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Full text of "Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur"

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ZEITSCHRIFT 


FÜR 


DEUTSCHES  ALTERTHÜM 


HERAUSGEGEBEN 


MORIZ  HAUPT. 


>j!^ 


ZWEITER  BAND. 


LEIPZIG 

WEIDMANN'sCHE     BUGIinANDLUNG. 

1842. 


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ALLKRHAND  ZU  (lüDRUN. 

1.  Gabilün  101,   1    heifst   Parz.  383,  2.   575,  27   daz 

gaynpiliin  und  ist  das  zeichen  in  liinotes  wappen.  zunächst 
denkt  man  dabei  an  }<äfmog  Innö'/.af^mog  'niT[0'/.üi.nrtj  seepferd. 
Festus  cappas  (campas)  marinos  equos  Graeci  a  ßexu  poste- 
riorum  partium  appellant.  doch  zu  erwägen  wäre  auch  das 
ital.  span.  gamharo  seekrebs,  altfrunz.  jamhlc,  gr.  y.ocitu^og 
nu^iliaQog,  lat.  cammavus  gamviarus,  mlat.  gambarus,  altn. 
kumri,  schwed.  dän.  hummer,  franz.  homard.  ein  seeunge- 
heuer auf  jeden  fall. 

2.  Es  ist  eine  schöne  art  dargebotne  gaben  so  auszu- 
schlagen dafs  man  sie  segne  und  preise,  gleichsam  ihren 
werth  für  den  erhebe  der  sie  behalten  soll.  Gudrun  lehnt 
die  von  Orlwin  und  Herwic  gebotnen  ringe  mit  den  Worten 
ab  1225,  1  got  Idze  tu  iuwer  bouge  beiden  scelic  sin!  und 
wiederum  die  raäntcl  1233,  1  got  läzc  iu  scelic  sin  iuwer  bei- 
der rnentel!  gerade  so  Siegfried  den  ihm  von  Giselher  ange- 
tragnen theil  burgundisches  landes  Nib.  640,  3  got  laziu  iwcr 
erbe  immer  scviic  sin !  schien  höfisciien  dichtem  diese  for- 
mel  zu  gemein  als  dafs  sie  sie  angewendet  hätten?  denn  sie 
fände  sich  sonst  öfter,  äiinliche  redensarten  mögen  unterm 
Volk-  häufig  umgegangen  sein,  um  abzulehnen  und  höflich  zu 
wehren,  in  Ilolbergs  eilftem  juni  3,  6,  als  Studenstrup  lust 
trägt  zu  einem  schmucken  röhr,  aber  hört  dafs  es  nicht  un- 
ter sechs  thalern  zu  haben  sei,  ruft  er  vom  kaufe  abstehend 
aus  gud  bevare  minc  sex  rigsdaler  I  =  got  luze  mir  si  sw- 
lic  sin!  das  büchlein  vom  salzburgischen  Untersberg,  Brixen 
1782  s.  11  erzählt  wie  eine  bäucrin  ihren  mann  bei  einer 
wilden  frau  mit  langen  haaren  überrascht  und  sie  angeredet 
habe    o   behüte  gott  deine  schönen  haare,    was    thut   ihr  da 

Z.  F.  D.  A.     II  1  . 


2  ALLKKHAiM)  ZI'  GUDRUN. 

mit  einander ?  sie  will  in  gülc  sagen  'weiche  von  binnen 
und  behalt  deine  schönen  haare  für  dich  die  meinen  mann 
verlocken  ! '  dieses  feine  mahnen  thnl  auf  die  fremde  wnr- 
kung,  vgl.  deutsche  sagen  1,  65. 

3.  Hettel  gehört  nicht  zum  ags.  Menden  in  scöpes  vid- 
si3 ;  es  gibt  sonst  keinen  eigennamen  Menden,  und  das  alt- 
burgund.  he?idinuf>,  goth.  ktndins  bleiben  billig  aus  dem  spiel 
dabei,  sogar  für  Menden  schlage  ich  vor  dort  zu  lesen  Meo- 
den,  und  dann  träte  Zusammenhang  ein.  denn  Meden,  Meo- 
dcn  (nicht  zu  schreiben  Heden,  Meoden)  ist  ahd.  Metan,  das 
als  einfacher  eigenname,  besonders  aber  in  den  compositis 
IVoIfhetan  (trad.  fuld.  2,  60.  mon.  boica  28  n«  52.  246), 
Pernhetan  :=^  altn.  ilßiedinn,  Biarnhedinn  vorkommt,  altu. 
d  hier,  wie  oftmahls,  gesetzt  für  organisches  d.  IVolJ- 
hetan  dreht  sich  auch  um  in  Metanwolf  {MedentilJ'us  Perlz 
1,  508.  2,  213).  was  dies  .ihd.  hetan,  alts.  h'edan,  ags.  he- 
den  heoden,  alln.  hedinn  (Saxo  gramm.  schreibt  M?'lhi?zus) 
bedeute  weifs  ich  noch  nicht;  die  goth.  form  wJire  hidan 
oder  htidnn  fwie  iriuiun  z=.  ahd.  tr'etnn).  vom  ahd.  heidan 
paganus,  goth.  hdipns^  ags.  heeden^  alts.  hethin,  altn.  hci- 
dinn  steht  es  ab,  wiewohl  Verwechslungen  beider  formen  frühe 
begonnen  haben  mögen,  z.  b.  wenn  der  eigenname  Pagamis 
erscheint  (Lacomblet  u'  314.  330.  a.  1132.1139),  warerdoch 
eher  Hedan  als  Medan,  Methan,  auch  Meidenreich  lautete 
wohl  ursprünglich  Medanric,  ahd.  Metanrih?  wie  jenes  Me- 
tanwolf nhd.  als  Meidenwolf  Meidwolf  Meidluß'  erscheint 
dies  alles  über  Metan  vorausgeschickt  kann  ich  fortfahren. 
Metlei  in  der  Gudrun  halte  ich  für  entsprungen  aus  Metel 
Meten,  und  die  ags.  Meodeningas,  alln.  Miadningar  (gramm. 
1,  352)  werden  ahd.  geheifsen  haben  Hetaningd,  Mb'talingä, 
was  allmählich  entstellt  wurde  in  Hegelinge,  der  letzten  form 
entspricht  in  ags.  und  altn.  berichten  durchaus  nichts,  aller- 
dings gab  es  einen  ahd.  ortsnamen  Hegilinga  (Meichelbeck 
u"418)S  allein  in  unsrcr  dichtung  isl  Hegelinge  name  eines 
geschlechls  der  nur  in  den  constructionen  zen  Hegelingen 
oder  Hegelinge  laut  örtlich  wird,  nothwendig  also  auf  einen 
Stammherrn  führt,    der  im  lied  nirgends  HegcL    nur  Hettel 

I.   vgl.  Moue  lieldensage    .s.  52. 


ALLERIIAM)  ZU  GUDRUN.  3 

heilst  und  dem  ags.  Heoden,  altn.  Hecti?in  gleicli  steht  nach 
welchem  die  Hcodr/iingas^  Hiad/iingar  benannt  sind,  mit 
Hegeling  kann  Hygeluc  im  Beovulf  =::  ahd.  Hitgileih,  ail- 
fränk.    (Uiochilaich  nichts  gemein  haben. 

4.  In  Gudrun  klingen  verschollene  stammsagen  und  ört- 
lichkeiteu  des  nordwestlichen  Deutschlands  an,  zumahl  auf  die 
Niederlande  Friesland  und  einen  iheil  von  Scandinavien  be- 
zügliche ;  hätten  wir  genaue  geographische  künde  aus  dem 
höheren  alterthum  dieser  landstriche,  so  würden  sich  manche 
einzelnheiten  des  gedichts  aufhellen.  Mateläne^  der  Hegelinge 
sitz,  erinnert  an  ein  niederrheinisches  Mediolannirn  des  Pto- 
lemäus,  das  man  im  münsterscheu  Städtchen  Metein  an  der 
V^echt,  zwischen  Horstmar  und  Bentheim,  wieder  findet,  ältere 
Urkunden  nennen  es  Molcllin  ^  Peutingers  tafel  gibt  nach 
Fleiione  ein  Matilone,  der  geographus  Ravennas  nach  Fle- 
tione  ein  Matellione  an,  welche  formen  dem  Mateldne  noch 
näher  rücken.  Fletione  setzen  andere  westlicher  nachYssel- 
stein  und  Malilone  in  die  gegend  von  Rynsburgen.  die  altn. 
Überlieferung  scheint  von  keinem  ähnlichen  ort  zu  wil'sen. 
bei  Saxo  gramm.  s.  88 — 90  ist  Hithhuis  ein  rex  aliquantae 
Norvagiensiuvi  gentis,  Höginus  (1.  Hügnius)  ein  Jutorum 
regiilus,  während  unsere  diclitung  den  Hagene  in  Irland,  die 
ags.  den  Hagena  in  Holmrice  hausen  läl'st.  nach  Saxo  käm- 
pfen beide,  Hithinus  undHöginus,  'a\\{  HHhinsö,  worunter  er 
sich  vermutlich  Hedinsey,  nordwestlich  von  Rügen  dachte, 
was  noch  heute  den  namen  Hhldensee  führt,  aber  Snorra- 
edda  164  legt  diesen  kämpf  nach //«ey,  einer  der  orkadischeii 
inseln,  was  den  sch.iuplatz  wieder  gegen  Schottland  und  Ir- 
land schiebt,  im  Sörla|)ättr  (fornald.  sog.  1,  i03),  wo  sich 
bedeutende  abweichungen  des  inhalts  darbieten,  heilst  dieselbe 
inscl  blofs  Ha,  in  Gönguhrolfssaga  (daselbst  3,  284)  wird  um- 
gekehrt Hedi'nscy  weit  ostwärts  zwischen  Gardariki  und  die 
Tartarei  gebracht,  man  mufs  binzunehmen  dafs  S()rla[)atti- 
den  Hedinn  aus  Ser/c/(if/d  d.  h.  Africa,  Sarazenenland  stam- 
men läfst,  wie  im  (judrunliede  Siegfried  konig  aus  MnrIanI 
alsbund  esgenofs  der  Hegelinge  auftritt,  das  alte  Mauntn- 
gnnin  an  der  Elbe  ist  dabei   nicht  zu   übersehn. 

I.    Ledfihur  ßrukterer   s.  327.  328. 


/i  ALLERHAND  ZU  GUDRUN. 

5.  Sehr  merkwürdig  ist  etwas  anderes  bestimmteres, 
»ach  unserm  epos  wird  zwar  der  kämpf  zwischen  Hettel  und 
Hagene  um  Hilde  auf  dem  gestade  von  Waleis  gefochten, 
dagegen  ein  zweiter  ähnlicher  um  Gudrun  zwischen  Helfe) 
lind  den  Normannen  auf  dem  Wiilpensand  oder  Wiilpenwer- 
der.  diesen  aber  darf  man  an  die  flandrische  kiisle,  wo  sich 
die  Scheide  ins  meer  ergiefst,  auf  den  sogenannten  Cadzand 
Cassand  setzen,  wo  noch  im  mitlelalter  ein  ort  Jfulpio  zu 
finden  war.  der  keurbrief  von  Brügge  a.  1190  (bei  Warn- 
könig 2,  1,  s.  85)  nennt  noch  die  IVidpingi,  hoinines  de 
Wnlpia  sive  de  Cassand.  dort  in  der  gegend  sind  genug 
landstellen  vom  meer  verschlungen  worden,  zwischen  Wül- 
pen  und  Walchern  hiefs  aber  die  westliche  münduug  der 
Scheide  vormals  Hedejisee,  Heidensce^,  was  wiederum  ein 
Hedenseiland  gewesen  sein  wird,  also  den  namen  Hedens 
neben  Wülpen  aufbewahrt,  die  sage  knüpfte  ihren  schauplalz 
bald  da  bald  dort  an.  dafs  ältere  lieder  die  erste  schlachl 
zwischen  Hagene  und  Helen  bereits  auf  dem  Wülpenwerd 
geschehn  liefsen  ergibt  sich  aus  der  wichtigen  stelle  im  Alexan- 
der 1831,  wo  man  freilich  Hetenen  für  Hagenen  zu  lesen 
und  anzunehmen  hat  dafs  nach  dieser  darstellung  Hagene  um- 
kam, während  ihn  die  jüngere  am  leben  erhält. 

6.  Hettels  vater  bleibt  im  Gudrunliede  ungenannt;  zu- 
folge der  nordischen  sage  ist  Hedinn  söhn  des  Hiari'andi, 
welchen  namen  man  dem  Horant  (nicht  Huratit)  des  liedes 
gleichzusetzen  hat,  nur  dafs  Horant  blofs  als  genofs  des 
Hettel,  nämlich  als  schweslersohn  des  Wate  und  herr  in 
Tenelaut  auftritt,  jenem /^mrr«/?^// entspricht  der  a^s.  Heo7- 
re7ida,  auch  ein  sänger  bei  den  Heodeningen,  wie  Horant 
bei  den  Hegelingen,  kaum  also  Heodens  vater  oder  naher 
verwandter,  den  formen  Jiiarrajidi,  Heorrenda  würde  ein 
^olh.  Hairza7ida,  aM.  Herra/ito  gleich  sein,  welche  schwache 
flexion  ich  nicht  angetroffen  habe,  mhd.  blofs  die  starke /Te/-- 
rant;  Herant  kann  übertreten  in  Horant-,  vgl.  gramm.  i. 
1/il.  153. 

1.  vgl.  die  carte  von  Flandern  bei  ^^'arnk()nig  und  Kluit  bist.  crit. 
coinit.  Holt,  et  Zeelandiae  1,  1,  114. 

%.  bcispicle  von  Ili-rrant  und  Horant  sammelt  Mone  beldensage  s.  59. 


ALLERHAND  ZLI  GUDRUN.  5 

7.  Mau  darf  auch  uichl  fVdte  schreibeu,  da  PFate  durcli 
deu  reim  }Faten  :  gegaten  (Alex.  1833)  wie  durcli  die  ags. 
schreibuug  Vada^  altu.  raiti  (uud  uicht  Vmla,  Facti)  be- 
gehrt wird,  ohue  zweifei  ist  Hol.  266,  19,  weil  Oigir  aus 
Dänemark  stammt,    der  dänische  Wate  des  epos  gemeint. 

8.  Für  NotHlant  würde  ich  Ortlant  vorziehen,  wie  z.  b. 
565,  1  geschrieben  steht,  und  weil  es  auf  h'olt  und  Ortwin, 
die  herren  dieses  landes  (716,  1.  1642,2),  alliteriert,  leicht 
konnte  aus  Ortlant  Hortloni  werden  (466,  4.  520,  1)  oder 
Hortriche  (481,  1.  634,  3)  und  daraus  Nort/ant,  wegen  al- 
ter Verwechslung  des  H  mit  dem  iV,-  wie  auch  Normanie 
und   Onmuiie,  Armenie  schwanken,  wovon  ein  andermahl. 

JACOB  GRIMM. 


SIOZA. 

Den  reicheren  gehalt  der   schönen  ahd.  spräche  als  ihn 
ihre  meist  unbeholfnen  denkmähler  sammeln  lafsen  ahnt  man 
aus  einzelnen  verstohlnen  formen  die  zu  bisher  aufgestellten 
regeln   ausnahmen   an   die   band   geben  und  vorerst  nur  mit 
hilfe   verwandter  dialecte   zu   erklären  sind,     es   macht  mir 
grofse   freude  ihre   spuren   zu   verfolgen,     in   Neugarts    Ur- 
kunden las  ich  schon  lange  n»  155  a.  m'ölVolfpoldes  siaza 
und  no  22&  a.  826  fFo/fpoltes  siuzza;    es  wird    dadurch    ein 
grundstück,  ein  waldeigenthum  bezeichnet,    jetzt  findet  sich 
auch  in  einer  ungedruckten  Fulder  glosse,  die  Dronke  näch- 
stens herausgeben  will,  das  bestimmtere  siozza  praedia.  da- 
hingestellt  bleiben   mufs   ob    der    sg.    sioza   fem.    oder  sioz 
masc.    lautete;   vor   allem    zieht  uns  das  vocalverhältnis  an. 
in  diesem  io,    ia   einen    diphthong   der    fünften  ablautsreihe, 
also  ein  goth.  iu  anzunehmen  verbietet  die  völlige  abwesen- 
heit  einer  goth.  wurzel  siut  säut  sut  oder  ahd.  sios  söz  suz. 
CS  scheint  also    nur   übrig  eine  brechung    io  :=.  e  oder   ur- 
sprüngliches i  zu  vermuten,  so  dafs  unser  wort  der  bekann- 
ten Wurzel  sit  sal  set  oder  ahd.  siz  saz  säz  anheim  fiele,  was 
sich  auch  mit  der  bedeutung  grundstück  oder  besitzung  wohl 
vereinbart,     in  der  zweiten  stelle  bei  Neugart,  die  der  diph- 
thongischen auslegung  günstiger  wäre,  wird  vielleicht  iu  für 


0  SIOZA. 

ia  verschrieben    oder   verlesen    sein,     ein  ungebrochnes  sez 

oder  seza  weifs  ich  nicht  aufzuzeigen,  geschweige  ein  mhd. 

ses  seze  oder  siez-  sieze.  ^ 

Aber   die    ags.    spräche    leistet    uns    gewähr;   sie  bietet 

nicht  nur  geseotu  ■=  geseilt  (gramm.  1,  349)^,  sondern  auch 

seotol  n=r  setel,  ahd.  sezal  dar.     geseotu  ist  pl.   eines  neutr. 

geseote,  gesete    praedium,    plantatio,    niederlafsung,    anbau? 

noch  mehr,  bei  Lye  steht  ferner  das  einfache  seotu  bucetuni 

und  slota  (?  siotu)  stabula,  so  dafs  seote  in  eingeschränktem 

sinn  einen  Weideplatz  für  rinder  im  wald  ausgedrückt  haben 

mag,  was  dem  ahd.  siaza  bei  Neugart  vollkommen    angeme- 

Isen  ist. 

JACOB  GRIMM. 


BUCH   DER  RÜGEN. 

Die  perganienthandschrifl  der  ich  das  nachfolgende  ge- 
dieht mit  seinem  lateinischen  vorbilde  entnehme  ist  meines 
wifsens  bis  jetzt  völlig  iinbekannt  geblieben,  sie  befindel 
sicli  in  der  Sammlung  des  hiesigen  antiquarbuchhändlers  Mat- 
thäus Kuppitsch,  der  sie  mir  mit  dankenswerther  bereitwil- 
ligkeit  zur  benutzung  überliefs,  ich  bin  nicht  ganz  sicher 
ob  ich  die  schrift  einem  oder  zweien  Schreibern  und  ihrer 
abwechselnden  Sorgfalt  und  unlust  beilegen  soll  oder  ob  die 
augenfällige  Verschiedenheit  der  züge  lediglich  dem  Wechsel 
deutscher  und  lateinischer  texte  zuzuschreiben  ist.  denn  dafs 
die  lateinische  und  die  deutsche  schrift  desselben  Schreibers, 
besonders  wenn  die  erstere,  wie  es  eben  hier  der  fall  ist, 
sich  in  zahlreicheren  abkürzungen  geföllt  als  die  letztere,  oft 
kaum  wieder  zu  erkennen  sei  werden  mir  erfahrene  gern 
zugestehen,  auf  111  erst  in  neuester  zeit  mit  reifsblei  be- 
zifferten blättern  kleinoctav,  dem  alter  nach  an  den  beginn 
des   15n  Jahrhunderts  reichend,  die,    wie  die  spuren  zeigen, 

I .  es  bedarf  kaum  der  bemei-kuiip.  dal's  z  hier  überall  nur  3  sein 
kann. 

'2.  qfir  biti'i^a  i^eaeotu,  Irans  itpiiidoiiini  praedia  C.  302,  20.  w" 
Thorpe  zu  {^cscotu  bcnierkl  this  word  docs  not  secm  to  occur  eise- 
loherc       im  eod.   Exon.   soll  aber  nach  Lye  ein  aeseti/  stehn. 


BUCH  DER  KlGEiN.  ' 

lauge    alles    scliützeüden  eiubaudes  enlbeliil»  u.    lial  sich  aii.> 
nachstehendes  erhalten. 

Von  blalt  1  VW.  bis  16  rw.  ein  auszug  aus  dem  be- 
kannten werke  Hugos  von  st  Victor  spcculiim  de  mystenis 
eeclesiae,  das  im  dritten  bände  seiner  werke  (Rouen  1648  fol. 
s.  335  ff.)  vollständig  gedruckt  hier  unter  der  rothen  über- 
schritt sich  findet  bicipit  speculum  eeclesiae  ilomini Hugonh 
cardinalis,  und  am  ende  Explicil  speculum  super  officium 
missae.     den  rest  der  seite  füllt  folgendes 

Quaeritur,  quid  sigtiißcat  de.vtrum  et  sinistrum  cor/iu 
altaris.  Est  ratio,  quod  altaris  dextra  missae  principium 
ßitemque  tcnet,  mediumque  sinistra.  Dextra  judeos,  gen- 
tiles  laeva  signißcat.    Coepit  ab  Ins,  transfertur  ad  illos. 
Constat  in  altari  carnem  de  pane  creari. 
Iste  cibus  deus  est,  qui  negat  reus  est. 
Tarn  sacrum  pignus  ?iulhts  sumat  indignus, 
Qui  capit  indignc,  digne  cremahitur  ig?ie. 
Articuli  fidei  sunt  incarnatio  Christi, 
Baptismi  lavacrum,  mors  et  dcscensus  uverni, 
Palma  resurgentis,  ascensio  iudiciumque. 
hierauf  roth  Versus  de  xij  gradibus   hmnUitatis  secundum 
regulam  beati  Benedicti  abbatis. 

Corde  timet  dominum,  proprium  contemnit  am  ^^^^.^^^^ 
Subditur   arbitino  patiens,    fert  sponte    dol^ 
Clausa  pati  pandit  et  vilia  quoque  *^^^^^^^^y 
Omnibus    exiremus  ßt  per   comunia   t-^ 
Caute    silere    sciens     risum    depellii    ab  ^        ^ 
Verbamodestus  agens  humiligerit  omnia  m^ 
danach   auf  der   letzten   zeile   roth  Incipit  praefatio  in  sev~ 
mones  nulli  parcentes. 

ßl.  17  VW.  bis  26  vw.  füllt  das  unten  gedruckte  lateini- 
sche gedieht. 

Bl.  26  VW.   bis  27  rw.  das  bekannte  gespräch  zwiscliea 
einem  beiden  Juden  und  Christen  über  die  Vorzüge  ihres  glau 
bens,  und  zwar  unter  der  rothen  Überschrift  Nota  pulchram 
fabularn  und  beginnend 

Viri  tres  sub  arbore  quadum  quievcrnnl,         -    -< 
Cuius  Status  melior  esset  contenderunt  u.  n,  >n  . 


8  BUCH  DER  RÜGEN. 

Bl.  27  rw.  bis  28  rw.  Nota  de  meritis  inonachorum, 
be^nnend 

Recordare  decet,   dilecti  frati^es  mei, 
Qualiter  evadere  possimus  iram  dei, 
Ne  coram   tanto   iudice   inveniamur  rei    u.  s,  w. 
siebzehn  vierzeilige  einreiinige  gesälze. 

Bl.  28  rw.  bis  39  rw.  ausziige  aus  den  decretalen  un- 
ter der  rolhen  Überschrift  In  nomine  domini  Amen.  Anno 
MCC .  .  .  .  excerpta  decretnlium.  pn'tnum  de  si/monio. 

Bl.  39  rw.  bis  50  vw.  Incipit  über  de  regimine  sa- 
nitatis,  eine  schrift  welche  das  uns  bekannte  halbduzend  re- 
gimina,  die  schola  Salernitana  ungerechnet,  abermahls  ver- 
mehrt, sie  hat  zum  Aerfafser  Arnold  probsten  von  s.  Jacob 
zu  Bamberg,  den  ich  bei  Ussermann  und  sonst  nicht  finde, 
und  ist  auf  die  bitte  Augustins  bischofs  von  Agrani  abgefafst. 
das  werk  ist  somit  in  das  erste  viertel  des  vierzehnten  Jahr- 
hunderts zu  setzen,  da  Augustin  von  1303  bis  1323  auf  dem 
bischöflichen  stuhle  zu  Agram  safs  und  in  diesem  jähre  da- 
selbst starb  (Kercselich  de  Corbavia,  B.  A.,  Historiarum  ca- 
thedralis  ecclesiae  Zagrabiensis  partis  1  tom.  1  s.  98  vergl. 
mit  s.  105).  der  eingaug  lautet  Reverendo  in  Clwisto  pairi 
domino  et  amico  suo  karissimo  domino  Augustino  episcopo 
sagrobiensi  suus  Arnoldus  sancti  Jacobi  in  Babenberch  prae- 
positiis  cum  stn  recommendatione  salutem  et  quidquid  est 
optabile  sane  mercnti.  Quia  petivistis  a  me  itt  aliquid  de 
regimine  sanitatis  vobis  in  scriptis  redigerem,  u.  s.  w. 

Bl.  46  rw.  unterbricht,  nach  einer  rothen  Überschrift 
auf  der  letzten  zeile  der  vorhergehenden  seite  De  cancris^ 
ein  bedeutend  gröfser  geschriebener  abschnitt  aus  dem  ge- 
wöhnlichen missale  den  Zusammenhang.  der  abschnitt  de 
cancris  ist  dadurch  eingebüfst,  denn  die  folgende  seite  47  vw. 
setzt  die  abhandlung  an  einer  anderen  stelle  fort  bis  zu  ende, 
vermutlich  sollte  auf  dem  bereits  früher  beschriebenen  blatte 
mit  dem  bimssteine  räum  geschafft  werden,  unterblieb  aber. 
Bl.  50  VW.  bis  51  rw.  Nota  versus  aequivocales,  be- 
ginnend 

Pluribus  ojjficiis  animae  sunt  nomina  plura, 
eine  reimerei  bei  welcher  sichs  um  wortreichthum  handelt,  ver- 
mutlich einst  als  versus  memoriales  der  lieben  Jugend  eingequält. 


BUCH  DER  KUGEN.  9 

Bl.  51  rw.  bis  57  rw.  fVie  man  schol peichtich  iverden, 
eine  deutsche  prosaische  anleitiing,  zum  theil  aus  dem  drei- 
zehnten Jahrhundert,  die  eines  auszuges  in  hinsieht  auf  sprä- 
che und  inhalt  nicht  unwerth  wäre. 

Bl.  57  rw.  bis  70  vw.  ein  deutsches  gedieht  l^on  dem 
^intichrist  das  vieles  eigenthümliche  enthält  und  allerdings 
den  druck  verdiente,  der  spräche  nach  würde  ich  es  in  den 
beginn  des  vierzehnten  Jahrhunderts  setzen,  der  eingang  lautet 

Sweii  wundert  von  dem  antichrist 

daz  er  also  geheizen  ist, 

der  merk  an  disem  büechelin 

waz  von  im  sant  Aiigustin 

schribet)  so  verstet  er  wol 

daz  man  in  also  nennen  sol  u.  s.  w. 
Bl.  70  rw.  bis  99  rw-    unser  unten  gedrucktes  deutsches 
gedieht. 

Bl.  100  vw.  leer,  bis  auf  ein  paar  federproben,  unter 
denen  eine  in  den  zierlichen  zügen  österreichischer  Urkun- 
den des  14n  und  des  beginnenden  15n  jahrh.  die  jahrzahl 
Anno  dno  Mccccxxxiiij  der  länge  nach  abwärts  laufend  an 
den  rand  der  seite  hingeschrieben  hat. 

Bl.  100  rw.  bis  108  vw.  ohne  Überschrift  eine  deutsche 
poetische  erzählung  von  einem  wunderlhätigeu  Marienbilde, 
wohl  durch  kreuzfahrer  verpflanzte  sagen  wunderlich  ver- 
schmelzend, aber  anziehend  erzählt,  ich  halte  dieses  gedieht 
mit  dem  oben  besprochenen  vom  Antichrist  für  gleichzeitig 
und  demselben  dichter  angehörig,     es  beginnt 

JVolt  iuch  sin  niht  hetrdgen^ 

ich  wolt  iu  gerne  sagen 

von  einem  bilde  ein  mwre 

daz  guot  ze  hoeren  ivwre, 

CS  was  ein  vj^owe  lobesan 

gesezzeji  bi  ir  lieben  man 

ze  Melopolim  in  der  slat  u.  s.  w. 
Endlich  bl.  108  rw.    bis   zu    ende  verschiedene  lateini- 
sche gebete. 

Unser  lateinisches  gedieht  halte  ich  für  ein  werk  des 
dreizehnten  Jahrhunderts,  vielleicht  kurz  nach  der  kaiserkrö- 


10  BLCH  DEU  RÜGEN. 

nnng  des  Holienstaufcrs  Friedrichs  des  zweiten,  also  um  1220 
gedichtet,     zu  den  warnuugeu  an  pabst  und  kaiser  war  des 
Stoffes   genug   vorhanden,     wer   der  warnende   gewesen   ist 
mir   unbekannt,     dal's    er    dem    geistlichen    stände   angehörte 
höchst  wahrscheinlich  (vgl.  die  zweite  anmerkung  zum  prosai- 
schen eingange),   vielleicht  dem  eben  entstandenen  prediger- 
orden,  der   in    rühriger  geschäftigkeit  und  kühnem  Selbstge- 
fühl  an    den  verbrüderten    geistlichen  körperschalten  und  an 
einzelnen  würden   nur   zu   viel  zu  tadeln  fand.     Quetif  zog 
ich  vergeblich  zu  rathe,  3Iatthias  Flacius  hat  ähnliche,  aber 
nicht   unser   gedieht,     namen    nennt   übrigens   dasselbe    nir- 
gend, wohl  aber  das  deutsche,  dessen  kühnerer  verfafser  nichl 
umhin  konnte  im  abschnitte  vom  pabste  diesen  zweimahl  zu 
nennen,  z.  167  und  hebet  aji  dem  tiurstcji  an,  ich  wivn  daz- 
si  der  bübst  Johan,      dann    z.  257    sprechet  'vater,    biibst 
iohan,  sich  din  gewizzen  an    u.  s.  w.     zur  genaueren  Zeit- 
bestimmung sind  diese  stellen  wichtig,  man  hat  nur  die  wähl 
zwischen  Johann  dem  21  n  und  dem  22n,  ersterer  erwählt  den 
13n  September  1276,  gestorben  den  16n  mai  1277,  letzterer 
erwählt  den  7n  august  1316,  gestorben  den  4n  december  1334. 
Dafs  Johann  der  22e  nicht  geraeint  sein  kann  läfst  sich 
aus   folgendem   schlielsen.     die   den   pabst  betreffende   stelle 
z.  226  ff.,    wis  sicherlich  dar  an  gemant,    wil  du  dich  dar 
an  setzen  daz  du   beginnest  hetzen  den  gwelph  an  den  gi- 
belin,    der  graste  schade  der  icirt  din,  könnte  nämlich  nur 
in  die  erste  zeit  nach  der  wähl  Johanns,  also  um  1316,  ge- 
setzt werden,  weil  nach  dem  was  kurz  danach  begann  eine 
solche  ermahnung  höchst  unpassend  gewesen  wäre,  in  dieser 
ersten  zeit  war  es  aber  ganz  unmöglich  von  einem  deutschen 
kaiser   zu    sprechen,    da    der  kämpf  zwischen  könig  Ludwig 
und   könig  Friedrich    in  steigender  erbitterüng  bis  zum  ent- 
scheidenden 28n    September  1322  die  frage  um  die  deutsche 
kaiserwürde  völlig  zweifelhaft  liefs.    ebenso  unstatthaft  wäre 
für  Ludwig  als  kaiser,  nach  der  Stellung  die  er  zum  pabste 
angenommen,    der   rath  des  dichters  z.  1011    hilf  dem  bdbsf 
mit  dinem  swert  ob  er  sin  von  dir  begert  u.  s.  w.  mit  dem 
älteren  lateinischen  texte  ist  aber  hier  nichts  zu  entschuldi- 
gen, weil  er  die    stelle    gar    nicht  hat.     und  wollte  man  be- 
haupten der  dichter  habe  einen  künlligcn  kaiser  im  äuge  ge- 


BUCH  DER  KL GEN.  11 

habt  und  die  stelle  z.  224  swer  ciaz  ander  (swert)  haben 
sol,  dem  gib  <?;;  schiere  uz  der  haut  deute  auf  diesen  hin, 
so  widerspricht  dem  die  stelle  z.  983  bis  998,  die  von  einem 
zustande  spricht  der  dem  kaiser  bereits  zum  vorwürfe  ge- 
macht wird,  also  ein  schon  bestehendes  oberhaupt  des  rei- 
ches voraussetzt,  sie  lautet  toold  aver  icman  her  gen  der 
dir  wolde  gesten  und  sprveche  er  (der  kaiser)  behaltet 
tool  daz  er  se  rehte  behalte?i  sol,'  daz  ividerrette  ich  sä 
zehant  und  hieze  in  varn  in  alliu  lant,  vrdgen  der  mcere 
ob  indert  vride  wcrre.  daz  vünde  er  allez  vridelös,  berau- 
bet naket  unde  blöz.  du  von,  keiser,  schaffe  also  daz  arme 
Hute  iverden  vjuj.  du  hast  ein  stvert  in  dincr  hant,  der  got 
zwei  hat  gesant  der  kristenheit  ze  guote  und  ze  grozer 
liuote  u.  s.  w.  alle  diese  Widersprüche  losen  sich  aber  ganz 
einfach  wenn  man  nicht  Johann  den  22n  sondern  den  21n 
annimmt,  dann  erklärt  sich  zugleich  noch  manches  andere, 
obwohl  ein  punkt  auch  dann  noch  widerstrebt.  Rudolf  von 
Habsburg  war  nämlich  nicht  kaiser  und  doch  ist  ein  ganzer 
abschnitt  unseres  gedichtes  an  denselben  gerichtet,  hier,  so 
uiufs  man  annehmen  und  kann  es  auch  wohl,  hat  den  dich- 
ter sein  Vorbild,  von  dem  er  einen  ganzen  theil  und  nach 
seiner  ansieht  gewiss  den  wichtigsten  hätte  weglafsen  mü- 
fsen,  verleitet  der  gegenwart  etwas  vorzugreifen,  um  so  mehr 
als  bei  den  friedlichen  Verhältnissen  Rudolfs  zum  pabste  und 
bei  dessen  wiederholter  verheifsung  einer  romfahrl  an  seiner 
kaiserkrönung  nicht  wohl  zu  zweifeln  war. 

Wird  Johann  der  21e  angenommen,  so  findet  auch  die 
stelle  z.  196  nii  hwr  ich  daz  din  selbes  leben  niht  gevallel 
alse  wol,  also  ez  doch  vofi  rehte  sol  eine  theilweise  be- 
gründung,  wenn  man  den  wink  benutzt  welchen  die  Jahr- 
bücher der  predigermönche  zu  Kolniar  und  zwar  zum  jähre 
1277  über  Johann  geben,  Joannes  papa  31agus,  in  omnibus 
disciplinis  instructus,  religiosis  infestus,  contcmnens  decreta 
eoncilii  ge7ieralis,  obiit  hoc  anno  (Wursteisen,  ausg.  von 
1585  bd.  2  s.  14  z.  2.1).  bei  Johann  dem  22n  würde  dieser 
grund  wie  obiger  tadel  ohne  zweifei  unterblieben  sein,  zur 
Warnung  an  das  reichsoberhaupl  z.  1015  setze  dich  nihl 
wider  in  (den  pabst),  habe  ze  der  triuwe  min  ßndet  man 
ferner  au    dem   tragischen  Untergänge  des  mächtigen  hauses 


12  BUCH  DER  RÜGEN. 

der  Hohenstaufer  und  den  darauf  folgenden  noch  in  frischem 
gedächtnisse  haftenden  ereignissen  grund  genug  und  der  stich 
z.  1033  If.,  tlen  das  lateinische  original  abermahls  nicht  hat, 
wird  wohl  vor  allem  Ottokarn  zugedacht  sein,  ich  meine  den 
rath  an  die  könige,  bürge  stete  unde  laut  hat  er  (got)  ge- 
sagt in  iuwer  hant,  dd  sUlt  ir  an  gedenkeii,  dem  keiser 
niht  cntwenkcn.  denn  erst  am  25n  november  1276  hatte  Ot- 
tokar gedeniiitigt  die  lehen  vom  oberhaupte  des  reiches  ge- 
nommen, bedenkt  man  ferner  die  kurze  zeit  der  regierung 
Johanns,  so  ergibt  sich  als  Zeitpunkt  der  enlstehung  unseres 
gedichtes  das  jähr  1276  oder  1277.  —  zum  abschnitte  von 
den  königen  will  ich  überdies  noch  anmerken  dafs,  wenn 
unser  gedieht  Johann  den  22n  meinte,  es  höchst  auffallend 
wäre  in  diesem  theile  desselben,  wo  die  gelegenheit  dazu 
sich  gleichsam  aufdrängte ,  nirgend  mit  einem  wörtchen 
des  unglückseligen  kampfes  zwischen  Ludwig  und  Friedrich 
rügend  erwähnt  zu  sehen,  ebenso  würde  mich,  unter  der- 
selben Voraussetzung,  im  abschnitte  von  den  deutschordens- 
rittern  das  gänzliche  schweigen  über  das  abschreckende  bei- 
spiel  der  aufhebung  des  tempelherrnordens  (1310)  wunder 
nehmen;  das  lateinische  original  könnte  nur  schwach  ent- 
schuldigen, weil  unser  dichter  doch  an  mehr  als  einer  stelle 
von  demselben  abwich,  so  dafs  seine  arbeit  an  ausdehnung 
sein  Vorbild  um  mehr  als  ein  drittheil  überbietet. 

Stellen  wie  z.  1073  bis  1104,  die  ich  ihrer  länge  we- 
gen nicht  hersetze,  und  manche  andere  lafsen  mich  nicht 
zweifeln  dafs  auch  der  dichter  unserer  deutschen  bearbeitung 
dem  geistlichen  stände  angehört  habe,  die  in  besondere  ein- 
zelheiten  gehenden  rügen  der  deutschordensritler  hat  er  zwar 
zum  theile  seinem  vorbilde  entnommen,  doch  bleibt  noch  im- 
mer eine  gröfsere  Vertrautheit  mit  den  inneren  Verhältnissen 
des  Ordens  bemerkbar,  in  wiefern  diese,  vielleicht  durch  die 
Stellung  unseres  dichters  zu  irgend  einem  der  deutschor- 
denshäuser  Süddeutschlands,  dem  seine  spräche  ihn  zuweist, 
zu  erklären  sei,  wird  aus  dem  gegebenen  wohl  niemand  mit 
Sicherheit  zu  beantworten  vermögen,  der  poetische  werth 
der  arbeit  ist  übrigens  gering,  obwohl  einige  stellen  nicht 
ohne  Schwung  sind  und  biedere  freimütigkeit  ernstes  tadeis 
immer  für  sich  einnimmt,     an   flick verscn  fehlt  es  nicht  und 


BUCH  DER  RÜGEN.  13 

der  reim  trägt  wie  häufig  an  manchem  die  schuld,  dennoch 
lohnte  sichs  dies  denkmahl  zu  veröffentlichen,  seis  auch  nur 
weil  es  unter  den  uns  erhaltenen  so  ziemlich  allein  steht 
und  manches  in  ihm  in  sprachlicher  hinsieht  heachtung  ver- 
dient, besonders  wenn  man  berücksichtigt  dafs  nach  den 
obigen  andeutungen  dasselbe  noch  ins  dreizehnte  Jahrhundert 
gehört,  ohne  diese  bedenken  würde  ich  es  der  spräche  allein 
nach  ohne  weiteres  dem  vierzehnten  Jahrhunderte  zugetheilt 
haben  und  wohl  mancher  mit  mir.  diese  spräche  bietet  übri- 
gens ein  wunderliches  gemisch  älterer  und  jüngerer  worle. 
an  einigen  stellen  bleibt  wohl  auch  zu  bedenken  dals  unser 
bearbeiter  sich  doch  nicht  ganz  frei  bewegte  und  in  der  ab- 
sieht von  seinem  vorbilde  nicht  zu  weit  sich  zu  entfernen 
oft  dem  lateinischen  näher  stehende  ausdrucksweisen  wählte, 
waren  sie  auch  der  spräche  seiner  zeit  minder  gerecht,  häufig 
geschieht  es  aber  auch  au  stellen,  wo  das  original  dazu  nicht 
nöthigte.  so  sehen  wir  diu  rchtc  iuslitia  z.  1475,  daz  edel 
nobihtas  248  und  1181,  diu  geicizzen  conscientia  258  und 
1429,  diu  übel  malitia  482,  zitlich  iustus  745,  diu  lerne 
disciplina  757,  daz  hantwerc  opificium  569,  der  schol  Spon- 
sor 1475  verwendet,  lauter  ausdrücke  die  zur  zeit  unserer 
bearbeitung  theils  veraltet,  wie  rehte  edel  übel  schol,  theils 
als  kühne  neuerungen  erscheinen  musten.  von  minder  häu- 
figen Worten  will  ich  hier  noch  einige  anmerken,  sich  be- 
suchen curare,  disponere  z.  948,  einem  zuo  donen  in- 
haerere  1114,  in  geile  in  iubilo  934,  hetzen  exagi- 
tare  228,  hangare  carnifex  806,  von  herzen  guot  opli- 
me  936,  fhahtsniden  mensuram  legitimam  minuere  1279, 
sich  roufen  luctari  526,  riechic  atrox  847,  schaggun 
ludi  species  505,  diu  üzsetze  lepra  99,  vierharto're  dolose 
ludens  1281,  sich  vereinen  constituere  consilium  1320,  ete- 
loaz  verdenken  rem  bene  perpendere  1383,  daz  tvihtelin  lu- 
di species,  tessera?  509. 

Dem  dichter  sehr  geläufig  ist  übrigens  die  verstäi'kung 
der  adjectiva  durch  beigesetzte  nomina,  besonders  durch  wun- 
der, das  aber  die  handschrift  nirgend  an  diese  anschliefst, 
ich  finde  wunder  gern  z.  360,  wunder  vil  405,  ivunder  arm 
1221  und  1349,  wunder  guot  1562.  so  liebt  er  auch  die  Cor- 


14  BUCH  DER  RÜGEN. 

men  ernslich  1160  und  geislich  457,  543,  911  und  1683, 
für  welche  letztere  beweisende  reime  sprechen. 

Die  verse  sind  richtig  gemelsen,  wenn  auch  zuweilen 
auf  kosten  tonloser  e  und  flexionssilben.  wo  der  abschrei- 
ber  ohne  grund  kürzte  schien  die   herstellung  erlaubt. 

Die  reime  zeigen  sich,  besonders  was  den  vocalischen 
theil  betrifft,  ziemlich  tadellos,  wenigstens  habe  ich  in  dieser 
hinsieht  keinen  von  der  regcl  abweichenden  gefunden  der 
nicht  auch  bei  Wolfram  und  Ulrich  von  Lichtenstein  begeg- 
nete ;  ich  nenne  aus  den  höfischen  dichtem  diese  beiden, 
weil  sie  nach  meiner  ansieht  der  heimat  unseres  denkmahles 
am  nächsten  stehen,  was  den  consonantismus  betrifft  so  fin- 
det sich  aufser  dem  selbst  bei  Konrad  erscheinenden  m  :  n 
(s.  Wh.  Grimm  zu  Silvest.  z.  80:  hier  z.  109  quam  :mafi, 
z.  117  hegan,  z.  575  nimtzkint,  z.  971  irint,  und  wie  man 
sieht,  nirgend  so  hervorgehoben  wie  bei  Wolfram  z.  b.  im 
Parz.  73,  5  getennet : gekemmet)  nur  noch  s:z.  so  z.  239, 
283  und  779  Ms-.u:^,  z.  373  bazrwas,  z.  711  blözzgrim- 
delos,  z.  991:  vridelos.  doch  auch  hierfür  finde  ich  belege 
im  di-eizehuten  jahriiundert,  hüs-.iiz  meier  Helmpr.  1707. 
glasen :  gazzcn  Seifrid  1,  1293.  1,  1354,  und  zwar  wieder 
bei  dichtem  die  unserem  durch  zeit  und  heimat  nahe  ste- 
hen, für  den  vocalismus  war  dagegen  sein  ohr  empfind- 
licher und  vermied  z.  b.  sorgfältig  e-.i^  zu  reimen,  so  er- 
ficheinen  im  ganzen  gedichte  nur  zwei  verstöfse  gegen  diese 
regel,  nämlich  115  esten  :  gebr listen  und   1331  erbe  :  verderbe. 

Zuletzt  noch  ein  paar  worle  über  meine  arbeit,  die  Über- 
schrift Buch  der  rügen  rührt  von  mir  her.  das  ganze  sollte 
doch  einen  sammeltitel  haben  und  ich  weifs  keinen  kürzeren, 
dabei  bezeichnenderen,  dafs  ich  die  Orthographie  geregelt, 
fehler  des  Schreibers  beseitigt,  auch  wohl  hier  und  da  dem 
verrenkten  verse  geholfen,  wird  mir  jetzt  wohl  niemand  mehr 
im  ernste  zum  vorwürfe  machen,  besonders  wenn  er  sieht 
dafs  fast  zu  ängstlich  ein  theil  des  unrathes  unter  dem  texte 
erhalten  ist,  alles  dort  aufzuhäufen  wäre  unnütz  gewesen, 
hiefse  sand  in  die  äugen  streuen,  gegen  den  sich  kenner  zu 
schützen  suchen,  und  hätte  fast  eben  so  viel  räum  erfordert 
als  der  text  selbst,  am  ende  aber  doch  nur  gezeigt  dafs  unser 


BUCH  DKH  IU1GE^.  15 

Schreiber  nicht  heiser  schrieb  als  die  meisten  seiner  zeitj;e- 
nofsen. 

