte, würgte sie ihn, sonst blieb sie weit (darnach ist die
278 R. THÜRNEY8EN,
Geschichte IT III, 1, 190 § 16 geformt). Nach dem Text oben
11,65 § 15 wurde id Moraind^) vielmehr dem um den Hals
gelegt, über dessen Schuld oder Unschuld man urteilen wollte;
nach IT III, 1, 190 § 15 dagegen um Fuls oder Hand des
Betreffenden. Ich bin auf den Gedanken gekommen, ob nicht
dieses sin einfach dem Mifsverständnis eines allzu gelehrten
Erklärers von Morands Fürstenspiegel entspringt. Es heilst
dort (oben 11,80 §3): dlrye dlegar cacli flathemon in sin,
ad'mestar dar midriana ad' mörcJilotha miditer. Hier mochte
in sin, das natürlich einfach Demonstrativpronomen ist, für
einen besonders wertvollen Gegenstand Morands gehalten und
darnach mit einiger Phantasie erklärt werden. Daraus ergaben
sich dann die Deutungen in den Glossarien wie sin A. (cach)
cruind Cormac 1160, sin .i. muince O'Mulc. 841, sin ainm sla-
braidh Forus Focal 63.
2. Zu Maeldnins Meerfahrt.
In seinem Versuch, den ursprünglichen Wortlaut des
Gedichts über Maelduins Meerfahrt herzustellen, 2) verweist
K Meyer auf meinen Aitikel ZCP 8, 79, weicht aber in der Zeit-
bestimmung beträchtlich von mir ab. Das Gedicht ist an-
erkanntermafsen jünger als die Prosa -Erzählung. Es zeigt
solche Ähnlichkeit mit dem Gedicht über die Meerfahrt von
Snedgus und MacRiagla, welches umgekehrt älter ist als die
Prosa-Berichte, dafs ein enger Zusammenhang zwischen ihnen
unleugbar ist. Ich hatte das so gedeutet, dafs das zweite
das Muster für das erste gewesen sei, während Meyer beide
geradezu demselben Verfasser zuschreiben möchte. Das läfst
sich von vornherein nicht entscheiden; doch scheint mir die
Unfähigkeit des Dichters von Maelduin, eine verständliche
Darstellung zustande zu bringen, eher auf einen Nachahmer
als auf den gleichen Verfasser zu weisen. Meine Vermutung,
dals sein Gedicht später falle als die ältere Prosa von Snedgus
und MacRiagla, die erst nach 1090 verfalst ist, 3) möchte ich
*) Diese Bezeichnung auch in dem Gedicht von Gilla-in-Chomded ua
Cormaic (LL 144 a 44ff.), wo es aus STd-ar-Femun zu stammen scheint.
•-) ZCP 11, 148.
') O'Curry, Lectures ou the Ms. Materials, S. 334 f.
ZUK KELTISCHEN LITEKATUR UND GRAMMATIK. 279
allerdings nicht für irgendwie sicher ausgeben. Aber wie
man sich zu dieser Frage stellen mag, Meyers Ansicht, beide
Gedichte stammen aus der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts,
scheint mir äufserst bedenklich. Ich hatte das Gedicht über
Snedgus wegen der Formen airchisis, ro'airchis, decis, wo
Komposita absolut flektiert sind, lieber dem 10. als dem
9. Jahrhundert zugewiesen, i) Aber freilich, wenn wir die
Dichtersprache um 800 durch den Feiire des Oengus und die
um 987 durch den Saltair na Rann einigermalsen kennen, so
tappen wir für die Zwischenzeit und eigentlich auch für die
Folgezeit noch fast ganz im Dunkeln. Die Sprache der
Dichter des 9., 10., 11. Jahrhunderts, deren Todesjahr uns
bekannt ist, ist ja grammatisch noch gar nicht analysiert, ja
ihre Werke grölstenteils noch nicht in solchen Ausgaben vor-
handen, die einen sicheren Boden abgeben. Einen ausgiebigeren
Text aus der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts besitzen wir
freilich in der Vita Tripartita des Patricius; denn da der
Verfasser den Cormacän macc Colman maicc Neill Frossaig,
der 855 gefallen ist, 2) noch lebend gekannt hat, 3) kann er
kaum nach dem Ende des Jahrhunderts geschrieben haben.
Aber Stokes' Untersuchung der Sprache müTste vertieft werden,
und bei einem Prosatext ist 4han nie sicher, ob die sprach-
lichen Formen nicht durch Abschreiber verjüngt worden sind.
Trotzdem glaube ich die stärksten Zweifel gegen Meyers
Datierung nicht unterdrücken zu dürfen. Denn es ist das ja nicht
nur eine Frage der Literaturgeschichte, sondern von grölster
Wichtigkeit für die Herstellung des Textes. Er selber macht
auf das Pron. -da- in dodarälaig 97, doda'deraith 99 in nicht-
relativischem Gebrauch aufmerksam. Man beachte weiter
junge Formen wie canais 96, scuchsa[i]t 217, ro'sernad 27, ja
dinghais 38; den alten Subjunktiv nrccemais als Futurum 198;
das Praeteritum räisit, •räiset (häufig), während Mael Muru
Othna (f 887) nach den besseren Handschriften nur das redu-
plizierte rersait, rersat kennt (Idg. Anz. 33, 35); den Dat. mör
0 Zwei Versionen der mittelirischen Legende von Snedgus und Mac
Biagla, S. 6.
«) AU a. 854, FM a. 853.
') quod probauvmis (ed. Stokes, S. 174, 12).
280 R. THURNETSEN.
di rüine 220; ferner forsin muir möir (icöir) 15 (auch do tig
dermair-.doda'deraith 99?), beides von Meyer korrigiert. Endlich
sei auf die häufigen ro -Formen in rein erzählendem Gebrauch
aufmerksam gemacht wie 12. 14. 15. 165.
Ich würde mich einstweilen scheuen, einen solchen Text
für älter als das 10. Jahrhundert zu halten, jedenfalls ihn
nicht in die erste Hälfte des 9. setzen. Damit fällt aber die
Berechtigung dahin, kontrahierte Formen wie cöir döib
dib ziemlich gewaltsam aus dem Text auszumerzen, wie
Meyer fortwährend tut.i) Was gewinnt man, wenn man
in 75:
do{s)'frecmairc döib cid fo'rua{i)r döib bith oc toirsiu
das erste doib ausscheidet, da man doch das kontrahierte fo'ruar
(fo-ro-fer) stehen lassen muls? Auch sonst beläfst ja Meyer
manche einsilbige Formen im Text wie ad-ciat 106. 181. 192,
cota'cnät 46. Es hat keinerlei Bedenken anzunehmen, dals
der Dichter cöir und coir, döih und döib, dib und diib, neutrales
und weibliches muir nebeneinander gebraucht hat, wie der
Verfasser des Saltair n. R. z. B. dec und deec je nach Belieben
anwendet. Ob und wie weit das auch noch im 11. Jahrhundert
möglich war, bleibt zu untersuchen; von vornherein möchte
ich es nicht leugnen.
Zum Schlufs noch eine Bemerkung zum Metrum Declmad
ciimaisc. Von der Regel, dals die Zäsur der zweiten Lang-
zeile (nach der 4. oder 8. Silbe) entweder mit dem Endreim
konsonieren oder mit einem Wort im Innern des nächsten
Versteils reimen muls, bot schon Imräm Snedgusa, Str. 21,
eine Ausnahme:
Sund bidh co'comairsem i tir domain aili,
wo das (einsilbige) Reimwort vielmehr in der ersten Vershälfte
steht. Dals das eine erlaubte Variante war, lehrt unser
Gedicht mit:
*) Ganz unmöglich scheint mir das zweisilbige no'i 19. 200 (Meyer,
S. 165). Aus vorhistorischem *«ä^i kann altirisch nur einsilbiges *nam,
woraus noi, entstehen, da Vokale hinter jj nicht als solche erhalten bleiben.
Anderseits weifs ich nicht, ob foot (fotit) 'Erdscholle' 111 neben einsilbigem
föt 112 nicht als alt anzuerkennen ist.
ZÜB KELTISCHEN LITZlt<\.TUK UND GRAMMATIK. 281
17. i-mmulditis laich cen nach sceth guin a athar;
auch 192. fer fa c\h]cem[i] c[h]tiirp, mong a fuilt d{o) edach uime,
falls Meyer ihn so richtig hergestellt hat. Doch ist auch fer
fa ccem cuirp 'ein Mann, der schön war in bezug auf den
Körper' mit Zäsur nach der 4. Silbe denkbar (dann do zu
belassen). 1)
3. Ai'thnrs Schwert Calibiirnus und die irische Sage
Täin JB6 Cüailnge,
Zu den Elementen, die der irischen und der britannischen
Sage gemeinsam sind, gehört bekanntlich ein Schwertname.
Doch ist bisher nicht bemerkt worden, dafs er zu genaueren
zeitlichen Bestimmungen benutzt werden kann.
Im 'Raub der Rinder von Cüailnge' heilst das gewaltige
Schwert, womit in der grofsen Schluls- Schlacht Fergus drei
Hügel köpft, in der für uns ältesten Fassung, der sogenannten
LU -Version, calad-colc (für caladcholg) 'Hart -Schwert' (ed.
Strachan-O'Keeffe 3563). Dals das nicht etwa auf einer Ver-
schreibung der einzigen Handschrift, in der dieser Teil er-
halten ist ,2) beruht, zeigt sich schon darin, dafs der junge
Erweiterer der Sage Tdin Bö Flidais dieselbe Form caladcolg
in seinen Text aufgenommen hat (Celtic Review n 312). Aber
der Redaktor der jüngeren Fassung der Tdin Bö Cüailnge,
der sogenannten LL -Version, ändert den Namen in caladbolg
(ed. Windisch 5960), was man etwa mit 'Hart -Scheide' über-
setzen kann; 3) er mag an die Hülle des langen Schwertes
gedacht haben (Windisch, S. 234- A. 5). In dieser Gestalt hat
es der Verfasser der 'Zerstörung Trojas'*) aufgenommen, der
mit unserem Redaktor zwar nicht identisch ist, aber sich auf
Schritt und Tritt durch seine Ausdrucks weise beeinflufst zeigt.
Er verwendet den Plural caladhuilc als Kunstausdruck für
'Schwerter' überhaupt.
/
*) Ein Beispiel einer andern Art von Dechnad cumaisc, wo statt des
Zäsurreims Alliteration erscheint, hat K. Meyer ZCP 8, 197 gedruckt.
2) YBL 51b 45.
') Die .Modernisierung dieser Fassung setzt dafür wieder caladhcolg
ein (Windisch, S. 861 A. 4).
*) Togaii Troi, ed. Stokes, Z. 1716.
282 R. THUBNETSEN,
Bemerkenswert ist nun, dafs das Wort gerade in dieser
Form, mit der leisen Umgestaltung zu calet-vwlch 'Hart-
Scharte', als Name für Arthurs Schwert in Wales aufgenommen
worden ist. So erscheint es zunächst in der kymrischeu Er-
zählung von Kulhwch und Olwen.i) Die grofse Ähnlichkeit
dieses Textes in Kompositions- und Erzählungsweise mit
irischen Sagen, die seit jeher aufgefallen ist, ist also kein
Zufall, sondern beruht auf unmittelbarem Einflui's der irischen
Literatur.2) Galfred von Monmouth hat den Namen dann als
Caliburnus (IX 4. 11, X 11) latinisiert.^)
Da nun Galfreds Historia zwischen 1132 und 1135 verfafst
ist, mufs damals die LL -Version der Tdin Bö Cüailnge schon
einige Zeit bestanden haben, deren älteste erhaltene Hand-
schrift in den 60 er und 70 er Jahren des 12. Jahrhunderts
geschrieben ist. Anderseits kann sie kaum älter sein als der
Anfang des 12. Jahrhunderts. Denn sie fulst nicht auf der
älteren Gestalt der Täin-Kompilation, die im 11. Jahrhundert
zustande kam und in der vor 1106 geschriebenen Handschrift
LU vorliegt, sondern sie hat den interpolierten Text zur
Grundlage. Allerdings, obschon diese Interpolationen in LU
erst nachträglich von anderer Hand eingefügt worden sind,
0 The Text of the Mabinogion, ed. Rhys and Evans, 105,28; 136, 11.
*) Man könnte daran denken, dafs auch der Name von Arthurs Frau
Gwenhwyvar erst damals aus dem irischen Findabair, das als Name der
Tochter von Ailill und Medb in der Tdin Bö Cüaihige eine so grofse
Rolle spielt, herübergenoramen worden sei. Es ist aus Find -Habair
'weilser Geist, die weil'se Frau' entstanden. Gegen diese Annahme spricht
nicht so sehr die verschiedene Rolle, die dieses Weib bei den Kymren
spielt, als doch wohl, dafs sehr zweifelhaft ist, ob in jener Zeit noch eine
Kambrisierung zu Gwen-hwyvar möglich war, da das Wort *hwyvar
(= ir. siabair) als für sich bestehend bis jetzt wenigstens im Mittel-
kymrischen nicht mehr nachweisbar ist. Galfreds Guanhumara ist vermutlich
durch Verlesung von •huiuar(a) entstanden, nicht etwa eine ältere Form,
da das kymrische v nach Ausweis des Irischen nicht einem älteren m,
sondern b entspricht. Chretiens Guenievre oder Ganievre scheint durch
eine Art Dissimilation für -uevre eingetreten zu sein, wobei der franzö-
sische Diftong ue kymr. ui, wy (oder breton. oe?) wiedergab. Vgl. auch
Loth, Les Mabinogion I», 259 A. 3.
') Die kymrischen Bearbeiter seiner Historia haben aber die Form
caletvwlch wieder eingesetzt (s. The Text of the Brut«, ed. Rhys-Evans,
Index 431).
ZUR KELTISCHEN LITERATUR UND GRAMMATIK. 283
kann man daraus nicht sicher schKefsen, dals um 1100 der
interpolierte Text überhaupt noch nicht vorhanden war; er
könnte einfach dem ersten Schreiber unbekannt geblieben sein.
Aber die Tain -Erzählung, aus der die Interpolationen geflossen
sind, scheint mir, was hier nicht ausgeführt werden soll, die
Kompilation schon voi auszusetzen, so dals der Mischtext
jedenfalls nicht lange vor 1100 angesetzt werden darf. Als
wahrscheinliche Entstehungszeit ergibt sich so für die LL-
Version etwa das erste Viertel des 12. Jahrhunderts. Der
kymrische Text Kulhwch und Olwen wird nicht viel jünger sein.
Es sei darauf hingewiesen, dafs etwa um dieselbe Zeit
ein anderes irisches Sageneleraent in die kymrische Sage
aufgenommen worden ist. Die Geschichte, dals Leute dadurch
umgebracht werden sollen, dafs man sie in ein eisernes Haus
einschliefst und dieses durch Schmiede zur Glühhitze bringen
läfst, findet sieh bekanntlich sowohl in der kymrischen
Erzählung von Branwen, dem zweiten Mabinogi- Zweige, wo
sie eigens in Irland lokalisiert wird, als in der irischen Sage
Mesca üladA) Aber hier fehlt sie in der älteren Fassung und
tritt erst in der LL- Bearbeitung auf, die man vermutlich
demselben Eedaktor verdankt wie die LL- Version der Tdin
Bö Cuaünge^) Dieser hat also nicht nur in Irland einen grofsen
Einflufs ausgeübt.
4. Zn Lebor Gabäla.
Oben 10, 388 habe ich gemeint, van Hamels Ansicht, die
Fassung BIII sei aus einer der Fassung A (LL) nahestehenden
gekürzt, sei schon darum hinfällig, weil BIII die Besiedelung
Irlands durch Cessair nicht kenne. Diesen Grund kann ich
so nicht aufrecht erhalten. Sowohl BIII als A (LL 24a 41 ff.)
zitieren zum Sehluls der irischen Könige 'vor dem Glauben'
die erste Zeile des Gedichts von Gilla Coemäin: 'Heriu ard
inis na rig\^) was also schon der gemeinsamen Quelle
angehört hat. In diesem wird aber in Str. 3 der Tod von
Cessair, der Begleiterin von Ladru und Bith, in Cüil Cesra
0 S. Loth, Kev. Celt. 11, 345.
■■') S. Zu ir. Handschriften und Litteraturdenkmälern, 2. Serie, S. 10 if.
») Egg. von MacCarthy, Todd Lecture Series (R.I. A.) III, 142 ff.
284 R. THURNETSENj
ausdrücklich erwähnt, was ich damals übersehen habe. Ich
glaube jetzt vielmehr, dafs der Verfasser des Lebor Gabäla
darum erst mit Partholön begonnen hat, weil in dem syn-
chronistischen Gedicht desselben Gilla Coemäin: Annalad anall
uile (Vita Trip. 532, Str. 10) seine Ankunft in Irland im
60. Jahre Abrahams die früheste irische Begebenheit ist, die
erwähnt wird.
5. Zn Siaborcharpat ConCnlainn.
Die Strofe, die nur in Lü 114 b 17 überliefert ist, hat bis
jetzt dem Verständnis widerstanden. Sie lautet in der Hand-
schrift :
Biastai gva.nni dracondai cucund dofutitis.
ÜQna ana \ mainsi echdili ciadcutis.
In der ersten Zeile ist wohl is cucund zu lesen, die zweite:
trena äna amainsi echdi lir ad'cutitis
, Schreckliche drachenartige Untiere, gegen uns fielen sie
(herab), stark, glänzend, scharf, rolsartig, so viel ihrer herzu-
fielen.' Zu ad-cutitis vgl. cuiuim 'Fall' Ml 91c 19.
6. Zu ir. sceo *und'.
In der poetischen und rhetorischen Sprache des irischen
Mittelalters wird sceo (sceu) genau wie ocus 'und' gebraucht
und konstruiert. Aber ursprünglich scheint es mit dem
Genitiv verbunden gewesen zu sein. Vgl. in dem alten Text
Verba Scäihaige:^)
Cicliit biet banchuire,
bäigthi'^) Medb sceo Ailella
'weinen, (die Hände zusammen-)schlagen wird die Weiberschar;
Medb und Ailül prahlen damit'. Die Änderung von Medb
in Medba, die nur Hs. Eawl. 512 bietet, zerstört den Vers
und den Sinn.
So wird nun auch die bisher dunkle Stelle in der Homilie
von Gambrai^) klar: ad' dam isnaib inscib sc\e\o culis ind
1) Anecd. from Ir. Mss. 5, 29 f.; ZCP 9, 488; 3, 257.
*) bagthi, baigti, baiti, bagrithi die Hss.
») Thes. Palaeohib. U 246, 24.
ZÜS KELTISCHEN LITERATUR UND GRAMMATIK. 285
aecni as [ar] cenel cnichc ad'rimther in cöicsaih 'wir sehen in
den Reden und in der "Kunde des Weisen", dafs das Mitleid
als eine Art des Kreuzes angerechnet wird'. Eulis ist der
Genitiv von Bulas (vgl. eulais Ml. 37 b 12). Was die 'Reden'
und die 'Kunde des Weisen' für Schriften sind, wird vielleicht
ein in der kirchlichen Literatur Erfahrener bestimmen können.
Weiter oben (S. 245, 14) wird ihr Verfasser einfach als
quidam (alaüe) bezeichnet: amail assind'her alaile: dnobus
modis crucem domini bai[u]lamus, cum aut . . . aut per
conpassionem proximi necessitatem illius nostram esse putamus.
Es scheint also sceo ursprünglich ein ähnlicher Ausdruck
gewesen zu sein wie das spätere * n-elluch 'vereint mit'.
Dagegen möchte ich bezweifeln, dals selbst in hoch-
rhetorischer Sprache das mit sceo verbundene Glied zwischen
eine Präposition und den zugehörigen Kasus treten konnte,
wie K. Meyer, Ueber die älteste irische Dichtung II, 9 annimmt.
Er liest dort einen mehrfach überlieferten Vers so:
Cowsreth coibnius eter sceo Möin Moriath macdacht
Moirce.
Eher seh eint mir im Überlieferten et{er), it(ir) ein Fehler
zu stecken, entweder für den Plural etarru oder für den
unbelegten Singular des Femininums *etirre, und ich möchte
mit den meisten Handschriften lesen:
Con'sert coibnius etirre (oder etarru) sceo Mom Monath
macdacht Morca
'es knüpfte Verwandtschaft zwischen sich und Moin die
herangewachsene Moriath von Muirc' Auch hier kann Moin
Genitiv sein.
7. Ir. deod 'du hast gegessen'.
KZ. 48, 59 hab ich nur schüchtern die Vermutung gewagt,
die Form do-feotar 'sie alsen' LL 291 b 20 statt der regel-
mälsigen do'fötar, do'füatar sei durch Anlehnung an das niehi
belegte Simplex *eotar entstanden, ganz wie con' dessamar
Salt, na R. 1266 für das ältere 'döessamar (de-fo-essamar)
nach dem unkomponierten 'essamar umgestaltet ist. Ich hätte
zuversichtlicher gesprochen, wenn ich schon damals die II. Sing.
deodh-sa (= deod so) gekannt hätte, die Harl. 5280 in
Talland Etair an Stelle von {In chnü) dödais (LL) 'Hast du
286 B. THÜRNETSEN,
eine Nufs gegessen?' liest. i) So wird nun wirklich ein
Simplex *tod 'ich als', III. Plur. *eotar sehr wahrscheinlich.
Aber ob man auch einen Subjunktiv ni cow deossadh 'etwas,
das er essen konnte' Folklore III 490 (für ni no'essad
LL 168 b 42) anerkennen soll oder ob es nicht eher ein Fehler
für 'doessadh ist, bleibt zweifelhaft, da im Subjunktiv auch
im Simplex kein -eo- zuhause war.
8. Zur Terbalpartikel ro.
In meinem Handbuch § 525 hab ich gesagt, ro be-
zeichne das Können bei allen Verbalformen aufser beim
indikativischen Präteritum und Imperfekt. Diese
Beschränkung ist aber nicht berechtigt, sondern beruhte nur
auf den Lücken meiner Sammlungen. Vgl. Täin B. C. (ed.
Strachan-O'KeeflFe) 1549: In tan nad'rimgah iarum Fer Baeth,
luid in n-aidchi sin do athchor a chairdesa for CoinCulaind.
'Als Fer Baeth es nun nicht vermeiden konnte, ging er diese
Nacht, CuChulainn seine Freundschaft aufzusagen.' Ferner
jfcriu 5,32: Laa chaidchi do Guaire oca thetarracht 7 ni'ruha
fer dia muinttr 'den ganzen Tag suchte Guaire ihn (beim
fithchell-^'^\%\) zu fassen und er konnte keinen von seinen
Spielsteinen t^chlagen'.
Die kann -Bedeutung wird beim Verb ad'ci 'sieht', das
sonst keine Formen mit ro bildet, dennoch durch ro aus-
gedrückt (§ 529b): ad'rodarcar 'kann gesehen werden'
SGall. 172a2. Prototonierte Formen dieser Art sind: ni'airciu
'ich kann nicht sehen' Täin B. C. (ed. Strachan-O'Keeffe 1723)
(in LU mit ni'rochim glossiert); nim'aircecha sa 'du wirst
mich nicht sehen können' ebend. 1627. Hier ist wohl air- für
dr- = ad-ro- eingetreten; die Präp. ad- ist also zweimal in
den Formen enthalten: ad-ro-ad-ciw, ygl.in tan ad-cita'acoß
Tur. 60.
Die Fälle, wo das feste ro (§ 520 b) nicht hinter sämt-
lichen andern Präpositionen steht, sind besonders häufig durch
Beispiele gebildet, wo dem ro unmittelbar die Präp. de-
vorhergeht: durüarid, niderüarid; do'recatar, conda'dercacha\
niconderaerachtatar. Offenbar war die Verbindung de-ro- be-
') Stokes, Rey. Celt. 8, 58 A. 2.
ZUR KELTISCHEN LITERATUR UND GRAMMATIK. 287
sonders fest, wie ja der- auch vor Adjektive wie ein einheit-
liches Präfix tritt (§ 841 A).
9. Ir. sethnu 'durch . . hin, durch . . hindurch*.
Zimmer KZ 30,455 betrachtet sethnön LU 62 b 41, LL
288 b 50 als eine nur graphische Variante des häufigen sechnö,
sechnön; ähnlich Windisch IT II 2, 242 A.7. Vielmehr ist th
die ältere Schreibung; die nominale Präposition lautet in
älteren Quellen durchaus sethnu, sethno. Vgl. sethnu ind eich
ITII2, 242, 2 (Eg.), wo YBL tri-a sechnach liest; sethnu a
chinn RC 10,226, 177 (Echtra Nerai); sethnu in riythige ZG?
4, 43, 1 (Tain Bö Fraich); sHhnu Herend ZCP 8, 308, 20; sethno
Heirenn Cormac s. v. prull (Land 610). Die Formen mit ch
sind wohl im Anschlufs an die Präp. sech entstanden. Sethnu
scheint der erstarrte Dativ eines Substantivs *sethn{a)e. Viel-
leicht ist davon sethnach abgeleitet, das bald mit 'Seite {toeh)\
bald mit 'Leib' übersetzt wird (s. namentlich Eriu 2, 63);
vgl. weiter inna sethnaga '(lacertorum) toros' Augustin- Gl. 26 v 4
(Thes. Pal. II 8); .üii. sethnecha öir thairrse (über den Schild)
Täin B. C. (YBL) 3581, wofür freilich LL 5983 cona cethri
sethrachaib hat; aber H sethnachaibh, das somit ältere Lesart ist.
Da dies auf eine Bedeutung 'Erhöhungen, erhöhte Streifen'
zu weisen scheint, hat sethnach 'Leib' vielleicht zunächst
'Gerippe, magerer Leib mit sichtbaren Rippen' bedeutet (was
wenigstens Eriu 2, 65, 11 gut passen würde). Anderseits ist
aber auch möglich, dafs sethnu mit kymr. hyd hret. hed 'Länge'
ir. sith- 'lang' zusammenhängt. Es ist also unsicher, ob es
ursprünglich 'der Länge nach' oder 'quer durch' ('mit der
Rippe') bedeutet hat.
10. Der weibliche Akk. Sing, der adjektivischen
1«- Stämme _
ist in den altirischen Glossen nicht l^elegt. Stokes setzt ihn
gleich dem Dativ an {tig zu tiug, Bezzenb. ßeitr. 11, 104),
Pedersen II 116 gleich dem Nominativ, i) Für Stokes' Ansicht
») Pokorny, A Concise Cid Irish Grammar § 152, gleitet über die
Lücke weg. '
288 U. THÜBNEYSEN,
spricht ni'thuca in duib 'nimm nicht die Schwarze' Fithals
Sprüche § 10, 12 (Zu ir. Hss., S. 20), da dieser Text sieher nicht
jünger als das 9. Jahrhundert ist. Vgl. auch den Eigennamen:
fri Duib Locha ZCP 8, 329, 26 (vgl 22).
11. Altir. lie, Ua *FIut'
kann nicht dieselbe Bildungsweise haben wie die Komposita
tuile, tö/ae, Gen. intuli. Dat. intölti i) Es ist offenbar der
Nominativ eines Nomens, das genau kymr. lliant 'Flut, Strom*
entspricht, also ein alter nMStamm. Nur fehlen bis Jetzt
oblique Kasus.
12. Ir. tosügad 'an-, einsaugen'.
Das Verb findet sich in eigentlicher Bedeutung bei Cormac
s. V. 676 gillda .i. ts fri gH is cosmail. Is e didiu a hSs aide
d. tosügad."^) Iss e dono hsssad in gilla toäüyad-) forcetail do
t[hyngaid a fithidire^) usw. '■gildae 'der junge Bursche' ist dem
Blutegel {gil) ähnlieh. Dessen Sitte ist es ja einzusaugen.
Das ist auch die Weise des Burschen, das Einsaugen der Lehre
von der Zunge seines Lehrers'.
Als Name eines Zaubers, wodurch man Abwesende herbei-
führt, erscheint es im älteren Text vom Tode CuChulainns
(Zu ir. Hss., 2. Serie, S. 15). Dort (Fragm. 1) lernen die Söhne
Calatins unter andern schlimmen Künsten auch tosügud. Und
wie sie CuChulainn lange nicht herbeilocken können, wirft
ihnen Lugaid (LL 119 a 10 f.) vor: is olc in cJidg tosüigthe fde Hb
'Schlecht ist die List des Ansaugens, die ihr habt.'
13. Ir. bret. tonn kymr. ton f. * Welle'
will Fräser ZCP 10, 78 zu lit. tvänas 'Flut' {tvinti, 'anschwellen,
steigen') und zu got. puahl 'Bad' stellen. Aber seine Grund-
form *tuon-nä klingt nicht gerade wahrscheinlich. Nun hat
das Irische ein Verb do'snä 'schwimmt herbei', prototoniert
'tonna; vgl. dia'tonna*) läse i n-indbera 'wenn der Fisch in
») Die Belege bei Pedersen § 763.
«) tossugad, tosug(ad), dosugud, dosugud, tosgudh die Hss.
•) fitliera LBr.
*) 'tonda, •tomna die Hss.
ZHR KELTTSrilttX J.ITKR ATITU f^ND GHAMNf ATIK. 28V)
die FhUsmündungen heransch wimrat' Täin B. C. (ed. Strachau-
O'Keeffe) 1042. 1167. Da liegt es doch viel näher in *tonna
ein altes -Ho-sna zu sehen, ein Wurzelnomen, das die Welle
als das Heranscliwinnnende bezeichnete. Wir haben hier den
.seltenen Fall, dafs die Präposition im Kymrischen als to
erhalten ist.
14:. Altir. fetarl(a)icc.
Eä ist zunächst auffällig, dafs altir. fetarl[a)icc, G. fetar-
l(a)icce und fetarl(ai)/'ci. 'das alte Testament' aus (m) uetere lege
unleniertes g (gesehrieben c oder cc) bat; dasselbe gilt für
martarlak •raartyrolo^iuni' Fei. Epil. 140. Offenbar beruht das
auf Angleichung an f>acarhn7c(c) mkymr. -^eyyrffyc 'sacrificium',
wie auch sonst gerade Fremdwörter sich gern aneinander an-
lehnen (Handb. I S. 519).
Bonn. 11. Thüknevsex.
Zeitschrift t. oelt. Philoiog-ie XII, 1. ly
MITTEILUNGEN
AUS IRISCHEN HANDSCHRIFTEN.
(Fortsetzung.)
Senadh Saighri narratur hicc,
Ana D IV 2 (R. I. A.), fol. 51 a 1. Text u. Übersetzung im Gaelic Journal IV,
S. 106 ff. (1889). Kollationiert.
Slüaiged la Donchad mac Flaind meic Mail Sechlaind do
denum müir 7 cluid i timcill Saigri Ciaräin ar impidhi a
mhnä .i. Sadhb ingen DonncÄat?« Remuir rlg Osraighi, ar
bä tnüth mör 7 ba fonnut leisi mar 7 clod i timchill gach
5 airdcille i nErinn 7 a ceall fein .1. Saighir gan clod, gan
mär. (51 a 2) Co rancatar fir Midhi le co Tulaigh nDonnchadha
fri Saighair anair 7 co wbidis ac denum in chluidh cach lai
i timcill na cilde, Is annsin doriacht corp a hathar-si don
cill dia adhnacadh 7 fen for slisn^r^ ag a imcur 7 rohadh-
10 nacht fachetöir. ö rodhorcÄa/^r an adhaigh tanccatar nönbur
crosän clabach cirdub co »»bätar forsan üaigh ac cllaraighecht
amaZ is bes do chrossänaib 6 sin anald. Bä gilithir snechta
a saile 7 a fiacla 7 ba duibidlit/i?r güal cach bald aüe dib.
Is amlaid täncatar 7 duän leo dö 7 cach duine dochldh
15 Tat donlth galar läi co n-aidchi dhö 7 isl seo in düan sin:
Muinter DonncÄa<cZ möir meic Cealdaigh, coinde üabair,
cliara binne bid ac glsedhaigh sinde ar slüaghaib.
Slüaig ac milradh mhuighe läna, tighe n-öla,
öccmnä finna, flaithi fTala, maithi möra.
20 Gäir a chllar 7 a cheithern, coinnme degslüaigh,
sretha sirthe risin saimgrein, crithle cremnüail.
Crotta cuislenna co cuibdhi, filidh faibli,
U dän ndathghlan töighdis co righ rathmur Raighne.
MITTEII.rNGKN AUS IRISCHKN HANDSCHRIFTEN. 291
Docer^) do dan, a meic righ. Raighne co rathaib,
caide na cuiruu, nö caidhi in rahuirn dobi cot athair?
Rogaba[d] greim don fir roairfitset uili,
äibinn in rith fora raibi for bith buidhi.
Baptais baptain for a anmain üair rocluinnter, 5
mör a lüagh ar ndiü 'san alltar. sinne a muinter.
Muinter Donnchada.
No bidis in ciillar sin ö fescur co maidin oc cliaraighecht
lassin düain sin forsin üaigh (51 b 1) 7 cacli duine dofeghadli
iat, dognidh galar läi co n-aidclii dö. Cor fäs ceist oc Isech- 10
aibh 7 cleircib de sin, ar ba hingnad demna co follus a coimai-
decht in righ läncräibdigh.
Ba headli so immorro ni dia chräbadli i. fodail bidh 7
lenna eecha feile apstail in cach ardcill i nOsraigi 7 altram
De cacha tighi i nOsraighe ar son a cheitirne timchill 7 tri 15
peillge cecli tighi .i. peillec dechmaidhe 7 peillec mirenn 7
peillec tuirt in ciric 7 beith fa breith 7 fa fäisidin ö sin amach.
Co ndernsat na cleirigh treidenus fri Dia, co faillsigthea
döib eidh imarleusatt na demna he conustäinicc aingel De a
tis doehuni esile D« do cenel Flacaeh .i. hüa Capaild a 20
sloinnedh. 7 atbert: 'Is maith a ndernsabair, ar se, in
troseadh .i. nönbur do eleir hüi Chongeöidh Iat, ar s^, 7 is
e seo in tres fecht tancatar i nEirinn a hifFün 7 ö narfedsat
ni don righ ina bethaigh, is aire atät arna eeo ag a dheitchedh
7 dentar oiffrend ambaraeh 7 uisci coisrictha 7 crothar ar in 25
üaigh 7 ar in reilicc uile he 7 ar madh na cille 7 ticfaid
üaibh na demna 7 dorönadh amlaidh 7 tänccatar cliar hüi
Congheöid i rechtaib en cüldub isin aeoir etarbüas 7 nir-
amsatt loighe forsan talmain coisrictha 7 atbertatar 'Ni,
sechmaid, nl sechmhaidh' ar siat "in trosatrf 7 in coisecrad, 30
üair robeimis-ni a ndegaidh a euirp isint ssegiial, ar itä a
ainim ar uim 7 ni cuingium-ne ni dl 7 roimthighset ar sin,
Is annsin robüi in crossän Find hüa Ciil^a 7 Mac Rinn-
tach liüa Con Odräin aun, conid Tat na (51b 2) crossana sin
romeabraidhset in düan 7 in airfidiudh ö cleir hüi Congeöid. 35
Conidh hi sin ealada rofodhain döib 0 sin amach 7 do
chrossänaibli aüe na hErenn otä sin anall fös. Finit.
'; Dodor Hs.
. 19*
292 KUNO MEYER.
Macht keine Räuberhöhle aus der Kirche!
Ibid. fol. 49 b marg. sup.
Nocha ceald. acht ainm cidlle^ bail nac7i fegthar firinne:
ni hinadh do Christ na dann äit i m[b]a long-port latrann.
Wirtshausreime.
Aus B IV 2 (E. I. A.), fol. 141 a.
Trlar öcclach do muintir Oedho meic DomnaiU'^) "na tig
Sigedh rocansat na runna sa.
5 Mac righ Hüa mBairrche dixit:
A fir, nä mannoir an ces dona crannoibh forsmbse hi säs.
cia dobero an mbren anüas, ni raga 'nar mbel co ar mbäs,
Mac righ Hüa nDröna dixit:
Teccait äigid, fäcboit ail, saigit go glain nGäidil ngil,
10 nocha chiimai cach is cäch dia ferta-sa an fäth, a fir.
Mac righ Hüa Fot[h]art dixit:
Eirni dar ceill ertha tuir, tabair a reir, a laich lir,
adledh do lämh tech na muc. nl da räd dun rut, a fir.
A.
JEof/an Mör und Conti.
Aus dem Buch von Lecan, fol. 337 a.
Luid Eogan Mör lar sin do gabäil rlgi na Muman 7 a
15 oidi lais .1. Dairi Barrach mac Cathäir Mäir. Bädar tri rig
for Mumain in tan sin .i. Lngaid Allathach 7 Dairi Dornnmar
senathair Luigdeach Allathaich 7 Aengiis. Do sil Chonairi meic
Mesi Büachalla döib.
Doberaid tri catha do Eogan .i. cath Samaire. is and
20 romarbad Lugaid Allathach 7 cath Samua a ndorchair Dairi
Dornnmar, üair is rem Eogan romoigsed na catha sin uili.
Teit Äengus lar sin do chuindgid socliraidi co Oond Cetcha-
thach. Dober Coud se catha lais 7 dobert cath d'Eogan Mör
i Carn Nemid a nÄib (sie) Liathan 7 moidid for Äengus 7 marb-
25 thar Äengus and. Fäsaid iarom cocad mör iter Chond Cet-
cathach 7 Mog Nüadad 7 brisid Mod Nüadat deich catha for
Chond .i. cath Brosnaidi 7 cath Seigi Mosad 7 cath Gabrän
>) = cille.
'■') König von Ailech, gest. 1004.
MITTETLUNliEN AUS IRISCHEN HANDSCHRIFTEN. 203
7 cath Sampaidi 7 cath Greni 7 cath Süamaid 7 cath Ätba
Lüain 7 cath Moigi Croichi. is and domarbad Flacha Räeda
mac Feidlimid Rechtmair, 7 cath Asail 7 cath Uisnich.
Conad iar sin doroindead Eiri iter Chond Cetcathach 7
Eogan Mör 7 fa hl a coicrich (337 b) i ndruim forsada Clüain o
hiraird 7 Clüaiu meic Nöis 7 ö Äth Cliath Medraidi co hÄth
Cliath Duiblindi 7 bädar forsin loind sin co tucad cath Muigi
Lena iter Cond 7 Mog Nüadad co ndorchair Mog Nüadat ann
la Conn 7 är Muinmech. Finit.i)
Sancta Brigita.
Ibid. fol. 166 c. Vgl. Lismore Lives Z. 1689 ff.
Gach ni thra nochuindged Brigit forsin Coimdig dobeirthea 10
dl fochedöir ön Düileamuin, üair fa he a saint säsad na mbocht
7 dTchor cacha docamla 7 oirchiseacht cacha trüaidi.
NT roibe thra neach bud feile nä bad näiride näs in
nsemög sin. Ni ronig riam a läma nä cosa nä cend iter
feraib nä fearscälaib. Nl rodech riam a gnüis for a scäile tre 15
blthin üabair ar febas a dealba 7 a denmai. Ni rolabair can
loise. Ba hrdnteach 7 ba handaic 7 ba hurnaigthech 7 ba foidi-
deach 7 ba fäilig a timnaib De. Ba cobsaid 7 ba humal 7 ba
dilgadach dercach 7 ba comra choisearctha coiraeta ciiirp
Christ 7 ba tempall dlleas do Dia boden. Ba rigsuige tairise 20
don (166 d) Spirad Naem a craide 7 a raenma. Ba diuit
(i. glan) fi'i Dia in nsemög sin 7 ba toirrseach do thrögaib 7
do deidbleuaib De 7 bä hedrocht isa timna De hl.
Is he immorro a samail iter düilib i. colam iter enaib 7
fineamain iter leadaib 7 grian ös reandaib a samail. Is he 25
athair na nsemöige. sea .i. int athair nemda 7 is e a mac .i.
Isa Christ, is 6 a hoide in Spirad Naem. Is airi sin donid si
na mii'baileada raöra diäirmigthi sea ton uili doman. Is hl
ordaiges do chäch u chumachta 7 sdiüias do cach cen bis a
cumga 7 a ngüasacht. Is hi thräethas na tedmanda 7 is I 30
thoirnes tondgar 7 fearg in mara raöir. Is hi seo^antairrn-
gertaig Christ, is I rigan in descirt, is T Muiri na nGaegel.
A firta immorro 7 a mirbaileada nl chumaing neach a
n-indisin acht mina indisead a spirad bodein nö mina thisad
') Hier folgt dann der von Stokes RC. XI S. 41ff. gedruckte und
übersetzte Abschnitt über Fiacha Moilletbau.
294 KÜXO METER,
aingeal De do nim dia n-ind[i]sin. Nir bo Ha immorro gainem
mara nö reann feada inä deirc 7 tröcairi na naemöigi sin.
Finit.
Vom Buchstaben. ,
Ibid. fol. 166 a.
Trächtad annso arna thairring a leabraib laidianda 7 a
ii proiceapt Presien 7 a diamraib breithrib Donaide.
Cia is litir and 7 ca med fognos do \itir 7 ca med fogail
ita for na litrib ? Ni hansa. Is ed is litir and .i. gnth doscailti
fetar do scribenn. As uimi aderar lit?> riu .i. ön breithir is
gregda nö is legda and leigann 7 ön ainm sin iter ilenires (166 b)
10 .i. sligi chumcach ecna do legad 7 is iad na tri neichi fognos
do litir .i. ainm 7 Mar 7 cumaclita.
Cred is ainm do lit/V? Ni hansa. Ainmniugad üaitlii -duial
ita guthaidi 7 consaine. Cred is fidar and do litir? Ni hansa.
Tairring sothuicsinach donither ar in meamram. Craed hi fein
15 cumachta litri? Ni hansa. Mog chomroindi co gerr nö co fata,
CO min nö co garb. Craed fofrlth litir? Ni hansa, Ar tri
cüisib .i. cilis cuimnigthe na riied dochüaid seoehad 7 cüis tind-
scanta na rsed n-anaitlinich 7 cüis aithnigthi na nichead n-6gsa-
mail nö n-egsaineacli.
20 Cindis fogailter na litri ? Ni han.m. Guthaidi 7 consaine.
Ca lin ngutbaide itä and? Ni hansa. A cüic .i. a 0 u e i 7 atä
tri gutbaideada glana aun ,i. a 0 e 7 is airi aderar corab
glan iad, üair ni theid nl da mbrig estib tre litrib alle. Atäit
da guthaide nemglana and .i. u i. Is airi aderar neamglan
25 riu-sin, üair theid a mbrlg estib tre guthaidib glana 'na ndiaid.
Craed is guthaide and? Ni hansa. Litir ö dentar guth ein
comchumasc ö chonsain. Craed is consain and? Ni hansa.
Aroili eliminti) nach fedann guth do denam can guthaide.
Atäit da fogail ar na consainib .i. leathguthaidi 7 muiti. Ca
30 med leathguthaidi itä and? Nl hansa. A seaeht. Ce a n-an-
mand? .i. m n 1 r s x h. Craed ma n-abar leathguthta riu-
sin? Ni hansa. Da leathguthaidi gregacha, ö guthaidi tinds-
cainter lad 7 a consain teid a nderead. Craed is muit and?
Ni hansa. Cach litir tindscainter ö chonsain 7 erleb naidthear
35 ö guthaide. Cia lin atäit na muiti? Nl hansa. A näi .i. b c
*) elimtint Hs.
MITTEILUNGEN AUS IRLSCHF5N HANDSCHRIFTEN. 295
d g p q t k z. Craßd is sgellaeb and? Ni hansa. Tinöl
timaircthech litrech nö guta a n-ainm, üair is foirpthi int
[sjillaeb cach guthaidi tnchi 7 ni theit tar se litrib ar med
7 is airi aderar sillaeb ön focol sasillabui .i. as inand sin asin
greig 7 comtinöl asin laitin 7 asinn gseidilg. Finit.
Aus H. 3. 18, S. 564.
1 Nena filed feghthar linn, inn esä düin gin dichill?
cia leitir sin cenn a cenu dogniad letlifod is lethtenn.
2 Bethe. sail, hüath, coli ferce, äinnim cuctha in tren-tinne,
d««7-, gort, hethe bius a cround do leith for leith is
leathtroum.
0 Ngetal, luiss, vuis cona rinn, nin 7 muin mar maoeidhim,
re dethbir foirbhthe is iat sin fedha le/tenna leghtair.
4 Fern is coli is tinne tra mar techtait tinfid newa,i)
donl in trlan sin roturm[iu]s lethtenn län is läncuibdes.
5 Ailm 7 onn. ür mar aon doniad a rennaib rennclaon,
ar edliadh, ar idhadh tra mar conecad na nena.
6 Coic fodhla ar eceuibdes oll: leathfoda, leathtend, leath-
trom,
bruilingicht, nl bec in col, !et[h]garbli gin a lesugMti.
7 Ba suadh saortar oga ar gach locht is lethfota,
nocha dognirah fadera a coimllon a caomhnenauo. Neana.
Pflichten and Gebühren des oUam,
Ibidem.
1 Is dliged^) den oUamain sairsi ö ri[g] eo hüathaid,
dl«^ar d'ollawam üasa/ tüatha for a snädadh, cüart^
for na tüathaib.
2 Im cäisc is im nodlla/c, im samain do sunnradh.
laceidh saoirdhenmach solamh dlegar d'ollamh orlaumb.
0 A tossaeh a flm7Äis a liiintigh bid aide,
dlegar de läidh langhlan ocus marbnath erdnti.
4 Muna tuca int aWani in dän 'na am üadha,
crod in filed cobhdha dlighidh for na düana.
'» ulSa Hs. Vielieiclit n-sca.
*) dlid Hs.
2<.>6 KÜXJi METER.
5 Dligid tencair coitcenn d'ollamain in däna.
dronna in snaidra sloda ocus tairb na täna.
Mensch enkind und Gotteskind.
Ibidem.
1 Mac duine timghair aithe a mhaoeine.
mac De nimhe ni maithi a cßdmaoine cach Jaithe.
2 Nop senaidh dochl mac De cia denaidh.
cipsT däl dognither de. is innraic in fTadhnaisi.
3 Ri nimhe ni ferr a chäch in doichli,
in Rl conic na hnile. Ri ein tuile. gan aithbe.
Mael Isu cecinit.
Aas fl. 1. 11, fol.l40a.
1 Dia häine ni longud, fö lim cia beo i singi.
air mac Muire imrädhe robüi hi ngäbadh inne.
2 Is 6 in trebar dogni nät proindi hi cetäine.
is e [in] laithi cen metli i ndernad brath in Coimdedh.
3 Inti longMi- i n-öeine atä n cuit-sium a claoine,
amaZ budh e 'na chrochadh mac De roces ar ddine.^)
4 Int! longi*« i n-äine manip galar nodlüaidi.
nl mad tardad baithis tonn tairthi caithis ind-üairib.
5 Nl longa dia häine la maccw.
is e mo laithi catha [tar cennj flatha frisnaca.^)
6 Ni longa dia haine didine.
is e la catha 3) tair cheun flatha firinne.
7 .A. longaidh si os niisi bia am throscad.
air teil! ua dlbhtai usce. ar fiiacht na forbir loscath.
8 In troscad, ni fuil duine nodcarad.
raani äghedh a lösend hi richis rüaid cen anad.
y Fil a dö a tumgad (.s/c) do troscad:
tein[e] na dibda usce. aigri nä legat fria loscadh.
10 Is lobra do neoch nät fodaim troscud.
rodimdlia cen intlätad. tene ifiru dia loscud.
11 Asbere for nach äineis tirthroscud
inna sau(mj in sirloscud.
•) ndäine Ha. *) Lies: fri.su-accu.
•') Lies: i.s ? mo laitLe irathn.
KUNO MKTER. MITTKIHNGEN. 297
12 Fil a n-aine nech imanaigh ar loscud.
fuisim (iamh in cuid andiu conidnaisiur iar troscud.
13 Ni ma tulaid for Trind nech nä dena aindidin,
isT penaid notii de: ifern ocus garseclae. De hainf.
Ibidem.
1 Mo labradli rob tu molus cen mannradli.
rob tu caras mo chride, a Rl nimeO.7 talman.
2 Mo labrad rob tu molus gen mannradh,
reighid, a ruire roghlan, dam t'fognamh nile is t'agrad.*)
3 Mo labrad rob tu molus cen [mannrad],
[aj athair cach[a] bäidi, cluin mo laid[i] is mo labrad.
M. r.
Heliodorus der Gascogner.
Ich drucke hier nur den Anfang dieses Texte» aus Rawl.
B. 503 ab, um endlich den Mythus aus der Welt zu schaffen,
däfs es sich um eine Version von Heliodors ÄithiopiJca liandelt.
Ardrigh uasall oreadha nertmwr laidir nosmnr niam-
chrothach ro ghabh flaith/w? agus forlamhus for san Gasgwm
fecht n-aill. dar bho comhainm Heliodorus agus do bhi an
righ sin gan chloinn aige 7 gan neoch ar a sliocht fein no
na fola rioghdha do geaJoadh an righacht da eis. Do bhi besä
aige na rightha 'sann aims/r sin anall .i. an fer do bhidhedh
gan chloinn diph üedh agus fesda oiredha d'ollmughudh dho.
') ar in ntmi Hs.
-) tagrui«! Hs. Zu lesen: t'fograd?
Berlin-Wilmersdorf. Küno Meyer.
VERMISCHTES.
1. Altirisch gildae „Junger Mann, Diener".
In seinem „Bidrag til det norske sprogs historie i Irland"
(S. 123) stellt Marstrander die Behauptung auf. dafs das
mittel! rische gilla nicht, wie man bisher mit Zimmer
(Zf.d. A. XXXV 13) angenommen hatte, aus dem altnordischen
gildr ^trefflich, brauchbar, dienlich" entlehnt sein könne, da
es „älter als die Wikingerzeit" sei.
Dagegen ist vor allem festzustellen, dafs das Wort, ganz
abgeisehen davon, ob man das bei Cormac (Anecd. IV S. 55)
überlieferte gilldce oder das später allgemein gebräuchliche
gilla als die ursprüngliche Form ansetzt, keinesfalls
irischer Herkunft sein kann. Das ergibt sich schon aus
den elementarsten Lautgesetzen.
Aus den in Windisch's Wörterbuch angeführten Formen,
wie dem Dat. Sg. und Akk. Vok. PI. gilhi oder dem Vok. Sg.
und Nom. PI. gillai, geht klar hervor, dafs wir einen -jo-
Stamm vor uns haben. Wie will man dann aber das i vor
nicht -palatalem Id (oder IT) erklären? Eine Grundform
*gildjos ist ausgeschlossen, da das Id, wie air. saillim (aus
*sald . . .) ;,ich salze" zeigt, palatalisiert worden wäre. Aber
auch der Gedanke, dafs zwischen l und d ein Vokal aus-
gefallen wäre, i:it undurchführbar, denn es könnte sich wegen
des vorausgehenden i nur um ein e, i, oder u handeln; in
allen drei Fällen würde dann aber die nicht- palatale Qualität
der Lautgruppe Id (11) widersprechen.
Man sieht also deutlich, dafs es sich hier um eiu Lehn-
wort handeln mufs, weil das Wort eine nach iiischen Laut-
gesetzen ganz undenkbare Gestalt aufweist. Als Quelle der
Entlehnung kommt aber einzig und allein das Altnordische
in Betracht.
VERMTfiCHTES. 299
Marstranders Behauptung, dafs das Wort älter sei, als die
Wikingerzeit, beruht offenbar auf der Tatsache, dafs es
scheinbar in Sagentexten des 8. Jahrhunderts vorkommt. Da
aber alle diese Texte nicht vor dem 11. Jahrhundert über-
liefert sind, ist es klar, dals wir mit Vorsicht prüfen müssen,
ob das Wort wirklich im Original stand und nicht erst von
späteren Abschreibern herrührt.
Ich möchte hier nachdrücklich abermals darauf hinweisen,
dafs auch die Übereinstimmung aller Handschriften noch
nichts beweisen niufs, wie ich schon einmal (oben IX, S. 186)
gezeigt habe. In unserem Falle liegt die Sache allerdings
wesentlich einfacher-. Die einzigen wirklich alten Texte, in
denen das Wort ijilla vorzukommen scheint, sind Echtra
Connia und Compert Con Culainn.
Die Echtra Connia können wir sofort abtun. Hier
erscheint das Wort nämlicli nur in LU {Cia, a gillai, ol Cond
fria mac, acailli) und Harl. 5280 {Cit, a gildai, ol Cond frie
a tnac, acaülie), während es in allen übrigen sieben Hand-
schriften fehlt, wo es helfet (YBL, col. 399): Cia adgläiter^
ol Cond Cetcliathach , usw. Ich habe bereits früher (Rev.
Celt. XXXIII, 58 ff.) gezeigt, dafs Lü und HarL eine jüngere
minderwertige Redaktion unseres Textes darstellen, und es ist
somit klar, dafs die Fonu a gildai nicht im Original gestanden
hat, sondern erst von dem Schreiber der Vorlage von LU in
den Text eingefügt wurde, in dem sie übrigens völlig über-
flüssig ist.
Was Compert ConCulaiun (ed. Thurueysen, Zu ir. Hss., I
S. 31 ff.) betrifft, so kommt unser Wort nur einmal am Schlüsse
der Erzählung vor, und zwar nur in dfen drei Hss. E, H und N,
während es in LU und Eg. 1782 felilt. Schon aus diesem
Grunde mufs es als unsicher bezeichnet werden, ob es auch
im Originale gestanden habe. Thurneysen hat zwar bei der
Wiederherstellung des Textes die erstgenannten drei Hss.
zugrunde gelegt, offenbar deswegen, weil alle drei den gleichen
Schlufs haben, während LU und Eg. 1782 von ihnen und
auch untereinander abweichen.
Nach E, N und H lautet er: ßirt mac, gabsi Caulann
öerd, ba si a aiite. Marhais som a coin side iarom, in tan ha
n-gillae (oder gildae) oc cluichiu, comho iarom as-bert som:
300 JÜLIUJN POKOHNY,
„Bicl meise do chü so, a popce." Conid de ra-rnjiml seom
iarom Cu Chaulainn.
LU hat: Birt mac, ocus doberar Setanta fair. Hieran
schliefst sich dann, nachdem das ursprüngliche Ende aus-
radiert worden war, eine zweite Version der Sage, die in
Eg. 1782 (Ir. Texte 1 143) noch gesondert vorliegt.
In Eg. 1782 heilst es: Ocus hert mac, ocus ha he dono
mac na teora m-hliadnae in sin, ocus ha Setanta a ainm iarum,
(jommo marh laiss iarum CuCaidaind cerddo. Is o sin i-lle
ro-hainmnigtJier dö CüGtulainn. Finit.
Daraus, dai's der SchUifs in Eg. 1782 und Lü verschieden
ist, läfst sich aber für das ursprüngliche Ende der Erzählung
keinerlei Folgerung ableiten, weil der ursprüngliche Schluls
ja in LU durch Ausradieren beseitigt worden ist. Da aber
LU und Eg. 1782 auch sonst gegenüber den anderen drei Hss.
eine Einheit bilden, werden wir annehmen müssen, dafs Eg. 1782
so ziemlich den ursprünglichen Schluls der LU-Kedaktion
bewahrt hat. Wir haben somit zwei Gruppen von zwei und
drei Hss., und es gilt nur festzustellen, welche von ihnen den
Schlufs der Erzählung richtiger überliefert hat.
Augenblicklich handelt es sich aber nur darum, dafs
angesichts dieser Sachlage keine Notwendigkeit vorliegt, die
Foim gillae dem Original des 8. Jahrhunderts zuzuweisen.