Wien  22  novembcr  1841. 

THEODOR  VON  KAHAJAlS. 

hl.  10»«'.     Incipit  |)raefatio  in  sermones   nulli 
parcentes. 

bl.  17  VW.  Cum  per  quorumdara  negligentiam  pracdicaloruui, 
qui  nunc  forte  mittuntur  ad  praedicandum  et  pro  parvo  quaestu 
gregem  dominicum  ncgligere  mininie  curanl,  vel  per  inobe- 
dieulis  populi  duritiam  tanta  mala  in  ecclcsia  dei  crevissc  vi- 
deantur,  ut  non  soluni  vir  vicinum  vel  notum  suum  odio  habeat. 
sed  proh  dolor  nee  fraler  fratrem  suum  ulcrinum  nee  pater 
filium  nee  filius  palrem  iam  perfecle  et  in  vcra  caritate  diligere 
invenianlur,  ego  cinis  et  favilla  respectu  proborum  virorum, 
imo  omniuni  peripsima',  non  cum  parvo  gemilu  et  dolore  cordis 
hoc  cogitaudo  considerans  et  quod  tam  egregii  clerici  nulluni 
praebuere  remediu'm,  ausus  sum  excedere  vires  et  possibilila- 
tem  ingenioli  mei  ad  scribendum  ad  laudem  et  honorem  salva- 
loris  nostri,  nee  non  pro  salute  animarum,  qüoddam  opusculum 
sermonum  rigmicc  compositum  continens  xxviij  capitula  ininio 
assignata,  iucipiens  a  papa  usque  ad  ultimum-  clerieum  el  ab 
imperatore  ^  usque  ad  ultimum  rusticum,  tam  monialibus  quam 
aliis  nuilieribus  non  oblitis,  quod  unicuique  nulla  pallialione 
vel  adulatione  mediante  debeat  vindicari.  rigmice  autem  idcirco 
composui,  ut  tam  lector  quam  audilores  eo  minus  taedio  alli- 
ciantur.  minio  vero  capitula  ideo  assignavi,  ut  lector  sine  la- 
bore  id  quod  voluerit  eo  cilius  possit  invenire.  vocatur  autem 
opusculum  istud  Sermones  nulli  parcentes,  eo  quod  unicuique 
veritas  praedicetur.  rogo  autem  omni  diligentia  qua  possum 
quatenus  '^  tam  lectores  quam  audilores  liuius  opusculi,  meae 
ignoranliae  miscricoritcr,  sicut  decet  sapientes,  pai'cere  di- 
gnentur  et,   quidquid  minus  ordinale  compositum  vel  incomple- 

1.  Co?'.    1,   4,    13    laiKiiiiiiii    inirgaiiu'iila    liuius   iiuiihH    l'acli  sumus. 
omiiium  peiipscma  usque  adliuc. 

2.  hie]-   ein   radierles    wirrl    dessen  Überreste  iioslrum  xit    ergeben 
sc  keinen. 

3.  im|)aial()re  die  hs.   und  immer  so.  , 

i.    qls,  aber  nir/if  sic/ier.  ,•,    ,•    .-^f    .,V\^.■:J■  :,,, ,     • 


16  BUCH  DER  KÜGEN. 

tum  viderint,  proinptiores  ad  corrigendum  quam  ad  deridendum 
semper  iuveniautur,  solummodo  ut  secundum  inteutionem  cor- 
dis  mei  uuicuiquc,  qualiter  in  suo  statu,  vel  si  possit  in  tali 
statu  salvari,  sine  omni  palliatione  vel  adulatione  ut  su[n'a  di- 
ctum est,  fideliter  reciletur. 

Explicit  praefatlo. 
Incipit  prolog-us   in    sermones  nulli   parcentes. 

17  rw.  a  Fratres,  mundum  qui  transitis 
totum  atque  ciicuitis 
praedicantes  imperitis, 
cum  ad  hoc  electi  sitis, 

i'ogo  semper  intendatis  5 

loqui  verbum  veritatis, 
et  cum  vetus  recitatis 
simul  novum  inseratis. 
novum  dico,  quod  videtis 

malum,  de  quo  non  doletis  10 

nee  corrigere  soletis, 
sicut  iure  deberetis. 
nobis  sonat  sermo  vester 
nunc  de  ludith,  cras  de  Hester, 
fructus  quomodo  campester  15 

procreatur  vel  Silvester, 
Adam  quomodo  creatus 
sit,   cum  non  ut  homo  natus, 
ludas  quare  sit  damnatus 

et  Mathyas  subrogatus,  20 

iam  de  Enoch  vel  Helya, 
de  Gabelo  vel  Thobya, 
de  precante  tunc  Maria, 
certe  vel  de  lippa  Lya, 

post  haec  forte  de  Rachele,  25 

de  propheta  Daniele, 
tunc  de  misso  Gabriele 
vel  de  sancto  3Iychahele, 
nunc  de  Paulo  vel  de  Pclro, 
'  cui  Icsus  Vade  retro,  30 

;{ü.  vadel  die  hs.  n.  Marc.  8,  33. 


BUCH  DER  HÜGEN.  17 

tuiic  de  Moyse  vel  letro 
vel  de  prosa  vel  de  metro, 
17  riv.  b  iam  de  dictis  prophetarum, 
de  virtutibus  herbaruni. 

vel  de  poenis  aniniariim  35 

non  iniliste  damnataruni, 
de  Rebecca  vel  Susaiina, 
de  psallentibus  Osanna ! 
modo  quare  flevit  Anna 

vel  de  coelo  niissum  manna,  40 

de  Aman  vel  Mardocheo, 
nunc  de  Inda  Machabeo, 
tunc  de  rege  Ptolomeo 
vel  de  patre  Zebedeo, 

nunc  de  throno  Salomonis  ^5 

vel  loquela  Cicero nis, 
de  astutia  Platouis 
vel  liranuide  Neronis, 
nunc  de  dulci  psalmodia, 

de  superna  hierarchia,  50 

angelorum  melodia,  ,    ,.• 

qua  laudatiir  virgo  pia, 
iam  de  cursibus  astroruin 
canticisque  canticorum. 

tunc  de  gaudio  iustoruni  55 

vel  de  planctu  reproboruin. 
iam  de  deo  incarnato, 
alvo  virginali  nato, 
iiova  Stella  indicato 

et  a  magis  adorato,  ,  €0 

qui  pro  nobis  llagellatus 
luit  atque  iudicatus, 
crucillxus,  perforatus, 
post  haec  sepulturae  datus 
18  VW.  a    portas  fregit  infernorum,  65 

vccles  ferreos  eoriim, 
solvens  aninias  iustorum 
a  consorlio   mahtrum, 
terna  die  resurrexit, 
Z.  F.  U.  A.    II.  2 


18  BUCH  DER  RÜGEN. 

potentissirae  perrexit  7(» 

ad  fideles  qiios  dilexit 

et  fideliter  protexit. 

fratres,  non  vos  reprehend«». 

reverenter  haec  dicendo, 

nee  pro  cerlo  parvi  pendo.  75 

iinmo  vos  in  hoc  commendo. 

sed  videtur  vos  debere 

sino'iilariter  docere, 

qiiisque  qualiter  sincere 

deo  poterit  placere.  so 

ergo,  vobis  si  videtur, 

a  niaiori  inchoetur, 

Caput  mundi  excitetur 

reverentia  cui  debetnr. 

idcirco,  fratres,  accedatis  <S;) 

papam  neque  paveätis, 

sed  audacter  insisfatis 

et  in  faciem  dicatis : 

Expliclt  prolog-iis. 
Incipit  über  sermonum. 
Primo  ad  j)apani.      caj».    i. 
Pater,  non  est  tibi  cura 

quod  iam  multiplex  pressura  '.»(> 

a  dei  prohibet  cultura 
civitates  vicos  rura. 
18  VW.  h    symonia  cum  usura 
niaculavit  corda  pura, 

haerisis  per  loca  plura  95 

aufert  Christo  sua  iura, 
iam  periurus  plus  amatur 
quam  si  verax  videatur, 
et  qui  semper  fornicatur 

eo  magis  honoratur.  I(H> 

istis  malis  multo  plura 
certe  mundo  sunt  Ventura : 
quod  tu,  pater,  menle  pura 
intercipere  procura, 


BUCH  DER  KÜGEN.  19 

quia  si  non   emendentur,  J()r> 

a  te,  pater,   exigentur 
cuncta  palain  cum  videntur, 
quia  omnia  pandentur. 
non  te  reddas  partialem 

alicui  nee  carnalem,  HO 

sed  cuiictis  universalem  .- 
deus  te  elegit  talem. 
non  acceptor  personarum, 
cultor  nee  deliciarum 

sis,  in  fructu  nam  ipsarum  1  1 5 

nihil  proficis  vel  paruni. 
tecum  cur  tenes  pastores, 
(Ihristi  gregis  defensores, 
(|uem  iani  devorant  raptores 

hipis  multo  saeviores  ?  120 

haec  ausculta  grata  mente, 
ul  lesu  Christo  veniente 
rationemque  ponenle 
et  talenlum  exigente  .:, 

18  nv.  n    sibi  reddas  cum  usura,  12r> 

non  in  niodica  mensura, 
et  pro  Omnibus  procura 
servare  Chi'isto  sua  iura, 
ne  te  iudex  creditori, 

creditor  det  exactori,  j;^() 

exactor  postea  lortori, 
tortor  Faciat  te  mori. 

Ad   Cardinales.      ea|).    11. 
Cardinalibus  dicatis : 
Precor  causa  pietatis,  . 

vitam  vestram  convertatis  .       .  135 

ad  statum  humilitatis, 
vocamini  nam  seniores 
et  ecclesiae  reclores. 
igitur  mulate  mores,  „.,.  , 

ne  vos  dicant  neglectores.       ,,,    ,,    )    ,  y  |40 

ecclesiae  non  subvenitis 
quam  in  malo  statu  scitis, 


Ü  BUCH  DER  RUGEN. 

sed   pecuniani  sitilis, 

quamvls  modo  pleni  sitis. 

iiam  qui  vobis  plus  donahil.  14  5 

qiianivis  malus,  siiperabil 

liostem,  quod  tarnen  notahil 

deus,  quoniam  iiidicabit 

de  talento  quod  sumsistis 

et  in  terra  abscondislis.  151) 

miror  quare  recipistis. . 

dum  lucrari  noluistis. 

nam  vocati  honorose 

estis  atque  gloriose. 

nimis  vivite  pompöse,  IÖ5 

utinani  non  criminose. 
is  (•(/'.  b     recordari  deberetis 

quia  semper  non  vivelis, 

et  post  mortem  quid   meleli> 

nisi  vivi  seminetis  ?  HiO 

Ad  j)atriarclias.     ca|».    in, 

Patriarcliis  quid  dicetis 
'     '  a  me  statim  audietis, 

vel,  quod  oculis  videfis, 

illud  eis  praedicetis. 

Quatuor  iani  procreatis  I6ö 

et  in  locis  deputatis 

quinlus  sedem  dignitatis 

lenet  et  sublimitatis. 

isti  volunt  honorari 

super  mutlos  et  ditari,  170 

sed  pro  lide  ncc  necari        ■ 

neque  volunt  lacerari. 

habent  sedes  inter  genles : 

quamvis  sint  pervcrsae  mentes,  '  '    ' 

super  iustos  acuentes  175 

tota  die  suos  dentes, 

illos  debenl  visitare,  '   '  '    .   '    ■ 

<•'  verbum  dei  praedicare, 

155.   /.   vivilis  "tt--/     ,,      >  »        ,,.    , 


BUCH  UEK  UUGEiN.  21 

puslea  catecbizare 

calecliizatos  baptizare.  IHO 

Ad  episcopos.      caj».    iv. 
Ab  cpiscopis  quaeratis  : 
Patres  magaae  bouestatis, 
precor  aegre  iiou  feratis 
sed  veraciter  dicatis, 

curus  vos  auctoritatis  185 

estis,  quum  prociiratis 
ly  VW.  u    sanguineni  ut  ellundatis 
per  vos,  vel  si  iubealis 
civitates  expugaare, 

multas  villas  spoliare,  lyo 

pauperes  angariare 
virgiuesque  violare? 
certe  nee  vos  bellicosos 
iieque  nimium  iocosos 

decet  esse  uec  pomposos,  J'Jö 

sed  ex  corde  generosos. 
clamorem  pauperum  auditis        '  < 
el  iiou  ipsis  subveiiilis, 
quam  vis  debileres  sitis, 

sicut  ipsi  bene  scitis.  o;  j;;  200 

nain  deus  vos  dispeusalores 
Fecit  el  nou  possessores. 
sitis  ergo  cautiores, 
iie  vos  torqueant  tortores, 

qui  noa  cessant  iiec  lassautur,  200 

quia  semper  reiiovaiitur.  ■ 

in  tortura  delectautur, 
quamvis   simul  patiantur. 
AU   praelatos  ^cneraliler.     ca|>.    v. 
Ad  praelatos  venientes, 

eos  stalim  alloquentes  210 

el  iioii  parum  argueiiles 
sie  ioquamini  diceutes  :  ••: 

Patres,  quum  suscepislis 

17'J,    180.   Foslea   chatezisure   Cadiezisatos  ba|»li>ar<;   die  hs. 


22  BUCH  DER  RÜGEN. 

regimeu,  uon  relegistis 

vel  obliti  post  fuistis  215 

quod  servare  tunc  vovistis  ? 

psalmistae  elicitur  ab  ore 

'servile  doraino  in  timore. 
19  VW.  ü    ex  timore  nee  amore 

vultis  esse  in  labore.  220 

pro  labore  vos  honorem 

concupitis,  uon  sudorem. 

omnis  disciplinae  morem 

declinatis  et  dolorem. 

non  oportet  praedicari  225 

multum  nee  philosophari, 

sed  in  vita  emendari  ,{ 

vel  distincte   iudicari 

habebitis  accusatores 

iufinitos,  qiii  labores  230 

patiuntur  et  dolores, 

quorum  estis  iam  tortores. 

pro  quibus  deus  (num  quid  gratis  y) 

conqueritur  quod  oneratis 

super  modum  honestatis  235 

ueque  digito  tangatis. 

patres,  breviter  dicendo  ,..  .. 

atque  finem  faciendo 

vobis  regulam  commendo, 

ut  legatis  retinendo  ,        .  240 

quae  in  ipsa  reperitis. 

quod  si  forte  non  velitis, 

in  damnationem  itis,  ,        ,, 

sicut  ipsi  bene  scitis. 

Ad  monachos.    cap.    vi. 

Post  haec  monachis  dicatis :  ,;  245 

In  proposito  si  statis, 

diligenter  caveatis 

quoquo  modo,  ne  cadatis.     ,j     -, 

sicut  deo  promisistis, 

usque  modo  si  solvistis,  250 

ly  rw.  a    vel  correcti  si  fuistis, 


BUCH  DER  HL'GEN.  -2:{ 

111  4iiucuiiiqiie  (leiiquistis, 

libenter  vellem  si  videtur, 

(liligeüter  quaereretur, 

illud  bojium  si  servetur  25r> 

ad  qiiod  mooachus  tenetur. 

tria  sunt  quae  conservare 

inoiiaclmni  oportet   clare, 

sifte  quibus  nee  intrare 

regiium  polest  nee  regnaie.  U60 

obedieiitia  vocatur 

liiimuin,  atque  illi  datur, 
a  quo  fldeliter  servatur 

et  a  deo  qui  ainatur. 

secunduin,  virtus  castilatis.  205 

datur  bonis  et  beatis, 
qui  ex  virtute  caritatis 
scanduiit  limen  sanctitatis. 
paupertas  tertiuni  vocatur, 

ad  quod  monachus  ligalur,  270 

et  pro  certo  cui  datur, 
lesum  Christum  imitatur. 
religiosi  qui  dicuutur 
atque  regulae  subduntur. 

quam  remote  deducuutur,  ,     275 

ad  hoc  merito  cogunlur. 
praeter  haec  novistis  salis 
iam  de  regulae  maudatis, 
quae  si  bene  nou  servatis, 

laborastis  totum  gratis.  280 

debet  mouachus  dolere, 
de  peractis  maus  flere, 
ly  rw.  b    de  futuris  praecavere. 
dicat  crebro  Miserere. 

erit  vita  monachorum  285 

coram  domiuo  bonorum 
compar  vitae  tot  sanctoruni 
martyrum  vel  confessorum. 
fratres,  isla  custodile 
tempore  praesenlis  vilae  290 


24  BUCH  DEH  RÜGEN. 

ne  dicatur  vobis  Ite, 
cum  iustis  dicitur  Venite. 
Ad  criiciferos. 
Capitulum  septimiim. 

Cruciferos,  cum  sint  praesentes, 
quantumcumque  sint  frementes, 
nihil  eos  metuentes  295 

occurratis  sie  dicentes : 
Saeculuni  cur  reliquistis, 
cum  redire  voluistis? 
cui  vale  iam  dixistis, 

colonos  eins  vos  fecistis  300 

a  saecularibus,  dicatis, 
si  vos  armis  induatis, 
rogo  quantum  differatis 
vel  ab  Ungarls  barbatis  ? 

consuevistis  epulari  305 

nimis  laute  et  potari : 
quod  si  contigerit  negari 
forte  vel  non  posset  dari^ 
tanta  ira  peteretur, 

Omnibus  uf  videretur,  310 

nisi  statim  largirelur,        '      ' 
coramendator  moreretur 
20  V1V.  a    lautam  post  refectionem 
multamque  potationem 

temporis  deductionem,  315 

vel  potius  perditionem, 
quaeritis  deanibulando 
in  colloquiis  vel  stando, 
ludum  aliquem  parando 

vel  balista  sagitlando  320 

signa  haec  humilitatis 
vel  religiositatis 
vel  si  causa  levilatis 
sint,  vos  ipsi  discernatis. 
quodsi  bonum  comprobatur.  325 

VJi.  fementes  dir  hs. 


BUCH  DER  RUGEiN.  25 

miror  miindus  quod  amatur  ? 
cur  non  statiin  relinquatur 
et  ad  ordiiieut  curratur? 
ut  opinor  iam  videtur, 

in  scripturis  quod  habetur  IVM) 

're§fnum  vim  iam  patietur 
et  violenter  rapietur. 
hostes  estis  paganorum 
omniunique  reproborum, 

utinani  non  aliorum,  S'.ib 

imo  forte  christianorum. 
in  scriptis,  qualiter  debetis 
militare,  vos  habetis  : 
■  '  scio,  si  relegeretis,  :  ..  :i; 

statin!  adinvenirelis.  v  340 

quod  quicunique  neglexerunl 
facere  vel  noluerunt,  ^ 

quoniam  bonuni  potuerunt, 
heu,  quam  dure   tales  erunt 
20  VW.  b    iudicati,  cum  videbunt  345 

cunctis  mala  quae  patebunt, 
mali  quam  amare  flebunt, 
iusti  semperquc  gaudebunt. 

Ad  conversos.     cap.    vm. 
Haec  conversis  suadeatis: 

Fratres,  quidquid  laboratis  350 

in  opere  communitatis,  ;        '-  - 

fideliter  hoc  faciatis.  - 

artem  qualemcumque  scitis,  ':! 

negotiari  quam  velitis,  ' -         ':,- 

praemonill  frcquenler  sitis  355 

facere,  iam  ul  auditis.  '    ' 

magnum  numquam  sludeatis 
lucrum  ut  percipialis, 
sed  semper  levius  veudatis 

quam  in  foro  comparatis,       ...       .  -  360 

ne  vos  forte  arguentes 
scolares  (?  sccularcs  ?)  sint  dicentes 
usuarii  (so)  hi  ementes  ^ 


26  BUCH  DEU  Uü'GEN. 

I'acli  suut  atqiie  veii<ienles/ 

pro  iufirmis  laborate  3<5i) 

in  diviiia  caritate. 

in  ordine  perseverate 
,  V  regulamque  eonservate. 

generaliter  couversis, 

congregatis  vel  dispersis,  370 

suadeatur  ne  perversis 

socientur,   in  diversis 

(juia  possunt  niaculari 

per  eosque  perturbari, 

impios  forsan  iniitari  ;  375 

et  perpetiie  damnari. 
'io  rw.  u   Ad  sarabyatas  et  glrovagos.    cu|».  i\. 

Dicite  sarabaytis, 

girovagis  quos  malos  scitis  : 

Emendari  ni  velitis, 

in  damnationem  itis.  380 

mentientes  per  tonsuram 

vento  datis  omnem  curam,  - 

per  haec  daemonis  torturani 

niacbinatis  vobis  pluraui. 

deum  vero  reliquistis,  38ö 

pro  deo  ventrem  elegistis.  ;       • 

miseri,  quid  intendistis 

vel  quäle  cambium  fecistis  ! 

carnem  quum  inpinguatis, 

escam  verniibus  paratis.  .  3*J0 

tilii  perversitatis,  .    ,        , 

quare  non  consideratis 

praesentis  vitae  brevitaleui, 

huius  inundi  vanitatein, 

daemonis  acerbitatem  3Dö 

alque  dei  pietatem? 
Ad   sacerdotes  saeculares.     cap.  x. 

Sacerdotcs  arguetis, 

scolares  (/.  scculares)  quos  videtis, 

nichil  cos  nieluetis, 

sed  in  raciem  dicetis :  *  ;  iOO 


BUCH  DER  RÜGEN.  27 

Miror,  si  tarn  insensati 
sitis  vel  tarn  indurati 
vel  superbia  inflati 
certe,  vel  tani  desperati. 

ita  parum  quod  curatis  405 

in  altari  quid  agatis, 
salvatorem  dum  traclatis 
et  indigne  celebratis. 
'H)  i'w.  h    nam  curatur  symonia 

a  vobis  plus  quam  psalmodia.  410 

usura  quam  philosophia, 

taberna  plus  quam  sacristia. 

semper  estis  ebriosi, 

semper  uimis  furiosi,  i. 

semper  et  luxuriosi  415 

omni  sorde  crimiuosi. 

in  malis  quidam  gloriantur, 

saepe  tarnen  simulautur 

bonos  tum  ne  spernantur 

vel  pro  malis  corrigantur.  420 

alterutrum  vos  subplantatis 

contra  formam  caritalis, 

quantumcumque  promittatis, 

pacem  numquam  reformatis. 

confundam  vitam  aliquorum  425 

haec  dicendo  vel  eunctorum, 

absit  a  nie  quid  bonorum,      > 

sed  tanlummodo  malorum.  ;,- 

nam  tu  sacerdos,  qui  aperte 

malus  es  et  boni  per  te  430 

confunduntur,  tam  experte 

confunderis  et  tu  certe. 

lolus  mundus  abhorrerel, 

vitam  luam  si  videret, 

et  ne  tibi  adliaercret  435 

pater  natum  ammoneret. 

quia  deum  perturbasti, 

41'J.   /.  bonos  sc  dum  ne  spernantur. 


28  BUCH  DER  RLGE^. 

malis  quae  tu  perpetrasti 

vitani  tuaiu  breviasti 

et  ad  mortem  praeparasti.  44Ü 

dimitlamus  modo  totum, 

unum  tameu  fiat  notum, 
21  VW.  a    cum  ad  ordines  promotum 

te  vidisti,  quare  votum 

ibi  deo  promisisti  445 

quod  servare  noluisti? 
(Ul  continentiam  vovisti, 

et  saepissime  fregisti. 

missam  quotiens  dixisti, 

in  te  quautum  potuisli  450 

dominum  crucitixisti : 
i.  1 1  vide,  raiser,  quid  fecisti ! 

certe  tu,  qui  missam  dicis 

post  amplexum  meretricis, 

potaberis  ab  inimicis  455 

liquore  sulphuris  et  picis. 
V:  tamen,  miser,  ne  desperes, 

si  ex  corde  poeniteres 

et  de  caetero  caveres, 

spero  gratiam  haberes,  4(»0 

quia  deus  vi  amoris 

non  vult  mortem  peccatoris, 

sed  ut  viam  redemptoris 

carpat,  spernat  seductoris. 

Ad  iurisperitos  et  phisicos. 
Capltiiium  (un)decinmin. 

lurisperitis  sie  dicatis,        ''   '     '  4G5 

phisicis  associatis : 

Filii  cupidilatis, 

dignum  est,   ut  pereatis. 

quautumcumque  congregatis, 

eo  plus  desideratis.  470 

egenos  semper  spoliatis 

Antichristumque  dilatis. 

ad  vos  paupcr  si  clamarel 

seque  flendo  laceruret,  '  '  '" 


BUCH  DER  RIJGEN.  29 

'21  vir.  h    iiisi  munus  apportaret,  475 

inconsultus  remearet. 

opiime  per  haec  apparet, 

si  quis  tanlnm  vobis  darel 

de  quo  mundus  abiindarct. 

adhuc  vos  non  saliaret.  'i80 

miniqiiid  totum  devorelis. 

quo  marsupia  replelis, 

vcl  promissuni  si  habetis, 

ut  pcrpetue  vivetis? 

scio  quod  non  deportatis,  485 

si  de  vita  recedatis, 

sed  post   lergum  dimiltatis 

quanfumque  viam  declinatis.  '    "■' 

nuniquid  legitis  mandatum 

oninibus  a  deo  datum  490 

non  dinsittifur  peccatuni 

donec  reddilur  ablatuni?' 

o  quam  multnni  abstulislis, 

numquam  quid  restituistis,  -  • 

imnio,  credo,  decepistis  495 

mullo  plures  quam  iuvislis. 

Ad  scolares.    capiil  xir. 

Haec  Scolaribus  dicatis : 

Si  ad  gradum  dignitalis 

promoveri  cupialis, 

loto  nisu  studeatis  ;  5(>() 

in  virtutibus  poliere. 

iam  doceri,  iam  docere, 

semper  qualiter  sincere 

possitis  domino  placere, 

nuilicrciilas  vilelis,  505 

nc  vos  ipsos  maculelis, 
'21  /•(/'.  a    sed  si  maciilam  habetis 

precor  amodo  cessetis. 

a  taberna  caveatis,  > 

quia,  credo,  si  intralis,  510 

vix  vel  numquam  exeatis, 

uisi  veslibus  ablatis.  ';  >  ..- 


30  BUCH  DER  RÜGEN. 

ibi  mali  sunt  liisores 

pessiniique  deceptores, 

qui  vos  ducunt  in  errores  515 

et  in  maxiraos  dolores. 

dolebitis,  quod  introistis, 
'»*:  •     et  ingressi   quod  lusistis, 

iudendo  qnod   perdidistis, 

perdendo  scolam  neglexisti.s.  520 

et  sie  dolor  non  cessabit, 

sed  vos  amplius  gravabit, 
:*:»'  donec  nialum  finem  dabit, 

de  quo  nemo  vos  iuvabit. 

ex  vobis  quidam  procurati  525 

sunt  vel  beneticiati, 

nimis  tarnen  inclinati 

sunt  servire  vanitati. 

recedenles  ab  altari 

tarnen  voluut  lionorari,  530 

cupienles  plus  damnari 

in  eternum,  quam  salvari. 

elemosinis  vivenles,  ,  ,> 

nil  pro  eis  servieutes,  , 

habent  inter  omnes  geutes  •  535 

lii  perversiores  mentes. 

Ad  vagüs.    cajmt  xiii. 
21  ;•//'.  I)    Vagis  breviter  dicatis 

vilibus  el   desperatis :  ,     . 

lubet  deus,  ut  ealis 

ad  inf'ernum  ouni  damnatis,  540 

nisi  cito  relinquatis 

viam  verae  pravitatis 

et  de  male  perpetratis 

sibi  salisfaciatis. 

quoruni  mala  neque  fari  545 

possunt  nee  excogitari, 

si  ergo  nolunt  emendari,  .. 

permittantur  condcmnari. 

Ad    moniales.      ca|»ut    xiiii. 

Dum  ad  claustrum  vcniatis  !:, 


BUCH  DER  RMGRN.  31 

ierainaruni,   inlendatis.  550 

precor,  nutii  caritalis, 
11 1   iion  (Iure  arguatis. 
iion   dico  tanien,  ut  parcjifis, 
sed  ut  mitius  agatis, 

ne  contingat.   ut  frangatis  r>r>5 

vas  tantae  fragilitatis 

de  correctioue  plura  .         x 

non  sit  vobis  magna  cura  : 
liabeiit  nam  ex  natiir;i 

inulieres  ista  iura.  560 

si  qua  re  prohibeatiii' 

mulier,  ei  videatur,  ^  *-      ' 

nisi  hoc  perficiatur. 
ipsa  statin!  moriatur. 

si  videtur  non  curari,  505 

dolet  multum,  nam  laudari 
'22  ('//■.  a     cuijit  plus  quam   possif   lari. 
cuilibet  confabulari. 

quidquid  corde  cogifahil,  '   '    ■ 

stalira  ore  revelabit.  -'  570 

et  si  sua  non  celabil. 
inea  quomodo  servabit? 
in  pace  nolunt  sc  amare 
invicem  nee  visitare, 

sed  frequenter  litigaie  ö75 

et  a  rixis  non  cessare, 
saepe  sibi  invidentes, 
mala  verba  proferenles 
invicem  el  acuentes 

velut  aper  suos  dentes.  580 

vitam  non  religiosam 
•liKUMJam,  sed  deliciosam 
ducunt   cl  vitupcrosani. 
utiiiam  non  viliosam.  .■ 

<uni  oportet  ieiunare,  585 

durum  erit  loler.ire, 

55y.   /.    iianiqiif  ir  ...    (•.i,..,'  >- 


32  BUCH  DER  RÜGEN. 

.scd  de  caetero  gustare 
nihil  volunt  reguläre, 
istis  pliira  numerare 

(|uideni  possem  et  probare,  590 

sed  nolo  toliini  revelare. 
nisi  possem  emendare. 
fratres,  liaec  cum  audietis, 
apud  vos  deliberetis, 

eis  si  inproperetis,  595 

vel  si  totvmi  dimittelis. 
quodsi  totum  dimittatis, 
iara  iion  bouum  ministratis 
'22  i'w.  b     nee  in   via  caritatis 

sicut  decet  ambulatis.  (500 

ergo  nee  inproperando 
:!,i  nee  quidquam  eis  imperandc» 

loquiniini  sermone  blande, 
omne  maluni  deteslando, 

boni  qualiter  gaudebiint,  (305 

cum  in  gloria  manebunt, 
mali  quomodo  dolebunt, 
quoniam  siue  line  flebunt. 

Ad    imperatcrem.      caput    xv. 
Ad  imperatorem  venientes, 

quamvis  multi  sint  praesentes,  010 

nullo  modo  obmittentes, 
sie   loquiniini   dicentes  :      * ' 
Audi,  bone  imperator,  '     ■ 

deus  regni  tui  dator, 

totius  muudi  fabricator,        -     -  -  ()I5 

vult  ut  pacis  sis  amator,      ^        i 
immo  solum  non  anialor, 
sed  üdelis  reformator, 
chrislianorum  conlirmalor, 

paganorum  repugnalor  620 

sis,  eorum  devastator,  '  -• 

et  mocstorum  consolator, 
ccclesiarum  rcstaurator, 
coenobiorum   fundalor,  .  " 


BUCH  DER  RÜGEN.  33 

dispersorum  congregator,  625 

et  errantium  viator, 

pauperum  aiixiliator, 

infirmoruin  resanator. 
Ti  rw.  a    famelicoruin  recreator, 

proslratoriim  sublevator,  ♦)30 

fidelis  reruni  dispensator. 

egenorum  procurator,  .    . 

captivorum  visitator, 

peccatorum  increpator, 

dubitantis  informator,  4)35 

nutantiumque   sustentator. 

haereticorum  accusator 

et  eorum  debellalor. 

sis  credentium   laudator 

malorum  et  vituperator.  040 

non  sis  ipse  fornicator, 

Diali  nee  dissimulator, 

nee  sit  tibi  adulator, 

discordiae  nee  sociator. 

inter  lites  mediator  645 

atque  reconciliator 

sis,  bonorum  imitator, 

totius  raali  subplantator. 

alicui  si  videtur 

a  te  totum  quod  servetur.  C5Ü 

in  contrariuni  dicelur, 

quia  nusquam  pax  habetur. 

igitur  per  loea  plura 

civitates  atque  rura 

diligentisslme  procura,  tI55 

ut  sint  paeem  habitura. 

et  quae  supra  sunt  notata 

serva,  si  non  sunt  servaJa. 

dei  nam  sunt  mandata 

et  ab  eo  comprobata.  tICü 

22  r«'.  b    servare  igitur  iuberis, 

659.  /.  namquK 
Z.   F.   D.  A.   II.  3 


.Vi  BUCH  DER  RÜGEN. 

in  aelernum  ut  laeteris 

et  non  dnre  iudiceris, 

ad  tribunal  cum  voceris. 

Ad   reges  <j;enerallter.      oa|».   xvr, 
: '  Post  haec  regibus  diealis  -.  6t>5 

Signum  est  perversilafis 

quod  non  pacem  procuralis 

nee  ecclesiam  iuvatis 

contra  turbas  paganorum, 

fraiides  vel  haerelicoruni  670 

*■"'  et  insidias  nialoriim, 

heu  me !  dicam  christianonun' 

deus  fecit  vos  regnare, 

cunctis  iuste  iudicare. 

contra  perlidos  pugnare  675 

■^  et  fideles  roborare. 

audivimus  quod  videatui 

et  coramuniter  dicatnr 

'cui  raagis  comniittalnr. 
,:.;  plus  ab  eo  cxigatur.  ()8(> 

''  '  commisit  deus  vobis  satis, 

tantis  regnis  subiugatis: 

idcirco  bene  ut  regnatis 

consulo,  nc  perealis. 

quia,  quoniam  Christus  orit  685 

iustus  iudex,  sua  querit, 

reus  non  iniuste  perit, 

tortor  sine  fine  ferit. 
Ad  principes  et  comites.      (-a|)itnluni  wn. 

Haec  prineipibus  dicatis. 

comitibus  associatis  :  69(f 

23  VW.  a    Tantae  vos  pervers! tatis 

estis  et  iniquitatis, 

ut  iam  sitis  destructores 

niali  atquc  |)roditores, 

quoruni  palres  fundatores  695 


ivr?. 


erant  atque  defensores. 

de  quocuniquc  iani  Iractatis, 

senipor  priino  procuratis  ^    ..    ^ 


A  .'  r,o 


BUCH  DER  RÜGEN.  35 

ut  iu  claiistris  fttciatis 

ut  expensa  detur  gratis.  700 

et  utiiiain   acciperetis 
gratanter  et  recederetis. 
ne  furiosi  rumperelis 
quidquid  tunc  reperielis. 

claustra  quotiens  intratis,  705 

statim  ni  reperialis 
cuncta  quae  desideratis, 
omnes  ibi  molestalis. 
considerale,  si  velilis, 

nullam  causam  invenitis  710 

j^ravare  claustra  quae  possiti.s 
de  iure,   sicut  beue  scilis. 
quae  patres  vestri  obtaleruni 
den,  vestra  uon  fuerunt : 

si  quae  poterant  dederuni,  715 

numquid  modo  vestra  eruntl' 
erunt  iuste,  si  emistis 
et  pleuarie  solvistis, 
sed  iniusle,   si  veuistis 

et  potenter  abstulistis.  720 

fenemiui  regem  adiuvare, 
in  regne  pacem  confirmare ; 
sed  consuevistis  excitare 
lites  potius  quam  sedare. 
23  KW.  h    vobis  est  tyraniüzare,  725 

pauperes  excoriare, 
niulto  dulcius  quam  orarc, 
salvatorenj  vel  amare. 
el   quis  cuncta  enarrare 

possei  vel  investigare  7'M) 

fjuae  solelis  perpetrare 
semper  et  continuare  ? 
daemon  debet  numerare, 
diligenter  computare, 

cui  vultis  militare,  .  735 

ut  sciat  vos  remunerare. 
711.  /.  qua 


.Vi  buch  der  RÜGEN: 

Ad    mJlites.      capitulum   xviii. 

Nunc  milifibus  dicatis : 

iVfeae  possibilitalis 

non  est  amniirari  satis, 

cordibus  quid  intendatis,  740 

tantum  quod  tyrannizatis 
''^*  contra  formam  honestatis, 

ut  erebro  deum  offendatis 

causa  vestrae  pravitatis. 

si  mala  veslra  numerarem,  74 ^ 

tantum  forte  iam  tardarem 
'  multos,  ut  scandalizarem, 

putantes  quod  ego  delirarem. 

permittam  ergo  iam  transire 

quae  non  sinar  expedire,  750 

et  quae  oportet  custodire 
'  dicam,  si  vultis  audire. 

railes  deum  Honorare 

debet,  principes  iuvare, 

pro  iustitia  pugnare,  755 

semper  malos  debellare, 
23  rw.  a    iustos  et  pacificare, 

si  seit  eos  discordare, 

gratis  nulluni  molestare, 

si  molestavit,  consolare,  760 

peracta  mala  recordari, 

pro  eis  saepe  lacrimari,       '■'  .    <.  < 

gemendo  deum  deprecari, 

ut  sie  possit  emendari. 

semper  ergo  cogitetis,  7r>5 

paucos  dies  quod  habetis 

vivendi,  quibus  et  expletis 

quo  post  mortem  declinetis.  '"": 

nullus  enim  potest  scire 

nee  veraciter  audire,  770 

quo  post  mortem  debet  ire,  "'".  -    " 

vel  ad  rcgnum,  vel  perire. 
Ad  nobiles.      capitulum    xix. 

Sic  nobilibus  dicatis  :  i 


BUCH  DER  RÜGEN.  S7 

Quarc  ius  uubilitatis 

vel  paleriuie  digiiilaüs  775 

pcrdere  sie  testiualis  ? 
videtur  quod  pagauizalis, 
cum  ecciesias  fraiigatis, 
cuuctis  rebus  et  ablalis 

sacerdotes  nil  curatis.  780 

quautuiiicunujue  spoüatiä, 
quanla  mala  perpetratis, 
uon  videtur  vobis  satis, 
ventres  ut  reticiatis? 

igitur  cum  sceleratis  785 

ad  iiiferuum  deputatis, 
oialis  vestris  computatis, 
rogat  daemoii  ut  eatis, 
23  rw.  b    de  quiete  ad  laborem, 

de  blaudimeiitis  ad  furorem,  790 

de  refrigerio  ad  ardorem, 

de  gaudioque  ad  moerorem, 

quia  verecundaretur,  ; 

si  sibi  gratis  serviretur, 

si  miles  noii  remuneretur,  795 

sicut  merito  tenetur. 

Ad  scutiferos.      capitiilum    xx. 
]Nuüc  scutil'eris  dicatis 
mlseris  et  sceleratis : 
De  vita  vestra  quid  speralis? 
dum  miserrime  vivatis,  800 

misere  dum  manducatis, 
magis   misere  bibalis, 
miserrimeque  dormiatis, 
mirur  cur  perseveratis, 

ut  uou  statim  relinquatis  805 

vi  tarn  huius  vanitatis 
et  ad  deum  recurratis, 
cum  quo  semper  gaudeatis. 
cur  miseri  non  cogitatis  ^ 

quauta  mala  perpetratis?  810 

nam  Christi  membra  detruncatis, 


38  BUCH  DEK  KLGEN. 

pauperes  cum  iugulatis. 

quantoscumque  defraudatis, 

dicite,  quid  deferalis 

praeter  pondus  quod  portatis  81.") 

ad  infernuin  de  peccatis? 

Ad    clves.      capltuliuii    xxi. 

Ita  civibus  dicalis : 

Miror  quod  iiou  cogitalis 

quo  posl  mortem  transeatis. 

nisi  melius  vivatis.  820 

;'4  VW.  a    non  quod  omnes  maii  sitis, 
c.:  sed  quos  m.iios  esse  scilis, 

hos  tacendo  pertransitis, 

cum  corrigere  possitis. 

inter  vos  sunt  deceptores  825 

tideique  destructores 
f>^'  atque  haeresis  auctores. 

paganis  multo  viliorcs. 

habetis  malos  detractores. 

proximorum  traditores,  830 

substanciae  devoratores.  '.i . 

^gt  tabernarios  et  lusores,  :.f 

usurarios,  feneratores  . .« 

malos  et  fornicatores, 

contra  iustos   pugnatores  ■,  835 

et  malorum  defeusores. 

habetis  fures  et  latrones, 
yiQ^,  lenas  multas  et  lenones, 

habetis  etiam  phytones, 

diaboli  commililones.  .4,  ^40 

ut  sermo  meus  recidalur, 

audiatis,  quid  dicatur: 
^.\y^.  uullum  malum  iam  tractatur  ^^ 

quod  apud  vos  non  oriatur. 

Ad  mereatores.      capltulum  xxii. 

Mercatoribus  dicatis :  .i .  845 

Quare  tantum   laboratis,  u  - 

«'it  cum  pro  ccrlo  ncsciatin  ■  j. 

cui  modo  congregalis?  .i; 


BUCH  ÜEK  UDGEiN.  39 

inare  magiuiiii   Iransivistis 

el  iu  Indium  venislis,  850 

reversi  iialos  inveuistis, 

forte  quos  iiou  geimistis. 
'ii  VW.   b    vel  si  forte  bcue   scitis 

veri  patres  quod  vos  siti.'^ 

puerorum  quos  iiutritis.  Hö5 

cogilare  si  velitis 

nequaquani  diu  quod  viveli^, 

quo  posl  mortem  declinetis, 

ibi  uil  iuvenietis, 

ui  vobiscum  deportelis.  8ti0 

tunc  pro  certo  plures   eruni 

avidi  qui  vestra   querunt, 

quum  ad  tumulum  steterunl, 

qui  vos  morluos  fleverunl, 

e  quibus  sibi  cligentes  8(55 

uxores  veslrae  quamvis  fleules, 

cousolando  suas  meules, 

sie  in  cordibus  dicentes 

'hie  videtur  esse  dives 

et  acceptus  inter  cives :  870 

iam  cum  illo  bene  vives  „j 

nee  infantes  tuos  prives. 

uumquid  mulicr  lacrimatur 

tantum,  quod  resuscitatur 

vir  qui  modo  tumulatur,  >i75 

ut  ad  eani  revertatur? 

numquid   est  voluutas  dei 

ul  ego  potius  veniam  ei? 

misereor  idcirco  mei 

et  meae  pulchrae  speciei.  880 

ecce  quantum  laborastis, 

mare  saope  Iransfretastis,  ,      •    < 

tenam  pedibus  calcastis, 

et  vos  ipsos  devastastis. 

o  vos   nimis  insensati,  885 

cordibus  et  indurati 
24  VW.  (i    mentibusque  desperat! 


40  BUCH  DER  KUGElN. 

cur  servitis  vanitali? 

iaiu  cessale  congregare 

et  in  vaimin  laborare :  S90 

deum  (iiscite  amare 

ut  dignetur  vos  salvare. 
Iteiii  ad  singulas  res  vendeiites.     ea|)Ituliiiii  xxiii. 

Nunc  dicalis  ad  veudentes 

res  diversas  et  ementes  : 

Corrigite  perversas  nieiites.  895 

deum  tautuin  offendentes. 

noii  potestis  coraparare 

viles  res  vel  venundare. 

ni  velitis  periurare, 

deum  tidemque  negare.  900 

uon  estis  venditores  rei, 

sed  veuditores  estis  dei, 

in  hoc  conseiitieutes  ei 

quem  couveueraut  ludei. 

ludas  Christum  vendens  peccavil,  905 

nam  pecuniam  amavit: 

nobis  vitam  comparavit, 

quid  curo  quod  se  iugulavit? 

et  quamvis  deum  vos  vendatis. 

nihil  inde  comparatis,  910 

nisi   ut  cum  sceleratis 

ad  in  Fern  um  transeatis. 

miseri,  quid  cogitatis? 

quauta  mala  perpetratis, 

quoniam  deum  maiestatis  915 

vilius  quanj  ludas  datis ! 

argenteis  triginta  ludas, 

vix  pro  medio  Christmn  tu  das. 
24  i'w.  b    vel  ut  proximum  deludas, 

vel  ut  vendas  herbas  crudas.  920 

ille  certe  quem  vcndebal 

deum  esse  nesciebat, 

tantum  tarnen  poeuitebat 

quod  sc  ipsum  suspendebat. 

sed  tarn  nequam  lu  fuisti,  925 


BUCH  DER  RÜGEN.  41 

quod  tarn  saepe  tradidisti 
deum,  beue  quem  scivisti 
et  lamen  uon  penituisti. 
Ad  praecones  et  socios  suos.    capituluin  xxiiii. 
Post  haec  dicite  praecoiii, 

usurario,  cauponi,  930 

lusori,  furi  et  latroui, 
teneratori  et  lenoni : 
Mandat  daemon,  ut  eatis 
ad  inferuum  cum  damnatis. 

cui  Hdem  conservatis  935 

atque  bene  militatis. 
nou  habere  cupit  gratis 
laborem  vestrae  probitatis  : 
idcirco  citius  curratis, 

ne  ingressum  negligatis.  940 

Ad  rusticos  obedientes.     capituluin  wv. 
Rusticos  aggredientes, 
bonos  pie  alloquentes, 
malos  dure  arguentes 
sie  loquimini  dicentes : 

Qui  pro  cunctis  laboratis,  945 

tidem  Christi  conservatis, 
computati  cum  beatis 
estis,  si  perseveratis. 
sitis  ergo  in  labore 

dei  semper  et  timore,  950 

qui  defendet  a  furore 
vos  malorum  et  errore. 
ib  II«'.  u    dominis  vestris  servietis, 
censum  decimasque  detis 

et  de  reliquo  vivetis  955 

vos  et  vestri,  quos  habetis. 
maus  vero,  quos  videlis, 
numquam  vos  associetis, 
sed  cum  bonis  ambuletis  i 

et  cum  bis  participetis  960 

de  labore  acquisilis, 
si  necesse  l'ore  scitis.  "'^' 


42  BUCH  DER  RÜGEiN. 

ul  evadeie  possitis 

iraoi  dei,  quam  nescilis, 

quia  fratrem  uoii  pavistis  965 

pascere  tum  potuistis. 

quare  quod  iioluislis, 

vere  eiiin  occidistis. 

quantumcumque  laboretis, 

illud  lirmiter  servelis  :  970 

uulla  die  dimiltetis, 

nisi  deum  adoretis. 
Item  ad  rusticos  qui  sunt  rebelies.     caj)ituluiu  xxvi. 

Rebelles  si  iuveniatis, 

nuUo  uiodo  obmittalis, 

nisi  dure  arguatis  975 

imperandoque  dicatis : 
.)••-  Miseri,  quid  superbitis? 

cogitale,   si  nescitis,  * 

quia  onmibus  servitis 

et  ad  hoc  creati  sitis.  980 

non  videtur  vobis  satis, 

quod  vos  tantuni  laboratis, 
,  ni  velitis  pro  peccatis 

ius  habere  cum  damnatis, 

id  est  poenas  infernales,  985 

ignem,  vermes  immortales, 
25  vir.  b    omnes  malos  consodales 

quibus  eritis  equales, 

crudelissimos  tortores, 

foedissimos  foelores  990 

et  horribiles  dolores 

daemonesque  derisores? 
Item  ad  mulleres,     capltulum  xxvii. 

Mulieres  honoretis,  ,  ,    , 

numquam  dure  arguetis, 

eis  nil  praecipielis,  99ö 

pro  exemplis  quam  habetis. 
j,  j,  quorum  primum  hie  nolatur : 

si  periccte  cogilatur  .^ 

y()0.   /.   lium  '.•'je.    hftis  die  h.i. 


lUJCH  DEK  KÜGEi^.  43 

inuudus  quoniodü  danniabatur 

posteaquain  salvabatur,  iUOÜ 

([uia  virgo  creatorem 

peperitqiie  redeniplorem, 

tolius  boni  largilorem. 

lesimi  Christum   salvaloreni. 

({uam  imilierein  nomina.it.  1005 

cum  lolianni  commendavit. 

et  diabolum  prostravit, 

peccata  quoque  nostra  lavit. 

secundo  polest  hoc  notari, 

quia  nolunt  perturbari,  10 10 

nee  in  parvo  niolestari, 

sed  a  cunctis  adamari. 

rogo,  terfio  notate 

et  frequenter  coj^itate, 

vestris  cordibus  servate  1015 

in  hoc  firraiterque  State, 

quia  noslrum  quisque  vere 

natus  est  de  muliere:  '    "       '  '- * 

debemus  igilur  sincere 

honorem  ipsis  exhibere.  1020 

ergo  fratres  sie  agatis 

rogo  causa  pietatis, 

ne  contra  iura  caritatis  ""^     "' ' 

vas  tarn  debile  frangatis, 

sed  in  quolibet  sermone  1025 

pia  ammonitione 

sine  palliatione, 

conservata  ratione, 

iam  de  meritis  sanctorum, 

eterno  gaudio  eorum,  '  *  1030 

de  tormentis  infernorum  ^'i 

et  de  planctu  reproborum, 

de  huius  mundi  vanitale, 

ipsius  instabiiilatc 

et  de  Christi  caritate  1035 

Irequenter  eis  praedicate. 


«Hi 


4i  BUCH  ÜEK  RÜGEN. 

De  ipsis  Iratribus  qui  populo  praedicaiit. 
capituluin  xxviii. 

Fratres,  causa  pietatis 

rogo  aegre  non  feratis 

quia  zelo  caritatis 

verbum  loquor  veritatis.  1040 

necesse  est  ut  corrigatis 

mores  atque  caveatis, 

ne  per  verba  vanitatis 

uuquam  deuni  ofPendatis. 
^  ,  nam  si  bouum  praedicatis,  1045 

nisi  factis  inpleatis, 

testor  deum  maiestatis, 

labor  vester  erit  gratis, 

quia  quidquid  praedicavit 

Christus,  factis  inchoavit,  1050 

quum  fideo)  reformavit 

a  peccatis  nosque  lavit. 
•»5  rw.  b    sie  et  facere  debetis  , 

quando  popuium  docetis  :  ' 

quidquid  verbo  praedicetis  1055 

saepe  factis  iuchoetis, 

uequis  possit  comprobaie. 

vos  sub  dolo  praedicare, 

deum  verbo  honorare, 

sine  corde  vel  laudare,  1060 

quia  deus  est  scrutator 

cordium  et  non  temtalor, 

falsitatis  condemnator, 

veritatis  et  amator. 
,,  sitis  ergo  cautiores  1065 

qui  estis  Christi  servileres, 

in  domando  prompliores 

sensum,  visum,  verba,  mores. 

sit  in  ore  nou  vel  ita 

liugua  semper  stabiiita.  1070 

ac  religiosa  vita, 

Caritas  et  inünita. 

mulicres  fugialis, 


BUCH  DER  RÜGEN.  45 

in  socielate  pravitatis 

ne,  quod  absit,  polluatis  »07."» 

imagineni  divinilatis. 
quibus  si  confabulatur, 
peto  solum  os  loquatur 
et  non  maniis  comprimatiir, 

nam  sie  deus  non  laudalur.  1080 

iste  über  finiatur, 
qui  si  vanus  videatur 
alicui,  non  legatur 
ab  eo,  sed  dimittatur. 

oret  pro  me  virgo  pia  1085 

dei  genitrix  Maria 
26  VW.  a    ut  in  vitae  meae  via 

vitare  possim  sacrilegia. 
Amen. 
26  vu.'.  h       Explicit  liber  sermonum  nulli  parceiitluiu. 


hl.  70  rw.    Ich  bin  ein  buoch  also  getiht 
daz  nieman  bosheit  übersiht, 
daz  dii  nieman  vertreit  ' 

noch  durch  liep  noch  durch  leit. 
manec  man  git  guoten  räl  '  5 

der  im  selben  keinen  hat. 
also  tuon  ich  armer  man 
der  leider  weder  weiz  noch  kan : 
doch  swie  ungelert  ich  bin, 

dannoch  ratet  mir  min  sin  ,  IG 

daz  ich  niht  der  kristenheil 
gebresten  laze  unbekleit. 

1088.  saligia  die  hs.  j    <-f^ 

Hothe  überschi'ift.  Ditz  piich  lerl  was  man  aim  igfleiclieni  men- 
schen predigen  sol  von  dem  pabsl  vnlz  an  den  minnisten  schülair.  von 
dem  kaiser  vntz  an  den  minnisten  gepaur.  vnd  strafet  d'i  predigser 
waz  staet  ir  predig  ist.  vnd  lerl  seu  hin  nach  waz  seu  aim  igleich 
sullen  predigen.  6.    selber,    immer  diese  form,  nur  z.  370  selbez. 

diese   beiden    zeilen   hat   übrigens    Thomassin    im    wälsehen    gast,    sie 
scheinen  s/>ric/ivör(lic/i . 


4G  BUCH  DER  RÜGEN. 

Sit  die  hohen  phaffen 

die  got  dar  zuo  beschaffen 

hiit  daz  sie  sollen  leren  15 

zuht,  unzühte  weren, 

lerent  von  der  alten  6. 

da  von  ist  ach  unde  w<^ 
tV?.»fi  gewahsen  in  den  landen 

diu  got  vor  erkanden.  .20 

71  VW.    mich  riwet  sere  und  ist  mir  leit 

daz  diu  arme  kristenheil 

an  zühten  ist  verkeret, 
'  •''' '  an  Sünden  so  gemeret 

daz  man  leider  alle  tage  25 

hoere  iteniuwe  klage  «    -'" 

von  manger  hande  Bösheit . 

daz  si  dir,  Jesu  Krist,  gekleil 
;iii;;       t^äz   du  den  bist  so  unerkant  ^   .. 

fiie  nach  dir,  herre,  sint  genant,  30 

ich  mein  die  kristen,  swa  sir  siiil. 

man  i'rowen  unde  kint,  •  •  f  :  ^a 

diu  dich  sollen  eren  y-.f 

und  von  siinden  keren. 

diu  siul  leider  in  ir  ahte  35 

boeser  dan  deheiner  slahte 

beiden  oder  Juden  sin. 

got  herre,  durch  die  güete  »liii 

daz  geruoche  weoden.       •//  •>'  i,    >  'nh 

mir  diu  geist  senden,  40 

'.  daz  ich  geraten  müg  dar  zuo 

daz  unser  sele  gewinnen  ruo  :.r.! 

und  von  uns  ill'  erde  ,    ,  ••d-n 

diu  vville  ervoUet  werde. 

des  hili'  mir,  herre  Jesu  Krisl,         rij;!!.!^  /,;, 

wan  du  der  sünder  beser  bist. 
71  rw.  [üa  strafet    die  prediga'r.] 

•  ^  -i       Hoert,  ir  bruoder,  waz  ich  sage, 

und  habt  cz  nihl  vür  eine  klage, 

10.   vnlzuclit   «eni  'il*.   vndcrchan»  .'U .   seii  '^'^.   ^'^.    Die 

i'2.    sein  K'i.    siirnl;n'  lii^sii'i' 


BUCH  DER  RUGEIN.  47 

die  got  dar  ziio  erweit  hat 

daz  ir  lerel  unde   rät  50 

wie  wir  gotes  hulde 

verdien  und  unser  schulde 

jjebihten  und  gebüezen, 

als  wir  von  rehte  miiezen. 

ir  leret  uns  zuo  aller  stunt  55 

und  tuot  anderz   selten  kunl 

wan  wie  diu  werlt  geschaffen  wart 

und  dar  nach  in  welher  arl 

unser  vater  Adam 

in  daz  paradis  quam  <>0 

und  Evä  diu  im  wart  jjegehen 

zuo  dem   ewigen  leben.  ' 

wie  sie  sich  vergäzen  ' . 

daz  sie  daz  obez  azen.  '    "•■ '     ' 

von  Käin  und  von  Abel  '  (55 

und  von  dem  turn  ze  Babel. 

dar  nach  von  herren  Abraham. 

wie  unser  herre  zuo  im  quam  ' 

in  der  drivallekeit  '' 

(dri  er  sach,  mit  eime  er  reit).  '  70 

wie  Sara  stuont  in  der  tür,  ' 

da  si  lacht  und  sach  her  vür.  ' 


72  i^w.    do  ir  kunl  wart  getan 


( 


daz  si   Isaac  solt  enphaii, 

als  unser  herre  ze  Abram  sprach        '  75 

und  ouch  dar  nach  vil  schiere  geschacli. 

wie  Abram   got  umb  die  stat 

Gomorre  vlizedichen  bat,  '"' 

diu  ander  diu  hiez   Sodoma,  ' 

die  verbrunnen  bede  da.  '  80 

wie  her  Lot  von  dannan  vlocli     '  ^*''' 

gegen  dem  gebirge  hoch. 

wie  Isaac  in  vrömdiu  laut 

boten  nach  llebeken  sant.  '"^ 

wie  Jacob  mit  dem  engel  ranc  '  '  85 

57.    \iiof  \\\v  ()3.    seil  sich  (17.    Ii*iii  70.    .lim 

74.   v.saacli  78.   Ileizsocleizseii. 


48  BUCH  DER  RÜGEN. 

und  im  den  segen  abe  dwanc. 
von  Lien  und  von  Rähel 
und  von  dem  volc  von  Isrel, 
von  der  arke  Noe, 

wie  lange  lebt  Matiisale,  90 

von  Bööz  und  von  Achor 
von  Nabuchodnosor. 
wie  in  ir  hüse  Rahap 
den  spehsern  herberge  gap. 

von  Bester  und  von  Jüdit,  95 

diu  mit  wisheit  und  mit  sit 
,,  Holofernen  abe  sluoc 

sin  houbet  und  ez  mit  ir  truoc. 
von  der  üzsetze  Nääman, 

warumbe  gehangen  wart  Aman.  100 

72  rw.    von  Moyses  unde  Arön, 
von  Amalech  und  Abirön, 
wie  ein  eselinne  kleit 
dö  si  Bäläam  reit, 

daz  er  si  jämmerlich  sluoc  lOT) 

dö  si  in  da  hin  truoc  .,, 

da  er  niht  hin  solte, 
und  got  niht  enwolte. 
wie  ein  würz  üf  quam 

von  Jesse  dem  guoten  man,  110 

von  der  würz  ein  gerte 
veste  unde  herte, 
lanc  groz  unde  breit, 
als  uns  diu  geschrifl  seit. 

an  der  gerten  esten  .     /.  113 

vant  man  niht  gebresten. 
do  der  gerten  zit  quam, 
daz  sie  blüejen  began,  ;        ,    ',,-., 

uf  ir  wuohs  ein  bluomc 

daz  man  wol  ze  ruome  l*«?0 

mac  gesprechen  sicherlich 
daz  lif  allem  erlnch  . 

10(1.    (Ih    hin    iiiihl    Iriicli  l<><t.    ••Iiiiii  117.    «an 


BUCH  DER  RUGE^.  49 

so  schoeniu  bluome  nie  wart. 

wall  sie  von  küneclicher  arl 

was  gephlanzel  und  bekomen.  12;") 

als  wir  ofte  han  vernomen. 

diu  bluome  brahl  so  edel  vnilii 

daz  von  ir  siiezer  genuhi 
7:?  (•//••    nieman  vollcsagen  mar 

unz  an  den  jungisten  tac.  130 

weit  ir  nü  beeren  waz  daz  si  -: 

daz  ir  merken  siilt  da  bi? 

diu  würz  was  her  Vesse, 

als  ich  han  gesprochen  e, 

diu  gerte  waren  siniu  kint  135 

diu  von  im  geborn  sinL 

die  este  sin  geslähte,  ;•:  r  '  s  •• 

daz  gezeln  mähte 

noch  geschriben  kein  man  1 

der  daz  leben  ie  gewan.  /  140 

Maria  reiniu  künegin, 

du  weist  wol  daz  mir  seit  min  sin 

daz  du  diu  edel  bluome  bist  :  ;  <  / 

von  der  diu  vruht  worden  ist. 

waz  mac  diu  vruht  anders  sin  145 

dan  daz  zarte  kindelin  .'     • 

daz  von  dir  geborn  isl. 

unser  herre  Jesus  Krist? 

daz  ist  diu  lere  die  ir  tuol     <■:■■'  '.-•ru 

und  ist  wa'rliclien  guot :  l  150 

doch  vvolt  ich,  lieben  bruoder  min,      ' 

raten,   ob  ez  möhte  sin, 

swenn  ir  daz  alte  nu  gesaget. 

daz  ir  daz  niwe  niht  verdagel. 

ich  mein  daz  niwe  daz  man  siht  155 

und  aller  tägelich  geschihi 
7:{  /■/'•.    von  manger  slahte  sünden, 

die  ich  in  niht  darf  künden.  !■   ;  f  ' 

ir   srhl    imd   IiomtI    ;iIIo   wo\ 

I2i.    \\(.n  UC.    (liiiinc  )  l'.l.    ili  \M.    ,l:u-[ih      -; 

Z.    F.    U.    A.     II.  4 


50  BUCH  DER  RÜGEN. 

(laz  diu  werlt  ist  bösheit  vol:  160 

da  von  bit  ich  iinde  rät, 
Sit  iu  got  enphollien  hat 
ze  leren  die  kristenheit, 
daz  ir  eim  ieglichem  seit, 

ob  er  des  lebens  des  er  lebt  165 

mit  got  ist  oder  von  im  strebt. 
/,;  und  hebet  an  dem  tiursten  an. 

ich  wwn  daz  si  der  babst  Johan 
ir  sük  niht  vürhten  sine  drö, 
get  zuo  im  und  sprecht  also.  170 

[Sagt  dem  pabst  freieich  | 
'Lieber  vater,  werder  man. 
wes  hast  du  dich  genomen  an 
ze  rihten  und  ze  lören 
die  kristenheit  nach  eren 

und  nach  gotes  hulden,  175 

swie  sich  die  liute  verschulden  ? 
wes  merkest  du  niht  waz  man  seil 
und  so  jämmerlichen  kleil 
von  manger  slahte  sünden? 

der  ich  ein  teil  wil  künden.  180 

hochvart  gitekeit, 
unkiusch  und  vnizheit, 
zouber  unde  ketzeri, 
ungeloube  und  simoni, 
7i  VW.    untriu  und  valscheit,  185 

lüge  und  unbescheidenheit, 
wuocher  unde  vürkouf, 
daz  ist  nü  der  werlte  louf, 
und  ander  grozer  sünde  vil 
der  ich  nü  geswigen  wil.  1^0 

vater,  bezzerst  du  niht  daz, 
ich  vürht  du  kumst  in  gotes  haz. 
der  dich  dar  zuo  erwelel  hat 
daz  du  helfe  unde  rät 
solt  der  kristenheit  geben.  195 

1G5.  dez  lebens  dez  181.  hothvarte  183.   ketzernei 

IH4,  syraonei         188.  werte         194.  hell"  vader 


BUCH  DER  RÜGEN.  51 

nu  ha^r  ich  daz  dfn  selbes  leben 
niht  gevallet  alse  wol, 
also  ez  doch  von  relile  sol. 
du  bist  uf  ei'de  au  gotes  stat, 
wan  er  dir  enpholhen  hat  200 

die  guoten  ze  erloesen, 
ze  binden  die  boesen. 
da  von  seit  du  Iiüeten  dich, 
lif  min  triwe  daz  rat  ich, 

daz  dir  an  guoten  dingen  205 

niht  müge  misseliugen, 
an  keiner  hande  Sachen, 
groz  oder  s wachen, 
nn  hat  mit  siner  veiger  hani 
der  vint  gesagt  in  diu  lant  ,  210 

als  unreine  sal. 
dii  von  ofte  misserat 
74  /•//'.    guoter  sauie  und  guotiu  vruhl  ,,^, 

und  wahset  alliu  ungenuhl. 

we  im  der  dar  au  hat  pfliht,  215 

ob  er  ez  schiere  bezzert  nihJ. 
der  sänie  ist  haz  unde  nit. 
der  nü  leider  mauge  zit 
ist  gewesen  und  noch  wert.  ;  t 

du  weist  wol  daz  zwei  swerl  220 

geben  sint  der  kristenheit: 
daz  lä  dir  niht  wesen  leit. 
du  hast  daz  ein,  daz  nütze  wol : 
swer  daz  ander  haben   sol, 

dem  gib  ez  schiere  üz  der  hant.  ..     ;.,  225 

wis  sicherlich  daran  gemant,  >. 

wil   du  dich  dar  an  setzen 
daz  du  beginnest  hetzen  . 

den  gwelph  an  den  gibclin, 

der  grtt'ste  schade  der  wirt  diu.  w    ..230 

vater,  merke  ez  also  niht  ^ 

l'J8.  ri'i'le  s('li()l  '/iO'J.    /f^'h.   Grimm  zu  Freid.  5-4,   1.       •. 

214.  wacJizset:    Nib.   1854,  3.     Greg.  35.50.      siebenschl.  726.     -. 
220.  zu  Freid.  i.vii.  224.  scliol 

4* 


■y>  BUCH  DEl\  RÜGEN. 

(laz  ich  mit  in   habe  pflihi : 

ich  bin  niht  ein  gibelin, 

ich  wil  oiich   niht  ein  gwciph  sin. 

vater,  du  hast  wol  vernomen,  235 

'  ''  daz  kein  person  ist  üz  genomen 

vor  gote,  weder  arm  noch  rieh. 

dem  tnosl  du  nindert  gelich. 

wan  lät  den  riehen  in  din  hus. 

den  armen  stozet  man  her  uz  240 

7.5  VW.    der  vil  lihte  gena-mer 

vor  gote  ist  und  gezsemer 

dan  der  get  zuo  dir  hin  in. 

daz  ist  an  dir  ein  kranker  sin, 

ez  ist  ouch  ein  boeser  sit.  "  245 

"i  der  dir  stsete  volget  mit. 

kumt  kunst  an  din  tor: 

edel,  zuht  stet  dervor, 

so  der  phenninc  wirf  gesehen. 

des  müezen  alle  die  jehen  250 

I  die  her  zuo  dir  komen  sint,  '"'' 

swie  lützel  maus  geschriben  viul 

weder  in  der  alten  e 

noch  in  der  niwen.'  we  mir  wr  ! 

ich  bete  nach  vergezzen  255 

des  ich  mich  han  vermezzen. 

sprechet  Vater,  babst  Johan,  - 

sich  din  gewizzen  an, 

ez  lit  hie  manger  und  verzert 

der  hin  ze  leste  von  dir  vert  •  2(50 

äne  tröst  und  äne  rat, 

der  lange  hie  gelegen  hat, 

der  liiite  verrihtet  wa?re  gewesen. 

ich  wdtn  doch  wol  du  hast  gelesen 

239.  «an  :  z^inaii.  247.  Chiint  chunst  248.  Edel  .  zuchl  :  vcrg/. 
unten  z.  1 181  und  zu  Erec  4454.  H' ackernagcl  zu  Simroclis  Jl'al- 
Iher  2,  165  'wer  selbe  ist  ein  bcese  wilit,  der  hat  siner  vorvarn  ädel 
niht  welneh.  gast  4,   2.  71''.'  258.  gewizsen  :  'hi  din  gewizzen  sclii- 

mtn    ff^ernh.  Maria,  funclgr.  2,   156,   16,    zu   JVinal.    s.    %0'^    u.  605, 
zu   ho.  85',t. 


BUCH  DEU  RÜGEN.  53 

swaz  du  iiilil  wil  daz  dir  gescliilil,  2tt5 

des  entuo  dem  anderm  niht.' 
da  sol  diu  rede  ein  ende  hau. 
vvan  ich  wil  von  hinnen  gän. 

Avil  aver  du  niht  bezzern  dich. 

so  solt  du  wizzen  sicherlich,  270 

75  rir.    ez  wirl  diner  scle  ein  slac 

den  si  nihl  überwinden  mac. 
[Den   kardenaln] 

Sagt  den  kardenalen  daz 

ich  wände  daz  ir  vil  haz  > 

Wieret  gerihtet  >  275 

nach  got  und  niht  verptlihlel 

ze  werltiichen  dingen 

von  den  iu  mac  gelingen 

übel   unde  seilen  wol. 

wa3ren  iuwer  biutel  vol,         i  1  280 

dannoch  müescn  vol  sin  - 

sekke  kästen  unde  schrin, 

Stadel  keller  und  daz  hüs,     •";      ■:  '. 

daz  ez  viele  zem  virste  uz. 

daz  wiere  allez  noch   enwihl,  285 

wan  es  wiere   ervoliet  niht 

der  vil  unreine  git 

der  iu  in  dem  herzen  lit. 

i<;h  spriche  von  der  höchvart, 

daz  nie  noch  gesehen  wart  290 

noch  gehört  von  alter  zit 

diu  höchvart  diu  an  iu  lit.       - 

ir  Sil  durcii  höchvart  niht  erweit. 

noch  der  kristenheit  gezelt 

ze  hilfe  und  ze  rate.  .  295 

wiere  es  niht  ze  späte, 

ich  wolt  iu  noch  vil  nierc  sagen. 
lf>  VI)',    doch  wil  ich  des  niht  gedagen,  i 

ich  wil  noch  rüegen  daz  an  iu: 

sagt  mir  durch  got,  zewiu  '.U)() 

261.   schol  2C8.  Won  281.  raüsin  283.    sl;ccl<il 

28().   t'z  290.   nie  noch   nie  .       .  i        .  .:    ,,  .  . 


.Vi  buch  der  hügein. 

lebet  ir  untiigentlich, 

ich  sprieche  gerne  unkiuscheclich, 

und  mit  andern  sünden  vil 

der  ich  nü  niht  nennen   wil? 

ez  weiz  ein  ieglicher  wol  305 

•  r. :  daz  er  nuioz  unde  sol 

vor  gerihte  rede  ergeben 

wie  gewesen  ist  sin  leben. 

da  von  merket  miniu  wort 

und  hüet  ir  alse  goldes  hört,  310 

weit  ir  der  helle  kint  niht  sin. 
r  daz  rat  ich  üf  die  triwe  min/ 

[Den  Patriarchen] 

Vrägt  die  patriarken 

'sint  vol  iuwer  arken? 

ir  enruochet  wer  diu  schäle  schirt,  315 

daz  ot  iu  diu  wolle  wirt. 

ir  weit  haben  schoeniu  kleil, 

silber  golt  an  arbeit, 

eren  unde  guotes  vil, 

des  got  niht  verhengen  wil.  320 

mich  wundert  wa  ir  hin  tuot          •   - 

als  ungeviiegez  guot. 

die  wile  ir  niht  bekeret, 

kristen  glouben  leret 

alle  iuwer  undcrtän,  325 

70  rw.    als  ir  iuch  habt  genomen  an, 

man  vrowen  unde  kint, 

diu  iu  von  got  enpholhen  sint, 

waz  sol  iuwer  hochvart? 

si  wirt  iu  waerlich  gespart  330 

da  manz  allez  biiezen  muoz, 

von  dem  houbt  unz  au  den  vuoz. 

ich  wil  mit  iu  niht  kriegen, 

ich  wil  iu  ouch  niht  liegen, 

lät  ir  nilit  alle  bosheit,  335 

ilf  min  triwe,   ez  wirt  iu  leit.' 

306.    schol.  315.    rücliet  321.    wae  322.    vugeruni- 

gez  324.  Cristari  326.  .-u  328.  Die 


BUCH  DER  RÜGEN.  öö 

[Den  pischolfen] 
Ir  siilt  den  bisclioven  sageu 
'wir  hüeren  vil  von  iu  klagen 
von  manger  hantle  sacheu, 

da  von  in  mac  geswachen  340 

gelücke  ere   unde  guol. 
iuwer  grözer  übermuot 
machet  iuch  vor  got  envvihl 
verdenket  ir  daz  nihl 

daz  iu  des  nihtes  niht  beste!  345 

da  mit  ir  hochvart  heget? 
ir  siilt  arme  liute  nern, 
den  gelt  selbe  niht  verzeru, 
er  ist  ir  und  iuwer  nihl, 

des  in  got  selbe  gibt.  350 

saget,  wer  hat  iu  erloubl 
daz  ir  brennet  unde  roubl, 
kirchen  heizet  brechen, 
slahen  unde  stechen 
77  vir.    die  iu  daz  wern  wollen,  355 

als  sie  durch  not  sollen?    ' 
daz  vor  die  beiden  haut  getan 
des  nemt  ir  iuch  nü  an. 
ir  lat  diu  wip  entern 

diu  vil  wundergern  360 

beliben  bi  ir  reinekeit :  _ 

ir  entßrt  ouch  mange  meit 
diu  hin  nach  so  unwert 
wirt  daz  ir  nieman  gerl 

ze  erbairem  dinge.  3G5 

wie  iu  dar  zuo  gelinge, 
daz  wirt  iu  allez  wol  geseil 
e  man  iuch  zuo  dem  grabe  treil. 
ir  vart  reise  iu  vrömdiu  lant 
und  vehtet  mit  iur  selber  hanl  370 

und  weit  danuoch  priester  sük 

i'M.  scliult  —  pischolfen  341.  geluch  343.  cii  344.  t.u 

lir.   1500.  348.  schult  350.  Luc.  16.  2.  358.    eu 

3ti0.   raiz  370.   cu  selbez 


:)0  BLCJI  DKK  RÜGEN. 

icli   iiiiii  (laz   üf  die   triwe  min. 

eteliclier  viiere  baz, 
vva're  er  als  sin  valer  was. 

ir  vvegt  ouch  gar  ringe  .'{75 

•'i  -  willen  mil  gedinge, 

swie  diu  boese  simoni 

doch  wouet  sta3te  derbi. 

ir  wihet  nibt  wau  urabc  Ion  : 

da  von  nuioz  in  der  himel  Irön  ;{80 

•■'■■  vor  gesperret  werden, 

wan  ir  hie  uf  erden 

suochet  Wollüste  vil 

ziio   so  winzigem  zil.  > 

[Den  prelaten    gemainecleii-lij 
77  nv.     Sprechet   ir  prelaten,  38ö 

habt  ir  iuch  iht  beraten 

wie  iuwer  leben  werde 

gebezzert  üf  der  erde 

vür  den  ewigen   tot? 

des  wwr  in  sicherliclie  not.  390 

ir  Sit  mit  hochvart  erschoben  : 

daz  ir  niht  ze  stunde  sit  zerkloben, 

des  wundert  mich  vil  sere. 

durch  unser  vrowen  ere 
'  ein  ieglicher  bezzer  sich,  395 

wan  inicli  danket  sicherlich 

daz  ez  niht  gar  lange  stc, 

in  werde  ach  unde  we,  •'-   '  •- 

swie  groz  gewalt  ir  nu  habt.  i/ 

ez  si  probest  oder  abt,  400 

prior  oder  gardiän,  :    ' 

custer  oder  dekän,  .     - 

minister  oder  general, 

swie  sie  heizen  über  al.  ■  ^  •    (■ 

ir  gebietet  wundervil  i'  «f  405 

des  iwer  keiner  tiion  wii.  '  ■' 

daz  klcite  gol  vor  manger  stunt 

:i»;i.   wolnusl»;         liSf).   •■u         :{92.   y.efe/ilf.         W^.   Dez  — inii 
402.   (lekclian 


BUCH  DER  RÜGEN.  ö7 

durch  des  ewangelisteu  munt. 

wes  seht  ir  niht  die  regel  an, 

als  ir  gehorsam  habt  getan,  410 

und  rihtet  nach  der  rehtekeil, 

als  iu  diu  selbe  regel  seit? 

ir  habt  ouch  einen  bocsen  sit 
78  rw.    der  iu  sta'le  volget  mit, 

daz  ir  iuwer  undertan  415 

niht  vür  guot  wellet  han, 

wan  ir  den  boesen  mere 

bietet  wirde  und  cre  \ 

dan  den  guoten  kinden 

diu  sich  lazent  vinden  420 

in  gotes  dienst  zuo  aller  zil        i   .ij; 

und  an  den  zuht  und  cre  lil: 

den  weit  ir  stiele  herte  sin. 

ich  sag  iu  üf  die  triwe  min         .    ,  , 

swie  herte  ir  in  nü  sit  .;  425 

ez  kumet  noch  diu  zit 

daz  si  iu  werdent  herter  vil, 

so  unser  herre  rihten  wil. 

ir  bekurabert  iuch  ze  vil, 

als  ich  iu  nü  sagen  wil,  430 

mit  werltlichen  sacheu, 

gröz  undc  swachen, 

die  iuch  niht  gehoerent  au. 

wir  sehen  daz  nü  selten  kan 

verrihtet  werden  ihtes  iht  435 

da  man  iuch  niht  bi  siht, 

weder  groziu  liirat 

oder  höher  herren  rat. 

ir  möht  dervon  wol  wenken. 

sprechen  und  gedenken  440 

waz  get  mir  der  sache  not? 

ich  bin  der  werlde  zeijual  t«')t.' 
[Den   munchcn] 
78  rw.    Lät  iuch  des  niht  belraiicn  •     ■>. 


442.  zaiiiial         i43.  eu 


58  BUCH  DER  RUGEiN. 

vlizeclich  ze  vragen 

von  deu  miinchen,  ob  sie  siiit  445 

ordenlich  und  guotiu  kint, 
ob  sie  die  werlt  vlielient, 
von  üppekeit  sich  ziehent, 
leseut  unde  singent, 

ir  gemiiete  dwingent,  450 

gerne  in  gotes  ere 
sprechent  'miserere! 
got,  erbarm  dich  über  mich 
zuo  aller  zit,  des  bit  ich.' 

ez  sint  sunderlichen  driu,  455 

weit  ir,  diu  nenne  ich  iu, 
diu  ein  ieglich  geislich  man, 
der  sinen  orden  wol  bau,  " 

muoz  behalten  sicherlich, 

wil  er  zuo  dem  himelrich.  460 

daz  ein  ist  willec  armuot : 
ich  wwn  daz  nieman  umbe  guol 
noch  durch  des  libes  wollüste  * 

deheines  ordens  gelüste. 

daz  ander  rehtiu  kiuschekeif:  465 

wol  im  der  si  rehte  treit! 
kiusch  an  worten  und  an  muot 
und  an  den  werken,  daz  ist  guol. 
weit  ir  beeren  nü  daz  drite? 
79  viv.    daz  ist  mit  tugentlichem  site  470 

gehorsam  zuo  aller  zit, 
als  in  ir  regel  lere  git. 
der  diu  driu  niht  wolle 
behalten  als  er  solle, 

der  sol  gesträfet  werden  .  475 

hie  üf  der  erden, 
daz  er  unz  an  sinen  tot 
lide  äugest  unde  not. 

•457.  gaisleich :  die  hs.  hat  überall  diese  nebenfurm  die  ich  int 
augenblickc  nur  bei  Nofker  nachzinveisen  wüste,  aber  dem  wiederkeh- 
renden beiveisenden  reime  geislich  :  vreislich  54:i.  'Jll.  1033  nach  dul- 
den mvfs.     403.  wolriusi      104,  Cluiincz — gelusi      174.  schölte     477.  sein 


BUCH  DER  RlJGExN.  59 

[Den  creutztern] 
Strafet  die  kriuztere, 

swie  ez  in  ist  unmaere,  480 

vürhtet  iiiht  ir  nterschaft, 
'noch  ir  übel,  noch  ir  kraft, 
sprecht  'ir  herren,  saget  mir, 
umb  weihe  suche  vluht  ir 

die  werlt  und  ir  geziere,  485 

dö  ir  alse  schiere 
wider  weitet  keren 
ZUG  ir  und  zuo  ir  eren? 
swer  die  werlt  vliehen  wil, 

der  sol  niht  giuden  ze  vil,  4y() 

er  sol  smacheit  liden, 
hochvart  niiden, 
ze  armüete  sin  bereit 
und  ze  rehter  kiuschekeit, 

gehorsam  mit  willen,  495 

gedultic,  und  sol  stillen 
7<t  rw.    allen  zorn,  swä  er  mac,      '   i 
beidiu  naht  unde  tac. 
man  hat  iuch  vür  geislich 

und  Sit  doch  leider  niht  gelich  500 

geislichen  kinden, 
wan  ir  lät  iuch  vinden 
alle  tage  an  üppekeit 
und  an  manger  llhlekeit. 
mit  schaggün  ist  iu  ein  spil  .  595 

481.    furchte  482.    übel:    Leysers  predigten    s.    162. 

484.    flucht  494.    zuo  499.   eu  505.    schaggaun 

ze  dem  remther  sal  man  nymands  {yestaten  keynerley  spil  vmb  gelt  suu- 
der  Schachzabeln  und  czackuucn  speie  und  andere  speie  die  verbiuten 
wir  nicht  ane  worfel  und  ane  geltspil,  das  die  glocke  das  speel  scheide 
beyde  czu  den  gezeiten  und  ouch  czu  dem  trynken.  visüah'onsvolf macht 
bei  f'oigt  gesell,  Prci/ßcns  0,  504.  die  Statuten  des  orderis  enthalten 
nichts  über  nitser  spiel,  nur  einzelne  visitalionsvollmaclilen  ;  ich  weifs 
es  auch  sonst  in  unseren  quellen  und  vntev  diesem  namen  nicht 
nachzuweisen ,  tvolil  aber  will  ich  eine  Vermutung  wagen  die  sich 
eben  für  nicht  mehr  gicbl  als  sie  ist.  wie  wenn  unser  schaggaun 
schaggün  czakun  das  Ischaugan  der  Perser  Araber  und  Türken  wäre? 


60  BUCH  DER  KUGEN. 

eiioubet,   der  ez  luon  wil 
umb  ave  Maria : 
daz  lät  ir  uaderwilen  da 
und  spilt  mit  dem  wihlelin 

lif  dem  tisch  umb  guoten  wiu.  älO 

ir  gezzet  unde  geirinicet  wol. 
als  iu  der  orden  gebeu  sol 
/•  mere  von  gewonhcif 

dan  von  iwerre  arbeit. 

ob  daz  niht  gescha^he,  515 

ez  würd  mit  solher  gajhe 
gevordert  daz  der  commendiir 
miieste  vliehen  vür  die  tür 
oder  sä  zehant  gebeu, 

weit  er  vristen  sin  leben.  520 

wirt  aver  iwer  wol  gephlegen. 
so  sprechet  ir  den  tischsegen 
mit  so  grozem  schalle 
daz  die  knehte  alle 

vaste  zuo  loufent,  525 

80  VW.    wffiut  daz  ir  iuch  roufent. 


ein  spiel  mit  dem  schlagbalh-,  zu  pferde  wie  zu  JuJ'se  üblich,  das  die 
7'itter  des  deutschen  hauses  zu  Jerusalem  schon  früh  aus  dem  Oriente 
in  ihre  abendländischen  balleien  komiten  verpjlanzt  haben,  ist  doch 
auch  das  daneben  genannte  schachzabel  orientalisches  Ursprungs,  dafs 
der  schlagbull  auch  in  unseren  gegenden  üblich  icar  beweist  schon 
die  art  der  ertvühnung  desselben  bei  Ulrich  von  Lichtenstein  frauen- 
dienst  26,  \^,  und  das  bei  Neidhard  36,  1,  3  erscheinende  bickelspil 
tvird  wohl  auch  hieherzuziehen  sein,  über  das  tscliaugaii  des  mor- 
genlandes  vergl.  Du  Fresnes  abhandhing  viii  zu  Joinville  s.  185  ff. 
und  die  viel  weitere  ausführung  in  Quatremeres  Übersetzung  von  Taki- 
Eddin- Ahmed  -  Mukrizis  arabischer  geschichte  der  Mamluk-  Sulta7te 
{Paris  lS'.i7 .  4.  printed  for  the  oriental  translation-fund)  bd.  1  *.  123 
— 132.  <iiue  abbildung  des  Spieles  bei  den  Persern  nach  einer  Zeich- 
nung des  \tjn  j'h.  faulet  sich  auf  pl.  xxii  des  In  bandes  von  Ouscleys 
travels  in  various  countries  of  the  East.  London  1819  ^l  4.  auch 
Hyde  de  ludis  orientalibus,  Ox.  1094.  8.  bd.  2  s.  250  spi'icht  von  un- 
serem spiele.  509.  wichtelin  :  MS.  1,  157''  der  sieht  sich  mit  siii 
Selbes  haut,  des  wisheit  aht  ich  zeime  spil  daz  man  diu  wihtel  hat  ge- 
nant, vergl.  myth.  247.  512.  schol  518.  gommendeur 
520.  wolt            526.  eil  ;■,,,,.,,    -,,,  , 


BUCH  Di:i{  lU  GEN.  M 

dar  nach  get  ez  an   daz  spil. 
man  bereit  armbrüste  vil, 
ir  schiezct  aber  iimbe  win, 

da  mit  laf  ir  in  wol  sin.  530 

ir  Sil  den  beiden  gehaz, 
wolle  got  möhte  ich  daz 
i-esprechen  mit  der  warheil, 
daz  den  kristen  niht  leil  * 

von  in  geschehen  wa^re:  535 

daz  wahren  guotiu  nioire. 
ir  sprecht  'wir  sin  gebrnodei- !  *' 

wa;r  iuwer  tusent  vuoder. 
ir  Sit  ein  ander  als  getriu 

als  die  wolve  und  die  sin.  ■- '  ■-  540 

nü  merket  selbe  ob  ir  sini 
als  gehorsamiu  kini, 
ob  ir  baz  geislich  '    '  •       •"; 

heizet  oder  vreislicli. 

wirt  bewiert  geislicheil  545 

an  dem  orden  den  ir  treil,     '      ■''•■., 
so  sollen  uf  die  triuwe  min  •    " 

alle  orden  der  iwer  sin. 
doch  weiz  ich  wol  wa  stet  gesell rilx'ii 
(ez  si  dan  alleswa  beliben)  550 

in  einem  buoclie  lere, 
wie  ir  nach  gotes  ere 
in  dem  orden  soltet 
so  /■//'.    dienen,  ob  ir  wollet. 

ich  sprich  uf  niine  wärheit,      '  555 

luot  ir  des  niht,  ez  wirt  in  leil.' 

[Den   laipriidern] 
Ir  siill  den  converscn  sagen, 
wellen  sie  den  orden  tragen, 
daz   Inon  mit  sölhcm  vlize 

daz  man  inz  niht  verwizc,  560 

ane  üppigen  spot 

539.  au  iiudcr  iils  getreu  5i().   seii  5j<).   alsva:   alleswa 

anderswo.     verf-L   Graff  l^'lVi.  55:$.  scIiDlie  55i.  «rin  — wolle 

557.    seln'ill  558.    seu 


62  BUCH  DER  RÜGEN. 

dienen  unserm  lierren  got, 
mit  aller  slahte  gehorsam, 
mit  briiederliclier  mitesam. 

vasten  unde  wachen,  565 

beten,  selten  lachen, 
daz  gehoert  sie  allez  an. 
ist  daz  indert  einer  iian 
ein  hantwerc,  swaz  daz  si, 

da  hab  bescheidenheit  bi.  570 

swenne  er  sin  beginne 
daz  er  niht  groze  gewinne 
weder  siioche  noch  beger, 
daz  man  niht  spreche  'wer  ist  der 
der  in  dem  orden  wuocher  nint?  575 

hat  er  wip  unde  kint 
oder  ander  die  er  nert? 
daz  imz  niht  sin  abbet  werf 
daz  ist  ein  wunderlicher  sin. 
ich  bin  vrö  daz  ich  niht  bin  580 

gevarn  in  den  orden 
81  VW.    und  ein  bruoder  worden, 
Sit  sie  tribent  vürkouf 
und  wuocher  nach  der  werlde  Ion  f.' 
heizt  sie  ouch  behalten  wol,  585 

als  ein  ieglicher  sol, 
swigen  und  gedultekeil, 
durch  got  liden  hertekeit,  ^ 

ob  si  wellen  sin  behuot  ^ 

gerne  vor  der  helle  gluot.  590 

[Den   umblaufiernj 
Heizt  die  sarabäiten 
in  die  helle  riten 
und  mit  in  gyrovagos. 
die  tiuvel  werdent  iriu  ros, 

si  bezzern  danne  ir  valschez  leben  595 

daz  in  der  vint  hat  gegeben, 
vürhtet  niht  ir  zungen 

563.  Diu  504.  mittesam  567.    583.  585.  s«'ii 

586.   schol         591.   sarabavtcu  5y2.  lelle 


BUCH  DER  RllGEN.  63 

valsch  und  unbetwunjien, 
noch  ir  üppige  dro, 

get  zuo  in  und  spreclil  also  (500 

'ir  boese  liiile,   saget  mir. 
wie  lange  warnet  ir 
iuwer  leben  vristen 
niit  so  boesen  listen? 

ir  heizt  iu  schern  die  blalton,  HOS 

daz  ir  mügt  gesatten 
iuwer  biuche  ze  aller  zit. 
loufet  durch  die  werlde  wiL 
swä  ir  danne  belibet 

den  valsch  ir  euch  tribet.  610 

swaz  iu  kumt  in  den  muot,  ; 

Hl  fw.    daz  dunket  iuch  unniäzen  giioi  .- 
swaz  iu  niht  gcvallet  wol, 
das  muoz  bosheit  wesen  voi. 
wie  lange  weif  ir  liegen?  615 

wa*nt  ir  got  triegen 
den  nienian  betriegen   kan  i 

der  daz  leben  ie  gewan  ? 
lat  iuwer  bosheit, 

daz  si  iu  kurzlich  geseit.  620 

oder  get  inz  helletor, 
wan  ir  belibet  niht  dervor. 

[Den  werllleichen  priestern| 
Swä  werltliche  priester  sin, 
dar  get  durch  den  willen  min. 
und  mit  grozem  grimme  625 

sprecht  mit  liiter  stimme 
wie  habt  ir  so  gar  verzeil 
an  gote,  daz  ir  sit  bereit 
sta'te  ze  boesen  dingen 

und  gelürret  singen  630 

messe  unwirdeclich, 
meisteil  aller  tägelich. 
mich  dunkl,  ir  aht  der  simoni 

()<)7.   pench         ül2.  <'u 


(54  BlICH  DER  RÜGEN. 

inere  (lau  der  psalniodi. 

des  wuochers  dan  philosoplii.  (;:ir» 

des  lilhus  dan  der  sacristi. 

hiior  unde  Iriinkenheil 

machet  iawer  lasier  breit 

und  anderre  bosheit  vil, 
82  VW.    der  ich  uiht  verswigen  wil.  <)/iO 

'"  einer  kouft  den  andern  abe 

von  siner  pfrüend  mit  kleiner  habe. 

ist  daz  uiht  ein  simoni, 

so  weiz  ich  niht  waz  ez   si. 

eteliche  rüement  sich  (5/15 

ir  bosheit,  daz  ist  wunderlich, 

den  doch  wsere  vil  leit.  i  .\.v.  : 

-     würde  ez  viirbaz  geseit, 

wan  sie  vürhtent  alle  gar. 

ob  ez  würde  offenbar.  i\öO 

sie  würden  unnuere. 

als  daz  billich  wajre. 

nieman  habe  arcwän 

umb  daz  ich  gesprochen  hau : 

ich  mein  die  vrumen  wahrlich  niht.  r»5;) 

*  die  boesen  sint  vor  got  enwiht. 

da  von  sagt    ir  armen. 

lät  ir  iuch  niht  erbarmen 

waz  die  Juden  täten, 

do  sie  gewalt  bäten  r.r.O 

an  unserm  herren  Jesu  Krist, 

der  al  der  Averlde  loeser  ist. 

daz  sie  ze  rate  giengen. 

in  an  daz  kriuze  hiengen?      -  ' 

daz  tuot  ir  alle  sicherlich  ■  (Wi.") 

so  ir  sprecht  misse  unwirdeclich. 

ir  sült  mir  einez  ilz  legen, 

daz  ander  läz  ich  undcr  wegen. 
82  rw.    do  ir  niht  leben  wollet, 

als  ir  ze  rehte  soltet,  r>70 

()ä8.    i'ii  titiO.    seu  ()G3.   D*   nlr  iT  wcimIc   In-siiM'  isl 

tl()7.  srinili  (')•)•.•■    «oll''  (wO.   sclinlii'  ; 


BUCH  DER  RÜGEN.  65 

nach  priesterlicher  ere, 
waz  weit  ir  wihe  mere 
(ian  ein  ander  werltlich  man 
der  diu  buoch  nihl  enkan? 

ir  swuort  umbe  kiuschekeil  675 

in  der  wihe  einen  eit: 
o  siiezer  herre  Jesu  Krist, 
wie  oft  daz  sit  zebrochen  ist! 
als  oft  irz  habt  zebrochen 

und  also  misse  gesprochen,  680 

habt  ir,  als  vil  an  iu  ist, 
gemartert  wahrlich  Jesum  Krist. 
nü  sprichet  etlich  tumber  man, 
der  dar  zuo  niht  baz  kan, 

mir  hat  unser  herre  gegeben  685 

ein  als  gar  krankez  leben 
daz  ich  mich  niht  enthalten  kan 
ich  müez  mit  vrowen  umbegän.' 
er  liuget,  wan  er  zihet  got 
vrävenlich  daz  sin  gebot  690 

übertreffe  menschen  kraft : 
des  lougent  alliu  meisterschaft.  •  ■  '  ' 

got  hat  nie  geboten  iht  h 

dem  menschen  daz  er  möhte  nihf 
ervollen  als  er  solte,  695 

ob  er  ez  tuon  wolle, 
da  von  kestiget  den  lip, 
weit  ir  läzen  diu  wip,  /  . 