In den ältesten Teilen der Täin, die älter sind, als die
Wikingerzeit, kommt unser Wort nicht vor, dagegen ist es
in der Hauptmasse des Textes, der bekanntlich einer Kom-
pilation in der I.Hälfte des 11. Jahrliuuderts seine Entstehung
verdankt, gelegentlich zu finden und zwar immer an Stellen,
wo es unbedenklich dem Kompilator oder einer jüngeren
Vorlage desselben zugeschrieben werden kann. Auch beim
Vergleiche der einzelnen Redaktionen der Täin geht ganz klar
hervor, dafs das Wort immer häufiger erscheint, je jünger
die Redaktion ist. So ist es in LL viel häufiger, als in den
Texten der LU- Version; es hat z. B. LL Zeile 265: (jilla 6c,
die LU- Version dafür das Wort duiim; LL Zeile 1402 steht:
ar in gilla, in YBL ol int am, usw., während der umgekehrte
Fall nie vorkommt.
Dafs das von gilla abgeleitete KoUektivum gillanrad
„Burschen" nur in LL, dagegen niemals in der LU- Version
VERMISCHTES. 301
vorkommt, beweist ebenfalls, dafs es sich um ein Fremdwort
gehandelt liaben mufs, das erst nach und nach in der Sprache
heimisch wurde.
Wenn wir weiter sehen, dafs das Wort als Namen bildendes
Element in den Annalen von Ulster zum ersten Male in den
Jahren 976 und 982 erscheint, und, vorerst selten, mit der
Zeit immer häufiger wird, dafs es ferner niemals zur Benennung
von Helden der heidnischen Vorzeit verwendet wird und nur
als Bezeichnung von Christen dient, wo es zugleich religiöse
Bedeutung angenommen hat und neben das ursprünglich
heidnische mael getreten ist — man vergleiche blofs Namen,
wie Mael Tuile „Diener der Flut", Mael Umai „Diener der
Bronze", mit Güla Muire „Diener Marias", Gilla Crist „Diener
Christi", usw. {Mael kommt auch in christlichen Namen vor,
kann also in beiden Fällen verwendet werden) — so werden
wir in dieser Anschauung noch bestärkt werden.
Aus dem bisher Gesagten geht deutlich genug hervor,
dafs unser Wort ein Fremdwort ist, und da aus sehr nahe-
liegenden Gründen nur das Altnordische in Betracht kommt,
werden wir die von Zimmer vorgeschlagene Ent-
lehnung als gesichert ansehen können.
Als selbstverständliche Folgerung ergibt sich nun, dafs
wir dieses Kriterium bei der Betrachtung der an sich
strittigen Frage des ursprünglichen Endes der Erzählung
Compert ConCulainn anwenden müssen.
Es sind da zwei Möglichkeiten vorhanden:
Entweder stellt Eg. 1782, wo das Wort gülae überhaupt
nicht vorkommt, den ursprünglichen Schlufs dar, oder der
sich in den Hss. E, N und H findende Schlufs ist zwar der
ursprüngliche, ist aber durch den Schreiber der gemeinsamen
Vorlage um die Worte in tan Im n-gülac sekundär erweitert
worden.
Dafs letztere Möglichkeit ernstlich in Betracht gezogen
werden mufs, ergibt sich schon aus der merkwürdigen Wort-
stellung:
Marhais som a coin side iarom in tan ha n- gülae oc
cluichiu.
Man würde ja doch regelmäfsig erwarten:
302 JÜLICS FOKORNY.
Inian ha n-gillae, marhais som a coin side iarom oc
cluichin.
Wenn man sich hingegen die Worte m tan ha n-<jülae
fortdenkt, wird jene Unregelmäfsigkeit beseitigt, ohne dafs
der Sinn des Ganzen auch nur im geringsten gestört
worden wäre.
Die andere Möglichkeit, dafs nämlich Eg. 1782 den
ursprünglichen Schlufs der Geschichte aufweist, ist aus
verschiedenen Gründen nicht eben so naheJiegend. Nach
Streichung späterer Einschübe könnte man jedoch ganz gut
ansetzen :
Birt mac ocus ha Setante a ainm iarom, co m-ho marh
laiss iarom CiiChaulainn cerdde. Is o sin i-lle ro-ainmniged
Ca Chaulainn.
Doch läfst sich diese Frage nicht so leicht entscheiden,
da noch das Verhältnis der Hss. N und E zu H nicht ganz
geklärt ist; ich würde auch Bedenken tragen, die Annahme
Thurneysens, dafs diese drei Hss. eine ältere Stufe der
Sagen tradition repräsentieren, als unbestreitbar aufzufassen.
Namentlich dafür, ,dafs Deichtire oder Deiclitine ursprünglich
als Schwester Conchobars gegolten habe, sprechen wichtige
sagengeschichtliche Parallelen, die einen Inzest von Ge-
schwistern voraussetzen. Ich könnte mich nur infolge
gewichtiger Gründe seiner Meinung anschliefsen, dafs hier
der Inzest zwischen Vater und Tochter das ältere Motiv sei,
und weifs nicht, ob die Übereinstimmung der drei Hss. gegen-
über LU und Eg. 1782 und der gesamten übrigen Tradition
genügend in die Wagschale fällt; es könnte ja eine solche
abweichende Darstellung auch leicht der mifs verständlichen
Auffassung eines .unkundigen Abschreibers entsprungen sein.
Namentlich Stellen, wie: ha torrach an inyliin, hu less no
f'oadh an inghin (H.) und besonders arnenaisc inrom Concuhar
ind Ingen do SuaJtaim (N) wo ingai sowolil als „Tochter"
wie auch als „Mädchen" aufgefafst werden konnte, können
unschwer zu einem derartigen Irrtum beigetragen haben.
Über das Inzest -Motiv möchte' ich seiner Wichtigkeit
wegen noch ein paar Worte sagen.
Es mul's jedermann auffallen, dafs von Concliubar und
seinem Schwestersohne CuChulainn genau dieselbe Geburts-
VERMISCHTES. 303
geschichte überliefert ist. Vorausschicken will ich. dafs Coii-
chobar ganz zweifellos eine mythische Persönlichkeit darstellt,
da er ausdrücklich als „Gott auf Erden" (Dia talmaide,
LU 101 b) und seine Schwester Deichtire als „Göttin" (Mac
Dea Dechtiri heilst ihr Sohn Cü Chulainn LL 123 b) bezeichnet
wird. Somit müssen natürlich jene umlaufenden Versionen,
die ihm den Druiden Cathbad oder den König Fachtna Fathach
zum Vater geben, als rationalisierende Versuche verworfen
werden, während nur die Sage, die von seiner übernatürlichen
Empfängnis durch zwei von seiner Mutter verschluckte Würmer
spricht (Rev. Celt. VI 178), Anspruch auf Ursprüuglichkeit
erheben darf.
Dafs genau dasselbe von seinem Schwestersohne Cü Chu-
lainn erzählt wird, muls natürlich unseren Verdacht erregen,
besonders wenn man die betreffende Geschichte liest, der man
sofort ansieht, dafs sie durch eine ziemlich ungeschickte
Verschmelzung verschiedener Versionen entstanden sein muls
(Übersetzung bei Thurneysen, Zu ir. Hss. I, S. 38 ff.); das einzig
Neue, das wir hier erfahren, ist, dafs es der Gott Lug war,
der die wunderbare Empfängnis hervorgerufen hat. Da ferner
die Vaterschaft des Ulsterhelden Sualtaim i) bei der Gott-Natur
des Helden ebenfalls keinen Anspruch auf Ursprünglichkeit
erheben darf, werden wir die in allen Versionen des Compert
Con Culainn erwähnte dritte Möglichkeit, dals Cü Chulainn
dem Inzest zwischen Conchobar und seiner Schwester Deich-
tire entsprungen sei, als die einzig richtige auffassen müssen.
Den christlichen Schreibern erschien begreiflicherweise
diese Version als die am wenigsten erwünschte, und sie über-
trugen einfach die Geschichte von der wund^baren Empfängnis
Conchobars auf unseren Helden und lielsen statt Ness, der
Mutter Conchobars, dessen Schwester Deichtire durch den
Gott Lug schwanger werden, der mithin Conchobars göttlicher
Vater gewesen sein muXs. Um konsequent zu bleiben, mufste
man aber, sobald man an den Inzest der Geschwister nicht
glauben wollte, Lug als den Vater (statt des Grolsvaters)
») Nach K. Meyer ist übrigens die ganze Geschichte von der Vater-
schaft des Siialtavi sekundär, da dieser überhaupt in der ursprünglichen
Überlieferung nicht existierte und einer Verlesung seinen Ursprung verdankt.
?»04 .IKLirs POKORNY. '
«JüChulainns bezeichneii. Schon A. Nutt. hat ja (Voya;^e of
Brau II 44) darauf hingewiesen, dafs das Inzest -Motiv in
den verwandten Sagen von Siegfried und Arthur beweist, dafs
es aucli in unserer Sage als alt angenommen werden mufs:
es handelt sich aber stets nur um Inzest zwischen Bruder
und Schwester. Dasselbe Motiv kehrt ja auch in der irischen
Mongan-Sage wieder, da Fiachna der Weifse (Mongans Vater)
und Fiachna der Schwarze (der Vater von Mongans Gattin
DubLacha) zweifellos nur Verdopplungen ein und derselben
mythischen Person sind. Mongan war also mit seiner Zwillings-
schwester vermälilt ; ein Rest dieser Überlieferung ist auch in
der Tatsache zu finden, dafs DubLacha genau in derselben
Nacht wie Mongan geboren wird. Als später der mythische
Mongan mit dem historischen Herrscher gleichen Namens
identifiziert wurde, griif man mit Freuden die Tatsache auf.
dafs neben Mongans Vater Fiachna noch ein zweiter histo-
rischer Fiachna existierte und machte diesen zum Vater
Dub Lachas.
Somit ist wohl recht unwahrscheinlich, dafs die drei Hss.,
die Conchobar zum Vater Deichtires machen, eine ältere Stufe
der Tradition darstellen, und man wird das bei der Be-
rücksichtigung des Verhältnisses der Hss. in Betracht ziehen
müssen. Es kann aber natürlich eine Überlieferung auch
philologisch älter, jedoch in anderer Beziehung trotzdem jünger
sein, als später überlieferte Darstellungen.
2. Nochmals die Fir Bolg.
Ein von mir seinerzeit übersehenes Zeugnis dafür,
dafs die Fir Bolg die Urbevölkerung Irlands darstellen, ist
nach Skene (Celtic Scotland I 177), die Überlieferung, (z.B.
Keatiug I 190), derzufolge die Fir Bolg dereinst gezwungen
waren, „den Boden aufzugraben und Erde herauszuholen, die
sie in ihren Ledersäckeu davontragen niufsten, um sie auf
Felsen zu legen, die dadurch fruchtbar gemacht werden
sollten". Skene scheint mir darin mit Recht eine Erinnerung
an die Bergwerksavbeit der Urbevölkerung zu sehen; auch
Zimmer hat ja (oben IX 112) darauf hingewiesen, dafs weder
Kelten noch Germanen Bergleute waren, dafs z.B. in Süd-
England schon lange vor Ankunft der Kelten Bergbau
VERMISCHTBS. 305
betrieben worden war. und dafs sich auch heute noch die
Bergleute in Wales und Cornwall fast ausschliefslich aus
der Rasse der alten Urbevölkerung rekrutieren. Dasselbe
wird auch in Irland der Fall gewesen sein, wo der Bergbau
in ältester Zeit eine ziemliche Blüte erreicht hatte.
Man könnte die erwähnte Stelle allerdings auch so auf-
fassen, dafs sie sich auf den Ackerbau bezöge, der ja bei Ger-
manen und Kelten in der Regel von Hörigen besorgt wurde,
doch scheint mir die ungeschickte Fassung des Erzählers eher
auf Bergbau hinzuweisen, da dieser im Mittelalter schon viel-
fach in Verfall geraten war, während der Ackerbau in hoher
Blüte stand. Die ganze Art und Weise der Wiedergabe
deutet darauf hin, dals es sich um eine Tätigkeit gehandelt
haben mufs, die dem Schreiber jener Zeilen nicht mehr ganz
klar war.
3. Irisch Mu{i)rbolc.
Oben habe ich (XI 192) gegen Van Hamel die Behauptung
aufgestellt, dafs der altirische Ortsname Mu{i)rholc nicht das
imaginäre *holc „Kluft"', sondern das häufig belegte bolg
„Sack, Blase, Ausbuchtung-' enthalte, und mich dabei nur auf
die Schreibung 3Ittrhholg in modernen Handschriften stützen
können.
Ich finde nun einen sicheren Beweis für die Richtigkeit
meiner Anschauung in dem frühmittelirischen (oder spät-
altirischen Gedichte „Die Helden von Emain Macha" (oben
VIII 2 17 f.), wo in Vers 15 der Dativ Murltdg im Reime mit
urd (Dat. von ord = lat. ordö) steht.
4. Nochmals griechisch KASStbsPOS,
Die bereits früher (IX, 164) dargelegte Ansieht, dafs der
griechische Name für Zinn keineswegs keltisch sein könne
und vielmehr elaraiseh sein müsse, hat seither durch das
zufällige Auffinden folgender Belegstelle eine, wie mir acheint,
kaum mehr anfechtbai'e .Bestätigung erfahren.
Bei Stephan von Byzanz heilst es nämlich:
Kaööiziga, vf/Gog ev r(p mxsavm rfj 'Ivöixfj jiQoöS'/rj^i, «oc
äiovvGioq ev BaöOagixolq, i§ r/c o xaOClrsQOc.
Zeitschrift f. celt. Philologrie Xn, 1. 20
•!<H'i .FULIUS POKOKNY. VEllMisCH'lE».
^Kai?sitira. eine Insel im Ozean angrenzend Indien, wie
Üionysiosi) in den „Bassarika" berichtet, von welcher das
Zinn herkommt."
Besonders interessant ist. dals der Name KaooixLQa genau
mit der a. a. 0. postulierten elamischen Grundform überein-
stimmt. Dafs unser Wort auch im Arabischen in der Gestair
qasdir vorkommt, was ich seineizeit übersehen hatte, spricht
noch deutlicher für orientalischen üisprung.
Wo lagen nun die ursprünglichen Kassiteriden? Hüsing
dachte, obwohl ihm obiges Zitat noch unbekannt war, an die
Insel Hormuz, die in der Meerenge zwischen dem Pei-sischen
Meerbusen und dem Indischen Ozean liegt und früher einer
der wichtigsten Handelsplätze der asiatischen Meere war; sie
war auch dereinst durch ihren Erzreichtum berühmt und
weist heute noch reiche Lager an Eisen, Kupfer und Stein-
f^alz auf. Hüsing führte auch aus. dafs die Altäre des
Herakles, d. h. des Melqart. jenseits derer die Kassiteriden
gelegen haben sollen, ursprünglich die beiden steilen Berge
bei Aden am „Tore der Gefahr" waren, deren einer früher
auf einer Insel lag, so dafs man auch zwischen ihnen durch-
fahren konnte (Or. Literaturztg. 1907, Col. 25).
Dafs die Kassiteriden später nach Westeuropa verlegt
wurden, stimmt zu der Erscheinung, dafs die Griechen alle
entlegeneren und weniger bekannten Gegenden nach Afrika
und dem ferneren Westen verlegt haben, so die erwähnten
Säulen des Herakles, den ursprünglich am Tanais gelegenen
Triton -See, die auf der Krim wohnhaften Amazonen und
Hesperiden, die in Elam ansässigen Aithiopen.-) usw. Auch
das alte Tarsi§ lag nach Hüsing (Or. L. Z. 1907, Col. 2t5— 27)
ursprünglich im Persischen Golf und wurde ei-st später mit
dem spanischen Tartessus zusammengeworfen.
*) üionysius, der Verfasser der ,, Bas-sarika-*, über den nichts
i^enaueres bekannt ist. dürfte in der späteren römischen Kalserzeit gelebt
haben.
-) Vgl. Hüsings in verschiedener Hinsicht bemerkenswerte .Arbeit
„VOlkerschichten in Iran'', Mitt. d. Anthropol. Ges. in Wien, XXXXVI, 199 ff.
Wien. Julius Pokorny.
EINE AÜSEINANDERSEl^ZUNG.
Im 36. Bande der Revue Celtique hat Marstrander meine
•Keltische Wortkunde' einer eingehenden Besprechung unter-
zogen, die neben manchem treffenden und neuen auch viel
falsches enthält. Einiges davon habe ich schon im 7. Hefte
der 'Wortkunde' richtig gestellt. Hier noch ein paar weitere
Bemerkungen.
An der Richtigkeit der Lesung dorognad (§ 7) kann kein
Zweifel bestehen. Eine ebenso alte Form liegt z. B. in dem
Fut. (jc[/na Ir. I. II 2 246 § 6 vo)-. M.'s Vorschlag domiingnath
verstöfst gegen die Alliteration. Das ist auch mit der vor-
geschlagenen Besserung inlomt) statt inelJaig (§ 56) der Fall.')
Was die Etymologie von richeti betrifft, so hat Pokorny schon
das richtige erkannt. M.'s rujio-sedon würde riged ergeben.
Was die alte Form retcre betrifft, so ist feiere (altkymr. gttelirt)
zu vergleichen : auch darf t mit Strich darüber in RawL B. 502
nicht als tair aufgelöst werden. Dafs dem brit. epidios ir.
eichde entspricht, mufste jedem Anfänger klar sein; dafs dann
dchde durch echdae verdrängt wurde, ist nicht verwunderlicher,
als wenn unser golden älteres gülden aus dem Felde ge-
schlagen hat.' Wenn ich § 33 die Bildungen auf -sech von
Worten wie gaülsech ausgehen liels, so meinte ich damit, dafs
sie zuerst in Volksbezeichnungen aufzutreten scheinen, wie das
ja auch mit -issa der Fall ist. Der Gebrauch von fuil für
'Geschlecht' ist in der irischen Dichtung aller Zeiten so ge-
wöhnlich, dals man erstaunt, M. es zu Jjezweifeln zu hören.
Das von M. zitierte Btibure (LL 322 b 5) ist kein Personen-
name. Der Mann heilst Aed Bubure. Über cet brauche ich
mich nach dem Hl. Stud. 1916, S. 580 gesagten nicht wieder
auszulassen. Ich will nur noch den braven Mönch in Schutz
nehmen, der is cet duit 6 Dia durch licet tibi a Deo wiedei--
gibt und den M. mit grofsem Unrecht einen Ignoramus schilt.
*) Zu den von Pedersen § 767 gesammelten Belegstellen kommt noch
inloüigh Seichir sealbh, H. 3. 18, 74 a hinzu.
Berlin. Kuno Meyer.
Nachtrag zu meinem Aufsatz:
„Beiträge zur ältesten Geschichte Irlands.''
Professor Kuno Meyer macht mich nachträglich auf zwei
Stellen aufmerksam, die nunmehr ihre volle Aufklärung finden.
Wenn Cü Chulainn (Rev. Celt. XI, 444) in Schottland auf
einem durchlöcherten Stein fo-seted cethar-holcc lernt, so ist
damit offenbar das „Aufblasen einer vier -zipfligen Schwimm-
blase" gemeint, d. h. einer Blase, die an vier Stellen abgebunden
ist (oben S. 201), und die zur Handhabung des gae holgae er-
forderlich war, dessen Gebrauch er ja ebenfalls in Schottland
gelernt haben soll.
Die G-losse zu lat. flabeüa (Stokes, Irish Glosses § 217): seideth
tjdi bulga (Stokes verbessert fälschlich: gdifhe no hulga) kann
ebenfalls nichts anderes bedeuten, als „das Aufblasen (der
Schwimmblase) des gae holgae'"*, da ein hulga, holga in anderem
Zusammenhange überhaupt nicht vorkommt.
Wien. JüLiüS Pokobny.
Druck von Khrbardt Kmras (r. in. h. H. in H.ilU
ALTIR. GILLAE.
In meinem „Bidrag til det norske sprogs historie i Irland" i)
habe ich u. a. die Gesetze bestimmt, denen die nordg-ermanischen
Lehnwörter im Irischen unterworfen sind, und auf dem festen
Grunde dieser Gesetze weiterbauend, gezeigt, wie unsicher
das sprachliche Fundament war, worauf Zimmer und andere
ihre phantasievollen Arbeiten über die Beziehungen Irlands
zum skandinavischen Norden während der Wikingerzeit auf-
bauten.
Im gegenwärtigen Bande dieser Zeitschrift, S. 298 it"., hat
Pokorny einen Artikel veröffentlicht, worin er es unternimmt,
die Zimmersche Zusammenstellung von air. gillae mit anorw.
glldr ins Leben zurückzurufen. Um dies zu erreichen, wirbelt
er eine Staubwolke von Argumenten auf, von denen kein
einziges der Nachprüfung standhält.
Alles, was ich in meinem Bidrag über .(/iZ^a sage, beschränkt
sich auf die drei Worte „.Tldre end vikingetiden" (älter als
die Wikingerzeit). Dafs ich auch andere entscheidende Gründe
hatte, die Auffass^ung Zimmers abzulehnen, wird k^nem Sach-
kundigen entgangen sein. Für Pokorny kommen diese Gründe
gar nicht in Betracht. Gilla ist nach ihm nicht älter als die
Wikingerzeit, seine Lautform unirisch, ergo stammt es aus
dem altnorw, gildr.
Dieser Schlufs ist in Grund und Boden falsch.
L
Erstens: Ist es richtig, dafs gillae an der Wende des
8, Jahrhunderts im Irischen nicht vorhanden war ?
*) Videnskapsselskapets Skrifter, Hist.-philos. Klasse 1915, Nr. 5.
Zeitschrift t. celt. Philologie XII, 3. 21
310 CARL MARSTRANDEÜ,
Prüfen wir die Stärke der Pokornischen Arg-umente.
1. gillae Corapert Conculaind (CC) § 6.
Thurneysen hat bekanntlich die Quellen dieses Textes
einer tiefgehenden Prüfung unterworfen. Nach ihm fallen
die Handschriften in drei Gruppen:
1. Lebar na hUidre (LU), Egerton 1787 (Eg)
2. Egerton 88 (E), 23 N 10 (N)
3. H. 4. 22 (H)
die auf drei selbständige Kopien aus dem Lebar Dromma
Snechta, der bekannten verlorenen Handschrift des 8. Jahr-
hunderts, zurückgehen. Die genaue Stellung von H kann
zweifelhaft sein. „Während ich nichts gefunden habe", sagt
Thurneysen, „was H mit NE verknüpft, sind einige, aber
sehr geringe Übereinstimmungen mit LU vorhanden." Auf
diese Übereinstimmungen legen jedoch ich wie auch Thurn-
eysen nur wenig Gewicht.
Der ursprüngliche Schlufs von CC ist von 7 doberar Se-
tanta fair an in LU ausradiert worden. Eine neue Hand
setzt auf der Rasur ein und leitet zum folgenden Texte Feis
Tige Becfoltaig über.
In den übrigen Handschriften wird dagegen die Erzählung
zu Ende geführt, und zwar stimmen in diesem Sclüufsabschnitt
ENH völlig überein, während Eg abweicht. Jene lesen z. B.
marhais som a coin side iarum in tan ha ngildae oc cluichiu,
diese dagegen gommo marh lais iarum cu Caulaind ccrddo.
Hieraus zieht nun Pokorny den grundfalschen Schlufs,
als ob gillae in den ausradierten Schluissatz der LU -Version
ursprünglich nicht hineingehört hätte. Er übergeht aber mit
Stillschweigen die wichtige Tatsache, dafs Eg „überhaupt
mehr eine Nacherzählung als eine Kopie der ursprünglichen
Fassung ist und sehr oft ganz willkürlich vom alten Wortlaut
abweicht" (Thurneysen, Zu ir. Handschr. und Litteratur-
denkm. 131). Ich bitte den Leser das erste beste Kapitel der
Eg -Version mit demjenigen von LU zusammenzuhalten. Er
wird sich bald überzeugen können, zu welchen Ungeheuerlich-
keiten die Pokornische Quellenkritik führt.
Dafs in der ENH -Version der ursprüngliche Schlufs von
CC erhalten ist, wird kaum von einem Sachkundigen bestritten
ALTIR. GILLAE. 31 1
werden können. Da nun diese Version — von den sekundären
Einschiebseln in LU abgesehen — von der ersten Zeile bis
zur Kasur in Lü Satz für Satz, ja Wort für Wort, mit der
von LU übereinstimmt, so können nicht nur wir, sondern
müssen sogar annehmen, dals der ausradierte Schluls in LU
dieselbe intime Übereinstimmung mit der ENH -Version gezeigt
hat, wie der übrige Text.')
Unrichtig ist auch die Behauptung, der Passus in tan ha
ngüla sei sekundär in ENH hineingekommen; denn ein
besonderes Kennzeichen eben dieser Version ist es, dals sie
frei ist von den sekundären Einschiebseln, die vor allem
anderen die LU -Version charakterisieren (§ 1 co tanic usw.,
§ 7 7 comalta usw., § 6 mor; ha homan leo usw.). Der Ein-
waind, dafs der Passus marhais som a coin side iarum in tan
ha ngildae oc cluichiu nicht gut irisch sei, wird den Frieden
des frommen Verfassers der CC nicht stören.
Konklusion: Es liegt kein Grund vor anzunehmen, der
verlorene Schluls der LU -Version von CG stehe nicht in dem-
selben intimen Verhältnisse zur ENH -Version, wie der übrige
Text. Es gibt keinen Grund zu der Annahme, die ENH-
Version habe nicht den ursprünglichen Schlufs der Sage
bewahrt. Also hat man auch keinerlei Grund anzuzweifeln,
dafs gillae in der ursprünglichen Fassung der CC in dem
Lebar Dromma Snechta zu Hause war.
2. „In den ältesten Teilen des Täin, die älter sind als
die Wikingerzeit, kommt unser Wort nicht vor."
Ich möchte gern wissen, warum z. B. Aided Nadcrantail
und Lugs Rose später sein mufs als 800? ^
3. „Dagegen ist gildae in der Hauptmasse des Textes
(d. i. der Täin B6 Cuailnge) . . . gelegentlich zu finden, und
zv/ar immer an Stellen, wo es unbedenklich dem Kompilator
oder einer jüngeren Vorlage desselben zugeschrieben werden
kann."
Das Wort „gelegentlich" ist übel angebracht; denn gilla
kommt in der LU -Version ungefähr 50 mal vor. Im Buch
*) Dafs der verlorene Schlufssatz -der LU- Redaktion von sekundären
Einschiebseln vielleicht nicht frei gewesen ist, ist in diesem Zusammenhang
durchaus belanglos.
21*
312 CAßL maUstrajjder,
von Leinster soll das Wort nach P. „viel häufiger als in den
Texten der LU -Version sein". Auch diese Auskunft ist falsch.
Die LL -Version kennt zwar ungefähr 70 Belegstellen, wovon
zehn nicht in LL stehen; dazu kommen noch zwei Belege
von gillanrad in LL. Aber dann muls auch daran erinnert
werden, dafs die LL -Version fast das Doppelte der LU -Version
beträgt. Wenn man also nicht die Tain wie Pokorny liest,
d. h. wie der Teufel die Bibel, versteht man überhaupt nicht,
wie seine Statistik zustande gekommen ist.
Ich stelle mir selbst die Frage, warum wir annehmen
müssen, dals gilla in allen 50 Stellen der LU -Version dem
Kompilator oder jüngeren Vorlagen desselben zuzuschreiben
sei, und finde keine Antwort. Glaubt denn P. wirklich, der
Kompilator sei auch für gillae in Lugs Rose TBC 1815 Y
verantwortlich? Oder für gilli ib. 2468, wo es doch durch
den Reim mit sinne, timi gestützt ist?
Die ganze Argumentation fulst auf der vorgefalsten Idee,
dafs gilla nicht älter als die Wikingerzeit sei. Deshalb ist
'Sie auch völlig wertlos.
4. „Auch beim Vergleich der einzelnen Redaktionen
der Täin geht ganz klar hervor, dals das Wort immer häufiger
erscheint, je jünger die Redaktion ist ... es hat z. B. LL
Zeile 265: gilla öc, die LU- Redaktion dafür das Wort duine . . .,
während der umgekehrte Fall nie vorkommt."
Dals dem gilla der LL- Redaktion gelegentlich ein anderes
W^ort in LU entspricht, ist zwar richtig (vgl. z. B. a gillai
TBC 3295 LL: a mo po^a TBC 2514 Y), ganz unrichtig dagegen
ist die Behauptung, der umgekehrte Fall komme nicht vor.
Dem Passus cinnas a cesa sunt in tneic hie sin 845 LL ent-
spricht doch im YBL da ces in gilla sin, und dem gilla
Z. 508, 514, 537 Y entspricht nach dem ganzen Zusammenhang
mac bec in LL, dem ^illa 1634 Y in LL moeihmaccoem 6g
gan ulchain (da H 2. 17 und Eg 93 gilla 6g amulchach liest,
wird die Neuerung auf der Seite von LL sein).
Übrigens fallen derartige Varianten keineswegs schwer
ins Gewicht. Sie berechtigen natürlich durchaus nicht zu
dem Schlüsse, dals gilla zur Zeit von LL in allgemeinerem
Gebrauch gewesen sei als zur Zeit von LU.
ALTIR. GILLAE. 313
5. „Dafs das von gilla abgeleitete Kollektivum gillanrad
.Burschen' nur in LL, dagegen niemals in der LU -Version
vorkommt, beweist ebenfalls, dafs es sich um ein Fremdwort
gehandelt haben mufs. das erst nach und nach in der Sprache
heimisch wurde."
Das nenne ich einen typischen Pokornismus. Der Schluls
ist mir völlig unverständlich.
Gillanrad ist in LL nur zweimal belegt, und nur in einem
Falle kann von einem entsprechenden Passus im LU die Rede
sein, nämlich Z. 5766 LL. wo die ursprüngliche Redaktion in
gillai las {in gilla YBL); dieser alte Nom. plur., der für ein
mittelirisches Ohr wie ein Nora. sing, lauten mufste, wurde in
LL durch das nach ingenrad gebildete Kollektivum gillanrad
ersetzt. Auf ähnliche Weise wechseln in niittelirischen Texten
eich und echrad, ingena und ingenrad.
6. Dafs gilla als Namen bildendes Element nur in Namen
von Christen erscheint, ist eine wohlbekannte Tatsache. Mir
ist kein Beispiel bekannt, das älter wäre als aus der Mitte
des 10. Jahrh. Aber das besagt doch nur, dafs gilla zu dieser
Zeit durch die Klöster in der irischen Nomenklatur Eingang
fand. Alte Namen typen schälen sich ab, neue setzen ein.
So sicher wie es ist, dafs der Gilla -Ty^ws an der AVende des
10. Jahrh. stark zunimmt, so sicher ist es auch, dais die
ilfa«^ - Namen 1) gleichzeitig in merkbarem Rückgang begriffen
sind. Es handelt sich offenbar um eine Modeänderung der
irischen Nomenklatur, die keinen Schlufs auf das Alter des
beteiligten Sprachstoffes erlaubt. Der Typus ist augenscheinlich
durch das mittelalterliche servus Dei (vgl. Gilla Coimded) als
Bezeichnung eines Mönches hervorgerufen, das jedenfallf f ür
das 8. und 9. Jahrh. gut belegt ist ; vgl. ferner mlat. servus
(serva) Christi, famulus Christi ,. gilla Crist''^) und den päpst-
*) Nor im Vorbeigehen mache ich auf die droliige Übersetzung P.'s
von Mael Tuile, Mael TJmai mit „Diener der Fhit. Diener der Bronze"
aufmerksam. So wird er auch in vollem Ernst Mael Gaimrid ..Diener
des Winters", Mael Snechtni „Diener des Schnees", Mael ßracha „Diener
des Malzes" übersetzen.
') Ähnlicher Natur ist die mlat. Bezeichnung miles Christi, die uns
im Irischen z. B. AU 728 (= ridire Crist, Tig.) und in dem Fei. Oeng.
begegnet (wo mil von einem Heiligen ganz gewöhnlich ist).
314 CARL MARSTRANDER,
liehen Titel servus servorum Bei. Dafs derartige Kombinationen
im Irischen zu Personennamen heranwuchsen, darf wohl dem
Einfluls der ilfae?- Namen zugeschrieben werden.
Ein wenig Nachdenken und historisches urteil sollte doch
P. die Augen geöffnet haben für das UnAvahrscheiiiliche der
Idee, dafs das konservative kirchliche Irland, wenn es diese
Namen prägte, gerade das heidnische gildr wählen sollte, um
die Demut des Christen seinem Schutzheiligen gegenüber aus-
zudrücken. Die Hauptmasse der norwegischen Lehnwörter
im Irischen stammt aus dem 10. Jahrh. Es ist schlechthin
undenkbar, dafs das anorw. gildr in der ersten Hälfte dieses
Jahrhunderts im Irischen so einverleibt gewesen sei, dafs
selbst der gebildete Ire von seinem heidnischen Ursprung
nichts gewufst hätte.
IL
Um ein AVort älter als einen gegebenen Zeitpunkt zu
erweisen, hat man nicht nötig, es in Handschriften, die älter
sind als dieser Zeitpunkt, nachzuweisen. Oft ist es auch
nicht nötig, es durch literarische Quellen zu belegen, die in
ihrer vorliegenden Redaktion älter sind als die in Frage
stehende Zeitgrenze. Läfst es sich z. B. nachweisen, dafs ein
Wort mit der allgemeinen Bedeutung von gilla in der irischen
Literatur schon in der ersten Hälfte des 9. Jahrh. gewöhnlich
war, so folgt daraus, dafs dieses Wort im Irischen älter ist
als 800, besonders wenn es gelänge, es in Literaturgattungen
nachzuweisen, die in ihrer Wahl der Wörter immer kon-
servativ sind, wie geistliche Prosa oder Poesie.
Nun ist in der Tat ein solcher Nachweis möglich. Wie
oben erwiesen, liegt gilla in dem ursprünglichen Schlufs der
Lebar Dromma Snechta- Version der CC vor, und damit be-
wegen wir uns schon in einem Zeiträume, der älter ist als die
Wikingerzeit.
In Texten aus dem 9. Jahrh. ist das Wort ganz gewöhnlich.
Ich erwähne u. a. :
1. Monastery of Tallaght, vor dem Jahre 840 verfafst.
Das Wort ist hier mehrmals belegt: § 37 (dreimal), § 41
(zweimal), § 48.
ALTIR. GILLAE. 315
2. Colmans Hymnus, und zwar im ältesten Teile {Dauid
in gille dana Z. 12). Strachan hebt die sprachliche Ähnlichkeit
mit dem um 800 verfafsten Feiire Oengusso vor und führt
mit Recht den Hymnus auf das frühe 9. Jahrh. zurück.
3. Imram Mäiie Düin, Str. 9, von Meyer in die erste
Hälfte des 9. Jahrh. gesetzt ; doch scheint mir ein so frühes
Alter nicht ohne Bedenken.
4. Heptads LH, Brehon Laws V 292. 23. Der Text trägt
ein altirisches Gepräge (atgaru, d. i. Subj. -gara S. 118, -u für
-a in diesem Texte ganz gewöhnlich, cipe dodacoi 274, cid he
nodogaba {inti nodai/aib) 256, cibe dodronu 272, ben aratuaisi
a sleith ib., arafognad 364, arafuim 2,12, araddla ib., ima-
dichitis 308, imaderga 358, ni conäraig Dia 290, amail dlegda
340, ciadoescomrair : ascomrair 348, do fir fodngaib 320, do
neoch fotagaib 322 usw.
Neuerungen wie briiig für mruig und Ähnliches sind
natürlich für die Zeitbestimmung ohne jegliche -Bedeutung.
Die Redaktion kann ruhig auf das beginnende 9. Jahrh. zurück-
geführt werden, wie ich später in einem anderen Zusammen-
hang zu zeigen hoffe.
5. Cormacs Glossar (2. Hälfte des 9. Jahrh.) 676 Y und
vor allem 825 (lethech) und 1059 (prull), wo Cormac ohne
Zweifel ältere Quellen zitiert, vgl. noch 690. Da diese Artikel
sämtlich im Buch von Hy Maine stehen, gehören sie der ur-
sprünglichen Fassung des Glossars an.
Echtra Connla § 1 setze ich aufser Betracht; denn hier
wird die Lesart a gillai, a gildai in LU und Harl. 5280 wohl
einer Fehllesung von acilli (o. ä.) der Vorlage zuzuschreiben
sein. Der Abschreiber entdeckte inzwischen seinen Fejiler
zeitig genug, um die verlesene Verbalform unmittelbar nach
mac anzubringen. Das für den Zusammenhang gleichgültige
a gillai war er nicht bemüht auszuradieren.
Über das genaue Alter der oben zitierten Texte mag in
ein paar Fällen gestritten werden. " Im ganzen genommen
zeigen sie doch unwiderlegbar, dals gilla im 9. Jahrh. und
schon in der ersten Hälfte desselben in Irland gebräuchlich
war in der Umgangssprache, wie in Dichtung und Prosa.
Wie kann man überhaupt auf die sonderbare Idee kommen,
dals der geistliche Verfasser von Colmans Hymnus für ein Wort
316 CARL MARSTRANDER,
der allgemeinen Bedeutung juvenis ein norwegisches Wort
(das übrigens nicht vorkommt!) in seine Verse eingeflochten
haben sollte, und zwar zu einer Zeit, als die Norweger in
Irland noch keine festen Wohnsitze hatten, als ihr ganzes
Verfahren noch auf Mord und Beute ausging, und ihr Name
in aller Munde verflucht war?
Und wie kann P. das Vorkommen von gilla in Colmans
Hymnus mit seiner oben zitierten Behauptung versöhnen, dals
gilla noch in der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts im Irischen
nicht völlig heimisch gewesen sei?
Um diesen Schwierigkeiten zu entgehen, mufs er annehmen,
dafs die ältesten Belege von gilla überall den späteren Ab-
schreibern zuzuschreiben sind. Und damit betreten wir ein
Gebiet, das zu annektieren ich P. nicht hindern will.
Ich füge schliefslich noch hinzu, dals gilla in der älteren
irischen Literatur (wie in der jüngeren) überhaupt sehr
gewöhnlich- ist. So wird man es u. a. finden in Scel muicce
mic Datho, Serglige Conculaind, Fled Bricrend, Tochmarc
Etäine (im poetischen Teile), Loinges mac nUisnig, Tecosca
Cormaic, Imacallam in da thuarad, Bruiden Da Dergga, Mesca
Ulad, Saltair na Rann etc., i) was uns ja nur in unserer Über-
zeugung bestärken mufs, dals gilla an der Wende des 8. Jahr-
hunderts ein integrierender Teil des irischen Wortschatzes war.
III.
Ein Hauptargument P.'s gegen ein echt irisches gilla
bildet das nicht -palatale II. Dabei fällt es ihm gar nicht ein
zu fragen, ob dasselbe durch die Annahme von Entlehnung
aus dem Altnorwegischen erklärt wird.
Das anorw. gildr mufste air. *gild, *gill ergeben ; denn die
Behauptung Zimmers, ein aus tönendem s entwickeltes anorw.
-B führe im Irischen zu -a, ist schon deshalb falsch, weil
nicht der Nominativ, sondern die Casus obliqui für die Form
der altnordischen Lehnwörter im Irischen bestimmend sind
(vgl. Bidrag, S. 58 f.). Gibt man die Möglichkeit zu, dals *güd
übereinstimmend mit dem, was ich in Bidrag S. 94 hervorhebe,
1) Dagegen nicht in Imram Brain, den Mongan- Geschichten, Forfess
fer Falgae, Baile Chuiud Chetchathaig, Aided Conröi, Verba Scathaige,
Siaburcharp. Conch., Täin B6 Riiau., Tochm. Baisi, Imram Snedgusa.
ALTIR. GILLAE. 317
einen auslautenden Vokal entwickelte, dann kann nach dem
vorherg-ehenden / natürlich nur von einem palatalen Vokal
die Rede sein.
P. sollte sich auch die Frage gestellt haben : Was bedeutet
anorw, gildr und was bedeutet &ir. gilla? Das letztere ist ein
Substantiv mit der Bedeutung miles, juuenis, servus, das
erstere ist ein Adjektiv mit der generellen Bedeutung insignis,
praeclarus, honus und wird ohne Unterschied von Jungen und
Alten, Personen und Dingen gebraucht.
Also: gilla quia insignis, gill enim insignis in lingtia nort-
mannorum. So könnte Cormac geschrieben haben, wäre er
nicht dem Wort in Quellen des 8. Jahrhunderts begegnet.
Um P. gerecht zu werden, möchte ich doch hervorheben,
dafs seine Etymologie, mit derjenigen von Cormac verglichen,
vielleicht einen Fortschritt bedeutet; der Letztere leitet
nämlich in vollem Ernst das Wort aus gel „Blutegel" her.
Um ihm weiter gerecht zu werden, führe ich auch den
Schluls an, mit dem er seiner Behandlung von gilla die Krone
aufsetzt: „Aus dem bisher Gesagten geht deutlich genug her-
vor, dals wir die von Zimmer vorgeschlagene Ent-
lehnung als gesichert ansehen können". Ich weifs
freilich nicht, was davon übrig bleibt.
IV.
Wer air. gilla aus dem Irischen erklären will, wird es
vermutlich zuvörderst an gell, giall anknüpfen müssen, wie
der mittelirische Kommentar zum Feiire Oengusso tut (Okt. 2).
Da nun giall alten Diphthong hat, kommt nur gell als Stamm-
wort in Betracht. Eine ursprünglich adjektivische d- Ableitung
davon kann gilla (gildae) nicht sein (wäre *gelldae, mir. *gealla).
Gehört gilla dennoch zu gell, kann es offenbar nur auf einer
t'o- Ableitung *gistlio^) beruhen. Daraus hätte aber wohl air.
gille mit palatalem II entstehen müssen. 2)
•) Vom irischen Gesichtspunkte bietet sieh der Vergleich von gell mit
giall von selbst ilar, so auch Pedersen Vgl. Gramm. I 136. Das Wort
wird in Mil. (was freilich nicht ausschlaggebend ist) und in allen alten
Texten mit II geschrieben ; dabei ist von bewufst archaisierenden Schreibungen
(wie geld Mon. Tall. § 48) abgesehen. .
*) Schreibungen Avie gilli Vok. TBC 2468 Y (: sinnt, timi), Sergl. Conc.
§ 29, Fled Bricr. § 38, Gen. ib., Kawl. passim, Dat. Mon. Tall. § 41 (gilde,
318 CARL MARSTRANDER,
Weiter können gegen diese Herleitung wuchtige Einwände
sachlicher Natur gemacht werden. Nichts deutet nämlich
darauf hin, dafs gilla von Anfang an einen jungen Burschen
bezeichnete, der einem Fürsten oder irgend einem anderen
als Pfand für die Erfüllung gewisser Verpflichtungen überlassen
war, und über dessen Dienste sein einstweiliger Herr verfügte.
Es ist kaum glaublich, dafs ein solches Rechtsverhältnis
keine Erwähnung fände in den alten Gesetzen, wo giall und
gell in allen Formen eine eingehende Besprechung gewidmet ist.
Für den Vergleich mit gell, giall dürfen nicht angeführt
werden gidllad „Dienste nehmen, sich unterwerfen", giallna
„Geiselschaft, Dienste" {giallna 7 mainche Breh. Laws II 218;
ferner II 136, 222; V 286. Trip. Life 58. 4. O'Mulc. 309: nili
i cöir laochfdjachtce diultad De 7 giallnoe Demuin; mit Assimi-
lation von In: in dicionem .iingiallaiMil.QSa, 12. deditionis
nostrae .i. ar ngiallce ni 72b 24. ad deditionem .i. dimgiallae
72 b 11), giallnad (g. 7 moxaine na nGöidel do Demon Trip.
Life 32. 5), aidllne „Dienste, tenants" (nicht aus *ad-gillne,
wie öfters analysiert wird, sondern aus -giallnae, vgl. ad'gialla
„nimmt Dienste"). Denn die Bedeutung „dienen" ist sekundär
und nicht bei gell- belegt, das allein in Betracht kommt.
Da gilla sich somit weder formell noch sachlich mit gell
vergleichen läfst, und da es sonderbarerweise (von Heptads LH
abgesehen) in dem Haupttext der alten Gesetze nicht belegt
zu sein scheint, so erlaubt uns seine isolierte Stellung, die
Frage zu stellen, ob es überhaupt irischen Ursprungs sei')
und nicht vielmehr von aufsen ins Irische eingedrungen ist
zu einer Zeit, die vielleicht jünger sein mag, als die älteste
Fassung der Gesetze, aber jedenfalls älter ist, als Lebar
Dromma Snechta.
gille Nom. § 37, 41), güle (: serglighe) Vok. Tochm. Et. § 9, gilliu Nora.,
Corm. prull Z. 56 (Handschr. H), gillib Dat. pl. Breh. Law.s V 72, Pass. and
Hom. 420 usw. sind zum Teil zweidentig. Im heutigen Schottisch -Gaelischeu
ist das II palatal, im heutigen Irischen wohl überall guttural. Palatales II
zeigt das mit minie reimende gillic, Irische Texte II' 147.
') Mit gr. ylD.oc in veoyi?Jö^ und den Nom. pr. FD./.oq riV.icDV, m.
ri?Mg f. läfst sich gilla nicht yereinigen. Auch nicht mit ags. cild, dessen
d wie got. kilßei zeigt, vorgermanisches t voraussetzt. Unberücksichtigt
lasse ich den isolierten britannischen Heiligennamen Gildas. Gildus (so
Beda und Alcuin), mit dem ich nichts anzufangen weifs.
ALTTR. GTLLAE. 319
V.
Ist das U von gilla aus Id entwickelt?
Mit d wird das Wort an folgenden Stellen geschrieben:
Mon. Tall. § 48: gilde; aber diese Schreibung erweist nichts
in einer Handschrift, die auch ildhis {= i llius), uhuild,
cildi buchstabiert und die überhaupt häufig /(/ für älteres
U verwendet.
Cormacs Gloss. 676: M gildce, YBL u. LB gilldce; in der Inter-
pretation hat M gilldai, YBL gilla, LB gilldw. § 322
bieten YBL und LB gillacht] M hat gillas.
Cormacs Gloss. 1059 Y pruU (nach Thurneysen „Zu Cormacs
Glossar" zitiert):
Z. HS gilldae Land : die übrigen Hss. -Ih.
Z. 14 alle Hss. -U-.
Z. 49 gilldce YBL : die übrigen Hss. -11-.
Z. 56 alle Hss. -U-.
Z. 64 gilldce Hm : die übrigen Hss. -ll-,
gildoi H
Comp. Conc. § 6 gildaei H : gilt- NE.
Echtra Connla § 1 gildai Harl. 5280 : gillai LU.
gildaei Comp. Conc, 1. c. erweist nichts, da dieselbe Hs.
auch Conald schreibt (§ 3). Corm. prull Z. 64 haben zwei
unabhängige Kopien Id, was keineswegs ausschlaggebend ist,
da die Hs. H Z. 28 auch eine Schreibung suaild aufweist (vgl.
suail Wb. 24b 15). Was die übrigen Cormac-Hs. betrifft, so
verwenden sowohl Land als YBL und LB ll für altes Id
(caill,^) saill. wenn aus *sald-)\ umgekehrt steht in Lau'3' Id
auch für ursprüngliches ll {aild = aill YBL, LB).
Auch deshalb entscheiden diese Belege nichts, weil der
Übergang von Id in ll in seinem Anfang auf die zweite Hälfte
des 8. Jahrhunderts zurückgeht. In allen Dialekten und in
allen Schichten der Gesellschaft abgeschlossen war er freilich
kaum eher, als in den ersten Dezennien des 9. Jahrhunderts.
») das Cormac aus lat. callis herlfiitet (Corm. .339 Y). Vorausgesetzt,
dafs dieser Artikel zur urspri\uglicheu Fa-ssuiig de» Glossars gehört, sprach
Cormac somit caill wie vorauszusetzen war.
320 CARL MARSTRANDER.
Wir können ruhig annehmen, dafs während des ganzen 9. Jahr-
hunderts die traditionelle Schreibart kl neben dem phonetischen
II ganz gewöhnlich war.
Unter diesen Umständen scheint es mir methodisch richtiger,
in gilla altes hl anzunehmen, weil es doch für den Abschreiber
näher läge, das Id der Vorlage. in U zu ändern als umgekehrt.
Aber ich gebe gern zu, dafs es sich hier um einen absoluten
Beweis nicht handeln kann, und dafs man sehr gut von altem
II ausgehen darf, falls ein solches durch eine überzeugende
Etymologie vorauszusetzen wäre; eine solche fehlt aber noch
heute.
VI.
Mit air. gildae (wie wir jetzt schreiben) wird ein soeben
waffenfähig gewordener (gewöhnlich wohl freigeborener) Jüng-
ling bezeichnet, der bei einem Fürsten Dienste genommen hat.
Der Pluralis wird wie auch das KoUektivum glldarad von
den waffenfähigen Gefolgsleuten des Fürsten verwendet. Bic-
faiter a les do gillai innocht a Chonchohuir „du wii'St deine
gildai heut Abend nötig haben", sagt Senlaech Arad, auf den
bevorstehenden Kampf anspielend, zu Conchobar, der sich mit
seinem Gefolge am Hofe Mac Dathos aufhält; ceithern gildae
heifst in der Täin eine Truppe junger Soldaten.
Jugend und Untergebenheit unter einem Herren sind
Grundbedeutungen, die in gildae eingeschlossen sind. Cormac
stellt es zwischen mac und öclach.
In sehr frühen Texten wird gildae auch in der allgemeinen
Bedeutung „junger Diener" gebraucht, so z. B. Mon. TalL;
sehr gewöhnlich wird ihm dann ein Genetiv angehängt: g.
urraid, g. turusa, g. coisse, g. teined, g. scuir, g. eich, g. glomair,
g. taistill. In Schottland ist es bis auf den heutigen Tag von
einem gemieteten Feldarbeiter ganz gewöhnlich.
Endlich kommt dem gildae — gleichfalls im Altirischen —
die Bedeutung „Jüngling" im allgemeinen zu (vgl. oac : juvenis,
miles), so Colm. Hy., Imr. Mäile Düin, Corm. Gloss., Imac. in
da thuar. {g. forcitaü), Bruiden Da Dergga, TBC usw. 0
*) Im Altirischen wie im heutigen Schottisch -Gaelischen (ciamar t/w
thu 'ille?) in der Anrede heliebt.
ALTIR. GILLAE. 321
Welche von diesen Bedeutungen die älteste, ist aus dem
Irisclieu nicht ersichtlich. Sie waren alle an der Wende des
8. Jahrhunderts völlig entwickelt.
Wenn gildae, wie ich glaube, ein Fremdwort ist, so scheint
es aus einer der beiden folgenden Quellen herrühren zu müssen.
Entweder stammt es durch ein raittellat. gilda, gildo aus
altfranz. gelde, gilde, geldon, m. „Söldner, Mietling (mit Lanze
bewaffnet), geworbener Bauerjunge", vgl. gelde, gilde, f. „troupe
bände de soldats" (Godefroy, Lex. de l'anc. Frangais), eben
eine ceithern gildae, pr. geMa id., geldon „ühlan" (ital. gial-
doniere), ferner das Verb gelder „werben". Grundbedeutung
wohl soldarius, miles.
Oder aber gildae stammt durch das latinisierte, gut belegte
gilda aus dem angelsächsischen gilda „Gildegenosse". Dafs
diese Zusammenstellung nicht unmittelbar einleuchten kann,
darüber bin ich im reinen. Die Wörter decken einander
sachlich nicht, und ich möchte den Vergleich nur unter der
Voraussetzung aufrecht halten, dafs gründliche Kenner des
germanischen Gilde wesens Umstände vorbringen können, die
darauf hindeuten, dafs der König (oder der hläford) auf einem
frühen Stadium der Entwicklung der Gilden eine so domi-
nierende Stellung in ihnen einnalimen, dafs der gemeine
Genosse als sein geschworener Mann betrachtet 'werden könnte.
Oder wenn es sich herausstellen sollte, dafs die Stellung der
Cnihtengilde (die schon um 860 erwähnt wird) im 7. und
8. Jahrhundert eine solche war, dafs sie die Entlehnung^ron
gilda mit der Bedeutung von cniht ermöglicht; mit cniht
werden bekanntlich niedere Dienstleute, milites bezeichnet.
Leider ist unsere -Kenntnis des älteren ags. Gildewesens sehr
beschränkt. Aus dem Gesetzbuch des Königs Ine läfst sich
freilich ersehen, dafs die Gilden schon in der ersten Hälfte
des 8. Jahrhunderts gesetzlich anerkannt waren, aber über
die innere Organisation der ältesten ags. Gilden sind wir nicht
unterrichtet.
Ob das bei O'Davoren 45Ö belegte congillne .i. fer gdil
nö fialusa {ut est Düil Eoscaid ni haisneis fer tar crich nd
322 CAliL MAßSTRANÜER. Al.TIR, GILLAF).
coifnjgülni nd coihhnms) auf dem mit gilda synonymen mlat.
congüdo beruht, scheint mir mehr als fraglich. Die Bedeutung-
scheint erraten, und das Wort dürfte — wie Stokes vermutete —
mit dem cuingülne, coingillne der Brehon Laws identisch sein
(vgl. coingell, neuir. coingheall). Gegen eine Ableitung aus
goel (vgl. comgdelta) spricht wohl das doppelte II.
Wenn ich die Entlehnung auf rund 700 ansetze, so wird
damit nur ein terminus post quem non angedeutet, und
diese Zeitbestimmung fulst ihrerseits nur auf dem recht vagen
Räsonnement, dafs gilla — weil es doch wohl nur in einer
Bedeutung entlehnt ist — schon eine beträchtliche Entwicklung
auf irischem Boden durchgemacht hatte, als es gegen Ende
des 8. Jahrhunderts in der Literatur erscheint.
Kristiania. Carl Marstran der.
BEITRÄGE
ZUR ÄLTESTEN GESCHICHTE IRLANDS.
3. Erainn, I>ärin(n)e und die Iverni und Darini
des Ftolomäns.
In einem kürzlich erschienenen Aufsatze in Kuhns Zeit-
schrift (XLVII 233 f.) habe ich den Nachweis geführt, dafs
die älteste erreichbare Form des Namens Irland everijö (wo-
bei das s auf idg. *ei, *jei, *pei oder *epi zurückgehen kann)
lautete, dafs eine Form mit kurzem anlautenden e altirisch
*oiriu, eine mit anlautendem i hingegen *iriu ergeben haben
würde, und dafs die neben latinisiertem Everiü vorkommenden
und später zur Alleinherrschaft gelangten Formen Iveriö,
Hiberiö, bzw. Hihernia ihre Gestalt, teils ungenauer Wieder-
gabe des anlautenden, stark geschlossenen e oder dem so
häufigen Jotazismus (vgl. Isca für altbritisches esca, cymr. tvysc),
teils volksetymologischer Angleichung an lat, hihermis und
den Völkernamen der Iberi verdankten.
Ebendaselbst habe ich darauf hingewiesen, dals der Name
des südirischen Volkes der Erainn keineswegs mit dem Namen
der Insel in Zusammenhang gebracht werden kann, wie John*
Rhys und John Mac Neill annehmen. Die genauen Gründe
für meine Annahme sind wie folgt.
Die lU'sprüngliche Flexion ihres Namens lautet: Erainn,
Gen. Plur. Erann, Dat. Plur. Ernaih, Akk. Plur. Emu, später
Erna. Jünger lauten der Nom. und Gen. Plur. Ernai, Erna,
indem die Stammgestalt des Dativs und Akkusativs ver-
allgemeinert wurde. Neben dem Dativ Ernaib ist auch zwei-
mal in YBL (Windisch, Täin 5749, 5751) die Form larnaib
belegt; der ebenda vorkommende Gen. PI. lairn ist gewils nur
verderbte Schreibung statt larann oder larna, jedenfalls durch
.^4 JULIUS POKORNY,
das ai im vorausgehenden cluasaih und im folgenden mairc
hervorgerufen.
Das das Verhältnis des Nom. Erainn zum Akk. Emu
deutlich einen o- Stamm voraussetzt, kämen als Ableitungen
vom Stamme ever- a priori nur die Grundformen *everjoni,
*ev€roni in Betracht. Selbst bei der Annahme, dafs der Akk.
JErnii mittelirische ungenaue Schreibung für älteres J&rna
darstellte, also ein alter konsonantischer Stamm vorläge,
könnten wir doch nur die Grundformen *everjones, '*everones
ansetzen, die natürlich infolge gleicher Behandlung der End-
silben dasselbe Ergebnis liefern würden. Eine Grundform
*eüernn ist schon durch den Nom. Erainn ausgeschlossen, der
den Abfall eines einfachen Vokals in der Endsilbe erweist,
aber auch eine Form *everni mit einfachem Vokal ist un-
denkbar, da diese einen Nom. *eirn (zweisilbig; vgl. dee'id aus
*de-sedl, Gen. Sg. von deed „träge") und einen Gen. *earn (vgl.
deac „zehn" aus *de-enJiö, älter *dvei-penJcvou) ergeben hätte.
Aber auch die Grundformen *everjoni, *everoni sind undenkbar.
*everjoni hätte selbstverständlich *eirinn ergeben, da das von
palatalen Vokalen flankierte r seiue palatale Qualität unter
allen Umständen behalten hätte. In gleicher Weise hätte
jedoch auch *eoeroni zu *eirmn geführt. Es scheint nämlich
bisher allgemein übersehen worden zu sein, dafs altes inter-
vokalisches v bei der Synkope noch vor seinem gänzlichen
Schwunde genau wie jeder andere Konsonant seine Qualität
dem nachfolgenden Konsonanten mitgeteilt hat. Ganz sichere
Beispiele hierfür sind die kontrahierten Formen des « -Verbums
feraid, -fera „gewährt". Hier lautet nämlich der Konjunktiv
des ro- Perfekts in der 3. Sg. -roirea aus "^-ro-verät, in der
3. PI. -roiret aus *ro-vcränt. Ebenso lautet die 3. PI. Präs. Ind.
von fo-fera unkontrahiert fo-ferat, kontrahiert dagegen -foiret
(aus *vo-veräni); auch im Konj. Imperf. liegt neben der 3. Sg.
fu-erad die kontrahierte Form -foired aus *vo-veräto. Die
palatale Qualität des r lälst sich in diesen Fällen nur durch
den Einflufs des geschwundenen palatalen v erklären. Ebenso
steht es mit deden, diden „letzter", das nach dem Ausweise
des Vokalnomens f&dan (das wegen des Gen. fednae auf *ved(mä
zurückzuführen ist) auf *de-vedonä, de-vedonä zurückgeht."
Auch toisech „Führer" läfst sich mit cyrar. tywysog unter einer
ÖEITRÄGE ZUR ÄLTESTEN GESCHICHTE IRLANDS. 325
Grundform *to-vid-täJcos vereinigen und verdankt sein palatales
.9 dem vorangehenden v. Desgleichen geht ad-cotdemmar
(Sg43a6) „wir haben verkündet" auf *ad-covldamor zurück;
nach dem d hat gewils ursprünglich ein nicht -palataler Vokal
gestanden, da aulser dem möglicherweise aus «w entstandenen
a (vgl. cymr. dugam, griech. jttJioii)-afisv) nur noch der thematische
Vokal 0 in Betracht kommen kann. Somit hätte natürlich
auch *everoni zu *eirinn führen müssen.
Dals das gr im Namen Erainn nicht auf *ever zurück-
gehen kann, wird zum Überflusse noch durch die erwähnte
späte Nebenform des Dat. larnaib neben Ernaib bewiesen.
Denn diese einzig dastehende Lautgestalt des Wortes lälst
sich nur unter der Voraussetzung erklären, dafs das e durch
Ersatzdehnung entstanden ist. Ich habe schon mehrmals
darauf aufmerksam gemacht, dals die in Munster und ehemals
auch in Leinster gebräuchliche Aussprache des Ersatzdehnungs-e^
als ia gelegentlich auch in mittelirischen Hss. zum Vorschein
kommt, indem derartige dialektische Formen an Stelle der
schriftsprachlichen treten, wie z. B. im Gen. PI. zumeist Gailian
an Stelle von Gailen {*Galignöm) oder auch cuilian an Stelle
von cuüen „Hündchen" {*koUgnos) geschrieben wird. Es ist
klar, dafs ein solcher Fall auch hier vorliegen mufs.
Der Name Erainn kann somit nur auf eine Grundform
*ahoni oder ähnl. zurückgehen; an Stelle von *akr- kann
man aber auch *egr-, *eJcr; *igr-, *ikr- ansetzen und im An-
laut kann p oder j geschwunden sein; der Vokal vor dem n
kann ebenfalls beliebig angesetzt werden.
Wenn man den Namen indogermanisch deuten will, so
liegt es natürlich am nächsten, an griech. dxQÖg zu denken;"*
auch das öfter allein vorkommende er (glossiert mör und uasal)
wird hierher gehören, da es keineswegs in allen Fällen (vgl.
Windisch, Wörterb.) als er- = ess-ro zu erklären sein dürfte;
dafs es sich z. B. im Fled Bricrenn § 78 nur um eine „ver-
kürzte Ausdrucks weise" eines mit der Vorsilbe er- zusammen-
gesetzten Kompositums handeln könne, wie Pedereen (II 13)
für einige Stellen in Ml. annimmt, wird man doch gewifs
nicht glauben dürfen. Ganz sichere Beispiele für selbständiges
er bei Kuno Meyer, Alt. Ir. Dichtung 1 35. Erainn kann also
als „die Erhabenen" gedeutet werden.
Zeitschrift t. celt. Philologie XII, 3. 22
326 JULIUS POKORNV,
Die Erainn gehörten auch in der Tat einst m den be-
deutendsten Völkern Irhinds. Sie werden im Kommentar zum
Senchus Mor (1 78, 80) als einer der drei edlen Stämme
bezeichnet, die sich in die Herrschaft der Insel geteilt hatten.
Die anderen beiden heifsen einmal Ulaid „Ulster- Leute" und
Gailiuin, ein andermal Ulaid und Feni Temrach „Fenier von
Tara". An einer dritten Stelle (1 70) werden die Ulaid,
Gailiuin und Feni Temrach als die drei edlen Stämme genannt,
und es ist sehr wahrscheinlich, dafs der zweite oder dritte
Name in „Erainn" zu verbessern ist. Da die Erainn in
geschichtlicher Zeit ebenso wie die anderen angeführten
Völker keinerlei politische Bedeutung mehr hatten, werden
wir jene Überlieferung von der Dreiteilung Irlands für sehr
alt halten müssen. Was die anderen beiden Völker betrifft,
so bezeichnet Galiuin und Feni wahrscheinlich dasselbe Volk;
infolge der Unzugäuglichkeit der Quellen kann ich mich darüber
nicht mit Sicherheit äufseni. Wenn es aber (Eriu VI 147)
heilst: ar ite Fenni (leg. Feni) in sin : Muscraige 7 I)dl Matti
7 Gorcu Duhni 7 Lagein 6 Buais co Commur Tri nüsce, also
die Laigin ausdrücklich als Feint bezeichnet werden, und
andererseits die Namen La(i)gin und Gailiuin synonym ver-
wendet werden (z. B. Ir. T. III 374 : Gailioin .i Lagin ; weitere
Belege bei Hogan s. v. Gaileoin), so werden wir wohl annehmen
dürfen, dafs in jener Dreiteilung Feini Temrach dasselbe Volk
bezeichnete, wie Gailiuin, unbeschadet der Möglichkeit, dafs
es sich in einem der beiden Fälle erst um eine sekundäre
Erweiterung des ursprünglichen Begriffes handelte, dafs also
an anderen Stellen jene beiden Namen vielleicht doch nicht
gleichgesetzt werden dürfen; in unserem Falle sind es aber
mit 'ziemlicher Gewifsheit nur verschiedene Namen für die
gleiche Sache.
Zur obigen Gleichsetzung von Ga{i)liuin und La(i)gin
(die übrigens auch rein örtliche Bedeutung haben könnte,
indem beide Namen einfach die Bewohner der Provinz Leinster
bezeichneten, die sowohl Laigin wie Coiced Ga{i)len genannt
wird) will ich noch hinzufügen, dafs einerseits, wie ich (oben
XI 183) gezeigt habe, die Ga{i)liuin zu den Fomoriern ge-
rechnet wurden und andererseits die La{i)gin nach einer
bekannten ii'ischen Tradition als „Verbündete" der Fomorier
UEITRÄGE zur ALTESTEK GESCHICHTE IRLANDS. 327
bezeichnet wurden und durch König Tuathal Techtmar aus-
gerottet worden sein sollen.
' Nun lassen sich von den „drei edlen Völkern" Irlands
wenigstens zwei in dem ältesten Denkmal irischer Geschichte,
in der Geogi'aphie des Ptolomäus (die wiederum auf Marinus,
ca. 100 n. Chr. zurückgeht), also im 1. Jahrh. n. Chr. nach-
weisen. Es sind das nämlich erstens die Ulaid, die bei
Ptolomäus OvoXovvTLOL heifsen, was zweifellos für OvXovxoi
oder VXovroi verderbt ist, also älteste Form Oluti oder üluti;
im letzteren Falle zu ir. am-ulach „bartlos" zu stellen,^ das
auf idg. *n-pulu-Jco- zurückgehen muls. Was zweitens die
GaiUuin (bzw. Feini?) betrifft, so habe ich seinerzeit (XI 184)
wahrscheinlich gemacht, dals sie mit den sagenhaften Fomo-
riern identisch waren und vielleicht eine der germanischen
Chauchorum nationes darstellten. Da Ptolomäus die Canci
als Bewohner der irischen Ostküste nennt, so hätten wir hier
implizite auch den zweiten „edlen Stamm", die GaiUuin
vertreten.
Dem gegenüber würde es sehr befremden, wenn Ptolomäus
den dritten „edlen Stamm", die Erainn, mit Stillschweigen
übergehen würdet Ich glaube in der Tat zeigen zu können,
dafs dies nicht der Fall ist, und dals uns gerade die ziemlich
unwahrscheinlich scheinende Lokalisierung jenes Stammes eine
wichtige historische Tatsache offenbart. Ptolomäus nennt als
nördliche Nachbarn der Ulster -Leute die Darini. Man hat
diesen Namen schon lange mit dem irischen Dairfine zusammen-
zubringen versucht, aber diesen Versuch offenbar deshalb auf-
gegeben, weil die Dairfine in historischer Zeit in Südwest-
Irland sitzen. Mac Neills Zusammenstellung von Darini und
M(a)ugdoirn würde voraussetzen, dals Darini für Dorni ver-
schrieben sei. Nun ist zwar dem Ptolomäus etwas derartiges
sehr leicht zuzutrauen, aber ich will eben zeigen, dafs • es
sich hier nicht um den unbedeutenden Stamm der M{a)ugdoirn,
sondern um das grofse Volk der Erainn handelt, und Ptolomäus
in diesem Falle ziemlich richtig überliefert hat.
Schon John Mac Neill hat darauf hingewiesen, dafs Dair-
fine den Namen des Gottes Dd(i)re enthält und Marstrander
hat im Wörterbuche der Akademie gezeigt, dafs die korrekte
' Form des Namens Ddirinne (neutr.) lautet und Dair-fine auf
22*
S28 JüUus t»okoRNt,
Volksetymologie beruht. Wie die Erhaltung der zweiten Silbe
beweist, haben wir als Grundform *Z)ä)-i(>-»/ö» anzusetzen.
Die Lesart Darini würde dann einfach für Darioni stehen, ein
Fehler, wie er mindestens hundertmal bei Ptolomäus vorkommt.
Der Stamm Ddirinne erscheint in der Tradition als
identisch mit den Erainn. In O'Mulconrys Glossar § 417
heilst es: Eraind .i. fir Erann (sie Ms.), ar it e rogdhsat a
cetleth di Ennd. It he Darßne insin .i. ßne Daire Doimthigh
maic Itha maic Bile maic Bregainn. Ainm doib iertain Tuatha
/e[i]r ,/. is diib Eterscelae mac hui ler 7 Conaire 7 Cüröi.
Batar diib rlgh Muman ria n-Eoghanacht „Die Erainn heifsen
auch Fir Erann, denn sie sind es, die zuerst eine Teilung
Irlands (unter sich) vorgenommen hatten. Diese heifsen auch
Däirinne, nämlich Nachkommen des Däire Doimthecli, des
Sohnes des Itli, des Sohnes des Bile, des Sohnes des Bregand.
Sie werden auch Tuatha leir genannt, es stammen nämlich
von ihnen Eterscelae vom Geschlecht des lar und Conaire
und CüRoi. Ihnen wurden die Könige Munsters vor (der
Herrschaft) der Eoganacht entnommen."
Wir erfahren hier von der sehr interessanten Überlieferung,
dals die Erainn einst ganz Irland beherrscht haben sollen.
Aber jene Überlieferung scheint nicht echt zu sein.
Die Stelle in BB 139 b 11: „ha leathrann da Dal Cede
7 do Dal Bairrdene cosin" bezieht sich nämlich nur auf Leth
Cuind (Nordirland), von dem kurz vorher die ßede war, und
es kann sich nur um ein leath-rann Nordirlands handeln.
John Mac Neill irrt also, wenn er diese Stelle auf ganz Irland
bezogen wissen und daraus schliefsen will, dafs die Erainn
dereinst über ganz Irland geherrscht hätten. Die Stelle bei
O'Mulconry dürfte sich ebenso, wie die zweite Strophe der
Brinna Ferchertne (oben III 41), wo es heilst : Heraind rogdbsat
Herind („Die Erainn herrschten über Irland") durch eine
nachträgliche historisch -etymologische Spekulation infolge der
Namensähnlichkeit Erenn (Gen. von Eriti) — Erann (Gen. PI.
von Erainn) erklären; daher auch das h vor Hirainn', dafs
sonst nicht oft vor dem Völkernamen erscheint und hier nur
von Herind übernommen ist. Jedenfalls stimmt diese Über-
lieferung zu dem, was wir sonst über die ursprüngliche grolse
Bedeutung jenes Volkes wissen.
BEITRÄGE ZUR ÄLTESTEN GESCHICHTE IRLANDS. 329
Für uns ist aber am wichtigsten die Tatsache, dals hier
Ddirinne ausdrücklich als ein anderer Name der Erainn fest-
gelegt wird. Das Gleiche sagt die Stelle in Rawl B 502, 147 b 12:
is he Darßne robce i n-agid Deirgthene A. Ernai 7 Dairfine do
räd friu-side 0 Däre mac Dedaid a patre Con Bui^) 7 ni
Corco Lmgde ut alii putant. „Die Däirinne sind es, die mit
den Deirgthine in Streit waren, nämlich Erainn sowohl als
Däirinne werden sie nach Däire mac Dedad, dem Vater des
Cü Röi genannt, und nicht Corco Laigde, wie andere meinen."
Gemeint ist hier, dafs die Gegner der milesischen Deirg-
thine, der Nachkommen des Eber, sowohl mit dem Namen
Erainn, wie mit dem Namen Däirinne bezeichnet zu werden
pflegten, mit anderen Worten, dafs beide Namen das gleiche
Volk bezeichnen. Das geht auch aus den unmittelbar an-
schliefsenden Zeilen hervor, wo es heilst: Däirinne 7 Dergthene
hi comflaith und ar is 0 hErnaib cech dara rt...-jo Dergthene
in n aile „Däirinne und Dergthine teilten sich in die Herr-
schaft . . . denn es wird abwechselnd bald ein König von den
Erainn und bald von Dergthine genommen." '^) Dasselbe er-
hellt daraus, dals die Leute des Cü Roi, der schon durch seinen
Vater Däire als ein Angehöriger der Däirinne gekennzeichnet
wird, wiederholt auch Erainn genannt werden (oben IX 206,
§ 30 usw.). Cü Roi selber wird in der ältesten Überlieferung
als Angehöriger der Erainn bezeichnet (oben IX 192, § 7).
Die Frage ist jetzt, wie sich die Namen Erain und Däi-
rinne ursprünglich zu einander verhalten, und ob Däirinne
vielleicht nur eine bestimmte Gruppe der Erainn bezeichnete
und die oben dargetane Identität beider Namen etwa nur auf
diese Tatsache zu beziehen ist; der Gedanke liegt deswegen
nahe, ■ weil in historischer Zeit der Name Däirinne auf den
Stamm Corcu Loigde beschränkt bleibt. Genau lälst sich
wegen des geringen Materials die Sache nicht entscheiden,
') Im Wörterbuch der ir. Akademie ist irrtümlich gedruckt: ni Corco
Laigde a patre Conrüil Auch steht dort (p. 36,27) O'Mulc. 217 statt 417.
*) Selbstverständlich ist das nur eine hislorische Fiktion zur Be-
mäntelunif der Tatsache, dafs es den wahrscheinlich aus Gallien ein-
gewanderten Nachkommen des Ailill Ölom gelang, die Herrschaft in Munster
an sich zu reifsen und die Erainn zurückzudrängen (vgl. Mac Neill, Popul.
Group», S. 73 Anm.).
330 JULIUS POKORNY,
aber da die Däirinne schon bei Ptolomäus bezeugt sind, müssen
sie zumindest in jenen Zeiten einer der wichtigsten Stämme
der Erainn gewesen sein, und es ist auch sehr leiclit möglich,
dals ihr Name ursprünglich das ganze Volk bezeichnete und
erst später, als der Name Erainn in den Vordergrund kam,
auf einen Teil des Ganzen eingeschränkt wurde. Der Name
Ddirinne wurde, wie schon bemerkt, später nur mehr zur
Bezeichnung des Stammes Corcu Löigde verwendet (Cormacs
Glossar und Hogan s. v. Dairiine). Der obige Satz, wonach
die Gegner der Deirgthine in Munster „Erainn und Däirinne",
aber „nicht Corco Loigde" heilsen, ist also dahin zu verstehen,
dafs sowohl Erainn, wie Däirinne damals in weiterem Sinne
zur Bezeichnung des ganzen Volkes verwendet werden konnten,
wogegen Corcu Loigde nur einen einzelnen Stamm jenes Volkes
bezeichnete und daher nicht allein als Rivale der milesischen
Deirgthine genannt werden durfte.
In der zitierten Stelle aus O'Mulconry heilst es, dafs die
Däirinne ihren Namen von Däire Doimthech, dem Sohn des
Ith haben. Auch in der „Genealogy of the Corca Laidhe"
(Dublin 1849) werden sie auf Ith, einen Onkel des milesischen
Ahnherrn Mil zurückgeführt. Die Abstammung von Ith ist
ebenso eine späte, gelehrte Fälschung, wie die angebliche
Abstammung von Mil selbst durch dessen Sohn Eremön (z. B.
Fianaigecht S. 28, LL324d44ff., usw.) und erklärt sich da-
durch, dafs man im 8. und 9. Jh. die wichtigsten vor-milesischen
Stämme durch Erfindung einer milesischen Genealogie zu adeln
versuchte. Wenn es daher im Cöir Anmann (§ 68) heifst,
dafs die Däirinne teils von Däire Doimthech und teils von
Däire mac Dedad abstammen, so werden wir diese beiden
Däire unbedenklich miteinander identifizieren können und dazu
noch Däire Sirchrechtach stellen, der (in Rawl. B 502, p. 155 a 3 ff.)
geradezu dem Däire Doimthech gleichgesetzt wird, wie ja
auch beide als Väter der fünf Luigdig genannt werden. Auch
er hat einen milesischen Stammbaum erhalten, den wir als
spätere Erfindung streichen müssen. Hingegen müssen wir
die Vaterschaft des Deda (oder Dedu?)0 als richtig anerkennen,
*) Die Form Dedu wäre nur dann richtig, wenn man von einer
Grundform de-dä-vota, einem alten Partiz. Perf. ausgehen dürfte, zur Wurzel
da „schenken, geben".
BEITRÄGE ZUR ÄLTESTEN GESCHICHTE IRLANDS. 331
da die Erainn in der Ulstersage (z. B. Mesca Ulad) zumeist
Clann(a) Dedad genannt werden, aber auch sonst, z. B. Lü 51 b 8:
Cland Dedad i. Sil Conaire 7 Ernal. Dafs Däire, der Ahn-
herr der Däirinne, ebenfalls als mac Dedad bezeichnet wurde,
stimmt trefflich zur ursprünglichen Identität der Erainn und
Däirinne.
In der Genealogie der Erainn in LL 324 d 44 — e liegen
zwischen Deda und dessen angeblichem Nachkommen Ailill
Erann sieben Generationen. Da nun erfahrungsgemäfs die
echte Genealogie nur mit dem synonymen Ahnherrn beginnt
und sich die darüber hinausgehenden Ahnen stets als junge,
gelehrte Erfindung nachweisen lassen, mufs man auch hier
annehmen, dafs die Vorfahren des Ailill Erann in der ur-
sprünglichen Überlieferung keinen Platz hatten. Wie soll
man es aber da verstehen, dafs in den alten Ulster- Sagen,
die noch keine derartigen Erfindungen kennen, die Erainn
regelmälsig Clanna Dedad genannt werden ? Kann denn Deda
auch gelehrter Erfindung seinen Ursprung verdanken?
Die Lösung dieser Schwierigkeiten gibt uns O'Flaherty
(Ogygia, p. 122) : ihm zufolge ist Deda nicht der Vorfahre des
Ailill Erann, sondern dessen Enkel. Da ihm viele, heute ver-
lorene Quellen zu Gebote standen, werden wir seine Ansicht
wohl als richtig anerkennen müssen. Er sagt: „Deda ist der
Sohn des Sen, der Enkel des Ailill Erann ... In der Genea-
logie der Könige Schottlands, die sich von Deda ableiten,
liegen 7 oder 8 Generationen zwischen Sen, dem Vater des
Deda und Ailill Erann . . . Aber von keinem der sieben oder
acht ist anderswo die Rede" usw. Im folgenden begründet
er dann seine Ansicht durch chronologische Erwägungen.
In der Genealogie der schottischen Könige in Rawl. B 502
p. 162 wird Deda richtig als Nachkomme des Ailill Erann,
allerdings mit acht dazwischen liegenden Generationen, be-
zeichnet; desgleichen bei Keating (II 231) in der Genealogie
des Conaire Mör.
John Mac Neill hat die Vermutung ausgesprochen, dafs
der schon erwähnte Däre nur der Gott Lug unter anderem
Namen sei. Dieser Ansicht kann ich mich aber nicht an-
schlieisen, da folgende, bisher unedierte Stelle aus LL 319 a, b
(vgl. Rawl. B 502, p. 147 a 39) vielmehr in anderer Richtung
332 JULIUS POKORNY,
ZU weisen scheint. Gabais Bari mac Dedad rigi co n-erhailt
dia ruc a ingen in mac (.i. Noine). Ätrubairt in driii ris,
intan noberad a ingen mac, issand atbelad. Co-rrabi comet
aice furri. Aräide rostorrchestar Mac ind Oc (scilicet quidam
diabolus) dia luid ind ingen tria mesca assin diin. Co-rragbatar
na druid [for a broindj co cend nöi mbliadan .i. nöi mls fd
nöi, CO rucad in mac .i. noidiu nöi-brethach .i. not mbretha
ruc iarna gein focheiöir. Is amlaid rogenair co trilis fot da Idm
fair 7 co cassulcha. Marb trd Bare mac Bedad intan rucad Noine.
„Däre der Sohn des Deda ergriff die Herrschaft bis er
starb, als seine Tochter den Sohn (nämlich Noine) gebar.
Der Druide hatte ihm verkündet, er würde sterben, sobald
seine Tochter einen Sohn zur Welt brächte. Deshalb hielt
er sie in Gewahrsam. Trotzdem aber schwängerte sie Mac
ind Öc, als das Mädchen im Rausche aus der Festung heraus-
ging. Die Druiden hielten ihren Leib neun Jahre lang in
ihrer Gewalt, d. h. neun mal neun Monate, bis endlich doch
der Sohn geboren wurde, ein Knäblein, nöi-brethach, d. h. neun
Sprüche (bretha) fällte ,er sofort nach seiner Geburt. Mit
Locken, zwei Spannen lang, und gewelltem Barte kam er zur
Welt. Sobald Noine geboren wurde, starb Däre der Sohn
des Deda."
Es kann gar kein Zweifel vorliegen, dals wir hier die
Geschichte von der Geburt des Gottes Lug vor uns haben,
wie sie uns O'Donovan (Four Masters 1 18 f.) in moderner
Form überliefert hat, einen in der ganzen arischen Welt
verbreiteten Mythos, der u. a. bei Kyros, Perseus, Romulus
usw. wiederkehrt.
Wir werden somit in Däre nicht ein Duplikat des Gottes
Lug, sondern vielmehr dessen Grofsvater zu erblicken haben,
der sonst allgemein Balor genannt wird. Nun wird aber Däre
sonst stets als Vater der fünf Luigdig, d. h. (da Lugaid = Lug)
als Vater des Gottes Lug bezeichnet (Coir Anmann § 69) und
von seinem Tode durch Geburt eines Enkels ist sonst nirgends
die Rede. Vielleicht bezog sich also die oben angeführte
Geburtsgeschichte auf Däres Vater Deda, von dem wir ja
sonst nichts weiter wissen, und wurde von dem Auf Zeichner
der Genealogie irrtümlich mit Däre in Verbindung gebracht.
Genealogisch wäre dann die Sache völlig in Ordnung.
BEITRAGE ZUR ÄLTESTIN GESCHICHTE IRLANDS. 333
Die ganze Interpretation der irischen Sage habe ich in
der Orient. Lit.-Zeitg. Juni 1918 gegeben; hier will ich nur
kurz bemerken, dals Noine „der Neuner" oder „der Neunte"
bedeutet und dafs das „in Gewalt halten" des Leibes dahin
aufzufassen ist, dafs achtmal hintereinander eine Tochter und
erst in neunter Generation „der Sohn" geboren wird, der
auch im iranischen Mythos von Dahaka (= Astyages) gleich-
zeitig der Enkel und der zehnte Nachkomme des Tyrannen
ist; er selbst wird nämlich immer von neuem wiedergeboren,
achtmal als Tochter und dann erst als Sohn. Wenn der ger-
manische Heimdali neun Mütter hat, so sind diese ebenfalls
nacheinander als „Ahnen -Mütter" zu verstehen. Die Erklärung
von nöi-hretJiach im irischen Text ist sicher falsch ; es ist ein-
fach als „neun -geburtig" zu übersetzen, d.h. das Knäblein
war neunmal geboren worden (vgl. Spiegel, Eranische Alter-
tumskunde 587 f.). Das neun -monatliche Jahr ist deutlich der
Schwangerschafts -Periode entnommen und hierzu wurde dann
eine neuntägige Woche (nömad) gebildet.
Aus dem bislier Gesagten geht zur Genüge hervor, dafs
aus lautlichen Gründen ein Zusammenhang der Erainn mit
den Iverni (richtiger Everni) des Ptolomäus ausgeschlossen ist.
Eine lautliche Entsprechung zu diesem Volksnamen kann ich
überhaupt nirgends finden, es sei denn, man wollte die um
den Lough Erne wohnhaften Eirni auf *Evernn zurückführen,
was lautlich ganz gut möglich wäre, da das palatale v bei
der Synkope die Lautgruppe m palatalisieren mufste; auch
eine Wanderung von der Südküste Irlands nach Nordwesten
mufs als möglich gelten, da ja die Südküste am ehesten In-
vasionen ausgesetzt war. Es ist aber auch denkbar, dals ein
Volk der Everni niemals existierte und dafs Ptolomäus, dessen
Werk ja auf den Landkarten des Marinus beruht, an der
mittleren Südküste Irlands den Namen der Insel Evernia ein-
getragen vorfand und daraus ein Volk der Everni (bzw. Iverni)
machte.
Bevor ich nun zeige, dafs die Gleichsetzung der angeb-
lichen Iverni mit den Erainn auch historisch vollkommen
unberechtigt ist, will ich noch einen weiteren Irrtum der bis-
herigen Forschung richtigstellen. In der anfangs zitierten
Stelle bei O'Mulconry heilst es, dafs die Erainn auch „tuatha
334 JULroS POKOBNT,
lair", Stämme des lar genannt werden. Aus den bei Ehys
(Studies in Early Ir. Hist, p. 18, 19) gesammelten Stellen geht
deutlich hervor, dafs es sich um einen zweisilbigen Namen
handelt, der im Nora. lar, im Gen. leir lautete, genau wie
iarn „Eisen", Gen. ieirn. Im Spät -Altirischen ist dann leir
regelmälsig zu lair geworden. Dieses zweisilbige lair wurde
dann weiter zu Ir vereinfacht, ebenso, wie altirisch idch, iaich
(Akk. von eo „Lachs") mittelirisch zu ich wurde (Windisch
Täin, S, 281), oder sciein, sdain (Dat. von scian „Messer") zu
sein (Rev. Celt. VIII 56).
Sowohl Rhys, wie John Mac Neill (Early Ir. Popul. Groups
§ 12) haben lar mac Dedad, den Ahnherrn der Erainn als
eponymen Ahnherrn aufgefalst, indem sie den Namen lar auf
eine Grundform I{v)eros, angeblich zum Namen Iverni, Erainn
gehörig, zurückführten. Eine derartige Etymologie ist aber
gänzlich ausgeschlossen, weil, wie ich (K. Z. XLVII 236) gezeigt
habe, das i im Namen Iverio, Iverni für altes & steht, und
ein Name *Everos im Nom. *Ear, im Gen. £tV ergeben würde.
Wir haben übrigens die Grundform unseres Namens deutlich
in den Ogam- Inschriften erhalten. Einmal im Ogam von Derry-
garriff (Macal. 110): ISARI AVI GGATTECI „(Grabstein)
des Isaros des Nachkommen des Gaitecos", und ferner in
Ballintaggart (Macal. 13): MAQQI lARI CI MAQQI MÜCCOI
DOVVINIAS „Hier (der Grabstein) des I(s)aros eines Nach-
kommen vom Stamme der Dubina (d. h. Corcu Duibne)".
Mac Neill meint zwar (Notes on Og. Inscr., § 16), dafs Beispiele
eines inter vokalischen s nicht vorhanden wären, aber es ist
mir nicht zweifelhaft, dafs ISARI die Grundform von lARI
darstellt und dafs wir hier gleichzeitig die ältesten Formen
des altirischen lar vor uns haben.
Die mittelirische Genetivform Ir drang auch in den
Nominativ ein, so dafs der Ahnherr der Erainn neben lar
auch Ir genannt wurde. Aus diesem lar (Ir) mac Dedad
machten dann die Gelehrten einen lar mac Itha, um dadurch
eine genealogische Verknüpfung mit den Milesiern herzustellen.
Nach dieser kleinen Abschweifung komme ich zum wich-
tigsten Punkte meiner Abhandlung, nämlich zum Nachweise,
dafs die jfcrainn zur Zeit des Ptolomäus nicht in Munster,
sondern in Nordost- Irland wohnten, und dafs aus diesem
BEITRÄGE ZUR ÄLTESTEN GESCHICHTE IRLANDS. 335
Grunde die Darini ganz deutlich den Dä(i)rinne gleichzu-
setzen sind.
Vor allem wollen wir feststellen, welche Stämme in
geschichtlicher Zeit zu den ^^rainn gerechnet wurden, i) Es
sind dies: 2)
Corcu Bairdne oder Bairdine, auch Dal mBairdine.
Corcu Baiscinn oder Dal mBaiscinn, auch Dal nOengvsa
Müscae.
Corcu Cete oder Dal Cete.^)
Corcu Dimaine (Cymmrodor XIII 129) ein Stamm der
Ddirinne.
Corcu Düha (^riu III 138).
Corcu Duibne oder Dal nDuibne.
Corcu Duithne.
Corcu Itha.
Corcu Loigde oder Dd(i)rinne.
Dal mBuachalla (oben VIII 331, Rawl. B 502, 157, 23).
Dal Luigni Lethduib.
Dal MaicCon,*) ein Stamm der Ddirinne.
Dal Maigne.
Ddl Maithe oder Müscraige Ddil Riata.
Dal Müsca oder Müscraige.
Ddl Riata in Ulster und Schottland.
Ddl nUid(i)ni.^)
üraige (korrupt: Auraige).
Mairtine.
Garbraige von Ulster, ein Stamm der Ddl Riata (oben
VIII 331, RawL B 502, 157, 20).
Gabraige, ein Stamm der Deisse (Cymmrodor XIII 125,
tv'm III 139).
Casraige (oben VIII 331, Rawl. B 502, 157, 23).
Corcraige (oben Vm 331, Rawl. B 502, 157, 23).
•) Belegstellen habe ich nur bei Stämmen gegeben, die von Hogan
nicht angeführt werden.
') Die in historischer Zeit bedeutenden Stämme sind gesperrt gedruckt.
3) Korrupt: Corcu Thede.
*) Korrupt: Macoyi, Mechon, Michoil.
») Korrupt: Dene, Dine, Noidne.
336 JULIUS POKORNT,
Die Dartraige werden wahrscheinlich nur wegen des
etymologischen Anklanges als Naclikommen des Dä(i)re Doim-
thech bezeichnet; irrig dürfte auch die Bezeichnung der Dal
Maignen als Erainn sein, da sie (firiu III 139) ausdrücklich
Gallier genannt werden. Das Zitat bei Hogan, wonach die
Dä.1 Luigne, die in der Geschichte von der Vertreibung der
Döisse einfach den Erainn zugezählt werden, jenen Ddl Maignen
(sie leg. anstatt Maigin und Maigne bei Hogan) angehört haben
sollen, möchte ich deshalb inhaltlich nicht für richtig halten.
Es könnte sich höchstens um eine spätere Verschmelzung
handeln.
Wir sehen also, dafs Stämme der Erainn vom äuXsersten
Westen Irlands (Corcaguiny) bis nach Schottland hinüber an-
sässig waren. Es liegt daher an und für sich keine Wahr-
scheinlichkeit vor, dafs die Ausbreitung von einem der äufsersten
beiden Punkte ausgegangen sei; wir würden, wenn wir weiter
gar keine Anhaltspunkte besälsen, auf eine Gegend irgendwo
in der Mitte, also in Mittel- oder Nord -Irland raten. Dafs
die irischen Geschichtsschreiber in historischer Zeit die Heimat
der li^rainn nach Munster verlegten, erklärt sich daraus, dafs
sie sich eben dort am längsten als Volk von politischer Be-
deutung erhalten hatten, so dafs ein Fehlschluls in dieser
Beziehung sehr nahe lag.
Einen Einwand mufs ich noch vorerst aus dem Wege
räumen, bevor ich weiter gehe.
In dem Epos der Täin spielen die firainn fast gar keine
Rolle, was sehr merkwürdig scheint, wenn sie tatsächlich bis
zum 1, Jahrh. n. Chr. in Ulster gelebt haben sollten. Diese
Tatsache steht jedoch mit unserer Hypothese nicht im geringsten
in Widerspruch.
Es kann nämlich gar keinem Zweifel unterliegen, dafs
die historischen Ereignisse, die der Täin als Grundlage dienen,
nicht in die Zeit um Christi Geburt, sondern kaum früher,
als in das erste Viertel des 4. Jahrh. n. Chr. gesetzt werden
dürfen. Das Verdienst, als Erster darauf hingewiesen zu
haben, gebührt John Mac Neill, der auf eine Stelle im Buch
von Armagh (8. Jahrh.) aufmerksam machte, wo es heilst,
dals der heil. Patricius einen Riesen vom Tode erweckte, der
ihm erzählte, dafs er „unter d^r Regierung des Cairpre Nio Fer
BEITRAGE ZUR ÄLTESTEN GESCHICHTE IRLANDS. 337
vor 100 Jahren" erschlagen worden sei (LA 14 a 2). Daraus
folgt, dafs man im 8. Jahrh. davon überzeugt war, dafs Coirpre
Nio Fer noch so spät, wie um 332 n. Chr. regiert hatte, dafs
also, weil Coirpre als Zeitgenosse und Bruder Ailills von Con-
nacht galt, die in der Täin verherrlichten Ereignisse um
jene Zeit stattgefunden hatten. Im 8. Jahrh. besafs man
gewifs noch genauere chronologische Aufzeichnungen aus
älterer Zeit und es ist auch erfahrungsgemäls bestätigt, dals
irische Daten um so sicherer sind, je älter sie belegt sind,
da man später immer mehr daran ging, Ereignisse der Vor-
zeit künstlich recht weit zurückzuverlegen.
Wenn die Erainn zur Zeit der Täin, zu Anfang des vierten
Jahrhunderts, schon Ulster verlassen hatten, so können sie
natürlich im 1. Jahrh. noch recht gut in Nord -Irland gewohnt
haben und von einem Widerspruch der Überlieferung braucht
hier keine Rede zu sein.
Schon der häufige Ausdruck Erainn Muman : „Erainn von
Munster" (z. B. LL 14 a 9, LU 51b 8, Hogan s. v.) zeigt uns,
dafs es auch anderswo Erainn gegeben haben muXs. O'Flahertys
Ogygia (S. 301) entnehme ich, dafs das nur die Erainn TJlad
„;6rainn von Ulster" gewesen sein können. Wir haben nun
eine Reihe von Traditionen, die darauf hinweisen, dafs man
sich im alten Irland einstmals noch sehr wohl der Tatsache
bewufst war, dafs Ulster die älteste Heimat der ifcrainn
gewesen war.
O'Flaherty berichtet uns (Ogygia S. 266) : „Fiacha Fer
Mara . . . aus dem Geschlechte des Eremön erzeugte einen
Sohn Ailill Erann, der in Ulster Ländereien erhielt und von
dessen Beinamen später die Erainn benannt worden sind . . .
Deda, der Sohn des Sen und Enkel des Ailill Erann wurde
von den Söhnen des Königs Rudraige aus Ulster vertrieben . . .
und erlangte die Herrschaft über Munster." Vgl. auch S. 122:
„Deda, der Sohn des Sen . . . vom Stamme Eremons wurde
aus Ulster nach Munster vertrieben."
Bei Keating (II 231) heilst es: „Wisse, oh Leser, dafs
die Erainn von Munster und die Dal Riada von Schottland
Nachkommen dieses Conaire sind und dafs die Erainn zur
Zeit des Duach Dallta Deaghaidh nach Munster gekommen
waren. Und nach dem Psalter Cormacs waren es die Nach-
3d8 JULIUS t>OKORNY,
kommen des Rudraighe (die Ulster -Leute), die sie nach Munster
vertrieben, nachdem sie sie in acht Schlacliten besiegt hatten."
Diese Tradition läfst sich bis ins 9. Jahrh. zurückverfolgen,
wie aus folgender Stelle hervorgeht (H. 2.1., p. 90, Bß 139 b,
LL 324 e): „Es gab 12 Hauptstämme der Erainn und 24 For-
slointi (Unterabteilungen), indem jeder Stamm 2 Forsloinniu
hatte; nämlich in 11 Hauptstämme zerfiel Dal Cete und aus
einem Hauptstamme i) bestand Dal mBairdine (d. h. die Nach-
kommenschaft des Oengus, Sohnes des Echu, Sohnes des Bairr-
dene Rigbard von dem die Mairtine^) abstammen) nach ihrer
Vertreibung aus Leth Cuinn {== Nord -Irland), denn bis dahin
hatte eine gleiche Teilung (natürlich Nord -Irlands) zwischen
Dal Cete und Dal mBairdine stattgefunden. Die Erainn hatten
nämlich in zehn Schlachten über die Ulsterleute und die Ulster-
leute in acht Schlachten über die Erainn gesiegt."
Wir erfahren also hier, dals die Erainn ehemals ganz
Nord -Irland beherrscht hatten und erst durch die Ulsterleute
von dort nach Süden vertrieben worden waren; in geschicht-
licher Zeit finden wir nämlich die Dal mBairdine und Dal Cete
in Munster. Dals es sich in diesem Falle nicht um eine
gelehrte, künstliche Tradition, sondern um echte historische
Überlieferung handelt, geht aus einer ganzen Reihe unver-
fänglicher Indizien hervor.
Die Müscraige von Munster sind in geschichtlicher Zeit
die bedeutendsten Vertreter der Erainn. Mac Firbis (p. 388)
kennt hingegen noch Müscraige in Nordost -Irland (im Gebiete
der Dal Riada), die auch Dal Maithe genannt werden.
Hogan führt Dal Condaid in Corcaguiny (West -Munster)
und ebenso in Ulster (hier Condaith geschrieben) an.
In dem noch aus dem 8. Jahrh. stammenden Text De shil
Conairi Möir (Eriu VI 143 f.) wird erzählt^ dafs Etei-scel, der
Vater des Conaire, des Nationalheros der Erainn, seine Gattin
mit „neun oder fünfzig Ulster -Kriegern" den Elfen entriCs
und dafs seine Tochter für ihn auf Sliab Fuait und Sliab Gerg
^) BB hat im (iegensatz zu den anderen Hss. : en aicmt dec do Dail
Bairddene.
*) Ich möchte hier die Frage aufwerfen (die ich ans Mangel an Material
nicht beantworten kann), ob nicht die Namen Mairtine und Dal mBairdine
identisch sind?
BEITRAGE ZUR ALTKSTEN GESCHICSTE tRLANDS. 339
das Vieh hütete. Da beide Berge in der Grafschaft Armagh, im
östlichen Ulster liegen, müssen wir hieraus und aus der ersteren
Stelle schlieisen, dals Eterscelae in Ulster zu Hause war.
Für eine nördliche Heimat der Erainn könnte man vielleicht
auch geltend machen, dals (F. M. 3656) der sagenhafte König
Tighernmas in der Schlacht von Cül Fobhair, östlich des Lough
Corrib in der Grafschaft Galway, gegen sie gekämpft haben soll.
Im allgemeinen Zusammenhange ist jedenfalls wichtig,
dals die verschiedenen Hen'schergeschlechter der Erainn in
den gelehrten Genealogien manchmal von Eremön abgeleitet
werden (hier könnte allerdings etymologische Spekulation mit-
gespielt haben), da Eremön bekanntlich als der Ahnherr der
milesischen Geschlechter Nord -Irlands ^alt, also damit gesagt
wird, dafs man auch die Herkunft der Erainn aus Nord -Irland
ableitete. So nennt Keating (II 269) den Conaire M6r einen
Nachkommen des Eremön, die Erainn werden in LL324e
auf Oengus Tiiirbech, einen Nachkommen Eremöns zurück-
geführt usw. Sonst wird als ihr Ahnherr in der Kegel Ith,
ein Onkel des Mil bezeichnet.
Nur durch die Annahme einer nördlichen Heimat der
Erainn erklärt sich die bemerkenswerte Tatsache, dals sich
unter den 14 Bürgen des Fergus Mac Roig (Täin B6 Flidais,
Eriu VIII 140), die naturgemäls ausschliefslich aus Ulster-
Leuten (und zwei Helden aus der Gegend von Howth, die
offenbar damals der Herrschaft des benachbarten Ulster unter-
stand, wie ja auch Mag Breg zur Zeit der Täin teilweise zu
Ulster gehörte) bestand, auch Lügaid Lämderg der Sohn des
Deda befand; zur Zeit der ersten Fixierung der Sage muls
man sich noch dessen bewulst gewesen sein, dafs die Clanna
Dedad, die Erainn, bevor sie nach Munster auswanderten, in
Ulster gewohnt hatten; die Bürgschaft eines Munster -Helden
in einer Angelegenheit, die ausschliefslich Ulster betraf, wäre
völlig unverständlich.
Ich bin fest überzeugt, dals auch Cü Röi ursprünglich in
Ulster zu Hause war.
Zwar wird der Schauplatz der Cü Roi-Sage später all-
gemein nach Südwest -Irland verlegt, wo man heute noch
seine Burg Caher Conree zu zeigen pflegt, aber wenn die
Erainn von Ulster nach Munster gewandert sind, so mulsten
340 Julius t»oKORNY,
sie natürlich auch ihre Sagen dorthin mitgenommen haben.
Wir werden deshalb die Momente, die nach Norden weisen,
gerade wegen ihres scheinbaren Widerspruches zur damaligen
Siedlung der Erainn für besonders wichtig halten dürfen.
In der ältesten Version der Sage (oben IX 190 f.) finden
wir eine Reihe von Anhaltspunkten für deren nördlichen
Ursprung und nichts, was dagegen spräche. Schon wenn es
in §1 heilst: „Niemand von den Ultern wufste es, Cü Roi
allein ausgenommen", kann man die Stelle so auffassen, als
ob auch Cü Röi zu den Ultern gerechnet worden wäre. Der
Berg Sliab Mis, auf dem sich die Festung Cü Rois befunden
haben soll, liegt zwar in Kerry, aber es gibt einen nicht
weniger bekannten Berg desselben Namens in der Grafschaft
Antrim. i)
Wenn es in § 12 heifst, dafs das Grab der Gattin Cü Röis
oc Luimniuch sei, so mufs das durchaus nicht die Shannon-
Mündung sein, wie Thurneysen übersetzt, da es auch ein
Luimnech in Ulster gibt, nach Hogan wahrscheinlich Limerick
Point bei Cushendall in Antrim. Dafs die Topographie in
diesem ältesten Texte nordirisch ist, wird auch dadurch wahr-
scheinlich, dafs die wichtigsten Ereignisse sich ja gegenüber
der schottischen Küste abspielen. Wir müssen uns ferner vor
Augen halten, dafs die ältesten Sagen rein lokale Stammes-
sagen waren und nur die Ereignisse im Stamme selbst oder
wenigstens unweit der Grenze behandelten. Die Todfeindschaft
zwischen einem Bewohner Nordost -Irlands (Cü Chulainn) und
einem, der im äufsersten Südwesten gewohnt haben soll (Cü Röi),
ist von diesem Standpunkte aus nicht recht verständlich und
wird klarer, wenn wir annehmen, dafs auch Cü Röi dereinst
in Nordost -Irland zu Hause war. Für eine uralte Feindschaft
zwischen Ultern und Erainn spricht auch das Lied in Windischs
Täin S. 833, das vom Standpunkt der Täin aus, wo die Erainn
keine Rolle spielen, nicht recht verständlich wäre.
Cü Chulainns Abenteuer bei Srüb Brain (Rev. Celt. XV 450,
Eriu n 23) wird man aus demselben Grunde lieber nach dem
») In § 7 heilst es, dafs Cathir Con Röi „Her t 7 muir aniar" liege.
Thurneysen läfst i unübersetzt; es kann wohl kaum etwas anderes, als
der Name der Insel lona sein, vielleicht auch der verloren gegangene Name
einer anderen kleinen Insel au der Nordküste Irlands.
BEITRÄGE ZUR ÄLTESTEN ßESCHICHTE IRLANDS. 341
Sriib Brain im NO von Donegal (vgl. Hogan) als nach Kerry-
verlegen, und dafs die Ermordung Blathnats durch Ferchertne
bei Cenn Bera in Ulster (Windisch, Täin, S. 877 Anm. 4, ferner
oben IX 223) stattgefunden habe, ist auch ziemlich sicher.
Wenn ferner Cii Röi in LL 202 a 23 als mal Maige Miss (: friss)
als Fürst von Mag Miss bezeichnet wii^d, so läfst sich das nur
erklären, wenn Cü Röi in Ulster zu Hause war, denn ein Mag
Miss lälst sich aulserhalb Ulsters (Hogan s. v.) nicht nachweisen.
Schlief slich wird uns jetzt auch klar, weshalb Cü Roi in
der Täin so gut wie gar keine Rolle spielt, während er doch
sonst in wichtigen Beziehungen zu Ulster steht. Bekanntlich
sind in der Täin nur die einzelnen Helden mythischer Natur,
während das, was wir über die Völker und ihre Bewegungen
erfahren, entschieden historischen Charakter trägt. Da nun
die Erainn zur Zeit der Täin bereits zum gröfsten Teil nicht
mehr in Ulster safsen, brauchten sie und somit auch ihr König
im Epos naturgemäls keine Rolle mehr zu spielen, und die
lose Verknüpfung läfst deutlich erkennen, dafs man sie erst
nachträglich angeführt hatte, um möglichst alle wichtigeren
Völker als Gegner von Ulster auftreten zu lassen und dadurch
dessen Widerstand als noch glorreicher darzustellen.
Die Beziehungen Cü Röis zu Cü Chulainn müssen hingegen
aus einer Zeit datieren, da die Erainn noch vollzählig in Nord-
Irland safsen; dafs Cü Chulainn ebenso in jener frühen Zeit,
wie auch in der Täin auftritt, darf uns nicht wundernehmen,
da er als ausgesprochene Mythengestalt an keine historische
Zeit gebunden war. Seine historische Beschränkung auf das
Zeitalter der Täin ist erst viel später erfolgt, als man die
Götter allgemein zu Menschen degradierte.
Wir werden jetzt auch die gelegentlich auftauchende
Tradition, welche die Dal Fiatach von Ulster von den Erainn
herleiten will, mit etwas anderen Augen betrachten müssen.
Oben Vni 292 heilst es, dafs Fiacha Fer Mara gleichzeitig
der Ahnherr der Nachkommen des Conaire in Munster, der
Männer von Schottland, der Däl Riada und der Däl Fiatach
in Ulster gewesen sei. Sowohl in Rawl. B 502, 143 a 14 wie
in BB 170 b 15 wird gesagt, dals die Däl Fiatach eigentlich
keine Ulter seien und nur in deren Gebiete wohnten, sondern
vielmehr von Cü Röi, dem Sohne des Däre, abstammten.
Zeitschrift t. celt. Philologie XII, 3. 23
34^ JULIUS POKORNY.
Sonst werden die Däl Fiatach im allgemeinen von Sen,
dem Vater des Deda oder Echu abgeleitet (z. B. oben YIII 337,
F. M. 37 A. D. usw.), und weiter bis auf Eremon zurückgeführt.
Auch O'Flaherty (Ogyg. 301, 266) berichtet, dafs „Fiatach Finn
(der Ahnherr der Dal Fiatach) von den Erainn Ulsters ab-
stamme" und dals die ursprünglich einheitlichen „Erainn später
in die Clanna Dedad von Munster und die Dal Fiatach von
Ulster zerfallen wären". Auch Keating (II 237) läfst Fiatach
Finn von Ailill Erann abstammen.
Dafs in den künstlich fabrizierten Genealogien (es handelt
sich da nur um die Verlängerung der echten Stammbäume
über den eponymen Ahnherrn hinaus) die Dal Fiatach mit den
Dal Riada auf einen gemeinsamen Ahnen zurückgeführt wurden,
erklärt sich aus ihrer Nachbarschaft und ist weiter nicht
verwunderlich. Dafs sie aber auch mit den in historischer
Zeit in Munster wohnhaften Erainn verknüpft wurden, läfst
sich nur in dem Sinne deuten, dafs man sich damals ihrer
nördlichen Urheimat noch bewufst war.
Ebenso erklärt sich die Überlieferung, dafs Ir (lar), der
Sohn des Ith, der später erfundene Ahnherr sämtlicher Erainn,
sich zuerst mit Eremon im Norden Irlands niedergelassen habe,
wo er der Ahnherr der Dal Müsca, Dal mBaiscinn und Dal
nDuibne geworden sei, die erst später, zur Zeit des Ailill Olom,
nach Munster ausgewandert wären (LL 324 b). Schon Rhys
hat die richtige Vermutung aufgestellt, dafs jener Ir (lar)
ursprünglich waFscheinlich mit dem Ir (lar) mac Miled dem
Ahnherrn der Ulter identisch gewesen sei (Studies in Early
Ir. Hist., p. 29), wenn auch seine Schlulsfolgerungen gänzlich
falsch sind, da er von der irrigen Gleichung Erainn = Iverni
verblendet war. Wenn die Erainn dereinst vollzählig in der
Provinz Ulster gewohnt hatten, so ist es nicht weiter wunder-
bar, dafs man sie genealogisch nicht blofs mit den Dal Fiatach,
sondern mit sämtlichen Ultern zu verknüpfen suchte.
Für den ursprünglichen Wohnsitz der später nur in Munster
wohnhaften Clanna Dedad in Ulster spricht auch die Genealogie
in Rawl. B 502, p. 157, 20 (ebenso oben VIII 331), wonach
Buachaill und Conall Cass, die eponymen Ahnherrn der Ulter-
Stämme der Dal mBüachallo und Cassraige als Söhne des Deda,
des Ahnherrn der l^rainn bezeichnet werden.
BEITRÄGE ZUR ÄLTESTEN GESCHICHTE IRLANDS. 343
Die bisher beigebrachten Beweise für die einstmalige
Heimat der Erainn (und daher auch der Däirinne) in Ulster
wird man wohl für genügend erachten dürfen. Wir können
aber sogar noch eine Zwischenstation auf ihrer Wanderung
nach dem Süden mit Sicherheit feststellen. Keating erzählt
(n 100): „Als Fiachaidh Muilleathan König von Munster war,
brachte Cairbre Muse, ein Edelmann vom Stamme Eremöns,
ein Gedicht zu Fiachaidh und erhielt alles Land zwischen
Ballaghmore und Cnockainy als Belohnung dafür, wie wir im
Buche von Armagh lesen."
In dem altirischen Text De maccaih Conaire (Eriu VI 144 f.)
erfahren wir, dafs die drei Söhne Conaires, des Königs der
Erainn, nämlich Cairbre Muse, Cairbre Baiscinn und Cairbre
Riada ursprünglich in Mag Breg (d. h. im südlichen Ulster
und nördlichen Leiuster, dem Lande zwischen den Bergen,
nördlich Dundalk und dem Liffey) zu Hause waren, und erst
nach dem Tode ihres Vaters nach Munster auswanderten.
In dem nicht weniger alten Text De Sil Conairi Möir (ib.
VI 130 f.) wird gesagt, dals Cairbre Muse ac Müscrai[gi]b
airthir Breag geboren wurde und dals er erst von Mag Breg
nach Munster ausgewandert sei. Die Müscraige airthir Breg
(Muscraige aus dem Osten von Mag Breg) werden von Mac
Firbis (p. 387) ausdrücklich als ein historisches Volk erwähnt,
und da auch die alte Liste der primscela in LL 190 b eine
Erzählung Tochomlad Muscraigi de Maig Bregoin anführt,
womit offenbar oben genannter Text gemeint ist, werden wir
an dem Alter der Tradition nicht zweifeln dürfen. Dazu
stimmt auch, dals als die Provinz des Deda mac Sin in
BB 31b 15 Coiced Släinge genannt wird; aus Keating (I 107,
193) und den bei Hogan zitierten Stellen erhellt klar, dafs
damit nur Leinster gemeint sein kann, wo auch Inbher Släinge
{= Firth of Slaney,^ Wexford) liegt. Der südliche Teil von
Mag Breg, wo die Erainn (d. h. die Müscraige) bezeugt sind,
gehörte nämlich zu Leinster, der Teil nördlich des Boyne zu
Ulster. Wenn König Siorna Saoghlach (F. M. 4169) die Mairtine
und Erainn in der Schlacht bei Boughna Bog, Kilbride, West-
Meath geschlagen haben soll, so setzt auch diese Nachricht
einen nordöstlichen Wohnsitz unseres Volkes voraus.