.s;{  KW.    und  läl  iuwer  liegen  sin.  ;  • 

ich  sag  iu  üf  die  triwe  min,  ■  700 

bezzert  ir  niht  iuwer  leben, 

ir  wert  der  bittern  helle  gegeben. 

[Den  artzden  und  den  Juristen]        '• 
Ez  sint  zweiger  slahte  man 
die  nieman  crviillen  kan, 
die  siilt  ir  strafen  s6re.  705 

072.  woU       075.  svrt  081.  ir  fehlt.       088.  muz       G89.  leugiM 

won  690.   frauenleich  09.5.  nach  als  ein  radiertes  woiH. 

696.  swolte        705.  schuK 

Z.  F.  D.  A.  II.  5 


66  BUCH  DER  RÜGEiN. 

durch  unser  vrouwen  ere 
sprecht  in  vrävellichen  zno. 
ez  si  spate  oiler  vruo, 
'ir  meister  von  der  erzeni 
üT()  und  die  Juristen  dcrbi,  710 

wie  Sit  ir  so  grundelös 
als  daz  mer,  da  wazzer  groz 
sta-te  in  vliezenl 
und  sich  dar  in  besliezent, 
OfiO  und  kan  doch  nimmer  werden  vol  I  7 1  .> 

dem  mac  ich  iuch  geliehen  wol, 
wan  der  in  zuo  triiege 
arken  ungefüege 
Silber  unde  goldes  vol, 
fi8f>  dannoch  dunket  mich  wol  720 

daz  iuwer  witer  gitsac 
stüende  ofleu  allen  tac. 
wizt  ir  daz  geschriben  stat 
und  got  selbe  gesprochen  hat 
itl>;»  'wil  du  äne  sünde  leben,        .i  :  i      > :  ;  72,') 

du  muost  genomenz  wider  geben? 
SS  rw.    ir  habt  tüsent  genomea, 

der  einez  nie  ist  wider  komen.  i«!  'ij^ 
ir  lobt  helfe  gar  vll : 
.:(,';i  swenne  man  die  haben  wil,  730 

so  ist  ez  allez  gelogen         ;i   t.5  ir.  do 
und  habt  die  liute  betrogen, 
swenne  ir  den  armen  ane  seht, 
in  iuwerm  herzen  ir  des  jeht     j/.i    .ifi> 
oir,  ich  han  verzert  ze  schuole  vil,         ri  735 

daz  ich  wider  haben  wil.  -.i... 

du  mäht  wol  umb  susl  gän,        uVa    -j 
ich  trü  dir  uiht  gewinnen  an. 
ob  er  sich  danne  unz  in  den  tot       i/i 
zerret,  des  im  gienge  not,  ...  740 

i'tj't  mit  joggen  und  mit  weinen  \..--    .... 

ba't  durch  got  den  reinen, 

7iß.  eu         724.  selb'         725.  Ezechicl  33,  15  Jf.  728.  aiiiigz 

738.   trau  741.   loggen  —  waiii  •'.■... n         vjm/s  ...> 


des  wirt  er  geben  iu  ze  Ion 
der  grundelösen  helle  trön,' 


BUCH  DER  RÜGEN.  ß7 

er  gel  von  iu  an  allen  rat, 

so  er  iu  niht  ze  geben  hat. 

Uli  seht  ob  daz  zitlich  ist?  745 

mich  dunkt  ir  weit  den  antikrist 

schiere  riebe  machen 

mit  so  getanen  Sachen, 

wan  in  die  schätz  gehoerent  an 

die  beidiu  vrowen  unde  man  750 

bergent  von  der  gitekeit.  •* 

die  werdent  im  alle  bereit, 
er  geben  iu  ze  I61 
delösen  helle  trön,' 
[Den   schuokeren] 
Sagt  den  sciiuokeren   swä  sie  sint,      f  755 

sie  sin  michel  oder  kint,  ^ 

ir  siilt  zuo  der  lerne  » 

i'roplich  unde  gerne  > 

komen  zuo  aller  zit,  » 

wan  grözer  nutze  dar  an   lit.  760 

lat  iuch  niht  betragen  i 

ob  man  beginnet  vragen  1 

wie  lange  wil  du  schuoher  sin?         v 

ich  spriche  bi  der  triwe  min,  '> 

ez  mac  ein  wol  gelerter  man  '  765 

vür  künec  und  vür  keiser  gan,  vj          - 

so  ein  leige  hin  dan  stet  'i 

und  nindert  zuo  if  räle  g6t.  a 

habt  ir  gedaht  zuo  priester-schaft,   ■     '-^ 

so  siilt  ir  alle  iuwer  krafl  oirlrj  770 

nach  gotlicher  ere  wwii/ 

und  nach  der  meister  löre  -> 

erzeigen  alle  stunde.  *' 

von  iuwers  herzen  gründe      n.^   if  ;\>'i« 

vlieliet  unkiuschekeit,  u    'ü  /  775 

ist  ilit  geschehen,  daz  si  iu  leil, 

und  habet  veste  in  iuwerm  muot  '''^^''' 


daz  irz  nimmer  inör  geluol. 

75*i.   \v\il  l'ü .  scIiiiU  701.  «üt  770.   scliüll 

5' 


Vr>' 


68  BICH  DEK  RIJGEN. 

niidet  ouch  daz  lithils, 

daz  ir  niht  her  wider  nz  780 

werdet  gar  bestroufet 
und  lihte  wol  zeroufet. 
daz  w«r  ein  jaemerlichiu  klage 
diu  sich  meret  alle  tage. 
.S4  rir.    ir  kleit  daz  ir  habt  verlorn,  785 

<  die  schuole  versümt,  des  meislers  zorn, 

vater  unde  muoter  haz : 
vür  war  sag  ich  iu  daz, 
ez  wa'r  ein  lihtiu  schulde, 

vliirt  ir  niht  gotes  hulde.  790 

iuwer  etelicher  hat 
von  alnmosen  allen  rät. 
kirchen  oder  phrüenden  vil. 
des  er  niht  verdienen  wil. 

er  ist  an  allen  sinnen  loup  79.') 

und  izzet  rehten  reroup.' 

[Den  lotter  phafFen] 
Sprecht  zuo  den  loterphafFen 
ir  unreine  äffen, 
wie  verzert  ir  iuwer  leben 

daz  iu  got  hat  gegeben,  800 

wan  ir  niwan  in  üppekeit  ■■■;..„   « 

lebt  und  in  bosheit? 
iuwer  veiger  orden 
Solde  nie  sin  worden, 

wan  ir  gät  so   lasterlich,  805 

rehte  bangeren  glich. 
iuwerr  bosheit  ist  so  vil 
daz  iuwer  got  niht  enwil: 
dem  vinde  ouch  versmähel 

daz  ir  zuo  im  gahet  810 

vür  mangen  erharren  man, 

790.  vVrt  794.  v*din  801.  Won  — nur  80&.  auf  detit 

concil  zu  Mainz  1261  und  dem  zu  Salzburg  1274  war  wiederholt  ge 
gen  diese  quaestuarii  und  clerici  vagabunili  quos  vulgus  Eberhardinos 
vocat  verfügt  worden,  doch  vergeblich,  wie  es  scheint.  Harzheim  con- 
cil.  Gcrman.  3,  000.  042.  809.  veint         811.  fiiucrn 


BUCH  DER  RÜGEN.  6l> 

die  er  lieber  wolle   hau. 
da  von  gel  gedrate, 
e  daz  ez  werde  ze  späte 

und  dringet  in  daz  heiletor,  815 

8j  VW.    daz  ir  uiht  wert  verspart  dervor. 
doch  wold  ich  iu  raten  wol, 
als  ich  von  gotes  triuwe  sei, 
daz  ir  iuch  bekertet, 

got  baz  ertet  820 

daune  ir  vor  habt  getan, 
wan  ich  wol  gelesen  hau, 
dö  er  uns  in  noeten  sach 
daz  er  süezecliche  sprach 

niht  des  siinda;res  tot  wil  ich,  '  825 

er  lebe  und  bekere  sich.' 
tuot  ir  des  niht,   so  vind  ich  wol 
daz  Ion  daz  man  iu  gebeu  sol.' 

[Den  nunnen] 
Ir  wizzet  alle  samt  wol 

daz  man  weder  mac  noch  sol  ■  830 

vrouwen  von  ir  krankheit 
strafen  nach  der  rehtekeit. 
swer  sie  wolde  strafen, 
sie  schrirn  alle  'wäfen  ! 

wil  man  uns  verderben?  '  835 

waz  wil  man  an  uns  werben?' 
si  mugen  niht  erliden 
straf,  swie  si  niht  miden 
ofte  daz  in  übel  stet. 

da  von,  bruoder,  swenne  ir  get  '  840 

da  geisliche  vrowen  sint,  ? 

si  sin  alt  ode  kint,  '        '' 

ret  in  zuo  milteclich,  " 

daz  sie  niht  ungezogenlich 

sich  gegen  iu  vergezzen.  845 

si  sint  so  gar  vermezzen, 


81».  wolle        819.  eu- 

— pecherle         830. 

ertc 

835.  suiu1;ei 

833.  seu          834.  schrin 

836.  m  fehlt. 

erben 

843.  Uod 

844.  seu 

,70  BUCH  DEH  RUGEiN. 

85  rw.    (iaz  sie  rivchigeu  niuol 

gewinnent,  ob  mau  iu  durch  guol 

seit  daz  in  doch  wa-re 

gar  nutzebeere.  850 

in  git  diu  natüre  daz, 

der  in  verbiutet  etewaz, 
-  .  daz  sie  lihle  liezen  e, 

da  wirl  in  hin  nach  so  we 
dj»^,  mit  trahliinge,  in  welher  aht  8;)5 

von  in  daz  werde  vollebraht. 

mit  bagen  und  mit  schelten 

kunnen  si  wol  gellen, 

ob  in  leit  ienian 
pgp  vor  mangem  jare  hat  getan.  800 

swer  in  unziihte  wert, 

ob  er  vor  in  den  lip  ernert, 

daz  mac  er  haben  wol  viir  guol 

von  ir  grozem  übermuot. 

ir  höchvart  ist  also  vil  *ji  865 

y-x  daz  sie  aller  hande  spil  ^gj, 

als  vrilich.  wellent  schouwen 

als  werllliche  vrouwen. 

mit  gitekeit  hänt  sie  phlihl:       -t  Turt 

von  unkiusche  sag  ich  niht,  870 

ü'ut  ^^^^  ob  daz  also  wsere, 

daz  man  sin  niht  enbaere,  ^ ;  üy?  xn/?- 

des  got  niht  verbeugen  sol, 

ez  geseit  sich  selbe  wol. 

waz  spricli  ich  von  der  vrazheit?  875 

t>  ez  ist  etelicher  leit 

86  VW.    daz  si  so  lützel  rihte  hat 

so  sie  zuo  dem  tische  gät, 
diu  doch  zuo  ir  munde 

an  etelicher  stunde  880 

Gic  zehen  rephüeneliu 

na-mc  viir  ein  ja'ric  swiii. 
so  sie  müezen  vasten, 

853.  scu  861.  vritzvcht  864.  ireiii  866.  861).    seu 

871.  selb*         879.   irem         881.  rcphulcin         883.  ,seu 


BUCH  DER  RÜGEN.  71 

si  iiuigeii  iiilit   gcrasleii, 

zoru  haz  uiide  nil  885 

selten  zwischen  in  gelit, 
diu  ungehorsam  Überkraft 
ahtel  niht  der  meisterschaft. 
wold  aber  ienicn  sprechen, 

sich  vil  lihte  rechen,  ifDü 

daz  ich  den  vroweu  triiege  liaz. 
der  sol  bi  gole  wizzen  daz 
ich  vrumeu  vrowen  holt  bin 
und  gerne  allen  minen  sin 

dar  zuo  wolde  keren  895 

daz  ez  nach  ir  eren 
au  allen  Sachen  wtere.  b- 

da  von  ist  mir  unma^re, 
ob  iemen  anders  sprechen  wil. 
den  danket  miner  rede  ze  vil:  b  900 

er  sol  mich  aber  leren 

mit  wie  grozen  eren  • '  i^ 

diu  erste  rede  mac  bestän,  s  i'y^- 

als  sich  daz  buoch  hebet  an. 
er  sol  ouch  wizzen  ane  wäu  '  905 

daz  ich  niht  gemeinet  liän  nh  i/j 

sr>  rw.    tugentlicher  vrouwen  sile,  ü 

ich  meine  uiwan  die  dermite  o, 

die  ze  aller  zit  unordcnlich  ,a 

lebent  und  untugenllich,  910 

wellent  heizen  geislich  >.  /,5 

und  sint  doch  gar  vreislicli,  giöm 

da  von  ir  bruoder  tuol  also  m) 

daz  die  selc  werden  vrö:  3 

sie  lident  iuwer  strafe  niht,  •"  915 

swiget  ir,  daz  ist  enwiht. 
so  saget  in,  daz  ist  min  rät 
wie   uns  got  erloeset  hat. 
der  im  des  niht  wolde 

884.  Jesajas  58,  4.         886.  zwischan 
8',>5.   wÖlte         896.  ez  fehlt.         ireii         '.»Ol 
1)09.  zu         914.  sein 


l,         J 

:a 

loaiTii  noU 

889.   Willi. 

M'i.  schol 

.  903.  «Chol 

908.   nur 

::-j?Wl  .i^t 

72  BUCH  DER  RÜGEN. 

danken  als  er  solde,  920 

der  verdienet  sinen  zorn 
und  wirt  eweclich  verlorn, 
swer  aver  sine  schulde 
nach  unsers  Herren  hulde 

mit  der  biht  und  mit  der  buoz,  925 

-  CO'^   '  als  ein  ieglich  kristen  muoz, 

wil  unserm  herren  klagen, 
vür  war  wil  ich  iu  sagen, 
mit  einem  zäher  kleine 

den  er  von  herzen  weine  930 

'^.•-  erlischet  allez  helleviur. 

lät  iu  niht   wesen  zäher  liur 
die  iu  wolveile  üj 

ofte  sint  in  geile, 

leschet  ab  die  hellegluot,  935 

'!  daz  dunket  mich  von  herzen  guot.' 

[Ditz  schult  ir  dem  ktiiser  predigen] 
87  VW.    Vürhtet  niht  des  keisers  dro, 
get  zuo  im  und  sprecht  also 
'sag  mir,  keiser,  viirste  her, 
wä  von  wa'nst  du  daz  got  er  940 

üf  dich  hat  geleit  so  vil? 
niwan  daz  er  versuochen  wil 
ob  du  siner  kristenheit 
mit  helfe  wellest  sin  bereit. 

got  wil  daz  dir  erbarme  945 

ze  aller  zit  der  arme 
mere  dan  der  riebe  man 
der  sich  wol  besachen  kan.  . 

scherme  in  allen  vreisen 

witwen  unde  weisen,  950 

klosterliute,  pfaffheit,  -.<■  /ü  *..??. 

die  got  ze  dienste  sint  bereit, 
mache  vrid  durch  alliu  lant 
den  unser  herre  si  bekant.  'i 

920.  scboltc         922.    euwecleich         925.    pechl         927.    wil  /efill 
peklagen         942.  Nur         9-46.  zu  948.   Sc/imeller  3.   188. 

949.  raisen 


BUCH  DER  RÜGEN.  73 

ketzer  und  die  lieidenscliart  955 

viht  an  mit  aller  kraft, 
la  dir  nieman  leiden 
den  nakten  ze  kleiden, 
den  hungerigen  spisen 

und  den  wec  ze   wisen  OGO 

ob  ein  eilender  man 
nindert  sich  verrihten  kan. 
swie  arm  ein  ieglicher  si, 
dem  hilf  und  gedenk  derbi 

'got  hat  über  mich  gewalt,  965 

er  biet  mich  wol  zuo  dir  gezall. 
87  ;•«'.    armer  mensch,  daz  hiute  ist  din, 
daz  vvirt  vil  lihte  morgen  min.' 
din  gerihte  si  sieht, 

nihl  baz  dem  herren  dan  dem  kneht.  970 

got  persön  niht  üz  nint, 
wan  als  er  an  den  werken  vint. 
I  die  guoten  solt  du  liep  hän, 

die  boesen  lä  mit  zorne  gän. 
alle  smeichajre  "■■■  975 

sin  dir  unmaere. 
swer  haz  unde  nil 
•  und  missehellunge  umbe  git,  - 

dem  lä  niht  die  hulde  din, 

wil  du  mit  gemache  sin.  980 

du  solt  selben  hüeten  dich  < ;« 

vor  allen  sünden,  daz  rat  ich. 

wold  aver  ieman  her  gen 

der  dir  wolde   gesten  ..:.;'. 

und  spraxhe  'er  behaltet  wol     •        :'  985 

daz  er  ze  rehte  behalten  sei/      ■ 

daz  widerrette  ich  sä  zehant     i    '    ' 

und  hieze  in  varn  in  alliu  laut, 

vrägeu  der  ma're 

ob  indert  vride  wajre.  '     '  '  990 

daz  vünd  er  allez  vridelos, 

yOl.  au  eilender         97?.  iMir         'J87.  wid*  redd    • 


74  BUCH  DER  RÜGEN. 

beroubet  naket  unde  blöz. 

da  von,  keiser,  schaff  also 

daz  arme  liule  werden  vro. 

du  hast  ein  swert  in  diner  hunl,  yyö 

der  got  zwei  hat  gesaul 

der  krislenheit  ze  guote 

und  ze  grozer  Imote. 
88  vir.    daz  eine  sol  der  bäbest  hän, 

daz  gehoert  die  phafFen  an  :  1 000 

daz  ander  nütze  in  diner  ahl 

so  du  aller  beste  mäht. 

slach  unde  Stiche, 

dich  an  diu  vinden  riebe. 

die  dir  wellen  tuon  leit  1005 

an  der  armen  kristenheit. 

Juden  ketzer  beiden. 

die  solt  du  erleiden 

kristen  liuten  krefteclich, 

daz  si  niht  werden  in  gelich.  101  ü 

hilf  dem  bäbst  mit  dinem  swert,         b 
,;;i  üb  er  sin  von  dir  begert,  £. 

mit  also  guoter  triuwe  :?..     , 

daz  es  dich  niht  geriuwe.  >; 

setze  dich  niht  wider  in,  -.li-  1015 

habe  zuo  der  triuwe  min.  -b 

)  .:  i^iii  swert  snidet  baz  tr 

dan  daz  din,  und  wizze  daz,       u2  ul) 

ez  ist  gehert  mit  gotes  kraft,  r,' 

daz  aller  smide  meislerscbafl  v  1020 

ein  sämelichz  enmahte,  ,7    irb    Vjü     . 

;-  .  ob  si  dar  nach  trabte  .u 

unz  an  den  jungisten  tac :  b  ' 

vür  war  ich  daz  gesprechen  mac.       b 
[Den   chunigen  gemainecleichj 
88  rw.    Sagt  den  küngen  durch  den  munl  1025 

,:^  'ir  herren,  ist  iu  daz  iht  kunt?  nl  di 

swem  man  enphilhet  mere 

998.  zu         (1003/.  f*  slalui  slach  unde  stich,  dich  an  dincii  vinden 
rieb.     Hpt.)         lOOy.   Crislaii         lOlö.  mein 


BUCH  DEK  HUGEJN.  75 

guot  oder  ere, 

man  muol  an  in  ze  aller  zil 

mer  danne  dem  man  liilzel  git.  1030 

got  hat  iu  enphollicn  vil 

daz  61'  an  iu  vordem  wil. 

bürge  slete  unde  lanl 

hat  er  gesazt  iu  iuwer  hant: 

da  sült  ir  an  gedenken,  1035 

dem  keiser  niht  entwenken, 

swenne  er  durch  die  kristenheil 

ze  strite  muoz  sin  bereit. 

helft  im  vride   machen 

an  aller  hande  saciien,  1040 

daz  gotes  dienst  werde 

genieret  üf  der  erde. 

hüet  der  liule  in  iuwerm  rieh, 
!l  daz  si  den  beiden  niht  gelich 

noch  den  ketzern  wellen  sin:  1045 

daz  rat  ich  üf  die  triuwe  min. 

ez  vihtet  an  die  kristenheit 

so  manger  hande  bösheil. 
'  t_  swer  ez  wenden  wolde, 

als  er  ze  rehte  soide,  1050 

89  VW.    des  todes  muos  er  sich  verwegen, 

doch  verdiente  er  gotes  segen. 

lät  hi  iu  niht  beliben 

von  mannen  noch  von  wiben  w;' 

der  mit  zouber  umbe  get.  1055 

als  iuwern  eren  wol  an  stet, 

alle  wuochera;re  .  ■  i  .uc  .:i;j 

lät  iu  sin  unmaire. 

vor  vürkouf  und  simoni 

sin  iuriu  küncriche  vri.        'n  ,-.;,/  hi.ü  1060 

aller  slahte  bosheit  .■,{> 

lat  iu  sla'tc  wesen  leit.  rj 

hüet  iuch  ouch  vor  sündon  /;> 

und  lät  iuch  niemen  schünden 

1032.  vddern.  verf^l.  Hl.  6Ü0.  1035.   sclii'iil  1050.  scliolto 

10Ü3.  1064.  m 


76  BUCH  DER  RÜGEN. 

daz  ir  icman  des  gestet  1065 

daz  üf  iuwer  sßle  get.' 
[Den  fürsten  Grauen  vreigen  vnd  dienst  h*reuj 
ßruoder,  des  niht  abe  gestet, 
swenne  ir  zuo  den  vürsten  get, 
ze  gräven  vrien  dienstman, 
sprecht  sie  under  ougen  an  1070 

swie  Sit  ir  so  ungert 
und  an  tugenden  verkert ! 
wan  man  von  in  hoeret 
daz  ir  kloester  stoeret 
89  riv.    diu  iuwer  vater  hänt  geslift:  1075 

daz  ist  iuwer  sele  vergift. 
swenne  ir  ze  spräche  gebent  tac, 
nindert  daz  geschehen  mac 
wan  in  den  kloestern,  da  man   gil 
die  kost  umb  sus  zuo  aller  zit.  1080 

da  mit  ir  doch  verdient  den  bau, 
als  ich  iu  wol  gesagen  kan. 
und  wolde  got,  biet  ir  vür  guot, 
mit  iuwerm  grozen  iibermuot, 
daz  in  von  iuwerr  gwhe  i085 

niht  groBzer  schade  gescha^he. 
merket  selbe  ob  ir  weit, 
swaz  ir  üf  diu  kloester  zeit, 
da  habt  ir  zuo  dehein  reht: 

wan  daz  ist  ein  sache  sieht,  ^  1090 

daz  iuwer  vordem  habent  brahl 
den  kloestern  von  ir  andäht 
daz  sol  von  reht  der  kloester  sin, 
im  dürft  niht  sprechen  'ez  ist  min." 
gäben  iuwer  vater  iht,  1095 

daz  was  ir  und  iuwer  niht: 
der  iu  ez  wolde  behalden  hän, 
er  biet  ez  wa-rlich  getan, 
da  von  rat  ich  iu  wol, 
als  ich  von  gote  raten  sol,  1100 

10t)7.  Prüder  1070.   seu  vnd*  ir  1075.  vaeter         1079.  Nur 

—  won  man         1091.  voderii         1095.  va;ler         1100.  scliol 


BUCH  DER  RÜGEN.  77 

'.»0  VW.    hit  Äne  trüebesal 

diu  gotes  hiuser  über  al, 

(laz  iuwer  selc  nihl  verlorn 

werden  von  dem  gotes  zorn. 

ir  Sil  dem  künic  gebunden  1 105 

ze  helfen  zallen  stunden 

daz  er  sin  künecrich 

gestellen  müge  vridelich : 

doch  dunkel  mich,  iu  wfere 

unib  den  vrid  unma'rc,  1110 

wan  ir  habt  in  reisen 

witewen  unde  weisen 

ze  ergrinne  gewont, 

daz  iu  noch  slsete  zuo  dont. 

swer  vlizecliche  dienet  got  1115 

von  dem   habt  ir  iuwern  spol, 

der  aver  von  gole  k«»rel 

den  lobt  ir  unde  eret. 

wer  niöht  nii  haben  in  der  zai 

iuwer  veicheit  über  al?  1120 

der  vinl  zel  ob  er  wil, 

dem  ir  dienet  äne  zil/ 

[Den  ritl*n  gemainecleicli] 
<  I     '       Den  ritlern  sagl  gemeineclich 

'ez  isl  umb  iuch  so  zwivellich 

ob  ir  ze  gnaden  sil  erkorn  1125 

oder  eweclich  verlorn. 

man  hiez  iuch  in  dem   rilter  segon 

zühte  und  ere  stiele  phlcgen, 
'.to  rw.    wilewen,  weisen  alle  zit 

schermen  in  dem  lande  wil,  1130 

da  A'on  ir  sclicrma.'re 

heizet,  ob  ez  w;ere, 

guofer  liule  durch  got. 

ir  habt  ez  aber  viir  spol: 

swer  iuch  schermsere  hat  genant,  tl35 

der  hat  iuch  leider  nihl  erkanl, 

1103.  sein      1113.  Zu  er(i;rainne  :   zu  llevb.  CSIC      112/|.il27.  ou 
1128.  Zueilt 


78  BUCH  DER  RÜGEN. 

ir  hiezl  schera're  vil  baz. 
ir  schert  trucken  unde  naz, 

ir  schert  mangeii  ungebeit 

dem  iuwer  schern  ist  vil  leit.  1140 

ir  schert  niemen  äne  Ion, 

ir  schert  stiele  üiide  schon, 

ir  schert  arm  unde  rieh, 

iuwerm  schern  ist  niht  gelich, 

ir  schert  daz  guot  und  niht  daz  har^.  1145 

ftljt  da  von  sag  ich  iu  offenbar, 

ir  wizzet  niht  wie  lange  ez  werl 

daz  ir  arme  liute  schert. 

iu  wirt  geweret  iuwer  schern 

so  ir  vil  lihte  scha3ret  gern,  :i>  1150 

got  wil  sölher  schener  niht, 

si  sint  dem  himelrich  enwiht. 

waz  hilfet  daz  ich  rede  vil 

so  mir  niemen  volgen  wil? 

doch  wil  ich  mich  zerloesen  1 1 55 

gen  frumen  und  gen  boesen, 
'.»I  i'ir.    sagen  in  die  warheit,  :■■ 

ez  si  liep  oder  leit.  jj 

ez  sol  ein  ritter  eren  got, 

ernslich  und  niht  in  spot,  1160 

den  viirsten  helfen  nach  dem  reht, 

allez  unreht  machen  sieht,  .) 

bcese  liute  machen  guot,  i  •<> 

die  guoten  haben  in  der  huol, 

daz  in  iht  übel  müge  geschehen.  IIC»;) 

zuo  im  selben  ouch  sehen,  y 

ij    !    .        daz  nieman  üf  der  erde 

von  im  betriiebet  werde : 

ob  er  ieman  betriiebet  habe, 

dem  sol  erz  gerne  nemen  abe :  1170 

haben  groze  riuwe 
.-,  j  umb  Sünde  alt  und  uiuwe,      doiv.   jj.-^/k 

haben  guot  gediuge,  ^'i  ..  li    ; 'h 

1137.   scli^rair  lli'i.  sUel  viiscLoii  IKi'J.   iiii 


BUCH  DER  lUir.EN.  79 

daz  in  sin  cngel  bringe 

zuo  ewiger  sta'lekeit,  HTT) 

da  alliu  vreude  ist  bereit. 
[Den  chnappen| 
Sprecht  zuo  den  edelingen 
'wie  möht  in  wol  gelingen 
die  wiie  ir  habt  bresen  muol 
und  lobet  swaz  der  boese  tuet?  1180 

edel  unde  werdekeit, 
der  iuwer  vater  hänt  gephleit, 
',U  nr.    die  verlieset  ir  da  mit 

daz  ir  den  hcidenischen  sit 

habt  iuch  genomen  an.  1185 

als  ich  iu  wol  gesagen  kan,  ^ 

in  ist  diu  kirche  als  der  stal, 

swa  man  sol  rouben  über  al, 

kelcli  buoch  messegewant 

daz  muoz  allz  in  iuwer  liaul.  IHK) 

bischoC  brobst  pharran' 

apl  münch  messena'r, 

waren  si  in  gotes  schoz,  =: 

möht  ir,  sie  würden  blöz. 

da  von  mac  ich  geliehen  1195 

iuch  wol  sicherlichen 

der  heidenischen  undiet 

diu  nie   nilit  guoles  geriet.  i' 

daz  luüt  ir  allez  umb  den  sliiiil.         ' 

käme  ein  mal  umb  ein  pliunf,  ^^  1200 

ez  dilhle  iuch   uiht  ze  swa-re, 

daz  Ol  daz  guot  wa're. 

da  von  bit  die  beiden 

daz  sie  von  iu  niht  scheiden 

oder  bringen  iuch  da  hin  '  1205 

dar  iuch  leitet  iuwer  sin, 

daz  ist  diu  tiele  helle  : 

da  wirt  iur  geselle  '  ''"h«''    I''» 

1181.  wii(l(;cliail  1182.  va'lcr  — f,-c|)lilait         1183.  voiIumI 

1184.  des  1185.   11»J6.  eu  ll'.IÜ.  als  1191.  Piscliolf 

1201.  dcuclil  eu  1202.  Daz  oUj  120  i.  seu  1208.  wN   ir 


80  BUCH  DER  RDGEIN. 

Astaröt  und  Satanas  : 
92  rir.    wie  kan  iu  ioimer  werden  baz,  1210 

an  ir  wellet  wider  kern, 

die  sele  vor  der  helle  nern, 

büezen  iuwer  schulde 

nach  unsers  herren  hulde 

mit  gar  grozer  arbeit?  1215 

i  tuol  ir  daz  niht,  ez  wirt  iu  leit. 

[Den  schiltchnechten] 

Vragt  die  schiltknehte 

veic  und  ungerehte, 

seht  daz  keiner  entwiche 
.,   .  und  sprechet  zornliche  1220 

'sagt  ir  wunderarmen  mir 

gedräte,  wes  gedenket  ir 

daz  ir  so  vlizecliche 

von  dem  himelriche 

vliehet  naht  unde  tac,  1225 

daz  niemeu  iu  erleiden  mac? 

wes  habt  ir  iuch  an  genomen 

mit  herte  zuo  der  helle  ze  komen? 

ir  quwmt  wol  ringeclicher  dar 

vil  lihte  in  der  ersten  schar.  '  1230 

iuwer  ezzen  ist  enwiht, 

ir  habt  ofte  ze  trinken  niht, 

ir  gesläfet  seilen  wol. 

so  man  ez  allez  sagen  sol,  ;. 

swaz  sich  geziuht  ze  hertekeil  ,  1235 

und  ze  grozer  arbeit, 

da  Sit  ir  mit  überladen, 
92  VW.    des  habt  ir  den  groesten  schaden. 

verspehen  rouben  unde  braut, 

daz  ist  iu  allez  wol  bekant.        i  ;      -  1240 

ze  steine  und  ze  nahlschäch 

ist  etclichcm  vil  gach, 

dem  doch  wsere  gar  leit  j  • 

ob  ez  icman  von  im  seit. 

1227.  cu  1228.  h*lte  1230.  IccLi  1234.    s«liol 

1242.  par  gacK  .... 


BUCH  DER  RÜGEN.  81 

nu  hnerl,  ir  ereloseii  zagen,  1245 

kunnet  ir  mir  iht  gesagen 

waz  ir  von  iuwer  arbeit 

mit  iu  in  die  helle  treit 

mere  dan  die  siinde 

zuo  einem  urküude  1250 

daz  ir  boesliche  habt  gelebt 

und  statte  wider  got  gestrebt? 

weit  ir  iuch  des  niht  raäzen, 

alle  siinde  läzen, 

bihten  unde  büezen,  1255 

als  wir  alle  miiezen, 

ir  wert  gescheiden  ewiclich 

von  got  und  von  dem  himelrich. 

[Den  purga^rn] 
Strafet  die  burgaM-e, 

sprecht   ist  iu  iht  swsere  1200 

daz  man  über  al  seit 
daz  aller  hande  bosheil 
bi  iu  wirt  gebrüwen?  ,; 

wer  mac  iu  getruwen 

daz  ir  niht  mit  habet  pliliht?  1265 

daz  sprich  ich  dar  umbe   nihi        ;    .V.i 
93  VW.    daz  ich  bcesen  arcwuu 
zuo  iu  allen  welle  hau, 
mich  düht  aber  billich 

daz  ir  gar  vlizeclich  1270 

besa'ht  wer  scliuldic  wa?re, 
den  liezt  iu  sin  unmajre. 
ir  spiset  mangen  boesen  wihl 
der  iu  wa;rliche  vüeget  niht. 
wuocher  zouber  ketzeri  1275 

vürkouf  huor  simoni 
höchvart  gitekeit 
nit  haz  vräzheit 
phahtsniden  diupheit 

1253.  eu         1275.  chetzeriiei         1279.  phochsneiden.     ober  pfaht 
vcrgl.  zum  pfajfcn  Konvad  'ZI,  23.  der  siitti  ist  klar,  doch  vermag  ich 
das  wo7't  sonst  nicht  nachzuweisen,     vcrgl.  übrigens  facht  in   Toblers 
Z.  F.  D.  A.     II.  6 


81  BUCH  DER  RÜGEN. 

und  aller  slahte  valscheit,  1280 

vierhartcere  ritfiän 

speha?re  wert  ir  nimmer  An. 

weit  ir  beeren  kurzlich. 

uf  min  triu  des  dunkel  mich. 

swaz  mac  sin  von  bnesem  lisf  J285 

bi  in  allez  erdäht  ist. 

[Den  kaufleutenj 
Sprecht  zuo  den  koufliulen 
"waz  mac  daz  betiuten 
daz  iu  so  we  nach  guot  ist? 
ir  weit  alle  in  kurzer  vrist  1290 

werden  also  riebe 

daz  iu  niht  si  geliche  ,.    -  > 

gräve  oder  dienstman. 
da  von  ich  gedaht  han 
■*  ■- '  daz  ich  iucb  strafen  wolt,  1295 

wau  ir  gedenken  soll 
y3  rtv.     ich  lige  lihte  schiere  tot: 

sol  ich  mich  in  so  gröze  not 
durch  miniu  kint  versenken? 
"  ich  wil  dar  an  gedenken  1300 

daz  ich  nu  mere  hän 
dan  min  vater  ie  gewan. 
ob  ir  des  lihte  niht  entuot, 
so  nemt  daz  in  iuwern  muot, 
ir  varl  hin  gen  India  1305 

und  belibet  lange  da 
oder  verre  in  andriu  laut, 
der  iu  vil  ist  bekant : 
swenn  ir  her  wider  keret 

und  habt  daz  guot  gemeret  1310 

ir  vindet  jungiu  vänzelin, 
diu  mugen  lihte  eins  andern  sin. 
dunkel  iucb  des  aber  wol 
daz  man  daz  niht  sprechen  sol, 

y4p])cnzrl/.   Sprachschatz   s.    173.  1281.    virhart.rr.    Oherlin    1805, 

Srhmeller    1.  6."? 5.  l'29r>.    wolle  121M).  Won  — schölte 

1.311.  \:eiilzelciii.  Schmeller  1.  545  u.  TiSi.  J .  Grhnin   Uviiih.ßichs  s.Ti&. 


BUCH  DER  RÜGEN.  83 

so  bedenket  die  not,  1315 

daz  nienian  mac  vür  den  tot. 

so  man  iuch  ze  dem  grabe  treil 

und  iuch  da  vil  vaste  kleit, 

swie  ser  diu  vrouwe  weinet, 

doch  sie  sich  vereinet  1320 

und  siht  hin  unde  her 

'wer  ist  diser?  wer  ist  der?' 

sie  kleit  in  ir  herzen 

ir  grözen  smerzen. 

'min  lieber  wirt  ist  leider  tot!  1325 

mich  twinget  dar  zuo  gröziu  not 
t)4  VW.    daz  ich  ein  andern  nemen  müoz 

der  mir  tuo  miner  sorgen  buoz.' 
;i     .      si  schowet  an  sie  alle, 

welr  ir  wol  gevalle :  1 330 

der  wirt  dins  guotes  erbe, 

enruocht  ob  man  verderbe 

dine  sele  und  dinen  lip, 

er  hat  doch  din  schoenez  wip.  . 

nu  merket  ir  koufman  1335 

waz  ich  in  geseit  han :  < 

ir  wizzet  niht  wer  hin  treit        -      • 

daz  ir  mit  grözer  arbeit 

habt  über  mere  brähl. 

ir  het  sin  niht  also  gedähl.  1340 

dient  umb  die  ewikeit, 

ez  wirt  in  wahrlich  nimmer  leit.' 
[Den  die  alr  slacht  chaufent  und  verchaul'entj 

Sagt  den  kiufelsrn  also 

est  wunder  daz  ir  immer  vro 

werdet  üf  dem  ertrich,  1345 

wan  ir  sit  Judas  gelich 

oder  lihte  bneser  vil, 

als  ich  iu  bewieren  wil. 

der  wunderarme  Judas 

weste  niht  wer  der  was  1350 


1318.   .Ml  i:«-).   ire 


6* 


84  BUCH  DER  RÜGEN. 

den  er  der  judischen  diet 

verkoufte  umb  phenninge  und  verriet, 
94  rw.    und  gerou  in  doch  so  hart, 

daz  er  an  der  selben  vart 

die  phenninc  hin  und  wider  truo(  1355 

und  sich  vaste  ze  brüsten  sluoc. 

dö  er  der  Juden  ernest  sach, 

er  gedähte  unde  sprach 

'wan  ich  unschuldigez  bluol 

verkoufet  han  umb  kleinez  gaot.  13fi(> 

so  wil  ich  vaste  gäben, 

mich  an  den  stric  haben. 

mit  unmuot  er  hin  gienc, 

einen  ast  er  umbe  vienc, 

an  der   selben  stunde  gescbach  1365 

daz  man  in  da  hangen  sach. 

du  armer  kiufela're, 

nü  vräge  mich  der  m«re, 

so  sag  ich  dir  die  warheit, 

ez  si  dir  liep  oder  leit.  •  1370 

daz  Judas  got  verkoufet  hat  ;        ; 

des  mohte  niht  werden  rät, 

wan  ez  durch  unser  heil  geschach, 

do  got  uns  in  noeten  sach. 

du  verkoufest  ofte  got  1375 

und  hast  dar  zuo  dinen  spot. 

daz  Judas   einest  hat  getan, 

da  wil  du  nimmer  von  gelän. 

swenn  du  umbe  loufest, 
y")  viL<.    koufest  und  verkoufest,  •  1380 

mit  swern  gist  du  got  hin, 

daz  sprichet  aller  meister  sin. 

nu  verdenke  selbe  daz, 

wil  du  koufen  etewaz, 

du  spriciist    bi  got,  est  des  niht  wert!  1385 

und  bist  du  doch  der  sin  begert. 

du  nimst  daz  in  dinen  sin, 

1359.   1373.  Won         1385.  e  dez  nicht  w*t  "        ;}.. 


BUCH  DER  RÜGEN.  85 

swie  kleine  waere  din  gewin, 

du  wil  bi  got  dar  umbe  swern. 

wer  kan  dine  sele  genern?  1390 

des  hiil  Judas  nilil  getan, 

er  uiuosle  drizec  phenninc  liän, 

er  gap  in  tiurre  danne  du. 

armer  mau,  waz  seist  du  uu? 

du  mäht  dich  niht  unschuldic  geben,  1395 

got  weiz  allez  din  leben. 

ez  gerou  dich  nie  so  hart, 

du  woldest  an  der  selben  vart 

noch  zwir  als  vil  swern, 

daz  du  möblest  dich  genern.  1400 

du  hast  an  got  verzwivelt  nu,  W: 

da  von  b'st  ouch  verdorben  du, 

ob  du  dich  niht  bezzern  wil. 

got  hat  genäden  alse  vil  ). 

j  daz  er  dem  sündier  wil  vergeben  1405 

swaz  er  in  allem  sinem  leben 

wider  in  hat  getan:      -      ..;  •'  !• 

wil  er  von  den  sünden  län 

und  wil  genäde  suochen. 
yä  rw.    got  wil  sin  geruochen.'  /"   >  i  1410 

[Dem  Schergen  und  sein  gesellen] 

Den  Schergen  und  den  wuochera*r, 

litgeb  unde  spilajr, 

den  diup  und  den  schächman,  ' 

;  den  huorer  und  den  rillian 

heizet  loufen  bi  der  zit,  j.,  1415 

daz  in  der  vient  ir  Ion  git. 

er  wil  sie  schone  setzen, 

ir  dienest  wol  ergetzen 

üf  der  tiefen  helle  trön.  i     ' 

daz  ist  der  höhen  vürsten  Ion.  '  1420 

sprecht  ob  inderl  si  ein  man, 

des  ich  lihte  vergezzen  hän, 

der  in  wesen  mac  gelich, 

1389.  woli  139,'j.  machst  1417.    seu  . 


86  BUCH  DER  RÜGEN. 

den  nemen  mit  in  vrilich, 

im  wirt  diu  helle  niht  verseil,  1425 

der  vient  enwil  daz  ieman  kleit 
über  in  urab  sin  Ion, 
er  wil  sie  wern  gar  schön, 
sin  gewizzen  ist  so  gröz 

daz  er  sich  schämt,  ob  ieman  bloz  1430 

von  im  solde  keren, 
der  in  hat  in  eren 
gehabt  einigen  tac. 
niht  mer  ich  in  gesagen  mac, 
sie  wellen  danne  biiezen  1435 

Jesu  Krist  dem  siiezen 
alle  ir  missetät,  '. 

96  VW.    so  mac  ir  niht  werden  rät. 

[Den  gehorsamen  gepaurnj 
Ez  sint  zweier  slahte  gebür,  ■-, 

einiu  guot  diu  ander  sür:  .r  1440 

•  den  guoten  siilt  ir  guotlich, 
den  bcesen  sagen  zornlich.  . . 

get  zuo  den  guoten,  sprecht  also 
'liebiu  kint,  sit  staete  vro : 

mit  iuwerr  reinen  arbeit  .  1445 

spist  ir  alle  kristenheit. 
dar  an  belibet  stajt: 
swer  in  iht  anders  r«t, 
der  wil  iuch  verkeren 

von  got  und  von  sin  eren,  1450 

den  lät  iu  rehte  leiden 
als  Juden  unde  beiden, 
gelouben  nach  der  kristenheit,     .. 
gotes  vorht,  rein  arbeit, 

da  lät  iuch  nieman  wisen  abe,  1455 

swie  gesmacke  rede  er  habe, 
dient  iuwern  herren  wol 
mit  triuwen,  als  man  dienen  sol, 
mit  zinse  und  mit  wisät, 

14*28.  scu         1438.   niht]  wol         1441.  schult         1449.   1455.  eu 
1459.   weisat;  Schmeller  4,  180.  •  •-   "t; 


BUCH  DER  RÜGEN.  87 

als  iu  ez  gol  geben  hat.  1460 

gebt  iuwern  zehnt  mit  triuweii 
und  lat  iiiclis  iiihl  geriiiwen, 
vast   und  virt  ze  reliter  zit, 
leist  daz  man  an  der  bihte  git, 
'.t6  VW.    get  ze  kirchen,  gerne  bet,  1405 

als  iuwer  guoter  vater  tet. 
eret  die  heiligen  zit  . 

diu  iu  got  zerkennen  git. 
boese  liute  vliehet, 

die  guoten  zuo  iu  zieiiet.  ■•  1470 

die  ir  seht  in  hungernöt, 
den  teilet  mit  iuwer  bröl, 
lat  sie  niht  verderben  '    ,  • 

noch  vor  hunger  sterben, 

od  ir  Sit  der  rehte  schol,  1475 

daz  seit  uns  diu  geschrift  wol.    ,  ,•/; 
liebiu  kint,  sit  stajt  dar  an, 
als  ich  iu  geleret  hau, 
so  hat  iu  unser  herre  bereit  V 

nach  iuwer  grözer  arbeit  1480 

in  sinem  himelriche  ruo : 
da  bring  uns  got  alle  zuo/  ' 

füen  gepaurn  die  sich  zuo  houeleuten  geleichent] 
Mir  tuot  gebüre  hochvart 
zorner  dan  ob  sie  von  art 

hochverlic  möhten  sin:  1485 

da  von,  lieben  bruoder  min, 
get  zuo  in  und  sprecht  also, 
'so,  min  miilrössel,  so,  .-       .  ; 

ir  habt  iuch  gcnomen  an, 

des  iuwer  vater  nie  began,  1490 

«7  VW.    also  grozer  hochvart 

diu  lihte  nie  gehöret  wart 

von  keiner  slahte  gebürschafl, 

diu  doch  alse  gröze  kraft 

bieten  und  groezer  er  1495 

IWi.  euz         1488.  mulrSzsel         1489.  hap  cu 


88  BUCH  DER  RÜGEN. 

danue  ir  gewinnet  immer  mer. 
iu  ist  zuo  ungelücke  ger, 
svvenn  ir  nach  schilt  unde  sper 
geratet  setzen  iuwern  muot. 
volget  mir,  ez  wirt  iu  guot.  1500 

;  -.         '       iu  ist  bü  wol  bekant, 

nemt  die  arl  in  die  hant, 

ert  ziunet  unde  sael, 

snit  dreschet  unde  ma^t, 

und  ander  slahte  arbeit  1505 

'  .    .  die  man  gehören  üf  leit, 

als  iuwer  vater  hant  getan, 

die  wären,  wa?n  ich,  guote  man. 

swer  des  nihl  gehorsam  ist,      i:-' 

bedenke  sich  in  guoler  vrist  1510 

;  waz  er  da  von  widerdriez 

und  wie  kleinen  geniez  i  ^     i.; 

wirt  gewinnen  her  nach,  • '>'    ,. 

dar  zuo  im  nu  ist  so  gach. 

die  edeln  übersehent  niht,  ...  1515 

daz  sie  mit  in  haben  phliht 

in  keiner  slahte  geseUeschaft 

oder  daz  sie  ir  kraft 
97  rw.    gegen  in  erzeigen : 

sie  müezen  in  vür  eigen  1520 

dien  oder  liden  not,  ' 

daz  in  wseger  wa^r  der  tot. 

dannoch  ist  daz  groezer  vil 

daz  in  der  vient  geben  wil 

an  euer  werlde  ze  löne,  1525 

dem  sie  hie  dienent  schöne,       ; ; 

ze  spise  nätern  slangen,  ' 

wil  sie  nach  trinken  blangen,  .     < :  *,    .       v 

er  macht  in  eine  zeche  .-  ^ 

von  swebel  und  von  peche,  .    •  1530 

von  czzich  gallcn  galgan, 

als  der  übel  vint  wol  kan. 