Eine wichtige Bestätigung erhält meine Annahme eines
23*
344 JULIUS POKORNY,
Wohnsitzes in Nord-Leinster duicli die altirische historische
Erzählung von der Auswanderung der Deissi (Eriu III 135 f.,
Anecd. 1 15f.). Hier wird erzählt, dafs die Vasallenvölker
(deissi), die beiderseits des unteren Boyne (Eriu III 142) wohnten,
aus Mag Breg weiter nach Süden, nach Leinster vertrieben
worden seien, da einer ihrer Fürsten, Oengus, Sohn des Art-
chorp, dem Könige von Tara, Cormac mac Airt, schwere Un-
bill zugefügt hatte. Sowohl die ältere wie auch die jüngere
Version jener Erzählung berichtet uns nun, dals sich Gore
Duibne, der Ahnherr der Corco Duibne, als Geisel in Gesell-
schaft jenes Oengus befunden habe und die junge Version
erzählt uns ausführlich, dals Gore Duibne, der Sohn des Gairbre
Muse die Deissi auf allen ihren Wanderungen bis nach Süd-
Irland hin begleitet habe. Die Angabe, dafs Gore „als Geisel"
der Bewohner des äulsersten Zipfels von Südwest -Irland in
Tara geweilt hätte, ist schon aus rein historischen Gründen
für jene frühe Zeit nicht ernst zu nehmen, um so weniger,
als der ganze Mann überhaupt nur aus dem Namen des
Stammes Corco Duibne fabriziert worden war. Die betreffenden
Stellen können also nur bedeuten, dafs der Stamm Corco Duibne
früher am Unterlaufe des Boyne gewohnt hatte und samt
anderen Stämmen zur Zeit des Gormac mac Airt nach Süden ver-
trieben worden sei. Vgl. auch, was oben (338) über Dal Condaid
gesagt ist. Wir haben also deutliche Beweise dafür, dafs die
Corco Duibne, einer der Hauptstämme der Erainn, von Ulster
nach Mag Breg und ei-st von dort nach Munster gekommen
sind. Man wird dieses sicheren Beispieles wegen auch an-
nehmen dürfen, dals die als Teile der Deissi genannten Corcu
Dltha di Ernaih, Gabraige, Uraige, Corcu Dimaine di Ddirinfnjiu,
Dal Maie Con di Ddirinfnjiu, Dal Luigni di Ernaih und Dal
nUid(i)ni nicht erst zur Zeit Eithnes im zweiten Viertel des
5. Jahrhs. n. Chr. zum Heere der Deissi gestofsen, sondern von
altersher mit diesen aus Mag Breg fortgezogen waren.
Ein ganz deutliches Zeugnis dafür, dals die Därinne
(= Corcu Loigde) einmal in Leinster gesessen hatten, läfst
sich übrigens aus demselben Texte beibringen.
In § 26 (Gymmrodor XIV 132) heilst es nämlich: Moalle
longsigset Osairgi 7 Corco Laigdi, . . . ar fit heside] gabsat 0
Chommur tri n-usce co Birra. Lagin inimurgu batar hi tir
BEITRÄGE ZUR ÄLTESTEN GESCHICHTE IRLANDS. 345
Osairge co Heochair anair i) „Gemeinsam wanderten die Männer
von Ossory und die Corcu Loigde in die Verbannung . . . denn
sie sind es, die das Land vom 'Meeting of the Three Waters'
bis nach Birr innehatten. Die Leinsterleute also wohnten im
Lande von Ossory bis östlich Eochair."
So haben sich also die Därinne nach ihrer Auswanderung
aus Ulster eine Zeitlang im südwestlichen Leinster aufgehalten.
Dalö Erainn" zusammen mit den Deissi nach Munster
gezogen seien, berichtet auch Keating (II 312): „Die drei
Söhne des Fiacha Suigde teilten ihr Land in Munster in drei
Teile und sie werden die Nachkommen des Ailill Erann und
die Erainn genannt. Aber das sind nicht die richtigen Erainn,
denn dieser Name kommt nur den Nachkommen des Conaire
zu. Gore Duibne, der Sohn des Cairbre Muse war der Führer
der Nachkommen des Fiacha Suigde, die nach Munster kamen
und diese Nachkommen hielsen die Deissi." Mit anderen Worten:
Die Deisse in Munster werden auch Erainn genannt, aber es
sind nicht die riclitigen Erainn, und sie erhielten diesen Namen
nur, weil sie unter Führung eines Stammes der Erainn, der
Corco Duibne, nach Munster gekommen waren.
Es handelt sich jetzt nur mehr darum, die Chronologie
der Wanderungen der Erainn festzustellen. Mac Carthy hat
nachgewiesen, dafs die erste synchronistische Geschichte Irlands
etwa aus dem Jahre 600 stammen kann. Ferner wurden offen-
bar in den Klöstern Ostertafeln geführt, in die alle wichtigen
Ereignisse eingetragen wurden. Wir dürfen annehmen, dafs
etwa vom Jahre 450 an die Klöster genug festen Fuls gefalst
hatten, um derartige Aufzeichnungen führen zu können. Die
Aufzeichnung historischer Erzählungen als Literatur dürfte
hingegen kaum vor 500 begonnen haben und da die mündlich
fortgepflanzte Geschichte hoch gerechnet auf eine hundert-
jährige, einigermalsen sichere Chronologie zurückblicken könnte,
so wird man als äulserste Grenze einer glaubwürdigen
Chronologie das Jahr 400 n. Chr. annehmen dürfen. Die
irischen Synchronisten und Chronologen des 11. Jahrhs. wird
man also im günstigsten Falle höchstens bis zu diesem Zeit-
') Der Herausgeber druckt irrtümlich: . . . co Birra Lagen i mbatar
hi tir Osairge . . . was keinen Sinn gibt. Die Richtigkeit meiner Lesart
erhellt aus der Parallelstelle in Anecd. II 63. —
346 JULIUS POKORMY,
punkte als zuverlässig anerkennen können. Was darüber
hinausgellt, ist bei ihnen nicht nur in ungenauer, sondern in
geradezu irreführender Weise behandelt, wie das Beispiel von
Cathäir Mär zeigt (Mac Neill, Popul. Groups, § 58, 59), der
von den irischen Synchronisten um 100 — 200 Jahre zu früh
angesetzt wurde. Zimmers Urteil (Sitzber, Preufs. Ak. 1911,
S. 211) ist daher gründlich zu revidieren. Ein Mittel gibt es
hingegen, die Chronologie auch über das Jahr 400 hinaus
wenigstens annähernd festzustellen, und das sind die mündlich
durch viele Jahrhunderte fortgepflanzten Genealogien, soweit
sie echt, d. h. nicht durch spätere gelehrte Machenschaften
entstellt sind. Ihnen ist in jedem Falle vor den Aufzeichnungen
der Geschichtsschreiber der Vorzug zu geben. Am unverfäng-
lichsten sind manchmal die Genealogien, die in alten Sagen
eingestreut sind; sonst liegt oft der Verdacht einer gelehrten
Umarbeitung nahe.
Im 1. Jahrh. n. Chr. müssen die Erainn (d. h. die Därinne)
laut den Karten des Marinus von Tyrus noch vollzählig an
der Nordostseite Irlands gesessen haben. Da die Erainn in
der Täin keine Rolle mehr spielen, müssen sie (d. h. der über-
wiegende Teil, mit Ausnahme der Dal Riada) noch vorher
nach Mag Breg ausgewandert sein; ihre Auswanderung mufs
also vor den Jahren 800 — 330 erfolgt sein.
Die älteste historische Darstellung (oben IX 472) setzt
den König Duach Dalta Dedad, während dessen Regierung die
Erainn aus Ulster vertrieben worden sein sollen, von 29 — 19
V. Chr. an, was historisch gänzlich undenkbar ist. Entweder
ist die Regierungszeit des Duach viel zu früh angesetzt, oder
aber der Bericht ist falsch, dafs zu seiner Zeit die Erainn
vertrieben worden wären. Ich halte beides für unrichtig;
die Jahreszahl aus historischen und den erwähnten Gründen,
und den anderen Bericht deswegen, weil der Verdacht einer
so beliebten etymologischen Spekulation nahe liegt. Dalta
Dedad „Pflegesohn des Deda" ist höchstwahrscheinlich nichts
als eine mythische Affiliation, wie Mug Nuadat „Diener des
Nuado" u. ähnl, da Deda als mythische Persönlichkeit anzu-
sehen ist (oben S. 332), was dann später wörtlich aufgefalst
und mit den Clanna Dedad in Munster in euhemeristischer
Weise verknüpft wurde.
BEITRÄGE ZUR ÄLTESTEN GESCHICHTE IRLANDS. 347
Einen sicheren Anhaltspunkt für die Auswanderung der
Erainn nach Mag Breg (in dessen Mitte Tara lag) glaube ich
darin zu finden, dafs als der erste Herrscher Nord-Leinsters
und Taras vom Stamme der Erainn, Eterscelae, der Vater
Conaires, in den Listen der Könige von Leinster und Irland
erscheint.
Dafs, wie früher erwähnt, seine Herkunft aus Ulster noch
klar hervorgeht und er andererseits durch Nuado Necht von
Leinster erschlagen worden sein soll, spricht ebenfalls dafür,
dafs die Erainn unter seiner Führung sich Wohnsitze in
Nord -Leinster erkämpft hatten. Dafs dies nicht ohne Schwierig-
keiten geschah, beweist auch der sehr interessante Text (Eriu
VI 130 f.) über den Regierungsantritt seines Sohnes Conaire.
Die Erainn sind also unter der Führung des Eterscelae
Moccu leir aus Ulster nach Mag Breg ausgewandert, mit Aus-
nahme der Dal Riada, die in ihren Sitzen verblieben waren.
Wir können auch ziemlich genau feststellen, wann sie
von Mag Breg nach Munster weitergezogen sind. Ich habe
schon nachgewiesen, dafs die Corco Duibne, ein bedeutender
Stamm der Erainn, zugleich mit den Deissi aus Mag Breg
vertrieben wurden (Eriu III 136,15; Anecd. I 16,5 u. 18,6).
Da die Corco Duibne in historischer Zeit am weitesten westlich
von allen Stämmen der Erainn im äufsersten Südwesten
Munsters in Corcaguiny sitzen, wird man kaum annehmen
können, dafs sie später als die übrigen Stämme aus Mag Breg
fortgewandert seien, sie müssen vielmehr als die Ersten aus-
gewandert sein. Da wir aber keine Anhaltspunkte dafür
haben, dafs eine weitere Auswanderung von Erainn noch nach
der Vertreibung der Deissi stattgefunden hätte, werden wir
unbedenklich annehmen dürfen, dafs auch die Därinne, Müs-
craige und Corcu Bascinn zur selben Zeit Mag Breg verlassen
haben.
Wann fand aber die Auswanderung der Deissi statt?
Bisher haben alle Gelehrte unbedenklich die Angabe der
irischen Annalisten (z. B. F. M. 265 A.D.), wonach sie um das
Jahr 265 herum vertrieben worden sein sollen, für bare Münze
genommen. Aber auch hier sind die Annalen ebenso irre-
führend, wie in den anderen Fällen vor 400 n. Chr. Allgemein
wird die Regierungszeit Cormacs, während der jene Aus_:_
348 JULIUS POKORNT,
Wanderung stattgefunden haben soll, in die zweite Hälfte des
3. Jahrhs. n. Chr. verlegt. Aber wenn wir die unverfälschten
alten Sagentexte ansehen, ergibt sich ein ganz anderes Bild.
In der ältesten Version unserer Erzählung erfahren wir
nämlich (Eriu III 136, 28), dafs zur Zeit der Vertreibung der
Deissi durch Cormac in Leinst er Fiachu Baiccid, der Sohn des
Cathair Mär regierte. Da der Tod des Bressal Belach, des
Sohnes des Fiachu, für das Jahr 435 (A. U. und F. M.) sicher
bezeugt ist, mufs die Blütezeit des Fiachu etwa in die Zeit
von 375 — 405 gefallen sein, wenn man eine Generation zu
30 Jahren annimmt, was für jene kriegerische Zeit gewils
nicht zu wenig ist, wie sich jeder durch Betrachtung der
irischen datierbaren Königslisten leicht überzeugen kann.
Somit mufs die Vertreibung der Dessi aus Mag Breg in
das letzte Viertel des vierten Jahrhunderts verlegt werden.
Mit dieser Zeitangabe scheint aber in Widerspruch zu
stehen, dafs der König der Deissi, Brecc Mac Artchuirp, vor
deren Vertreibung durch Conlae Oss und Conlae Menn erschlagen
worden sein soll (Eriu III 142, Z. 235). Denn die beiden Brüder
gelten als die Eroberer von Emain, die um 332 n. Chr. an-
gesetzt wird; Conlae Menn soll dabei gefallen sein. Der Tod
des Brecc mulste also noch vor diesem Jahre erfolgt sein.
Wir könnten nun ohne weiteres annehmen, dals der ganze
letzte Abschnitt der Erzählung, der eigentlich ohnehin einen
Teil für sich bildet, erst im 8. Jahrh. von dem Schreiber der
Geschichte aus Eigenem -der alten Tradition angefügt worden
sei. Eine genaue Untersuchung der Frage hat mich aber zur
Meinung gebracht, dafs es sich vielleicht doch um eine alte
Tradition handeln könne und dafs vielmehr die Zerstörung
Emains nicht um 332, sondern frühestens 30 Jahre später
erfolgt sei. Aus den Genealogien, die auf Conlae Oss und seinen
Bruder Conlae Fochrich zurückgehen (oben VIII 322— 24), er-
geben sich nämlich die verschiedensten Daten, wenn man unter
Annahme einer Generation von 30 Jahren auf das Todesjahr
des Ahnherrn zurückrechnet:
Cumuscach m. Domnaill (322, 6) f 1074 — 19 Generationen
= 504 n. Chr.
Flaithbertachm.Diar'mata{ii22,2l) f 983 — 16 Generationen
= 503 n. Chr. ^ ^
BEITRÄGE ZUR ÄLTESTEN GESCHICHTE IRLANDS. 349
Cernach m. Suibne (322, 29 — 30) t783 — 16 Generationen
= 303 n. Chr.
DuhdaletU m. Sinaig (323, 4) f 792 — 8 Generationen
= 552 n. Chr.
Bonnacdn m. Fogartaig (323, 19) f 881 — 17 Generationen
= 371 n. Chr.
Becc m. Cumascaig (323, 26) f 782 — 18 Generationen
= 242 n. Chr.
Conchobur m. Conchaille (324, 12) f 1016 — 20 Generationen
= 416 n. Chr.
So grofse Divergenzen lassen sich nicht durch die Un-
genauigkeit der Berechnung erklären; es müssen sich Fehler'
in den Genealogien finden. Immerhin ist bemerkenswert, dafs
die überwiegende Zahl auf Seite eines recht späten Datums
ist. In den letzten beiden Fällen kommen wir übrigens zu
ganz anderen Daten, wenn wir von einem älteren Gliede, von
Coirpre Daim Argait (323, 22, 29) ausgehen. Wir werden so-
gar bei dieser Berechnung auf ein sicheres Resultat zählen
dürfen, und zwar aus folgenden Gründen.
Die erwähnten Genealogien sind fast alle erst im 11. Jahr-
hundert, also recht spät aufgezeichnet worden (VIII 416).
Wir haben ungefähr von 700 an durch anderweitige Zeugnisse
gesicherte Überlieferung. Andererseits werden aber die Glieder,
die älter sind als das Jahr 560, durch die aus dem 8. Jahr-
hundert stammenden genealogischen Erzählungen als richtig
überliefert erwiesen (Vni 317— 20, Rawl. B 502, p. 142a,b;
vgl. die alte Form ro-dn-alt in Rawl. p. 142 b 34). Somit kann
der Fehler nur bei den zwischen 560 und 700 angesetzten
Zwischengliedern liegen.
Coirpre Daim Argait ist samt seinen Vorfahren in dem
alten erzählenden Teile unseres Textes aufgeführt, so dafs
wir es als richtig anerkennen müssen, wenn er als der sechste
Nachkomme des Conlae Fochrich genannt wird.
Nach A. U. wäre nun Coirpre schon 513 gestorben, nach
F. M. erst im Jahre 560. Bei der bekannten Tendenz der
irischen Chronisten, Ereignisse der Vergangenheit möglichst
weit zurückzuverlegen, werden wir auch hier dem jüngeren
Datum der vier Meister den Vorzug geben, woraus sich dann,
350 JULIUS POKORNT,
ergibt, dals Conlae Fochrich, einer der Eroberer von Emain,
um 380 n. Chr. gestorben sein wird, also sein flo7-uit in die
Jahre 350 — 380 fällt.
Eine schöne Bestätigung erhält dies'e Annahme durch die
Notiz in F. M., dafs Colgu mac Loiti mic Cruinn mic Feidh-
limidh, der Herrscher von Oriel, A. D. 513 in der Schlacht
von Dedna gekämpft habe. Da genannter Feidlimid der Enkel
des Conlae Fochrich war (nicht dessen Sohn, wie O'D. meint),
mufs Colgu dessen fünfter Nachkomme gewesen sein. Wenn
wir das floruit des Colgu von 500 — 530 ansetzen, ergibt sich
für Conlae der Zeitraum von 350 — 380, also genau derselbe,
wie bei obiger Berechnung.
Das Erscheinen der Scotti im römischen Britannien wird
offenbar mit der Zurückdrängung der Ulter durch Conlae
zusammenhängen, wie Rhys richtig vermutet hat; Scotti wird
der Name sein, den die Briten den einfallenden Ultern gegeben
haben (zu ir. scothaim „ich schneide, zerhaue").
Jetzt begreifen wir natürlich auch, wieso der Fürst der
Deissi um 375 herum von den Brüdern des Conlae Fochrich
erschlagen werden konnte und wir werden somit auch die
Zerstörung Emains um wenigstens 30 Jahre herunterrücken
müssen. Das ist schon deshalb erforderlich, weil wir oben
festgestellt haben, dafs die der Täin zugrunde liegenden
historischen Ereignisse in die erste Hälfte des vierten Jahr-
hunderts gesetzt werden müssen, so dafs die Zerstörung von
Emain .nicht zur gleichen Zeit, sondern nur später erfolgt
sein kann.
Wie man sieht, ist also die irische Chronologie noch einer
gi'ündlichen Reform bedürftig. Da mir fast keine Quellen zu
Gebote stehen, kann ich hier nur einen bescheidenen Anfang
damit machen.
Nun können wir auch versuchen, die Regierungszeit des
Eterscelae, des Vaters des Conaire, zu berechnen. Vor allem
ist wichtig, festzustellen, dafs Cbrmac mac Airt durchaus
keine historische Person ist. Er ist eine alte Mythengestalt
(Rhys, Hibbert Lectures, p. 133f.; Mac Neil!, New Ireland
Review 1906, 143), die aus politischen Gründen euhemerisiert
und als Ahnherr der milesischen Dynastie von Tara dargestellt
BEITKÄGE ZUR ÄLTESTEN GESCHICHTE IRLANDS. 351
wurde. Mac Neill hat auch gezeigt, dals die milesische Tradi-
tion ursprünglich mit ihm begann (1. c. S. 201), so dafs seine
beiden Vorgänger Art und Conn selbstverständlich auch spätere
Erfindungen darstellen müssen. Die Gestalt des Conn Cetcha-
thach ist ganz deutlich aus den Ausdrücken Leth Ciiinn „Die
Hälfte des Freisassen", Sil Ciiinn „der Stamm des Freisassen"
abstrahiert worden, die zur Bezeichnung des stolzen milesischen
Herrschergeschlechtes Nord -Irlands von diesen angewendet
wurden (zur Erklärung des Ausdruckes „milesisch" siehe oben
XI 199 Anm.), während sie Süd -Irland Leth Moga „die Hälfte
des Sklaven" nannten.
Wenngleich so die Persönlichkeiten Cormacs und Conus
nicht historisch sind, können wir doch die mit ihnen in Zu-
sammenhang gebrachten Ereignisse zum Teil als historisch
fassen, da in gewissen Fällen einfach nur ihre Namen an die
Stelle wirklich geschichtlicher Personen aus dem Stamm der
unterworfenen Völker Nord-Leinsters gesetzt worden sind.
Wenn wir herausbekommen können, welcher Nachkomme des
Eterscelae mit den Dessi Mag Breg verlassen hat, ist für uns
die wichtigste Frage entschieden. Wir müssen dabei selbst-
verständlich von unten beginnen, gleichgültig, ob die älteren
Linien übereinstimmen, oder nicht, da die genealogische Un-
sicherheit in älteren Epochen natürlich immer gröfser wird.
Wir werden also aus der Tatsache, dals in älteren Texten
Conaires mütterlicher ürgrofsvater Eochaid Airem als Zeit-
genosse Conchobars galt, gar keine Schlüsse nach unten hin
ziehen dürfen. Schon deswegen, weil Conchobar nur ein
euhemerisierter Gott ist {dia talmaide heilst er in LU 101b)
und so mit historischen Ereignissen aus ganz verschiedenen
Epochen verknüpft werden konnte. Auch dafs Conaire als
Schwiegersohn des Conn Cetchathach galt, berechtigt uns zu
keinerlei chronologischen Schlüssen, denn erstens ist die Gestalt
des Conn eine gelehrte Erfindung und zweitens wurden die
weiblichen Seitenlinien der Milesier regelmäfsig dazu benutzt,
um einen künstlichen Zusammenhang zwischen diesen und
den älteren Stämmen Irlands zu konstruieren. Ebenso darf
man die Angabe, worin als der Führer der Erainn nach Munster
Coirpre Muse, der Sohn des Conaire genannt wird, chrono-
logisch nicht verwerten.
352 -- JULIUS POKORNY,
Schon Mac Neill hat mit Recht vermutet, dafs die Genea-
logien, die auf Conaire zurückführen, gelehrten Ursprungs
seien (allerdings darf man nicht alle so auffassen!), da di«
Müscraige, die von ihm abgeleitet werden, ja gar nicht einen
einzelnen Stamm, sondern vielmehr eine ganze Völkergruppe
darstellten, wie aus Mac Firbis Ausführungen klar hervor-
geht, also unmöglich auf einen Ahnherrn in verhältnismäfsig
so junger Zeit zurückgeführt werden können. Wenn wir
dann hören, dafs die Müscraige, Corcu Baiscinn und Dal Riada
auf drei Söhne des Conaire, nämlich Oengus Muse, Ailill Bais-
cinn und Eochaid Rigfota (oder Coirpre Muse, Coirpre Baiscinn
und Coirpre Rigfota) zurückgeführt werden, so werden wir
noch leichter an eine gelehrte Erfindung glauben können;
wir haben ja schon das Beispiel des Corc Duibne, des angeb-
lichen Ahnherrn der Corcu Duibne kennen gelernt, wo sogar
das Wort „Corcu", das soviel wie „Samen, Nachkommenschaft"
bedeutet, zur Erschliefsung eines Eigennamens „Corc" diente,
und Duibne, wie aus den Ogam- Inschriften hervorgeht, nichts
anderes ist, als der Name einer mythischen, eponymen Ahn-
frau. Es ist ganz klar, dafs die Person des Oengus oder
Coirpre Muse (schon die schwankenden x\ngaben über den
ersten Namen verraten die Willkür der gelehrten Erfinder!)
genau auf die gleiche Stufe mit der des Corc Duibne zu stellen
ist. Einen klaren Beweis für die Nicht -Existenz eines Coirpre
Muse in der ältesten Überlieferung als Ahnherrn der Müscraige
liefert uns aber ein genealogisches Fragment in H. 3. 17,
p. 753, wo es unter anderem heilst: „Die Genealogie der
Müscraige geht auf Ronia, den Sohn des Nuadu Argatläm
zurück." Mac Neill bemerkt mit Recht, dafs diese Notiz älter
sein müsse, als die übrigen genealogischen Berichte, da kein
Schriftsteller angesichts der ihm vorliegenden offiziellen Genea-
logien gewagt haben würde, einen Gott wie Nuadu Argatlä,m
in der Genealogie derart hervorragender Dynastien eigen-
mächtig einzuschalten. Sind so Coirpre oder Oengus Muse
und Corc Duibne als historische Führer der Erainn aus-
geschaltet, bleibt uns nur mehr Gnäthal übrig. Schon deshalb,
weil hier kein Verdacht einer volksetymologischen Fälschung
vorliegen kann und wir von Gnäthal sonst nicht oft hören,
werden wir dieser Tradition den Vorzug geben, da ein politischer
BETTRÄGE ZÜK ÄLTESTEN GESCHICHTE IRLANDS. 353
Grund zur Fälschung ebenfalls nicht vorhanden war. Thurn-
eysen irrt also, wenn er (oben XI 30) diese Überlieferung
für „später" hält, als die betreffend Coirpre Muse, da die
letztere zweifellos eine spätere Erfindung darstellt, was sich
aber bei ersterer nicht nachweisen läfst. Auch sprachlich
ist die Überlieferung betreffend Gnäthal nicht blofs sehr alt,
sondern nachweisbar älter als die bezüglich Coirpre Muse.
Lucius Gwynn (Eriu VI 143) scheint daraus, dals Gnäthal
„noch nicht" in dem Bericht über Cath Cind Ebrat in
LL 288 b 45 und Anecd. II 79 erwähnt sei, zu schliefsen, dals
seine Gestalt hier erst später eingeführt worden sei. In
dem Gedicht von Broccän Cräibdech, der im 10. Jahrh. lebte,
und das gleichfalls in LL (44b30) bewahrt ist, heilst es
nämlich, dals Gnäthal, der aus Leinster stammte, in jener
Schlacht gekämpft habe. Es ist richtig, dals vielfach (F. M.
186 A. D., Tig. ßC. XVII 10, XVIII 378 usw.) Coirpre Müsc,
Coirpre Baiscinn und Coirpre Riada als Verbündete der Söhne
des Ailill Olom in jenem Kampfe gegen Lugaid Mac Con und
Nemed Mac Sroibcliind genannt wurden, doch müssen wir die
drei Coirpres schon aus den obigen Gründen streichen, und
auTserdem weifs nicht blols LL 288 b 45 (RC. XIII 440) gar
nichts von ihrer Teilnahme an der Schlacht, die hier zwischen
Lugaid Mac Con und Eogan, dem Sohne Ailills ausgefochten
wird, sondern auch der älteste Bericht, den wir besitzen
(K. Meyer, Fianaigecht, S. 35) und der gewifs noch ins 8. Jahr-
hundert zu setzen ist, weiXs gar nichts von Coirpre Müsc, ja
kennt nicht einmal seinen Namen, obgleich vielfach Gelegenheit
dazu wäre, ihn zu nennen.
In den Berichten über jene Schlacht, die die drei Coirpres
als Mitkämpfer anführen, ist ferner sehr verdächtig, dafs hier
angeblich ein Teil der iferainn, nämlich die drei Coirpres, d. h.
die Müscraige, Corcu Baiscinn und Dal Riata auf Seite des
Ailill Olom, des Milesiers, und der andere Teil der Erainn,
nämlich die „Erainn Muman" und die Därinne auf Seiten
des Lugaid Mac Con, des Gegners Ailills gekämpft haben sollen.
Schon die Anwesenheit der Dal Riata, die Ulster nie verlassen
hatten, würde für unseren Verdacht genügen, aber die selt-
same Verteilung der Erainn auf die Gegenparteien macht das
Mals voll. Da ferner Ailill Olom, der einen giftigen Zahn^
354 JULIUS POKORNY.
besafs, dessen Bifs den Tod des Betroffenen binnen neun Tagen
herbeiführte, ebenso sicher eine Mythengestalt ist, wie Lugaid
Mac Con, dessen Söhne, die drei Fothads, Oendia, Caindia und
Trendia „der einzige Gott, der schöne Gott, der starke Gott"
liielsen, werden wir auch diese als Teilnehmer an der Schlacht
ausschlieCsen.
Es könnte zwar scheinen, dafs die Gestalt Gnäthals erst
von rationalistischen Schreibern an Stelle der Mythenhelden
gesetzt worden sei, aber dem widerspricht die Tatsache, dafs
in jüngerer Zeit die mythischen Traditionen ausschliefslich
zur Herrschaft gelangt waren und dafs gerade nachweisbar
in jene Periode der Vorgeschichte alte Mythengestalten von
den Gelehrten aus politischen Gründen an Stelle der ursprüng-
lichen Persönlichkeiten eingefügt worden waren, wie am besten
das Beispiel von Nord-Leinster zeigt, wo das unverfälschte
Ulster- Epos den Coirpre Nio Fer und dessen Sohn Erc als
König von Tara vorführt, während die späteren gelehrten
Herrscher -Listen von den beiden nichts wissen und an ihrer
Stelle künstlich fabrizierte oder der Mythologie entlehnte an-
gebliche Vorfahren der milesischen Herrscher eingeschoben
haben.
Die Erwähnung Gnäthals in LL 44 b 30 ist vielmehr ein
altes Fragment echter, vor-milesischer Tradition, ebenso die
Geschichte in Eriu VI 136, Zeile 75—90, die sprachlich älter
ist als die ältesten Zeugnisse über den famosen Coirpre Muse
(vgl. den Akk. Sing, hein, die Präposition in to-Uuid, die Relativ-
form ima-tanic usw.). Jene Geschichte ist ja nicht nur in
LL 190 b in der alten Liste der primscela erwähnt, auch die
Zeile 78 angeführte Redensart von der „Trauer Gnäthals in
Tara" zeigt, dafs es sich um eine allgemein bekannte Über-
lieferung gehandelt haben muls. Auch hier herrscht übrigens
schon eine Verwirrung bezüglich der kämpfenden Gegenparteien,
da Gnätlial als Bundesgenosse der Söhne des Ailill Ölom
gegenüber den Corcu Loigde (= Därinne) genannt wird.
Ursprünglich wird es sich (vgl. Fianaigecht, S. 35) offen-
bar nur um einen Kampf zwischen den Erainn und den Leuten
des Ailill Olum gehandelt haben, und die Schlacht bewahrt
somit entweder eine Erinnerung an die Einwanderung der
Erainn von Nordosten her, die sich gewifs nicht ohne Kämpfe
BEITRXGE ZUR ÄLTESTEN GESCHICHTF IRLANDS. 355
mit den früheren Bewohnern vollzog, oder aber an die Kämpfe
der Erainu mit (den von Gallien her) ebenfalls einwandernden
Milesiern von Cashel (vgl. Mac Xeill, Pop. Groups, § 44, Anm. 5),
möglicherweise sogar an beide Ereignisse, die vielleicht
gleichzeitig oder in kurzem Abstände voneinander erfolgt
waren.
Für uns ist wichtig, dals ursprünglich offenbar Gnathal
als Führer der Erainn bei ihrer Wanderung von Leinster
nach Munster galt, und dafs Verdachtsgründe, dafs seine
Person später unterschoben worden sei, nicht vorliegen.
Bezüglich des Verhältnisses Gnäthals zu Eterscelae liegen
zwei Berichte vor. Nach LL 324 a ist er dessen fünfter Nach-
komme, nach Eriu VI 133 dessen achter. Die Stelle in Eriu
gehört aber nicht zu dem alten Text, sondern ist deutlich
jüngerer Zusatz, so dafs wir der kürzeren Genealogie in LL
den Vorzug geben werden, um so mehr, als die längere auch
im einzelnen als gelehrtes Machwerk erwiesen werden kann.
Eterscelae würde, da Gnäthals Blütezeit etwa von 375 — 405
(gleichzeitig mit Fiachu Baiccid) anzusetzen ist, ungefähr
255 n. Chr. gestorben sein. Sicher ist das natürlich nicht,
aber wir haben doch einen annähernden Malsstab gewonnen,
wenn auch selbst die kürzere Genealogie unsicher genug ist.
Eine Art von Bestätigung erhält unser Ansatz dadurch, dafs
Coirpre Nio Fer, der, wie oben gezeigt, von 315 — 345 regiert
haben könnte, und somit gleichzeitig mit Gnäthals Grofsvater
Suaid gelebt haben würde, nach übereinstimmender alter Über-
lieferung der dritte Nachkomme des Nuado Necht von Leinster
war, der ja bekanntlich den Eterscelae getötet haben soll.
Nun ist aber jener Suaid ebenfalls der dritte Nachkomme
des von Nuado erschlagenen Eterscelae, so dafs wir wenigstens
für die innere Chronologie eine überraschende Übereinstimmung
erzielen können.
Da Eterscelae der erste Herrscher der Erainn war, der
über Leinster herrschte, werden die Erainn kurz vor der
Mitte des 3. Jahrh. n. Chr. aus Ulster nach Mag Breg
gezogen sein.
Es bleibt jetzt nur noch die interessante Frage zu ent-
scheiden, ob die Erainn echte Kelten waren, oder eine nur
oberflächlich keltisierte Urbevölkerung darstellten. Folgende
356 JULIUS POKORNY,
Tatsachen sprechen dafür, dafs das nicht -keltische Rassen-
element unter ihnen ziemlich stark gewesen sein muls.
Ailill Erann, ihr eponymer Ahnherr, gilt als Erfinder
des gae holgae (oben XII 196), einer Waffe der nördlichen
Urbevölkerung Irlands. Ferner war unter den Vorfahren des
Conaire Inzest verschiedenster Art besonders häufig (Rev.
Celt. XII 239). Die Schilderung der Mutter Conaires (Eriu
VI 135) liest sich wie die Beschreibung einer nicht -arischen
Zauberin. 1) Wenn sie als die Tochter eines Elfen bezeichnet
wird und mit Hilfe eines Elfenheeres ihrem Sohne zur Königs-
würde verhilft, so werden wir darin vielleicht einen Hinweis
auf ihre Beziehungen zu der vorkeltischen, geheimnisvollen
Urbevölkerung erblicken. Bezeichnend ist auch, dals der
einem Inzest entsprungene Crimthann Nia Näir, der nach
LU20b2 den Erainn angehörte, eine Frau besafs, die „aus
den Feenhügeln oder aus dem Lande der Pikten" stammte;
er soll der erste König von Tara gewesen sein, der sich
seiner Gattin zuliebe in den Grabhügeln des Boyne- Tales
beisetzen liefs (oben XII 223). Diese Überlieferung ist übrigens
zusammen mit der Bruiden Da Derga-Sage ein Beweis mehr
dafür, dals die Erainn dereinst in Mag Breg ansässig gewesen
waren. Endlich kommt dann noch in Betracht, dafs die
Därinne (Book of Rights, p. 256) als duind „braunhaarig"
bezeichnet werden, was sich aber leicht dadurch erklärt, dafs
sie sich eben in Südwest -Irland mit der dort wohnhaften
iberischen Bevölkerung stark vermischt haben werden.
Andererseits wieder hat Conaire, der König der Erainn,
„Haare, die wie geschmolzenes Gold leuchten" (Togail Bruidne
D. D. § 99). Wenn die Erainn manchmal Fir Bolg genannt
werden, so ist das jedenfalls in weiterem Sinne (oben XII 199)
zu verstehen, dafs sie nämlich nicht Milesier waren.
Auffällig ist, dals die Conaille von Muirthemne im süd-
lichen Ulster, die wiederholt ausdrücklich als Pikten bezeichnet
werden, gelegentlich (z. B. BB 152) Nachkommen des Deda
mac Sin, des Ahnherrn der Erainn genannt werden. Da sie
•) „Sie liels ihren Mantel bis zum Gürtel herniederfallen; schwarze
Flechten umflossen lose ihr Haupt. Einen grofsen, schwarzen Panzer
trug sie und giftige Zauberer schritten vor ihr einher."
BEITRÄGK ZUR ÄLTESTEN GESCHICHTE IRLANDS. 357
aber an anderen Stellen von ganz anderen Ahnen abgeleitet
werden (vgl. Mac Neill, Pop. Groups, § 121), so werden wir
daraus keine Schlüsse ziehen dürfen, es sei denn den, dafs
die Clanna Dedad, die Erainn, einst den Conaille benachbart
salsen und daher künstlich mit ihnen in eine genealogische
Verbindung gebracht wurden. Um aus jener Genealogie
schlief sen zu dürfen, dafs auch die Erainn piktischer Her-
kunft gewesen seien, müfste man meiner Ansicht nach noch
andere Beweise beibringen. Aufserdem aber halte ich es
nicht für glaublich, dafs man die Erainn als eines der drei
„edlen Völker" Irlands bezeichnet haben würde, wenn sie
vorwiegend vorkeltischer Herkunft gewesen wären. Nur
hatten sie sich offenbar, wie auch andere Völker, mit den
Urbewohnern in gewissem Grade vermischt.
Der Volksname der vorkeltischen „Ivernier" wird also
vorderhand aus der irischen Urgeschichte zu streichen sein;
jedenfalls aber hat er mit den Erainn nicht das Geringste
zu schaffen.
Wien. Julius Pokorny.
Zeitschrift f. celt. Philologie XTT, s. . 24
MITTEILUNGEN
AUS IRISCHEN HANDSCHRIFTEN.
(Fortsetzung.)
Schreibemotizen aus Rawl. B. 506.
fol. 10 b. Seaan o Cianan rosgrib an leabur sa d'Aghamli
0 Cianan fa coingeall gan esean da tabairt da neoch ele gan
cet da Seaan. 1)
5 fol. 2 a. As truag an tairling tue an meamrum ag leagad
oraind 7 co tuca Dia furtact duin uad.
fol. 17 b. Ata cailc ar in duillechan sa uili.
fol. 18 b. Bliadhain 7 raithi ataim sa baili sea im comli-
naidhi 7 budli sainnt lium dul ar cuairt bliadhna i crich eile
10 7 gur mhairea in mhuindter sa co fata buan .i. Brian mac
Aedhugan cona chlaind 7 Gormlaith 7 siat uili.
Cinäed hua Artagain .cc.
Buch von Fermoy, S. 38 b.
1 Doluidh Ailill isin caillid i Cül Breadh co mborrfadaibli:^)
15 Ailill ciarbo lir a lud, üadh Fir Cül co corrtharaibh.
2 Doluid Congal a cnoc Temrach a Themraigh n-aird n-
ogradaig,
conidh ö Congal co rennaibh dann Cellaigh, dann Con-
galaigh.
*) Vgl. Faelan mac agabann na scel do scrib in caidirni seo da thi-
gerrna carad companaig .i. don easpuc hui Cbeallaig .i. Muircertach 7 co
fogna do 7 na tabradh da «haraid in caidirne seo, Bwh von Hy Maine,
fol 111h.
') Darnach ist Hogan, Onomaaticon S, 318 s.v. CvlI Breg zu korrigieren.
MITTEILUNGEN AUS IRISCHEN HANDSCHRIFTEN. 359
3 Doluidh Diarmait leth re Gallaib a ndescert Breagh
iarnata,
conid üaid slardes im Temraig dann Cernaig meic Diar-
, mad[a].
4 Doluid Conall isin Cerna, robu reim co rigbladaib, 5
Conall norained for slüagib, conid [üaid] Hüi Irgalaidh
usw.
Cenela airecMa.
Auif H. 3. 18, S. 57 h, wo es unmittelbar auf den von Fräulein A. Poiver
in Anecdota V, S. 32 ff. veröffentlichten Text, den sie ' The Caldron of Poesy' 10
genannt hat, folgt,
Cis \ir cenela airechta dochusin la Fene?^)
Ni anse. A cöic: cülairecht^) 7 tsebairecht 3) 7 airecht
uirdnidhe'*) 7 airecht fo leth'^) et airecht fodesin.«)
Cülairecht^) äidiu, is a suide*) bit righ«) 7 espttici») 7 säi 15
gacha berlai ollawand ' >) (sie) 7 is aire is cülairecht, ") fo bith is
Tat all bis iar g[c]al na n-airechta'^) fri breth^*) 7 forus.^*)
Tsebairecht,!«) is a suidi bit senchaidi ^'') 7 ruirigi^)
{S. 58 a) 7 geill i») 7 rätha 20) et aitiriga 21) 7 is aire is
t8ebairecht,22) fo bIth is fri senchus") na senchaidi 7 is fri 20
rellad24) na sencad dobeir int airecht täeb.
Airecht uirdnidhe,2s) is a suide bit fechewam 7 aighnedha
oc idhnaidhe hrethi^^) cein bit brethewaiw fri tasbenad^^)
7 foros.28)
*) .i. cia 1er no cia lin d'ilchineluib fuil ar in airecht do reir iu
f6nechwis? *) .i. airecht bis ar ciil cäich ') .i. re tabair cach tsebh
*) .i. airecht certglan *) .i. airecht bis oc leithligA ac scrütäin na corach •
") .i. airecht bodein in ollaman hrethe ') .i. airecht bis ar cül chäich
*) .i. is isan iadha hTsin ") .i. oirecht bodein '") sie oc ") .i. int
oUam &\ed ") is aire räidhter nö aisueidter cülairecht ris ") .i. fon
fath is Tat na naill ar cül na n-airechtad alle '*) .i. do hxeith döibh
**) .i. fri firfls na hrethe sin '*) .i. int airecht re tabair cäch tsebh
") .i. is asan iadha hisin bTt na sin caidhe '*) .i. na rorig >^) .i. oirecht
boden ''°) .i. sicc occ ") .i. sicc oc *'*) .i. is aire räiter nö aisneidhter
tijebairecht ris '*) .i. is fri cae fis na senchatcZ "*) .i. i«n indws cüra
'*) .i. int airecht adubromar lomainn **) .i. ac nrnaidhe brethi ") .i. in
comfat bTt na brethemain fri- taisbenad a sgel do (echemnaib **) .i, in fis
ügh asa mberend a bre</te
24*
360 KÜNO METER.
Airecht fo leth,i) is a suidlii bit nadmaiid^) 7 catha
7 fiadam . Mmcc cor mbel'') . . och . . tiaghat saide con . . ch ni tedi
nech cucu-sum *) . . . it oc seis cöir. '^) Co tiaghat co «) cum-
nib glanaib i cräes na hairechta. "') 7 is aire is air^t«) {S.5db)
5 fo leth.
Airecht 9) fodesin, is a suidhi bit brethewain ^0) co ss
llnaib^i) deec airecta umpu. Naiscaire nodonaisc, sruithem
nodoseirn, traeta nodotrseta, fibt/ia dodacrecha, caichen doda-
naile, diabolcorach nodofille, slimredh nodonuiben, ard arcau
10 imodtoisi, con» condasecha, airlighe ardacleth, antengtaid
ardafeth, airecht nodanaig, hrethe (sie) nodobm {-her?), sui-
tengtaidh nodofethaigthear.i^)
Ein Gedicht in b^rla na flled.
Aus H. 3. 18, S. 52. Vgl. Archiv f. celt. Lexikographie 111 310.
15 1 Feochair mu luän^*) rem lesmac, ni ba te munba
turadh,^^)
nl do chloind Bhäiscne a Blärna, nocho dorn charna
cumall. 1*)
2 Cumall 18) nochonom li[s]-sa,i") öm chnis-[s]a ni clödh
20 ngäithi,
inann lern is menn ferba^^) tar eis Iseigh ella oidhcheJ»)
3 Is menn mairce mur geire, is taithnem greine i n-oidche,
cumall iö)do teighed mu luäin is toghmalP^) i foir
foinchi.23)
25 4 Is orc'*) i n-adba broine,^^) is täth cruä tar cniä,^«)
') .i. int airecht bis fo leth ac scrütSin na cüra ») .i. nascairidha
*) .i. aire consrengat *) a mesc cäich nocho tic cucudhsom *) . . ig oc
seis doreir cüir •) .i. co tiaghat co . . . . ') .i. i cräeslach na hairechta
») .i. aire raiter nö aisneidhtcr airecht fo leith ris *) .i. airecht moa . .
1») .i. is asan iadha hTsin bTt na brethemain uili *') .i. fri se iTnaib dec
uil doreir in fgnechais isin airecht ") .i. int aire cosreng ") .i. int
üasal bis ac srethnugud (vielleicht mit punctum delens unter n) dligid int
aire forgill ") Hier noch eine auf der Photographie, nach icelcher ich
kopiere, unleserliche Glosse. ") .i. mu tsebh ") .i. munba diles ") «0
chubhat ") no do chur rem slisa '*) .i. laegh bO do chur fa eilit
") no a ndiaid na heillti fuiche *•) .i. searrach eich fo rön mai'a **) .i.
mu taeib ") tomgmall Ms., mit Punkten über g und unter m ") en
toghain fo iiinnach '") .i. baub *') .i. flach '**) .i. cnesugud tar goimh
MITTEILUNGEN AUS IRISCHEN HANDSCHRIFTEN. 361
mu brü-sa ris ni berba, is dal ena tar luä.^)
5 Go roib comor gan cobha/^ gur brana brü na h^la,3)
nocho ndernsad lar fuine drai bus bhi blogha edha.<)
6 Eirgedh giraing a geibhe,^) eirgedh gerg a gurt loghain,^)
eirged orcan co hamra, adracht cormac ö conuibh. 5
7 Failte^) misi rem aicme mar cmpne») re cnüas faiscne,
is agum-sa^) ro thallatZ hur serc^o) ^o clannaib Baiscne.
8 Cumall nocom foirne,ii) öm coimne nl chuir fliaire,i2)
nocho dorn chloind-se cumall, • 3) luidim fo lamaibh
Lüaighne.i*) lo
9 Luindec cuirri i crich Tethfa, arm suibne ic rochtain
ichbm,>s)
ni caibhne ar n-aithne mo . . .i«) ar(?) nüalläni'') foinche
dar fiuchra.i8)
Allerlei Rechtssprüche. 15
Aus H.3.18, S.8b.
Fir elgnais ogcinaith'») cen comoirb i cein.
Fir mbraith morlith moscarai i cein.
Fir thairccuibi a^") trian triamomessa moin.
Fir chobfis cethramad. 20
Fir errainne co alaset sesed.
Fir ilaich co alason sechtmad.
Fir ercometa co alait oclitmud.
Fir oircsin^i) co oloroinn^s) nomad.
Fir foluith co al[a]derg dechmad. 25
Rofesar rupu tria foindel caich laithiu, dosliat fiachui doine
do cethrai .i. each cen cuibrich cecÄ trathai, cü cen cuibrech
no cen lomain laithe, muiccai cen mucalaig ndorcha.
') .i. uisce tar naeidin *) .i. co roibh eas abha gan ciaigh •) .i. dath
fiaich for eala *) .i. nocon foslaigenn nö nin a bei iar fuine ngreine
*) no a giu8 .i. a hoighre *) .i. sieibhe ^) .i. mar is failidh *) no ina
croind .i. in lach re cnüas faisce ") .i. is amlaid sin '") hur serc sa
agum-aa »') no cubhat »ochonua moime •'') ni tesaighann m'aignedh
fris ") no chubhat ") no mac do Lngaid ua Luaigne .i. do Luaiglinib
Temhrach Finn »*) .i. gob cuirre ac rochtain int seilchide '*) Mir
unleserlich. »') no re nüallän ") no fechra ") L: ügchinad u. vgl.
O'Dav. § 463. »») ^unter der Zeile. »•) L. aircsen »j) x. alarainn
362 KUNO MEYER,
Conla Conall Cernach cundrathau nac/i cundratha nad
cumscuigfet senchaid cinip cor cutrumaib cessair cinip flr
biaidh amal ni neltair^) cid lethfäs, cid lethsmacht, cid leth
n-uinge ar uigge, cid uinge ara do deinfid, cid a do ara tliri
5 dunfaid, cid mbruig ar muir muidfid, cid Lifi Liiircc ar sieb
Elpse alphaid, cid Cliu Mail maicc Ugaine ar Chrotaib Cliach,
cid scoth ar Dublinde ndorbbaig mor boes mor do goes, cid
baes ni taithmi intailizts ni tathlutli acht a mess 7 a tomus
7 a imcisiu 7 a imradud ria ndenwm, arnab fomus iar ngaim,^)
10 arnap gais iar mbais, arnap taithmecli di nadmaim socoraib
dichoraib bidrathaib bithdilsib for feraib fosaidim ar mnaib
tinscrai tene tellaig for macc macc dreitill tigei tuiredaig ni
taithmiuch cor flatha no eclasa. Taithmiuch cor macc cor
muine {S. 9 a) muidmicli cor mire mear a ciall cor mesca
15 mesaib coraib dosbädimm nisleicimm cen gait i saire, cen
cor, cen cundrath.
Coirpri dixit fri Cormac:
Rogabus ben ar eicin. Cid indaragbais? Dommrecachai.
Rogabus ben ar ecin. Cid indaragbais? Dorat taithesc dam.
20 Rogabus ben ar eigen. Cid indaragbais? Cotumrullar.
Rogabus ben ar ecen. Cid indaragbais? Frisresligsemmar.
Cormac cecinit:
Is dethbir on nad imgaib suil ni imgaib deicsin. Ni in-
gaib breithir nad imgaib deicsin. Ni imgaib cobrad nad im-
25 gaib cobrad. Ni imgaib idnacol nad imgaib idnacol. Ni imgaib
suide no anad nad imgaib lige. Ni imgaib poicc na imgaib
poic. Ni3) imgaib menmain nad imgaib menmvin. Ni imgaib
commuid nad imgaib combuith. Ni imgaib compert nad im-
gaib compert. Ni imgaib comaltrama nad imgaib combaid.
30 Ni imgaib comeric conruccsat conrortat conralat conralsat.
Bria[th]rach dorsaid Corbmaic i Temair imcomarcair:
A ui Cuinn, cia brethem is fuighl/rfi imchomaidces cricli?
Corbmac: Brethim ard arberta hreth fir fiad rig 7 tuath.
Ni he as fuidlidi im comaidces cricli.
35 Briathrach dixit: Cest, cia brethem?
*) Über dem n ein Strich. *) Strich über g. , ') Ni iiber ar.
MITTEILUNGEN AUS IRISCHEN HANDSCHRIFTEN. 363
Cormac: Brethem innraic roflastar tri on brethemon.
Briathrach: Cisneid side?
Cormac: Bses 7 aneolus 7 eitges. Cormac: Brithem beras
hreith coir eter da comaidech roflastar teora delba comaidcesa
.i. smacht 7 aithgin 7 cathaig. Rofes^ar diabul senamser, 5
roflastar ord 7 anord, roflastar dith 7 induth cona cathcliaib i)
ar oclit cethraib bite for comaidces .i. {S. 9 b) bai 7 mucca,
eich, cairigh, gabair, cercca, beich, geoidh.2) Acht a coic dib
ni dlegar ime friu, ar is din^) 7 is cuibrech doberthar form.
IMtairgille tar cenn arnaili dib. 10
A iii Chuinn, co roich comaithceas crich?
Cormac : Commuir co ruth, co romuir, co roilbhi, co ramut
hidhad, co buirech mbaiti, co bsegwZ ii-ago, co treathan ala-
carrge no alacaire commuir cacÄ ndicend.
Ataat rudrad mair 7 bic lanamain file iubuile beicce 15
7 moiri. Atte na rudratia mairi nomiditar iar saeglai& na
comorba iar n-äesaib techtaib .i. Lxx no Lxxx ann?", ut dicitur:
dies annorum nostrorum usque labor 7 dolor.
Deit[i]u didiu saegal comarba, aititiu saegal a dö, com-
detiu saeghul tri flr. Is ann as rudrad 0 rosaigh co coiciur. 20
0 rosaigh co deichnemur, is ann is robith 7 is and is ochtrach.
It e na rudredui*) becci toimditar fri bliada[i]n 7 mis
7 laithe. Deitiu ina cetbliada[i]n, aitt/Ym ine tänoisiu, com-
deitm in tress ata (?) as lugai, deittm fri mis, aitti^m a do
7 rl. Lugam dib deitiu fri haenloi, Siittitiu fri a dö 7 rl. 25
7 is tuinidhi ar tress 7 rl.
Düruth cethliadain ruthrod no c6eccait,bith .cc. robith
.ccl. lecc .ccc. roebud .de. ochtrach .dcccc. age selbai inso .a.
jx. fimt.
Secht rann fichit^) fiiasa«) toet feab 7 ordain^) do duine: 30
tria gaireui, tria ainmnit, tria fostai, tria thoi, tria forsadi,
tria foglaim, tri domestai, tri ötsecht firindi, tri chocad fri
cloine, tri indarba n-anfls, tri thochurud fls, tri trebairei, tri
coitsecht fri forrsaidi, tri frecmorc firen, tri filidecht techtai,
tri ailge anscuichthi, tri airmitin sen, tri denam sinsire, tri 35
») KcÄaib Hs. «) no g über dh ^) Aimu Ms.
*) Strich über dem zweiten r.
5) L. flehet •) L. triasa •) L. ordan n
364 KUNO METER,
ermitin flatha, tri airmidin ecnai, tri honoi[r] fithidre, tri
tiraorgain cuibsi no gnuisi, tri idhnai lamai, tri congain cuibsi,
tri iinrad[ud] ba[i]s, tria imrad[ud] no decsin i nDia na ndula. *)
Der folgende Abschnitt steht unmittelbar hinter dem Schluß von ^Sequel
5 to Crith Gäblach' in Ancient Law» lY (S. 368) aufS. 18a der Handschrift.
Gaeth cach co fonadmaim fonascar fri comus n-ae, ar is
cro timorgne cach aighnedha a arach fri comus n-sei.
Is dilmain do cach aighne ciped adbar dobera do cumtach
a aie, im fir fa dlighedh fa cert fa techta fa coir n-athcom-
10 airc, amaZ is dilmain do gach aicdecji inla aicde, ciped adbar
inla inte, acht ni fubhae na adbar araill.
Ni baighne dinad aenaighear for aei nai no daigai ior
nach ae fo \eth.
Cormac: Ni haighne nad öenaighedar ai. Ni airecht ardo-
15 cuilli col mbel, col brethe, brigh indarbai, fir o dligmd, dligerf
0 chiurt, cert o techta, techta o choir athcomairc. Dochuiredh[ar]
andliged, inairben dliged. Ar ni dlighed manip fir, ni fir munab
cert, ni cert munab techta, ni techta mmab coir n-athchomairc.
Docuiredar goi, inairben fir, tocuiredar *ecert, inarben cert,
20 docuirethar etechta, inairben techta, conscara ai, etardascara.
Fachtna: Ni fochen Soghen, sui ghena gusmair, grecha
a bretha, buasamail a bru, brighach n-imglindi a chert, craebh
3iTgait oir ed, enechruice rig, rind ngobel, giall üaithemon,
fuaim nderoit, drech ollaman, huth curudh, cain rocetail, rith
25 rothengad, ramat firinne, forlond a chomlainn, etan sochrait,
sruaim cainchirt, cuairt ngaisi, gnuisi escai, osair airechta,
aighi lethsmachtach, laith gaile, gobel glonn diubartach, din-
dell fornadma tor eochair frim fordobera. Ni fochen, a Soghen!
Sogen: Deithbir dam ce phrisinliu tuaslugud mo tire a
30 tuinidhiu tarrachtain, ar ni cechra mo buar alabuar mbuirech
romunsat. Ni chechrat mo comarbai alacomorba nadnacatar
i n-orbaib aeithre^) aendan.
Fachtna: Dede tarna tacmongar ma fogellaiter bre^Äa
fira fortechta: aititiu cian cen elodh cuin ndliged, cuir bei
35 dilsidethar tomun do astuth.
1) Eier folgt die Schreibernotiz: Nodlaic (.i. recht nuadh tic re cel-)
mor for oine aniu 7 a ndse mec Fl-th- atü. Damit endet S. 9 b.
^) L. aithre.
MITTEILUNGEN AUS IRISCHEN HANDSCHRIFTEN. 365
Sogen: Nis cuir bei dilsi dian fir forcmaither for einlud
coUnae 1 n-orbaib athra, im lethard rainne, im lethsmacht
selrce, ar ni fil a[ijrcsiu na altltlu eter brathraib na finibh
frl faenel flalthemhnals, fri altram n-oetedh, frl forcetal dana.
fri tuar ngraidh gainethar foo mair tiasat ria calchlbh no 5
comfocslb clnad conaisceba a fintlud, cid iar reib clanuib
corrbreth robul blas Iar nos iar n-6isaibh.
Fachtna: Nis maithl dam log n-aisi logh sinsire, log fog-
nama {am Rande riasiu rogenta ar) na diuberar nacÄ daen dia
daghmainib, na tintaither duthracht tar airilten gaire. Ar opsa 10
becda athar umal aurlaite conommarroet commainibh dearbaibh.
Sogen : Ni maithl dam-sa foghnam nadnaca, ar mmAlegar
argaire resiu rogenainn. Tathat lim logh do äes, logh do
sinnsire, tus aidÄbd^en, tus ea[r]labhra, toghae dl rannaib, di
buaib, di bithdüsuib, di tlacht, di talwam. Is de ata : ran[n]uidh 15
ösar, dogoat sinnsire slechtuibh fia.
Fachtna: Rorer mo thir taispenad aurgartach atomrach-
,tatar do mo dolora decmaingi. Ba-sa bocht biid, ba-sa nocht
etaigh, ba-sa bodhar foglime i findfocluib fis. Friscommart
dam talam (S. 18 b) dia n-airgenus cona bo ferr lim mo talman 20
torba. Ni ba cor, ni bit reic, ni bi cunnradh reic thire sech
üaith, sech edais, sech ilgobhlai 1) fine. Ar a cinta condlat
ar cowrar eicht selbha slechtaibh aithre sceo senaithre ata coraib
comlasat eomdliged mainche morfaeidm flaithemnuis co ria nech
ni na bi ai, ar is cumrachta fotha fri flaith, fri heclais. Finit. 25
Der Schlufs von Crith Gablach.
Dieser alte Text ist im vierten Bande der ^Ancient Laws' nach der Hand'
Schrift H. 3. 18 herausgegeben , bricht aber dort S. 340 mitten in einem
Stück rhythmischer Prosa"^) ab, das ich hier ganz zum Abdruck bringe.
Mad be rig rofessir recht fla^Äa fothoth iar mbiad 30
mescbaid a slogh sabaid cuirmmtigi cuir mesca mess tiri
tomus forrag forberta diri dithle mesraid mör muiw mrugreehtai
mrogad coierich cor euälne corus rinde rann iter comorbbo
comaithigh do garmmaim Gaill comlaind caithigÄti istoda
*) ügobÄlaid Hs., mit punctum delens über d.
^) Die einzelnen Sätze sind fast durchweg durch Bindung miteinander
verknüpft.
366 KUNO MEYER,
anagraitto rig raith commairgi choriis co feisiur setmh selb
slän cech comaithces curtar gellaib gelltar smachtuib miach
molaiiga luagh ndiri diri n-aurbai 6 dartaid co dairt dochum
colpdaigi co cöic setu cingit cia annsom fid beime. fiachib
5 boeth brugid cailli. coli eidnech. esnill bes ndithernam diri
fidneimid näir. Ni bie fidneimid Mchaib secht n-airech ara
teora bü ina bun beim bis. biit alaili secht se'^uib losa
laumur ar docliundaib. dilsi cailli cairi fuloclit benair. bos
chnao fuisce frisna laim hi saitli sui. slän emde dith gus
10 dithlai. Dire ndarodire a gabail mar. mess* 7 beobethu a
bun bein. bein mbarr in aencumma culinn. coUuth. cuill
combach n-abla. ansam de nardnemid dirib sechtnairech
asabbi bo bunbeimne bithe boegal fernwa. fuba sailech sluind
airriu aithgin. anög sciatli sceo draigin dringid (S. 7 h) co
15 feda forbuU. forbul ratho. räithiud aine acht andilsi do
^aithVo fotlila tothla an tan aircsiu arach attrab foUscud
foilliuchtai ladad aurlimm en ceircc corr mad beth pettai
oiss eisrechta con cathchi becÄ. biit itren(a)ib tire tonaccmoing
tairgille. taurrän na tairsce taulberna tarrout ruriud tar
20 ilslelbÄai {sie), samail tmchta tommus aircinne cethrai forrgib
CO waurcl^tr flescaith forcsiu mruigrechtoi mrogad cocrich tarsce
tigradwÄ tairgget smachtai iar cintaib coicthi a coir comatliech
Cid ag cowranna tri et. Cid airlimm noewoircc cowrannai tri
tret. Cis täna diciallathar tonasegar tigrathws. Cis taurrana^
25 foichlichi forsnä sui fogeltath. Cis formmenn ecndaircc dosliat
dilsi. Cis ndithle do trebaib na tuillet dire. 2)
Der sündige Leib.
Ains H. 3. 18, S. 859.
1 Meisde an corp a thüar go trom, is e alias a fochann,
30 mairg ara tren in corp crumh, is gort gan feur, cen
arbhar.
2 Trüagh a bfuil d'im[s]nirah orainn ar ndul asan droch-
cholainn,
ni d'eaclach ri tocht da thür. in corp peac[th]ach ar
35 prisün.
') Vielleicht tausrana.
'^) Hier fügt der Schreiher hinzu: Ni fnarw« a iint[h]uilled de sin.
MITTEILUNGEN AUS IRISCHEN HANDSCHRIFTEN. 367
3 Adhphar mo chuirb, a chara, nocho leaga löghmhara,
nl teach slaitgeal corp a chuil, olc in aitreabh, gidh
ionmhuin.
4 Inghnadh eagla gum anmain mo dul as[in] drochadli-
phaigh. 5
gidh dageibh se in corp cädhas, a De, is olc a dünaras.
5 Mairg dän tigerna in corp criadli, ri badh fearr i) düinn
a dhoimhiadli,
gidh dabheir se olc oinine, nl he in corp ar cumairghl
6 Re mac inghini xlnna füaigium uile ar n-anmanda, lo
go g[c]eanglom ar ceill 's 2) ar ccond risin rSidh seang-
dann sülchorr.
7 Go bfagam sith mhic Muire, go rroisum a righsuidhe, 3)
gu ceanglam ar corp 's a chath, gn ndeaglam*) re port
peac[th]ach. 15
Von Gregor dem Orofsen.
AtM dem Oelben Buch von Lecan, S. 164 a.
Proigept Grigoir Roma annso.
Tunc dicet rex his qui a dextris eins sunt. Adbera hisu
Crist, ri na n-uili dül, in aithesc sa risna firenchaib i llö 20
brätha: Ueniti benidicti patris mei, posidete preparatum uobis
a constitutione mundi. Ticid ille. a lucht na derci 7 na trö-
cairi, a maccu m'athar ocus asealbaigthigh in flaithisa ro-
tuiredh. düib ö thosach in domain. Ar is üaib füarus-sa mo
chabair do cach dograig 7 do cach docamal i rraba isin tssegal. 25
Matha mac Alf ei, in sai forbarach do Ebraidib, in cetna
fer adchüaid ferta 7 mlrbaileda mic De i talmain, IS he
roscrib na brlathra sa i curp soscela do inchosc 7 do foillsigud
int sästa spirtalda fll dona nsemaib i talmain de frithaileam
a tochuirthe i llö bratha ö mac an athar newidai hi flaith a 30
athar 7 co n-abair : Uenite benedicte, ticid a beandachtu ! IS
he immorro leath ataibe an aisnes sea la Matha co du ind-
erbairt reme ina soscela Et separaibit ab inuisem sicud pastor
segregat oues ab hedis. Ocus sceraid na fTrenchu risna peac-
thachaib ama?7 deiliges öeguiri trebar a tred. 35
») dhearr Hs. >) cTall as fls. .
3) rithsuighi Hs. *) ndeaglum Hs.
368 KÜNO MEYER.
Öen iarom dona nsemaib 7 dona firenchaib dianid earrdalta
in tochuireadh sen i llö brätha an breö an 7 an äibill
teöra 7 achtail i tairisi na canöine näime, ant en oirdnidi
7 fotlia fosaich[th]i ind uird ecalsa diatä llth 7 foraithmet a
o n-ecmong na rea sea 7 na haimsiri .i. sanctus Grigair papa
.i. Grigoir naem comarba Pedair. IS and Tarum celebraid na
CrTstaidi caclia bliadna a llithlaithi 7 foraiihmed et com-
loithe a anma [S. 164 bj a n-sentaid muintiri nime i quartid
märta aräi laithi mis grene. Adfiadam \mmorro sund taithmed
10 cumair dia fertaib 7 dia mirbailib, ar nl Ml nech no indised
CO lleir, acht meni tisad aingil De do nim no a. spirud fen
dia aisneis.
Fecht and larom do Grigair oc imthecht i n-araili lö co
räinic i comfochraib lacha i ngabtha lasc ro-imda. Ro imfu-
15 laing iarom imad an esc sai[d]bris mör don lucht oca raba
commus inn indbw-. Is ed didiu dorala and comdar derbrä-
thair in lucht oca raba a chomus. Acht cena, amail aimsiges
int aintcrw^ iwdi caich, ro aimsich diwo in lucht sa ; ar darala
debaigh mör etwrru i n-aimsir gabala ind esc, co romarbad
20 är fer etwrru. Is andsin Iarom doriacht Grigair chucu dia
cobair feib rochöraig Dia. Confaca side na catha 7 na firu
marba 7 na derbräithri oc imthüarcain corfiarfacÄ^ som fochond
na debtha. Ö rahindised Iarom do-som anni sin. is ed roräid
side. 0 filii,^) nolite animas uestras ratronaibiles occidere pro
25 rautis^) animalibus 7 fraternam pacem separairi 7 legem Dei
uiolare. A maccu inmaine, or Grigair, na malartaid bar n-
anmanda dligtheacha arna hanmandaib müididib 7 na scaraid
in gräd bratharda 7 na heilnid reacht in Choimded.
Ruc les lad iarsin co himel ind lacha 7 rosaid in flesc robai
30 ina laim isin loch 7 dorigni slechtain 7 rosin a laim hi
croisfigül cosin Coimdid 7 is ed roraid : ' A choimdiu na ndül
7 a De uilichumachtaich, nl roarrthraidi int usci armotha isan
inad sa, acht corap mag tairtheach scoithemrach ö sund am ach.'
Ö thairnic Iarom do-som a ernaigthi, rosüigh an talam in loch,
35 conna hacus banna usci ann iar sin. Anni tra robo set do
longaib 7 do libernaibh 7 d'ernailib examlaib inn esc ante,
ro chöraig in Coimdi tria ernaigthi Grigair nöib corba mag
*) fllio mit Rasur darnach. ') munti(a)8.
MITTEILUNGEN AUS IRISCHEN HANDSCHRIFTEN. 369
tairthecli do indilib 7 d'anmandaib, Doringset Tarom na da
brätliair sith lar sin fochetöir 7 robendachsad in Coimdid
7 Grigair 7 romörad ainm De 7 Grigair de sin.
Fechtus aili didm do Grigair, räthaigis brön mör arna
manchaib ar ind inad ar b'äil döib eclas do chumdach do 5
Choimdid. Ni chaemnacair a denam and, ar robai carrac
mör don leth anair don inad sin 7 sruth dermäir don leth
anair, conä frith inad na liecailsi etwrru. Is ann sin roräid
Grigair nseb frisin pobal in aithesc adubatVt Isu ria apstalaib:
Si habueretis fidem sicut granum 1) sinapis, dicedis monti huic 10
Tolle te et inite in mare, fierit utique.2) Dia mbeth, ar se,
cudruma grainni na sinaipi do iris nö do creidem acuib, cid
for an sllab ndermair-sea na forcliana^d sib techt asa inad,
noragad fochetöir. Rochaith immorro Grigair in aidchi sin
iiili i n-ernaigthi. Et is ed roraid risin carraig: Is ced duid 15
dula isan inad itäi. In tan immorro adracht in pobal iarna-
märach, adcondairc side in carrac iarna cur asau inad i raba
in met robo techta 7 ricthi a les 7 rocumdaiged eclas don
Comdi 'sinn inad sin iar sin. Ro möraid ainm De 7 Grigair
triasin mlrbail sin. Finit. 20
[S. 165 a]. Feacht and do Grigair oc imtheacht siebe
Ealpa, ropdar läna na sligeda 7 na luic comfochraib dont
(s)neachta. Nochon (f)üair teach in aidchi sin acht idaltech
Apaill. Dochüaid immorro sacart ind Idail larnamärach iar
ndul do Grigair as do edbairt do arracht Apaill. 7 do chuindig 25
fregra üad amaZ (ba) bes dö chaidchi 7 nocho tue int idal
nach fregra in lä sin, cia doberad dogres. Dorigni didiu
doridisi edbairt dö 7 nocho ronacaill int idal.
Rothocraid co mör dont (s)acart anni sin. Ro arrthraig
didiu demon in aidchi sin dont (s)acart 7 adubaiV/ ris: 'Cid 30
dia ngairmi-siu mi(s)i, ar se, ar romindarbad-sa andiu ö thä-
nic Grigair.' 'In fil a leasugud sin itir?' ar in sacart. 'No-
chon (f)uil eäv\ ar deaman, 'acht mina cetaigi Grigair.' Do-
chüaid Iar sin in sacart do acallaim Grigair 7 ro indis dö
uili amaZ forcsemnacair and 7 ro äilistair he co ro leiged don 35
arracht co ro labrad. Tänic immorro deman fochetöir isin
arracht 7 dorad fregra forsin sacart and sen amaZ doberead
1) granam. ^) Vgl. Matth. 17, 19.
370 KUNO MEYER.
remi 7 adubert in sacart ö darad a menmain ind fen: 'Is ferr'
ar se 'Grigair co mmör anda Apaill. Is dö dicZm fogenad-sa
ö sund amach 7 do dia dia n-adrand'. Ro chreidestair dicZm
do Christ 7 do baistestair Grigair he 7 is e ro gab comarbus
5 Petair dar eis Grigair. Ro mörad ainm De 7 Grigair don
mlrbail sin.
Feacht n-öen do Grigair dochöid ar imgabail comarbus(a)
Pedair. Ecmaing nicon faca in n-en dianad ainm locusta ar
in conair ar a chind. Ö tharrastair larum int en co nem-
10 cumscaigthe for int (s)et, rotuc in fer eacnaid anni rob äil
do Dia do foillsegud dö tresin locnist .i. tairisem dö ina inad
i Röim 7 cen dul for teichead. Ar is ed inchoisces qäil ind*)
focail as locusta .i. loco sta. Dochöid larum Grigair ar a
^hülu do Röim 7 tarastair inte lar sin.
15 Fecht aili dochöid Grigair ar imgabail abdaine co aroili
ri[g]. Rogaid seom didm in rl[g] Tsin co rodidned 7 co rofoil-
ged he ar in hiebt nobidis oc a larraid. Ro suigideth larum
i n-araili tealchoma i mbld fin do reir a chomairli-seom
7 comairle ind rig 7 ro dünad fair in telchoma. Tänic lar
20 sin int airdeaspoc 7 in pobal römänach d'iarraüZ Grigair
forsin righ. Is and sin atbert in ri: 'Ergid for set aili
d!mrr aid he, ar nT fil i fus.' Is and roräid int espoc risin
rig: 'Ricfam-ni a les' ar se, 'digh de fin, ar dochöid erchra
inar fin fen,' Adubairt in ri: 'Erg 7 feg lat uile telchoma
25 ind fina 7 ber in telchoma bas fearr leat lib.' . Ö ro feg tra
int espoc na huili telcoma, is 6 roga ruc dib, in telcoma i
raibi Grigair nöeb. Ro ingantaich immorro in rig co mör
annI sin 7 rofldir conid ö Dia fen rofoillsiged Grigair isan
inad i roibi, Tucad larum Grigair asin lestar i raba 7 dochöid
30 immailli risin espoc 7 risin popal römänach do gabäil chomar-
huis Peadair do reir toili De, ciarbo i n-agaid a thoili-seom.
An tan didiu robas oc oirdned Grigair i comarbus Petair . . .2)
tarrastair in tan sin aici .i. aingel De i ndorus in tempaill
7 rogairm chuici öen dona bräithrib 7 adubairt ris: 'Eirg
35 isin tempair, ar se '7 tue lat [S. 165 b] Grigair ille.' DochUaid
side fochetöir 7 adubairt ri Grigair anni sin. Is ed immorro
ro räid Grigair: 'Eirg isin tempall', ar se '7 tue lat he ille
^) indo ") Mir unleserlich.
MITTEILUNGEN AUS IRISCHEN HANDSCHRIFTEN. 371
coUeic 7 aicellad-sa he acht co roiscc int oirdnead 7 int
ongad.' Ödrubrad risin äighidh anni sin, is ed roräidi: 'Eirg'
ar s6 '7 larfaid do Grigair cadi log na beandaclitan.' Ö ra
hindised annl sin do Grigair, is ed roräide: 'Airmed', ar se,
'is e log na beannachtan.' Ro hindisead didm in frecra sin 5
don äigid. Is ed ro raidi: 'Is fir' ar se 'anni adubairt Grigair,
acht apair ris', ar se, 'cia hindmas dia tomaister sin?' Dochöid
daridise in techtairi 7 adubairt ri Grigair 7 ro freacair Grigair:
'De ör', ar se, 'ar is e log na bennachtan, airmed de 6r
derscai[g]thech.' Ö ra hindised in fregra sin, is ed roräid: 10
'Is fir', ar se 'is ecnaid in breth sin 7 larfaid-seo de-seom
cia lestar i tomaister ind airmead sa.' Adubairt Grigair:
'iter nem 7 talmain.' Ts ed rofiarfaidh in fer robäi amuig:
'Cia bennachtu' ar se 'is a lögh sain? in in bendacht ind
(f)ireöin no in in bennacht in peac[th]aich?' Ro (f)recair lö
Grigair: 'Bennacht an pecthai^h', ar s6. 'Ar nochon (f)agabar
iter nem 7 talmaiu log bendachta ind (f)ireöinj acht is for
nem namä fogabar i llög sidi.' Is and sain adubairt int
äige risin techtairi: 'Nocon döigh' ar se 'atä in test ecnai
doberar for Grigair. Ar id fira uli na testa adubairt. Eirg- 20
siu lodechtsa 7 apair 1) ris: 'Rodbendacha int athair 7 in mac
7 in spirud nöeb 7 rodcometa in bennachtu sin it uilib sedaib
7 rotoir(d)ne isin urd inatoir(d)nigther.' Ö rachüalai Grigair
na briathra sin, ro reith co dian ö chosaib nochtaib co dorus
in tempaill, acht chena ni ro arrthraig int äige ar a chind. 25
Is and sin rothuc Grigair conid aingel^) in Choimdead robüi
and 7 conid dia bennacÄad sin tänic 7 robendachastair in
Comdi na n-uili dül »a huili rochüaladur anni sin.
I n-aroili lö robädur däine nöemda oc imtheacht a seta
CO nacatar chucu dune examail .i. indara leth dia churp ö 30
chind CO bonn bän 7 se cen banna fola and, an leth aili
immorro 7 se sonairt calma 7 se feölmar fuilidi. Is and sin
rofiarfaidsed lucht int (s)eda de-seom: 'Cüich thü 7 cid ro
im(f)ulaing saine do deilbi?' Ro frecaii^ in duine 7 is ed
roraid: 'Mesi' ar s6 'notair Grigair nüim .i. Pedar notairi 35
m'ainm. Ar cach augtardas dognl-som, is misi noscrlbad üad
fochetöir he. An slis didiu robäi dam-sa illeith fris-[s]om
') appair mit punct del. unter dem zweiten p. *) aingil
372 KUNO MEYER,
ro fäsaiged im a nert 7 im a fiiil, ar robüi rath in spirwda
naim for bruthugud and-som, co ndeacliad iiad-som do rer a
comairli i tecli n-aili robo comfocus dö et is tria fraighidh
no(i)cht (?) in tigi sin noacallad-som misi iman(a d)eiTidib
5 7 noscribaind-sea üad-som iar sain. Is amlaid sin rofuilngus
bruithin in ratlia diada.' Ro bennacAsad co mör in tan sin
lucht int (s)eda 7 na sliged in Comdi 7 Grigair nöem.
A n-aroili demnach do Grigair a öenur oc ernai(g)tlii co
n-acca duine ndub ngränna a dochum. Ro imchomairc Grigair
10 cliuice. Adubairt in duni: 'Do muintir' ar se 'ifrinn dam-sa'.
Et adubairt didiu Grigair: 'Cid Tarthai?' ar se. 'Ö nacham-
plantar isin domnach', ar se 'teigim ar cach leth 7 ni gabar
[S. 166 a] dim . . . conarcus äddiu tusu at aenar oc ernaigthi
7 notälim ar Dia mbeö co rafortachtaigi dam. Ar cretim-sea
15 CO tabarthar diiid cep ed cuindge ö Dia.' Ö rogell Tarum
Grigair do-söm ernaigthi fair, dochöid as Iar sin. Tanic
didiw isin domnach robo nesu co Grigair 7 üathad ball gela
trit 7 rognl altagud buidi do Grigair 7 don Chomdid 7 dochöid
as Tar sin 7 robo gili and side 7 robendach do Grigair, Tanic
20 ä.idiu in tres fecht co Grigair 7 se öengel uili cen nach locht
ann 7 tüargaib a läma 7 rognl altugud buidi do Dia 7 do
Grigair. 7 adrubmrt ri Grigair: 'Triat ernaigthi-siu' ar se
'thäSigim-sea dochum nime innossa' 7 dochöid-seom as Iar sin
7 forfacaib bennaclitain la Grigair. Indister didiu co mbidh
25 aingel in Choimded dogres for laim deis Grigair 7 conad he
nochanad ina chlüais 7 noforchanad im cach n-u(g)durras do-
gnld. Indister öidiu co n-aicthea soilsi grene 7 taitnem cecha
soillsi archena tre lamaib Grigair näib ar a lainderdacht
7 ar a seme &mal adchiesta tria lamuib Grigair.
30 I n-araili domnach^) do Grigair oc edbairt cuirp Christ.
Ö rabäi cach ac dul do laim, tanic fedb irisech dognid ab-
lanna do-som chuici co tiasad di läim in tan noragad cach.
An tan iarum dorad in clereach di-si corp Crist 7 adubairt
ria amaZ is bes: 'corpus domini lesu Christi conseruet ani-
35 mam tuam', 'rochometa corp ar Comded-ni Isu Crist t'anmuin',
is and sin rusgab füailfead 7 doroigne gäiri ndermäir. Tue
in clerech fochetöir a des üada 7 rofwnm in corp forsan
') Mit diesem Abschnitt vgl. Zeitschr. III S. 36, 8 ff.
MITTEILUNGEN AUS IRISCHEN HANDSCHRIFTEN. 373
altöir 7 nir leic di a chaitheam. Do fiarfaid lar sain di cid
ima nderna gäiri in tan tucad in corp dl. 'Irignad' ar si
'lern in bairgen doronwus com lämaib arbuine,i) a räd duid-
seo conid corp Crlst sain.' Ro siecht Grigair iarum i fiadh-
naisi na haltöra cosin uile popol imalle fris do dichur dichredme 5
na banscäili. Ötracht Grigair füair in pars tue forsin n-altöir
ina bioig feöla deirgi et ödchondcadar na huili in mirbail
sin, rochreid in bandscäl conid he firchorp Crist eadbairther
for ind altöir .i. in corp rogenair ö Muire öig ingin laichm
7 rochalmaiged hiris in pobail römänaig uili. Ro siecht didiu 10
Grigair iar sin co rossethi i ngne thöiseach, ar nlrba dir co
mbeath a gne feöla deirgi fair oc a chaithim 7 rwscarad fochet-
öir i ngne ablaindi.
Ö rochomaicsig Iarum laithi estechta indi naem-Grigair,
rofoillsiged do Cholmän Eala anni sin, dia roibi oc umalöid 15
mailli re manchaib. Roslecht Iarum Colmän Ela co hobund
7 rothairbir a gnüis ri lar. Ötracht immorro r.ofiarfaidedur
na manaig de cid adchonnairc. Adbert andsicZe Colman Ela
riu-son: 'Andarlim' ar se 'is laithe mbrätha tänic and a.mal
rogellad düind. Ar rolinsad aingil in Choimdead iter nem 20
7 talmain. Acht rofaillsiged dam lar sin conid i frithset
anma Grigair Roma täncadar na haingil 7 co rucsad leo a
anmain dochum nime.' Rocomailled Iarum anni sin amaZ
rofaillsighedh do CholmEn Ela. Ar rucsad na haingil in üair
sin anmain Grigair dochum nime co mbüaid 7 co f äilti diais- 25
neidthe. Rocuired 7 rocöraiged immorro a chorp i comrair
örda i talmain co n-onöir 7 co n-airmi7in möir. Ar mad lar
senchas Römänach is acu fön [S. 166 b] atat taisi Grigair
amaZ as dib dö iar ceneöl amaZ dicitur (?) ö Beid ina stair 2)
conid Grigair mac Cordiane he mac fir sochenelaich ön do 30
Römänchaib 7 Siluia ainm a mäthar. Mad Iar n-arsataib na
nGaeideal immorro, is do clannaib Dedaig mic Sin dö, acht is
a Röim chena do gnäthaiged 7 ruc a feidm n-eclastacda 7 ro-
foirbthig a bethaig. Rothimna didm do r6r in ceneöil sin
ria n-üair a escomlaite a chorp do chor i llestur ndlüta for 35
sruth Tihir isin Röim cip ead conair nofuided Dia he, co
') = ar fuine?
«) S. Hut. Eccl. HL
Zeitschrift £. celt. Philologrie XII, 3. 25
374 KÜNO MEYER,
toracht larum he co Tracht nGrigair i nÄraind amaZ adfiadad
senchasa 7 senscribinda na [nJGseideal 1) co rab fir sin.
Ba mör tra ssethar äine 7 ernai[g]thi ind (f)ir sea. Ba
fear län he do deirc 7 do throcairi. Fer larum he co nglaine
5 cridi, CO n-edbartaib toltanocha don Choimdid na ndüla amal
Aibel mac nÄdaim. Fer fortamail co ndipricöidib dichraib
do Dia amaZ Enöc mac Tareth, lüamairi länfortamail 7 län-
folartnaigtheach donn äirc na hegailsi iter thondaib int (s)8egail
amaZ Nae mac Laimiach, fir ailithreach Tar ndüthracht co
10 sonairti hirse 7 chretme anaal Apräm n-ard n-iriseach mac Tharra.
Fer bäid bläith imon eclais amaZ Maysi [mac Amrai] mic
Caith mic Lebi.2) Fer fois feidil oc fulang treblaidi 7 fochaidi
amaZ loib fochaideach. Primforcetlöir eoitchend 7 lestur toga
amaZ Pol n-apstal. Eochair erslaicthi in flatha nemda amaZ
15 Pedur n-apstal. Conad ar na maithib sen larum 7 ar maithib
ilib atät a reilgi 7 a thaisi i fus co nhonöir, co n-oii"mirin,
CO fertaib, co mirbailib cachlaith[id]ib. Ocus cid mör a onöir
coUeic, bid mö a onöir i mmördäil brätha, in tan bas brethim
for torad a praiceapta immale ri hissu CrTst dia rofogain.
20 Blaid Tar sin isin mörmaith sin i n-öentaig üasalathrach
7 fätha, a n-öentaid apstal 7 descibal Isu, a n-öentaig deachta
7 dsendachta mic De is a n-öentaid as üaisli cach n-öentaig,
i n-öentaig na nsemtrindöidi .i. athair 7 mac 7 sbirad nsem.
Äilim tröcaire iiDe conorbera uili in lln atäm sunna isin
25 flaith nemda cen crich, cen foirceand tria bithu na bethad.
Finit.3)
Ailelb und Glangressach.
Aus YBL, S. 330 a 31.
Äille döenib delb Godha, ben Dubäin meic Duib-nona,*)
coe .. ib^) döenib Ailelb Rüad dia ruc mac Smaile»)
dont^) slüag. 7 rl.
>) S. Fel.^ S. 96, 24 ff. ») Vgl. Exod. VI, 18.
ä) Dann folgt: Oräit and so do Gilla laa mac Firbisich do scrib in
lebur sa in blTadain docbüaid Enri Aimreid ö Neill [i, e. A. D. 1392]. Finit.
*) Acallam na Sen. Z. 150 enoähnt.
*) L. cöemiu?
•) L. Mug Smaile. Ein Mug Smaile m. Duib Dlthre, Acall. Z. 1969.
') = dint.
MITTEILUNGEN AUS IRISCHEN HANDSCHRIFTEN. 375
Ar thochmarc Sodelbi ingeni Cormaic atä so an . . as dia
roföi si re Glaugressach .i. re primollamain mac Miled 7 tue
in ingen miscais fair tri amaidecht ingeine Ulcfiin .i. Beamail,
CO ndechmd Glangressach for comde Find meic Cumaill Luid
Find fecht n-öen hi cerdcha Glangressaig 7 maithe na fenni 5
ina farrud 7 Ailelb Rüad ar sen fria haide .i. re Find isin
cherdcha.
Is and sin büi Mog Smaile mac Smöil hie denum gresa
isin cherdcha 7 rothocaib a chend conusfaca in ingen .i.
Alelb Rüad 7 adaig gräd di. Airigis Find ani sin 7 asbert 10
Find and seine: 'Tucais grad don ingen, ') a gille', ol S6.
'Tucus ... 7 dia mberaind hi lloss retha hi don fein uile, in
tibertha hi dam?' 'Doberthar', ar Find. Gabais ar bun riged
in ingen 7 rethid 7 teit don 2) fein uile. Adagar in ingen dö
lar sin 7 beris Find leis he iar sin, co mbüi ina grädaib 15
7 donither sid eiter Glangressach 7 Sodeilb ingein Chormaic
7 bätar for öen lar sin. 7 rL
Fen dar Crinach.
Aus YBL, S. 330 a 63. Vgl. Bruiden Da Derga §41.
Bai Isech amra dowo isin tlr thüaid diarua comainra Fen
dar crinach. Is aire dowö adrubrad Fen dar crinach risium
üair is cuma nochinned dar comland 7 nodigsed fen dar crl- 20
nach 7 rl.
Fergus macc Röig.
Aus YBL, S. 330 a 50.
Büi Fergus macc Röig hi Connachtaib Iar marbud macc
nUislend for a chomairce. Gniid-sium sid fri Conchobar Iar
mblladain ... tar ferund 7 crodh do. 7 ni roacht sin dö in
tan romarb Fergus Troiglethan ar comairce Conchobair. In- 25
darbad iarum Iar sin inti Fergus hi Connachtaib fri re se
mhliadan. Iar ndlth (?) Chonculaind tucad ferund Conculaind
do Fergus 7 luid seni hi Connachtaib for celide 7 marbais
Ailill he .i. Fergus 7 rl.
') L. ingin. *) = din,
25*
• 376 KüNO MEYER,
Silvias, Stammyater der Britten.
Aus YBL, S. 330b 1. Vgl Todda ' Irish Nennius' S. 32.
Ainiccis mac Caipein meio. Essairg dorinne mac re Ueinir
üawclmmachtaigh dar ceann Uolcäin .i. goba ifirnn. Is tar ceand
Uolcäin in gaband dorighne Mairt mac loif in ingin Eirmiona fria.
Aeinias mac Ainiccis dalta Uolcäin täinic lar togail Träi
5 CO hEtaill 7 tucastar Lauina banchele rig Rudalda. Rogab
Aeinias rlge na Laidianda 7 Rudulda 7 dorindead AlbMs leis
.i. cathair Laidianda ö Laidin mac Puin.
Deich mbliadna fichit 1) dö a rigi na hEadäilli 7 adberaid
aroile is tri bl. adbail Aeinias. IS sruth Tuisc robäidead
10 Aenias, sruth tig a bunad srotha Tibhir i fail i tic i sliab
nEalpa imach 2) 7 tar oirthear maga na Teasailli ri . . is in
sruth Tuisc, is and robäidead Aenias mac Ainiccis, masi a
oigead a badwfZ. Nu comad he Aen mac Tuimn rusmarb a cath
mör Tarna urail do lunaind ingin tSadairnn, do bainde na tored.
15 Et beirid Lauina mac lar sin iar n-eg Äeniasa .i. Silbius
a hainm sidein.
Gabaid Ascän annedaigh^) Aeniasa rlgi na hEadäille fri
re echt mhliadan trichat 7 fäidid [la] Lauina 7 berid mac dö
.i. luiilius a hainm siden 7 do sil Äeniasa 7 Ascäin rogeinitur
20 rigraid in seanaigh-*) Römanaig 7 ardriga in domain uile d'furmör.
Siluius "mac Ascain tra lar sin tucastair seitig i. Dinws
ingen rTg na Rudalda. Ruc sidhein da mac dö .i. Siluius rIg
Römanach 7 Britus miscneach.
Marb tra a mathair dia breith 7 romarb a athair dont
25 saigid neime robai 'na laim ag saigdeöracht, dia räinic int
saigead üad a toll arach in rIg, co rusmarb. Co rusindarb[ad]
Siluius a hEadaill tar muir for indsib Mara Toirrian 7 indar-
baidh Greigi asna hindsib sin i cinaid Tuirnd meic Duin do
marbad do Aenias. Co tainic i Francaib Tar tain do reir
30 fäistine na ndrüad 7 rocumtaigead cathair leis .i. Toirinis
7 täinic lar sin a n-inis Breatan, co rogab a rlgi 7 co ro-
hainmnigead in inis üad 7 coruslln dia cloind 7 dia cinead
inti, corab ara sucht itäit do reir na Römanach. Finid Amen.
*) L. flehet. *) imach imach Ha.
') = i ndegaid. *) L. seanaidh.
MITTEILUNGEN AUS IRISCHEN HANDSCHRIFTEN. 377
Die Nachkommen Ailill Ölomms. .
Aus Land 610, fol. 73b 1, kollationiert mit Rawlinson B502, S.U7b
und LL S. 145 b,
1 Clann^) Ailella Öluim^) uill hüas dagerbla dechar-
d[r]uing,3)
ba he a Hin co nglörmud [gel]*), da nonbur 7 öenfer.
2 Secht maicc Sadba ^) slointer ß) lat co ngleic glanda 7)
gelcharatjS) 5
dindgile druing dedlad graig^) ingine Cuinn chetchathaig.
3 A n-anmanny cen bertbrön^i) mborb Didell,!^) Mercön
is Macc") Corp,
Eogan rotriall togall 1*) tlacht, Clan, Conall Cass is^^)
Chormac. 10
4 A dö da coic larumi*) and, fo foit'^) M fianmodi^)
femann,!»)
CO ngnäthbreathaibh 7 gail ö mäithrechaib ecsamlaib.
5 Huillenn, hErnntZ^o) athgnath^i) oll, Tigernach, Math-
rach, Meroll,22) 15
macc Malleön, ba tolcda a thli, Corba^a) 7 Crochaini.
6 Cethri Echdaig,24) aidbli ag, fri srethblaid 7 sograd,
hüas C[h]liu25) co tadgbrig^ß) a treb, ba fiu ardrig
cach öenfer.
7 Eochaig feig, amra a gn6,27) Eochaid adma^s) Oraine,29) 20
Eochaid Bai, bladach roba,3o) Eochaid togachai) Töebfota.
8 Dibdaige in dann, 3^) aichre alt, acht Eogan, Clan is
Corinac,33)
nirb fann fri glanell[a] gluind") a c[h]lann Ailella
Äuluini.35) Cland. 25
*) clanna LL *) uluim LL ») dechardruing R decardruing LL
*) glan no gel R gel LL *) saidbl R «) slointi R sluinte LL ') glanbda R
*) galecrat LL ^) dedlaid graig R dingI6druing detlad gail LL i«») An-
mand LL ") mertbron R ") tidell R LL (sie leg.) ") mercon mog LL
•*) togail LL ") conalb is chass LL 1«) iarom R ") fosit R ") fiad-
mod LL '») fremann R fedmand LL {sie leg.) ") her — L errind LL
'«) athgniad R 22 mac coli R LL {sie leg.) »s) corbba R ") echdaich R
") OS chliu R M) tadbrig LL ") Eochu froech {sie leg.) ba cadla gne R
Eochoid fer eich amra a gn6 LL **) echu amra R ") orene LL
• ürainech R 147 b 41 ") eochu bai bladacÄ ba ba R eochtt ba bladach
robba LL »») tagach R <>') Dibdaidi a dann R Dibaide ind fian LL
»») chormoc LL »*) uill R »») auluimb R
378 KUNO MEYER,
Senchän Torpeist cecinit so sTs.
Atis Laud 610, fol. 73h 2, kollationiert mit LL 146a.
1 Abbair fri^) sil nEögain möir daimet cöir do longais
luind,2)
Macc Con, Eögan, adbul gairm, da macc do Saidb ingin
Chuind.3)
5 2 Ailill Ölom, eraim nglicc, geguin Eogabul tri hairc,*)
olc gnim dogenai dia"^) rind, ba hind«) docersat a maicc.
3 Macc Hü 7) macc Eogabail äin nl cöir rosephaind») in
ceöl,
in gübreth rofuc in ri, docer indi ni fo deöid.
10 4 Rucad gübreth for Macc Con, ba col do Ailill a brath,
ni rorlaglad acht tria nert, nimbäi cöir na cert^) acht
, cath.
5 Cath Cinnio) Abrät romebaid for Macc Con llnaib a
ngang,ii)
15 ciun[n]i2) secht mblladna, ba hopond, do fleh Mucrama
ma tann.")
6 Cath Cinn i«) Abrät, hüathmar ord, röinis for Macc Con,
gid>*) garg,
doroiffnetaris) maicc ind rlg co tarlaic tir nGöedel ngarg.
20 7 Cechaing i nAlbain co feirg malle is CathmaU«) macc
Cirp,
^ mebdatar secht catha rlam, is clan öbtar Isechdai a^^)
bidg.
8 Anais secht mhlladna fo greis «^) i tIr Alban almaib ses,»»)
25 cTarbo mall doUuid anall, nirbo fann^^) do digail gres.'i)
9 Ellach [a]22) cath ar a chind im Mucruma mördais^s)
gluind,
secht maicc a mathar rosort, docersat im Art macc Cuinn.
10 Anais hi Temraig lar sin tricha[i]t rabliadna, commus
30 ngair,24)
») Apair ri LL *) din longais nduind LL ^) cuind L *) tria airc LL
*) do LL *) hinn L '') Fer fi LL *) rosepaind L rosephaind LL
») nibai cert na coir LL ") chind LL ") * gang LL ") cind LL
") matand LL '■•) cid LL ") dosroiffnetar LL i«) chathmal LL
") Isechda L '«) greiss LL '») sess LL »«) fand LL ") gresa LL
*«) sie LL "-*) i muccrama mörtais LL -'*) conirgair LL
MITTEILUNGEN AUS IRISCHEN HANDSCHRIFTEN. 379
reraig Erinn, erim i) nglain, rodasgab 5 muir co muir.
11 Facba[i]s2) Temraig, erim n-oU, Macc Con Lugaid erc-
tais gluinn,
lasin n-öcrig n-allmar n-aitt, la Cormac macc Airt
maicc Cuind. 5
12 (fol. 75 al) Celebrais do Ailill iar crädh^) Macc Con
comarlid na slüagli,
iss ed dofuc nacherit,*) banna do relic^) assa grüad.
13 Erchur fer cirt«) ferais fair cotob Macc Con^) Iar cach
gair,8) 10
gaba[i]s Maccnia macc tar Con 9) a hört flio) Bannai
CO mmuir.
14 Anais longfos^^) ina tir^^)^ ar brig, ar borrfud, ar baig,
sech ni bla nl raibi riam'^) acht a nglall fri Caissili*)
cöir. 15
15 Ba leu^s) rige Caisil c[h]öir,i«) fonensaitis i'') giallu caich,
a n-ed ^^) batar ina tir i'^) ni rocrechsat '») brlg nä bäig.
16 Batir da bräthir co mbüaid ina tlr^o) fri gnathbail aid
ngnäth,2i)
Lugaid Loigde22) lentais slüaig 7 in Lugaid crüaid^s) Cäl. 20
17 Lugaid macc Itha cen ec, macc Bregoind rocrlch a cacht,
fo gne glaine cen loi locht-*) is e ba haire, ba habb.
Abair.
Marienlied.
Am 23. N. 27, fol. 23 b.
1 Gabh ar h'ionchaibh me, a Mhuire, dom choimhed a
ccomhnuidhe, 25
b^ir sinn ö'r mbiodhbhuidh bunaidhj^s) ionghair inn go
hiomchubhaidh!
2 A mhathair meic an Dnilimh, bi ar mo scäth ad sgiath-
lüirigh!
') eraim LL -) sie LL ') Celebraid dailill iarnachrad LL iarn-
cÄradA L *) isscd dosfuc nacheirt LL *) doreilg LL •) fercheis LL
') otn. LL «) cech ngair LL ») darcon LL »") ort 0 LL ") loügaia
no longport LL ") thir LL »') sech ni bäi mna herend LL '*) ca-
ssel LL ") leo LL ") cassil choir LL ") ronasctis LL '*) in fed LL
") rorecsat LL »«) anatAri LL -') gnathblaid ügäid LL 22) laigde LL
") in cruaid lugaid LL "*) ceola[]ocht LL -') bonaidh
380 KÜNO MEYER,
tü an cheidbhen rer cosnadh sinn, a dh^idgeal bhosglan
bharrslim!
3 Cabharthach chloinne hÄdhaimh cwirtidh liom la an
mhörghäbaidh,
5 banaltra De tar dlighedh, m'anfalta le leiccfidher.
4 Red mhathair-si, a mheic Muire, is cubhaidh ar ccaomh-
nai-ne,
gecc aobhdha döitgheal dathghlan. öigbhen mhaordha
mal[achghlan].
10 5 Ee buirae an Düilimli dleghar m'anacal ar aimsiughadh,
sdüaighi) finnchlechtach, ghradhach, ghlan, närach,
inntlechtach, umhal.
6 Dom chumhdach ar an ccoröin toghaim rToghain ro-
chonaigh,
15 ar snUadh gealthuraidh greine, sdüagh^) tseabhchumhail
saoireine.
7 Ar beraibh na mbos ccorcra mäthair mheic na humh-
lachta,
ceidlennan cäich dorn chabhair, geigbheangan bläidh
20 büantaruidh.
8 Dom diden ar bhior na mbonn atä anacal orum,
ben deighriaghla fTal fertach, grlan gheilnlamhdha
ghormdhercach.
9 S&ortaidh me ar chn^ldh na cighe a n-aimsir na hain-
25 ^ mhlne
an gheigben tsengmhalla tsaor neamhdhäna dheidghel
dhreachnaomh.
10 Ni beg liom la na dedhla^) banaltra tri ttighema,
acht gidh mör ionghaire m'olc, fionnMhuire ögh dom
30 furtacht.
11 Sgel do chüala me ar Mhuire 's ar nech do bhi a
mbochtaine,
crädh ö dhai[dh]bhrios füair an fer, gur smüain ainbhfes
'na aignedh.
35 12 La ^igin da eirigh sin tarla don duine dhai[dh]bhir
(nlr mhaith an döigh e don fior) ante da nar cöir
creidiomhi
») sdüaidh *) sduadh
') deghla
MITTEILUNGEN AUS IRISCHEN HANDSCHRIFTEN. 381
13 'Diült d'Iosa 7 adhair dhara! Dobher dhuit-si' ar an
diabhal,
'tearc tiomna is daoire dhuit, maoine iomdha 'na eiruic'
14 Druim re hiosa is re ainglibh tucc ant öglaoch iom-
dhai[dh]bir, 5
ruccadh büaidh re hainbhfes air, büain fa thsai[dh]bhres
ant saoghail.
15 Do dalladli an duine bocht, dar leis nach bfuighedh
furtacht,
tAT toll De muna dechadh, do b[ud] gar 6 d'inneachadh. 10
16 Do bhl ben chräibthech chonnla agan öccläch lobhalta,
do thuicc sT saidhbhres d'fagäil. isi ar ainbfes d'ion-
gabhäil.
17 Med na hinmhe faair an fer do \meg\aigh an inghen,
a bhanchara gur ghabh gi'äin le fer carthana an cho- 15
näigli.
18 A]nait coinne a ccionn blladhna gusan demhan duibh-
niamhdha,
ceim 'na cheann, ceadli när dhana, do gheall fer na
formala. 20
19 In ben dhladha adubhairt ris: 'Ar ghradh bhur n-inigh,
innis,
scela ar do cheile na ceil, fech ca teighe^) don toisc-
si[n].'
20 *Lä coinne do chengail riom an tigherna ata ar ifrionn.'^) 25
*Mäs flor, nirb iondolta aun, diommolta an gniomh 1er
ghabh-sam.
21 Maircc tucc' ar an ingen, 'aaibh t'anam ar inmhe
diombüain,
tiomna nar dhual do dhemhan do thnar diomdha an 30
Düileamhan.'
22 'A bhen chroidhechair chrabhuidh,' ar sgäth an fir
amhnaraigh,
'tucc fein fa dhaoirmhein demhaiu saobhleim fa ceim
cairdemail.' 35
23 'Tiodhlaicim duit, a dhemhain,' ar an bhen süairc
soinemhail,
0 deighe ») if renn
382 KÜNO MEYER,
'mäs toil le [mac] Muire, me ar son choire mo cheile.'
24 Glüaisis an inghen ann sin re hesccara De düiligh,i)
nir taircc re dail hudh decra, maircc do chaidh 'sa
chuidechta!
5 25 GJuidhis an inghen iodhan mäthair meic an Düileamhan,
da coimhed ar doirr ndiabhail, fogheg när thuill troira-
liamhain.2)
26 Do conncadar 'sa conair inilt^) ar a n-urchomhair,
bas mherchaoin chüana chorcra, enchaor bhüadha an
10 bhanntrachta.
27 'Sesaimh, a öglaoich, an riom', do räidh an inghen
foiltfionn,
'alacobharr när eimhidh fer r^idhidh etrom is m'fe-
chemh. *)
15 28 Do bhr ar rloghän na roscc ccorr, 'molt ag nech d'fia-
chaibh orum,
rucc üaim' ar an faoilidh alt, 'a eaoirigh*) üain 'na
eraic'
29 'Do chaora dhuit', ar«) demhan, 'do[g]nTm do bhreith
20 breitheman,
a ghnüis iodhan,^) nach olc sdair, 's gan molt 'na hion-
adh d'iarraidh.'
30 'An bhen torrach-sa atä libh do thsaor tu, a dhemhain
dhüaibhsigh,
25 sin let ceile na mnä an molt, ge atä fein ar na furtacht.'
31 Breith an ansbioraid air fein taidhlis^) Muire ögh ainn-
sein,
go ttarla an ben saor mur soin mar aon 's a fer 'na
fochair.
30 32 Do tsaor miorbhuile Muire an fer när thuill tröcuire,
tresan mnaoi da ttarla toil fa damhna gnaoi da gräsaibh.
33 Mur rucc tu an inghen iodhan 's ant öccläch ö aim-
siughadh,
saor, a Mhuire, amlaidh inn as m' f&ghlaigh oile ar m'
35 uillinn.
34 Cenglaim cumann red ceibh ttais, a bhanimpir phuirt
pardhais, »)
0 düilidh *) troimliamhna *) innilt *) fethemh *) caoiridh
•) ar an ">) iodhain *) taighlis *) parrais
MITTEILUNGEN AUS IRFSCHEN HANDSCHRIFTEN. 383
iomdha mur sin cas um chionn, a gras ar nach bfuil
foirchionn!
35 Lucht do ghuidlie ;ir tir nö ar tuinn nir leicc tu inghen
lathuim,
da chumhga cäs gan chabhair gras ar t'umla füarabhair. 5
36 Riom na ttesmolta do thuill ughdaii- talmhan nl tüaluing,
gidh mör ceim mholtar Muire a [ ] glan reidh rioccnaidhe.
37 Inte do bhl ar na beruibh Muire ögh dhä oilemhuin,
do chenglama[i]r sith mur so biodh 'sna dernannuibh
derccä. Gabh ar.
Philip Bocht cecinit.
Aus 23. N. 27, fol 25 a und YBL, S. 372 b.
1 Becc när dhermadas^) mo dhüthaigh, dith oileamhna, lo
trüagli mur tarla!^) monüar! is damhna doimhenma.
2 Atü i ngüasacht, doghabus, is gar d'ionnarbadh,
treisi a ttalmhuin. meisi is amhlaidh do hionnarbadh.')
3 Sealbh aindiles rem föd ndüthaigh dorn*) dhealughadh,
dlathaigh, a Dhe! rem dhüthaigh me ön merughadh. 15
4 Cuirem ar siol, sTnem crannghal ad chomhar-sa,
treabam ar ttür. nl ferann dünn^) in domhan-sa.
5 Tolcha in chruinne, ge carthar iad, ni hinnilli,
go ttreabhar thall, treabhadh is ann budh«) innilli.
6 Amhlaidh chreidim muna ccoisce ar ccorp falsai-ne, 20
inmhe is üaisle go ttibhra üaim-si ar amhsaine.
7 Tabhram fad bhreith, gidh becc 6 a n-Toc mo dhlomuis-se,
a üa Anna, nüa') na calla») sul crionuis-se.»)
8 När ghabha tu ge 'tam^") ag tüar do mlphairte,
an ri[g]thech rum a mblther sunn go siothailte. 25
9 Airde m'aignidh ar n-ecc budh adhbhar toirlenga,
a legar lem egal a ccenn na coimhlenga.
10 An corp fallsa da bfoghnuim, fada ant ainbfios-sa,
ni criochnuigh cion nach sgriobhthair gom fioraimhlios-sa.
11 Mo lucht iomtha mh' uilc, a losa, nir failgedar, 30
a ttfid thoram nä leig oram ar airleccadh.
») dermaides Y ^) tharla Y ») innarbad Y *) gum Y *) duinn N
«) is Y 0 nüadh X ") colla N ") Y steUt diese Strophe hinter
die näcitste. ">) atam Y
384 KÜNO METER,
12 Ö thüs m' aoisi as e a mlan milleadh m' anman-sa,
go mberer büaidh fa dheiredh ön trüaill thalmhan-sa.
13 Fer mo mheallta, me na aigirfi) nl hinfedhma,
ö niort nämliad^) ar th'iocht tänacc, a Thigherna!
5 14 Ma füarus crodh, a Chriost, ar mo cheird bfathrannaigh,
löcch damh, a Dhe! is lögh donte da ttärthamair.
15 A Düilemhain! dia do ghüasacht da ngereagra,
an troigh sa taobh, an goin ar aon ni heneagra.
16 Giodh olc tuillim, ata 'nar ttreabar menmain-ne
10 th'faghäil as t'feirg a n-onöir deilg na dernainne.
17 Cell an croich ndeirg damh 3) d'folach th'feirge romhöire,
dflin an taobh toll düinn, a laogh bronn na banöighe!
18 A Ri na riocch, rinn clö do chor ad ghealbhonnaibh,
na hadaimh e, abair, a Dhe, nach dearnamair.
15 19 Tu do thoirbir a ttig tre thalmhain bfonnaoidhe,
a mheic Muire, dod reic cuire na comaoinne.
20 Fa comhair ccaich do cumadh let tri teghfdjaisi,
re siWedh sa[i]l dorinnedh dtlin a ndernais-si.
21 Daind do dhealbhais dün fionn a bfuil gach ceölfoghar,*)
20 dob urlamh 6 gan congnamh De acht a dheönughadh.
22 Fa^taobh leice do luighis lör do chairdighe^)
dom^) dhenam dheit th'enar,'') a mheic na Maighdine.
23 A üain**) Muire, ga^) med aca do föiri[s]-si?
nl reich a riomh ar an ccreich riocch doröini[s]-si.
25 24 Dochüaid Ädamh, a losa, d'eis gach indighthe»«)
go nemh na naomh 's a bhen ar aon ar imirche.
25 Crann ad chlch dheis,!') de do föiredh ar bfini-ne,
füair sibh an slögh le^^) digh d'öl nachar^') inibhe.i*)
Beag.
Ein Reimsprnch.
23. N. 27, fol. 23 a.
Cja ni is robhüaine nä cre? ca ni is diombüaine nä i?
30 gach ni da mbeantar don ehre mar caith[e]ar is cre doni.
») haccatd N *) namhaid N ») dünn Y *) ceolfoghair iV
*) a chairdige Y «) dam Y '') at aonar N «) uan Y ») ca F
") indichthi Y ") ndeis Y ») ar F »») narbh N ") Hier fügt
Domhnall 6 Dmnd, der Schreiber von N hinzu: et go bfaghidh sinne mar
an cc§a[dna].
MITTEILUNGEN AUS IRISCHEN HANDSCHRIFTEN. 385
Gelehrsamkeit schützt nicht vor der Hölle.
Aus Additional 30, 512, fol. 34b 2 und H. 1. 11, fol 143a.
1 [Is] saoth lern int aos leigind do dul ind-ifern planach,
is indtl nat leg ecna do dul hl parrthus ngrianach.
2 Is ed is dech do senöir: erge romoch ön dedöil,i)
cetul na salm dia eräil, [is] eccnairc'*) märb do gabäil,
3 Erlam grind [is] manach min, ecluiss dalta co nglanbrlg, 5
combrugaid is deorad De, üadaib dlegar apdaine.
4 Fogluim feallsamnacht[a] is fas, leigend») Gäideilg[e]
7 glüas,
litirdacht leir ocus rim, is becc a mbrig istig thüas. As.
Jeder mufs einen Herrn haben.
4 t« Additional 30, 512, fol. 45 a 2.
1 Tigerna mairg ar nach tren,^) heith 'na agaid is ansen, lo
nl tüar ratha ar talmuin tigh, d'anmuin is fatha füaidridh.
2 Lamhach Logha, einech Finn, rigdacht Alaxandair find,
gaisced Echtair, glan re rIm, 7 mörengnum Aichll.
3 Saidbris Pers, [is]^) cian roclos, 7 aille Olpeüs,
cobsaidhecht Absalöin leis 7 crüas Paraonis. 15
4 Calmacht me«c Magnua, met ngal, gäeis 7 ecnaidecht^)
Solaim,
flailhm5 Octaibin gan oil 7 fortamlus Ercoil.
5 Na hairdena^) sin uile da mbetis a n-enduine,
ni fognann dö a gnim nä a gn'us mina tuca tigernus. 20
6 Inti nach riarfa a bus a thigerna co follus,
ni riarfa e inti 'gada, Tigernus na tigerna. T.
Pseudokolumbische Gedichte aus Land 615.
Colum ClUe .cc.
S. 10.
1 A gilla, glac do leabhar, ge maith egna do mebar,
go rab lucht calma fad c[h]äiw, dena do t[h]arb[a], a
thrüagain. 25
2 Mebruigh *) na sailm mur thuigi gan dailb is gan donairte,
1) degdoil Add. i ndedoil R ») eccna Add. ') leigind Add. ♦) drei
») Oder vielleicht [ba] ') egnaigecÄi ^) hairgina *) mebnüdh
386 KÜNO MEYER,
is i in tarba gan loigi,^) lucht calma ar do c[h]umairci.
3 Tabair bhoin go mbennaib argait 7 go cosaib gloine,
feich na biaidi büaine binne, is cenn dergöir iiirre.
4 Gid mör let-do t[h]äinti troma 'ga lüagh air gach tulclia,
5 nl fuil lüagh 2) na salm sasr sorc[h]a acht nem naom
gan urchra.
5 Riaruigh^) oidi do mic melluigh, nä bid a cned fad
bruinnib,
tabair leis cüig bä go mbennuib, cennaigh 7 cuinwig.
10 6 Na feich sin aithnim go becht a Duibinnsi gan cläonreclit,
biaidh Hair dobertÄar fa secht do e[h]enn a legt[h]a
aoinfecht.
7 Bert[h]ar m'aghuidh-si go h'I mur foillsighes mac DÄ6 bi,
biaidh go hidhan am farradh inad da n-anad 'gon Righ.
15 8 Dena-sa ar mathib red mac arna forcedol gan locht,
cennaidh gan crannacht, gan feill, bennacht do aoidi
leiginn.
9 Maith mo bennacht d'Fiannachta dar fagus e go men-
mnacli,
20 dorinnis rlgh gacha rätha do gilla atha na Temrach.
10 Mo bennacht co mlleib dann, mogenair nech rostuillenn,
is fada berus sl do, da mac, da üa, da larmö.
11 As ür crann na bennachtan, is airged a c[h]nes,
is fin Franc a duilleabar, is ör derg a mes.
25 12 Is blathacZ tuirc toghuidhe, is crann ara mbl bläth,
bidh sonus is sodhartain ar a Sil go ti in bräth.
13 R[e]ac do meirgi a[r] linn lüaimnigh, r[e]ac [do] thüaigh*)
ar bachaill mbüadhuigh,
reo ar egna do miri, rec do duibe ar glegili. A gilla.
S.36.
30 1 Cluig tolla, senbachla crina croma,
mar a ndenaid a ferta fagaid a lepta loma.
2 Na clsrigh donl möran do bregaib,
gellaim a bucht Righ nime nach blaid is Muire a n-entig.
3 Inte millis an eglais, is do is egail heith 'na firtrü,
35 millis dam 7 termann biaidh s6 anmann fa mlclü. Cluig.
») «= laici ») luadh ») riaruidh *) t/juait/i, in t/maigÄ korrigiert.
MITTEILUNGEN AUS IRISCHEN HANDSCHRIFTEN. 387
Au crosradhach Colnim CMlle innso.
S. 55.
1 Gros Crist tarsin gnüis-[s]i, cros Crlst tarsin clüais-[sji,
cros Crlst tarsin süil-si, cros Crlst tarsan sröin-si.
2 C. C. tarsan mbel-sa, c. C. tarsin tengaidh,
c. C. tarsin craos-[s]a, c, C. tarsin cül-sa.