1531.  galgan.  vielleicht  ist  galga  nux,  gallapfel  gemeint 'i>    vergl. 
Carpentier  zu  Du  Cange  unter  galga.  ..,  i  ' 


BUCH  DER  RÜGEN.  89 

[Den  werltliclieii  vrowen] 
Wir  müezen  alle  des  verjehen 
daz  mau  vrowen  übersehen 

sol  von  drin  Sachen:  1535 

daz  wil  ich  war  machen, 
ich  wil  die  sache  nennen 
daz  man  sie  mac  erkennen, 
von  zwein  sachen  sol  man  ern 
vrowen  und  ir  lop  mern:  1540 

diu  dritte  sache  erbarmet  mich, 
wan  si  ist  erbärmeclich. 
nu  beeret  unde  merket  wol 
wä  von  man  vrowen  eren  sol. 
wir  waren  ewiclichen  tot,  1545 

118  VW.    uns  brähte  ein  vrowe  üz  aller  not 
diu  uns  den  heilant  gebar, 
als  ir  wol  wizzet  alle  gar, 
si  ist  Maria  genant, 

über  alle  kristenhcit  erkant.  1550 

durch  ir  reinen  zarten  lip 
eret  elliu  vrumen  wip. 
die  andern  sache  nenne  ich  iu 
sicherliche:   daz  ist  diu, 

wir  haben  alle  wol  vernomeu  1555 

daz  wir  von  vrouwen  sin  bekomen: 
da  von  sol  man  sie  billich  ern 
und  ir  lop  statte  mern.  *     '^   ' 

er  wicre  niht  ein  vrumer  man' 
der  daz  niht  wolde  statte  hau  1560 

und  niht  nsem  in  sinen  muot 
die  zwo  Sache  wunderguot. 
weit  ir  die  dritten  sache  hän, 
so  gedenket  dar  an,  i 

habt  ir  mit  in  ze  reden  ihl,  1565 

ob  kein  strAfe  da  geschiht, 
der  mugens  niht  erliden,  :. 

swie  daz  si  niht  miden  i 

15G2.  7.U0  ••';.''  .--'  .     . 


90  BUCH  DER  RÜGEN. 

swaz  man  in  verbieten  kan : 

wolden  siez  niht  hän  getan,  157U 

ez  muoz  zehant  dar  nach  geschehen. 

des  müezen  alle  die  mir  jehen 
'J8  VW.    die  vrouwen  ie  hänt  erkant 

in  der  werlt  durch  elliu  lant. 

da  von,  lieben  bruoder  min,  1575 

lät  iu  iinmwre  sin 
'ii  •  I  zuo  der  strafe  und  zuo  gebot, 

si  hietens  doch  vür  einen  spol. 

wan  mugt  ir  sie  wol  leren 

wie  von  sünden  ze  keren  158Ü 

der  mensche  sol  sin  bereit, 

zenphähen  die  süezekeit 

die  got  in  sinem  riebe 

teilen  wil  geliche 

die  sin  willen  haut  getan,  1585 

kint  vrowen  oder  man? 

swaz  man  vrowen  sagen  sol, 

als  ir  alle  kunnet  wol, 

daz   sagt  in  also  guotlich    -    "  ■ 

daz  keiniu  vergezze  sich.  1590 

diu  vil  liht  so  gwhe 

wa^re  oder  spa^he         \       , 

daz  sie  zürnen  wolle,  v 

des  sie  doch  niht  ensolle, 

die  nemt  besunder  hin  dan,  1595 

strafet  sie  als  einen  man 
.  oder  triwen  vürbaz, 

wan  ich  hän  gelesen  daz 

'kum  sich  vor  dem  wolve  ernerl 

der  sich  der  wülpen  niht  enwert."^  1000 

91)  VW.    [Daz  gehört  die  priid*  selb*  an  die  pdigeu 
schullen  vnd  lern  die  cstenhait] 

Hoert,    ir  bruoder,  minen  rat. 

Sit  iu  got  enpholhen  hat 

die  kristenheit  ze  leren 

1570.  WoUiii  seuz  1572.  mir  die  1579.   waiij  waz 


BUCH  DER  RÜGEN.  91 

uäch  zuht  und  nach  ereu, 

so  hebet  mit  den  werken  an,  1605 

als  unser  herre  hat  getan: 
diu  süin  sta*te  wesen  guot. 
dar  nach  nemt  in  den  muol 
daz  ir  an  der  bredige  seit 

ze  aller  zit   die  warheit.  1610 

geboesert  niht  mit  ungebär 
die  liute,  wan  sie  nement  war 
wie  ir  iuch  da  zuo  keret 
daz  ir  mit  worten  leret. 

da  von  halt  iuwer  zuht,  1615 

von  allen  siinden  habet  vluht, 
keret  iuch  zuo  gote 
und  ze  sinem  geböte, 
daz  nieman  viir  die  warheit 
gesprechen  müge    swaz  der  seit  1620 

und  mit  worten  leret, 

mit  werken  da  von  keret/  ,.  - 

got  weiz  elliu  herzen  wol, 
da  von  muoz  unde  sol 

der  mensche  in  allen  stunden  1625 

tuon  des  er  ist  gebunden, 
y.t  >*«'.    da  von,  bruoder,  sit  gemant, 
wan  iu  tugent  ist  bekant, 
ze  rihten  iuwer  sinne 

nach  der  wären  minne.  .  1630 

iuriu  wort  sin  sta'te  war, 
heimlich  unde  offenbar, 
iuwer  leben  geislich  ;, 

sta'te  und  unvreislich.  ;   , 

diu  herzen  sin  vridelicli  .    >  1635 

und  der  muot  silelicli,  ,  , 

daz  iir  iuch  niht  werde  getriben 
also  wir  vinden  gcschriben 
'swenne  eigen  schuld  den  lereer      ,,5 
strafet,  daz  ist  lasterbier.'       ,     ,,.,,,;,  1640 

1607.  schulii  1G^2.  vcral.  zu  Iw.  458  und  m  IlerboH  828. 


92  BUCH  DER  RÜGEN. 

vlieht  die  vrowen  bi  der  zit, 
wan  'ungewoerer  stsete  lit 
stro  bi  dem  viure 
da  wazzer  wa-re  tiure.' 

ob  ez  aber  nu  geschult  1645 

daz  ir  mit  in  weit  reden  ihl, 
Jl"  daz  si  nütze  und  kürzlich, 

des  man  ich  iuch  gar  vlizeciich. 
niht  diu  händel  drücken, 

niht  hin  zuo  smücken,  1650 

niht  loslich  an  blicken, 
'  '  niht  diu  ärmel  zwicken, 

niht  schouwen  rötiu  wängelin. 

daz  lät  also  durch  got  sin, 

da  kumet  von  boeser  gedank  1655 

und  werdent  vestiu  herzen  krank. 


SANCT   OSWALDS    LEBEN. 

205"     Ueme  noch  frewden  mere       > 
Stet  alle  seyn  begere 
Der  höre  czu  gar  ebin 
Von  sinte  Oswalden  Icbin  * 

Das  allw  geschrebin  stat  5 

Vnd  was  her  begangen  hat 
Dem  kinde  lobesam  ■      '    ' 

der  todt  ymbeczeite  uam  '  ■ 

Beyde  vater  vnd  muter  ' 

do  begunde  der  vil  gute  •'     ■  10 

vil  willich  her  began 
Sey  vater  hatte  em  gelan 
Reichtum  vnd  gutis  ane  mosz 
Synt  das  her  eyn  heyde  was 
Her  lys  jm  bürge  vnd  lant  czu  eigen  15 

Das  nmste  man  jm  beczeigen 
dinst  vnd  vil  eren 

164'2.   VVnii— uugcvvare         1649.  h«(]t;l         lOlö.  lözlcich 


SANGT  OSWALDS  LEBEN.  93 

alle  (ly  grosen  Herren 

Dy  bey  den  seibin  jarcn 

Vndir  yni  gesessen  waren  20 

Newn  konig  reiche 

dinlin  ym  alle  gleiche 

dreyczen  bischolTc 

Gehorten  czu  seynem  hole 

Virczig  grouen  bey  namen  25 

Alle  czu  seynem  dinste   qwonicn 
205''     Von  den  wart  her  gesundert 

Ritter  sebenczen  hundert 

Vnd  dreysig  tawsint  man 

dy  ym  czu  geböte  musten  slan  30 

Do  der  milde  sinte  oswaldt 

Gewuch(s)  vnd  wort  so  alt 

Das  ym  konig  geiug 

Seyn  swert  nochtrug 

Do  ryten  em  alle  seyne  man  35 

her  sulde  das  mit  nichtc  lau 

her  sulde  nemen  endelich 

Eyne  fraw  lobelich 

Dy  ym  wol  beqweme 

Vnd  ir  gebort  ym  ebin  czeme  '"40 

Also  oswalt  an  dy  czyne  qwan 

do  sach   her  komen  eynen  mau 

Czu  seynem  hoffe  her  do  ging 

oswalt  en  wirdiglich  entphing 

her  sprach  liber  bruder  meyn  45 

wy  ist  der  name  deyn 

Her  sprach  ich  heyse  tragemund        ■ 

Alle  lant  syut  mir  wol  kunt 

Czwc  vnd  sebeczig  czungeu 

das  wunderte  den  iuugcn  50 

Gar  scrc  das  her  en  l'rogete 

vnd  bat  das  her  ym  sagete 
20G  "     ap  her  yrne  hette  irkorn 

Eyne  iuncfraw  zo  wol  geton 

dy  ym  czu  nemen  tuclite  55 

do  her  mit  ir  blcbin  mochte     ■■■■' 


94  SANGT  OSWALDS  LEBEN. 

kewsch  bas  an  seyn  ende 

Vnd  alle  niisseweude 

Neyn  sprach  der  bruder  czwor 

dy  werlit  ist  zowuste  gar  60 

Sinte  oswalt  alczu  hant 

Nam  den  bruder  bey  seyner    lianf 

Vnd  fürte  en  vil  drote 

yn  eyne  kemenote 

off  seynen  stul  her  en  satzte  65 

vff  dy  bang  her  sich  selbir  satczte 

Uy  hrn  worn  des  gewar 
Sy  sprochin  alle  olfinbar 
Herre  ir  tut  nicht  recht 

Das  ir  nedir  fallit  also  dy  knecht  70 

ofF  dy  harten  bencke 
Ir  suUet  euch  bas  bedenckin 
das  do  sten  czu  ewer  hant 
Stete  bürge  vnd  eygen  laut 

vnd  thut  ewerim  leibe  nicht  zo  we  75 

vnd  sitczet  uff  dy  benche  nicht  me 
Durch  got  habe  ich  geton  .    ./ 

das  desir  gar  nmder  man  ;• 

206''     Gerue  doruffe  diste  bas 

vil  wol  gan  ich  ym  das  80 

Her  sprach  liber  bruder  meyn 
Sage  also  lip  alz  dir  got  mag  geseyu 
Kennistu  yn  deyne  synne 
Irne  eyne  konigynne 

dy  mir  czum  weihe  tuchte  .      "  85 

vnd  keusch  mit  mir  bleibin  mochte 
do  sprach  der  bruder  hyr 
Ferre  obir  das  wilde  mer 
Doch  wil  ich  dir  eynen  rot  gebin 
Mit  der  du  kewsch  magist  lebin  90 

Do  wouct  eyn  konig  freysam 
Der  bot  eyne  tochter  lobesam 
Sy  hot  tugende  vnd  schonde  aue  czil 
...V  \'orwor  ich  das  sprcchin  wil 

Juncfraw  spangc  ist  sy  genant  .  '  95 


SANGT  OSWyVLDS  LEBEN.  95 

Ir  vater  ist  den  beiden  weit  bekanl 

Wer  sy  freyet  das  sage  ich  ane  czorn 

Seyn  lebin  hol  her  czu  hani  vorlorn 

Sy  ist  zo  gar  behende 

Sy  bleibit  kewsch  bys  an  ir  ende  100 

Synte  oswalt  ane  der  stunf 
Spracli  vil  über  tragemunt 
Rot  mir  \vy  ich  sy  gewynne 
Dy  selbige  kewsche  konigynne 

207"     Her  sprach  alz  ich  habe  gesayl  105 

Wer  sy  freyet  dy  schone  mayt 
Der  bot  vorlorn  seyn  lebin 
Her  mag  nicht  wol  dowedir  strebin 
Doch  mich  dewehte  ys  notze  were 
du  host  wol  acht  jor  here  110 

Eynen  rabin  geczogen  ane  wan 
das  her  vil  wol  sprechin  kan 
den  losz  balde  brengen  her  ' 

vnd  volge  meiner  lere 

vorgulde  ym  seyn  geFedere  '  115 

Tsz  brengit  dir  fromen  wedere 
versilbere  yni  dy  clawen  seyn 
vorgulde  ym   seyn  snabil  feyn  '  ^*'' 

Mache  ym  uf  das  hewpt  schone  ' 

Eyne  güldene  crone  120 

Vnd  losz  yn  jn  das  beiden  lanl  ' 

Flien  das  wirt  ym  bekant 
Der  sal  freyen  dir  czo  (gar?) 
dy  edele  mayt  das  glewbe  mir  czwor 
her  sprach  vil  liber  bruder  deyn  (/.  meyii)      125 
Got  lone  dir  das  rotin  deyn 
Oswalt  bys  hin  springen  -  ** 

her  hys  den  raben  brengin 
her  satczte  yn  ut'  seyne  schossz 
wy  wenig  en  das  vordrosz  130 

207''     her  streichle  ym  seyn  gefedere 
vom  hewpt  bys  her  nedere 
her  begunde  mit  ym  czu  kosin 
der  rabe  horte  gar  lose  ' 


96  SANGT  OSWALDS  LEBEN. 

Her  sprach  vil  über  rabe  meyn  135 

du  must  nw  meyn  bole  seyn 
Gar  ferre  yn  fremde  lani 
Mir  ist  worden  bekant 
.  .; ,  das  ein  konig  gar  vormessiii 

Obir  das  mer  ist  her  gesessin  140 

Der  ist  eyn  heyde  freysam 
vnd  hol  eyne  lochte  lobesam 
dy  ist  genant  iuncfraw  spange 
;  du   Salt  nicht  beyteu  lange 

vil  liber  rabe  meyn  145 

Frey  mir  das  megeteyn 

Synte  oswalt  mit  losten 
do  den  raben  koste  M 

Vorne  an  seynen  spitczen  munl 
vnd  druckte  yn  czu  der  seibin  stunl  150 

an  seyn  hercze  liplich 
her  sprach  got  hy  von  hyüielrich 
der  losze  dich  gesunt  von  mir 
her  lachte  yn  an  gar  wunderschir 
her  sprach  vil  liber  rabe  meyn  155 

Irwirp  nw  das  megeteyn 
208 '^     her  sprach  ich  vorsage  dirs  nicht      , 
Ich  habe  dorczu  gar  gute  phlichl 
das  wil  ich  gerne  thueu 

das  du  mir  gebewtist  nw  H>0 

nu  losz  balde  hin  springen 
Eyn  gülden  liugerleyn  brengen 
das  ich  dir  möge  vnvorczait 
gebin  der  vil  schonen  mayl 

ap  ich  sy  irwerbin  kan  .  I(>5 

Wennc  edele  iuncfrawen  han 
gerne  lipliche  goben 
her  tat  alz  eu  hys  der  rabe 
vnd  lysz  eyn  achtbar  vitigerleyn 
Brengen  das  was  guldeyn  170 

das  was  gewest  des  vaters  seyn 
do  stunden  drey  steine  yune 
dy  worn  cdil  vnd  gut  .      ' 


SANGT  OSWALDS  LEBEN.  m 

der  eyne  was  dy  deinut 

der  aiidir  dy  gerechtikeil  175 

der  dritte  was  dy  kewsclieit 
dy  hatte  sinle  oswalt 
dy  drey  mit  ym  mit  gewalt 
das  vingerleyn  ym  lip  was 

zo  das  her  der  iiy  vorgas  180 

hy  czu  cleynen  stunden 
dem  rabe  wart  gebunden 
das  vndir  den  tlogil  seyn 
208''     her  sprach  vil  über  rabe  meyn 

das  gib  der  edeln  konigynne  185 

.'Juncfraw  spangen  durch  den  willen  meyn 
wiltu  eyn  fromer  böte  seyn 
So  brenge  mir  von  ir  eyn  vingerleyn 
das  ich  möge  dy  worheit 

Irkeunen  zo  werde  ich  gemeit  190 

der  rabe  czum  herren  sprach 
williglich  gerne  vnd  lach  ,i( 

ap  got  von  hymel  wil  / 

Ich  kome  hyn  yn  eyne  kortzy  czil 
vnd  frolich  wedere  195 

her  schotte  seyn  gefedere 
vnd  Hoch  in  das  lant  --  ■■  ,'-         ;  •; 

das  ym  der  beide  wart  bekant  j 

Ho  her  den  herren  an  sach 
■    Czuchliglich  her  czu  ym  sprach  200 

Gegrusset  seystu  heydenischer  man 
der  beide  sach  den  rabe  an 
her  gruste  en  wedir  vnd  sprach       ^ 
Czu  seyne  herren  vfi  jach 

wer  bot  hy  zo  sewberlich  205 

desen  raben  wunderlich  ,     ,.   . 

Mit.  silbir  also  gccziret 
vnd  mit  golde  also  floriret 
dy  herren  alle  zunder  wan 
200^     den  raben  begunden  alle  czu  ym  yen  210 

Sy  betten  schoncrs  rabin  ny  gesen 
Der  beide  en  do  fragete  ., 

Z.  F.  U.  A.     IF.  7 


98  SANCT  OSWALDS  LEBEN. 

vnd  bat  das  lier  xm  sagete 
von  wanne  licr  komen  wero 
vnd  durch  welcheiiey  mere  215 

das  vmme  her  durch  dy  lanl 
der  rabe  yni  das  nicht  bekanl 
Torste  seynen  willen  gebin 
i>8l  zo  bette  her  das  lebin  verloren 

wer  der  beide  worden  ynne  220 

das  her  dy  konigynne 
Seyne  lochter  wolde  freyen 
her  bette  sich  über  raocbt  vorczeien 
<..^  t  doch  vorsweig  (her)  dy  worheit 

das  ym  icht  wedir  werde  leit  225 

her  sprach  ys  ist  eyn  konig  reiche   ' 
dem  kan  sieb  nymant  gieichin 
vnd  wonit  yn  dem  dewtczin  lande 
iXil  vnd  hol  eyn  laut  weit  vnd  grande 

Her  bot  auszgesanth  mich  !>    .  230 

her  bot  bereit  sicherlich 
Vierdehalpbundert  güldene  cleyder     "■ 
vnd   sprach  czu  dem  heydin  ;  ^ 

r.*??  Weldistu  dich  (ewfin  Ion 

der  cleyder  must  du  eyn  par  bau      •  235 

209''     her  sprach  libis  rebeleyn       ü. ü  ;.■;/ 
lossz  mich  bleibin  der  ich  bin  >' 

Nicht  nie  sage  mir 
•■:'■■''-  Von  der  toffe   das  sage  ich  dir    ^^  ' 

Meyn  brot  vnd  meyn  weyn  «''  240 

Sal  williglichen  deyn  ''■ 

Seyn  bys  an  deyn  ende       ;      ^,  - 
du  bist  also  bebende 
•  I.  Her  sprach  wiltu  wunder  sehen 

zo  losz  balde  her  yen  245 

das  schachczagil  spil  brengin  dir 
der  beide  sprach  nw  sage  mir 
Off"  die  rechte  trewe  deyn 
«UV  Von  dem  schachczagil  spil  meyn 

her  sprach  nw  ich  dirs  sagin  sol  250 

du  hast  eyn  brct  das  ist  wol 


SANGT  OSWALDS  LEBEN.  91» 

hundert  lote  marg  wert 

der  heide  mit  der  fart 

lys  balde  loffin  hin 

vnd  brengen  das  spil  vor  en  255 

das  bret  was  von  hellinbeynen 

Saphiren  worn  dy  steyne 

Mit  gulde  zo  durchslagen 

das  ys  ir  czwelfe  musten  tragen 

dem  heidin  dy  rede  wol  gefii  260 

Im  was  übe  zu  dem   spil 
210"     das  bret  was  groz  vud  starg 

Is  koste  wol  hundert  niarg 

das  schachczagil  spil  mit  der  farl 

do  vor  en  gebrocht  wart  265 

do  hys  der  heydenische  man      |  t)!) 

den  raben  hebiu  an 

der  rabe  alvmb  sich  sach 

Czu  den  herren  her  do  sprach         . 

dy  dort  worn  yn  dem  sal  270 

her  grusle  sy  abir  al 

her  bat  sy  alle  gemeyne 

das  ym  alleyne 

wünschten  gewynnes  heil 

her  sprach  ich   wil  euch  gebin  eyn  teil  275 

Ich  achte  nicht  wen  ys  berewe  .  .  ^ 

Ich  cleide  euch  alle  newe 

dy  herren  mit  grosim  schalle 

wunschtin  ym  heyles  alle  ,.,  /;.!'. 

Der  rabe  do  dy  weile  nam   f  >    t/  280 

(»'•;.  vnd  zoch  gar  furchtsam       *  >    rr?  rnö 

das  her  dem  heydenischin  man 

das  spil  allis  an  gewan 

her  gewan  des  suldis  i,«  ■''.'..  ', 

dreyhundert  marg  guldis  /  285 

,: ••::  Goldis  vnd  auch  wol  mir 

des  irczornitte  her  den  heidin  zere 

der  heide  sprach  czu  dem  raben       m 
210''     Ich  wil  dy  weile  meyn  ebin  habin 

Wol  her  an  alle  meyne  man  290 

7* 


xm  SANGT  OSWALDS  LEBEN. 

dy  Ich  nw  liy  oben  haCn) 

der  rabe  niusz  seyn  hewpt 

hy  lossen  das  gelewpt 
'li'.S  her  imisz  meyn  gefangyn  werdiii 

vor  mir  mag  her  nicht  wol  genesin  295 

Em  helfe  denne  eyn  bedirman 

Mit  bescheiden  werten   der  rabe 

Sprach  dem  beiden  den  czorn  abe 
Di)!;:  her  sprach  wort  yr  y  von  trewen  holt 

So  nemet  hin  das  selbe  golt.  300 

vnd  kewft  mir  alczuhant 

edil  tewer  gut  gewant 

Purpir  vnd  scharlachen 
i;al  das  sal  man  desin  herren  machiii 

Der  beide  dys  nicht  lysz  305 

das  gewant  her  kewffin  hvs 

das  dy  herren  sulden  haben 

vnd  hys  das  vor  den  raben  -  ^  ^ 

i'i  ofF  eyne  lolfil  do  vortragin 

das  gap  her  der  herczogin  '  310 

vnd  den  andern  grosin  herren 

Eyrae  itczlichin  noch  seynen  eren 

das  sy  seyn  wol  gedechtin 
4  V5  'i  her  gap  rittern  vnd  knechtyn      "    *  '^^ 

211"     kochen  gesinde  vnd  knaben  '5  315 

musten  ouch  seyn  gewant  habin 
Das  tat  her  allis  vilib  das 

das  her  qweme  czu  der  mosz 
■■'  Ap  en  der  liunger  twunge 

das  ym  wol  gelunge  "  320 

Qweme  her  yn  das  kochhaws 

das  en  nicht  her  wedir  aws 

Trebin  dy  aschinbrodele  >   '•  •  ' 

Vnd  slugen  en  uf  seyne  gefedere      '' 

do  eyn  das  gewant  gecleidet  wart      '"  325 

Yderman  noch  seyner  art 

her  brochte  das  mit   hobischeil  ' 

das  der  konig  ouch  seyn  cleyt    •      •       ' ':*i 
-V-  Beguudc  selbir  czu  tragen  '  ^' 


SANGT  OSWALDS  LEBEN.  101 

Juncfraw  spange  horte  sagen  330 

Off  der  bürg  dy  mere 

wy  do  cyn  rabe  were 

der  künde  Wunders  also  vil 

wol  czyen  das  schachczagil  spil 

das  wunderte  sich  dy  iuncfrawe  335 

den  rabeu  wolde  sy  schawen 

Sy  hys  bereitin  ir  gewant 
das  totin  dy  meyde  alczu  hanl 
An  eryn  leip  wart  geleth 

Eyn  sne  weysz  cleyt  340 

Do  worn  wassir  perlyn  uf  getragen 
211''     Vnd  mit  gulde  wol  durchslagin 

Ir  volgete  noch  eyne  grosze  schar 
Sechczig  frawen  dy  worn  dar 
vnd  hundert  iuncfrawen  345 

dy  man  vil  gerne  mochte  schawen   f* 
Dy  iuncfraw  ging  czu  hant 
do  sy  erin  vatir  fant 
Czuciitiglich  sy  czu  ym  sprach    .    .g 
;f^r.v'>o  Do  sy  en  an  sach  .;    )  n;  350 

bey  nieynem  gote  vil  süsse  ,-  ^.,j 

Edeler  vater  ich  dich  grusse      :      f  • 
her  sprach  edele  tachter  meyn       £,   . 
Meyn  got  sal  deyn  Ion  seyn 
her  was  schaftu  ,v  355 

vor  mir  edele  tachter  nw  ,      1  -  i  • 

Sy  sprach  ich  habe  vornomen 
wy  eyn  rabe  her  ist  komen 
Ferre  ausz  dewlczin  landen  ,,  j 

Noch  deme  ist  mir  zo  bange  360 

Sy  sprechin  her  kiinde  Wunders  so  vil 
vnd  wol  czyn  das  schachczagil  spil 
her  sprach  yo  tachter  zwor 
das  ist  alczu  mole  wor 

Gestirn  her  gewan  nyi/}  365 

dreyhundert  marg  mir  an 
Sich  an  viiib  desin   sal  j- 

212*     Wy  her  vnscr  volk  obir  al         1  vü 


102  SANGT  OSWALDS  LEBEN. 

Schone  hot  her  sy  gecleil 

(las  alle  seyn  gewant  tret  370 

desir  wunderlichen  sachin 

dy  iuncfraw  hegunde  czu  lachin 

Sy  sprach  vil  über  vater  meyn 

Vnd  mag  der  rabe  meyn  geseyn 

her  sprach  gestern  yn  der  nacht  375 

hat  ich  dir  en  bedocht 

Jo  vil  libe  lochter  meyn 

her  mus  yiiier  deyn  eygin  seyn 
OiC  dy  iuncfraw  alczuhant 

des  rabin  sich  vnder  want  380 

her  wolde  nicht  mehe  gan  «'!!,' 

Sy  muste  en  an  erim  arme  trayn 
Sy  trug  en  vil  drote 
CiC'  In  eyne  kemmenotc 

So  sy  nymande  me  woste  '  385 

Sy  rette  mit  ym  was  sy  loste     ^    „^  . 
Sy  druckte  en  liplich  an   sich 
Sy  sprach  meyn  got  behüte  dich 
I  -  her  sprach  iuncfraw  das  ist  nilit  wol  getan 

das  yr  dy  apgote  betet  an  390 

Glewbet  an  den  woren  got 
der  alle  ding  geschaffin  hot  * 

Vnd  loth  euch  tewfin  vil  balde      ,     - 
So  werdit  ir  bchaldin  ■-  ' ' 

212''     vnd  ir  werdit  da  von  selig  '  395 

vnd  aller  sundcn  ledig 
Do  sprach  das  edele  megeteyn    ' 
Ich  tar  nicht  von  dem  vatir  meyn 
'  Der  ist  zo  gehas  den  cristen 

Mit  allen  seynen  listen  >•  40O 

Wo  her  das  irfurc  "- 

das  lebin  ich  vorlore  .   i',i 

der  rabe  sprach  iuncfraw  meyn  ' 

Nym  mich  an  dy  arme  deyn 

vnd  merckc  ebin  vnd  wol  i    <;,'  /^^)^ 

was  ich  dir  sagin  sal  .  ;  .    .i 

Dy  iuncfraw  lobesam       -  '  »^''     '  'i> 


SANGT  OiS WALDS  LEBEIN.  103 

den  rahiii  an  eriii  arm  nani 

Czu  haut  der  rabe  vnvorczayt 

Frevle  dy  schone  mayl  410 

her  sprach  gut  grusse  dich  iuncl'raw 

Got  grusse  dich  lügen  ey  rosen  taw 

Got  grusse  dich  licliler  morgenstern 

Meyne  awgen  dy  sehn  dich  gerne 

Got  grusse  dich  meyeu  reysz  415 

Got  grusse  dich  bluendes  paradisz 

Got  grusse  dich  cdele  kouigynue 

Ver  spange  libe  iuncfraw  uieyn 

Sy  sprach  got  vorgelde  dir 
213"     So  was  kanstu  mir  420 

Also  schone  sproche  sagen 

Jo  torste  ys  ny  keyn  konig  wageu 

Vmb  nich  her  vorturbe  ^\(i 

das  her  y  gewurbe  jfn -»/. 

Is  ginge  yni  an  das  lebin  seyu  425 

her  sprach  czartis  iuncfrawleyn 

Vorgysz  deyner  togunt  nicht     iy  }r,-rr 

das  du  nicht  lest  totin  mich 
Sy  sprach  neyn  ich  zwor 

das  bys  an  alle  vor  !|>.  oG'      ■         i30 

Grusse  mich  vnd  frey  'i> Il- 

aiso lip  das  dir  sey 

her  sprach  zo  merke  dese  ding  1 

Mich  hot  eyn  cdil  iuncgeling 

der  obir  yenisz  mer  wont  435 

her  iuncfraw  czu  euch  gesaut 
Der  ist  iumfczen  jor  alt 

vnd  ist  geheisin  oswalt 

her  ist  eyn  konig  lobclich 

gar  gewaldig  vnd  reich  ^^vi«?;  •  "^^0 

Gar  toguntsam  vnd  gut 

Czu  gote  stet  ym  seyn  nuil 

Mit  vasten  vnd  mit  beten 

Got  wil  her  niht  abe  trelin 
213''     In  der  kirchin  czu  allir  czcil  i,  445 

her  ouch  vil  gerne  leyt         u."  :)/: 


(    uirjU 

V,?.    Vfj 

V    ?.fi\'f 

^^viu;^ 

■  iV 

.'■'■f 

! '}     "1  "■'.> 

lOi  SANGT  OSWALDS  LEBEN. 

das  tut  her  ouch  vrab  got 

der  alle  ding  geschoffin  bot 

der  entpewt  dir  iuncfrawleyn 

weldistu  seyn  bule  seyn  450 

ber  weide  mit  dir  lebin 

vnd  weide  dir  seyne  trawe  gebin 

kewsch  bas  an  das  ende  seyn 
'•li  Neyn  spracb  das  edele  megeteyn  ^  fi) 

bore  was  icb  dir  wil  sagen  455 

vnd  vornym  mir  meyne  clage 

Is  ist  wol  dreyczen  jor 

do  starb  mir  meyne  muter  dar 
i'^'.'i'  Oucb  bot  mir  meyn  vater  vorczall 

Wenue  icb  worde  xvj  jor  alt  460 

Vnd  dorczu  qweme 

das  ber  micb  dy  weyle  neme 

An  meyner  muier  stat 
'-■^^-  bore  was  ber  geton  bat 

Durch  meynen  willen  synt  465 

wol  vierdebalp  bundert  konigis   kynt 

von  ym  getotit  alle 

warte  wy  das  dir  gevalle 
''1  •'  Do  sprach  das  rebeleyn 

214"     Czu  dem  megeteyn  470 

Nu  bore  iuncfraw  wol  getan 

Nym  oswalt  czu  eynem  man  V;r! 

das  du  mit  ym  werlicb 
'  •  kommist  yn  das  bymmelreicb 

Wiltu  ouch  Zunder  wan  .   .  .475 

Bete  vnsern  got  an 

Sy  sagen  ouch  wol 

was  vns  gesehen   sal  ;      ' 

Juncfraw  spange  saget  der  rabe    -r; , 

Tut  euch  der  rede  abe  480 

vnd  glewbit  an  ibesum  crist 

der  eyn  worer  got  ist 

vnd  nemet  an  euch  dy  tawffc  der  zelikcil 
<'»  ♦*  zo  kommet  ir  yn  dy  ewigkeit  ;:. 

vnd  wert  czu  den  stunden  485 


SANGT  OSWALDS  LEBEN.  105 

von  ewern  suuden  entpunden 
der  werdil  ir  alle  ledig 
vud  ewig  vnd  vmmer  selig 
Nu  hore  was  ich  dir  sagen  wil 
du  spricht  also  recht  vil  490 

Von  dem  konige  hochgemut 
Vnd  qweme  ys  yn  meynen  mut 
Mochte  her  denne  wedir  sten 
dem  grymmigen  vatir  meyn 
21 4''     her  sprach  jo  edele  kouigynne  495 

frew  dich  vnd  bys  fro 
deyme  fridil  musz  also 
dynen  vnd  wesin  vndirtan 
dreyczen  bischoft'e  lobesam 

Vierczen  grofen  lobelich  -;  500 

vnd  newn  konigreich  .' 

Fumfczenhundert  ritter  vnd  gut         ^ 
Alle  müssen  thun  seynen  mut 
vnd  dreyssig  tawsint  man 

dy  synt  ym   alle  vndirtan  b  505 

de  iuncfraw  spange  dese  wort    i«   ;iO"    ''  t,  i  L. 
von  dem  raben  hatte  gebort        .»  'i^^'il 
So  frolicb  sy  do  wart  'J   • /l 

Sy  sprach  do  czu  desir  varl  i 

Wol  mir  das  ich  ie  gewan  -1  510 

das  lebin  liber  rabe  nw  sage  an        * 
bot  was  mir  meyn  fridil  ausz  gesant 
Mir  bey  dir  icbt  obir  laut 
her  sprach  eyn  guldyn  vingerleyn      1 
das  nym  vnder  dem  flogil  meyn  515 

üii'.  Nu  czu  desin  stunden 

hy  bot  her  mirs  gebunden  - 

dor  vnder  mit  der  hant  sey         >  JiiV- 
das  sal  iuncfraw  wesin  deyn  i 

215''     wenne  du  Übe  iuncfraw  meyn  5  520 

>(*..  An  sist  das  vingerleyn  '^Ai  ;i!ilO        ''*' 

So  gehoristu  ymmer  werlich  iJ 

Czu  dem  schonen  hymmelreich  i 

Uo  das  dy  edele  mayt  ü.  tjji' 


106  SANGT  OSWALDS  LEBEN. 

An  sach  vnvorczayt  525 

Sy  warl  also  wol  gcmut 
Von  dem  vingerleyn  gut 
Beyde  kewscher  vnd  toguntsam 

0^',  Rechtin  globin  sy  an  sich  nam 

her  sprach  iuncfraw  seyt  ir  530 

meynem  herren  holt  zo  sendit  bey  mir 
Ouch  eyn  guldiu  vingerleyn         i .  lA 
Sy  sprach  vil  libis  rebeleyn 

(H:i  Bälde   sy  hen  loOin  hys 

Sy  czu  ir  brengin  lys  535 

Eyne  stolcze  lade 

das  tat  wol  dem  rabcn 

Dorawsz  nam  sy  eyn  vingerleyn 

,,,'  das  brenge  dem  Üben  herreu  meyn 

vnd  sage  ym  schire  aber  r  540 

was  das  vingerleyn  togunt  habe         l 
Wer  das  vingerleyn  gemeit 
An  seyner  haut  ys  treyt 

,  .  der  wirt  nicht  irslagin  '.  ,1; 

215''     Off  Wasser  noch  uff  wegin  ;  i-.l  545 

her  mag  nicht  irtrincken 
Noch  keynerley  weise  vorsinckeu      j 
Vnrechlis  todis  gerecht        ,  -,'o. 

Mag  her  gesterbin  nicht  ' 

Das  kompl  von  seyner  togunt  dar      <  550 

Is  hot  achczen  furslen  crafft  gar        ■, 
das  saltu  libes  rebeleyn 
brengin  dem  libeu  herren  meyn        • 
her  sprach  vil  libe  iuncfraw  meyn 
An  bint  mir  das  vingerleyn  555 

Mit  grüner  seydc  alczuhant  :, 

Mit  ewcr  sne  weisin  haut  ■  i' 

ßynt  mir  das  feste  vnd  wol 
Synt  ich  fei're  llyen  sol  <  • 

Obir  des  wildis  meris  hoe  560 

das  mirs  yeht  entphalle  jo 
Dy  iuncfraw  her  ouch  bat 
das  sy  gebe  iren  rot  -,  v 


SANGT  OSWALDS  LEBEN.  107 

wy  ir  fridll  mit  seyoer  schar 
Czu  ir  komen  mochte  dar  565 

Sy  sprach  ist  her  also  creftig 
Also  du  sprochist  vnd  so  mechlig 
So  sage  ym  das  her  bawe 
Czwe  vnd  zebeczig  schiffe  nawe 
216"     Vnd  schicke  dor  eyn  alleyne  570 

Sinte  oswalt  der  reyne 
Vnd  alle  seyne  dinstman 
dy  ym  alle  sint  vndirton 
Vnd  komme   selbir  mit  yn  her 
In  alle  deme  gerberde  575 

Ap  her  wer  eyn  kawffman 
das  mag  her  grosen  fromen  hau        U 
Gan  ys  mir  denne  got  :; 

So  fare  ich  mit  ym  an  allen  spot 
heym  czu  lande  580 

Frolich  an  alle  schemde  ,r;       ;^v 

der  rabe  do  weg  wolde  ;, 

do  nam  yn  dy  iuncfraw  holde  i\ 

liplich  an  ir  ermeleyn  :.  ya  iri' 

Sy  sprach  libis  rebeleyn  i  585 

Is  stunde  mir  nicht  wol  an 
Sulde  ich  dich  von  hynne  Ion    ,i ;     [^ 
Flyen  von  mir  vnbegobit 
wy  worde  ich  denne  gelobil 
Wo  man  das  worde  gewar  :v    ,i  590 

(^^'■i:i  Is  stunde  mir  czu  vordeucken  gar    i 

Du  mocht  nicht  sagin  von  mir  ..j 

das  man  glewbite  dir  -  ^ut' 

,    dy  furstcn  vnd  ouch  dy  herreu 
216''     Neyn  czwor  ich  wil  dich  ereu  595 

Mit  etlichin  dingen         j,    :;.   ■;  i    ;J> 
Mir  mag  noch  wol  gelingen  .y, 

Perlen  vnd  gesmeide  / 

Purpir  vnd  seyde  ;;  Jioi  i;    ,'-. 

Von  silbir  vnd  von  gokle  600 

^>i  '  Man  brochte  was  sy  wolde  _ 

das  lysz  sy  vor  en  legin     ;  i,;;;.   liff , 


108  S.VNCT  OSWALDS  LEBEN. 

(lea  rabin  vnd  czyren 

Ir  iuncfrawen  eyne 

Mit  golde  vnd  mit  gesteyne  605 

der  iuncfrawen  eyne 

Czirerte  ym  seyne  gebeyne 

Mit  feynen  wassir  perlin 
Otc  dy  ander  dy  kny  sein 

Mit  cleyne  niargaritin  steyn  ■  610 

vnd  mit  edelim  gesmeide  reyne 

dy  dritte  ym  czu  den  cloen  ruckite 

dy  vierde  ym  den  snabil  smockite 
(,{•■  dy  fumfte  machte  ym  schone 

Vff  seyn  hewpt  eyne  crone  615 

dy  vj  seyn  gefedir 

Streichte  von  obin  her  nedir 

Rechte  also  iuncfraw  spange  wolde 
'tH'  Wart  her  gecziret  mit  golde 

217*     do  her  also  gecziret  wart    .  ■'         -:  !  620 

do  stunt  her  yn  alle  der  art  ,^ 

Ap  her  eyn  engil  wer 

vnd  ausz  dem  padis  füre  her 

Juncfraw  spange  alczuhant 

Streichte  yn  mit  seyner  weisin  hant  625 

do  slug  her  seyn  gefedir  lang 

das  ys  obir  al  clang 

Seyn  guldin  gut  gesmeyde 
j  Gewunden  wol  mit  seyde 

Edele  iuncfraw  sprach  der  rabe  630 

Got  lone  euch  ewer  stolczin  gebin 

Orlop  wil  ich  haben  nw 

Ich  musz  von  hynneu  nw 

Sy  sprach  czu  dem  rabin        ...       .■      '  ji 

Orlop  saltu  von  mir  habiu  /''.<:  635 

Sy  trug  en  selbir  an  dy  czynne 

Vnd  hys  en  flyen  von  hynue 

Sy  sproch  fleuch  hin  libis  rebeleyn 
'  ■  Got  deyn  beschirmir  müsse  seyn 

vnd  gedcncke  an  mich  vil  arme  mayl  640 

vnd  was  ich  dir  habe  gesayl 


SANGT  OSWALDS  LEBEN.  109 

hin  flog  her  mit  sorgen 
Bvs  an  den  eylften  morgen 
do  qwam  her  vnfro  geczogen 

217''     VfF  das  wilde  mer  geflogen  645 

her  warte  wo  ys  ym  tochte 
das  her  geruhen  mochte 
do  was  eyn  kawfman  irtrunken 
3Iit  seyme  schiff"e  was  her  vorsuncken 
des  mastbomes  wart  her  gewar  650 

Der  rabe  flog  uf  en  aldar 
üoruff"e  her  gerute  sedir 
vnd  her  irschotte  seyn  gefedir 
Zo  das  von  dem  geschotte  seyn 
Entphil  ym  das  vingerleyn  655 

czu  hant  yn  der  selbigv  stunt       '.'^  '  - 

In  des  wildis  meris  grünt 
der  rabe  do  crang  wart 
Dorviiib  sulde  ich  irtrincken  *"    . 

Vnd  yn  das  wilde  mer  vorsinken        ■  660 

Vnd  besorgete  ich  meyn  nicht 
An  vnserm  herrn  ihesum  crist    ''  ^' - 
Wol  X  sechczentawsin  jor 
habe  ich  versewmet  das  ist  wor 
Svnte  oswalt  dem  herren  meyn  665 

Vnd  iuncfraw  spange  dy  edele  konigy 
Im  was  leide  vnd  bange 
Seyne  clage  werte  en  lange  '' 

Eyn  fischer  qwam  geswnmen  ' 

218*     Vff  des  meris  vnden  -  670 

In  eyme  schiff"e  balde      '  h  -■  '■ 

das  was  des  rabin  salde  ■ 

Eyn  fischer  gut  vnd  weise 
der  hysz  meister  reys  ■>     '■'■'■' 

der  den  seibin  rot  bcvant  675 

do  mete  der  engil  den  konig  bewanl 
do  her  den  rabin  blicket  an 
heiligen  globin  her  gewan 
her  vil  uf  seyne  bare  kny  ' 

Nedir  yn  seyn  keneleyn  '     ''*  OSO 


110  SANGT  OSWALDS  LEBEN. 

her  sprach  bistu  ys  raphael 

Adir  der  engil  gabriel 

Adir  hol  dich  got  von  hyramelreich 
r.i7\  her  nedir  gesant  czu  mir  dich 

her  sprach  geruche  dich  wer  ich  hin  685 

Vnd  wirir  eyn  das  netze  deyn 

dir  wedir  fert  gut  heil 

du  feest  fische  eyn  michil  teyl 
f),'.0  Fische  alhy  an  desir  stat 

der  fischer  das  czu  hant  tatd  690 

Das  en  der  rabe  hys 

der  gute  got  das  nicht  lysz 

her  fing  vil  schire  wol 
r,,':  Seyn  schiff  gutter  fische  voi  T 

218'"     Der  fischer  sprach  nw  nym  du  rabe  695 

Also  vil  fische  also  du  wilt  habin 

Gip  mir  eynen  sprach  der  rabe 

do  mete  ich  mich  mochte  gelabin 
r.  ,  das  arme  crancke  hercz  mey(n) 

her  irwoschte  eynen  mit  dem  snabil  sey         700 

der  do  hatte  das  vingerleyn  /     . . 