3 C, C. tarsin täeb-sa, c. C. tarsan mbroinn-si, 5
c. C. tarsan tarr-sa, c. C. tarsan druim-si,
is aralaid as coimsi.
4 C. C. tar mo lämuib öm güailhö gom bassaib,
c. C. tar mo lesaib, c. C. tar mo cosuib.
5 C. C. lern tarra agaid,i) c. C. lem im degaid,^) 10
c. C. orm fri gach ndoraidh, itir fän is tulai^.
6 C. C. soir frim enech, c. C. sTar fri fuinedh,
tes tüaidli cen [n]ach n-anad, c. C. cen [njach fuirech.
7 C. C. tar mo deda namtair bed nä beine,^)
c. C. tar mo gaile, c. C. tar mo chraide. 15
8 C. C. süas fri fithnem, c. C. sTs fri talmain,
a Christ, ni thic olc nä urhaid dom corp nä dom anmain.
9 C. C. tar mo suidhe, c. C. tar mo luighe,^)
c. C. tar mo bruinne go ris ro Rl[g] nime.
10 C. C. tar mo muintir, c. C. tar mo tempul, 20
c. C. isin cendtar, c. C. isin alltar.
11 Ö mullach mo baisti go hingin mo coisi,
a Christ, ar gach ngäbud ar snädhadh do croisi.
12 Cros Crlst go laithi mo bEis-[s]i ria ndul isin üair-si,
a cein gndis dober-sa cros Crist tar mo gnüis-[s]i. 25
Gros Grist.
Colum Cille cecinit.
S.67.
1 Forlethan mo c[h]ädhus ar Albain is ar Eirinn,
büan do chäch a tarba mo labra is mo leighind.
2 Sech gach baili a ndligim im ainm naoimhcAerf cilli,
OS me am breithew brätha co imle cacha glinne.
3 Is lat cäna glmni, büan do c[h]äch mar lüaitAer, 30
cädhus gan eitech da maoraibh, gan däine da tra[a]illedÄ.
*) aghaigh *) deghaigh ') = bine *) luidhe
388 KUNO MKYER,
4 Itä sochar ag Senglmw im ainm-si fein Cohmi.
tüar ratha 7 rige gach nech doni a comhall.
5 Onöir 7 cädus dligid cliara glmwi,
as m'ainm-si go gnsithach Colum cräibt[h]ech Cilli.
5 6 Grsibait tecusc üaim-si üaisli chinidh Conaill,
nä heister gutli aubfainn im Seinglmn-sa Cohiim.
7 Nä säruightÄer Seingleww, aitreb na lec (?) 0 nime,
misi fen da rädha, Colum cräibthech Cilli.
8 (S. 68) Nä heisdit na righa fer ra'inait gan ecnach,
10 mörtar leö mo manaig d'erred 7 d'edach.
9 Na heisdit na riga tar slüagw an domam •
re heighemh na n-anbfann im Senglend gan cobair.
10 Ma möraid mo Seinglend mar dlighess do maithius,
a sena 's a n-öga, seölfa^ lat a flaithius.
15 11 Gach- adhbhar righ ruirigh da mbia ar tüatha Conaill,
slanfa Colum Cille 's can a glinne do comall.
12 Blaidh " digail, biaidh plägha ar lucht säraigh Glinne
a n-Isli 'sa n-üaisle üaim-si Colwm Cille.
13 Inmam lem-sa Senglend ga labruind mo leighend,
20 mara tigdis am caingin näimh is aingil Eirenn.
14 Mo beudacht büan bithbendacht os me Colum Cille,
da ngoihaib 's da nglöraib do lucht mört[h]a Glinni.
15 Do eist mo Dia rim-sa ag dichar na [njdeman,
mo glör dö nir fallsa, aingeZ derbtha fam chomair.
25 16 Do bo bec ar demnaift guth mo guthbinn Glinni,
dil m'onöra is m'almsa, fa lör lem-sa a binne.
17 Is mairg ara mbentar mo guth binn gu glörach,
. is tüar dithi daine mo naomhchloc caom ceölacÄ.
18 Is me fein do bendaigh Senglewn na cnoc riabach,
30 lem ö Dia gan dimdacÄ a inber 's a Tasgach.
19 Fer m'inaid tarm eisi, is 6 dligess Teilend,
is me Colum cräibthech, dom ärus e aderim.
20 Annsa cnoc ös Teilend do dichrus na demhna,
do bo phinn mo buili a guidhe De nemhdha.
35 21 Is me Colum Cille, mac fial fertach Feidhlim,
Seinglenw dob e m'inmhuin sech gach imdaid deirid.
22 Dochluinind a Seinglmw canöin cert na Römha,
^) Verwischt.
MITTEILUNGEN AUS IRISCHEN HANDSCHRIFTEN. 389
do eisdinn a n-6ged gach maidin 's gach nöna.
23 A ndernus do chräbadh a buidhe do Dia nime,
gu fogna dom^) deöin-si do lucht mört[h]a Glinni.
24 Is me Colum cräibthech füair cädhus ön C[h]oimde,
aincim ar pein spiVaid lucht m'inait is m'foirme. 5
Forlethan.
S.103.
1 Sechnaidh ifei-n, a dhaine, imda a uilc 's a egcäine,
imdlia demhan eitech ann, is cöir freitech re hifern.
2 Imdlia peist ingnad adhbal a n-ifern ag slrmarbad,
fir is mnä ag sgrechad guil ö fBchad ifirn adhbliuil.
3 Imda süisdeöir dubh diglilach ag büalad na n-ifirnach, lo
lasair ag losgad dar lim, plan sin da bfuil a n-ifirn.
4 Tig cuca diabul gan dath d^ dteilgean 'sa slTabh sne-
achta,
muir bren a n-adhbha 'na diaigh, is mör na marbhtha
iad-sein. 15
5 Cnedacli is guil is gärtha, orrt[h]a berthar tromphlagha,
bid gan bhladh dighla oile, clTar cirdhubh 'ga foroire.
6 Meglecli na n-arracht ndemhon, rompa hud cöir sigh-
namadh,
cmrtid ar mire gach nech da mbia rissin ag estecht. 20
7 Gach fuithresgach is dub dath erges a logaib lasrach
tiagaid do riagad gach trüaigh, mör a plana 's a an-
mh[a]ain.
8 Sgartar re cell a cnamha mar tögaibter sgalana,
lingtÄer fa lerganaibh clTabh, iat ar delgänaib droch- 25
phlan.
9 Nathracha ag fendodh daine a g[c]8emhnad na ndroch-
maine
slat drem ara ndentar sin, lucht nach teit d'aifrinn
domhnm^f. 30
10 Drem is a tengtha ar lasrad a n-ifWnn go anbfossac/A,
lucht büaidertha an aifriun sin, gan coigill ag na dem-
nuibh.
11 Drem tarnocht gu füacht foiVfe . a n-ifrinn dub gun toirche.
») don
Zeitschrift f. celt. Phüologrie XU, 9.
390 KÜNO MEYER,
nach fagann cairdis acht col nä mainches soirb da sao-
vadh.
12 Iss lad däine bis mar sin nach tue do Chrisd derc itir,
7 a beith ar breth döib 's gan a tabairt dont senöir.
5 13 Misi Colum Cille cäidh, aderim isim primfäidh,
bis öS cinn ifi'inn in guil ar Chrisd rib gu se[i]mh
sechiiaiill Sechn.
Colum Cille cecinit in üair tainic Cormac hua
liathäin cuige.
S. 107. Vgl. Reeves' Adamnan S. 270.
1 Cormac hüa Liathän, li nglan, gerait nime 7 talmhan,
tainic asa thir tes te fri höighe, fri hoilithn.
2 Da n^gh n-allafd, ard a ndrech, tugsat leö an cleirech
10 , craibhthech,
anes 6 Lüi lethuin luinn co Crois Corma/c hi Caondruim.
3 Druim Cain ainm na tulc[h]a ar tüs forstä D«<rmhach,
dian imthüs,
Dttrraach a ainm anosa, crich Conuill is Fergusa.
15 4 Träth do ruächt an fer blaith bind co Crois Cormaic
igcon Chili,
and rob^nadh in clog cain sunn im cathraV^ cätamuil,
5 Ceilebhruis in sai süairc sain Cormac mac Dima dealbh-
ghloin,
20 CO tanghamar ar a chend 'nar s^nadh craibhthech
coimthenn.
-6 "Mochean duit sunn, suairc do drech, a Chormaic, uair
it cräibthech,
do thuidecht co luäth ale, cian 6 do bhüi a tairrngeri.
25 7 Tairiss sund, uair it sai slan, a C[h]orma/c co clü comlän,
gurab tu coimetaigh coir blas im cathraigh creaduil-
mhoir."
8 "Cinnus bead-sa sund ann sein, a me/c älaind Feidhlimid,
eter tüatha in tuaiscirt truim isin coicrich-si Col'im?"
30 9 "Coisc-siu gach midhlaech, gach m^r, gach n-oigthigern
\ius eigen,
is coiscfed-sa an rigraidh reill a bfogus no a n-edirchein.
MITTEILUNGEN AUS IRISCHEN HANDSCHRIFTEN. 391
10 Denam larum ar n-aentaigh mar ruscinn Crlst co caoc-
taibh,
gaw a thärbhrüdh co bräth mbän dün, a Cormazc [hüi
Llathän].
11 (S. 108) Naiscc for ordan mo lämha, a Cormaic co med 5
Dgradha,
CO rabh ar n-aönta üallach cein b^s Durmach dath-
büadhach.
12 Is fuacÄ/nach roferais rim manab deöin do Rigli na rind,
tallais dim mh'orduin uile, a deghnaoim, a deghdhuine. 10
13 Ger robhä frim, a Mhuimhnigh, a Chormafc co ceill
cuimnigh,
istait coin allta do chorp isin ecbt gan athc[li]oinarc."
14 "Ciat imdha ägha mo chuirp", ar Cormac cirt Caisil Chuirc,
"biaidh cell im gach n-ägha dibh, biad lat-sa, a Coluim 15
cloithmhin."
15 Colum: "Is eol damh-sa inni bhias de dorn thescadh,
dorn thimdhibhe,
mli'ordan lat ordan it chill cein mharus Eire imrind.
16 Cuindigh dam-sa cain öt cloind, a hüa Oilella Öluim, 20
ar na tardar-sa dighail for Üibh Liathän länbhrighaigh."
17 Cormac: "Kotbia screbal cach caithrigh uaim-si is 6
naoinnean naithigh,
7 each romhaith gach righ isin echt n-uaibhrecA n-ainfir."
18 "Tabhair-si co tard-sa daibh, d'üibh Liathän co n-ilar 25
ngräidh,
ith, blicht, mil, mortha dann, buaidh righ 7 oigthigern.
19 Imat cleirech co crEhud 7 saoire diä samadh,
büaidh läech, büaidh mban is büaidh bfer, buaidh ngor-
mac, büaidh ngoringen." 30
20 "Cia lin uaim-si bias it cill, a Colum Cille cloithbhind?"
"Fer CO leith lögh na gresi, achadh 7 airleisi.^)
21 Occus äine mo mhuilinn üaim-si dot mhuinntir mhuin[f]ind,
leine is l^nd gacha bliadhna do coimet ar caoimriaghla.
22 Comuidh bidh 7 lenda üaim dot muinntir, med ngrema, 35
bid dibh gach ochtmhadh ter fe[i]rt dot mhuinntir caoin,
a Cormaic. A.
') Dazu die Anmerkung Colum Cille in lethrann dsighenach.
26*
392 KÜNO MEYER,
23 Gach aen dibh doragha ale d'iiibh Liatham co lanmhaisi,
rosbia neam när naoime cuirp üaim-si 7 üait-si, a Cor-
maic. A.
24 Ragatsa a nAlbam UoWaig a n-oilithri n-imüamnaigh,
5 is füigfed mo chlog, mo chäin lat-sa, a Cormajc hui
Liathäin". C. 0.
Colam Cille .cc.
S. 118.
1 A Eire, is duit is doraidh easpaig dheiridh 1) an domhain,
hü imdha a coin 's a ngille, ni coimeölad firinne.
2 A Eire, is duit is doraidh easpaig dheiridh an domhain,
ni coimeölat riaghail chert, ni dhingnaid uile acht aimcert.
10 3 A Eire, is duit usw.
'na ceallaib ni dhingnat cöir, blad eisidhan 6s altöir.
4 A Eire ustv.
beidid aca mnä bläithe, uch! mo phläigh an chom-
chäimthe.
15 5 A Eire usw.
toigebhaidh lad fein go tend do chrechadh thrögh is
anmiand.
6 Na heaspaig sin, trüagh a ndlugh, muna treiget a n-
üabhar,
20 beg na mör dhoibh fein co beacht ni foghain da tim-
thireacht.
7 Gach drochri, gach drocheaspug loites cealla 7 tüatha,
a prisün dorcha hid tinn ar lecaibh Tchtair iffrinn.
8 Na sagairt ag lot a ngrädh, uch, a Christ, is trüagh a
25 _ ndäl,
ar lorg na n-esbag co feill slatfaidit uile Eirinn. A.
S. 88.
1 Marbh anocht mo cholann-sa, a mic na sethar saoire!
ata egla oram-sa gan mo legudh gom crTch-se.
2 A mic dheidghil dhüalgusa, teigh2) go maith mo chosa!
30 gidh mör d'eigen füarus-[s]a, is mö doghebh b^dhesta.
») dheirigh ») teidh
MITTEILUNGEN AUS IRISCHEN HANDSCHRIFTEN. 393
3 Doghebh tonna tuilmera dorn chur a crlcha aineöil,
doghebh anfadh füarmhara, dogeb peisti 7 braineöin.
4 Doghebh cairge crüadhgharbha do hrisiudh clair mo
comhra,
hid hi an fairge m'füaradhbha nogo ti craidbi in Coim- 5
dhedh.
5 Is misi mac Feidlimidh mic Ferghusa mic Conaill,
budh dimbäidh le GEidelaib in dil bhias ar mo cholaind.
6 Misi a mbroid ag allmurcha2& 7 sTad fein ar siubal,
bidh trüagh lern na GaMmSinaigh do beith tarm eisi am 10
inadh.
7 Muirfed-sa dann tSomairligh eit«> mil 7 duine,
ö rechaid öm comairle cuirfed a fän 's a fainde.
8 Clann Colmäin, dann tSomairligh, dann Conaill is dann
Äedha, 15
dann Cairbri go ndegarmnib, dann Loingsigh a tir Äedha.
9 Clann Luighdech, dann Aongusa, dann Fergusa ö fuilim,
na danna sin tuirmim-se, hid olc a cumain orainn.
10 Misi gedam foidhidedi, tiucfa dam-sa täem ferge,
galar goirmger goiweidech iTonfus go lüath na reilge. 20
11 Na roilgi do thoghus-[s]a eitir Eirinn is Albain,
hid merge söer solusda lad ag cungnam lern anmain.
12 Eoileg Odrain oilithrech, roileag Martain ag Doire,
roileg üasal Oireachtaigh, innte rob äil lern loighe.
13 Dun Cuilleann cöemh comramhach, Enach is Dun da 25
Lethglas,
Cuillech cornach comholach, Torach tonngalach trethglas.
14 Doire dosglan duilleögach, Cennannus, cenn na doinne,
Durmach ordraic fuindeögach, Sord 7 I Coluim Cille.
15 Da ndernta mo comairle a cuiligh clawwa (?) ferta, 30
ni beidis a roghalraibh is ni beidis a terca.
16 Me fein a Cuile gan cair, Comghall a roilig Martain,
Caiuneach a nDoire dogres, is Brenaind 'sa duibrigles.
17 Mo roilge, mo roigl6s-[s]a, mo dingna^ZÄa, mo dünadh,
mo samudh gein beö-sa lem ar cumairce an Düilimh. 35
18 (S. 89) Mo Düilemh mo dherbräthair 7 aonmac mo mathar,
is 6 sin mo tsenathair 7 brathair mo mäthar.
') = anbfann
394 KÜNO MEYEß,
19 Mo cealla, mo cathracha, mo Dhüilem da ndin,
mo bräithri, mo tsethracha nä legar a ndith.
20 Mo manaigh, mo maincesa a fogus, a cein
na gabaidh na baingesa, nä rapliad a pein.
5 21 Mo deoiraidh, mo dhalta^Za go rabad go büan,
ge donidis faltana nocho lamhther a lüagh.
22 Mo chomhde, mo comairce do gach trath do thrath,
Crist cend gacha comairle go brath is lar mbrath.
23 Mac righ leidmech Lochlamni teid fa cadus laa,
10 se fein cona tsocraide tuitfes lium-sa dar Diaa.
24 Dorat dam Gridhair go mbloid, abaidh Eirenn is Alban,
mo beith üaistibh go terc acht mad tiaisle do Padraic.
25 Füarus üadha d'fer m'inaidh gan espag orm am äeghaid,
acht Grigair papa go mhlad ö fuigeab cata in Coim-
15 ähedh.
26 Gach a faarus-[sja ö Grighair do sgribus dom laimh
liubhair,
a nderedh leabar na cath mun hadh frithir an taithmech.
27 A Bäithin blaith beg go th-, a coim crabaidh mo craidhe,
20 ge do beth easa a nert de na treig ar do cuid Rig nime.
28 Daine beödha bealgacha, urmör bar ceall a nEirinn,
tüata trodaigh tengtacha, olc in betha mac leighind.
29 Mo dile. mo derbrathair, ingaib Hon is liaa,
na rabiad an dergnamaid muinnter älaind laa.
35 30 Muinter laa, muinter Doire, miiinter rosiaa docum nime,
inmain lem Doire donnban is roileig Odrain mo chraidhi.
31 Roileg Odräin mirbuilf^r arar sgailes üir Römha,
tig Muire fial firbreathach da bendugud gach nöna.
32 Gach maidne ar mocheirghe teigind deisil na railge,
30 bar ndogra, bar ndrochberta loghtar dlb ar dul innte.
33 Inmain Durmach dreachnuaidhe naignech urnaig[th]ech
aibind,
sathal sochraidh sogradach mur is mlan le lucht leighind.
34 Dithraimh dlleas derbdiabhail Duibglenn dub dorcha
35 diamair,
dd blTadain acht da raithe is ed bamur gä Taraidh.
35 Da espog, da airdegnaigh rugus-[s]a lem siar,
easpoc Cairbri cairdemail, easpoc Aoda 5nt sllabh.
36 (5. 90) A togha 's a maincine bertar üathaift soir.
MITTEILUNGEN AUS IRISCHEN HANDSCHRIFTEN. 395
fuicfe dit na hallmmrig Tat fa chosaib con.
:37 Mo bochta 7 m'annraidhe, trüagh mar beidid and,
fasp- orra ainfine öm beith-si go marb. Marb.
S. 120.
1 Do cluin Isa guth an c[h]luicc in gacb roilic buig a mbidh
ag sasadh anmann na trüagh, is adhbhal a lüach ön Rlgh. 5
2 Is faoiltech uile an slüagh thall re bÄüain comall, fäth
gan gÄäoi,
brönach iatt 6 scur go prap eitir ier is mac is mnaoi.
3 Teithidh diabhal re guth nglüair go rbhud thüaid
gusan muir, 10
ni maoidhte d' anam a phian guth an c[h]luic gid cTan
ro cluin. D.
s. 121.
1 Mairg doni peta da cholainn, beth 'gd smeradh olc an
clall,
mairg chaithes cuitt na hanma, gerr a tarbha, fada a 15
plan.
2 Cuitt gach enoidhche don cholamw 's a[n]t anam do
beth gan cuitt,
da rabh an colainn go caithmech, bid aithrech 'sin
laithe an luig. 20
3 Ant^) edach do beth fan colamn 's a[n]t anam do beth
go füar,
maith dlghöltar ant andlocht, bethar taoblom tarrnocht
trüagh.
4 Ataat da 2) thech ma com raghain, teach a n-iseal, tech 25
a n-aird,
tech as nach bfüair duine a cabazV, a breith do ra-
ghain is mairg.
5 [Is] tech iffeirn an tech iseal, teach Righ nime an
teach ard,3) 30
• corab m' anam arna snaidhe a toigh Righ nime gan
mairg. M.
*) xioohl anszulataen. «) do da Es. ') wohl zu lesen teach ETgh
nime an teach a n-aird.
396 KÜNO MEYER,
Coluim Cille .cc. ista carmina inferiora.
S. 129.
1 Cüghaire dochüalamar la csei Leitrech Branghaili,
mac De cona nüallamar do chüalamor traghaire.
2 Traghaire docüalomur, docüalamur tragaire,
mac Ds cona nüallamur docüalomur damhghaire.
5 3 Damhghaire docüalamur, damh Dhroma mhic nÜghaine,
mac De cona nüallamur go gcüalomur cügaire. Cügairi.
Coluim Cidli dochan na tri raind si ac closs na cüach.
7 e ac denamh a träth a nDaire Bhranghaili ar bord Dür-
mhaighe 7 do fac facbhala ac gach duini noghebhadh ac
10 cloistecht na cüach gacha blladhna, comadh coimghe 1) ön
chinn bliadna go cheli.^)
Eachtra Bidire na leomhan snnn.
Aus H. 2. 6. S. Abbotts Katalog, S. 318.
Ridire rathmhar roconäigh foisdionach fiorghlicc feidhm-
läidir rioga rosgleathan cäomhälain[n] rogabh flaithios, forba
agus ferainn isin bhFraing feacht n-aill, dar bho comainim
15 Don Cläro, agus ba mor agus ba maith clü, alla agus oir-
dhearcas an ridire thoirbheartaigh mhorghrädhaigh sin. Agus
a ttüs a flaithis agus a aoise do tuismeadh mac miadhach
mörälainn do, agus niorbh dilne äon don Ädhamhchloinn inä
e. Agus iar mbreith da chäomhna agus da oileamain dia
20 oideaghaibh agus dia aithreachaibh gur säruigh ocht mbliadhna
deg dhä aois, is amhlaidh a tärla dho .i. a bheith 'na öin-
mhid agus 'na amadän, ionnus nach aithnighedh an dubh tar
an mbän nö an bau tar an dubh, agus fos nach aithnigedh
anti ina mbiodh do ghnäth 'na chuallacht seach anti nach
25 bhfaca roimhe riamh, ionnus gur tuirsighedh aithre agus oidigh
agus foghloma dhä leasughadh agus dhä siormhünadh fon
seoladh sin, gur cinneadh caingean agus comhairle leö cr6d
fa hindeanta dhoibh um dhäla an mhic bhaoith oinbhidigh
sin; döigh dhamh bä machtna möradhbhal leis an ridire a
*) coimdhi Hs. •) Rier nennt sich der Schreiber: Miai Eoghan
Carrach 5 SlagaiZ doscrlbh.
MITTEILUNGEN AUS IRISCHEN HANDSCHRIFTEN. 397
aonmliac fein agus gan do chloinn no do chaoimhiarghradhaibh
aige no fos deanadh no cosamhlacht air a bheith aige, acht
e ina äonar, agus e a bheith ina adhbhar fanöide, sgige agus
cleasachta ina fiadhnuisi fon samhla sin ag gach aon seach-
neöin na criche go coitchionn. Acht atd ni cheana ar mbeith
don ridire cona chairdib ag siubhail le taobh na mara agus
na häihhese a ccomhfogus da chüirt agus da dheadhbhaile
fein ag coimhairliughadh um an adhbar sin usw.
Die Gräber der Apostel.
Au» Land 610, fol. 38 a.
Is d'forgell in scäilti so na n-apstal do chan int eölach
na raind so sis. 10
1 Reilgi muintiri mefc De, nochan egöir a n-aithne,
bid tosach deg[g]resa dam reclesa na ligapstal.
2 Eöinbaisti^rofidir Dia isin c[h]athraig Sabastia,
reilgi Pöil 7 Pedair atäid i Eöim rigegair.
3 Relig Andrias frlth i bus i nAcaia i Partirus, 15
da lacöp is Madian menn ataid i niarusalem.
4 A nEfis a nAsia Big ata Eöin roglan roglicc,
i Liconia [i] nArroenia öig relig primda Parrtholöin.
5 Pilip, ba cara do Dia, i nEoraip in Frigia,
cathair atai) Thomas tair Endia isna Sairgentaib. 20
6 I nArmenia i nAmön dam ata Matha mörapstal,
loighi Simöin sund co se Erentum a tir Parte,
7 Eeilgi Lticais, locc do Dia, Bothia Mesopotamia,
Mairc, is i a chathair co cert, Alaxandair i nEgept.^)
8 Dochüadur martra uili acht Eöin ar a inmaine, 25
is alaind a ndath ar nim, ata rath ar a reilgib. Reilge.
•) = itä *) egpit Es.
Berlin-Wilmersdorf. Küno Meyer.
zu IRISCHEN TEXTEN.
I. Athirne Ton seiner Ungastliclikeit geheilt.
Die Anekdote über den Dichter Athirne, die LL 117 a — b
steht, findet sich auch in Harl. 5280, fol. 77 (alt 66), v. Da
diese Handschrift — abgesehen von ihrer bekannten schrullen-
haften Orthographie!) — einige bessere oder abweichende
Lesarten enthält, sei sie hier gedruckt. Von LL (mit L
bezeichnet) gebe ich nur die wichtigeren Varianten.
Aithirni AlgessacÄ mac Ferchertni is e is dibiqu^) ro'uui
i nEri. Di'caidh co Midir Uri Ijeth coro'troisci foa?r'), con'
diuc*) corru niuid^) uath ior i tegh .i. ar dibe 7 ar doceld,
arna'taidli^) nech') d feruiuh Brenn i teg sm/w di aighidicÄ^. 8)
jNa'triar^) na'tair' al a zetzorvA^) ,Airc as' al a set^^r.
,Seuc teg seuc teg' ol in ires corr. Gegh") ier di feraiuh
ErewM ad'qdh, '2) ni'geued/i iri conl-^'^) en la sin.**) NocJia.'
doich^s) he saidh riem ar belamA doini.'^)
Luit sunt di^') 7 mucc urgonta»*») les et paitt medliSi
hisin cailHdA^ä) con'essath hi saith oenur.20) Ra'ccrtai-
chestar ara uhelaiwÄ in rnuic^^ C'ön-aqu an ter qgie. ,Di'
») Bemerkenswert ist die Abkürzung l-a(n) für nocha(n). ') doich-
lechu L ') c. f. om. L *) co • tue L *) corra diultada 7 doichle L
•) -taidled L '') fer L *) do aigidecht no foigde L «) Na-tair L
") ar in chetchorr L ") Ca L ") ata-ciched L, l ata -cid '») fria
chomlund L **) allaa sin L ") Nochodoid L •") bale in'facced
duine L ^'') da L '*) urgnaide L '*) h. c. gm. L **) a oinur L
"*) 7 in paitt meda add. L
zu IRISCHEN TEXTEN. 399
gentae h oenur' ol .ui. lie tadhuld na muiq uadh. ,Qa h ainm
si?' ol Athirni. ,Nochsin airdeVc on' al .ui. ,.i. Sethor Etlior
Othor Seli Deli Drend Geirci Mec Geircii) Gerr'^) Ger Dir
Dir, issedh in sin 3) mo ainm si uili'3) ol se. Ni'tanic in
muic, ar for^emid sium ind seir do cuibdigadh forsin ainm.'').
Doicc CMmad o dia tista do hreth na muici. Ar nirbo hanfeli
indas gach duine^) oan uair sin.^)
Athirne Ailgessach, der Sohn Ferchertnes, der war der
Abweisendste (Ungastlicliste), der in Irland lebte. Er ging
zu Midir von BrI Leith und fastete gegen ihn und erhielt
von ihm die Kraniche der Knauserigkeit auf sein Haus,
nämlich aus Ungastlichkeit und Geiz, damit keiner der Irländer
sein Haus als Gast aufsuche. ,Komm nicht! Komm nicht!'
sagte der erste Kranich. ,Geh weg!' sagte der andere. ,Vor-
'bei am Haus! Vorbei am Haus!' sagte der dritte Kranich.
Jeder Irländer, der sie sah, konnte an diesem Tag keinen
gleichen Kampf bestehen. Nie als er sich vor den Augen
der Menschen satt.
Er ging nun mit seinem zubereiteten Schwein und einer
Flasche Met in den Wald, um sich satt zu essen. Er riclitete
das Schwein vor sich zurecht. Da sah er einen Mann heran-
kommen. ,Du würdest es allein tun' sagte der, indem er
ihm das Schwein nahm. ,Was ist dein Name?' sagte Athirne.
, Nichts besonderes'- sagte er; , Sethor Ethor Othor Sele Dele
Dreng Gerce Mec Gerce Ger(r) Ger Dir Dir, das alles ist
mein Name.' Er (Athirne) bekam das Schwein nicht; denn
er vermochte nicht das Verwünschungsgedicht (air) mit diesem
Namen zu bilden. Es ist wahrscheinlich, dals jemand von
Gott gekommen war, das Schwein wegzunehmen; denn von
da an war er nicht unfreigebiger als jedermann.
0 Zu Gerce in L am Rand lus ») Ger L ») om. L *) f. a. otn. L
") i. g. d. om. L *) In Marl, am Ende die Schreibernotiz: seil- etnoiiie
iar fei muiri a ngemr- odie 7 acorrlia conuild dum mesi in tarascce (ra
Vinsicher). Sie iit offenbar mitsamt äetn Text abgeschrieben worden.
400 R. THÜRNEYSEN,
IL Aislingi Oengnsai.
Vor 40 Jahren hat Ed. Müller diesen Text in der Rev.
Celt. III 344 herausgegeben, der nur in der Handschrift Egerton
1782, fol. 70 r — 71 y, bewahrt ist (abgesehen von der modernen
Abschrift daraus in T. C. D., H. 1. 13, S. 328). Eine Ver-
gleichung der Handschrift im Jahre 1911 ergab mir, dafs die
Ausgabe sehr zuverlässig ist und nur eine kleine Zahl der
abweichenden Lesungen für den Sinn in Betracht kommt.
Ich führe unten auch Abkürzungen auf, die wir heute anders
auflösen würden.
(Bl. III, S. 344) Zeile 1. hindaidq 2. issailldem 3. ina imd-
. . uid 4. huäd . . nipoo {steht am Zeilenende) 5. gal- 6. doag-
. . timwpan 7 — 8. Nichoroproinn dö arauaruch 9. nifit-
10. Doeccraalldur 11. Con- ') . . inagh- 13. cowngalar . . ate
nibeoga 14. mogal- 17. Timpan . . cachnaidq 20. donanic
gal- . . Adfiadot 21. diamathuir 22. h-^ 23. atcöwn-
345, 1. Aspertt fer- 4. moaccalluim 5. orindagdu 8. doro-
acA^mar . . 2't linniu 9. dibl-a 10. inacotl- 17. indingin
18. hicarp- 19. Bat- . . haidq 22. coeco ing- . . cowfacat- ining-
23. nachingino dis . . aircd-e 24. aircc- . . orloisci 25. ining-
27. abr; .. abuidb 28. Ethail AnbuaiP)
346, 1. ahath- 7 asenath- 2. eircc 5. Batt- . . hiccfledug-
6. CidumubracÄ< . . orindag- 7. dorig- 3) 8. olaill- . . araill-
10. rectairiu 11 — 12. diao naccall- 12. atuids Rofitt- 13. araill-
13. cenwa alaeg 14. dochum insidui 15. cenn as 16. frihethal
nanbuill 16. Tab- 18. Nl. . . cachlabl-. IN bl- aill 19. Cissi
bl- . . Ni limsu 20. olaill- 22. eoin 25 — 26. saert- ethal as.
Ce\-*) ind dag- doib. Ticc inda- diatig 27. donl- .. combui
og 28. lo- be- . . cowfaco .3. 1*. enfinn . . aircc-e 29. cocuircess)
. . d^nsu 30. inlochui 31. oengwss 32. indl-^) 33. indl-^)
fot'. Naby 34. combat-
347, 1. cachnat- 2. .111. haidq 3. ocus aill- 4. acuailngne
5. bo cuailngne 6. TINIF.
*) d. i. Conchobuip *) Davor Caer Ibormeith zu trennen. ») d. i.
do • rigned *) d. i. Celebraid ••) Über 3 das Asjpiraiionszeichen' ') d. t.
ind loch
zu IKISCHEN TEXTEN. 401
III. Cath Maige Turedh.
Diesen wichtigsten Text des mythologischen Sagenkreises,
der nur in Harl. 5280 erhalten ist, hat Stokes, RC 12, 52 ff.
(u. 306 ff.) herausgegeben, dabei aber manche Stellen namentlich
rhetorischen Charakters ausgelassen. Da man aber gerne den
vollständigen Text haben wird, trage ich diese nach einer
1911 genommenen Abschrift nach. Ob ich die Worttrennung
der Handschrift genau innegehalten habe, ist mir unsicher,
eine Nachvergleichung jetzt untunlich.
Hinter § 83 (fol 66 r, Stokes S.82): ISdei aspert fris.ar-
folmais cath mbrisi coniddei aspert anMorig- friLug
Diuchtrai ceincuild ansaim^) slaidither truasfidir troich
tarret brothl-^) mbodhmhou indraither tuatha dö agath-
diuctra cein .d. c.
boi Figol mac Mamais andrai og taircet- ancatha 7 oc-
nertodh th- ndea gonad and atbert
' Firfidhir nith naboto triaagh tithris muir ninglas nem-
nadbeo brogoll brofidh airideu doifid Lug lamfadse. Brisfid
bemionna uathmara Ogmae orruderc dö iar- beo rig. soifider
cisai nofither bethai tief- airim ethae maigf- hlicht tuatha.
bithsser cach inaflaithmaigh.cenmair tairgebai bith bioas bith-
saer cach nibadaer necÄ anuadha focichart- derind nith 7 fir-
fider nith .1 n.
Hinter § 93 (fol 66 v, St. S.86): Amboi ier- ogimdect
conäcu anningen forocind gondeilb nderscoighte . si caemtrilsich.
Luid mmmo anDag- dii acht naruo tualoigg lia aproinn gabois
aningen foracainei/i gab- aning- forimtrascr- fris Fucerd cor
de gorainec gobac atonai hitolamh Dosneco gohandiaraid
7 atbert qd romba dam a.I. olse domcor domconair cair. isairi
romba det gonitmrugse fordmuin luet conamrabor aticc moath-
Cuicb ath- olse ingensa^) em olsi dindech mac de .dow.
') Über ai ist ba geschrieben. ') Aspiraiionszeichen vberl- •) Eher
ingenawr die Hs.
402 R, THUENEYSEN,
Duscaru aitherr- 7 slaithe goleir gorolin nafuthorbe imbe
docaindiubitr aprönw 7 nosegnit- gondoruccoud foramuin foth-
Atbertsum bages dou breth neich lais nadeber- aainm fris
Ciahainmsi dl arsise. Fer Bewn aresiw. Imforcraid nanmoson
arsise atrai nomber förmhuin aFir Benw , nihedh mainm amh
baresiw. Cs arsi [fol 67 r] Fer Pewn Bruach aresim Atraoi
nombir fordmuin aFir Beun Bruach arsise . nihedh mhainm
aresim Cs olsise nostic dii ule taris Ticsi dl forslioc/i^som and
conep^rt Atrai nomber fordmuin afir bf«n bruaich brogaill
broumide cerb- caic rolaig builc labair cerrce dibrig oldath-
boith athge» mbethai brightere tri carboid roth rimairie
riog.scotbe obthe olaithbe. drennar rig d-dar fnugar fegar
frewdirie . atraoi nomber disunnae Nahimber cuitb- form nibos
mou aingen al .ui. Bidategen tacuo alsie ISiar- gongloisie
asinderc iartel(fodh aprond Sech bahairisin boi furech nahin-
gene dosom gocioä moir Arooisium ier- 7 gabaid aningen
foromuin 7 dob^^rt teorae clochau inacris 7 dofuit cech doch
aruair aire 7 atberud bat- iat aferdai derocrat- uad lingthe
aning- foair 7 doslais taratoiu e 7 lomort- acaither frithrosc
Gondric ier- ionDag- frie abancaroid 7 dogniead cairtene ier-
Ata allatmch fortracht Eoboile ait acomarnachtur
ISand s6 atbert aning- frisiem , niragse am dencath cipe-
tou3 . ali/^phen Rag- eciw olinDag- , nirogae olewben arboam-
clochsou ambeulai gech athau nodragau bid flr orionDag-
acht nimgebou dei ßagatso gotren tarcechnalich 7 biaid
latrwoch mosaulusau ingechailic gobrath Bid fir acht bud sios
consufit- conaaieit-. Niiago tonnsai gommarail m- Tethra
hisidaib . arbonrailsie daruch incech ath 7 ingech bei- notragai
Rag- eci« alinDag- 7 bieid latmch mobelosai ioncech dair
gobrath conepert aseth latrach beluo an Dag- Atbert si ier-
legait- nafom-e atir olsie artancot- firu Er- ulie gohaeiiinod
Atbert si dno noriastrabadh si nofom-e 7 docach nop- forrai
7 arinimrethsomh cerd marbth- nagice forro 7 nogeb- si
ahoenor nom- rann forinsloug
Hinter § 129 (fol 68 v, St. S. 98): Atroroi cat comartan
isincathirgal robris comlondo förslecht- slu- silsit- riaslu- sioa-
zu IRISCHEN TEXTEN. 403
brai iath fer fomnai . cuifecithai fir genrogain') lentor gala.
fordomaisit fordomcloisid forandechraiged fir duib becc find
nomtam- '-i) . fö fö fe fe cle amainsi noefit- mann iernelscoth-
trietrencerdaib druag-, Nimcredbod catha fricricha nesit-
mede midege fornemairces forluachoir loisces martal- tsuides
martoraiwn trogais . incomairsid fricechnaie gocomair ogma
sachu gocomair nem 7 talom gocomair grioan 7 esqu Drem
niadh modremsie duib Moslu-so slu- mor murnech mochtsailech
bruithe nertoirech rogenoir et- dacri ataforroi cath comortai.
arotrai.
Hinter § 133 (fol. 68 v, St. S.IOO): isnawn isbert Lucc
Odeo cietoi fir bic ciabith imbä inlä bin fo 16 marbu duit^)
[fol. 69 r] Bai- dx- Foriathmaigi alfois filiu fon' fola im-
musriad riadha focomrac sil silme amsil amniis fen .
Lug- dx- IStu torat- Lughdech lisbertac totsili dotoirrsepu
mocloidim dotgart motuili moc^-rdse des tuatha Bidolc decua-
naib fal fomoiri fotuili fotrethan duib fotonnae lia ciptuccai
conaib dinn. niberaid mes nablicht . niberaid arith ith niberaid
erai'g aigthe aic aic fe fe . Nifocen tiSsta naithech nes bretach
bitlimaru inarbraind beg antetru tromma fortaibsin troga
foiiica lim Osme Lug namfadbid oldam dilaira denaitli duilem
fo/diacimdes gene o3 gene nomnasaid mocarp- nitaidlibthi tres
ceptucas atbrothru fotonnaib lirdib linaid tethru trestuatii
commilae mara melli cr-i crwaid caramain bith aitliis ior
farmnaib dea tetrais tuli maru luadaib. cloidem cosst- druad
mewmaind logha luaithe gaithe donal druag frasaib tenid
ten'al leom- laindr- gre-ine giii escie.
Hinter § 136 (fol. 69 r, St. S.IOO): Cia erna isancath
conn conacherna cidriun ramid aratoruad ann riecach gidform
memais aratorad^) afrecol.
ISann isbert Lüg l«^gl- Aisnes cief- snedcuruch serig
slessacli lathcorauch latras ailig nesomain atailm tatbem bag
1) Oder genrogam ») Oder nointam- *) Die Wörter von biu an
undeutlich. *) Glosse .i. aratuate (ua unsicher).
404 R. THURNEYSEN,
brissius derc toraich drech dorig buadgalaigli Baluir tnuthgal-
tiwnfir.
ISann isbert Lug nabriatrasa sis agafregrae Eola f-
nachadais nachadcaru nandidceil nachidceala cerdaib errad
isme Lug lonnbemnech mac Qind m-c EMend. is mobrighfas i)
firgal- ^) dercaib darauscatli cofergaib mor- memais foirb fom-ib
maraib coraid miad- ciptuctai tuath es mratach eallucli islidh
troig dodob- comci corud cathminn- arroi roinfimni nert traetf-er
f- fercc fesaib dea nidttrfuriudai f-afodb fesmai dorngal- acat.
isann ispert Loch Cengmai cicsimiu cetaib fonn ferdse
nihinnist- imonfosew feocraib drongaluib drongaib catbuiden
bairnnech cethern cengmai duibh dobortig dounith nim torbae
rind nimairic nimthimomna teitbe lorse loghge linn uaib fom-i
frihealg.
frisc-t Luch. Bidgo dait arLug arbid doiuaig doforndiuire
ragad ead doncath galeng abar roe rig fom-i trentuich f- neid.
ISann ispert Luoch. [fol. 69 v] Bidgo det Lugh leth-
suanaigh^) fonel nithed moenrainib*) friafartiachta fritaig
intretresa tet martaib frilerg intatlia lethcruidh slogaib srothaib
saothnu allaib maraib nithuib . nitadhna len luaith tumwe ferc
f- neocroide iarnar sirslanaib echaib nitadled armuriu laigniu
friuaraib oldama nidadtus buadaich frifoepra fichid cath ceol-
cufil sudighud fria. Nach doich duo iariaich dianath doncath
irriaich sudf- luachair dercmaighi fulriutha d-magh mediu.
Schlufs von § 137 (fol. 69 v, St. S.IOO): Afraigid rig don-
cath rucat- gruaide aisnethir rossa rownat- feola fennät- enech
ethät- catha [jrruba^) segatar ratha radatar fleda fechatar
catha canät- natha noat- druith denait- cuaird cuimnit- arca
alat- side sennat- deda teunat-ß) brag- blathnuight- tufer
cluinetÄar eghme ailit- c-ard^) cathit- locA^ai lüet- ethair
') h später beigefügt; über a scheint ein Punkt zu stehen.
») Über f etwa 1 ^
•) Glosse: .i. dath derc nobid fair ofuine gre?d comaidin.
*) Oder moeuiraiüib.
*) Der A"fang des Wortes am Rande tceggeschnitten.
*) Am Rande neben -t- : 1- .c.
■') Üoer c ein Zeichen, das dem für ur gebrauchten ähnelt.
zu IRISCHEN TEXTEN. 405
snaat- arma scothait- sronai. Atci cach rogenair ruadcath
dergbandach dreranad fiachlergai foebwrlai. Fri uab- rusmeb-
renarmarsrotaib sinne fri fttrfaob- lini fom'-e iwiargnaich in-
canaigh copraich aigid flach dorar friarsolga garu dalaig
förmdes rodbadh samlaidh dergbandaib dam aimcntaighid
connaechta sameth donncuridh dibwr fercurib fristongarar.
Einter §141 (fol.69v, St. S. 102): Geb- foss findgrinde
descca doiwe doman tuircebat ceth-torel aurblathaib ticfait
ioth sceo mhMcht morad indber armesaib marcainib dossuib
drongaib darach ocndiu icribcedaib i) celar bron berar failti
fira fomcichet grian glessaib saorcaomaib . sinaib serntar f-
•fletigib ailtiu astath- f- comfercca cridhiu celid fom-e fairrcce
findcasrao sitt'bitha banba echtguidi echtrann 7 suthaine f-aib
finncluiche forbarsed ondiu cobrat bid sid arfom-e indEre.
Hinter § 142 (elend.): Luachta anagat achad feoch- f-golla
fosadh craeb carp-t.
Schlufs von § 143 (ebend.) : medol meddn moth mothach
foimtinne tenda tresmorb.
Schlufs von § 144 (ebend.) : fes res roches anagar ilach
canna riadha buaid.
Schlufs von § 145 (ebend.) : can do riadha ro muir laisad
{so.') f-f-said sruobaw airchedal ruagar illanw all riadha rocedal.
^) Über dem zweiten c ein Punkt.
Zeitschrift f. celt. Philologie XU, 3. 27
406 R. THURNEYSEN,
Hinter § 162 (fol. 70 r, St. S. 106): Admell maorna uath
cath cule leccla fristethaind tuind formna f-roir isress ningalne
amtn locha lochaurbe imlias luch loeg tnmcim i) amt>nchtaigh
tighi fuaibne mifualang tighe tethrae toetrau dobert mor
fodriru fal fomoire foewda forBalwr benn bas alaw fomhor-
lelgi m-c- Ethne uili aoinfecA^ ferse colom cathrani^) ransi
fodb fersamhle fersi cetharslichd fid serbh armarmiadh. 3)
aiwm aili fes fuil tethr- hitus *) faidter fuirtbe mong diafurbidh
f-ruiris ilur fuil- oghme.
Schlufs von § 166 (fol. 70 v, St. S.llO): Sith conem. nem
codoman . doman fonim nert hicach an forlann lan domil mid
cosaith Sam hingam gai forsciath sciath fördurnd . dunad lonn-
garg longait- tromfoid fod diiü ross forbiur benna abu airbe
imetlia . mess forcrannaib craob doscis scis doäss saith domac
m- tor muin muinel tairb tarb diarccoiw odhb docrann crann
doten . tene anuail . ail anuir uich ambuaib boinn ambru . brü
lafefaid ossglas iaererrach foghamar forasit etha . iall dotir tir
cotrachd lafeabrae . bidruad rossaib siraib rithmär nach scel
laut Sith conemh bidsirnae .s.
Schlufs von §167 (fol. 70 v, St. S.llO): Niaccus bith
nombeo baid sam cinblatha beti bai cinblichda mna canfeli
fir gangail . gabala canrigh rinna ulcha ilmoigi beola bron
feda cinmes . muir cantoradh . tuir bainbthine immet moel ratha
fäs aforgnam locha diersit- dinn atrifit- linn lines sechilar
flaithie faoilti friaholc ilach imgnath gnuse ul- . incrada docredb-
gluind ili imairecc catha toebh fri ech delceta imda dala braith
m-c flaithi forbttid bron sen saobretha . brecfäsach mbrithiom-
braithiomh cech fer . foglaid cech mac . ragaid mac illigie
aath- . ragaid ath- alligi am-c . cliamain cach abrät- . nisia nech
mnai assatigh . gignit- cenmair olc aimser imwtera mac aath-
imera ingew | s)
») ^er c ein Punkt. *) oder cathrain ') oder armarnusadh
*) oder intus *) Ende der Seite; auf der nächsten beginnt ein anderer Text.
Zu TEISCHEN TEXTEN. 407
IV. Nachträge.
1. Die Fassung der Sage von der Wiederauffindung der
Täin Bö Cuailnge, die K. Meyer, Archiv f. Celt. Lexicogr. III, 3 f.
aus Egerton 1782 abgedruckt hat, fand sich auch in der seit
1841 verlorenen Handschrift von Edinburg, Advocates' Library-
Nr. XXXII (Kilbride No. 1). Aus den Notizen, die Mackinnons
Katalog S. 220 nach der Inhaltsangabe von Mac Lachlan gibt,
lälst sich die unvollständige Zeile bei Meyer, S. 3 Z. 27 sicher
so ergänzen: conus'tänaic Callin ncem, mac mäthar Senchäin
eisidi.
2. Zu ZOP 10, 272 A. 2. Ö chond, das 'von da an' bedeuten
mufs, enthält das poetische Wort cond 'Kopf (Contrib. 464),
das Flann hier in der Bedeutung von cenn 'Ende' verwendet.
3. Zu ZCP 12, 245 u. 249, Str. 11. Van Hamel macht mich
darauf aufmerksam, dafs ich bei meiner Übersetzung von
bonnän das englische hittern 'Rohrdommel' als bittern 'Bitter-
lauge' mifsverstanden habe, dals aber bonnän an dieser Stelle
nichts damit zu tun hat, sondern das Deminutiv von bonn
'Sohle' ist: 'Es ist keine Behauptung auf unsicherer Grund-
lage..'
Str. 15 ic luchraib lia falst man wohl besser als 'beim
Glänze der Flut', d. i. 'am Meeresstrand'; der Dichter hat
das alte Wort lia (s. ZCP 12,288) unflektiert gelassen.
4. Zu ZCP 12, 271 ff. Ich hätte anmerken sollen, dals ein
kurzer Auszug aus der Geschichte von Ai mac Ollaman sich
im Buch von Lismore, fol. 125 v, b findet und von Stokes, Lives
of Saints from the B. of Lismore, S. XXXV gedruckt worden
ist. Hier ist der rhetorische Spruch {ai airchetail) des älteren
Textes in ein regelmälsiges Gedicht (duan) umgewandelt.
Bonn. R. Thüeneysen.
27*
MISZELLEN.
1. Ursprüngliches dm im Altirischen.
Als ich mein Handbuch schrieb, lagen scheinbare Beispiele
für dreierlei Behandlung der alten Lautgruppe dm vor:
1. Assimilation zu -mm- bei allen Zusammensetzungen
mit ad- : ammus usw., con'ammelt Cormac s. v. mug eme, auch
in Neubildungen wie foammamigthe 'subiectus' (zu mdm, Ascoli,
Glossar CCCLXX). Ferner in der 1. PI. dod'chommar, 'de-
chommar declmmmar (Pedersen II 642. 646), wo es sich aller-
dings um den Stamm coäth- aus co[m]-uät-, also eventuell um
-tm- handelt (Lag. Forsch. 33, Anz. S. 36).
2. ä^m in maidm zu maidid 'er bricht'.
3. Leniertes m mit Ersatzdehnung in frem neuir. gäl.
freamh freumh^) manx fraue, praue 'Wurzel' neben kymr.
gwraidd, gwreiddyn, mbret. gruizyenn, lat. radix usw.
Da mir 1. die sichersten Beispiele zu enthalten schien
und ich 2. aus Analogie erklären zu können glaubte (§ 731),
gab ich jenes als regelmälsige Entwicklung (§ 224 c). Dagegen
Pedersen 1 113 hielt 3. für das Normale und erklärte 1.
(amm-) als eine Neuerung in der Kompositionsfuge. Über 2.
spricht er sich, so viel ich sehe, nicht aus. Einen dritten
Standpunkt nimmt Pokomy ZOP 11, 9 f. ein. Unter Über-
gehung von 3. glaubt er 1. amm- so deuten zu können, dafs
die Präposition ad hier bereits mit leniertem d oder mit
schwächerer Artikulation vorgetreten sei und darum eine andere
Entwicklung als altes dm zeige. Für ihn ist also 2. das regel-
rechte Ergebnis; er fügt zu maidm — aulser naidm, dessen
Grundform nicht feststeht — feidm 'Dienst, Anstrengung'
') Zur heutigen Aussprache des Wortes vgl. Pederseu 1 154.
K. THÜRNEYSBN, MISZELLEN. 409
hinzu, das er mit fedan 'Joch' und idg. *uedh- 'binden' in Ver-
bindung bringen will; auch sleidm 'sputamen, sanies', teidm
'Pest', über deren Etymologie er sich aber nicht ausspricht. i)
Wenigstens eine der drei Möglichkeiten (3.) kann ich
jetzt beseitigen. Frem 'Wurzel' ist gar keine altirische Wort-
form, sondern erst mittelirisch für altir. fren eingetreten. Vgl. 2)
arena dotholuascad Sg. 127 b 3 = a frena do thüasolcod 'seine
Wurzeln zu lösen'; con-a frenaib Expulsion of the Desi § 12;
fö fren 'eine gute Wurzel' Versl I § 13 = II § 41; nirds
fren na flesc feda LL 5 a 39 (Leb. Gab.) ; feda freoin fidnemid
(Genitiv?) Eawl. 502, 122b 29; Macc-La-Fren YBL326ddl;
fren oghuim O'Dav. 1288. Den Übergang zur späteren Form
zeigt Scel Mucci Maie Dathö § 18, wo die Handschrift H. 3. 18
(Anecd. V 15, 18) asa frenaiph liest, aber LL assa fremaib.
Ebenso Täin B.C. (ed. Windisch) 2189: assa fremaib. Also
im 12. Jahrhundert stellt sich frem neben fren, indem wohl
der labiale Anlaut den Auslaut beeinflulst hat. Es ist be-
merkenswert, dals diese späte Form dem Irischen mit dem
Gälischen und Manx gemeinsam ist. Falls freoin wirklich
Genitiv ist, ist das Wort ursprünglich Neutrum (in den neueren
Mundarten Femininum), Grundform wohl uridno- oder uridnä-
(aus urd-), vgl. got. waiXrts ahd. würz {*urdi-), gegenüber
britann. urad-.
Ob nun 2. oder 1. das Eegelmälsige ist, bleibt zunächst
zweifelhaft. Doch gebe ich zu, dafs do'commar sich leicht
nach doxotar gerichtet haben kann, und dafs für amm- aus
ad-ni- Beispiele wie abb- agg- acc- aus adb- adg- ad-c- mafs-
gebend gewesen sein können, so dals Pokornys Ansicht
vielleicht das Richtige trifft.
2. Ir. alaile.
Eine sonderbare Ausnahme von der Regel, dafs der zweite
von zwei zusammentreffenden Vokalen nur verstummt oder
seine silbische Geltung verliert, wenn er schwach betont ist,
bildet bekanntlich alaile, scheinbar aus ala-aile; um so sonder-
barer als ala geminiert, man also ein gesprochenes *ala h-aile
1) Zu teidm s. Vermutungen bei Pedersen II 60. 649.
*) Die meisten Belege verdanke ich K. Meyer.
410 R. THURNEYSEN,
erwarten müXste, wie im Gen. fem. tatsächlich einmal ala-aile
Ml 51c 5 geschrieben ist. Die Lösung des Rätsels bringt
wohl die Schreibung des Neutrums allaill RC 11, 446, 52 und
des Ack. fem. allaili ebend. 43 in dem alten Text Tochmarc
Emire. Das doppelte l zeigt, dafs die Bildung vom Neutrum
ausgegangen ist. In allaill aus *aill-aill brauchte kein Vokal
unterdrückt zu werden und alaill bietet die gewöhnliche Ver-
einfachung eines Doppelkonsonanten nach vortonigem Vokal.
Kein Beispiel für all- ist dagegen inallaile, innallaüi in
Compert ConCulainn (Zu ir. Hss. 41 A. 2), da der Sinn eine solche
Form ausschliefst. Dafs ich dort richtig innall ille 'dorthin
[und] hierhin' vermutet habe, scheint mir die Stelle Tain
B. C. 3615 (YBL) zu zeigen: Eethaid im(morro) anaill ille as
'man rennt dorthin [und] hierhin davon'. Um das gewöhnliche
anall ille 'von dort herüber' kann es sich nach dem Zusammen-
hang nicht handeln; es muls ebenfalls inn-all i-lle gelesen
werden.
3. titacht * kommen*.
TitacUWl 25dl3, tetacht Arm. 170 b 2 haben ich (Handb.470)
und Pedersen II 644 als Kompositum von techt mit to-in- (-cn-)
gefafst; mit Unrecht, wie die Nebenformen tauttacht, tuttacht
neben titacht im Saltair na Rann (s. Glossar) zeigen. Vgl.
auch die Verbalformen da-n-autat TBC (ed. Strachan-O'Keeffe)
1714 (vgl. 1720), tautat IT 112, 210, 63 = 213, 27 neben da'
n-etat TBC 1599. Die Präpositionen sind offenbar to-ad-uss-,
vgl. inotacht mit in-uss-. Der Vokal in ti- te- ist der aus a
vor M-f arbiger Konsonanz entstandene wie in ipthach \Vb 9 b 21,
ihdach, epaid Inc. Sg. neben aupaith 'Zauberspruch' Thes.
II 250, 11 (aus ad-huith),^) aupthacha IT 187, 16 und ähnlichem.
4. Der Übergang von v- in /- im Irischen.
Die Ogom- Inschriften machen zwischen anlautendem und
inlautendem u {v) keinen Unterschied. Das anlautende v
*) Der Plural aipthi Wb 1 20 b 20 ist ursprünglicher als ^pthai Eriu
VIT 168, 7, da *ahhuthi bei Synkope palatale Konsonanz erhalten mufste
(Handb. § 155). Beiläufig,^ die Schreibung laubir Cam., laubuir lebuir Eriu
VII 176. 172 zeigt, dafs das Wort nicht unmittelbar aus lat. labor, sondern
aus dem Britannischen (kymr. llafur, kom. lavur, bret. laür) entlehnt ist.
MISZELLEN. 4:11
hatte sich bis in die Zeit erhalten, wo man das römische
Alphabet anwandte. Quies Uinniani episcopi schreiben die
Ulster Annalen s. a. 578 ; i) derselbe Heilige heilst bei Colum-
ban (um 600) TJennianus^) Und noch Adamnan (rund um 700)
kennt jene altertümliche Form TJinniano episcopo (V. Columbae
II 1) neben der zu seiner Zeit üblichen Findbarrum episcopum
(ib.) und episcopum Finnionem (III 4). Aber bis in den An-
fang des 7. Jahrhunderts führt der dritte Nachfolger von
Columba, der 605 — 623 Abt von I war und später Fergna
genannt wird. 3) Adamnan nennt ihn Uirgnous, Gen. Uirgnoui,
Abi. üirgnouo (III 19. 23). So hieXs er also in alten Kloster-
quellen. Diese boten auch Uirolecus (HI 14), Sohn von Emchatus,
den Columba selber getauft hatte. Das sind wohl die letzten
Beispiele; z. B. der Abt von 669 — 679 heilst nur Failbeus
(1 1. 8). Der Übergang wird ja nicht in ganz Irland zur
gleichen Zeit stattgefunden haben; aber wir dürfen ihn un-
gefähr in den Anfang des 7. Jahrhunderts datieren.
5. Ogom Svaqquci,
Zu dem merkwürdigen Namen auf der Inschrift von Fardel
(South Devon)*): svaqquci maqiqici möchte ich mir eine Ver-
mutung erlauben. Nimmt man an, dals die zweimal fünf
Striche, die qq ergeben, vom Verfertiger auf die falsche Seite
der Steinkante gesetzt sind, also eigentlich nn .gemeint ist,
erhält man den Namen Svannuci. Der kann dann genau dem
lateinisch geschriebenen Fannuci (Stackpole Church in Pem-
brokeshire) ^) entsprechen; ist der Name goidelisch, so wäre
im Lateinischen gewissermafsen die lenierte Form geschrieben;
ist er lateinisch, so hat man im Irischen f- durch das un-
lenierte sv- wiedergegeben, ß) Rhys') findet ihn wohl mit
Recht in dem Mönchsnamen Sannuch Arm. 9 b 2 (Vita Trip.
') Das beigefügte mac nepotü Fiatach ist natürlich später.
») MG epp. ni 156.
') z. B. Fei. 2 März ; Tigernach, KC 17, 176.
♦) Rhys, Lectures on Welsh Philology », S, 266.
*) IBCh 95.
•) VglrSarauw, Irske Studier, S. 14 ff.
^) Miscellany K. Meyer, S. 240.
412 R. THÜRNEYSEN,
305, 19) wieder. Dafs das später z (st) gelesene Ogomzeiclien
einst f bedeutete, hat Rhys (ebend.) nicht erwiesen.
Die Annahme," dals die lateinische Inschrift des Fardel-
Steins: fanoni maqirini denselben Mann bezeichnete, würde
doch wohl gar zu viele Verschreibungen voraussetzen {q für r,
c für n). An sich könnten Fannuci und Fan[n]om allerdings
Varianten desselben Namens sein.
6. cürsachad.
Das sonderbare Wechseln des Spiranten in cürsag- und
cürsach- 'tadeln, schelten' erklärt sich am besten, wenn wir
die Form mit g als die ursprüngliche ansehen ; cürsachaid hat
sich dann nach maldachaid 'flucht' gerichtet. Seiner Gestalt
nach dürfte cürsagaid, das aus dem Irischen ins Englische
gedrungen ist: ae. cürsian, ne. to curse, seinerseits aus dem
Britannischen entlehnt sein, obschon es dort nicht erhalten
ist. Man könnte etwa an eine Ableitung von kymr. corsen,
PL cyrs, bret. Tcorsenn, Tcors (ir. curchas) 'Binse, Rohr' denken,
so dafs es ursprünglich eine handgreiflichere Zurechtweisung
bedeutet hätte ; doch wäre das lange u verwunderlich. Latein.
curas ago, auf das man nach dem patrizianischen grazagam
Corm. 684, gra(t)2achani Vita Trip. 291 etwa schlielsen könnte,
scheint in keinem ähnlichen Gebrauch vorzukommen. Immer-
hin darf man darauf hinweisen, dafs kymr. cur auTser den
Bedeutungen von lat. cura auch die von 'anguish, affliction,
pain, a blow, a stroke' hat. Das 'Schelten' könnte wohl als
eine Art 'Seelsorge', kymr. cur eneidiau, aufgefafst sein.
Bei dieser Gelegenheit möchte ich auf den "Wechsel von
th und d zwischen schwachbetonterT Vokalen zurückkommen.
Gestützt auf die Beispiele mit -ithir, -idir im Äquativ und
mit -ithir, -ethar und -idir, edar in Verbalformen, habe ich
Handb, § 126 a die Regel gegeben, th gehe nur dann in d
über, wenn es durch zwei oder mehr schwachtonige Silben
von der haupttonigen getrennt ist. Ich hatte nicht bemerkt,
dafs das nur für die Fälle gilt, wo die mit th beginnende
Silbe mit r schliefst. Sonst wird th auch nach dem ersten
schwachbetonten Vokal zu d, vgl. indnaide 'Erwarten' {neth-)j
ftechmadachte 'Präteritum' (zu techt usw.), ad'cofade 'er erlangte'.
MISZELLEN. 413
Es scheint also das -r eine gewisse konservierende Kraft zu
haben; so hat sich ja auch altes ihr (in brethre u. ähnl.) un-
verändert bewahrt.
7. Kymr. t/ aus wj/.
Im Mittelkymrischen steht im Präteritum bekanntlich
neben -assam, -assant häufig* -yssam, -yssant\ aber im Singular
gibt es neben -as {-es, -is) kein *-ys, dagegen überaus häufig
•tüys. Zu der Zeit, da der Hauptakzent noch die JEndsilben
traf, wird das vortonige -wyss- zu -yss- geworden sein.
Das erklärt wohl den Plural zu Uwyddyn 'Jahr' : hlynedd (aus
*blyddnedd), wo man nicht mit Morris Jones S. 212 einen alten
Ablaut ei : i anzunehmen braucht, der in einem solchen Stamm
wenig wahrscheinlich ist. Der Vokalismus des Singulars wird
unter dem Einfluls der suffixlosen Form bltvydd (bret. bloaz)
stehen. So hat man vielleicht auch den Plural morynion zu
morwyn 'Jungfrau' aufzufassen, wenn auch die Grundform
nicht deutlich ist.
Das fragende py ist wenigstens teilweise gewifs aus dem
vortonigen pivy hervorgegangen. Vgl. auch die Präposition
try- neben trwy (Morris Jones, S. 268).
Meist ist freilich wy durch Ausgleichung auch in vorderen
Silben wieder eingeführt.
«
8. Kymr. heb.
Kymr. heb 'inquit' bietet zwei auffallende Erscheinungen.
Einmal versteht man nicht, weshalb in dieser versteinerten
Form nicht die Endung des unkomponierten Verbs, die alt-
irische absolute Personalendung (altkymr. -ü) erhalten ist.
Zweitens nehmen bekanntlich Eigennamen hinter heb regel-
mälsig den Artikel y{r) vor sich. Im Irischen steht der
Artikel mit l {inti usw.), in jüngeren Texten auch der blolse
Artikel vor Eigennamen, wenn die Person schon vorher er-
wähnt ist. So kann man schlielsen, dafs auch im Kymrischen
die Redeweise heb y Feredur ursprünglich nur da angewendet
wurde, wo der Sprecher schon vorher genannt war. Dann
liegt es aber nahe, in heb nicht das Verb zu sehen, das in
ateb, gohebii, givrtheb usw. vorliegt, sondern die Präposition
414 B. THURNETSEN, MISZELLEN.
oder Konjunktion heb = ir. sech. Man mülste dann annehmen,
dals heb einst wie ir. sech auch 'nämlich' bedeuten konnte,
so dals heb y Feredur eigentlich hiefs 'nämlich der (erwähnte)
Peredur'. Die Redensart wäre von solchen Fällen ausgegangen,
wo sowohl der Name des Sprechenden als ein Verb des Sagens
vorausgegangen war.
Die obige Erklärung des Artikels kann übrigens besteken
bleiben, auch wenn heb doch eine alte Verbalform sein sollte.
Bonn. R. Thukneysen.
ALTIR. IMB-AD-CI-
Zur Wurzel ä (Pedersen § 683) stellt sich noch obiges
Kompositum in der Bedeutung 'sich etwas ansehen, betrachten'.
So heilst es Anecd. III 57, 17 von einem Wahrsager : imaicci
fer spirdo läim Cuirc 'der Geistesmann beschaut sich die Hand
Gores'. Dazu das part. nee. imcasti gl. consideranda. Ml 18d 22
und das bekannte Abstraktum immaicsiu {oc imaicsin na set
Alex. 386), gewöhnlicher imcaisiu (LU 130 b 21, SR 2140,
8371), später auch mit Lenition imchaisiu (CZ III 25, 33,
Trip. 102, 19. 20).
ALTIR TINAS.
Dieses Wort wird zweimal von einem Barte gebraucht:
CO trilis fuit da läm 7 co tinäs ulcha fair Rl 502, 147 a 50 und
is ed mod rogab ulcha thinds do folt cassbuidi fair amal irna
d'ör Br. D. D. 99 App. Es ist offenbar in to-in-äs zu zerlegen
und bedeutet also ursprünglich 'Hineinwachsen'.
KuNO Meyek.
ZUR CHRONOLOGIE DER UMFÄRBÜNG
DER VOKALE IM ALTIRISCHEN.
In seiner recht verdienstvollen Abhandlung über die Um-
färbung von o zu m (oben IX 1 ff.) hat sich Hessen auch mit
der Chronologie dieser Erscheinung beschäftigt; aber, wie
ich glaube, wenig glücklich.
Die letzten drei Seiten seiner Abhandlung enthalten
nämlich eine ganze Eeihe von Widersprüchen.
Zuerst bemerkt er, dafs Beispiele, wie tuirem < *tonmä,
cilornn < *celurno- verbieten, für die Umfärbung in un-
betonten Silben ein Prioritätsverhältnis gegenüber den
anderen Fällen anzunehmen, was zweifellos richtig ist. Gleich
darauf aber führt er bei seinem Bemühen, zu zeigen, dals in
den Oghaminschriften die Umfärbungen angeblich fehlten, als
Beweis hierfür eben die Tatsache an, „dafs es sich hier um
lauter unbetonte Vokale" handle. Wenn aber die Umfärbung
in unbetonter Silbe nicht vor der in betonter Silbe eingetreten
sein kann, so mulste doch jene gerade beweisen, dals die
Umfärbung in diesem Falle auch in betonter Silbe vorhanden
gewesen war.
Ferner behauptet er zuerst, dals der Übergang von o
zu M gleichzeitig mit dem von w zu o stattgefunden haben
müsse, aber eine Seite später meint er, dals die Umfärbung
von M zu 0 „in ihren ersten Anfängen früher als die anderen
hinaufreichte".
Am merkwürdigsten aber ist seine SchluTsfolgerung, die
er aus der ganzen Arbeit zieht. Während doch die Ansicht
handgreiflich nahe liegt, *-fo-hinami 'ich schlage' sei über
*fubinami, *fubina*m durch Synkope zu -fuibnim geworden,
nimmt Hessen an, dals die Umfärbungen beim Eintreten der
416 JULIUS POKORNT,
Synkope noch nicht vollendet gewesen seien, dafs zwar ihre
Anfänge vor die Zeit der Synkope, ihre völlige Umfärbung
jedoch erst in die Zeit nach der Synkope verlegt werden
mülsten. Er nimmt also offenbar an, *-fobinami sei erst zu
*fobena'm (mit stärker geschlossenem o) geworden, woraus
durch Synkope *foihnim entstanden sei; erst dann sei dieses
*foibnim zu fuihnim geworden. Ein ähnlicher Vorgang miilste
natürlich für die anderen Umfärbungen angenommen werden.
Die UnWahrscheinlichkeit einer derart komplizierten Er-
klärung, die die Entwicklung der Umfärbung in deren Mitte
durch die Synkope unterbrochen wissen will, liegt auf der
Hand, um so mehr, als, von der Un Wahrscheinlichkeit ganz
abgesehen, nicht der geringste Anlafs für eine solche
Annahme vorliegt; im Gegenteil. Hessen mufs infolge
dessen seiner Theorie zuliebe das ganz deutliche Zeugnis der
Ogham- Inschriften hinwegzuerklären suchen.
Was die Umfärbung von u, i zu o, e betrifft, läfst sich
übrigens die Unrichtigkeit obiger Theorie direkt beweisen.
Wenn nämlich, wie er meint, „die Entwicklung zu völliger
Umfärbung erst nach Beginn der Synkope" eingetreten wäre,
so hätte *moniMo- 'Hals' altirisch nichts anderes als *muinü
ergeben können, weil ja der Schwund spirantisch gewordener
Verschlufslaute vor r, l, n, der die Längung des vorangehenden
Vokals zur Folge hatte, schon vor der Synkope eingetreten
sein mufs, wie die Ogham -Form COMOGANN (air. Comydn)
unzweideutig beweist, da hier die Mittelsilbe noch bewahrt,
das g vor n (Endung -agni) aber ebenso wie der Auslaut
bereits geschwunden oder wenigstens vokalisiert worden ist;
auch Thurneysen (§ 160) sieht sich ja gezwungen, anzunehmen,
dals der Verschlulslaut noch vor der Synkope eine wesent-
liche Veränderung erlitten habe, die man mit Rücksicht auf
Beispiele, wie euin aus ^etm oder eun aus *etnü wohl als
Auflösung in ein halbvokalisches u auffassen dürfte. Es ist
ganz klar, dals ein solches halbvokalisches u das i in *muniul
ebensowenig in e verwandelt haben würde, wie das i von
-giuil < *giul < '^'gigle. Es muls somit das i in ^moniklo-
noch vor dem Schwund (oder der Vokalisierung) des Kon-
sonanten vor l, d. h. also vor derSynkope zii e {*muneMo-)
umgefärbt worden sein, worauf dann der Abfall der Endsilbe
ZUR CHRONOLOGIE DER UMFÄRBUNG DER VOKALE. 417
und dann erst die Vokalisierung des Je eintrat, das scliliefslich
mit dem neu entstandenen e zu e verschmolzen wurde. _ Es
muls also das stammhafte i schon vorher tatsächlich zu e
geworden sein.
Die Unmöglichkeit der Annahme Hessens ergibt sich auch
bei Betrachtung des Verhältnisses zwischen Umfärbung und
Endsilbenschwund. Da dieser bekanntlich noch vor der Syn-
kope eingetreten ist, so mlilste man mit H. ebenfalls annehmen,
dafs die Umfärbung auch jünger sei als der Endsilbenschwund,
was aber zu ganz unmöglichen Folgerungen führt.
-Es würde sich also z.B. der Gegensatz von mil 'Honig'
< *'meli und -meil 'mahlt' < *melet derart erklären, dafs *meli
über mßli (mit geschlossenem e) zu mel' und dieses erst zu
mil geworden sei. Andererseits hätte *m§let sein altes offenes
e vor dem neutralen e beibehalten und wäre zu meV und
später zu meil geworden. Schon die Annahme zweier Formen
mel' und m^l', in denen die Qualität des zwischen ganz gleichen
Konsonanten stehenden e derart verschieden gewesen sei, dafs
die eine zu meil, die andere zu mil geworden wäre, mufs uns
vom irischen Standpunkt aus äufserst unwahrscheinlich und
unglaublich vorkommen; obwohl ein Gegenbeweis hier kaum
erforderlich wäre, läfst er sich noch dazu wirklich erbringen.
Nach H. mülste viros 'Name' über vir (mit offenem i) zu
fer geworden sein, ebenso viri über vir (mit geschlossenem i)
zu fir: also vjr > fer, aber mf > firl Dafs auch der Vokativ
*vire zu fir führte, könnte nur unter der Voraussetzung er-
klärt werden, dafs man annimmt, dafs das i des Stammes
von altersher geschlossen gewesen sei, da ja das e keine Ver-
änderung der Qualität bewirkt. Nur *vire könnte über *vir
zu fir führen; ein stammhaftes offenes i müfste nach der
Analogie von (viros >) v^ir > fer über vjr zu feir werden.
Auf gleiche Weise läfst sich auch der Beweis führen, dafs man
mit H. bei w ebenfalls geschlossene Qualität voraussetzen müfste.
Nun sind wir aber zu der Annahme genötigt, dafs im
Altirischen i und u offen ausgesprochen werden (vgl. Pedersen,
Gramm. I 360), wenn auch nicht so offen, dafs ihre normale
Aussprache e und o gewesen wäre. Schon das Verhältnis
von Hebung und Senkung spricht für offenes i und u, denn
während die Senkung zu e und o fast ausnahmslos eintritt
418 JULIUS POKOENY,
(blols i vor nn, nd bleibt unverändert), wird umgekehrt die
Hebung von e, o zu. i, u durch zahlreiche Konsonanten und
Konsonantengruppen gehindert Dieser Gegensatz erklärt sich
am besten durch die Annahme, dals i und u offen waren und
infolge ihrer Hinneigung zu e und o auch leicht in diese
übergehen konnten, während altes e und o wiederum infolge
ihrer offenen Aussprache einem Übergang in * und u weniger
zugänglich waren, Dafs im Gallischen gelegentlich e, o statt
i, u erscheinen (Ped. 1 532) und in den britischen Sprachen
häufig e, 0 ohne Rücksicht auf die umgebenden Vokale für
i, u eingetreten sind, deutet ebenfalls auf offene Aussprache.
Was das Irische betrifft, so weisen nicht blofs die Ogham-
Inschriften (s. unten), sondern auch die modernen Dialekte
ganz unzweideutig darauf hin, dals auch hier i und u offen
gewesen sein müssen.') Da aber Hessens Annahme, die Um-
färbung von i, m zu e, o sei erst nach der Synkope eingetreten,
für jene Vokale eine geschlossene Aussprache erfordern würde,
werden wir die ganze unwahrscheinliche Theorie fallen lassen
müssen, und bei der alten, einfachen Erklärung bleiben, Jkfs
die Umfärbung vor der Synkope und dem Endsilbenschwund
eintrat, also *viros > *veros > *ver > fer usw.
Den Grund, weshalb H. zu seiner merkwürdigen Theorie
gekommen war, lälst uns vielleicht die Behauptung (S. 78 c)
erraten, dafs sich „der Gegensatz toissech : tuus am ehesten
durch die Annahme erklärt, dals beim Eintreten der Synkope
die Umfärbungen noch nicht vollendet waren", dals mithin
tovissakos (H. schreibt irrig tovessakos) durch die Synkope
zu toissech geworden sei, bevor noch die Hebung von o zu i
eingetreten wäre, während sich das von der Synkope nicht
berührte zweisilbige to-iss" (irrig *to-ess'*) ungestört zu tuus
entwickeln konnte.
Aber schon der Diphthong oi in toissech zeigt uns, dals
unser Fall mit den gewöhnlichen Synkope -Fällen nicht auf
gleicher Stufe steht, da sonst eine Form to{i)ssech mit mono-
phthongischem 0 hätte entstehen müssen. Es liegt also gar
kein Hindernis vor, für v eine Sonderbehandlung anzu-
*) Pedersens Bemerkung, dafs das o im Neuirischen geschlossen sei
(Gramm. 134), ist für die Mehrzahl der Dialekte bestimmt unzutreffend.
ZUR CHRONOLOGIE DER ÜMPÄRBÜNG DER VOKALE. 419
nehmen, etwa derart, dafs infolge der Verschmelzung des v
mit vorhergehendem dunklen Vokal zu ou die Hebung des o
in diesem Falle nicht 'gleichzeitig mit den übrigen Fällen
eingetreten sei und erst nach der in dreisilbigen Worten
bereits erfolgten Verschmelzung zu oi eintrat, weshalb nur
jüngere Zweisilber davon betroffen wurden. Aus dieser leicht
erklärlichen Sonderbehandlung des v darf man aber keinen
Schluls auf die Umfärb ung im allgemeinen ziehen, wie dies
H. mit Unrecht getan hat.
Mit Rücksicht auf die verschiedenen ungeklärten Fragen
der Chronologie scheint mir daher eine- neuerliche systematische
Untersuchung wohl am Platze.
Wie verhalten sich denn tatsächlich Hebung und Senkung
zu einander und zu anderen lautlichen Veränderungen und
besteht ein Unterschied in der Behandlung betonter und un-
betonter Vokale? Die Ogham- Inschriften möchte ich hier
vorläufig ganz aufser Betracht lassen.
a) Hebung.
Für die Hebung, durch die e und o zu i und u werden,
ergibt sich folgendes:
Aus Beispielen, wie muir 'Meer' < mori, fuillned 'Hinzu-
fügen' < *fo-linatus geht klar hervor, dals sie älter sein
muls als Endsilbenschwund und Synkope, was noch
besonders durch den Gegensatz von beir 'trage!' < *bere oder
toirthech 'fruchtbar' < *to-retäJcos mit gleichfalls palataler
folgender Konsonanz deutlich wird.
Sie muls jedoch auch älter sein als die Ersatzdehnung
vor r, l, n. Denn *monildo- 'Halsband' mufs die Zwischen-
stufe *muniklo- durchlaufen haben, bevor es über *muneJclO'
mit Ersatzdehnung zu *munelo-, air. mu{i)nel werden konnte,
denn die Hebung tritt vor ^ nicht ein, muls also zu einer
Zeit stattgefunden haben, als das i noch erhalten war.
Auch -konnte damals das h noch nicht geschwunden sein.
Dasselbe gilt für cuilen 'junger Hund' < *kolignos.
Dem gegenüber fällt auf, dafs in denum 'Tun' < *de-gmmu-,
söinmech 'glücklich' < *so-gnlmu-Tcos die Hebung unterblieben
ist. Hessen (S. 12) versucht sich die Sache so zurecht zu
legen, „dafs die Gruppe yv zur Zeit der Umfärbung doch
420 JULIUS POKORNY,
bereits eine gewisse Änderung erfahren" hätte. Wie das
gemeint ist, ist mir niclit klar, doch gibt es da eine andere,
ganz einfache Erklärung: die Gruppen yv^ yg, yX mit spi-
rantischem g hindern eben die Hebung, ebenso wie cIiq,
ßQ u. a. m. ; dals im Gegensatz zu ßQ das erste Element in
jenen Gruppen später geschwunden ist, ändert natürlich an
der Sache nichts; spirantisch gewordene Yerschlufslaute
+ Sonorlaut lassen in keinem Falle die Hebung zu.
Die Hebung in Tonsilben muls ferner älter sein als
die in unbetonten Silben, wie toimtiu 'Meinen' aus *to-
metiü (< *to-mentiö) zeigt. Wäre nämlich tomUiu (mit gekürztem
unbetontem g) vor der Hebung in Tonsilben zu *tomitiu ge-
worden, so hätte das schlielslich über Humitiu eine Form
Huimtiu ergeben müssen.
Aber nicht blols das. Es läfst sich sogar zeigen, dals
die Hebung in unbetonten Silben vor der Zeit der Synkope
überhaupt nicht eingetreten sein kann und dafs alle hebungs-
ähnlichen Erscheinungen der späteren Zeit blofs auf Umlauts-
erscheinungen beruhen. Wenn nämlich, die Hebung in un-
betonten Silben überhaupt vor der Synkope eingetreten wäre,
so hätte z. B. '^vedonjäs (Gen. Sg. von *vedonä 'Joch'; vgl.
Pedersen, Gramm. II 516 Anm.) zu *vedunjäs werden müssen.
Da aber bei der Synkope M-farbene + palatale Konsonanz eine
palatale Gruppe ergibt, so hätte *vedunjäs zu *feidne werden
müssen. Ebenso hätten *virodjos^) 'nämlich', *kunodjos
'hündisch' über *verodjos, *konodjos, später *verudjos, *konudjos
zu *feirde, *coinde werden müssen, wogegen in Wirklichkeit
nur fedn{a)e, ferd{a)e, cond{a)e überliefert sind, die den un-
zweifelhaften Beweis dafür erbringen, dals eine Hebung in
unbetonten Silben überhaupt nicht existiert.
Wenn der lateinische Genetiv legendi air. als Ugind er-
scheint, so ist das i hier nicht anders zu deuten, als in *berete
('ihr tragt') > air. he{i)rid, wo es in keinem Falle durch
Hebung entstanden sein könnte. Zwischen palatälen Kon-
sonanten ist eben zur air. Zeit jeder unbetonte Vokal ohne
Rücksicht auf seine Herkunft zu i geworden.
*) DaTs der Vokal vor dem Suffix -de ein o gewesen sein mufs, habe
ich KZ 47, 160 gezeigt.
ZUR CHRONOLOGIE DER ÜMFÄUBÜNG DER VOKALE. 421
b) Senkung.
Durch die Senkung werden bekanntlich u und i vor
dunklem Vokal der Folgesilbe zu o und e.
Auch die Senkung muls, nach Beispielen wie -hen 'schlägt'
< *binat, ferd{d)e 'männlich' < *vlrodjos zu schliefsen, älter sein
als Endsilbenschwund und Synkope^ ebenso auch (wegen hrön
'Kummer' < *brugnos) älter als die Ersatzdehnung vor r, l, n.
Die Senkung in Tonsilben mufs ferner älter sein als
die in unbetonten Silben, wie ulchach 'bärtig' < *{p)nlu-
hälcos oder Ulad (Gen. PI.) 'ülsterleute' < *{p)ulutöm zeigen,
denn wäre sie in unbetonten Silben* früher eingetreten, so
wären *uluJcäJcos, *ulutöm über *ulokäkos, *ulotöm zu *olokäJcos,
*olotöm, und endlich zu *olchach, *Olad geworden.
Dafs wir im Gegensatz zur Hebung tatsächlich von einer
Senkung in unbetonten Silben sprachen dürfen, zeigen muinel
'Hals', cuiUn 'junger Hund', die Grundformen wie *muneJdos,
*kulegnos voraussetzen, in denen das unbetonte e nur durch
Senkung aus etymologisch und lautgesetzlich vorauszusetzendem
i hervorgegangen sein kann.
Diese beiden Beispiele beweisen auch, dafs die Senkung
in unbetonten Silben jünger sein mufs als die Hebung
(in Tonsilben), denn *moniklo-, *koligno- müssen noch vor der
Senkung des i zu e durch Hebung zu *muniklo-, *kuligno-
geworden sein, da andernfalls die Hebung niemals zustande
gekommen wäre, da diese nur vor i, niemals aber vor e statt-
finden kann.
Aus der Tatsache, dafs die Senkung in unbetonten Silben
jünger ist als die Hebung (in Tonsilben) und dafs anderer-
seits die Senkung in unbetonten Silben auch jünger sein mufs
als die in Tonsilben, können wir die Möglichkeit ableiten,
dafs in Tonsilben Hebung und Senkung gleichzeitig
eingetreten seiBn, was auch sehr wahrscheinlich ist, da
beide auf dem Prinzip der Assimilation der Vokalqualitäten
(offen und geschlossen) beruhen. Wenn wir die Entwicklung
von air. ulchach 'bärtig', muinel 'Hals', Tornae (Eigenname),
ferd{a)e 'männlich', tuirem 'Aufzählung', toimtiu 'Meinung' in
einem chronologischen Schema von der idg. Urzeit bis un-
mittelbar zum Eintreten der Synkope zusammenstellen, ergibt
sich somit folgendes Bild:
Zeitschrift f. celt. Philologie XH, 3. 28
422
JULIUS
POKORNY,
pulu-kä-lco-s
ulu'/ayos
! uXoyaxo{s)
uXoyax{a)
moni-Mo-s
muviyXos
muvexXo{s)
muve{u)X{a)
turo-njo-s
tOQOvijos
toQOveo{s)
tOQOve{a)
viro-djo-s
veQOÖijos
veQOÖeo(s)
v€QOÖe{a)
io-rlmä
tUQ^flä
tuQßfia
tuQen{a)
to-men-tjö
tofieddiju
tofieddijü
tofieddju
c) Die Umfärbung in den Ogham-Insehriften.
Die Ogham-Inscliriften umfassen deutlich die gesamte
Zeit des Endsilbenschwundes (RITTAVECAS, DENAVECA,
RITTAVECC) bis kurz vor dem Eintreten der Synkope und
die jenem unmittelbar vorausgehende Zeit; es müssen also
nach dem ausgeführten auch die Umfärbungen gleichsam vor
unseren Augen stattfinden. Dals dies auch wirklich der Fall
ist, daran wird trotz Hessen (1. c. S. 77) kein Unbefangener
zweifeln können.
Beispiele der Senkung sindi):
(COLLA)BOTA (212), (COILLA)BBOTAS(79), (COLA)BOT
(78, 183) neben älterem (CATTU)BUTTAS (J. 1908, S. 203).
(GLASI)CONAS (16, 71), (LOBA)CONA (240), (LOBA)-
CCONA (212), (ASSI)CONA (203), (OLA)CON (28) neben
älterem (GAMI)CUNAS (42) usw.
(VEß)GOSO (192) neben älterem (CÜNA)GÜSOS (139, 182).
CONANN (144) für älteres *CUNAGNL
(RITTA)VVECCAS (69), (RITTA)VVECC (100), (DENA)-
VECA(220), (LUGU)VVECCA (112), (BOGAGA)VVECC (120)
neben älterem (CALÜNO)VICA (214) usw.
Beispiele der Hebung sind:
INIGENA für ^älteres *ENIGENA, INBIRI (38) für älteres
*EN , INEQ AGLAS (J. 1898, S. 57) für älteres *ENEQAG-
LASI. Die letztgenannten zwei Beispiele sind besonders inter-
essant, da hier das i nur einer Analogiebildung seine Ent-
stehung verdanken kann; es muls aus der längeren Form
der Präposition ini (< *eni) übernommen worden sein. Ein
„Schwanken im Vokalismus" von dem Hessen spricht, ist eben
*) Die Zahlen beziehen sich auf MacAlisters Werk;
Journal of the Royal Society of Antiquaries of Ireland.
J. bedeutet
ZUR CHRONOLOGIE DER ÜMFÄRBUNG DER VOKALE. 423
nur unter der Voraussetzung verständlich, dafs neben en schon
eine durch Hebung entstandene längere Form ini lag.
(VOR)TIGURN (236), (VORR)TIGURN (148), TIGIRN
(95) neben älterem TEGG (102). Das erste i in TIGIRN
kann, wenn es nicht wie das zweite i zu erklären ist, nur
Analogiebildung sein, da aus etymologischen Gründen TIGIRU
nur ungenaue Schreibung für *TIGERÜ sein kann, neben
dem eine Bildung TIGÜRN mit Suffixwechsel wohl möglich
erscheint. Das i in *TIGERN kann von TIGURN oder vom
Genetiv des Wortes tech 'Haus' {tige < Higjas < *tegesos)
genommen sein.
Der Grund, weshalb wir so wenige Beispiele der Hebung
(im Verhältnis zur Senkung) vorfinden, ist ganz klar. Denn
vor allem wird die Hebung durch eine ganze Anzahl von
Konsonanten und Konsonantengruppen gehindert, was allein
schon ungefähr die doppelte Zahl von Senkungsfällen erwarten
Heise ; aulserdem aber sind auch, wie ich oben bewiesen habe,
die vorhandenen Hebungsfälle auf betonte Silben beschränkt,
was dann im ganzen etwa die vierfache Zahl von Senkungs-
fällen erwarten lälst.
Das 0 im seltenen MOCOI, MOCCOI, MOCO neben regel-
mälsigem MUCOI (wohl dreisilbig) dürfte wahrscheinlich auch
durch Senkung entstanden sein. Dals in den oben erwähnten
Formen RITTAVVECCAS, RITTAVVECC die Senkung nur
in unbetonter Silbe eingetreten wäre, ist nicht anzunehmen.
Da es sich im ersten Teil des Wortes um den Namen einer
eponymen, mythischen Ahnherrin handelt, haben wir entweder
traditionelle Schreibung oder Analogie zum Genetiv RITEAS,
wo das i erhalten bleiben mulste, vor uns. Es wird sich
auch in vielen anderen Fällen die hergebrachte Orthographie
noch längere Zeit nach erfolgter Umfärbung erhalten haben.
Ebenso erklärt sich in Inschr. 212 das Nebeneinander von
COLLABOTA, LOBACCONA und LUGO (sie leg.), wo das u
nur orthographisch bewahrt erscheint.
Es ist ganz selbstverständlich, dals sich zur Zeit des
Überganges von i, u in e, o und umgekehrt eine gewisse
Unsicherheit in der Orthographie geltend machen mulste,
wozu noch die traditionelle Erhaltung mancher umgelauteten
Vokale kam," so dals es uns nicht befremden darf, wenn i
28*
424 JULIUS POKORNY,
und' e sowie u und o gelegentlich in der Schrift verwechselt
wurden.
So ist TOGITTACC (29) sicher für *TOGETTACC (zu
arch. ioceth, air. tocad 'Glück') verschrieben, ebenso das oben
erwähnte TIGIRN (95) für *TIGERN oder *TEGERN. SOGINI
(198), air. (Corcii) Sogain, ist offenbar der Genetiv von *SU-
GENOS 'wohlgeboren' und mufs für *SOGENI verschrieben
sein, da in unbetonten Silben die Hebung nicht eintreten
kann. Das o kann für u verschrieben sein oder eine Analogie-
bildung darstellen, da su- noch in der Oghamzeit vor dunkeln
Vokalen zu so- geworden war. QRIMITIR (56) ist für
*QRIMITER verschrieben, das wiederum aus altbritisch
*PRIMITER (eine in Anlehnung an lat. primus erfolgte Um-
bildung aus spätlat. prebiter < preshyter) entlehnt ist.
Wenn Mac Allster mit seiner Lesart COMGINI (123)
recht hätte, könnte man GINI als für GENI stehend ansehen;
das Fehlen des Mittelvokals bei erhaltener Endsilbe macht
jedoch stutzig. Ich lese daher CONGINI, einen Genetiv von
*CONGINNOS das Maskulinum zu gallisch Conginna, irisch
Congenn (Meyer, Wortkunde § 72). Marstranders Einwände
gegen die Zusammenstellung von Conginna und Congenn (Rev.
Gelt. 36, 381/2) sind aus der Luft gegriffen. Gewils hätte
Conginna lautgesetzlich *Congann ergeben; das palatale ng
ist aber ebenso aus den obliquen Kasus in den Nominativ
gedrungen, wie z. B. das palatale r in foirenn 'Schaar', da
v,rlnä lautgesetzlich nur zu *farann geführt haben würde.
Noch zahlreicher sind die Verwechslungen von o und w;
so steht 0 an Stelle des zu erwartenden u in MEDDOGENI
(176), zum tt- Stamm medu- gehörig, ebenso in dem mehrfach
belegten DOV(V)INIA(S) (13, 20, 32 usw.), dem Genetiv des
air. Heroinennamens JDwihen (Rhys, Hibbert Lect. 521); der
Name hängt entweder mit air. duh 'schwarz' zusammen oder
ist als *dw-Z/i-wä 9 (Wz. *hhvi 'sein') zum Männernamen Suibne
und zu air. dubae 'Trauer', subae 'Freude' zu stellen. In jedem
Fall wird er wohl mit altem u angesetzt werden müssen,
ebenso wie DOVAIDONA (127), DOVETI (14), DOVATUCI
1) Irrig setzen Marstrander (oben VII 378 Anm.) und Mac Neill einen
yo- Stamm an; DOVINIAS ist der regelmäfsige Genetiv eines ä- Stammes
*DÜBmA.
ZUR CHRONOLOGIE DER ÜMFÄRBÜNQ DER VOKALE. 425
= air. Buothaig, und DOVALESCI (129) = Duibleisc. Diese
Namen enthalten höchstwahrscheinlich den Stamm duhu-
' schwarz'; das a in der Kompositionsfuge wird analogisch
durch Einfluls der o -Stämme an Stelle des w getreten sein;
wenn dieser Ersatz noch vor Einsetzen der Senkung ein-
getreten wäre, könnte allerdings das o in DOVA- lautgesetzlich
aus M entstanden sein; altirisch kann das m aus dem Simplex
restituiert worden sein; andernfalls hätte das a keinen Ein-
fluls mehr auf die Qualität des u nehmen können. Das pala-
tale b in air. Duibleisc ist erst später durch Assimilation an
das vom Simplex beeinflulste leise entstanden oder kann laut-
gesetzlich aus einer Dublette *Dubu-lescl entstanden sein.
Ferner steht o statt u in LUGGODICA(S) = air. Luig-
deck, vielleicht auch in CONÜRI (60, 61) neben lateinisch
geschriebenem Cunuri, das den Stamm *cuni- 'hoch' oder
*amo- 'Hund' zu enthalten scheint; ferner in CONUNETT (60)
= CUN[A]NETTAS (225) = air. Connad. Das u in CONU-
NETT mufs für a verschrieben sein; der Steinmetz dachte
offenbar schon an das folgende CONÜRI, dessen u mir übrigens
nicht ganz klar ist. Hierher gehören weiter LOGITTI (83)
und LOG... (53), die den Stamm lugu- enthalten. Wegen
abrit Curcagni, ac. Circan ist auch CORRC (180) neben CURCI
(46), CüRCITTI (17) hierher zu stellen, da es kaum mit air.
*corcae (später coirce) 'Hafer' und Corcu in Stammesnamen
zusammenhängt.
Gelegentlich kommt auch der umgekehrte Fall vor, dafs
nämlich u an Stelle des lautlich berechtigten o geschrieben
wird, so in VEDUCURI (175) = air. Fidchuiri, wo wir VEDU-
CORI erwarten, ebenso in GOSSUCTTIAS (41) neben regel-
mälsigem GOSOCTEAS (mit durch Senkung entstandenem e).
Was VOREDRAN (116) neben VURODDRANN (72) und
UDDRAMETT (198) betrifft, so weils ich nicht, ob der erste
Name nicht auch *VORUDRAN gelesen werden darf; UDDRA-
würde dann die älteste Form des Stammes darstellen, VORUD-
RAN wäre ein regelmälsiges Kompositum mit VOR- (air. for-)
und in VURODDRANN könnte in der ersten Silbe Hebung
und in der zweiten Silbe (etwas später) Senkung eingetreten
sein; mit Gewilsheit möchte ich mich aber darüber vorläufig
noch nicht äulsern.
426 JULroS POKORNY, ZUR CHRONOLOGIE USW.
Den so häufigen Wechsel von u und o kann man aber
auch, in einem Teil der Fälle wenigstens, auf andere Weise
erklären. In West -Kerry (andere Dialekte Munsters habe
ich nicht gehört) wird nämlich altes u in vielen Fällen derart
offen ausgesprochen, dals man oft zweifeln kann, ob ein u
oder 0 vorliegt, und ich habe in meinen Aufzeichnungen
dasselbe Wort bald mit o, bald mit u aufgezeichnet, so z. B.
in duhh 'schwarz', guth 'Stimme', muc 'Ferkel' usw.
Bedenkt man nun, dals alle DOVINIAS- Inschriften und
von den übrigen, die o für u schreiben, eine grofse Zahl
(z. B. 5, 14, 83) aus Kerry, namentlich aus West -Kerry stammen,
so wird man zu der Vermutung geführt, dals die heutige
dialektische, stark offene Aussprache vielleicht in so
alte Zeiten zurückgehen könnte und in den Ogham-
Inschriften ihren ersten Niederschlag gefunden haben dürfte.
Mit Rücksicht auf die hier nachgewiesene Unsicherheit
der Schreibung in den Ogham- Inschriften wird man bei der
etymologischen Verwertung dieses Materials nur mit grölster
Vorsicht verfahren müssen; immerhin aber wird man mit
einer gewissen Reserve die Vorgänge der Hebung und Senkung,
wie sie oben dargestellt sind, als dargetan annehmen dürfen.
Wien. Julius Pokorny.
MITTELIR. TIC = TUC.
In Aislinge Meic Con Glinne kommt mehrmals tic vor, wo
man tue erwartet, z. B. 51, 13 tic uhall dö 'er gibt (eig. kommt)
ihm einen Apfel'. Ebenso 51, 6. 87, 24 {ticimm bulli de). Stokes
meinte, dafs das nur Verschreibung wäre, aber der Gebrauch
findet sich auch sonst, z. B. ticc an der eck aithne fair Cog. 92, 1.
Es handelt sich vielmehr um eine volkstümliche Substitution
von 'kommen' für 'geben', die ebenfalls im Kymrischen vor-
liegt, wo dowch statt rhoddwch gebraucht wird. Auch unser
studentisches 'ich komme dir einen Ganzen' u. dgl. lälst sich
wohl vergleichen.
KüNG Meyer.
DIE ENDUNGEN DER 2. SING. PRÄSENTIS
IM ALTIRISCHEN.
Über die Deutung der Endungen der 2. Sing. Präs. des
Indikativs und ä- Konjunktivs und die dabei zur Anwendung
kommenden Lautgesetze herrscht in den Handbüchern völlige
Unsicherheit.
I. Die ä-Terba {möraid 'macht grols').
Indikativ unverbunden mör{a)i, verbunden ■m6r{a)i.
Konjunktiv „ mör{a)e, „ •mör{a)e.
Als Gründform kommt für beide verbundene Formen nur
*-mör-ä-s, für die unverbundenen nur *mör-ä-si in Betracht, da
bei den ä -Verben Indikativ- und Konjunktivstamm zusammen-
gefallen sind. Die Verschiedenheit der altirischen Formen ■
erklärt Thurneysen (Hdb. § 558) dadurch, dals das indika-
tivische -i aus den Paradigmen der starken {*beri < *bher-e-si
'trägst') und der l" -Verben {*rimi < *nm-i-si 'zählst') ein-
gedrungen sei. Das -(a)e des Konjunktivs sei regelrecht aus
*-äsi entstanden.
Pedersen (Gramm. II 343, 355) nimmt ebenfalls an, dals
•äst zu -(a)e geworden sei. Die verbundene Konjunktivform
erklärt er jedoch aus *bher-ä-jei oder *bher-ä-ei. Bezüglich
der Indikativformen scheint er gleichfalls Thurneysens Ansicht
zu teilen. Merkwürdigerweise lälst er -asi (mit kurzem a)
regelrecht zu -(a)i werden, indem er ben(a)i 'schlägst' auf
*bhi-na-si zurückführt. Da im Irischen lange Vokale in un-
betonten Mittelsilben schon früh wie kurze Vokale behandelt
worden sind, will mir ein solcher Unterschied in der Behandlung
durchaus nicht einleuchten. Da intervokalisches s nach dem
428 Julius pokorny,
Zeugnis der Ogham- Inschriften noch vor dem Endsilbenschwund
kurzer Vokale geschwunden sein mufs, handelt es sich hier
um das Problem auslautender Vokale nach Hiatus in un-
betonten Silben, das, soviel ich sehe, noch niemals systematisch
behandelt wurde. Meine Untersuchungen haben mich zu
folgendem Ergebnis geführt:
1. Auslautendes altes S (+ geschwundener Konsonanz)
schwindet nach i (j) spurlos:
du{i)ni (Vok. Sg.) 'Mensch' < *dunije; meite (Gen. Sg.)
'Grölse' < *metijes (oder *metijäs?).
2. Auslautendes e, das aus jo-, ja (+ geschwundener
Konsonanz) entstanden ist, bleibt in jedem Falle erhalten:
ass{a)e 'leicht' < *assae < *ad-sthäjo-; tuaithe (Gen. Sg.)
'Volk' < iöthe < töthea < *teutijäs.
3. Auslautendes altes ^ (+ geschwundener Konsonanz)
bleibt (aulser nach i, f) stets erhalten :
-cüal{a)e 'er hörte' < *köcMove < *kuklove; -leb{a)e 'er
starb' < *bebase, ■acc(a)e 'er sah' < *aJc'oh''ose < ad-]c''e-k''os-e.
Nach Regel 1 hätte *ad-k''e-k''ois-e (mit früh geschwun-
denem s) air.. *acc(a)i ergeben müssen ; da aber das Präs. ad-ci,
das nur auf "k^iset, nicht aber auf *k'eset zurückgehen kann,
zur Annahme einer Wurzel k^eis zwingt (Skr. ca-k§-ate, das
von Pedersen II 490 herangezogen wird, ist also fern zu halten),
muls man annehmen, dafs das im Perfektum berechtigte oi
der Wurzelsilbe analogisch durch das häufigere o der e-Wurzeln
ersetzt worden ist (KZ 47, 164 ist entsprechend zu verbessern).
4. Auslautendes -ä (+ geschwundener Konsonanz), mit
dem -ö zusammengefallen ist, bleibt, aufser nach altem oder
neu entwickeltem i, j (Regel 2) unverändert erhalten :
■cüala 'ich hörte' < *köc}ilova < *kuklova] {do)-roiga 'ich
habe gewählt' < *roigösa < *pro-gegousaA)
5. Auslautendes -# (+ geschwundener Konsonanz) bleibt
in jedem Falle erhalten:
mudu (Dat. Sg.) 'vergeblich' < *madovü] -deccu 'ich sehe'
< *dskiju < *Je-en-Ä''/s-ö; assu (Dat. Sg.) 'leicht' < *assajü
< *ad-sthä-jö.
0 J. F. 35, 181 mufa es natürlich überall gegout- statt gtgeus- hcifsen.
DIE ENDUNGEN DER 2. SING. PRÄS. IM ALTIRISCHEN. 429
Wir sehen also, dals auslautende Vokale, aufser nach j,
durchweg- unverändert erhalten bleiben, dals ferner i beim
Zusammentreffen mit e (1.) den Sieg davon trägt; halten wir
uns weiter vor Augen, dafs geschwundenes auslautendes -i
auf den vorhergehenden, der Hebung zugänglichen Vokal
anders wirkt als -e, also nach Konsonanz nichtr zu e geworden
sein kann, so werden wir a priori auch die Erhaltung des i
nach Vokal erwarten dürfen und somit die Vermutung auf-
stellen :
6. Auslautendes -^ (+ geschwundener Konsonanz) bleibt
in jedem Falle erhalten.
Wenn wir dann sehen, dals den Grundformen *möräsi
'du machst grols', *bhinasi 'du schlägst' im Altirischen m6r{a)i
und ben(a)i entsprechen, werden wir nicht daran zweifeln,
dals hier wirklich lautgesetzliche. Formen vorliegen! Und
wenn im Konjunktiv eine Form mörae erscheint, so werden
wir doch nicht diese Form als lautgesetzlich und die andere
als analogisch zu erklären suchen ! Um so mehr, als sich das
Schicksal des auslautenden -i ganz zwanglos in das Lautgesetz
fügt, das wir unter Zusammenfassung des bisher Gesagten
aufstellen könneii:
Auslautende Vokale (+ geschwundener Konsonanz)
bleiben, aufser nach j, nach unbetontem Vokal unver-
ändert erhalten; ja, Jo bleiben als e, je als i, jü als u.
Die Indikativformen der ä-Verba sind somit lautgesetzlich,
nur ist die unverbundene Form verallgemeinert worden, teils
um den Zusammenfalls mit der verbundenen 3. Sg. zu verhüten,
teils nach dem Muster der i-Verba,9 wo unverbundene und
verbundene 2. Sg. {*rmn-si und rimi-s) lautgesetzlich zusammen- •
gefallen waren.
Die Deutung der Konjunktivformen auf -(a)e ist nun
nicht mehr schwer : Ich habe (KZ 46, 282) nachgewiesen, dafs
^) Bei jenen ä-Verben, die auf alte -ö/o-Stämme zurückgehen, mufsten
ebenfalls die verbundene und unverbundene 2. Sg. zusammenfallen , da so-
wohl -äjes wie -äjesi zu -{a)i führten. Wenn auch der Ersatz der -äjo-
durch ä- Stämme noch vor der Synkope erfolgte, könnten doch in diesem
Falle die alten Endungen bewahrt worden sein und ebenfalls als Muster
gedient haben.
430 JULIUS POKORNY,
die verbundene 3. Sg. des Konj. Präs. der ?-Verba ihre Endung
den ä-Verben entnommen haben muls. Umgekehrt wurde
nun, um einen Unterschied von der 2. Sg. des Indikativs zu
schaffen, die Endung -e des Konjunktivs der «-Verba auf die
ä-Verba übertragen, also mör(a)e statt mör{a)i durch Einfluls
von rime usw.
Nach Feststellung obiger Auslautgesetze dürfen nunmehr
tan{a)e 'dünn', mad{a)e 'vergeblich' nicht mit Thurneysen
(Hdb. § 205) auf *tanavi-, bzw. *madavi- zurückgeführt werden;
es sind vielmehr *tanovos, *madovos anzusetzen (vgl. oben nmdu),
die dann durch Angleichung an die jo- Stämme (Pedersen § 427)
zu tan{a)e, mad{a)e wurden. Die (nur im Britischen nach-
weisbaren) Nebenformen mit -avo- (abr. madau, mbr. tanau)
sind nicht mit Pedersen (11 15) durch Suffix Wechsel, sondern
nach dem von mir kürzlich (J. F. 38, 000) festgestellten Laut-
gesetz zu erklären, wonach im Gallo -Britischen die Lautgruppe
ova zu ava wurde, z, B. c. natu 'neun' < *navan < *novan
< *nevn. Es handelt sich also hier um gelegentlich verall-
gemeinerte Femininformen, *madavä regelrecht aus *madovä usw.
II. Die 'T-Yerba {nmid 'zählt').
Indikativ unverbunden rimi, verbunden -rimi
Konjunktiv „ rime, „ -rime.
Der Indikativ geht auf *nmlsi, *-rJmis zurück. Die Grund-
formen des Konjunktivs sind *rimijäsi, *-rlmijns, die regelmälsig
unverbunden *nmi, verbunden -rime ergaben. Da jedoch im
Indikativ kein Unterschied zwischen beiden Formen bestand,
wurde im Konjunktiv das verbundene -rime verallgemeinert.
Das als Zeichen des Konjunktivs empfundene -e wurde sodann
auf die ä-Verba übertragen, um auch hier einen Unterschied
zwischen Indikativ und Konjunktiv zu schaffen. Ebenso wurde
es, vermutlich durch Vermittlung der ä-Verba, übertragen auf
III. Die starken Yerba.
Wenn zu herid 'trägt', ren{a)id 'verkauft' die Konjunktiv-
formen -herae, -riae (anstatt *-hera, *-ria) lauten, können sie
nur der gleichen Analogiebildung ihren Ursprung verdanken.
DIE ENDUNGEN DER 2. SING. PRÄS. IM ALTIRISCHEN 431
Nach dem Muster des Konjunktivs drang dann im Laufe der
altirischen Periode auch im Indikativ die Verallgemeinerung
der Endung -i allmählich durch (Thurneysen § 554).
Der Ausgang aller der erwähnten Analogiebildungen liegt
somit beim Indikativ der l-Verba, wo in der 2.Sg. verbundene
und unverbundene Flexion lautgesetzlich zusammengefallen
waren.
Wien. Julius Pokorny.
MAC TOIMTEN.
Zimmer, Kelt. Studien 11 S. 26 Anm,, fafste in diesem
Ausdruck toimten in subjektivem Sinne und paraphrasierte
O'Davorens Erklärung .i. döigh ni döigh (§ 1596) mit 'einer
der zu sagen pflege: es ist wahrscheinlich, es ist nicht wahr-
scheinlich'. Wie aber ein anderer Eintrag bei O'Davoren
zeigt, ist das nicht die Bedeutung. Es heilst dort § 62 arnd
tuca ein forsan eclais in mac toimden nö nocho gdbann in
mac sa abdaine arnd tuca altrannas cisa ar eicin forsin eclais,
d. h. man wählt keinen Sohn, dessen Vater zweifelhaft (ein
Gegenstand der Mutmalsung) ist, zum Abte, damit die für
seine Erziehung schuldigen Pflegegelder nicht der Kirche zur
Last fallen. Es soll also döigh ni döigh das Hin- und Her-
gerede der Leute über den vermeintlichen Vater ausdrücken.
KuNO Meyer.
MISZELLEN.
1. Zur Datierung des Gelben Buchs Ton Lecan.
' Bei der Besprechung desjenigen Teiles dieser Handschrift,
welcher S. 299 — 330 des Faksimiles umfafst, erwähnt Atkinson
auf S. 2 der Einleitung nur die eine Schreibernotiz 318 b 10, ^
wonach Murchad ö Cuindlis 'wahrscheinlich 1399' diesen Teil
geschrieben habe. Er übersieht dabei eine ganze Reihe weiterer
Notizen, nach denen wir aulser dem Namen auch Zeit und
Wohnsitz des Schreibers genau bestimmen können. Ich drucke
sie hier sämtlich ab.
S. 307 a m. s. atä in dub ag leagad 7 atä Domnall 'sa
galar farlr.
S. 308 a m. s. pläig coitcheand a n£irm« uile 'sa blTa-
dain sea.
Dies bezieht sich auf die von den Annalen zum Jahre 1398
erwähnte Pestilenz. So heilst es in denen von Loch Ce:
'pläigh mhor in hoc anno', und in denen von Clonmacnois:
'There was a great plague generally throughout all Ireland
this year.'
S. 309 m. s. Eomill in drochmemram 7 olcus na sTne sinn.
S. 311a m. s. ... Ua]ter mac Daibid a Burcc ane farlr.
Dies bezieht sich auf den ebenfalls 1398 erfolgten Tod
Walter de Burgos durch die Engländer von Munster. Vgl.
ALC: 'Uater mac Daibhid a Burcc do marbhadh la Gallaibh
na Mumhan.'
S. 311 b m. s. a Müscraigi Treithirne doscribus in mbec sa.
Nach Hogan ist M. T. die heutige Baronie Clanwilliam
in der Grafschaft Tipperary.
0 So mufs es statt 318 a 14 heilsen.
KUNO MEYER, MISZELLE». 433
S. 312 m. s. Ata in duine 's a phläig a n-entig riud.
Hier beklagt sich also der Schreiber über die Haus-
geiiossenschaft eines von der Seuche des Jahres Befallenen.
Die nun folgenden Notizen beziehen sich alle auf Ereig-
nisse des Jahres 1399.
S. 316 m. c. Dogabad baili na Gaillme areir for na Gallaib
CO n-imad cacha maithiusa and.
Hier handelt es sich um die Einnahme von Galway durch
Uilleag a Bure, die in der nächsten Notiz noch einmal er-
wähnt wird.
S. 318 b 10. Dieser schon von Atkinson auf S. 19 gedruckte
Eintrag lautet: Murchad ö Cuindlis do scrib in lebar sa dö
fen in hlladain tanaisti thainic rig Saxan a nEirmn . . J)
aisti f a essTd 7 uilc imda do denum isin hlladain si Her Gall-
aib 7 Gäedelaib 7 piaig choitchenn for dainib 7 ceathraib Erew»
isin hlladain chetnsL. 7 c.
Dann folgt in derselben Spalte Z. 47 der längste und
historisch wichtigste Eintrag.
Uilc imda do denum isin hliadain sea .i. rIg Saxan d'aith-
rlgad le hiarla da muindtir fein 7 fairrge do theacht tar
Flondrus uile .i. tigernus"^) iarla don leith tair do Saxanaib.
Et iarla Deasmuman do bädad for Siüir 7 baile na Gaillme
do gabail le hUilleag a Bürcc 7 is dirim a tucad ass da cach
uile maith it^V 6r 7 airgead 7 cach maithius archeana. Derb-
airrdi imda d'faicsin isin blladain cetna 7 6es toirimtheachta
d'faicsin co follus indti. Cith fola d'ferthain a Cnoc Rafand
isin aimsir chetna gorba lan do chrü 7 d'fuil na cnuic 7. na
tulcha 'na timchell 7 araill d'ingantaib ele isin bliadain chetna
7 c. 7 is inganta lind ina cach nl dib-sin in long ceannaig
do loscad ar lär na fairrge möire 7 när fedad a teasargain
gan loscad le huisce na le säile.