Geslungen  yn  den  magen  seyn 

In  sich  her  das  geslungen  hat 
;:.  ;  der  rabe  den  fischer  gar  zere  bat 

das  her  ym  en  uf  sluge  705 

vnd  gebe  ym  seyn  gefuge  ([ 

wedir  das  guldin  vingerleyn  -; 

her  sprach  ys  ist  gewest  deyn 

Zo  saltu  ys  wedir  habin 

des  irfroyte  sich  der  rabe  710 

her  sprach  bint  mirs  vndir  den  Hogil  meyn 

vnd  fische  bas  an  das  ende  deyn 

dorvmb  wil  ich  so  schone       :;:    i.    ri» 

Betin  got  das  her  dir  lone 

vnd  her  dyr  seyn  cngcl  sende  715 

An  deymc  lelztin  ende 

A-lso  wart  dem  rebeleyn  i  ; 

wedir  seyn  guldin  vingerleyn  ;i 

Do  von  her  frewde  vil  i-ewan        '.  ,'L 


SANGT  OSWALDS  LEBEN.  111 

viid  her  flog  vorbas  von  dan  720 

Obir  eylfi"  tage  fort 
219*     das  her  gar  mfide  wart 

dy  weyle  her  oiich  ny  entpeysz 

Gutter  speise  wedir  kalt  noch  heys 

Off  eyme  steyne  her  do  sas  725 

der  ausz  dem  mere  gewachsin  was 

doruffe  was  her  noe  gestorbin 

vnd  vor  hunger  vilnnoch  vortorbin 

bette  got  von  hynimelreich 

nicht  irneret  seynen  leip  730 

dem  yni  seyne  speyse 

Sanle  ausz  dem  paradise 

dy  her  also  lange  nani 

Bas  her  wedir  czu  creflin  qwam 

do  swang  her  seyn  gefedere  735 

vnd  flocli  abir  wedere 

Bys  das  her  jn  seynes  herrcn  lanl 

Quam  der  oswalt  ist  genant  '-' 

Synte  oswalt  an  der  czynne 

wart  des  rabin  ynne  -  740 

her  sprach  frewet  euch  ir  herczogen 

vnd  ir  grofen  vnbelrogin 

Ich  see  meynen  rabin  czart  ^ 

wedir  komen  uf  der  farl 

Der  rabe  qwam  gellogin  745 

her  achte  nicht  uff  der  herczogin 

Noch  der  grofen  keyne 

In  wer  das  lip  adir  leyde 
219''     her  floch  ym  uf  dy  achsii  seyn   ii     '  < 

her  sprach  bys  wilkomeu  liber  rabe  niey         750 

wo  bistu  gewest  also  lange 

was  entpeut  mir  iuncfraw  spangc 

dy  edele  czarte  konigynne 

des  saltu  werdin  ynne 

Sy  bot  dyr  entpoten  das  755 

mit  gantczin  trewin  anc  has 

dyr  wil  sy  sich  ergebin 

vnd  keusch  mit  dir  lebin 


112  SANGT  OSWALDS  LEBEN. 

an  cris  leibis  ende 

an  alle  missewende  760 

Ich  begere  ouch  nicht  mere 

Sprach  oswalt  der  edele  herre 
So  was  hol  sy  mir  gesanI 

das  saitu  mir  thuen  bekant 

dyr  hol  gesant  dy  edele  konigynne  765 

Eyn   schon  guldiu  vingerleyn 

das  was  entphallin  mir 

In  das  mer  das  sage  ich  dir 
tii:",  das  hot  dir  got  gegebin  wedir- 

das  losz  en  genisen  sedir  770 

das  dy  armen  lewte 

Also  ich  dich  kan  bedewtin 

obir  dy  irbarme  dich 
:r; 7  durch  den  got  von  hyilielreich 

So  wirstu  komen  schone  775 

Czu  dem  ewigin  trone 
220"     her  sprach  gerne  libis  rebeleyn 

Zelig  sey  dy  lere  deyn 
i»;  her  sagete  ym  des  vingerleyn  craft 

vnd  dy  macht  dy  dor  an  lag  i  780 

Also  lip  alz  ich  bin  dir 

Zo  sage  Über  rabe  mir  iii 

hostu  icht  vornomen  / 

.;  Wy  ich  czu  ir  mochte  komen 

Her  sprach  gehabe  dich  wol  !  785 

Ich  dirs  allis  sagen  sal  .../. 

Ich  habe  ys  irfaren  gar  •.,       ' 

wy  du  czu  ir  körnest  dar  <  >  . 

1,  mit  wunderlichin  sachin  j 

Salin  dir  losin  machin  >■>  790 

Czwe  vnd  sebenczig  keyle      :  r. .    .,  ,r  . 

IJeyte  nicht  vnd  eyle 

vnd   losz  sy  gar  schirc  blicken 
'i.  dor  eyn  zo  saItu  schicken  ;       '< 

hantwcrg  allir  hande  c  795 

dy  man  yn  dem  lande 

dy  man  yrnc  vinden  kan  .  .     i   :^ 


SANGT  OSWALDS  LEBEN.  113 

dorczu  nym  alle  deyne  man 
So  sal  ich  mit  dyr  komen  aldar 
komen  yn  alle  dem  dir  vur  800 

Ap  du  seyst  eyn  kawfFman 
Ap  dirs  deiinc  got  gan 
So  fert  sy  mit  dyr  czu  lande 
220''     dy  iuncft-aw  an  alle  schände 

Oswalt  nicht  lange  beyte  805 

dy  schiffe  gar  schire  bereyte 
Dor  eyn  vnvorczogin 
hys  allis  das  gut  doreyn  legin 
das  man  dorczu  solde  habin 
Eyn  sas  her  vnd  alle  seyne  man  810 

hyn  füre  her  mit  seynen  herrn 
Bys  uf  das  wilde  mer 
do  vorgas  her  des  rabin 
den  her  methe  sulde  habin 

her  ryf  ir  herrn  alle  gemeyne  815 

hot  den  rabin  ewer  keyne 
Sy  sprochin  alle  neyn 

In  hette  denne  yrne  keyn  • .: : 

her  sprach  woluf  endelich 

Sewmit  nicht  das  wil  ich  820 

Ewer  achte  adir  vier 
Brenget  mir  en  vil  schier 
Czu  hant  do  bereyt  wart 
Sy  musten  do  wedir  an  dy  farf  v;;  "'f5 
do  funden  sy  den  rabin  gan  825 

Alczo  eyne  arme  man 
In  eyner  snodin  art 
wenig  gulis  yin  getan  wart 
Sy  sprachin  czu  dem  raben 

du  must  mit  vns  drabin  830 

221'^     Von  hynne  alczuhant 
Ferre  yn  fremde  lant 
her  sprach  ich  wil  do  heyme  bewain 
vnd  wil  nicht  von  hynne  varn 
Meyn  herre  bot  meyn  vorgessin  835 

vnd  ich  mustc  mit  den  sewen  essin 
Z.   F.   D.  A.  II.  8 


114  SANGT  OSWALDS  LEBEN. 

des  worn  sy  gar  zere  vordrosseu 

Sy  habin  mir  mey  gefedir  czu  stossin 

Vnd  raeyii  schon  gefedere 

wy  sulde  ich  denne  wedere  840 

koiiien  nagkt  gegangin 

Blosz  vor  iimcfraw  spangin 

das  stunde  mir  nicht  wol  an 

wil  mich  meyn  herre  han 

mit  ym  czu  seyner  iuncfrawcn  845 

her  musz  selbir  noch  mir  komm 

mit  allin  seynen  herren 

vnd  mit  seynen  dyncrn 
1  -  Dese  wort  dy  boten 

Oswaldin  wedir  kunt  totin  H50 

Oswalt  czu  haut  uf  der  fart 

mit  den  seynen  vmb  kart 

do  her  den  rabin  an  sach 
i  her  knyte  nedir  vnd  sprach 

Eya  vil  liber  rabe  meyn  8ö5 

Losz  wendin  den  czorn  deyn 
221  ''     Vare  mit  mir  von  hynne  ;  / 

das  bete  ich  dich  mit  ynne 

wo  du  bleibist  hynder  mir 

Juncfraw  spange  ich  entpir  8G0 

her  sprach  ir  habet  meyn  vorgessin 

mit  den  sewen  nuiste  ich  essin 

dy  habin  mir  dy  fedir  meyn 

ausz  gestosin  das  ich  blos  bin 

So  habin  dcyne  kochin  knechte  N05 

mir  geton  gar  vnrechte 

Sy  haben  mir  czuslagin 

Meyn  hewpt  das  ich  musz  clagin 
Oswalt  rylF  mit  schalle 

Sy  müssen  hangen  alle  870 

her  sprach  das  sal  nicht  seyn 

das  ymant  durch  den  willin  meyn 

wurde  benomen  seyn  Icbin 

das  ym  got  bot  gcgebin 

Nu  setze  mir  dy  crone  recht  875 


SANGT  OSWALDS  LEBEN.  115 

Meyn  gefedere  mache  siecht 

So  fare  ich  mit  dir  vnvorczait 

Vnd  schicke  dir  dy  schone  mayl 

Oswalt  nicht  lengir  beyte 

den  rabin  her  bereitte  880 

Vnde  her  eylte  ane  mosse 

vfF  des  meris  Strosse 
222"     Im  czu  farin  wart  bescheidin 

Sebinczen  tage  reyse 

Sy  musten  wol  acht  jor  885 

Vmb  farn  das  ist  wor 

Im  was  aus  der  mosen  bände 

her  künde  nicht  kernen  czu  lande 

In  vil  manichin  joren 

Von  des  wildin  meris  strömen  890 

Czu  der  iuncfrawen  seyn 

Vor  spange  der  edelen  konigyn 

das  machtin  hose  winde 

dy  en  vmb  trebin  swinde 

In  dem  erstin  jore  895 

lys  em  got  czwore 

Alczu  mole  irtrincken 

Eynvnsebeczig  schiffe  vorsinckeu 

ym  wedirfur  grosz  vngcmach 

Leydes  ym  ouch  vil  geschach  900 

Off  des  wilden  meres  ström 

doch  en  got  yn  seyne  hutte  nam 

vnd  dy  libe  muter  seyn 

Maria  dy  hyilielkonigynne 

Do  vor  spange  das  vornam  DOö 

das  ir  fridil  nicht  qwam 

Sy  gedochte  ir  vil  leyde 

vnd  ging  czu  dem  heidin 
222''     das  tat  sy  allis  vmb  das 

das  sy  ym  das  vingerlcyn  910 

weyste  das  her  muste  seyn 

kewsch  wen  her  das  an  sach 

vnkewscheil  an  ym  gebrach 

dy  selbe  logunl  hatte  ys  ouch 


14C  SANGT  OSWALDS  LEBEN. 

Ällir  czorn  von  yni  (loch  915 

von  seynen  togunden  das  geschach 
der  heide  begunde  czii  frogen 
das  sy  ym  sulde  sagin 
wer  ir  das  gegebin  liette 

vil  vngerne  sy  das  tete  920 

Juncfraw  spange  wart  gewar 
wol  jn  dem  newndin  jor 
das  ir  lyp  an  vndirlasz 
In  vil  grosin  nolin  was 

Noch  mochte  her  nicht  irdrinkcn  925 

Noch  yn  dem  mere  vorsinckin 
Em  was  gegangen  abe 
Brot  Irincken  essin  vnd  ir  habe 
,,,.^  was  czu  speyse  tochte 

das  her  nicht  mehe  gehabin  mochte  930 

Oswalt  want  seync  hende 
dem  schiffe  ging  her  czu  ende 
do  stunt  eyn  alter 
doruffe  gotis  martir 
223"     Her  sprach  got  von  hyüielreich  935 

Irbarme  dich  hewte  obir  mich 
Mir  deyne  hilfe  sende 

Ich  forchte  meyn  leip  habe  eyn  ende  -, 

0  du  rosen  vares  blut 

vnser  herre  nym  mich  yn  deyne  hut  940 

dy  clage  horte  der  rabe  ouch 
dem  herren  her  ouch  uf  den  arm  floch 
her  sprach  was  gewirt  dir 
Liber  herre  das  sage  mir 

do  sprach  hen  wedir  synte  oswalt  945 

Meyne  clage  ist  zo  manchfalt 
das  clage  ich  nymaude  raere 
Wenne  gote  vnserim  herren  _. 

Ich  weys  was  ich  dir  sagin  sal 
du  weist  ys  selbir  wol  950 

das  nw  dirs  yeilierlichin  gat 
Is  sal  wesin  gut  rat 
Globe  got  an  desir  frist  ;         .  f      \'h 


SANGT  OSWALDS  LEIJEIN,  117 

Au  vnserm  lierren  ilnli  crisl 

(Irey  tage  yii  der  wochiii  955 

vasleu  viigebrocliiu 

So  (lastu  keyner  hande  wey» 

Giillcr  speise  nicht  entpeysl 

So  wirt  dir  marien  kint 

Sendin  eynen  gutin  wint  i)00 

ti*J3  '*     das  du  koiliist  czu  laude 

Czu  vor  Spange  noch  der  ist  dir  zo  hange 

Oswalt  das  nichtiu  lys 

her  tat  was  en  der  rabe  hys 

do  qwam  eyn   vil  gutter  wint  1)05 

der  en  czu  lande  brochte  synl 

do  her  czu  lande  komen  was 

der  rabe  wart  nv  zo  lasz 

Czu  der  bürg  her  hin  floch 

vnd  dor  vndir  swebete  ouch  1)70 

das  treib  her  also  lange 

das  dy  konigynne  vor  spauge  :  -   , 

Seyn  do  gewar  wart 

des  rabin  zo  czart 

her  floch  durch  eyn  fensterleyn  D7ü 

dorvndir  sas  dy  konigynne 

do  eyn  muterleyne 

13ey  ir  was  der  meyde  keyue 

Do  sy  den  rabin  an  sach 

Sy  entphing  en  vnd  sprach  1)80 

I3ys  wilkom  vil  libis  reheleyn 

wo  ist  oswalt  der  herre  meyn 

her  sagete  ir  dy  mere 

wy  her  mit  groser  swere 

Mit  not  vnd  mit  sorgen  grandc  DNö 

komen  wer  nw  czu  lande 
224'     vnd  das  grosz  vngemach 

das  ym  uf  dem  mere  geschach 

Liber  rabe  nw  sage  an 

wo  bot  her  dy  schifle  gelon  1>1)U 

lier  sprach  sy  scyn  irlruncken 

vnd  vn  dem  wilden  mere  vorsuucken 


118  SANGT  OSWALDS  LEBEiN. 

Sy  sprach  zo  rausz  ich  bleibiu  hir 

Vorwor  das  glewbe  mir 

her  sprach  edele  iuncfraw  gut  995 

Czwor  alz  ir  ys  nichtin  tut 

vnd  wo  das  vorginge 

vud  do  hen  nymmer  qweme 

do  man  euch  nymmer  nente 

Adir  ewern  namen  irkente  1000 

Ich  ouch  mit  uichten  dar 

wo  ich  ewer  worde  gewar 

Sy  sprach  lip  liher  rabe  bleib  hy  bey  mir 
,  V  Ich  Ihu  allis  das  lip  sey  dir 

her  sprach  iuncfraw  meyn  1005 

Ir  sprecht  alz  eyne  czarte  konigyn 
Kiot  euch  tewfin  balde 

das  wirt  ewir  sulde 

do  wirt  von  euch  getrebin 

vnd  alle  ewer  sunde  vorgebin  1010 

Sy  sprach  ist  her  eyn  heiliger  man 

Meyn  fridil  das  ich  nicht  gewissin  kan 
224 "'     So  heysz  en  betin  seynen  got 

das  her  ym  helfe  das  ist  not 

vmb  eyn  hirsch  das  sal  seyn  silberin  1015 

vnd  fewir  rot  guldin 

der  sal  loffin  alczu  haut 

durch  meynes  vatern  lant 

kan  her  den  gehabin  nicht 

von  seyne  woren  gotis  phlichl  1020 

So  musz  her  von  hynne  gar  vnsewberlicli 

von  hynne  farin  ane  mich  j. 

der  rabe  sagete  ym  dy  mere 

vnd  ouch  nymande  mere 

Bessz  yn  alle  der  not  1025 

wenne  vnsers  libin  herren  got 

vnd  libe  muter  seyn 

Allis  sunder  eyne  trosteryn 
.  Ich  rote  euch  allir  zuudir  wan 

Rufft  sy  mit  gantczin  trawen  an  ^  1030 

Vttd  her  sagete  euch  da  bey  ,.    > 


SANGT  OSWALDS  LEBEN.  119 

von  dem  hirs  geweye 
Wy  das  salde  gelon  seyii 
Viid  wy  der  hirsche  lifl'e  hyii 
Sulde  do  czu  haut  1035 

lofFeii  durch  eris  vater  lauf 
wo  das  nicht  geschit 
So  maglslu  Ir  habin  nicht 
•i2ö'*     vnd  must  an  surgen  banden 

varin  heym  wedir  czu  lande  1040 

Oswalt  fil  uedir  uf  dy  kny 
her  sprach  ich  bin  nw  alhy 
komen  in  surgen  vnd  yn  peyn 
herre  durch  den  willen  deyn 
hilf  mir  durch  den  werdin  gel  1045 

das  ich  konie  aus  not 

vnd  gip  mir  czu  desir  frisl  * 

den  hirsch  also  her  mir  befoin  ist 
Losz  mich  nicht  vorterbin 

dorvmb  wil  ich  werbin  1050 

Czu  eyner  kirchin  dir 
Also  ich  sy  allir  beste  habe 
das  ich  möge  dor  abe 
Eyn  prister  daste  bas  gehan 
vnd  yn  deyme  dinste  bestan  i055 

Williglichin  czu  allir  czei» 
An  dir  alle  meyn  trost  leil 
do  her  dese  wort  gespracli 
Eynen  hirsch  her  do  vor  ym  sach 
Ap  her  aws  dem  padise  1060 

vnd  yn  alle  der  weyse 
Vnd  yn  alle  dem  geberde 
Ap  ys  eyn  heiliger  engil  were 
Von  silbir  vnd  von  guldc 
225''     also  gol  von  hymel  wolde  1005 

das  der  hirsch  wonniglich 
Czu  der  bürg  machte  sich 
Obir  berg  vnd  obir  tal 
lylT  der  liirsz  obir  al 
her  lyf  vil  manche  farl  1070 


120  SANGT  OSWALDS  LEBEN. 

das  der  heyde  seyn  gewar  wart 

her  rifF  wol  uf  alle  meyne  dinstmaii 

Ich  sehe  eynen  stolczin  hirsz  stan 

den  schonslen  zo  ich  eii  y  gesach 

Czu  hant  das  volle  uf  brach  1075 

dem  hirsche  folgelen  sy  noch 

wol  dreisig  tawsint  man  vilnoch 

Czu  hant  uf  der  selbigen  fart 

dy  bürg  veste  geslossin  wart 

Gar  wol  unvordrossin  1080 

Mit  czwe  vnd  sebeczig  slossen 

In  der  selbigen  stunde 

der  rabe  abir  begunde 
iijO  i  Czu  sprechin  mit  der  edelyn  mayt 

her  hup  uf  vnd  sayt  1085 

Ir  dy  swere  mere 

wy  dy  bürg  geslossin  were 

Gar  zere  her  sy  bat 
<>u    ■  das  sy  selbir  gebe  rot 

226  "     wy  sy  ir  fridel  were  1 090 

Vnd  das  sy  von  der  bürg  qweuic 

Sy  sprach  ist  her  eyn  heilig  man 

alz  ich  an  dem  hirsche  gesehn  hafn) 
■  -i:ii.'  vnd  eyn  teil  irkant  wol 

Seynen  got  her  betin  sal  1095 

das  sich  dy  slosz  uf  slissen 

vf  der  bürg  das  mag  her  wol  gcnissen 

Geschit  das  von  seyner  bände 
*»'j1..'  zo  fare  ich  mit  ym  czu  lande 

do  her  dy  botschafft  vornam  1100 

der  rabe  czu  oswaldin  qwani 

her  sagete  ym  dy  mere 

das  dy  bürg  geslossin  were 
''  Oswalt  vil  nedir  uf  dy  kny 

her  sprach  got  ich   bin  alhy  1105 

Irfrewc  meyn  gemute 

durch  alle  deync  gute 

Gedenke  über  hcrre  meyn 
'■  ^<-M  das  ich  durch  den  willen  dcyn 


SANGT  OSWALDS  LEBEN.  121 

vnd  durch  rechter  kewscheit  1110 

dy  du  an  meyn  hertze  host  gelclh 

Ich  wil  dir  leistin  dy  gobe 

dy  ich  dir  globet  habe 

mit  willen  liber  herre  meyn 
226''     deyn  dyner  ich  ymmer  wil  seyn  1115 

des  losz  mich  herre  genissen 

das  sich  dy  slosz  uf  süssen 

dese  bürg  alle  gemeyne 

vnd  das  ich  kewsch  vnd  reyne 

mit  der  edelen  konigynne  1120 

Bälde  möge  komen  von  hynne 

Ee  her  dy  wort  ausz  gesprach 

dy  slosz  man  alle  offin  sach 
A.lczu  hant  der  rabe 

dy  iuncfraw  nam  her  abe  1125 

do  fürte  her  sy  bey  der  weisin  hant 

do  her  seynen  herren  fant 

her  antworte  seynem  herren 

dy  iuncfraw  mit  grossen  eren 

Synte  oswalt  alczu  hant  1130 

Juncfraw  spange  vndirwant 

her  entphing  sy  frolich 

vnd  vmbgreifF  sy  liplich 

mit  den  beyden  armen  seyn 

her  koste  sy  an  beyde  wengeleyn  1135 

An  allin  argen  wan 

Vorbas  her  sy  nymmer  an 

Gerurte  czu  keyner  stunt 

her  druckte  sy  an  seynes  herczin  gruni 
227"     her  sprach  der  alle  ding  bot  1140 

Geschaffin  mit  seyner  maicstal 

der  losse  vns  allen  beiden 

In  rechtir  kewscheit  vorscheydin 

Ap  stysz  her  das  schilf  seyn 

hyn  furle  her  dy  konigynrie  feyh  1145 

Sinlc  oswalt  der  milde 

Lür  des  meris  wilde 

Gzu  hani  vol  komen  was 


122  SANGT  OSWALDS  LEBEN. 

do  qwam  der  beide  vnd  dast 

Mit  dem  hirschiu  guldiu  1150 

vnd  wolde  den  der  libin  tachter  seyn 

Vor  libe  habin  gegebin 

Sy  was  ym  lip  alz  seyn  lebin 

do  her  dy  tachter  nicht  fant 

Eyn  hörn  nam  er  yn  dy  hant  1155 

das  satczte  her  an  den  niunt 

Vnd  blysz  das  czu  der  selbigen  stunl 

das  hörn  lawte  vnd  bedewlet  das 

Seynen  czorn  vnd  grymmigen  has 

vnd  seyne  grose  grimmickeil  1160 

dy  her  an  dy  tachter  let 

dornoch  alle  samen 

dreisigtawsint  heidin  qwomen 
-'  dy  do  alle  bey  dem  hörn 

227''     wol  irkanten  seynen  czorn  1165 

dy  irboten  alle  sich 

Czu  seynem  dinste  williglich 

her  sprach  ir  herrn  gebil  rat 
'     ''  Synt  mir  eyn  kawffm(an)  hol 

weg  gefurt  dy  tachter  nieyn  1170 

das  musz  mir  leyt  seyn 

dy  weile  ich  lebe  eynen  tag 

ßys  ich  mich  gerechin  mag 
'  Ausz  der  sammelunge  her  do  kosz 

dreisigtawsint  beiden  grosz  1175 

dy  bey  den  selbigen  joren 

dy  beste  alle  woren 

dem  heidin  was  vil  yoch  ^ 

-  her  machte  sich  snelle  hernoch 

do  juncfraw  spange  gewar  wart  1180 

Eres  vaters  nachfart 

Sy  gyng  alczu  hant 

do  sy  oswaldin  fant 

Czu  des  Schiffes  ende 

Sy  koste  ym  seyne  hendc  1 1 85 

Grosse  libe  musz  geschcidin  seyn 

Jo  sprach  sy  Über  herrc  meyn      n.  '^ 


SANGT  OSWALDS  LEBEN.  123 

Meyn  vater  hot  irschellit  eyn  honi 

das  bedewlet  seynen  czorn 

her  ist  eyn  freisim  man  1190 

228"     vnd  koüiet  her  vns  an 

her  brengit  vns  in  grose  not 

An  bete  wir  balde  vnsern  gol 

An  den  ich  gerne  glewbin  wil 

das  her  kawme  also  vil  1195 

In  dreyen  tagen  gefarin  kan 

Also  wir  hewte  habin  geton. 
Synte  oswalt  knyte  nedir 

mit  ynnickeit  bette  her  sedir 

her  sprach  hymelischer  got  1200 

Sich  an  meyne  grosse  not 

vnd  gedencke  ouch  doran 

was  ich  dir  habe  geton 

willigUch  durch  rechte  reynikeit 

vnd  vmb  laulir  kewscheit  1205 

Ich  wil  dir  leistin  y  dy  gobe 

dy  ich  dir  globet  habe 

Vnde  ich  ouch  dorczu 

obir  vier  wochin  yo 

Machin  eyne  spende  1210 

mit  meynes  selbis  hende 

So  wil  ich  alle  dy  gewern 

dy  an  mir  icht  begern 

durch  den  willen  deyn 

hilif  vns  herre  ausz  desir  peyn  1215 

vnd  mache  das  meyn  swer 

Bey  dreyen  tagen  möge  nymer  her 
228  ^     An  dy  stat  gefarin  kan 

Also  wir  hewte  han  geton 

do  machte  das  hymelische  kint  1220 

-  .         das  do  qwam  eyn  gut  wini 

her  hinderte  den  beiden 

das  her  sich  voste  leide 

Czu  bedenckin  begunde  dorynne 

hin  her  für  vil  manche  kroine  1225 

vnd  manchen  irren  gang 


124  SANGT  OSWALDS  LEBEN. 

das  machte  ym  dy  weile  laug 

Also  qwam  sinte  oswall 

heym  vor  dy  Strosse  mit  gewall 

In  seyii  eygin  lant  1230 

vnd  sammilte  sich  alczu  haut 

her  czu  hoffe  brochte  alsam 

wol  dreisiglawsent  mau 

an  dem  dreiczeudeu  tage  och 

do  qwam  gefarin  hen  noch  1235 

Seyn  swer  der  heide 

Vmb  seyne  tachter  was  ym  leide 

Mit  dreisigtawsint  reckin 
Dil'.**  Begunde  sich  wedir  sy  czu  streckin 

Oswalt  hatte  dreisigtawsint  man  1240 

her  begunde  wedir  en  czu  stan 

Streitlich  czu  sampne  quomen 
229"     dy  heidin  grosen  schaden  nomen 
(^t;':  Eyn  teil  wart  irslagin 

Alz  ich  horte  sagin  1245 

das  andir  teil  irtrang 

In  dem  mere  ys  vorsang 

Gar  obil  ys  dem  heidin  ging 
v  '[  den  heidin  man  selbir  ving 

Seyn  leip  vnd  ouch  seyn  lebin  1250 

Sinte  oswalt  wart  gegebin 
JJo  lys  her  seynen  swer 

legin  yn  eynen  kerker 
.       .  der  do  was  gelegin 

Gar  none  bey  dem  wege  1255 

do  man  hen  vor  muste  gen 

Is  was  gut  das  man  iing  den  mau 

Eynes  tages  das  geschach 
,   :  der  engil  czu  ym  qwam  vnd  sprach 

Lebistu  noch  du  heideuischcr  man  1200 

wy  lange  willu  ym  vngioben  stan 

du  Salt  nw  alhy  seen 

was  gegebin  wirl  den 
•  vi"!  'ly  'ly  Ö'**^*^  gedynet  hau 

vnd  gute  wcrg  hau  gethon  1265 


SANGT  OSWALDS  LEBEN.  125 

Ouch  saltu  gewar  wenliu 

was  vordynel  liabiii  dy  nf  erdin 

dy  do  lebetin  wedir  gol 
229''     vnd  nvv  getoten  seyn  gcbolli 

her  begunde  selbir  czu  ycn  1270 

her  weide  ys  gerne  sehn 

do  sach  der  geselle 

nedir  eyn  dy  helle 

do  sach  her  legin  ynnc 

Eyne  grosse  wolffynne  1275 

dy  tewfil  stunden  vmb  sy 

Swefil  vnd  pech  gossin  sy  yn  sy 

In  den  balz  an  vndirlosz 

Ir  peyn  gar  grosz  was 

von  hitcze  stang  vnd  roch  1280 

do  bey  stunt  eyn  stul  ouch 

der  beide  czu  haut  frogelc 

vnd  bat  das  her  ym  sagete 

vnd  ym  tele  offinbar 

wes  der  stul  wer  aldar  1285 

vnd  was  das  mochte  gcseyn 

dy  wolfin  in  der  hellin  peyn  ; 

her  sprach  ys  ist  dy  hausfraw  dcyn 

So  ist  der  andir  stul  gegebin  dir 

her  ist  aldo  gesatczt  dir  1290 

Do  her  sach  obir  sich 

In  das  hoe  bymelreich 

do  wart  her  gewar 

Drey  stule  offinbar 
230"     Sten  bey  marien  schone  1295 

An  des  hoen  hyiiielslronc 

der  beide  en  abir  frogete 

vnd  bat  das  her  ym  sagete 

Was  dy  drey  stule  wem 

her  sprach  der  eyne  oswaldin  sal  seyn  1300 

der  andir  der  tachlcr  deyn 

der  dritte  mag  wol  werdin  dir 

wiltu  andirs  volgin  mir 

Vnd  will  dich  tewün  Ion 


126  SANCT  OSWALDS  LEBEN. 

vnd  got  belin  on  1305 

der  beide  czu  hant  do 

Sprach  yo  herre  yo 

aller  deyner  lere 

w'il  ich  williglich  fulgen  gerne 

Des  morges  do  das  wart  1310 

Juncfraw  spange  an  der  fart 

Begunde  czu  der  kirchin  gan 

Ir  vatir  sach  sy  vnd  riff  sy  an 

Tochter  gehe  her  vnd  höre  mich 

Mit  trewen  das  bete  ich  dich  1315 

Mir  ist  hewte  vorkomen 

vnd  wy  ich  das  habe  vornomen 

das  wunderliche  mere 
i  wy  eyn  gutter  got  wer 

230  *"     der  wonit  yn  dem  hyiiielreich  1320 

Wir  habin  geglewbit  torlich 

das  wir  alle  sundir  wan 

den  tewfil  gebetet  habin  an 
(■.PlSi  Ich  habe  irkant  in  desir  frist 

das  eyn  warer  got  ist  1325 

Nu  vil  übe  tachtir  meyn 

Bete   oswaldin  den  herren  deyn 

das  her  betit  seynen  got 
'5)Ut-;  Vmb  raeyne  lewte  dy  her  hol 

Irslagen  vnd  irtrenckit  1330 

vnd  yn  dem  mere  vorsenckil 

das  her  mir  czu  desir  stunt 

dy  lebendig  vnd  gesunt 
■"  So  wil  ich  mich  tewfin  Ion  Vf.V 

Mit  en  vnd  got  betin  an  1335 

dy  iuncfraw  vil  fro  wart 

hyn  lyff  sy  mit  der  farl 

Sy  fanl  Oswalden  an  scym  gebetc 

Inniglichin  her  das  tete 

Vor  dem  crewczc  sy  en  legen  l'ani  1340 

Seyne  andacht  was  gote  bekant 

den  her  steti glich 

Bat  vmb  das  hyinelrcich 


SANGT  OSWALDS  LEBEIN.  127 

do  her  dy  iuncfraw  an  sach 
Czuchtiglich  her  czu  ir  sprach  1345 

Juncfraw  was  macht  ir  vor  mir 
231"     das  berichtet  mich 

Ir  wisset  wol  was  ich  en  gebetiii  habe 
das  ir  stete  sullet  stan 

[n  der  kirchin  vnd  betin  vil  1350 

do  sprach  dy  konigynne  feyn 
herre  mich  hot  der  vater  meyn 
her  czu  dyr  gesant 
vnd  her  hol  mir  zo  hoch  genant 
Liber  herre  ich  bete  dich  1355 

das  du  got  von  hyiiielreich 
Vnsern  herren  ihesu  crist 
Vinb  seyn  volk  betist  das  do  tot  ist 
Bete  das  en  das  lebin 

Wedir  wirt  gegebin  1360 

So  wil  her  lossin  tewfin  sich 
vnd  wil  an  got  glewbin  von  hymelrcich 
Juncfraw  das  vormag  ich  nicht 
Ir  tut  denne  gote  rieht 

Eyn  ding  das  ist  ewer  kewscheit  1365 

vnd  ewer  lawtir  reynikeif 
Globet  czu  haldin  gote 
Gancz  fru  vnd  spote 
das  ir  czu  allen  stunden 

kewsch  vnd  reyn  werdit  funden  1370 

So  wil  ouch   got  von  hyfnelreich 
231  '■     Dese  bete  gewerin  mich 
An  desin  grosin  sachin 
Seyn  volk  lebendig  machin 

dy  iuncfraw  das  fro  was  1375 

Sy  sprach  gote  ich  globe  das 
vnd  marien  der  üben  inuter  seyn 
dy  ist  dy  kewschit  meyn 
Vnd  meync  reynigkeit  lewterlich 
Wil  ymmcr  behaldin  ewiglich  I3S0 

Stete  an  allen  gcwanckin 
Mit  Worten  vnd  mit  werckin 


128  SANGT  OSWALDS  LEßEiN. 

Wo  ich  das  ymmer  breche 

Got  das  an  mir  reche 

Sy  sprach  über  herre  meyu  1385 

Bete  ouch  vor  dy  sele  meyn 

vnd  dy  deyneii  den  glitten  got 

Vil  gerne  wil  ich  an  seyn  gebot 

Wo  ich  bin  yn  weidin 

mit  dem  volke  adir  mit  de  winde  1390 

mit  den  hyden  czu  keyner  stunt 

Seyner  übe  vorgist  nymmer  der  munt 

Ich  trincke  adir  esse 

Seyn  ich  nymmer  vorgesse 

Vnd  dy  bitter  martir  seyn  1395 

Vnd  der  yemmerlichin  peyn 
232"     dy  her  an  dem  crewcze  leit 

vnd  der  grosin  yonierkeit 
U^<  dy  seyne  libe  muter  leit 

Vnd  seyn  grosz  vngemach  1400 

do  sy  ir  kint  hangin  sach 

an  dem  crewcze  vil  hoe 

Gleich  eyme  dybe  also 
lUK,  0  vater  hyiiielischer  got 

Gedencke  an  den  bittern  lol  1405 

den  du  ledist  gedultiglich 

an  desim  gebete  irhore  mich 

Ich  dich  bete  hewte 
,,  Mache  das  dese  lewte 

Wedir  müssen  lebin  1410 

dy  hy  dem  tode  synt  gegebin 
Uo  her  dese  wort  gesprach 

dy  lewte  man  alle  sach 
■,';•  lebindig  bey  dem  vber  stan 

Vnd  bcgundeu  czu  der  bürg  gan  1415 

Czu  der  selbigin  stunt 

Wordin  sy  alle  gesunt 

Vff  dy  bürg  qwamen  mere 
t..-,.  wy  sy  alle  lebindig  weren 

do  sy  alle  bey  namen  1420 

vor  sinte  oswalt  qwomen        -,         \^t 


SANGT  OSWALDS  LEBEN.  129 

her  sante  eyn  scyn  laut 

Noch  bischoffen  alczu  hant 
232''     Do  qworaeu  her  gefarn 

dreyczentawsent  ir  worn  1425 

vnder  ym  gesessin 

her  hatte  sich  vormessin 

Sy  rausten  dorczu  tichtin 

wy  sy  dy  heidiii  machlin  cristiii 

Dy  bischoffe  oswaldus  iiam  1430 

vud  ouch  ere  capellan 

Tawftiu  czu  dem  selbigen  mole 

dy  heidin  allis  obir  al 

dornoch  nicht  hinge 

wart  gelawft  iuncfraw  spange  1435 

vnd  ir  vater  mit  der  vart 

Johannes  her  geheysin  wart  . 

Dy  getawfftin  alle  '■  '-'■- 

Riffen  uf  mit  schalle 

Sint  oswalt  ist  eyn  heiliger  man  1440 

der  dys  wunder  hot  geton 

Johannes  do  alczu  hant  -  ••      - 

heym  für  yn  seyn  lant 

her  lysz  alle  vrab  steydin 

Tewfin  dreysigtawsinl  heidin  1445 

dy   sich  nicht  woldin  Ion 

vnd   noch  rcchlim  giobin  stan 

dy  lysz  her  alle  tolin 

In  zo  yemmerlicliin  nolin 
233*     her  lysz  en  gar  ufle  1450 

Binden  hende  vnd  fasse 

Czu  sampne  vnd  irdrenckin  i     ; 

Vnd  yn  das  mer  voi'senckin 

Alhy  hot  das  buch  eyn  ende 

Got  vnsz  seyne  hülfe  sende  1455 

Hüft  an  synle  Oswaldin 

das  her  vns  yn  seyner  hüte  behalde 

Vnd  czu  dem  konige  gut 

das  her  vns  ncmc  yn  seyne  hut 

vnd  bessir  vnser  lebin  14G0 

z.  F.  I).  A.  II  y 


130  SANCT  OSWALDS  LEBEN. 

So  das  wir  komen  ebiu 
Czu  ym  alle  gleiche 
In  golis  hymraelreiche 
Das  VHS  das  allis  werde  wor 
So  sprechit  alle  amen  offinbar  1465 

Et  sie  est  finis 
Aus  der  ff^ie7icr  handscJmft  3007,  früher  N.  297,  pap.  vom 
f.  1472;  rerg'l.  Hoffmanns  Verzeichnis  s.  180. 

FRANZ  PFEIFFER 


BIBLISCHE    GESCHICHTE. 

'     Von  der  beseliaffunge  diser  weit  bils  auf  das  jungst 
gerieht  gereymt. 

So  steht  auf  dein  decket  einer  pa]pierhandschrift  der 
Nürnberger  stadtbihliothek  (Bibl.  Solger.  Cod.  N.  15.  fol.), 
geschrieben  im  j.  1465,  enthaltend  a)  Diels  sint  konig  Sal- 
monis  buchere  und  zivar  1.  Salomonis  spräche  (proverbia)^ 
2.  der  zureder  oder  lerer  (ecclesiasticus),  3.  gesangk  vber 
alle  gesenge  (cantic.  canticorum),  schliefsend  Hie  hant  Sa- 
lomons  bucher  ein  ende  Anno  dfii  tc  Ixv'".  —  b)  Hie  vahet 
an  Seneea  von  den  vier  angel  tugende.  —  c)  eine  Wibel 
oder  biblische  geschichte  a.  und  n.  t.,  in  2  columnen  mit 
bildern  {vorn  die  4  elemente)  und  vergoldeten  anfangsbuch- 
staben,  51  bl.,  schliefsend  Finite  hta  feria  p9  galli  Anno  dfii 
Moccccolxquito.  die  vo7Tede  vie/Teimig,  ivohl  nach  Gott- 
fried von  Strafsburg ^  dessen  Tristan  auch  wohl  gemeint  ist. 
die  handschrift  zeigt  einige  eigenthümlichc  laute  und  reime ^ 
sie  hat  nicht  nur  det,  du,  trede,  rede  :  stede,  baden  :  gnaden, 
drost  . . .  entstunt  :  frunt,  sondern  auch  noil,  loifs,  koning, 
könne  :  wonne  u.  s.  w. 

1 '     dot  herre  in  diner  trinitat 

Welich  ein  wunderlicher  ralte 

Von  erst  bifs  herre  gewurcketl  hat 

Ifin  aller  siner  hant  gedate 

Gar  wunderlich  ist  din  gewall 

Das  sinl  wunderlich  {restall 


BIBLISCHE  GESCHICHTE.  MM 

Din  dinge  gar  manigfalt 
Viid  ist  din  wunder  vngezalte 
Was  ein  man  von  wunder  mag 
Gelesen  alle  eynen  tag 
Das  ist  als  Jn  die  bach  ein  slag* 
So  grosser  wunder  gott  ye  pflag 
Das  bruffet  wole  ein  wyser  man 
Der  wunder  wole  gebruffen  kan 
Das  gott  noch  nicht  nye  begaü 
Man  sehe  da  wunder  allein  au 
Die  Elemente  besunder 
Ertzeugent  alle  wunder 
Wie  sich  der  erden  bunder 
Hat  gesetzet  vnder 
Vnd  das  wasser  alda  neben 
Darumb  hat  sich  der  lufft  gegebn 
Das  fuer  will  obe  Jne  allen  sweben 
Das  ist  ein  wunderliches  leben 
Nu  bruffet  an  das   firmament 
Wie  wunderlich  von  Orient 
Es  gahet  an  den  Occident 
Diefs  ist  ein  wunderlich  euenl 
Die  sonne  hat  auch  jren  gang 
Viel  tusent  mile  lang 
Bus  widder  an  Jren  anfang 
Diel's  ist  ein  wunderlich  gedanck 
1 ''     Was  die  erde  auch  ye  getrug 
Da  siecht  man  wunder  an  gnug 
Welich  maA  wart  ye  so  clug 
Der  da  funde  semlichen  fug 
Were  mochte  des  ein  meister  sin 
Das  sich  ein  rotfarwe  roselin 
(]lare  geferwet  vnd  fin 
Vif  slusset  gein  der  sonnen  schyne 
Diefs  zeichenlich  wunder  diil 
Lylien  vnd  aller  bände  blute 
Were  heran  setzet  sinen  mute 

1,    ;//    ff  alt  für   Vii,   14. 

9* 


132  BIBLISCHE  GESCHICHTE. 

Den  Avunder  nicht  wafi  got  ist  gut 
Nu  mercket  was  der  vrliabc  sy 
Personen  vnderscheiden  dry 
Da  erkennen  wir  ein  gotheit  by 
Nu  sehet  obe  das  sy  wunders  fryho 
Gol  der  nach  wunder  richtet  sich 
Des  dinge  sint  billich  wunderlicli 
Wasser  erde  hymelrich. 
Die  sint  wunder  alle  glich 
Vnd  darzu  der  bäumen  frucht 
Vnd  aller  creatuer  züchte 
Von  wunder  hat  die  kein  flucht 
Sie  sint  von  wunder  gar  gewuchl 
Were  mochte  das  wunder  mee  gethun 
Das  vfs  eym  ey  wirdet  ein  hüne 
Ein  falcke.  ein  lerche.  ein  fafsethune 
Ein  swane.  ein  pfahe.  vnd  ein  grün 
Das  ist  yedoch  noch  ein  wicht 
Sint  Hyüiel  vud  erde  was  nicht 
V^nd  ist  noch  wunder  an  gericht 
Das  ist  der  wunder  vberpflicht 
Sint  wunder  also  viel  da  ist 
So  horent  den  wunderlichen  list 
1 "     Wie  got  vnser  herre  Crist 
Geborne  warde  jn  zyttes  Frist 
Von  eyner  keyserlichen  maget 
Wo  ist  das  wunder  mee  gesaget 
Der  solich  gnade  was  betaget 
Das  sie  jme  zu  mutter  hat  behage! 
Was  Sache  jne  hie  hat  getriben 
Das  ist  nit  vnder  wegen  bliben 
Man  findt  an  dielsem  buch  geschriben 
Des  ist  mir  jn  dem  synne  becliben 
Das  ich  des  gantzen  willen  bann 
Obe  ich  die  gnade  möge  emphan 
Das  ich  die  rede  sunder  wan 
Will  betutten  so  ich  beste  verstan  '. 
Verneinet  von  erst  doch  ein  clage 
Sint  ich  uch  durch  mvn  sage 


BIBLISCHE  GESCHICHTE.  133 

übe  uch  der  rede  icht  myls  hage 

Das  rnirs  uwer  guiist  vertrage 

Ich  kau  uit  vll  gesmyren 

Noch  die  worl  gezieren 

Ich  wil  die  rede  fureo  (gevieren'O 

Ane  alles  floriren 

Geblumet  rede  seyt  der  gral 

Herr  ywyu  vnd  herr  parzifal 

Vud  wie  gewarp  zu  Coruual 

ßraugeue  ysot  tristau  rewal 

Vnd  wie  die  clare  plfitzillur 

Bestricket  jäfi  der  mynue  suür 

Mit  tristaude  durch  aniiir 

Heyme  zu  parmenie  füre 

Solicher  rede  ich  uit  euger 

Were  sich  daun  uit  will  kereu  here 

Der  findet  doch  sineu  were 

Der  sehe  vor  sich  dirre  vud  der 

Diels  rede  ist  ein  ernstlich  gefar 

Des  rede  ich  ernstlich  dar 

Mit  blossen  wortten  vnd  bar 

Nu  hört  vnd  nemet  die  rede  war 

Hye  vor  da  sich  die  zijt  aufiug 

Vnd  die  weit  anginge 

Da  gott  hat  vnser  heylant 

Mit  siner  gollichen  haut 

Alle  Creature 

So  zarte  vnd  so  gehure 

Geschaffen  wole  nach  pryse 

Da  hat  er  sin  wise 

Noch  gotlicher  wirdigkeit 

So  wirdiglich  auch  augeleyt 

Das  der  hyüiel  vmb  gang  ^    J 

Vnd  der  planeteu  widder  fang 

V^as  gemachel  ordenlich 

Vud  die  sonne  wonniglich 

Vber  scheyne  die  well  wyt 

Vnd  underschicd  das  lagez  zyt 

Von  der  fiuslerlichcu  uachl 


134  BIBLISCHE  GESCHICHTE. 

Der  auch  zu  luchten  was  gemacht 

Der  monde  vnd  auch  die  Sterne 

Diels  dachte  den  herren 

Alles  wunderlicher  gütt 

Die  baüme  stunden  jnn  der  blute 

Die  erde  wole  gezieret  was 

Crutler  blumen  vnd  grals 

Mangerley  könne 

Stunde  jnn  gantzer  wonne 

Die  tier  vor  Jme  Helfen 

JgHch  jre  styme  rieffen 

Diefs  was  gryme  diefs  was  gut 

Diefs  wilde  das  was  wole  gemute 

^ "     Die  fische  flussent  jnn  dem  niere 
Ein  gar  wunderlichs  here 
Vische  dein  vnd  vische  grols 
Diefs  ruche  vnd  diefs  blofs 
Als  sie  geschaffen  waren 
Gar  wunderlich  gevaren  (gebären?) 
Wart  von  fischen  da  gesehen 
Als  es  noch  dick  mag  gescheen 
Embore  die  fogel  sich  swungen 
Sie  gurren  vnd  sungen 
Jglicher  sin  wise 
Die  nachtigal  zu  ryse 
Die  lerche  jnn  die  luffte  swang 
Sie  hübe  jre  styme  an  vnd  sang 
Die  winde  hatten  jren  dofs 
Jenes  wasser  here  diefs  hin  flofs 
Vnd  funden  doch  jren  vrspring 
Sust  waren  aller  hande  ding 
Geschaffen  wole  noch  wünsch  gar 
Des  name  jre  schopffer  gut  war 
(bild) 

2  ^     Er  sprach  nach  gotlicher  Ee 

Wir  sollent  dannocht  scliaffen  mee 
Einen  man  gar  wunderlich 
Der  sol  vns  selber  wesen  glich 
Er  soll  vnser  bilde  hafm  •  '    '• 


BIBLISCHE  GESCHICHTE.  135 

Jnie  sol  auch  wesen  vnderthane 

Was  nu  hie  geschaffen  ist 

Er  nam  dar  nach  Jfifi  kurtzer  frisl 

Ein  gar  lulzel  erden 

Dar  auls  so  hiefs  er  werden 

Einen  man  lobesam 

Mit  nanien  hiel's  er  jne  adam 

Er  satzte  Jne  Jfm  das  paradilse 

Das  er  vvere  jnn  aller  wil'se 

Alles  dinge  ein  Crone 

Das  sie  jme  alle  schone 
Vnderthenig  solten  sin 

Diel's  sach  vnser  Drechtin 

\nd  duchte  jne  alles  gilt 

Nu  was  sin  gotlicher  mute 

Der  man  were  vbel  eyne 

Der  nam  vfs  sym  gebein  "  ? 

Ein  Rypp  vfs  siuen  brüsten 

Er  schuff"  jme  wole  noch  gelüsten 

Eynen  freuwelichen  lyp  ;v 

Das  sie  were  sin  elich  wyp 

Das  sie  wern  beide  alleyne 

Zwene  korper  an  jn  zweien 

Doch  zwey  an  eynem  lybe 

Das  ganlz  truwe  blybe 

Zweien  gemechten  yiner  mee 

Da  gäbe  jne  got  all  soliche  Ee  « 

'Xy  was  der  woune  garte 

Geplanzet  also  zarte  u.  s.  iv.  i 

Sündenfall.     Lucifers  fall. 
Der  vnge truwe  slange 

Der  da  vor  vnlauge  *       ^  ■  v 

Von  dannen  was  Verstössen  ) 

Mit  sinen  falle  genossen 
Dem  was  Seligkeit  gegeben 
Freude  vnd  ewigs  leben 
Jnn  dem  hymel  trone 
Safs  er  mit  wirde  schone 
Got  hatte  grosse  schonheil 


136  BIBLISCHE  GESCHICHTE. 

Au  den  engel  her  geleit 

Er  was  der  engel  hereste 

An  wirdigkeit  der  erste 

Der  schonest  was  er  auch  erkant 
2 ''     Des  was  er  lucifer  genant 

Als  ein  liccht  drager 

Sint  er  der  schonest  were 

Sin  schöne  gäbe  jme  vhermut 

Als  es  noch  den  luttcn  dut 

Gein  sinem  schoplTer  satzte  er  sich 

Er  seyt  er  solde  jme  wesen  glich  ii.  s.  w. 
3*     ivird   durch   Lucifer   Eva,     durch    Era    Ada?n 

verführt,     verhanmmg   aus   dem  paradiese. 
3'     Er  triebe  sie  für  das  paradils 

Yglichs  brache  ein  qwesten  ryl's 

Vber  ym  und  deket  sich  u.  s.  lo. 
S*"     Eya  (/.  Even)  vngetruwer  rate 

Der  lute  viel  verleytet  hat 

Hinabe  zu  der  hellen  u.  s.  w. 
hienach  das  gelaicht  gottes  über  den  mensche/u 

Hye  käme  es  also  ferre 

Das  der  hyinel  herre 

Got  von  hyinelrich 

Besafs  gewaltiglich 

Selber  ein  gerichte 

Mit  wirdiglicher  pflichte 
3''     Mit  aller  hymelischen  schare 

Die  hymelfürstcn  koinen  dar  u.  s.  hk 
4"     ÜEr  tron  was  gemachet  wolc 

Als  da  ein  keyser  sitzen  sol 

Von  golde  vnd  auch  von  richer  bort. 
gesteme  und  hlumen  iverden   beschrieben.      darnach   redet 
gott  die  engel  an. 

4"     Miir  rede  got  alsus  began 

Er  sprach  Jre  furslcn  vnd  jr  man 

Wir  hatten  grosser  wirdigkeit 

Au  den  menschen  vil  gelcyl 

Jme  was  vnderlhau  gemacht 

Was  der  hymel  hat  bedackt  u.  s.  w. 


BIBLISCHE  GESCHICHTE.  137 

nun  treten  die   vier   Schwestern   Barmherzigkeit   Wahrheil 
Gerechtigkeit  und  Friede^  auf  und  schlichten  den  sprach. 
4*^     So  diese  rede  ergingen 

Mit  grosser  swere  empfingen 

Sie  die  Herren  alle  gliche 

Das  der  koning  riebe 

Mit  zorniglichem  mute 

Durch  die  missehute 

Vff  des  menschen  vnheil 

Fragete  vmb  ein  vrteil 

Sie  Westen  nit  was  sprechen 

Sint  sich  der  koning  rechen 

An  dem  menschen  wolde 

Sie  würben  vmb  ein  hulde 

Dem  menschen  vnd  baden 

Glich  allesampt  gnaden 

Gnade  koning  riebe 

Auch  warbe  getruwelich  -    ' 

Frauwe  Barmhertzigkeit 

Jre  was  des  menschen  kuiiier  ley* 

Sie  neigte  vor  goltis  fulse 

Sie  bade  auch  also  sulse 

Vor  des  menschen  missetat 

Eya  herre  syt  das  mensche  hat 

VbergrifTen  din  geholt 

So  bifs  du  ein  milier  gott 

Du  sali  barmherlzig  sin  u.  s.  w. 
5*     Das  hört  jre  swesler  Warheit 

Sie  ginge  hin  für  den  koning  stan 

Sie  jach  ich  bette  keynen  wan 

Das  frauwe  Barmhertzigkeit 

1.  diese  darstellung  tvia-dc  bekanntlich  öfter  behandelt;  prosaisch 
unter  anderm  im  Bclial,  i^ereimt  theils  in  Rudolfs  v.  IIE.  forlsclzun- 
gen  {barinherziglieit  tvahrheit  Gerechtigkeit  vänne),  theils  in  beson- 
drem gedickte,  beginnen(^  Sich  huob  vor  gotes  tröne  ein  gespraeclic 
schone  (m  cod.  Stuttgard.  bibl.  publ.  Mscr.  poet.  fol.  n.  10,  cod. 
Monac.  Emmerain.  G.  xxxvi.  eh.  4,  cod.  Paldt.  341.  nr.  124 
bl.  246,  Colociaer  cod.  nr.  120,  JFiencr  hs.  ^(ill  nr.  xl.  bl.  100'' 
— 10.3'',  7iur  eine  abschriß  des  Colocz.  cod.) 


138  BIBLISCHE  GESCHICHTE. 

Diese  wortte  hett  vlsgelevt  u.  s.  w. 
5^     OErechtigkeit  die  horte  das 

Sie  stunde  ufF  baide  da  sie  safls 

Sie  ging  auch  vor  den  koning  riche  u.  s.  w 
b*"     Da  Friede  horte  diesen  stryt 

Sie  sprach  nu  weres  an  der  zyt 

Das  ich  zu  hoffe  queme 

Vnd  die  rede  da  verneme 

Sie  name  ein  vrkundt  vnd  ein  ptant 

Rechtes  frieden  jfifi  die  hant 

Das  was  gottis  bilde 

Sie  sprach  bil's  herre  milde  u.  s.  w. 
5**     Da  diefs  rede  was  gescheen 

Sagt  an  was  mocht  got  da  jheen 

Verhörte  er  barmhertzigkeit 

Das  were  jrer  swester  warheit 

Ymer  widderzenie 

Obe  aber  er  verneme 

Gerechtigkeit  das  were 

Gar  vnfriedber 

Kurlzlich  nu  geschach  i:      • 

Die  raaiestas  aber  sprach 

Jre  fursten  vnd  jre  Ratman 

Jglicher  rade  was  er  kan 

Gebet  endlichen  Rate  darzu 

Was  ich  zu  diel'sen  dingen  ihuo 

Wie  ich  milde  walde 

Vnd  doch  warheit  halde  'C 

Vnd  wie  ich  halde  friede 

Vnd  gerechtigkeit  dar  myde  //.  s.  w. 
6"     Des  vatters  wifsheit  vnd  sin  Rat 

Der  der  gotheit  gehat 

Spiegel  vnd  bilde  ■ 

Sehent  den  zwange  grols  milde 

Vnd  jnbrunstig  mynne  u.  s,  w. 
G**     Do  diefs  clare  maiestas     • 

Den  Rat  jn  sym  spiegel  lafs 
,  Der  endelosen  wifsheit  u.  s.  w. 

6'     Da  nu  der  soue  begatte 


BIBLISCHE  GESCHICHTE.  139 

Das  er  den  verlaup  hatte 

Von  sinem  vatter  schiere 

Die  swester  alle  viere 

Hofelich  sprach  er  an  ti.  s.  w. 
6**     So  diefs  swester  alle 

Von  dem  freuden  schalle 

Hortten  den  sone  der  kunfftig  was 

Als  iglich  selber  lafs 

Jun  der  gollieit 

Da  wurden  sie  geraeytt 

Vnd  auch  zuchtiglichen  froe 

Sie  sprachen  alle  glich  also 

Du  hymelischer  Spiegel 

Were  wolde  wesen  kriegel 

Gein  diner  wisen  lere  u.  s.  tv. 
7^     Synt  ich  was  an  lant  gefaren 

Vnd  ich  den  segel  wolt  sparn 

Den  ich  durch  rüe  nyder  liefs 

Vnd  den  encker  in  den  griefs 

Des  selber  haüfi  geschossen  u.  s.  w.<  ^ 
S**     t9^  der  Rate  ergangen  was 

Das  des  vatler  Spiegel  glafs 

Der  Sone  daz  hymel  kindelin 

Der  gotheit  widder  scheyne  ■ 

8"^     Nach  hoher  wil'sheil  vl'serwelte  n.  s.  w. 
nun  geht  die  rede  über  auf  die  boten  die  gott  als  verkündi- 
ger des  Sohnes  im  ablauf  der  seiten  sendet. 
9  *    Hernach  etwae  lange  was 

Als  ich  in  den  buchen  lafs 

Das  es  den  herren  duchte  zyt 

An  dem  alle  tugent  lyt 

Bolten  sant  er  jnn  die  lant 

Vnd  hiefs  dem  volck  thun  bekant  ..; 

Hoffenliche  mere  .  ' 

Das  ein  erlosere 

Schier  komen  solde  v 

Der  vns  erlosen  wolde  u,  s,  w. 
9"     Here  Abraham  der  erste 

Der  Patriarchen  herste  .... 


140  BIBLISCHE  GESCHICHTE. 

10"     lÜEre  Moyses  liernach  enstundl 

Der  viel  getruwe  gottes  frundt  .  .  . 

10"     ^Vo  sin  liecht  ye  hiu  qiiamc 
Diesen  Sterne  balaara 
Lange  vor  erkande  .... 

10'     ÜEr  gut  lop  het  auch  vernoilien 
Wie  got  her  nyder  wolt  komeo 
Jn  diese  menschliche  wat 
Das  er  auch  vor  gesaget  hal 
Zu  got  rieff  er  taugen 
Joch  herr  myn  diu  äugen 
Fleischlichen  sollen  werden  .... 

10''     "Der  vfserwelte  goltis  früt  (/.   tnU) 
Der  kouig  dauid  vherlut 
Hat  vorhin  lange 
In  sinem  psalter  sänge 
Geprediget  vnd  vor  geseyt 
Vnd  gar  mit  truwen  vfs  geleyt 
Wie  Cristus  vnser  herre 
Der  liechte  sonne  Sterne 
Koüien  wolt  jnn  vnser  wat 
Vnd  wolt  sin  hantgedat 
Drosllich  schauwen  vnd  sehen  . 
1 1  ^     Her  Salomon  der  wise 

Der  was  auch  an  dem  pryls 
-    •/  Dieser  hohen  bottschafft 

Des  er  von  geistlicher  cralFt 

Vnd  von  gottlicher  ee 

Sprache  er  miserere  domie  .... 

1 1 "     ÜEre  abagug  in  truwen  sprach  .  . 

12"     ÜEr  wissage  Aggeus  .... 

12''     Usr  wissage  auch  3Iicheas  .  .  . 

12''     ÖEr  werde  Zacharias  .  .  . 

12*^     !DEr  prophete  Jonas 

Der  dry  tag  jnn  dem  vische  was  .  . 

13*'     A.uch  ist  nit  vnderwegen  hüben 
Osee  hales  auch  geschriben 

Iß'^     MPi.n  tempel  Malachias 


HlßLlSCIlE  GESCHICHTE.  141 

14"     Ayel  hat  auch  vernoüieu 

Wie  vnser  herre  woll  koüieii 
/»>;•  werden  die  heidnischen  Sibyllen  llrgil  n.  .9.  w.  oinge- 
flochlen. 

14'^     In  die  heydenisch  niagl 

Sibilhi  was  gar  vimcrzagt 

An  derselben  botschafft 

Von  gott  hat  sie  die  crafft 

Das  sie  so  viel  verkundt  hat 

Den  heydenischen  gottes  Kalt  //.  .v.  >r. 
15''     ÜEhalten  hant  jre  hie  bevor 

Wie  herre  nabnchedonosor 

Auch  gottis  sone  erkaut  u. s.tv. 
15''     I¥och  hau  wir  vor  vns  (einen)  hell 

Der  zu  der  botschafft  erwell 

Auch  suuderlich  von  gott  was 

Jnn  siner  schrifft  der  wise  lafs 

Wie  gott  wolde  uff  erden 

Gehörne  mensche  werden 

Als  er  verkündet  hat  alsus 

Der  heyden  doch  Virgilius 

Als  er  auch  hett  wole  vcrnoiuen 

Der  sprach  die  letzte  zyt  sol  körnen 

Davon  sibilla  hat  gesaget 

Es  soll  körnen  vns  ein  magel  u.s.w. 
nach  dein  trojanischen  kriege  und  Achilles  (16")  treten  die 
prophelen  wieder  ein. 

16"     ÜEr  lobelich  ysayas 

Auch  vor  gesiechtiglich  lal's 
17"     Uysse  wyste  auch  Jeremias 

Da  er  von  dem  herren  lafs 
18*     HEre  Daniel  der  gute 

Er  want  mit  reynem  mute 

Das  er  auch  vor  wole  wysto 

Von  vnscrm  liern  Criste 

Wie  er  mensch  wart  geborne 

Vnd  vns  den  ewiglichen  zorne  //.  .v.  w. 
18"     Ezechiel  die  porten  sach 

Darumb  er  mit  truwen  sprach 


142  BIBLISCHE  GESCHICHTE. 

Von  der  maget  lobelich 
Ein  porte  beslosseu  ewiglich 
18'    In  der  zyt  was  auch  eyn  man 
Dem  die  Judent  gar  entran 
Er  was  von  alter  awer  gryls 
Er  hat  sich  jnn  alle  wise 
Zu  gottes  dienst  wole  bereit 
Er  was  jnn  der  Judischeit 
Ein  priester  nach  der  alten  ee 

iL  ?'.  Simeon. 

X'd"     Win  Jerusalem  ein  priester  waz 
Geheissen  Zacharias 
Ein  bischoff  nach  der  alten  ee  //.  s.  iv 

hier  geht  die  rede  auf  Maria  über. 

20 ''     Waz  solle  langer  rede  mee 
Einen  sone  die  frauwe  trug 
Hie  mit  sy  der  rede  gnug 
Eya  myniglicher  gott 
Durch  die  gnade  vnd  die  gebott 
Vnd  durch  die  claren  sussigkeil 
Die  du  herre  ane  vnderscheit  - 

An  dir  ewiglichen  weist 
So  gib  mir  die  volleist 
Dins  heiligen  geists  ratt 
Der  manig  hertz  erluchtet  hal 
Daz  er  mir  myne  synne 
Mit  süsser  zarter  raynne 
3Iyu  herlze  vnd  myn  gemüte 
31it  warer  mynnen  glut 
So  heiliglich  entzünde        '  •  •  * 

Das  ich  von  aller  sunde 
Geweschen  werde  vnd  gczwagen 
Das  ich  wirdiglichcn  sagen  '   ■'-■''' 

20°     Von  der  rechten  rosen  möge 
Daz  es  jre  zu  lobe  doge 
Der  lob  vber  alle  dinge  swebt 
Daz  mit  dir  ewiglich  lebt 
Als  ein  herre  konigin 
So  dii  mir  diu  gnade  schyn 


BIBLISCHE  GESCHICHTE.  143 

Allein  ich  doch  wole  weyls 

Was  sich  yemant  gefleyfs 

Daz  er  sie  globte  wol 

Jre  lobe  wart  doch  nye  lobes  vol 

Vnd  was  nu  ist  vnd  auch  ye  was 

Laup  kruder  bluben  vnd   grafs 

\  ad  ymmer  mee  sol  werden 

Creature  ufF  erden 

Konde  daz  alles  sprechen 

Vnd  lobe  von  lobe  brechen 

Es  konde  doch  nit  glichen 

Es  musle  jrem  lobe  entwychen 

Doch  meret  es  des  lobes  schar 

Nu  neilien  alle  lute  wäre 

Were  diese  frauwe  möge  gesin 

An  der  diefs  hohe  lop  erschin  Cwart  schin?) 

Nach  so  werdem  pryse 

Daz  meister  nye  so  wise 

Wurden  die  ergrunden 

Jre  lobe  noch  wirde  künden 

Er  ist  der  Engel  frauwe 

Vnd  ist  ein  Rol's  jnn  dauwc 

Die  bluet  schonu  jnn  alle  zyt 

An  jre  vil  selickeit  lyl  ■    •     ^  • 

Sie  ist  aller  gnaden  ein  volles  fal's 

xVu  hilfF  auch  du  mir  frauwe  bafs 

Mee  sprechen  dann  ich  könne  (künne) 

Du  bist  der  hymel  wunde  (:  wünne) 

Du  lylien  viol  rosa 

Du  zart  zyllosa 
20''     Du  porte  des  paradifses 

Du  stame  des  raandel  ryses 
die  bilder  gehen  fort  durch  alle  thierc  bäume  pjla/izen. 

Du  lurlellaube  du  adelspare 

Du  fenix  vnd  du  adelar  u.s.w. 
hienach  21"  der  englische  grufs  und  die  Verkündigung,  nebs/ 
Elisabeth  und  Mariae  heimsuchung,  endlich  (Jhrisli  gcburt. 
23"     In  der  zyl  also  geschach 


144  ßlBLISCUE  GESCHICHTE. 

Ein  so  wunderlich  noit 
Keyser  augustus  vis  gebott  .... 
darnach  die  lieiligcn  drei/  künige. 

25'     Hye  tredc  ich  aber  \\\  daz  spor 
Da  wir  die  rede  liesen  vor 
Ee  ich  der  zyt  so  viel  verzere 
Wie  daz  lobelich  here 
Die  heren  konig  alle  drij 
Von  Saba  tarsis  vnd  arabij 
Vnd  alles  jre  gezunffte 
Waren  an  jre  kunlFte 
Nach  dem  Sterne  gahend 
Jerusalem  zu  nahend 
darstellung  Christi  im  tempel. 

27''     Maria  waz  ylzüt  gereyt 

Vnd  des  kindes  friindt  genug 
Das  man  jnn  jnn  den  tempel  trug  . 
Her  ödes  und  der  ki/idei^nord. 

29'^    öo  Herodes  diese  rede 

Gesprach  die  knecht  so  zu  stede 
Vlten  gein  Judeen  laut 
Sie  slugen  nyeder  so  zu  lianf 
Was  sie  kinde  funden 
Jnn  duchelin  gewunden  .... 
Chrisliis  im  tempel. 

29''     IJAUge  rede  ich  kurtzen  mag 
Das  kint  wüchse  allen  tag 
An  alter  vnd  an  wilsheit 
An  gotlichcr  wirdigkeit 
Zuname  er  an  jiiget 

29'^     An  geistlicher  tugent 

Er  wart  den  lutlen  allen  wert 
Als  ein  kint  das  man  begerl 
\  on  formen  was  er  schone 
Sin  nuint  ein  suis  gedone 
llelt  mit  sprach  vnd  auch  rede 
Des  herre  Dauid  sprach  zu  stede 
Jnii  sinem  psaller  gesange  also 
Speciosus  forma 


BIBLISCHE  GESCHICHTE.  I45 

(bild,    Christus   im  tempel) 
So  er  nu  zwolfl'  jerig  wart 
Da  hübe  sich  ein  walfart 
Zu  Jerusalem  als  mau  pllag'  71. s.w. 
Jokatmes  der  täiifer  und  Christi  taufe. 
30"     Mn  derselben  frist 

Johannes  der  Baptiste 
Zu  an  heiligkeit  name  .... 
31''     Hernach  es  aber  also  quam 
Das  Crist  der  heilant  lobesam 
Wolt  erfüllen  diesen  Rat 
Den  er  lange  vffgelegt  hat 
An  den  Jordan  er  da  ginge 
Den  dauffe  er  von  Johanne  encpfieng 
Als  jne  die  wäre  mynne  hiel's  .... 
Christi  miftretim  und  predigt. 

32''     Mu  sprach  jre  selige  gottis  kinde 

Die  hüte  hie  gesaüiet  sin  (kint  :  sint) 
Vernement  heilsamen  Ratt 
Johannes  des  tauf  er  s  tod. 

32''     HTv  was  es  ytzo  also  komeu 

Das  herodes  hat  genoüien 
SS''     Sins  bruder  frauwe  zu  wyp 
Christus  Umt  zeichen  und  wunder. 

33 ''     Inn  der  zijt  alsus  geschach 

Das  man  von  Jhesu  zeichen  sach 
Die  nye  gescheen  waren 
Da  vor  (in)  allen  jaren 
Die  lamen  det  der  heylant  geeu 
Die  tollen  dett  er  vll'  sleen 
Die  hincken  deter  springen 
Die  stummen  sprechen  vnd  singen 
Die  sunder  siechen  macht  er  reyn 
Sehen t  das  was  gar  gemeyn 
Gehorde  gäbe  er  den  dauben 
Den  tummen  rechten  glauben 
Die  blinden  macht  er  sehend 
Die  zwuiller  verjehend  u.s.w. 
Z.  F.  l>.  A.  II.  u    Ml»  10 


l/,6  niBLISCHE  GESCHICHTE. 

Christi  oinzug. 

34''     Hfv  was  yedoch  der  hohe  t.ig 
Das  man  da  hiu  pflag 
Da  was  des  volc.kes  michel  schai 
Die  nameul  allesaniet  war 
Wo  der  konig  lobesam 
AI  dort  here  geritten  kam 
al>t'7i(linal  35".  —  gebet  nrn  ölberg. 

35*'     Mye  was  ein  garte  vor  der  sla» 
Darwerts  vnser  herr  drat 
Da  wolte  er  sprechen  sin  gehett 
Als  er  hie  vor  vil  dick  dete 
Die  jungern  volglen  im  nach  .  .  . 
35  ■    Kyn  gebete  er  aber  dele  (treib?) 
Judas  nu  vnlang  bleib 
Er  hat  gehauffet  ein  sciiarc 
Die  quamen  mit  jme  aldar 
Sie  brachten  stecken  vnd  swerf 
Sie  gingen  gein  dem  berge  wer» 
Da  vnser  herre  sin  gebete 
Nach  gewonheit  vff  dere 
Christus  vor  Pilatus, 

3(5''    ^'^nd  da  daz  morgenlieclit  vfging 
Abur  man  den  herren  finge 
Man  fürte  jne  vor  pilatnm 
geiselung. 

37''     ^Pilatus  jnn  der  zijt  vernain 
Das  der  heylant  lobesam 
Geborne  was  von  nazareth 
Das  jnn  gallilea  stell 
Da  herodes  was  ein  vogi  .  . 
kreuzignng . 

37''     Ime  ein  creuz  da  bereit 
Mhesu  wart  daz  vff  geleyl 
Das  er  daz  selber  soll  tragen 
Nu  was  er  also  sere  gcslagen    :    i 
Das  sin  heiliges  blute 
AI  vmb  vfs  sinem  libe  will 
Da  von  vnie  die  macht  zu  ran 


BIBLISCHE  GESCHICHTE.  147 

Nu  was  von  eyme  dorfF  ein  mann 

Von  geschiechte  kommen  dar 
38 '     Den  zwangen  sie  der  Juden  schar 

Das  er  das  crutze  must  lielllen  tragen  .  .  . 
38''     Sye  singen  jne  vnsul'se 

Durch  hende  vnd  durch  fulse 

Dry  queck  negel  vnd  nit  scharpfl' 

Loifs  man  vmb  sin  cleider  warff ... 
Joseph  von  Arimathia. 

39^     M'v  was  alda  ein  Edelmah 

Der  an  pilalo  erwarb  alsan 

{bild,    Christi  grablegimg^) 

Das  er  begraben  solde 

Jhesum  wann  er  wolde 

Joseph  hiels  er  von  armatia  .... 
Christi  höllenfahrt.  . 

39'     HTv  höret  die  rede  furbals  mee 

Der  ich  doch  hau  begonnen  ee 

Was  drostes  jnn  die  Iiellen 

Adam  vnd  sin  gesellen 

Quam  so  wirdiglich 

Mit  diel'sem  fursten  ricli  .  .  . 
auferstehung. 

Da  nu  die  ander  nacht  erging 

Ee  der  morgen  liecht  empfing 

Vnd  der  sabolh  was  vergan 

Von  hymmcl  quam  da  sunder  wan 

Ein  so  grosser  donnerslag 

Das  die  ritterschaft  erschrack 

Den  das  grab  beuolhen  was 

Sie  wurden  bleicher  dann  ein  wahs 
4  ^     Sie  fielen  nyder  von  der  not 

Glicher  wise  sie  wem  dot 

Die  erde  bieben  da  began 

Jhesus  der  gotlich  man 

Ja  der  wäre  heylant 

Vis  dem  grabe  stunde  zu  hant  n.s.w. 
4 1  '     Also  stund  vir  der  herr  fru 

10* 


148  BIBLISCHE  GESCniCHTE. 

Bereyl  hetten  sich  ylzo 
Die  niarien  alle  dry  .... 
himvielfahrt. 

42 '^     Da  die  viertzig  tag  da 
Ergingen  vnscr  herr  sa 
3Iit  sinen  jungern  dranck  vnd  als 
By  jne  er  fruntlichen  safs  ... 
pßngsten. 

43''     ÖA  nu  der  pfingstag  entstund 
Die  lobelichen  gotlis  frundt 
Waren  by  einander  gar 
Zu  Jherusalem  an  eyner  schar 
Die  herliche  menge 
Lagen  an  irer  venige 
Vasten  weynen  sin  gebeHe 
Yedermann  besunder  dete 
Sin  Sassen  alle  da  by  eyne 
Da  jnn  der  droste  von  gotl  ersclieyn 
Es  quam  ein  snelliglich  bofs 
Als  eins  gehen  windes  dofs 
Da  von  ein  hüls  erbiben  sol 
Das  hufs  (wart)  aller  gnaden  vol 
Der  geisl  alda  schufF  wunder 
Er  besals  besunder 
Iglichen  wirdiglichen 
Vnd  also  lobclich 
Alle  tugent  alle  kunst 
Sie  hatten  gotliche  gunst 
Sie  waren  sunder  meisterstule 
Komen  hin  zu  hoher  schule 
Ire  meister  was  der  heilige  geisl 
Der  gäbe  jne  werde  volleist 
Zu  tugent  vnd  zu  wyfsheit 
Ine  was  zu  stunt  alda  bereit 
Das  sie  künden  alle  schrillt 
Das  wunder  warde  alda  gestietri 
Das  jne  das  alles  kundig  was 
Das  jre  keyner  doch  nye  gelals 


BIBLISCHE  GESCHICHTE.  141» 

Ine  was  alle  spräche  kunl 

Die  kundeu  sie  alila  zu  stuiit 

Durchiiiechtiglich  als  jren  nameu 

Hie  von  die  lute  hatten  gameu 

Da  sie  die  herren  sahen 

Glich  alle  sie  da  jähen 
43'     Sie  weren  Avynes  druncken 

Da  was  das  von  den  funcken 

Des  heiligen  geists  glüte 

Da  von  afs  jrem  gemüte  .... 
von  dci'  kraß  der  jünger  (44^)  und  von    der  dreieinig keit. 
44*'     So  sint  die  drij  ein  eynig  gott 

Also  ist  das  ewiglich  leben 

Eyniich  vnd  drylich  vnderweben 

Eben  eynig  vnd  eben  hcre 

Selieul  diefs  waz  der  herren  lere 

Diel's  predigten  vnd  lartten  sie 

Den  glauben   Hessen  sie  vns  hie 
44*^     Den  sollen  wir  doch  yninier  han 
von  Maria,   ihrem  lobe  und  ihrer  himinelfahrt 

Hieniit  sollen  wir  bestan 

Konde  ich  nu  wirdiglichen  kosen 

Von  der  hochgelobten  rosen 

Die  frauwe  obe  allen  frauwen  ist 

Die  vnser  herre  Jhesus  crisl 

Zu  mutler  vlserwelt  hat 

So  solde  ich  finden  eyncn  Hall 

Daz  ich  endorffte  nit  vertagen 

Ich  solde  ein  lutzel  sagen 

Von  der  lobelichen  fart 

Wie  die  konigin  wart 

Gefurt  so  wonniglich 

Hin  zu  hymmelrich 

Ja  mag  ich  uu  reden  wol 

So  horelt  was  ich  uch  sagen  soll 

Was  eygentlich  ich  sprechen  mag 

Maria  hiit  uff  diefsen  tag 

Alsus  diel's  mynn  brief 

Den  herreu  Salomou  doch  rieif 


150  BIBLISCHE  GESCHICHTE. 

Von  des  heiligen  geistes  wegen 
Der  sie  mit  flil's  konde  pflegen 
Myn  sele  sich  zu  lassen  hat 
Sint  myn  frundt  gekoset  hat 
So  bann  ich  jne  zu  stunden 
Gesucht  vnd  doch  nit  funden 
Ich  riefl"  mit  ynniglicher  gier 
Antwort  engab  er  nit  mir 
Der  stete  wartet*  mich  ye  sa 
Funden  jfifi  den  zytten  da 
Die  wundeten  vnd  singen 
Mich  sere  jfifi  den  vnfugen 
Der  Muren  wechter  vnder  jnn 
Drugen  mynen  mantel  hin 
V^on  Jerusalem  jre  meyde 
Mynen  frundt  sagendt  gereide 
44''     Das  ich  sij  von  mynnen  kranck 
Diels  was  maria  mynnen  sang 
Iren  frundt  den  wolt  sie  haben 
Sie  hat  siner  liebe  entzoben  (entsaben) 
Vnd  der  hymel  sussigkeit 
Des  hat  sie  das  pufse  leyt 
Zarten  Jammer  vmb  jren  frundt 
Marien  wole  die  clage  slunt 
Eya  Edele  konigin  (kuneginne) 
Wie  kanstu  dragen  mynne 
Zu  eynem  fursten  rieh 
Du  mynnest  wirdiglich 
Er  mynnet  dich  hinwidder  wert 
Iglichs  des  andern  mynne  gert 
Er  dincr  als  du  siner  thuest 
Davon  du  billich  tragen  musl 
Frauwe  die  hymmel  kröne 
Die  er  dir  gibt  zu  lone 
Vmb  alle  soliche  mynne 
Du  bist  die  konigyn(ne) 
Der  konig  ist  din  zartes  kint 
Die  zwey  gar  wäre  myne  sint    ,,, ^iA 
*  /.  warter.  .,  ,, .   „  ,„     njiiM'.   t.  >ii 


BIBLISCHE  GESCHICHTE.  151 

{bild,    Man'ac  tod) 
/lö"     Me  (loch  in  derselben  frisl 
Der  mynniglich  lierre  crist 
Mit  eyner  wirdiglichen  schar 
Quam  zu  siner  mutier  dar 
Die  jne  hat  hie   erzogen 
Er  hat  jre  brüst  gesogen 
Da  er  die  lobelichen  sach 
In  luterkeit  er  zu  jre  spracli 
Du  zartes  durtel  tubelin 
Du  vsserwelte  frundin  myne 
Du  lutter  schone  sunder  wal 
Diu  flecke  hat  an  dir  nil  male 
Din  zunge  honig  gusset 
Din  munt  mit  seume  flulset 
Vud  din  adelicher  smack 
Vber  alle  kruder  riechen  mag 
Sehet  der  wintter  ist  zurgan 
Es  (Er)  hat  sin  regen  auch  gelageu  (gelänj 
Die  blumen  lobelichen  vffgeent 
Die  wiugartlen  alle  jnn  blute  steent 
Die  lurteltuben  singent  nü 
lun  vnser  freude  frundin  dii 

Stant  vtf  yle  bifs  gereyt 
Komme  iur  grosser  wirdigkeit 

Komme  herre  von  dem  libauo 

Gekronet  saltu  sin  ye  so 

Seht  das  cristus  wider  rede 

Nu  waren  kommen  da  zu  stede 

Sin  jungern  auch  ye  sa 

Des  wart  die  Edel  maria 

Verrichtet  mit  der  heilikeil 

Die  zu  dem  ende  ist  vffgeleit 

So  das  alles  da  erging 

Mariam  wirdiglich  empfing 

Der  hohe  furste  jnn  sin  gewall 

Die  hymel  köre  manigfalt 

Sungen  vnd  waren  frohe 
45^     Hin  für  die  konigyn  da 


152  BIBLISCHE  GESCHICHTE. 

Lilien  vnd  roselin 
Vyoln  vnd  zyloselin  (zitloselin) 
Vnd  aller  hande  blumen 
Waren  jre  zu  Rome 
Zu  dienste  hart  wole  bereyt 
Sie  machte  jre  ein  vmkleyt 
Sie  halt  dienstes  keinen  bruch 
Ire  diente  auch  adelich  geruch 
Mirre  baisam  vnd  aloe 
Cordamömen  gamandre 
Muscaten  vnd  negelin 
Cubeben  galgen  zynamomyn 
Vnd  aller  edelicher  gesmack 
Der  von  wurtzen  riechen  mag 
Der  was  aller  samet  da 
Mit  der  kofiigyn  sa 
Da  die  hymelische  schare 
Der  konigyn  wart  gewar 
Von  jne  ein  süsse  stymme  erclang 
Sie  sungen  diesen  wunder  sang 
Were  ist  die  frauwe  jn  dirre  wat 
Die  so  lobelich  vfF  gat 
Die  vffgende  wirdet  schynen 
Als  ein  rauches  gurtelin 
Von  wyrach  vnd  mirren 
Mit  diefsem  hymmel  herren 
War  richtest  du  dich  wyse  magt 
Ein  morgen  schyn  an  dir  betagt 
Du  geest  vfF  als  ein  morgen  rote 
Dem  die  sonne  jren  schyne  erabot 
Du  Edel  dochter  von  Syon 
Gar  süsse  jnn  diner  stymme  don 
Du  bist  schone  vor  alle  war 
Dem  monde  bistu  glich  dar 
Vsserwelte  kouigynne 
45"     Glich  der  claren  sonnen  schyne 
Also  füren  sie  wirdiglich 
Hin  jnn  das  hymmelrich 


BIBLISCHE  GESCHICHTE.  153 

ooin  antichrist. 

45''     Maria  aller  sunden  drost 

Du  hilfF  vns  daz  wir  erlofst 

Werden  von  der  falschen  lisl 

Den  man  nennet  antecrist 

Vnd  siner  ungetruwen  boden 

Des  vnser  seien  also  geroden 

Nu  nach  alle  stunde 

Inn  der  hellen  abegrunde 

Von  jnn  icht  werden  verbrant 

Des  syest  du  konigin  gemant 

Da  dirre  tufelisch  man 

Geborne  werden  sol  von  dan 

Dann  der  zwolIF  sone  eyner  hiel's 
46"     Die  Jacob  jnn  Egipten  liefs 

Als  jre  lange  hant  vernommen 

Von  des  gesiechte  sol  er  kommen 

Von  eym  Juden  wybelin 

Das  sol  yedoch  das  hoste  sin 

Von  demselben  könne 

Vntugent  wirt  sin  wonne 

Liegen  vnd  vnkuscheit  .... 
sein  triiglehen  bis  zu  seitietn  stürze. 

47"     Das  ende  nahet  yedoch  nu 

Wanne  vnser  herre  Jhesus  crisl  ,► 

Der  herre  vber  alle  konig  ist 

Ein  richter  vnd  ein  heylant 

Sin  herschafft  machet  da  bekant 

Sin  gewalt  vnd  sin  geholt 

Ja  der  droste  der  wäre  gott 

Nyder  siechte  den  bösen  wiechl 

Vor  des  volckes  angesiecht 

Daz  jne  die  warhcit  werde  konl 

Die  Engel  kommen  so  zu  stunl 

Vnd  slagen  die  tufel  abe 

So  lassen  sie  vsser  habe 

Vnd  lassen  jne  gewerden 

Er  feilet  zu  der  erden 

Wol  gar  er  zu  bristet  >- 


154  BIBLISCHE  GESCHICHTE. 

47''     Daz  voick  nit  lenger  fristet 

Sie  schauwent  vnd  nement  war 

Sie  nement  alle  wunder  gar 

Das  er  zubrosten  lyl 

Sie  clagen  jre  verlöre  zijt 

Das  sie  die  hann  also  verthau 

Vff  eynen  offenlicheu  wan 

Die  warheit  widder  plantzet  dann 

Die  doch  die  zwene  gottis  mann* 

Den  lütten  hann  gesaget  vor 

Des  komet  sie  mit  der  spur 

Der  heiliglichen  lere 

Das  sie  widderkere 

Bälde  vnd  endlich  thun 

An  crist  den  waren  gottis  soue 

Das  sie  ruwen  vnd  leyt 

Infi  jrs  hertzeu  bitterkeyt 

Vnd  wäre  bichte  hafi 

Vnd  balde  bul'se  emphan 

Nach  gnaden  vmb  jre  misselat 

Solichen  heilsamen  ratt 

Vorhin  die  herren  hant  gegeben 

Die  lute  gaben  vnd  sterben 

An  geistlich  fare 

48"     Zu  der  herren  lare 
Heiden  vnd  prussen 
Kriechen  vnd  russen 
Vngern  datterere 
Schotter  frantzoyser 
Walhen  vnd  latine 

Juden  Sarratzene  1 

Vnd  alle  volck  was  sprachens  kan 
Ein  herle  es  wirdet  alles  dan 
Es  werdent  alle  ein  schar 
Der  sol  ein  hirte  nemen  war  .  . 
Sam  die  heydenisch  magt 
Sibilla  hat  vns  vor  geseyt 

*  Ullas  und  .Malachia.s.  '  <     ,i..-  m?  f"/ 


BIBLISCHE  GESCHICHTE.  155 

Vnd  der  heidenisch  man 

Virgilius  sich  hebet  dan 

Das  nymant  vmb  kauff  fert 

Noch  mit  müren  sich  erwerl 

Wann  ein  ander  ist  gesant 

Achilles  nü  zu  Troien  lant 

Vnd  verrichtet  gar  den  stryl 

Aller  vnfriede  nu  gelyl 
48''     So  das  alles  nu  er  gat 

So  wene  ich  daz  die  werlt  hat 

Ye  doch  jrs  lauftes  leste  ziel  .... 
orn  jüngsten  tage  und  seinen  fünfzehn  seichen. 

Diefs  ist  ein  tag  des  zornes 

Ein  dolse  des  herehorns 

Jamers  bitterkeit  vol 

48'     Noch  ist  der  propheten  viel 

Der  ich  nu  geswigen  will 

Die  es  alles  haut  geschriben 

Vff  den  engstlichen  tag 

Da  nyemant  sich  verbergen  mag 

Ye  doch  sol  von  erste  gescheen 

Das  man  sol  jamerzeichen  sehen 

Ee  derselbe  tag  erstee 

AI  solich  noit  geschiecht  ee 

Gein  dem  wunder  fireysen 

Den  lütten  mag  wole  eysen 

Die  dann  sint  am  leben 
48*^     Vnd  das  geschauwel  eben  "   • 

Ire  sint  funiftzehen  an  der  zale 

Yedoch  nyemant  wissen  soll 

Wann  es  nyemant  hat  vernomen 

Obe  sie  nahe  einander  koiiien 

Von  langer  zijt  von  langer  frisl 

Diels  dinge  nyniant  kundig  ist 

Das  erste  zeichen  ist  also 

Das  mere  vber  alle  berge  hohe 

Sol  viertzig  elen  hoher  geen 

An  siner  stette  sol  es  steen 

Eyner  nmwern  glich  gestalt 


156  BIBLISCHE  GESCHICHTE. 

Daz  wunder  schauwen  glich  Junge  vud  alle 

Das  ander  zeichen  also  stat 

Das  mere  sich  widder  nyeder  lat 

Vnd  sencket  sich  zu  dale 

49*'     Vnser  herre  ertzeuget  sich 

Eym  hohen  furslen  glich 

Oben  von  Orient  .... 
vo?t  den  sieben  hanptsü?ide7i. 

50''     VErnenient  kurtze  rede  noch 

Die  siben  heuptsunde  ydoch 

Die  uch  nu  sint  vorgeleyt 

Sie  fliessen  vfs  der  schalckheil 

Des  vngetruwen  slangen 

Wann  er  also  wolde  fangen 

Alles  menschlich  könne 

Von  der  hymmel  wonne 

Davon  er  schemlichen  fiel 

von  den  zehen  geboten. 

50*^     Der  auch  heldet  die  geholt 

Die  vns  hat  gebotten  gott 

Der  hat  selber  vsse  erkorne 

Der  wirt  nymmer  mere  verlorne 

Ire  sint  doch  zehen  an  der  zale 

Als  ich  uch  bescheiden  sal 

Das  erste  ist  so  gestalt 

Das  du  nit  verswern   sali 

Gottis  namen  vmb  nicht  u.  s.  w. 
von  dem  tode  und  der  hölle. 

^|b     \^o  sijt  jre  nu  herr  Judas 

Herre  Cahin  vnd  herr  Caiphas  / 

Herre  phebus  vnd  herr  Jubiter 

Meister  allexander 

Frauwe  venus  vnd  frauwe  pallas 

Achilles  vnd  Eneas 

Paris  Hcclor  Hercules 

Vnd  auch  der  wyse  Olixes 

Herre  Symon  vnd  herre  Nero 

Herodes  vnd  pharao 

Ire  Juden  jre  sarrazene 


BIBLISCHE  GESCHICHTE.  157 

Ire  gelaufften  kauwerzene* 
Ire  prusscn  vnd  datterere  ■ 
Ire  rauber  vnd  nachtbrenner 
Ire  morder  vud  jre  diebe 
Sehent  jre  uch  nu  icht  lieb 
Ire  solleiit  furwar  alle  dar 
Also  erfuUenl  jre  die  schar 
Wafifi  jre  syt  gar  der  hellen  kynl 
51"     Hiemit  gar  begriffen  sint 

Was  lute  hant  vnrechtes  leben 
Den  wirt  ein  ewig  fluch  gegeben  j/.s  v< 
schhifs.     Ilfv  helfft  mir  alle  bitten  gott 
Durch  sin  wirdiglich  gebotl 
Vnd  durch  die  claren  mynne 
Die  zu  der  konigynne 
Der  hochgelobte  furste  treyt 
An  die  er  Schönheit  hat  geleyt 
Vnd  also  grol's  wirdigkeit 
Inn  sinem  riebe  ane  vnderscheil 
Das  er  sin  wirdigliches  blute 
Das  vis  sinen  wunden  wüte 
Das  für  vnser  missetat 
Der  konig  herre  vergossen  hat 
Wolle  an  vns  behalten 
Das  wir  icht  sin  verschalden 
Des  ewiglichen  lebeus 
Das  er  icht  habe  vergebens 
Die  marter  also  durch  vns  gelitten 
Das  er  also  jenierlich  versnytten 
An  dem  fronen  crutze  stunde 
Er  wolle  vns  vuder  sin  frundc 
An  dem  leisten  tage  zclen 
Das  er  vns  dar  zu  wolle  erwelen 
Des  bitten  wir  den  heylant 
Dem  alle  hertzen  sint  erkanl 


'  sieh  Kawerzer  in  Schmellcrs  bnier.  wb.  2,  275.  inoiiuvi. 
böte.  7,  403  an  chabcrzcin  oder  an  Juden,  nicderrhein.  urk.  v.  j-  1123 
ad  usuras  magnas  Judeorum  vcl  Cauwercinoruui  urgentes. 