Von all diesen Ereignissen finde ich in den verschiedenen
irischen Chroniken nur den Tod des Grafen von Desmond
durch Ertrinken im Flusse Suir verzeichnet (AU 1399).
Auf dasselbe Jahr weist natürlich die Erwähnung der
Entthronung Heinrich IL Weder die grofse Wassersnot in
*) Unleserlich.
*) Darüber no cathair.
434 KÜNO MEYER,
Flandern, noch der Blutregen von Cnoc Rafann (in der Graf-
schaft Tipperary, zwei engl. Meilen nördlich von Cahir), noch
die Verbrennung des Handelsschiffes auf dem Meere, die dem
Chronisten so besonders wunderbar erscheint, noch die Ein-
nahme und Plünderung von Galway duixh William de Burgo,
sind sonst verzeichnet.
2. Altir. Gennaith.
In den Glossen zu Columbas Hymnus 'Altus Prosator' im
Liber Hymnorum findet sich zu dem Worte zabulus die folgende
Bemerkung (The Irish Lib. Hymn.' edd. Atkinson and Bernard
I, S. 72 b 39):
.i. focul grecda deconsiliarius interpretatur uel infirmus
iar gennaith.
Mit dem letzten Worte wuIste Atkinson (ib. II, S. 159)
nichts anzufangen. Es ist zu lesen iar nGennaith 'nach
Gennadius'. Der Hinweis ist auf eine Stelle in einer theo-
logischen Schrift des Gennadius, wohl nach einem Zitat bei
Baeda.
3. Drei Mensclienalter.
In dem altirischen, ursprünglich noch heidnischen cetnacl
n-äisse genannten Gedicht (Ir. T. III53), was ich mit 'Gebet
um langes Leben' wiedergegeben habe (Illinois Studies II,
S. 19), wird um eine Lebenslänge von drei Menschenaltern
gebeten {tri äes dorn dorataiterf). Eine gleiche Lebensdauer ver-
heilst der Feenkönig lubdän in ' Aided Fergusa' (SG. 1 248, 31)
demjenigen, der sich in seinem Waschbottich (dabach) badet:
Mo dabach i lleith re ndabaig ndeisi,
teit i n-üesaib co fo thri gach Uen fothruiges estiA)
Es ist dabei gewils an eine Lebenszeit von neunzig
(dreimal dreilsig) Jahren gedacht. So wünscht auch noch ein
kymrischer Barde namens Cawrdaf (W. E. Jones) der Prinzessin
Victoria zur Feier ihrer Mündigwerdung am 24. Mai 1837 tair
oes'^) (was ja auch fast in Erfüllung gegangen ist), eines der
vielen Beispiele von der durch Jahrtausende unverändert an-
dauernden Tradition keltischer Poesie.
1) So die Handschrift.
") tair oes iddi! Gweithoedd, S. 273.
MISZELLEN. 435
4. Cü Chorb and Echu Find Füatli nAirt.
The following poeni now edited and translated for tlie
first time deals with tlie seven battles said to have been
foiight against Munster by Cii Chorb, son of Mug Corb, Kiug
of Leinster in the third Century, with the help of Echaid or
Echu Find Füath nAirt, son of Fedilmid Kechtaid. Echu
was the leader of the Fothairt (Fotharta), a tribe that was
expelled from Tara^) together with the Laiches, and settled
in Leinster. 2) Probably because of the help given by them
to the King of Leinster they are called cUathaire Lagen
'battle-fighters of Leinster' in Rawl. B 502, 119 a 2. The account
given by Keating (Irish Texts Soc. VIII, p. 308) differs in
several details from the one given in our poem, more particu-
larly in the names of the battles, and in identifying 'Ath
Truisten with 'Ath IJ)
The poem has been preserved in the two manuscripts
to which we owe most of our Information on the ancient
history and traditions of Leinster, viz. Rawlinson B 502 (p. 83 b)
and the Book of Leinster (p. 35 b). It is composed in rinnaird,
with quantitative assonance in the first line *) and consonance
*) As to the cause of their expulsion see a poem in Eriu VI, p. 157.
*) Hence tbey and the Laiches are called forsloinnti Lagen {da prim-
forsluinniud Lagen, Rl. 119a 2). This term is thus explained in Kawl.
502, 1'i0b27: Hit forslointi tra la Hüib Neill 7 Connachto 7 Ultu 7 Laigniu
7 Mumain cach öen nad beir genelach cosna cethri bägaib arddaib seo .i.
CO Niall la Hü Neill, co hEocbaid Mugmedöin ia Connacbtu, co Cathäir
Mär la Laigniu, co hAilill nAulom la Muimuiu (sie). Issed dosguT for-
slointi dona clannaib süeraib asrubramar, ma tbeis nech dTb asa chrTch
fodeissin do chomaittreib i crTchaib ailib, axnal dochüatar Ciannachta
7 Gäilenga 7 Delbna ö Chaissiul hi crTch Neill 7 amai dochüatar ö Temair
secht Fothairt do aittreib i crTch Laigen 7 na Deissi hi crTch Muman; ar
is CO Feideilmid Rechtaid adfedar geneloigi na nDeissi Muman 7 na
nDeisse mBreg.
^) Go dtugadar maidhm orra ag 'Ath Troistean re raidthear 'Ath 'I
ag Bearbha, 1. 4802.
*) In the third verse of the first stanza we should read togae (tugae)
or tuige. See Thurneysen, Zu ir. Hss. II, S. 24. It is evidently the togae
of Fei. Jan. 6 and Nov. 7, by Stokes considered as a variant of togu, which
is not likely as togu occurs Frei. 123. It is a byform of tuige 'cover, shelter'.
Cf. tuga (tuige) co füatchai Triads 140; tre talman togha (sie leg.)
CZ V 24, § 4.
436 KUNO MEYER,
in tlie third. The quatrains are linked except 6/7. i) In § 10
we should perhaps read Caih Maige with L, which would
give a link with Miiman. No link is reqdred in § 11, as
the stanza begins with the same word as the preceding one.
The first verse of the poem has one syllable too many, a
licence permitted where proper names enter. So far as one
can judge from the language, the poem is probably not older
than the 10*^ Century.
1 Fedeilmid^) athair Echach, [ba] amra in 3) duine,
ba flaith, ba fial toga[e] for*) lath nErenn n-uile.^)
2 Eocho^) ö rodlomad dia') thecosc, tren medair,^)
secht cetaib for conair docomlai^) a Temair.
3 Docechaing 10) a") Bregaib i ILife*^) laind fogair,i3)
CO rräncatari*) Laigin a les nech dia cobair.
4 Cü Chorb i^) co secht cetaib nlmleiced i^) im grTssa,
dloratha im'") Breg büassa, cor threb and nöi missa.
5 Macc Moga Corbb cennmair ocus Eocho aignech
glanait slüagui») Mumnech do chlär Lifi'^) Laignech.
6 Lin catha rofersat^o) feib marcach, nirt traigthech,
ba fri Echaig^i) n-ilchach22) altlethan23) ard ailchech.^*)
7 Leth Laigen do Echaig^s) dar cach cath rochuiri,26)
is forblaith^^) co nglaini^s) Con Corb foraib mli.29)
8 Is si sin 30) in chommaid ar thossach,3i) ar mochacht,^^)
Con Corb cen nach clethalt ocus clainne Fothart.
9 Fotharta rofersat^s) secht catha, gargg bunad,
oc cosnam chirt^*) Lagen fri mörthüatha 3^) Muman.
10 Cath Trusten, 36) cath Gabra, cath Feä feib tindrem,")
cath Crüaich cetaib comram, cath Commair tri ninber.'s)
11 Cath Ardda Scol 39) sciathaig fri^o) Tüathmumain tüathaig,
*) Notice Temair : docechaing 2, 3. ') Feidlimid L ») om. L
*) dar L ») uile L «) Eocliaid R 0 f^o L «) medar RL ») dochumlae R
") dochechaing R ") do L '=) hilLiphe R ^'^) fodair L ") rancatar R
") Chorp L '«) nimleced R nileiced L ") in R '«) sluago L »s) Liphe R
") rofersat R »i) Eochaid R »') nilchaig RL ") altlethain L
") aichlech R ") Eochaid R, Ech- L ") rochuire RL «^) forflaith L
*•) figlaine RL ") forthaib huile R, form uile L «») j gein L
•0 tossach L "-) mochat L ") Fothart rodafersat L »*) ocosnam
cirt R "^) ri morthuathaib L ") Maige L ") tinnrem R, tindru L
••) nusci L ") scoil, with punctum deleus over i L *") for L
MISZELLEN. 437
ba talc^) tli diar triathaib '-) catli Ätha hl üathaig.
12 It e sin secht catha romemdatar 3) remib
for mörthüatha*) Muman fri cach fugal fedil. F.
Translation.
1 Fedelmid the father of Ecliu, famous was the man, he was
a ruler, he was a generous shelter over all the land of Erin.
2 When Echu was expelled at his bebest — a severe sentence —
he set out upon the road from Tara with seven hundreds.
3 He marched from Bregia into the neighbouring land of
Liffey,^ until the men of Leinster needed some one to
help them.
4 Cü Chorb with seven hundreds would not let him into
trouble;6) he") was refused the wealth of Bregia, so that
he dwelt there nine months.
5 The son of bigheaded Mug Corb and valiant Echu drive
the hosts of the Munstermen off the Leinster piain of Liffey.
6 The number of battles which they fought by virtue of
horsemen, by the strength of foot-soldiers, was against
Echu the triumphant, the broad- jointed , the noble, the
rock-like.
7 A half of Leinster (was given) to Echu for every battle
he fought, the brilliant rule of Cü 'Chorb is over them all.
8 This is the first and earliest covenant without any con-
cealment of Cü Chorb and the clan of the Fotharta.
9 The Fotharta fought seven battles, a fierce beginning, in
defending the right of the men of Leinster against the
great tribes of Munster.
10 The battle of Truistiu,») the battle of Gabar, the battle
of Fea by the strength of attacks, the battle of Cruach
with hundreds of contests, the battle of Commor tri nUsce.^)
>) tailc L ') do l^chaib L ») romebdatar R *) morthuathaib L
=*) I propose to read i ILifi laincl, which I translate. *) Read perhaps
nlnleiced, which I translate. As to the plural of griss, literally ' live coals,
hot embers' in the sense of 'vexation, trouble' cp. cen bet, cen grissa
SR 3958. Cp. also rob gris ös cach rig anhüas RC XX 52, 16, which should
be rendered 'may he be (like) hot embers on every king from above'.
'') i. e. Echu «) of the Maigue L ^) Here for the sake of the rhyme inber
has taken the place of the usual iisce, which is actually the reading of L
Zeitschrift £. celt. Philologfie Xn, 3. 29
438 KUNO MEYER,
11 The battle of Ard Scoli) of shields against tribeful
Thomond; a stout comfort to our lords was the battle of
dread 'Ath 'I.
12 Those are the seven battles which were broken before
them upon the great tribes of Munster by every true
account.
5. Kymr. tincerdd.
Dies Wort, welches 'Stümper, Pfuscher' bedeutet, stellt
eine höchst gelungene Volksetymologie dar, indem es aus
engl, tinker 'Kesselflicker' entlehnt, mit dem heimischeö tin
(ir. tön) im Doppelsinne von engl, 'bottom' in Verbindung
gebracht und an cerdd 'Kunst, Handwerk' angeglichen worden
ist. Das tritt besondei^s deutlich in dem folgenden penill^)
hervor, in welchem es zu pencerdd 'Meister der Musikkunst'
in Gegensatz gebracht wird:
Gtvell gan adyn llwyrfalch lledjfol
Fod yn dincerdd yn wastadol,
^ Na dysgu hod yn hencerdd hynod
Gan un fyddo gwell ei ivyhod.
6. Kynir. nolff.
Dies bei Richards und Pughe aus Eichard Morris (gest.
1779) verzeichnete Wort ist ein gutes Beispiel für meine
Behauptung, dafs die englischen Lexikographen gut täten,
die englischen Lehnwörter in den keltischen Sprachen zu
berücksichtigen. Es ist nämlich eine weder bei Murray noch
Wright belegte Form von aulf, dem heutigen oaf, mit vor-
geschlagenem n. Das aus altn. dl fr 'Elfe' entlehnte Wort
findet sein genaues Gegenstück in der Bedeutung 'Tropf, Ein-
faltspinsel' im hamburgischen Dialekt, wo man nach Richey
een dummen olf sagte.
>) ArdscuU near Athy, Hogan, Onom. , where a reference to our
passage should be added.
") Aus 'Diliau y Delyn, sef Casgliad o Benillion Cymraeg i'w canu
gyda'r tannau '. Caernarfon. Ohne Jahr. (S. 38).
MISZlüLLEN. 439
7. Altir. suirse.
Dies Wort findet sich öfters in den Annalen von Ulster
(A. D. 916, 944), wo eine Winterkälte als so stark geschildert
wird, comtar suirsi primlocha 7 primaibne Erenn du thraigtJie-
chaib 7 marclaigih (A.D. 855). 940 wird suirissi geschrieben.
Wir haben darin das mit so- komponierte Partizipium von
rethim (risse). Es ist etwa 'leicht befahrbar' zu übersetzen.
8. Delbnae NodoU
In AU 817 druckt Hennessy in regione Delbnae Nodot
und auch O'Malley, 'The Language of the Anuals of Ulster'
S. 74 behält diese Lesart bei, obgleich beide Hss. Loäot schreiben.
Wir haben es mit dem Gen. der undiphthongierten Form des
Personennamens Luada = kymr. Litdd zu tun. Wenn die
Gegend später Delbna Nüadat heilst (BB 191b 10), so liegt
hier derselbe Einsatz des bekannteren Namens für den selteneren
vor wie in Mag Läadat (LL374a), dem heutigen Maynooth.
9. Altir. mui *meiii'.
Diese betonte Form des Possessivpronomens der 1. Pers.,
ursprünglich der Genetiv des Personalpronomens (Thurn. Handb.
§ 440), kommt in der älteren Dichtung und Kunstprosa oft
zur Verstärknng des unbetonten Possessivums vor, und zwar
(a) der unbetonten Form vorangestellt, (b) hinter dem Nomen.
Ich gebe einige Beispiele: (a) tacud iar mär mäi mo chdmaine
Lib. Hymn. ed. Atkinson 1 184 = tocad iar mär möi {.i mei)
mo chslmaine El 502, 126 b 21 in einem Adomnän zugeschriebenen
Gebete. Ebendaselbst : rect möi {möe R) mo Christ cumachtach.
Ferner moai (leg. maoi) mo rose Amra SenEin § 10, CZ III 224.
(b) säeru mo gene maoi O'Dav. 1034; domicfa tl mo macäin
müi ib. 1555. Die letztere Konstruktion liegt auch an einer
wenigstens im Faksimile verschriebenen Stelle in LL 126 a 54
vor: tucthar öm rig mtccra escra cftach usw. Statt mucra ist
gewifs zu lesen müi ra {= la). Dafs miic hier ein sonst nicht
belegtes und angeblich aus dem Nordischen entlehntes Wort
für sKanne' sein soll, wie Marstrander, Bidrag S. 41 glaublich
machen will, ist nicht anzunehmen.
29*
440 KÜNO MEYER,
10. Altir. daithfenn.
Dies Nomen zu di-aith-s{u)enn 'wegjagen, verjagen' findet
sich CZ 111450,3: daithfenn {daiffenn H) im nem, was im
Gegensatz zu hithbethu for nim, ib. 449, 18 steht. Zur Ver-
schmelzung von di- mit aith- vgl. din- aus di-in-, Toffunn,
die gewöhnliche Form des Nomens zu to-senn, ist ursprünglich
Dativ zu toffann, wie buith zu both usw. Gen. coin taffaind
LL14bl2.
11. Zu O'Davorens Glossar.
§63.
conad ragbad mac no ingen de asa aici. Hier haben wir
das Subst. aicce (ü) f. ' Pflegeschaft', von dem ich Kelt. Wortk.
§ 161 gehandelt habe. Pedersen macht mich darauf aufmerk-
sam, dafs es auch Wb 5 b 27 vorliegt (is 'na n-aicci atdi), wo
die Herausgeber des Thesaurus an aicce 'Nähe' gedacht haben.
Wir finden es ferner Br. D. D. § 8 : altrom a maicc eter theora
aicce (i teora aicce St).
§ 1073.
Hier ist die Glosse zu lesen: is ard in codnaigetu don
c[h\anuid canus in [n-lemain \n-^imrind cen indlrgi nü cen in-
dmmni 'hoch ist die Meisterschaft des Cano, welcher die rings-
gereimte emain ohne Unrichtigkeit oder ohne Unsicherheit
singt'. Das Lemma stammt aus einem bei O'Mulc. § 537
zitierten Gedichte. Vgl. Kelt. Wortk. § 56. ,
^;S?' 1190.
Hier übersetzt Stokes das sprichwörtliche Uanchar cach
guide mit 'dement every prayer'. Es ist aber cäcJi zu lesen,
guide als Dativ zu fassen und zu übersetzen 'ein jeder ist
liebenswürdig, wenn man ihn bittet' ('every one is amiable
for being supplicated'). Einen ähnlichen Fehler begeht Stokes
in § 1272, wo slän cäch mairnes mignlmu zu lesen und zu
übersetzen ist 'jeder, der Missetaten verrät, geht frei aus'.
12. Bisher unbelegte altir. Formen.
Zu Thurneysen, Handbuch § 390. Ein altes Nom. tricho
findet sich Anecd. III 60, 27, Laws IV 336, 23, Gen. trichot ib. 26.
MISZELLKN. 441
Zu § 414. -de- kommt noch vor in do-de-güiset Laws IV 334, 2;
no-de-dlüthai, do-de-n-immairgg ib.
Zu § 431. flada 'vor ihm' Trip. 136,28; mise 'über ihr'
RC XI 452, 4.
Zu § 441 und 481. ala-ai 'der andere von ihnen' Eawl.
502, 113 b 29 {ar nl frlth ala-äi do thacru 'denn der andere
von ihnen wurde nicht gefunden, um zu plädieren').
Zu § 454. Auch die singulare Form cisne kommt auf
einen Plural bezogen vor, z. B. Laws IV 338, 2 ; Triads § 239.
Zu § 787. Zu cid lautet der Plural cetis in Mael Muru
Othna's Gedicht Canam bunadas na nGöidel (Ir. Nenn. S. 224),
wo LL in ciamdis geändert hat.
Zu § 332. Statt larsnaib findet sich Laws IV 176, 5 iarnaib.
Zu § 897. Zu noch is = i. e. stellt sich noch der Plural
noch it, Laws pass.; ferner noch hld (= blt) II 388, 13, noch ßl
I 102, 7.
13. Altir. to-fäisc-.
Die Herausgeber des Thes. Pal. übersetzen II 250, 10 macc
saele an tofäsci delc 'a splendid salve which binds a thorn'.
Es handelt sich aber um die Entfernung des Doms aus der
Wunde, und so ist das Verbum mit 'hinausdrücken, ausquetschen'
zu übertragen (to- wie öfter im Sinne von 'hin, weg'). Die-
selbe Bedeutung liegt CZ III 453, 30 in lind tofäiscthi fola hi
Xtennaind vor 'die blutige Flüssigkeit, welche bei der Bufse
ausgepreist wird'. In Dinds. § 62 heilst es von Aidne mac
Allgubae, dafs tofäscud a da glac (BB382b9) 'das Ringen
seiner Hände' genügte, um aus den Knöcheln Feuer heraus-
springen zu lassen.
Berlin-Wilmersdorf. Kuno Meyer.
EINIGE WORTE AN KUNO MEYER.
Ihre kleine Erwiderung (oben S. 307) auf meine Kritik
Itires „Zur keltischen Wortkunde I— VI" veranlafst mich zu
folgenden Bemerkungen: , '
1. Die Bemerkung über die Futurumsform gegna, Ir. Texte
IP 246 ist ganz unrichtig. Sie übersehen, daCs gegna vor dem
n einen Vokal verloren hat, was natürlich nicht der Fall ist
in dem von ihnen postulierten dorognad.
2. Dafs, ich mich nicht blindlings Ihrer Lesart irischer
Handschriften anschlief sen kann, wird Ihnen unter anderem
folgendes klarmachen. In der CZ X373 sagen Sie, dafs die
Lesung darrmart Acad. Dict. 106,4 (Eawl. 85b20) „durch un-
genaues Lesen des Herausgebers verschuldet ist", und dafs
„die Hs. richtig darrinart hat". Ferner soll ich Ihnen zu-
folge („Zur kelt. Wortkunde" IV S. 957) BB 111 b 35 das
dallduinin der Handschrift irrtümlich als dalldumin gelesen
haben.
Bitte schlagen Sie diese Stellen nochmals nach. Bestehen
Sie auf Ihrer Kritik, verspreche ich Ihnen, auf die Sache
zurückzukommen.
Meinerseits gebe ich gern zu, dafs ich die Richtigkeit
Ihrer Lesung dorognad zu Unrecht angezweifelt habe. Doch
behaupte ich Ihnen entgegen nach wie vor, dafs wir es hier
unmöglich mit einer älteren Form von dorönad zu tun haben
können. Es ist geradezu undenkbar, dafs eine derartige Form
sich in einem Gedicht erhalten haben sollte, dessen Ortho-
graphie sonst von der ersten bis zur letzten Zeile im höchsten
Grade regelrecht ist. Eine Schreibweise doroghnadh = dorö-
nadh möchte ich meinesteils eher für ein Zeichen des jungen
Alters der Handschrift halten; sie müfste offenbar durch
graphischen Anschlufs an doghni entstanden sein.
CARL MARSTRANDEK, EINIGE WORTE AN KÜNO MEYER. 443
Aber palst denn eine Perfektform überhaupt in den Zu-
sammenhang hinein ? Die Form steht umgeben von Präteritums-
formen, das Gedicht enthält überliaupt keine einzige Perfekt-
form, denn rorith in Str. 16 steht nicht, wie Sie meinen, für
rordith] adroairle der Str. 8 ist mir unklar; Ihre Analyse
*ad-ro-ad-rale widerstrebt den Lautgesetzen. Perfektformen
enthalten auch nicht die anderen Gedichte Ihres „Über die
älteste irische Dichtung I" {rohi Fürs. Laidc. I Str. 18 ist un-
richtig; die Urschrift hatte wahrscheinlich dohi); der Grund
liegt natürlich im Gegenstand.
Man sieht sich also zu der Annahme genötigt, dafs
dorognad ein Schreibfehler ist. In dem Falle kann die Ur-
schrift kaum etwas anderes als dorogbad gelesen haben (zum
Infin. torghdl: dorogbad inna targabäla, Ir. Pen. § 29).
Eine Stütze für Ihre Auffassung von omungnath dürfte
vielleicht LL 377 a geben : is on Labraid sin ßl grdin 7 gert-
acht 7 omun .... for Laignib iter firu Erend. ^
3. Dals die Lesart inloing ollam anamain O'Dav. 1072
gegen das Versmals verstolsen solle, kann ich nicht zugeben.
Die handschriftliche Überlieferung weist auf inloing hin, vgl.
Cormac s. v. anamain, wo YBL und LB mit O'Dav. inloing
lesen. Man hat doch kein Recht, das ältere und seltenere
inloing zugunsten des inellaing ohne zwingenden Grund fort-,
zuschieben.
4. Dafs riched eine Stammform rigi- enthalten sollte, ist
durchaus nicht erwiesen. Meine Vermutung, dafs das Wort
von einer verhältnismäfsig späten Zusammenrückung von ri
und dem in machad vorliegenden Substantiv '*sed herrühre,
läfst sich nicht ohne weiteres von der Hand weisen. Die
Zusammensetzung kam sicherlich in den Klöstern zustande.
5. Wagen Sie wirklich auf Grundlage der vereinzelten
Schreibweise rete (mit Strich über dem t) Rawl. B 502, 92 d 25,
ein irisches retert mit palatalem t zu postulieren, wenn das
Wort in derselben Handschrift retaire 92 h 22, 93 c 50 ge-
schrieben wird, und dies überhaupt die einzige nachweisbare
Form in allen irischen Handschriften ist? Ihrem Einwand,
dafs t mit Strich darüber in Rawl. B 502 nicht als tair auf-
gelöst werden darf, kann ich kein Gewicht beilegen; meinem
Eindruck gemäfs kommt t mit Strich darüber, abgesehen von
444 CARL MAKSTKANDER, EINIGE WORTE AN KUNO MEYER.
eter, etir (lat. inter), in dieser Handschrift hauptsächlich in
lateinischen Worten vor.
Ihr Hinweis auf feiere ist mir ganz unverständlich.
6. „Vielmehr haben wir es in epidios sowohl als in echde
mit einer gewöhnlichen adjektivischen Bildung auf -idio-
zu tun."
Gegen diese unrichtige Bemerkung habe ich mich gewendet.
7. „"Wenn ich § 33 die Bildungen auf -sech von Worten
wie gaillsech ausgehen liefs."
Aber dies tun Sie ja nicht. Sie sagen Ja ausdrücklich,
dals Sie „von Femininen wie Idiches ausgegangen sind und
sich an Bildungen wie gaillsech . . . angeschlossen haben", was
doch etwas ganz anderes ist.
8. Bezüglich des sehr umstrittenen cet bin ich sicher,
Sie werden erfahren, dafs Ihre Erklärung geringe oder keine
Zustimmung finden wird. Sie müssen uns erstens erklären,
wie licet zu ir. cet führen konnte. Hier genügt Ihre "bus aus
Omnibus"- Theorie nicht. Femer scheint es kaum wahrscheinlich,
dals der Schreiber von Arm. das verkürzte cet, der von Mil.
aber das angeblich ältere lecet (warum nicht licefi) benutzt
haben sollte, falls beide Formen aus dem Lateinischen licet
herrührten. Freilich bin ich noch nicht in der Lage, sowohl
licet wie cet in einem und demselben Texte nachzuweisen.
Aber das dürfte wohl durch die wenigen Belege von licet
begründet seih.
Kristiania, August 1918. Carl Marstrajjder.
ERSCHIENENE SCHRIFTEN.
Revue Celtique, vol. XXXVI Nos 3— 4. Annees 1915—16.
Die Kriegsnöte haben es den Herausgebern nicht ermöglicht,
während der zwei Jahre mehr als dies Doppelheft erscheinen zu
lassen und sind wohl auch hauptsächlich an der mangelhaften Druck-
legung und der ungewöhnlich grofsen Menge von Druckfehlern
schuld, die besonders die Lektüre der irischen Gedichte auf S. 262 ff.
erschweren. Aus dem bunten Inhalt hebe ich nur einiges hervor.
. An erster Stelle steht ein Artikel Marstranders über 'Thor en Irlande'.
Er und andere haben also seinen Beitrag zu 'Maal og Minne' I
S. 80 — 89 (1915) für richtig und wichtig genug gehalten, ihn in
eine Weltsprache übersetzen und in einer Fachschrift erscheinen zu
lassen. Das ist im Interesse unserer Wissenschaft sehr zu beklagen,
die Gefahr läuft, durch so phantastische jeder positiven Grundlage
entbehrende Behauptungen diskreditiert zu werden. Mai"stranders
bis ins Einzelnste hinein verfehlte Deutungen und Schlüsse werden
manche Fachgenossen an Zimmers verwegenste Aufstellungen auf
demselben Gebiete erinnert haben. Mir persönlich aber riefen sie
eine Szene ins Gedächtnis, die sich im Mai 1917 im Rauchzimmer
der 'Ryndam' abspielte, als das Schiff, welches die österreichische
Gesandtschaft aus Washington an Bord hatte, sich der Nordküste
Schottlands näherte. Da stellte ein ungarischer Konsul die Behauptung
auf und fand damit grofsen Beifall, die Schotten seien einer der
yersprengften Stämme Israels, was sich handgreiflich aus dem Namen
der nach den Hebräern genannten Hebriden und aus dem Geschlechts-
namen der M'Cabe, den Nachkommen der Makkabäer, ergebe. Es
ist wirklich um kein Haar besser, wenn Marstrander ein irisches
Ascaill als 'Asenhain', die Bezeichnungen miUnter Tomair als
'peuple de Thor', maithi Tomair als 'les illustres de Thor', ein
angebliches Tomar togach als 'Thor l'Electeur', Tomar täebach als
'Thor au large üanc' deutet, oder dann Balldair, mit 'Kinder
Balders', ßaile Balldair mit 'Baldersheim' übersetzt und daraufhin
die Behauptungen wagt, die Skandinaven Dublins hätten noch zu
Ausgang des 10. und zu Anfang des 11. Jahrhunderts dem Thor
geopfert, der Kultus dieses Gottes habe sich zum Nachteil desjenigen
446 ERSCHIENENE SCHRIFTEN.
Odius ausgebreitet, eine skandinavische Kolonie in Cork habe Balder
als ihren Schutzgott verehrt, und was dergleichen mehr ist. Er
hat damit gegen seine eigene auf S. 362 ausgesprochene Warnung
gesündigt, die man nur unterschreiben kann: 'Les recherches sur
les uoms de lieu et de personne exigent, plus que tout autre chose,
la plus consciencieuse exactitude dans l'examen critique des sources.
Les materiaux doivent etre soumis k l'ordre chronologique. ' Gerade
gegen die letzte Forderung hat er besonders verstofsen. Da die
Gefahr naheliegt, dals Germanisten und andere, die nicht in der
Lage sind, das Vorgebrachte nachzuprüfen, einem Fachgelehrten
blindlings folgen, wie das ja leider auch in dem ähnlichen Fall
Zimmers geschah, so will ich eine ausführliche Widerlegung lieber
an einer Stelle anbringen, von wo sie weitere Kreise erreicht.
Van Hamels Abdruck des Gedichtes auf Crimthann aus Rawl.
B 502, 85 b erheischt folgende Verbesserungen. In Str. 1 hat die Hs.
molbda. In Str. 4 lies fintöir, Str. 5 mifrech in quantitierendem
Gleichklang mit Cathbad und nathrach, Str. 6 n-antrenn, in Str. 13
Enna, Str. 14 Huaisliu mit der Hs., die ferner richtig Cniachan
hat. In Str. 15 lies Samäire, Str. 16 Mugnae, Str. 20 hirchrann,
Str. 24 Torchdü ni tholcmaith nostoimdim , Formcel, Fordniimm,
Str. 26 m'inhed, wie Rawl. öfters statt ined, inad schreibt. In Str. 27
hat die Hs. timthach, Str. 28 asrubairt. Lies 's ed ronanacht. In
Str. 31 steht noi t'igrad in der Hs. und grad statt grane. In 25 a
liest LL na sargud dö 7 dilgud. Str. 23 a ist Gluis in Olais zu
ändern. Das Fcs. hat inasc ail. Serge ist gewifs mit O'Curry in
Serad zu bessern, was Eeim mit gsbam und Konsonanz mit dälam
gibt. In der letzten Strophe lies leimm dar. Zu den Anmerkungen
wäre zu sagen, dafs es nicht verständlich ist, warum lergloir in
Str. 4 der Alliteration wegen eine bessere Lesart als lergmöir sein
soll, da das l von löir doch nicht alliterieren kann. Clär Cathbad
ist eine dichterische Bezeichnung für Ulster. In Str. 10 ist röen
gewifs richtig , aber Reim mit röemid gibt es nicht. Str. 24 sind
Torchäil, Formäel und Fordruimm Namen von Hügeln in der Baronie
Gorey in der Grafschaft Weiford. O'Curry würde sich gefreut haben,
durch die Lesart Torchdü (R) eine Bestätigung seiner Identifikation
von Torchair (LL) mit Torchill Mount zu erhalten (Ms. Mat. S. 489 n. 59).
Mide 'Meath' ist ursprünglich Neutrum. Was die Bindung der
Strophen untereinander anbetrifft, so tut diese in § 13 und 19 nicht
not, weil das Anfangswort der vorhergehenden Strophe wiederholt
wird. In solchen Fällen fehlt die Bindung regelmäfsig. VgL z. B.
Fei. Öing. Epil. v. 181 — 209, wo alle Strophen mis Is anfangen,
ib. 237—284 (Drong), 321—360 {Adsluindiu), 445—560 (Romiöerae).
In den Gedichten aus Brüssel ist S. 276/7 § 29 tecmaig und
eccnaid zu lesen, in § 34 dibh a ndls, wl füille fis, wo föille auf
Oighe reimt, § 41 und 50 Egipt im Reim mit Enirt, § 42 ainsedh
(: tairsedh), § 46 Müra na muir, § 53 flrian, § 61 Ni raibhe.
ERSCHIENENE SCHKIFTKN, 447
Marstranders absprechende und z. T. in wenig höflichem Tone
gehaltene Kritik meiner 'Keltischen Wortkunde' (S. 335 flf.) macht
ihm keine Ehre und wird besonders all denen unerfreulich sein,
welche wissen, was er mir alles schuldig geworden ist. Es ist auch
zu tadeln, dai's er von den reichen Wortsammlungen der irischen
Akademie, die ihm zur Verfügung stehen, keinen besseren Gebrauch
zu machen gewulst hat. Wie so oft bei seinem Wörterbuch, ver-
wirrt er auch hier öfters den Leser durch eine Menge Zitate, die
dieser doch wieder im einzelnen prüfen mufs. So habe ich schon
erwähnt, dafs er in dem Artikel über den und deiti die strittige
Frage dm-ch ein Wirrwarr von mehrfach wiederholten, oft falschen
Belegstellen nur verdunkelt. Er setzt ein Substantiv den an, während
nur gelegentlich dem Reim zuliebe so für denn geschrieben wird,
mischt unter die Beispiele für das Adj. den solche , die einen Kasus
des Adj. dlan und sogar des Subst. dian (ä) f. enthalten und zieht
daraus falsche Schlüsse. In Acall. 2677 läfst er dein auf itid reimen
statt auf ßin, nimmt O'Davorens dein A. glan für bare Münze,
während es sich doch um das dem doss zustehende Versmass dlan
handelt, setzt in SR domun den statt des ganz gewöhnlichen domun
dlan an, ebenso druine den 1943 gegen den Reim u. dgl. mehr.
Wenige Seiten hätten genügt, um das Richtige und Neue, was M.
bringt , zusammenzustellen. Man fragt sich , was Artikel wie z. B.
der über genit (S. 387) eigentlich bezwecken. Was er über celt,
maehad, üsca, mathmarc, cnatarbärc, cnaplong, Fuidbech, Suidbech
sagt, ist wenig überzeugend, während seine Ansichten über cet, rlched,
dorognad, omungnath, Cathäir, Dlmma, Inaepius, aithben, geliti^)
geradezu unrichtig sind. Um zu zeigen, wie oberflächlich M. bei
aller Umständlichkeit zu Werke geht, und wie wenig ihm der ab-
sprechende Ton zukommt, will ich kurz seine Bemerkungen über
aithben (S. 337) widerlegen, worin er meine Übersetzung des Wortes
mit ' frühere Gattin ' bekämpft. Er schlägt allen Ernstes vor, athben
in rig Airt (Zeitschr. 7111254 § 17) mit 'das Unweib des Königs Art'
zu übersetzen. Das wird er freilich keinem Leser weilsmacheu, aber
es zeigt, wie flüchtig er sich die Texte ansieht und sich um eine
genaue Übersetzung herumdrückt, während er dreist behauptet,
'la traduction de Meyer manque completemeut de base'. König Art
war tot und athben bedeutet schliefslich nichts anderes als 'Witwe'.
Unverzeihlich aber ist es, dafs er den Charakter einer Dame, gegen
die auch nicht das Geringste vorliegt, verleumdet als ob sie eine
Taitu oder gar von deutscher Abkunft gewesen wäre : ' les mauvaises
qualites de Medb se laissent clairement aper^evoir'! Schliefslich
1) Wie die Lesart geilte von B in Cog. 174,9 zeigt, steht geliti in
Hs. D nicht " mit Rückassimilation " von glinne (!) für geniti, sondern ent-
hält svarabhakti, das D bekanntlich mit Vorliebe schreibt. So pafst es
auch gut zu ammaidi, das M. in seinem Zita;t aiisläfst.
448 ERSCHIENENE SCHRIFTEN.
Wäre noch zu bemerken, dafs auf S. 389, Z. 21 statt 'Meyer' 'moi-
meme' zu lesen ist.
Sehr zu begrülsen ist die Fortsetzung yon Loth« 'JRemarques
et Additions', worin dieser belesenste Kenner des älteren Kymrisch
manches Verfehlte in Morris Jones' Grammatik richtig stellt. Zu
dem Zitat aus dem Buch von Aneurin 84, 1 (S. 408)
bu bleich bu twlch tande
möchte ich bemerken, dal's sich twlch hier schön zu dem ir. tolc (ä)
f. 'Durchbruch, Bresche', also einem Synonym von bwlch, stellt.
Siehe Beispiele des Wortes bei Windisch, Tochmarc Ferbe, zu Z. 108,
wozu noch tolc-biiülech 'Breschenschläger' (RC XXIV 202) kommt.
Der satirische Nekrolog auf mich (S. 423), der denen auf Anwyl,
Mackinnon und Rhys folgt, stellt sich ebenbüi'tig manchem an die
Seite, was seit 1914 in England über mich geschrieben worden ist. ^)
Man findet da dieselbe hirnlose Wiederholung von Schlagwörtern
der gelben Presse, dieselbe lächerliche Unkenntnis und Verdrehung
deutscher Verhältnisse, dieselbe krankhafte Verzerrung einfacher
und natürlicher Vorgänge und eine neue Bestätigung des Wortes,
das der tapfere E. D. Morel im Oktober 1914 seinen Landsleuten ins
Gesicht warf: 'Your vision is distorted, your judgment is impaired'.
Nur versteigt sich der Engländer doch nicht so leicht zu solchen
Höhen des Aberwitzes wie der Franzose. Eine Besprechung solch
geistiger und seelischer Verirrungen gehört in eine psychiatrische
Zeitschrift. Damit aber der Leser nicht glaubt, dafs ich übertreibe,
drucke ich den Artikel hier vollständig ab.
"On pourra s'etonner qu'ä cette liste de morts nous ajo.ution8
M. Kuno Meyer. Le celtiste de l'Universite de Berlin est toujours
vivant, et meme bien vivant, si l'on eu juge par l'activite qu'il a
deployee en ces derniers mois. Mais imaginons qu'il soit descendu
dans la tombe vers la mi-juillet 1914, ä une epoque oü personne,
en France du moins ou en Angleterre, ne soup^onnait l'abominable
attentat qui se pr^parait contre la paix du monde. Chacun eüt ete
unanime ä deplorer la perte d'une philologue de grand merite, dont
l'urbanite rehaussait l'erudition. Quelle difference aujourd'huil La
guerre a fait tomber la masque et decouvert le visage. Les celtistes
etrangers ont reconnu avec stupeur le vrai caractere de leur collegue
de Berlin. Ce pretendu apotre des etudes celtiques n'etait qu'un
commis voyageur en pangermanisme. II paraissait humain et loyal,
•) Bei manchen dieser Äufseriingen war das Motiv der Schreiber,
ihre eigenen Interessen zu fördern, freilich nur zu offensichtlich. Von
solchen schrieb mir im Januar 1915 ein Freund: 'Let me assure you that
we look with indignation on words that have been written by those who
owed you much, and who have shewn no loyalty or fidelity but to them-
selves, even in this crisis, as in all past oues.'
ERSCHIENENE SCHRIFTEN. 449
dövone, nniquement, et de toutes ses forces, au servic« desinteresse
de la science. En fait, sons le couvert de la science, il travaillait
au triomphe de rhegemonie gerraanique ; ä la faveur de l'hospitalite
anglaise, il preparait les voies aux hordes casquees qui devaient
conquerir Liyerpool et Londres, en passant par Dublin.') II avait
sa place marquee dans le plan de mobilisation de l'Etat-Major
prussien, il etait enrole d'avance; il a rejoint son poste dfes le pre-
inier jour aupres des Irlandais d'Ameriqae. Ainsi, il s'est rendn
complice du crime le plus monstrueux qui ait ete perpetrö contre
' l'humanite. II a accepte les odieuses maximes des Clausewitz et
des Treitschke, et jusqu'ä l'hypocrisie de la 'guerre defensive'
declaree par l'Allemagne au monde, de cette 'guerre de vie et de
mort' comme on l'a appelee outre Rhin, entendez de vie pour
TAUemagne et de mort pour les autres. 'La civilisation humaine sera
allemande ou eile ne sera plus', tel etait apparemment le mot d'ordre
des barbares qui ont repandu ä plaisir sur les regions les mieux policees
de l'univers la devastatiou et l'incendie , le pillage et l'assassinat.
Herr Professor Kuno Meyer a trouvee cela juste et beau. On dira
qu'il a suivi le mouvement imprime ä tonte la nation, qu'il a marche
d'accord avec ses coUfegues des uuiversites allemandes. Cela n'excuse
pas son attitude ä nos yeux et ne doit rien changer ä celle que
nous prendrons ä son egard. L'homme que nous regardions comme
un confrfere s'est devoile un ennemi. II le restera. Nous ne voulons
plus le connaitre, ni avoir aucun rapport avec lui. Pour ceux entre
nous qui se faisaient jadis un houneur et un plaisir de le recevoir
ä leur table et dans leur foyer, il est desormais mort et bien mort. "
Folgen noch einige Sätze, in denen gesagt wird, dafs man
trotzdem grofsherzig genug sein wird, meinen wissenschaftlichen
Arbeiten auch in Zukunft die Aufmerksamkeit zu schenken, welche
sie verdienen. So gesellt sich zu allem übrigen auch noch der
englische cant. K. M.
A. G. van Hamel, Inleiding tot de keltische Taal- en Letter-
kunde, bij J. B. Wolters, Groningen, den Haag 1917
(Neophilologische Bibliotheek), VI 108 S., f. 1, 90.
Gegenüber den bisher erschienenen Einfühningen in die keltische
Sprach- und Literaturwissenschaft hat das vorliegende Büchlein,
') Schade, dafs Loth nicht Henry Sweets anonym gedrucktes jeu
d'esprit 'Home Rule in Ireland. Before and after' (University Press,
Clontarf. 3145) gekannt hat. Li seiner heutigen geistigen Verfassung
hätte er gewifs Sweets Scherz "that Vogelsang (d. h. der verstorbene
F. N. Finck) and Mittermayer (ego) were neither more nor less than Ger-
man Jew spies of their Imperial master" (S. 16) als volle Wahrheit ge-
nommen. Oder: "The whole circumstances of their visit are suspicious.
What business had two foreigners to. come and teach the Irish their own
language?"
450 ERSCHIENENE SCHRIFTEN.
abgesehen davon, dafs es in billiger Separatausgabe vorliegt, noch
den Vorteil, dafs es von einer einzigen Hand herrührt und somit
ein abgeschlossenes, harmonisches Ganzes bildet. Wenn es auch
nicht viel Neues bringt, so erfüllt es dennoch vollauf seinen Zweck,
um so mehr, als es leicht und gefällig geschrieben ist und auch
solchen literarischen Problemen, die in das Gebiet der allgemeinen
Literaturwissenschaft hinüber spielen, gebührende Aufmerksamkeit
widmet, ohne sich auf trockenes, rein deskriptives Vorgehen zu
beschränken. i
Im einzelnen wäre zu bemerken:
S. 2. Namentlich mit Hinblick auf die heillose Verwirrung in
einem Teil der anthropologischen Literatur wäre es richtig gewesen,
an dieser Stelle auch den Begriff des anthropologischen Kelten fest-
zulegen, der zweifellos der hochgewachsenen, langköpfigen, blonden,
blauäugigen nordischen Rasse angehörte.
, ^ S.S. 'Tauber' mufs auf eine Grundform mit langem Q zurück-
gehen und kann daher nicht unmittelbar kymr. ä.xcfr gleichgesetzt
werden.
S. 11. Die alte irische Form des Provinznamens Connaught
lautet Connachta.
S. 21. Da der 942 gedichtete 'Circuit ofireland' unzweifelhaft
als mittelirisch anzusprechen ist, muXs das Ende der altirischen
Periode bereits um 920 hemm angesetzt werden.
S. 26. Seither hat Walde nachgewiesen, dafs das Irische und
Lateinische im Gegensatz zum Sabellischen und Gallo - Britischen
tatsächlich auf eine gemeinsame Grundsprache zurückgehen und dafs
die Entstehung des „Urkeltischen" erst nach der Trennung jener
beiden Sprachen erfolgte. *
S. 27. Daran, dafs eine ganze Reihe syntaktischer Eigen-
tümlichkeiten der keltischen Sprachen auf nichtidg. Einflüsse zurück-
zuführen sind, darf man wohl nicht zweifeln.
S. 29. Für *ken7i-i lies *koenn-i.
S. 30. Für Oerkelt. -ö» lies -ans (idg. -ms) , für -äs lies -ans.
S. 31. kymr. tri 'drei' kann nur auf den Akkuss. *trins
zurückgehen.
S. 35. Die gallische Form von Lug ist Lugus.
S. 38. Der Nominativ zu Cathbad heifst Cathuh und nicht
Cathhu.
S. 39. Zur Sage von Cü Roi vgl. meine Ausführungen oben
S. 339 — 41, die das Verhältnis Cü Rois zu Cü Chulainn wohl in
ganz anderem Lichte erscheinen lassen. Wenn v. H. kurz die Ent-
stehung der Sage behandelte, hätte er wohl auch meine Abhandlung
(Mitt. Anthrop. Ges. Wien XLII) berücksichtigen müssen, die keines-
wegs, wie Thurneysen und Baudiich meinen, mit ihren Deutungen
im Widerspruche stehen. Die Zahlen beweisen zweifellos, dafs es
sich um einen alten Mondmythos handelt; dieser Moudmythos wurde
ERSCHIENENE SCHRIFTEN. 451
dann mit den Personen der Halbgötter Cü Roi und Cü Chulainn und
weiterhin mit dem Sagen -Motiv der verborgenen Seele verknüpft.
Ich habe mich nur mit der mythischen Grundlage der Sage be-
schäftigt, einer Gnindlage, die viel älter ist, als die Einwanderung
der Kelten in Irland. Dieser Mythos" wurde sodann in Caher Conree
lokalisiert und mufs natürlich das älteste Element darstellen. Erst
mit dem Augenblick der Lokalisation setzt das weitere Schicksal
der Sage ein, wie es von Thurneysen behandelt wurde. Leider
wissen viele Gelehrte noch immer nicht die mythische, vorhistorische
Grundlage von der folkloristischen, historischen Weiterentwicklung
zu scheiden. Beide stehen nicht gegen- sondern hintereinander; die
Mythenforschung läfst sich am besten mit der vergleichenden Sprach-
forschung, die (hier von Thurneysen und Baudisch angewandte)
folkloristische Sagenforschung mit der rein einzelsprachlich philo-
logischen Forschung vergleichen. Mythen konnten nur im Kindes-
alter der Menschheit entstehen ; durch ihre Übertragung auf wirkliche
Verhältnisse entstanden dann die Sagen. Auf historisch -literarischem
und philologischem Wege läfst sich nur die Sage zurückverfolgen;
weiter rückwärts mufs die vergleichende Mythenforschung einsetzen.
S. 44. Die Auffassung v. Hs. von der eigentlichen Natur der
Ulster -Sage ist irrig und gerade das Gegenteil ist richtig. Er
meint, Cü Chulainn sei ein Mensch mit einem menschlichen Vater,
dem erst später, im Zeitalter der Romantik, ein göttlicher Vater
und andere, übernatürliche Eigenschaften angedichtet worden seien.
Dasselbe gelte auch von Conchobar, Medb und Ailill. Nun hat aber
Kuno Meyer nachgewiesen, dafs Cü Chulaiuns menschlicher Vater
Sualtam einer gelehrten Erfindung sein Dasein verdankt; aufserdera
heifst jener ausdrücklich „der Sohn der Göttin Deichtire" und sein
Oheim Conchobar wird „ein Gott auf Erden" genannt. Zusammen
mit zahllosen anderen Beweisgründen wird man nicht daran zweifeln
dürfen, dafs Cü Chulainn und Conchobar alte Göttergestalten sind
und erst später euhemerisiert wurden.
S. 52. Englisch brehon ist nicht eine Wiedergabe des ir. brithem,
sondern des Genetivs breitheman (sprich: brehnn). Unverzeihlich ist,
dafs von den drei besten modernen irischen Schriftstellern: Pädraic
'0 Conaire , Padraic Mac Piarais und Pädraic '0 Siochfhradha nicht
einmal einer genannt wird.
S. 57, Anm. 1. Kymr. mcr 'Stadt' kann nicht auf l&t. castra
zurückgehen. Vgl. Pedersen, G. G. A. 1912, S. 26/27.
S. 62. Statt cruith lies cruit und statt Gywydd: Cywydd.
S. 84. Cormac mac Airt ist keinesfalls eine historische Person
(s. oben S. 350/51). Die Idee, dafs in der Gestalt Finns verschiedene
Figuren zusammengeflossen sind, ist gewifs richtig.
S. 85. Im Gegensatz zu meinen Ausführungen, in denen ich
die Qaleoin als Germanen erklärt hatte (oben XI 169 ff.) , will sie
Y. H. als britische Kolonisten deuten. Dadurch erhalten wir aber
452 ERSCHIENENE SCHRIFTEN.
keinerlei Aufsclilufs über das Suffix in Ga{i)ling -< *Galingi , das
katim anders denn germanisch sein kann. Auch Völkernamen auf
-igni sind im Keltischen sonst unbekannt.
S. 88. Conn Cetchathach und Art mac Cuinn dürfen ebenso-
wenig wie Cormac als historische Personen behandelt «rerden (oben
S. 350/51), wie denn überhaupt die frühe Geschichte Irlands nur mit
der gröfsten kritischen Vorsicht historisch verwertet werden darf.
Über den irischen Ursprung der Namen Oscar und Oisin s. Fianaigecht
S. XVIII Anm. 1.
In der Bibliographie vermifst man das in kritischer Beziehung
und für die Urgeschichte Englands unentbehrliche, vorzügliche Buch
von Rice -Holmes: Ancient Britain and the Invasions of Julius Caesar.
Auf S. 105, Z, 4 mufs es anstatt O'Curry richtig O'Growney heifsen.
Die neukymrische Grammatik von E. Anwyl hätte nicht übergangen
werden dürfen.
Zum Schlüsse bemerke ich nur noch, dafs mir das Kapitel über
den keltischen Arthur besonders gut gelungen erscheint und namentlich
allen Romanisten nicht warm genug empfohlen werden kann. Man
vermifst nur einen Hinweis auf die Wichtigkeit der römischen
Okkupation für die Entwicklung der Sage, da jene in den folgenden
unruhigen Zeiten vielfach als goldenes Zeitalter gefeiert wurde.
Julius Pokorny.
K. Meyer, An Crinög. Ein altirisches Gedicht an eine Syneis-
akte (Sitzungsber. der Kgl. preufs. Akademie der Wissen-
schaften 1918. XVIII S. 362 — 374).
S. 366 § 1 lies cubaid. Vielleicht ist doch mit ^F) ronniOsam
zu lesen und, wie Marstrander vorschlägt, 'wir dünkten uns grofs'
zu übersetzen.
S. 371 § 5 lies düairc. Mit § 4 vgl. LL 369 m. i.
Anlege deit indä midöl
ocus fällte fri fledöl
tu it luing 6 allen d'aileön
'Erwünschter ist dir als Mettrunk und Wilkomm zum Trinkgelage
wie du in deinem Schiif von Eiland zu Eiland fährst'.
Zu minbad tacrdd, a De, duit (§ 11) vgl. menbad tacrdd latt,
a Ri LL 374 b 25. immom c[/i]ein-se (ib.) kann doch wohl kaum
'um mich selbst' bedeuten, da die particula augens dann an falscher
Stelle wäre. Vgl. m'ainm-ae fein s. Conc. § 13. Thurneysen schlägt
vor 'was meine Zeit {cian) betrifft' zu übersetzen. Dann wäre
a rdd rot Objekt zu atberamn ' ich würde das verwegene Wort aus-
sprechen '.
Dafs über den Umgang und das Zusammenleben mit Nonnen
die Ansichten und Bestimmungen der altirischen Kirche auseinander
ERSCHIENENE SCHRIFTEN. 453
gingen, zeigt u.a. folgende Strophe, die ich der dena heil. Ciardn
zugeschriebenen Regula entnehme (Eriu II S. 228):
Cia bet caülecha it arrad, legthair i riaglaib aili,^)
fri Crist diam glan do chride, bia-sa i fiaith nime airi.
' Sind auch Nonnen in deiner Gesellschaft (so liest man in den Regeln
eines andern), wenn nur dein Herz Christus gegenüber rein ist, so
wirst du deswegen (doch) im himmlischen Reiche sein'.
Zu Änm. 3 auf S. 363 läfst sich noch aus H. 3. 18, 19 a folgende
Bestimmung hinzufügen: tuillem bathais 7 comnae is midies .%. do
fiur grdid, acht ni rwca dia chaillig no dia mac berar dö iar techt
gräid 'die Gebühr für Taufe und Kommunion steht dem Ordinierten
zu, nur soll er sie nicht seiner Nonne geben oder seinem Sohn, der
ihm geboren wird, nachdem er ordiniert worden isl.' K. M.
NOCH EIN KRIEGSKURIOSÜM.
Gerade da ich abschlielsen will, kommt die Nachricht
aus England, dals die Stadt vätier von Liverpool die Anschaffung
des 'Archivs für celt. Lexikographie' für die Bibliothek der
Stadt verweigert haben, weil mein Name auf dem Titel steht.
Zur Belustigung meiner Leser setze ich den Bericht der 'Times'
darüber her. Er ist aber zugleich ein trauriges Zeugnis für
den Tiefstand der Bildung und den Mangel an Humor in den
Mittelklassen Englands. Übrigens wird mein alter Freund
und Schüler Thomas Burke wohl recht haben, wenn er das
Manöver als weniger gegen mich als gegen die irische Partei
des Sta'dtrats gerichtet bezeichnet.
"Liverpool City Council yesterday rejected by 65 votes
to 19 a proposal to purchase the work 'Archiv für celtische
Lexikographie', one of the authors of which is Kuno Meyer.
Alderman Burgess said that Kuno Meyer was a German
of the worst type. He was the spoilt pet of Liverpool üni-
versity, acted as a coUeague of Casement in Germany, stirred
^) Strachau schlug vor leider i riagla aili zu lesen, was mir nicht
ganz klar ist.
454 NOCH EIN KRIEGSKURIOSÜM. — NACHTRÄGE.
up sedition in Ireland, and afterwards went to America, wliere
he employed himself in spitting out venom on the band that
fed him.
Councillor Burke declared that the main body of the
book was written three centuries before Kimo Meyer t^s
born. That was a patriotic demonstration got up deliberately
to drag his (the speaker's) countrymen in.
Alderman Watts said if they had any of Meyer's books
in the library they should bui^n them.
Councillor John Clancy did not agree with Councillor
Burke's remarks. Far from Meyer being a friend of Ireland,
his name had been removed from the Freemen's Roll in Dublin
and Cork." K. M.
NACHTRÄGE UND BERICHTIGUNGEN.
Die arg verstümmelte elfte Strophe des Mael-Isu zu-
geschriebenen Gedichtes (XII, S. 296) findet sich richtig in
Anmchairdes Manchäin Leiih, VII 311 § 20.
XII, S. 297. Bas hier abgedruckte Gedicht Mo labrad
C0C. steht atich Addit. 30, 512, fol. 35 b 2, mit den Lesarten
charus (§ 1), mandrad (§2), a athair cacha und laide (§ 3).
Statt agrad (§ 2) ist adrad zu lesen (Marstrander).
Ibid. Z. 14 ist statt Rawl. B. 503 zu lesen Rawl. B. 477.
Die Handschrift stammt aus dem Anfang des 17. Jahrhunderts.
Druck von Ehrhardt Karras G. m. b. H. in HaUe (Saale).
PB 1001 .Z5
V.12 SMC
Zeitschrift f/r
CELTiscHE Philologie /
AJG-7434 (ab)