158  BIBLISCHE  GESCHICHTE. 

Die  von  libe  ye  quamen 
Nu  spreclient  lieben  Amen 
Finite  ijta  fcria  p9  galli  Anno 
dili  M°  cccc°  IxqiiUo. 

H.  F.  MASSMANN, 


EINIGES   ZUR    LEX  SALICA. 

Ich  behalte  einer  späteren  ausführlichen  arbeit  vor  zu  be- 
weisen dafs  die  sogenannte  nialbergische  glosse  nicht  einem 
deutschen  dialecte,  sondern  den  keltischen  volksmundarten 
der  gallischen  lande  wo  diese  lex  zur  anwendung  kam  ange- 
hört, es  wird  sich  dann  auch  der  beweis  führen  lafsen  dafs  die 
abweichungen  der  verschiedenen  handschriften  hinsichtlich 
dieser  glosse  nicht  blofs  der  nachläfsigkeit  der  Schreiber  an- 
heim  fallen,  sondern  zum  grofsen  theile  entweder  synonymen 
oder  nur  mundartlich  abweichende  formen  derselben  worte 
darstellen,     hier  vorläufig  nur  einiges. 

Der  tit.  iii  de  furtis  animaliimi  wird  gewiss  von  den  mei- 
sten als  ein  beweis  angesehen  dafs  die  malbergische  glosse 
deutsche  worte  enthalte,  denn  ochsaiora  und  okseno  stimmen 
doch  zu  gut  scheinbar  mit  dem  deutschen  ochsen;  man  sollte 
aber  billig  sogleich  stutzig  werden  wegen  der  verschiedenen 
beiden  ausgänge  des  Wortes,  und  bei  den  übrigen  Wörtern  die- 
ses titeis  wird  man  bald  verzweifeln  sie  aus  dem  deutschen  zu 
erklären,  ochsaiora  wird  durch  anniculum  animal  d.  i.  ein- 
jähriges rind  erklärt,  ohsono  durch  hos.  diesen  erklärungen 
entspricht  ganz  das  gälische  agh  searra  und  agh  seine  (spr. 
öch  searra  und  öch  sehne,  soweit  sich  die  laute  deutsch  be- 
zeichnen lafscn).  agh  bedeutet  ein  rind,  in  der  regel  ein  jun- 
ges rind,  searr  oder  searrach  ist  jedes  junge  thier,  füllen, 
hirschkalb,  auch  ein  junger  kalbiger  mensch,  also  agh  sean^a 
ist  ein  kalbiges  rind.  seine  heifst  älter,  .ilso  agh  seine  ist  ein 
älteres  rind.*  —  Pedero  ^'w^  durch  vitnlus  lactans  erklärt. 

'  eiu  ganz  ähnliches  Verhältnis  wie  zwischen  diesen  worlen  und 
dem  deutschen  worte  ochse  findet  statt  zwischen  dem  malbergischen 
Worte  ortfocla  und  dem  deutschen  worte  vogel.  die  ähnlichkeit  ist 
nur  scheinbar,    ßach  heifst  im  irländischen  gälisch  jeder  grüfsere  hoch- 


ZUR  LEX  SALICA.  159 

der  ganze  reichthum  sämmtlicher  deutscher  mundartcn  bietet 
kein  analoges  wort,  aber  das  gälische  bietet  sofort  baothair, 
was  ein  niilchkalb,  auch  einen  jungen  kalbigen  menschen  be- 
deutet, an  das  p  im  anlaut  darf  man  sich  nicht  stofsen ;  das 
gälische  hat  ursprünglich  kein  p  und  es  hat  diesen  buchsta- 
ben,  der  weicher  ausgesprochen  und  auch  weiches  b  {boith 
^0^)  genannt  wird,  blofs  der  fremden  Wörter  wegen  eingeführt, 
das  ao  wird  mit  einem  laute  zwischen  ü  und  ö  ausgesprochen, 
wie  ein  dumpfes  e,  pedero  und  baothair  ist  sicher  dasselbe 
wort.  —  Mala  wird  durch  vacca  erläutert,  ein  solches  wort 
hat  keine  deutsche  mundart,  aber  das  gälische  hat  maol  und 
dies  bedeutet  ursprünglich  ungehörnt,  dann  die  ungehörnte 
kuh  {bo  mhaol)  und  endlich  kuh  überhaupt,  da  auf  den  briti- 
schen inseln  mehrere  rindviehracen  sind  mit  ungehörnten 
kühen  und  die  Kelten  wohl  auch  in  Gallien  solche  racen  hiel- 
ten, sie  waren  ja  Tacitus  zu  folge  auch  in  Deutschland  ver- 
breitet. —  Zymis  bedeutet  offenbar  mit,  zusammt  mit,  denn 
zymis  pedero  malia  wird  §  4  erläutert  durch  vacca  cum  vi- 
lulo  (in  den  §  3  ist  die  glosse  nur  durch  versehen  gekommen, 
indem  der  Schreiber  nach  dem  worte  furaverit  im  4n  statt  im 
3n  Paragraphen  zu  schreiben  fortfuhr),  ein  diesem  zymis  ent- 
sprechendes wort  hat  der  deutsche  sprachstamm  kaum  aufzu- 
weisen, wohl  aber  das  gälische,  in  welcher  spräche  soimh 
(jetzt  gewöhnlich  saimh)  zusammen,  unter  sich  verbunden, 
gepaart,  bedeutet,  es  heifsen  also  die  worte  zymis  pedero  ma- 
/{V?  Zusammen  mit  dem  kalbe  die  kuh.  —  Abazym  pedero  be- 
deutet dasselbe,  denn  ba  heifst  einfach  auch  die  kuh  und  a  ist 
wahrscheinlich  der  artikel,  der  im  gälischen  an,  aber  in  ge- 
wissen fällen  auch  a  lautet,  also  a  ba  zym  pedero  heifst  Die 
kuh  mit  einem  kalbe,  was  wohl  in  dem  lateinischen  ausdruck 
vacca  domita,  eine  bezwungene  kuh,  eine  kuh  die  gerinderl 
hat,  im  gegensatz  einer  kalbe,  auch  liegen  soll,  da  wir  hier 
zym  in  einfacherer  form  als  oben  zymis  haben,   so  ist  anzu- 

lliegende  vogel ;  in  der  regel  zwar  ein  rabe,  allein  man  unterscheidet 
durch  präfigierle  worte,  ^airr-Jiach  ein  habichl,  cuaimh-ßach  ein 
geier.  so  ist  das  ortfocla  der  glosse  nichts  als  ort-ßach  mit  einer 
hilduugssilbe  noch  am  ausgange  des  Wortes,  ord  heilst  tapfer,  streit- 
bar, und  als  tapfere,  streitbare  vogel  können  wohl  accijntrr  i;rus 
ryffnus,  auf  die  sich  die  glosse  bezieht,  bezeichnet  werden. 


160  ZUR  LEX  SALICA. 

nehmen  dals  jenes  is  an  zymis  noch  etwas  besonderes  be- 
zeichne, isc  ist  im  gälischen  die  emphatische  form  des  femi- 
nins  des  pronomens  der  dritten  person,  die  personalpronomina 
stehen  aber  in  allen  keltischen  sprachen  in  nächster  bcziehung 
zu  den  possessivprouominibus.  bedeutet  nun  ise  oder  isi  jetzt 
eadem,  so  liegt  sehr  nahe  dals  auch  eiusdem  oder  suus  damit 
ausgedrückt  werden  konnte,  und  so  erhalten  wir  für  die  worte 
zym  is  pedero  malia  die  bestimmte  erklUrung  3Iit  ihrem  kalbe 
die  kuh.  —  Chcrecheto  wird  erläutert  durch  taurus  qui  gre- 
gem  regit,  aus  deutschen  mundarten  wird  sich  hier  nichts 
beibringen  lafsen,  aber  gälisch  heifst  greigh  die  herde ;  das 
entspricht  dem  chereche.  nun  kann  to  blofse  bildungssilbe  sein 
oder  auch  mit  tois,  tus,  der  erste  platz,  der  beginn,  die  füh- 
rung,  zusammenhangen  und  vielleicht  nicht  vollständig  ge- 
schrieben sein. —  Traslo  wird  durch  bimus  taumis,  zweijähri- 
ger stier,  erläutert,  ich  glaube,  man  wird  im  ganzen  germani- 
schen Sprachschatz  umsonst  nach  etwas  ähnlichem  suchen, 
während  man  gälisch  dasselbe  wort  hat,  denn  treas-laogh 
(sprich  tj'as-Iöh)  bedeutet  ein  starkes  kalb,  und  so  kann  man 
wohl  einen  zweijährigen  stier  bezeichnen.  —  Ein  diebesfrevel 
der  an  einem  mehreren  landgütern  gemeinsam  gehörigen  bul- 
len geübt  wird  ist  §  9  durch  chami  iheuto,  ein  diebesfrevel 
der  an  einem  zu  einer  königlichen  domäne  gehörigen  bullen 
geübt  wird  ist  durch  chamutevo  bezeichnet,  nun  heifst  cam 
oder  caim  gälisch  jede  Ungerechtigkeit,  jeder  frevel,  und 
tuath  heifst  die  gesammtheit  von  landleuten  die  in  irgend 
einem  verbände  stehen ;  cham  i  iheuto  könnte  also  recht  gut 
mit  hilfe  des  gälischen  durch  Frevel  an  der  gemeinde  erklärt 
werden,  das  utevo  das  sich  an  das  andere  cham  anschliefst 
weifs  ich  zur  zeit  nicht  zu  deuten.  —  Es  folgt  sodann  §  12 
ein  auch  sonst  oft  vorkommendes  wort,  sonischalt.  es  be- 
zeichnet überall  wo  es  vorkommt  eine  verbundene  auzahl 
vieh,  eine  geschlofsene  zusammengehörige  herde.  in  unserem 
titel  §  13  scheint  es  durch  iunctum  erklärt  zu  werden,  wenn 
man  nämlich  die  glosse  sonischalt  zu  dem  letzten  davor  ste- 
henden Worte,  iunctay  allein  bezieht,  wie  man  wohl  mufs, 
wenn  diese  stelle  nicht  in  directen  Widerspruch  treten  soll 
mit  allen  übrigen  in  denen  das  worl  vorkommt,  sehen  wir 
uns  im  gälischen  um ,    so  linden  wir  son    in   der  bedeutung 


ZUR  LEX  SALICA.  161 

kräftig,  stark,  in  beziehung  auf  menschen  heifst  es  grofsge- 
wachsen  ;  in  beziehung  auf  acker  und  gewächs  fruchtbar^ 
überhaupt  vortheilbringend,  glücklich,  durchdringend,  kräftig, 
tüchtig,  ceal  heifst  die  fuge,  die  Verbindung,  ceile  was  ver- 
bunden ist,  z.  b.  eheleute.  sonischalt  könnte  also  eine  frucht- 
bare herde  die  der  Vermehrung,  des  vortheils  willen  verbun- 
den ist,  bezeichnen,     dies  passt  bei  allen  stellen. 

In  ähnlicher  weise  wie  die  glossen  zu  dem  erwähnten  titel 
bin  ich  im  stände  die  ganze  malbergische  glosse  zu  erläutern, 
das  heifst  also  so  dafs  mit  ausnähme  einiger  weniger  worte 
sämmtliche  übrigen  sich  auf  ganz  nahe  liegende  gälische  wort- 
stämme  zurückführen  lafsen.  im  einzelnen  mag  ich  mich,  bei 
der  neuheit  meiner  Studien  nach  dieser  seite,  vielfach  irren, 
in  einigen  fällen  näher  liegendes  übersehen  und  nach  entfern- 
ter verwandtem  greifen,  aber  der  gesammteindruck  ist  mir  ge- 
worden, die  malbergische  glosse  des  fuldischen  codex  stellt 
eine  keltische  und  zwar  eine  dem  gälischen  sehr  verwandte 
mundart  dar.  das  wort  vialberg.,  das  der  glosse  beigeschrie- 
ben ist,  bezeichnet  auch  selbst  nichts  anderes,  denn  mal  heilst 
gälisch  die  Versammlung,  der  häufe,  und  beargnadli  die  Volks- 
sprache, lingua  veriiacula;  die  abkürzung  malberg.  wird  also 
nichts  anderes  bezeichnen  als  Volkssprache,  landessprache  des 
gerichtsumstandes,  des  zum  gericht  versammelten  haufens, 
und  mit  deutschen  malbergen  nichts  zu  thun  haben. 

Dafs  in  nordöstlichen  gegenden  Frankreichs  und  in  Bel- 
gien, wenn  sich  noch  reste  der  alten  keltischen  spräche  hiel- 
ten, diese  den  dialecten  Irlands  und  Schottlands  nahe  standen 
scheint  den  irländischen  traditionen  von  einwanderung  der 
Firbolg  oder  Belgier  in  Irland  ein  neues  gewicht  zu  geben. 

Ich  kann  nicht  umhin  hier  gleich  auch  ein  wort  der  mal- 
bergischen  glosse  zu  besprechen  das  sich  zeither  als  ein  wah- 
res kreuz  erwiesen  und  noch  kürzlich  hcrrn  ghr.  Luden  zu 
der  wunderlichen  ansieht  verführt  hat  es  sei  ein  eigenname, 
nämlich  das  wort  Leodardi  oder  Leudardl.  dies  wort  ist  ge- 
braucht zu  bezeichnung  der  verschiedenartigsten  frevel,  es 
ist  aber  nichts  anderes  als  das  gälische  wort  Icadairt,  abgelei- 
tet von  dem  zeitwort  Icadram,  welches  jede  art  frevelhaftes 
gehabens  von  blofs  moralischer  mishandlung,  von  blofsem  mis- 
brauch,  von  der  Verhöhnung  eines  menschen  bis  zur  vernich- 
Z.  F.  D.  A.    II.  11 


162  ZUR  LEX  SAIJCA. 

tenden  körporliclicn  inishandlung,  dem  niederschlagen  und  nie- 
derhauen l)ezeichnet',  leadairt  ist  ein  jedes  solches  rechts- 
verachlciides  verfahren,  und  diese  bedeulung  passt  zu  allen 
stellen,  auch  die  glosse  leudi  hängt  damit  zusammen,  denn 
leod  ist  gälisch  mit  leadairt  synonym,  dafs  dieser  dem  gä 
tischen  verwandte  keltische  dialect  gerade  in  den  belgischen 
gegendcu  bei  einwanderung  der  salisclien  Franken  noch  ge- 
sprochen worden  sein  mufs  sieht  man  daraus  dafs  einzelne 
solche  keltische  worte  nicht  blofs  in  der  glosse  sich  finden, 
sondern  im  text  selbst  vorkommen,  der  doch  ohne  zweifei 
in  niederländischer  gegend  abgefafst  worden  ist.  so  findet 
sich  im  2n  titel  §  14  im  texte  porcellus  teriuasiis.  dies  letz- 
tere wort  ist  ohne  zweifei  dasselbe  mit  dem  in  der  glosse 
-zu  §  5  sich  findenden  thertesun.  dies  findet  seine  erklärung 
in  den  textworten  (pii  sine  mati^e  vivere  possit  und  hat  als 
synonym  bei  sich  das  wort  ymnisßlh.  es  kommt  ohne  zwei- 
feil her  von  tarrthaim  d.  i.  wachsen,  bedeutet  also  heran- 
gewachsen, und  yninisßth  von  iomai/i,  als  verbum  treiben, 
als  substantivum  die  getriebene  herde,  dann  insbesondere  die 
Schweineherde,  üu(\  Jithea?i,  das  schwein;  es  bezeichnet  ein 
schwein  das  mit  der  herde  laufen  kann,  ein  treiberschwein. 
ein  anderes  synonymes  wort  gibt  §  14  in  der  malbergischen 
glosse,  dracechalt,  wofür  andere  handschriften  blofs  drace. 
dränge  haben,  es  erklärt  sich  dies  wort  durch  dragk,  tren- 
nen, abnehmen,  und  durch  coilleadh,  das  schwein;  drace- 
chalt ist  ein  getrenntes ,  von  der  muttersau  entwöhntes 
schwein.  *  den  entscheidendsten  beweis  aber  dafs  wir  es 
mit  einer  gälischen  mundarl  zu  thun  haben  liefert  §  11  des- 
selben titeis.  da  haben  die  textworte  si  quis  viginti  quinque 
porcos  furaverit,  nbi  at/iplias  in  gregc  illo  non  fuerint  ne- 
ben sich  die  glosse  sonischalt  tita  zym  is  fit  miha  chunna. 
sonischalt  kennen  wir  schon,    es    heilst  die   zusammengehö- 

*  dafs  ehalt  das  schwein,  im  i)c,sondcrn  die  sau  bedeutet  sielil 
man  aus  den  beiden  glossen  fucivhalt,  scrofa  ßtrata,  und  varachalt, 
:,iiofa  uccisa.  jenes  ist  mit  yog-/*,  der  raub,  zusammenf^cselzl.  dies  mil 
initarbh  (sprich  ivarw),  lodt,  gelödtel.  so  wie  es  auch  aus  der  glosse 
III  ii/nii  scxa  ehalt  hervorgeht,  welche  sich  erkläil  durch  rtsque  ad 
sex  cupila  {po7-coruin);  in  steht  hier  (wie  we-ler  unten  in  unserem 
texte  Itia)  in  der  bcdeutung  Bis  zu,  und  in  zymi  sexa  ehalt  heifst  Bis. 
zusammen  sechs  Schweinen. 


'JB^ 


2&     ^    «r 


iPiiarHtie» 


164  CHRENECIIRUDA. 

geleitel  ist.  wahrscheinlich  ist  ein  altes  adjectivum  cniin- 
aeach,  versammelt,  gesammt,  abgekreüst,  vorhanden  gewesen 
und  dies  ist  unser  chrettoc,  denn  ///  und  ai  wechseln  mund- 
artlich wo  diese  diphlhongen  stammvocale  sind. 

Dasselbe  adjectivum  ciminneach,  d.  i.  collectus,  bildet 
den  ersten  theil  von  ckrcncchruda,  welcher  also  wohl  auch 
chrencc  oder  chrenech  zu  schreiben  ist,  aber  in  der  raalber- 
gischen  glosse,  die  die  worte  nicht  nach  gelehrter  Orthogra- 
phie, sondern  nach  dem  ohr  darstellt,  chrene  geschrieben 
wird,  weil  das  anlautende  ch  des  folgenden  Wortes  das  an- 
lautende ch  \\xchre72ech  unhörbar  machte*;  chruda  oder  cruda, 
wie  andere  handsciiriften  haben,  ist  creadh,  d.  i.  erde,  staub, 
das  ganze  bedeutet  also  terra  collccta.  dafs  nun  Zusam- 
mengenommene erde  und  Zusammengenommene  herde  in  der 
malbergischen  glosse  so  ähnlich  klingen  findet  sein  analogon, 
wenn  wir  bedenken  wie  wohl  ein  Franzos,  der  nach  dem 
klänge  die  ebenangeführten  deutschen  worte  aufschreiben 
sollte,  verfahren  würde,  schwerlich  würden  sie  sich  befser 
unterschieden  ausnehmen  als  chrencc  ruta  und  chrenec  cruda. 

Wen  es  wunder  nehmen  sollte  dafs  creadh  zu  cruda 
gehöre,  trotz  des  so  abweichend  lautenden  stammvocales, 
der  bedenke  dafs  erstens  dies  wort  überhaupt  in  seinem  vo- 
cale  sehr  schwankend  ist,  denn  neben  creadh  kommt  in 
Schottland  und  Irland  die  form  criadh  vor,  und  offenbar  nur 
eine  nebenform  ist  crcdh,  die  mineralische  erde,  das  erz, 
sodann  zweitens  dafs  früher  eine  form  croth  auch  im  gäli- 
schen  vorgekommen  sein  mufs,  wie  die  ableitung  crothaid, 
ein  grantsteinchen,  ein  kiessteinchen,  grothal,  sand,  kies 
grant,  beweist.  —  das  galische  ea  hat  in  Irland  einen  lan- 
gen, einen  kurzen  und  einen  accentlosen  laut;  es  lautet  äh, 
e,  oder  fast  wie  französisches  stummes  e.  wo  es  den  lan- 
gen laut  hat  ist  es  in  der  malbergischen  glosse  in  der  regel 

*  einen  ganz  ähnlichen  fall  haben  wir  in  tit.  xlh  de  plagiatori- 
btts  §  2,  hier  findet  sich  zu  dem  falle  dafs  jemand  einen  sklaven 
stiehlt  nnd  üher  das  lueer  enllührl  die  glosse  viridio  für  vir-ridio, 
d.  h.  meer- flüchlnng,  von  miniir  (sprich  witir,  morlificicrte  form  von 
Tnuir),  das  meer,  und  ri/ith,  die  lliichlung.  die  gelehrte  Orthographie 
würde  ein  doppeltes  r  erfordern  ,  die  rasche  rede  läfsl  aber  nur  ein 
einfaches  wabrnebmen. 


CHRENECHRUDA.  165 

au  geworden,  seilen  io  oder  eo,  eu;  vielleiclit  ist  aber  auch 
chrenechrcuda  zu  lesen,  wenigstens  hat  der  Fuhlaer  codex 
chrenceiide  für  chrenochruda.  das  kurze  gäiische  ea  ist  in 
der  maibergischen  glosse  immer  e. 

Ich  schlielse  der  besprechung  dieses  Wortes  auch  ein 
ähnlich  lautendes  an  welches  tit.  ii  de  J'urlis  porcorum  §  1 
iu  der  Pariser  handschrift  begegnet,  da  steht  zu  den  latei- 
nischen Worten  */*  quis  porcellum  lactantem  de  f ranne  (ver- 
schrieben für  hran/ie,  und  die  Fuldaer  handschrift  setzt  noch 
ganz  nothwendig  hinzu  prima  aut  de  mediana)  furaverit  die 
glosse  ckrinne  chultis.  doch  ehe  ich  diese  Wörter  erklären 
kann  niufs  ich  erst  den  ausdruck  rhamie  erläutern,  im  gä- 
lischen  heilst  rann,  rainn,  ruinn  oder  runudh  eine  abtliei- 
lung;  in  unserer  stelle  hat  rhanne  dieselbe  bedeutung  oder, 
in  speciellerem  sinne,  sorte,  race,  art.  die  worte  des  Ful- 
daer codex  de  rhanne  prima  aut  de  mediana  bedeuten  Von 
geringster  race  oder  von  mittlerer,  dies  beweisen  deutlich 
die  in  demselben  codex  dabei  stehenden  worte  der  glosse 
rhannecala  lerecala  id  est  unum  ahelepte.  nämlich  rhanne- 
cala  ist  verschrieben,  wie  man  deutlich  aus  der  bedeutung 
des  nachher  zu  erläuternden  chrinne  cultis  sieht;  es  sollte 
heifsen  chranne  cala,  der  Schreiber,  der  die  glosse  nicht 
mehr  verstanden  zu  haben  scheint  oder  das  im  text  vorher- 
gehende wort  rhanne  im  köpfe  hatte,  setzte  für  chranne 
dies  wort  noch  eiumahl.  chranne  cala  heilst  häfslichster  qua- 
lität,  von  granna,  d.  i.  häfslich,  schlecht,  und  call,  die  Qua- 
lität, lere  cala  heifst  leidlicher  qualität,  hinreichender  qua- 
lilät,  von  leör,  hinreichend,  genügend,  und  cäil,  qualität, 
dies  lere  cala  wird  noch  erklärt  durch  die  worte  id  est  unum 
ahe  lepte,  d.  h.  eines  von  gedeihlicher  race,  denn  ahe  ist 
das  gälische  aigh,  gut,  gedeihlich,  und  lepte  ist  das  gälischc 
leahhadh,  die  race.  der  folgende  paragraph  des  Fuldaer 
codex  sagt  dann  si  vero  in  tertia  rhanne  (also  von  noch  hö- 
herer Sorte)  furaverit,  und  dazu  die  glosse  rhanne  chalteo. 
hier  ist  rhanne  au  seinem  orte;  denn  chalteo  ist  das  gäli- 
sche gallda,  fremd,  und  rhanne  chalteo  heifst  Von  frem- 
der Sorte. 

W^ir  haben  also    in   dem  vollständigen  codex  drei    ver- 
schiedene schweiucsorten,  nach  deren  höherer  gute  die  bufs- 


166  CHRENECHRUDA. 

gelder  steigen,  aufgezählt,  der  mangelhaftere  Pariser  codex 
hat  offenbar  nur  die  erste,  geringere  sorte  im  äuge ;  die  fol- 
genden bestimmungen  fehlen,  ihm,  und  diese  erste,  geringste 
Sorte  wird  bezeichnet  mit  chrinne  chultis,  d.  i.  unansehnli- 
ches schwein,  yQM  criön,  klein,  unansehnlich,  xm^ciiilleadh^ 
das  Schwein. 

Ich  mufs  hier  nothwendig  noch  etwas  hinzufügen  über 
das  ch  der  malbergischen  glosse.  es  entspricht  nämlich  bald 
gälischem  c,  bald  gälischem  ch,  bald  gälischem  g.  der  laut 
ch  ist  im  gälischen  nur  ein  mortiGciertes  c;  die  mortification 
tritt  bald  als  grammatisches  bildungsmittel,  bald  in  folge  des 
auslautes  vorhergehender  worte  und  silben  ein,  bald  ist  sie 
nur  dialectische  eigenheit.  dafs  also  zuweilen  malbergisches 
c  gälisches  ch,  zuweilen  malbergisches  ch  gälisches  c  ist 
und  dann  und  wann  sich  malbergisches  und  gälisches  ch 
decken  ist  natürlich ;  jedes  anlautende  gälische  c  kann  ja  un- 
ter umständen  die  mortification  erleiden,  auffallender  ist  al- 
lerdings dafs  ch  auch  gälischem  g  entspricht,  und  zwar  sehr 
häufig,  allein  auch  das  ist  natürlich,  wenn  wir  andere  buch- 
stabenreihen betrachten,  die  Galen  haben  nur  einen  reinen 
dentalen  laut,  denn  s  ist  sibilant  und  t  ist  im  irländischen 
(offenbar  die  ältere  ausspräche  festhaltenden)  überall  ein  star- 
kes englisches  th  (im  schottischen  ist  es  vor  sogenannten 
breiten  vocalen  zur  tenuis  t,  vor  schmalen  vocalen  zum  ita- 
liänischen  ci  geworden) ;  zum  ausdrücken  der  reinen  denta- 
lis,  sowohl  des  t  als  des  d,  hat  also  das  alte  gälische  nur 
einen  buchslaben,  nämlich  d.  offenbar  kannte  die  schrift 
früher  auch  nur  d;  denn  während  alle  übrigen  buchstaben 
baumnamen  oder  vielmehr  pflanzennamen  haben,  hat  das  t 
allein  den  namen  teine  (feuer),  zum  zeichen  dafs  es  in  das 
aiphabet  gekommen  unter  ganz  anderen,  späteren  umständen, 
wenn  also  in  der  malbergischen  glosse  bald  t  für  gälisches 
d,  bald  d  für  gälisches  t  sieht,  so  hat  dies  nichts  befrem- 
dendes, weil  sich  d  und  t  im  gälischen  erst  später  und  of- 
fenbar nach  etwas  anderen  gesiclitspunctcn  schieden  als  bei 
der  auffafsung  des  mundartlichen  klanges  für  die  malbergi- 
sclie  glosse  obwalteten,  ein  ganz  gleiches  Verhältnis  findet 
hinsichtlich  p  und  b  statt;  jenes  ist  gar  kein  aller  gälischer 
buchslab,    er   hat  keinen   eigenen  uamen,    sondern  wird  als 


CllUENECllKUÜA.  167 

weiches  b  bezeichnet  und  im  irUiiidischen  wenigstens  weicher 
als  h  ausgesprochen,  er  ist  ursprünglich  für  fremde  worte 
in  die  spräche  gekommen,  und  wenn  er  auch  in  einige  ur- 
sprünglich gälische  worte  eingedrungen  ist,  lindel  sich  doch 
in  der  regel  die  Schreibung  derselben  werte  mit  b  noch 
daneben  und  sogar  häufiger,  z.  b.  boc  {capra)  neben  poc 
u.  s.  w.  so  scheint  es  nun  dafs  wie  bei  der  dentalen  und 
labialen  reihe  die  tenuis  und  die  media  in  älterer  zeit  im 
gründe  zusammenfallen  (denn  auch  bei  der  dentalen  reihe 
wird  noch  häufig  in  denselben  Worten  t  und  d  geschrieben, 
z.  b.  teine,  feuer,  und  deine,  hitze,  sind  eigentlich  dasselbe 
wort  und  der  orthographische  unterschied  ist  nur  wie  im 
deutschen  bei  wider,  contra,  und  wieder,  rursus,  rein  künst- 
lich und  willkürlich*),  so  auch  bei  der  gutturalen  reihe  der- 
selbe fall  statt  fand  und  die  tenuis  c  und  die  media  g  viel- 
fach verwechselt  wurden;  auch  tritt  noch  jetzt  derselbe  fall 
wie  bei  den  andern  reihen  ein,  dafs  die  Schreibung  willkür- 
lich in  vielen  Wörtern  zwischen  media  und  tenuis  wählt, 
z.  b.  neben  gabhar,  die  ziege,  findet  sich  fast  ebenso  oft 
cabhar.  ein  anderes  hieher  gehöriges  beispiel  hatten  wir 
oben  in  crothaid,  das  sandsteinchen,  kiessteinchen,  neben 
grothal,  der  sand,  kies,  kurz,  wie  in  Thüringen  kein  mensch 
den  unterschied  von  t  und  d,  von  p  und  b,  und  selten  den 
von  k  und  g  hört,  und  also  auch  ihn  nicht  ausdrückt,  so 
ist  es  bei  den  Galen  wahrscheinlich  in  älterer  zeit  bestellt 
gewesen,  und  daher  dies  kreuzen  und  wechseln  der  Schrei- 
bung, selbst  in  denselben  Wörtern,  und  sogar  im  anlaute, 
wo  doch  sonst  tenuis  und  media  am  leichtesten  geschieden 
gehalten  werden ;  daher  diese  Unsicherheit  in  dem  vorkom- 
men der  tenuis  und  media,  wenn  mau  die  malbergischen 
Worte  mit  gälischen  in  verglcichung  bringt,  indessen  erin- 
nere ich  mich  nicht  ein  malbergisches  g  anders  gefunden  zu 
haben  als  gälischem  g  entsprechend. 

H.  LEO. 

*  d.  h.  ursprünglich  willkürlich  ;  denn  in  der  lange  der  zeit  würkt 
dann  die  Schreibung  auch  auf  die  ausspräche  wenigstens  derer  die  aul' 
bildung  anspruch  machen,  wie  man  bei  gewissen  durch  die  Schreibung 
entstellten  deutschen  Wörtern  sieht. 


168 


INCIPIT    AVREA    FABRICA 

de  laudibus  virginis  gloriosae. 

1  lllius  assit  gratia, 

qui  stricta  cinctus  tascia 
caelorum  ambit  spalia 
et  manet  ante  solem, 
et  raorilur  pro  gregibus 
datque  salutem  regibus, 
ut  suis  subdant  legibus 
totius  orbis  molem. 

2  Fideles  tradunt  apices, 
latoris  legis  Codices, 
mysteriorum  indices, 
sub  forma  typicorura, 
ad  struem  tabernaculi, 
caelestis  babitaculi, 
sacrorum  retinaculi, 
quas  quivis  Hebraeorum 

3  Res  absque  simullatibus 
de  suis  facultatibus 
sinceris  cum  conatibus 
pro  viribus  dederunt. 
magnates  cum  potentibus, 
qui  praeftierunt  gentibus 
non  sine  puris  mentibus, 
laetanter  obtulerunt 

4  Aurum  quidem  ab  aurea, 
argentum  ab  argentea, 
aes  ad  ornandum  aerea, 
ut  novit  architectus  : 
thesaurus  istis  varii 
vigoris,  mullifarii 
coloris  cingentarii, 

est  lapidum  adiectus. 
4,  2.  'i.  l.  ad  —  ad  7.  /.  argenlaiii 


AÜREA   FABRICA.  169 


Nunc  donaiit  inter  alia 
ligna  Sethim  nobilia, 
sed  haec  imputribilia 
fuisse  memoranlur. 
postremo  dant  piirpurea 
cum  cocco  byssum,  linea, 
quae  nunquam  laedet  tiuea. 
sed  isla  applicantur 
Cohortibus  leviticis 
pro  vestibus  pontificis, 
quae  noveruut  ar  tili  eis 
industria  poliri. 
egeni  dabant  denique 
cum  pilis  pelles  utique, 
cum  quibus  opus  undique 
debebat  operiri. 
Oblalis  bis  gemmarius 
Beseleel,  aurarius 
fidelis,  coramissarius 
prae  omnibus  electus, 
prudens  vermicularius, 
perfeclus  operarius, 
doctus  anaglypharius, 
est  opibus  praefectus 
Subtili  cum  lignario 
Ooliab,  plumario, 
bono  polymitario, 
viro  sciente  plura, 
quae  lieri  ex  arbore 
valebant  et  ex  marmore. 
lapidibus  et  ebore 
iu  omni  caelalura. 
Cum  suis  rei  stemmala 
hi  norunt  et  arouiala, 
ex  quibus  thymiamata 
suavissimi  odoris 
conücienda  fuerant, 
bas  artes  ut  docueranl 
et  artius  innueraut 


170  AUKEA   FABKICA. 

iustinctus  creatoris. 

10  Ornat  US  habilaculi 
cum  archa  tabernaculi 
solertes  hi  veniaculi, 
candelabruin  et  arani 
cum  Cherubim  velamiua. 
et  vasis  ad  libamina 

ex  auro  forniant  lamiua 
pontilicis  tiaram, 

1 1  Lucernas,  emunctoria, 
quae  nulla  fuscat  scoria, 
cum  basibus  tenloria 

et  purpura  iacincto, 
cum  ephot  veste  vario 
et  opere  plumario, 
ritu  polymitario 
bis  cocco  quoque  tinclo. 

12  Ast  alii  durissimo 
saxoque  de  iirmissimo 
mel  sapidum  purissimo 
cum  oleo  suxerunt. 

de  islis  quid  plus  referam 
vel  ad  quid  plura  proferam, 
cum  nil  egissent  perperam 
in  bis  quae  construxeruut? 

13  Sed  ego  cum  sim  luteus 
et  sensus  nisi  bruteus, 

-  sit  altus  quoque  puleus 

nee  vas  ad  bauriendum, 
prae  facultate  penula 
hinc  voce  pelo  tremula, 
ut  lingua  parcat  aemula 
prompla  ad  corrigeudum, 

14  Thesaurus  beu  scientiae, 
argcntum  eloqueuliae 

et  aurum  sapicntiac 
in  cordis  mci  sporla 
deticiuul,  habiiitas 
10,  7.  /.  auri 


ALIUEA  FABUICA.  171 

liguorum  et  uobilitas 

geramanun  et  slabilitas 

aeris,  byssus  retorla, 
15     Eburqiie  castiinoniae, 

beryllus  parsimoniae 

et  marmor  sanctimoniae 

cum  iaspide  iacinctus, 

et  purpur  aptiludinis 

lumenque  valetudinis 

et  luna  rectiludiiiis, 

bis  coccus  quoque  tinclus. 
l(J     Rex  ergo  celsi  numinis, 

dignare,  pater  luminis, 

lorrente  sacri  fluminis 

ine  sie  laetiöcare, 

si  oleum  cum  mellibus 

non  sugam  ex  saxellibus, 

sed  pilis  et  de  pellibus 

queam  erucluare 

17  Älariae  laudes  et  honorem, 
virtutes  et  decorem 
virginitatisque  pudorem 

et  mores  cum  ornalibus, 
diversis  modis  a  discretis 
tam  patriarchis  et  prophetis 
praetypiatos  in  secretis 
obscuris  aenigmatibus. 

18  Excelsi  regis  maler  nata, 
ab  intus  pulcre  deaurata 

et  variis  praedecorata  -«• 

scripturae  cum  monilibus, 
dignare  pennam  irrigare 
et  stylum  mentis  colorare 
sie  ut  ad  strucm  comporlare 
quid  queam  cum  exilibus. 
l'J     Scriptoris  linguam,  cursum  mcnlis 
gubernet  virga  dirigcntis 
velociterque  conscribentis 
17,  Ü.  virlulcs  cii^s  et?  ! 


172  AUREA  FABRICA. 

illius  scribae  calamus, 

cui  virgo  tarn  serenum 

hoc  praeparasti  parganicnuni, 

in  quo  depictus  est  ad  plenuni 

caelesti  sponso  thalamus. 

20  Centenis  centies  millenis, 
millenis  niilies  centenis, 
minuta  quae  sunt  in  arenis, 
tot  etsi  fruar  linguulis, 

si  unguis  loquar  angelorum 
arteque  canam  musicorum 
et  mores  noscam  elhicoruui, 
sed  etsi  fungar  singulis 

21  His  sacris  dotibus  perfecte, 
nequaquam  quibo  adhuc  rede 
reginae  caeli  praeelectae 
virtutum  laudes  pangere. 

si  tarnen  ipsa  spes  reorum 
hoc  mihi  praestet,  quod  meoruin 
arx  muri  ruat  vitiorum, 
temptabo  tuba  clangere. 

22  En  qualis  haec  et  quanta 
est,  cuius  pulcritudo  lanta 
sie  a  supina  pedis  planta 
ad  verticem  protenditur? 

en  haec  est  virgo  praecedentem 
non  habens  parem  nee  sequentem 
virtutibus  aequipollentem, 
ex  scriptis  ut  perpenditur. 

23  Dos  casta  haec  est  viri,  parens 
enixa  virum  viro  carens, 
producens  germen  humus  areiis. 
haec  cstque  phoenix  unica, 
capillos  cuius  auricolor 

et  verticem  miratur  clor, 
in  facie,  qua  mire  solor, 
arrident  mala  punica. 

24  Ex  intcrmixto  liliali 

19,  5.  cui  tu  V.'?  '11,  1.  Eu  (jualis  virgo? 


AÜREA  FABRICA.  173 

rubedine  cum  roseali 
maxillae  forte  nitent,  tali 
perfiiso  fronte  parcius. 
cincinnos  noii  adulter  fucus 
subornat  neque  tingens  sucus, 
subtilis  iste  cum  sit  bnicus 
pudorem  rodens  artius. 

25  Nasusque  forma  moderata 
est,  nee  depressa  nee  elata, 
pigmenta  reis  de  quo  grata 
scaturiunt  cottidie. 

hinc  oculi  praerutilantes 
sunt  et  ut  stellae  rutilantes 
ac  in  virtute  coruscantes 
sol  tamquam  in  meridie, 

26  Seseque  sompno  nunquam  dantes 
palpebrae  neque  dormitanles 
sunt,  sed  pro  suis  vigilantes. 
praeclara  supercilia 

o  quam  decenter  ornant  vultum, 
totius  quoque  formae  cultum, 
oreque  labiis  rubet  multum 
haec  pulcrae  Syon  filia. 

27  In  India  nee  ebur  tale 
nutritur,  dentibus  est  quale 
candoris   decus  virginale 
illustrans  oris  medium : 
gutturque  lacteo  colore 
candescit,  coUum  nivis  more, 

stupescit  mentum  prae  decore,  v 

fit  exul  omne  laedium. 

28  Supernus  auctor  egil  sorte, 
quod  aures  eins  forent  portae 
caelorum  regis  preces  forte 
nolentes  unquam  spernere. 

0  quam  felicem,  quam  beatum 
hunc  dicam,  cui  datum 
est  hunc  praeclarum  et  dicatum 
34,  4.  pcrfusa?  26,  7.  ore  labrisquo?  28,6.  Iiunc  ego? 


174  AÜREA  FAßRICA. 

vultum  in  aevum  cernere. 

29  Scrulatur  ab  infantia 
pectus  eius  meruui 
praecepta  cum  flagrantia 
conditoris  rerum, 

et  ubera  fragrantia 
sunt  hinc  deum  verum 
in  iuvene  lactantia 
antiquumque  dierum. 

30  Est  venter  eius  aureus 
argenteus  beatus, 

est  merito  eburneus 
et  gemmeus  vocatus, 
portatur  quo  aethereus 
caelorum  advocatus, 
per  quem  iacet  vipereus 
iam  coluber  prostratus. 

31  Re  Vera  celsi  solii 
dum  nuncius  legatur, 
cor  huius  instar  folii 
palmarum  elevatur 

et  ut  repandi  lilii 
sie  supra  dilalalur: 
dum  flebant  Evae  tUii, 
'ecce  ancilla'  fatur. 

32  Virginea  decentia 

ad  instar  plumi  cigni 
sunt  bracliia  niteutia, 
ex  aloesque  ligni 
odore  redolcntia 
divino  apla  igui : 
amplecti  cum  frequenlia 
0  si  essemus  digui. 

33  Ingenti  pulcritudine 

sunt  man  US  decoratae 
fl 

deccnti  longitudine 
cum  digilis  ornatae, 
donandi  aptitudine 
',>•»,  8.  anticiuum?  32.  2.  /.  pluiiiiie 


AUREA  FABIUCA,  17.) 

quae  rainiuie  seratae, 

sed  dandi  proniptitudine 

sunt  aquilis  praelatae. 
34     Tornatilis  est  dextera 

•  virtutum  genitiva 

Dieses  gedieht  ist  mir  von  hm.  i>rof.  IV^h.  Grimm  zur 
hekanntmachung  gütig  i/her/q/'se/i  worden,  der  es  von  Schnel- 
ler erhielt,  in  abschrij't  aus  der  Münchener  handschrifl 
Aug.  Dominic.  26,  15  jh.  pap.  4",  bl.  91''.  die  Überschrift 
aurea  fabrica  könnte  ein  original  zu  Konrads  von  Würz- 
hurg  goldener  schmiede  vermuten  Iqfsen,  allein  das  deut- 
sehe und  das  lateinische  gedieht,  soweit  sich  das  letztere 
als  bruchstück  beurlheilen  läfst,  sind  in  form  und  inhalt 
ganz  verschieden  und  bieten  kaum  im  einzelnen  etwas  über- 
einstimmendes dar.  die  Überschrift  rührt,  wie  mich  dünkt, 
von  einem  abschreiber  her,  da  sich  in  dem  gedichle  selbst 
keine  beziehung  darauf  fndet;  will  man  sie  dennoch  als 
echt  gellen  lafsen,  so  darf  man  ivcnigstens  aurea  fabrica 
nicht  durch  goldene  schmiede  wiedergeben,  in  den  einlei- 
tenden Worten  sagt  der  dichter  dafs  zu  erricht;ung  (so  ist 
wohl  2,  5  ad  struera  tabernaculi  zu  nehmen)  und  aus- 
schmüekufig  der  stiftshütte  jeder  von  den  Juden,  der  reiche 
wie  der  arme,  das  seine  beigetragen  habe,  gold,  silhei\ 
erz,  edle  steine,  köstliches  holz  und  anderes,  und  dafs  a7is 
diesen  Stoffen  kunstvolle  meister  eine  tvohnung  für  den  höch- 
sten bereiteten,  der  dichter  wünscht  dafs  ihm  in  ahnlicher 
weise  von  gott  das  gold  der  loeisheit,  das  silber  der  be- 
redtsamkeit  u.  s.  7o.  verliehen  leerden  möge,  damit  er  das 
lob  Mariens  besingen,  gleichsam  zu  dem  baue  ihres  tem- 
pels  der  ehre  und  des  ruhmes  das  seine  beitragen  könne, 
hat  also  der  dichter  selbst  sein  werk  aurea  fabrica  genannt, 
so  verstehe  ich  unter  fabrica  eine  werkslätte,  bauhütte,  wie 
deren  viele  im  millelalter  zur  erbauung  eines  münslers  er- 
richtet umrden ;  aurea  ist  darin  blofs  epitheton  ornans. 

Das  aller  des  gedichles  wird  sich  nicht  genau  bestim- 
men lafsen i  ich  möchte  es  in  das  \Ze  jh.  setzen,  tveniger 
zweifelhaft  kann  es  sein  dafs-  der  dichtei'  ein  ff^elscher. 
wahrscheinlich  ein  Franzose,  kein  Deutscher  war.  dies  zeigt 
nicht  sowohl  19,  0  die  form  pargamcnuni  (parchemin),  denn 


176  AÜREA  FABRICA. 

diese  könnte  dem  ahschreibei^  angehören,  sondeim  es  geht 
aus  mehreren  cigenthüinlichkeiten  in  Stellung  und  hildung 
der  Wörter  hervor  die  sich  am  besten  bei  einem  Schriftstel- 
ler erklären  lafsen  der  die  lateinische  spräche  wie  eine 
halb  angeborene  zu  behandeln  gewohnt  loar.  dahin  rechne 
ich  die  hdufiing  vo7i  adjectiven,  die  form  saxellibus  16,  6, 
arx  muri  (vitiorum  meorum)  21,  7.  —  das  wort  penulus 
13,  15,  das  ohne  zweifei  ärmlich  bedeuten  soll,  ist  wohl 
von  penuria  abgeleitet,  vernaculi  10,  3  steht  für  famuli. — 
ungeschmack  zeigen  die  worte  25,  2.  selbst  der  alte  ab- 
schreiber  scheint  den  werth  des  gedichtes  nicht  hoch  ange- 
schlagen zu  haben,  da  er  abbrach,  verbefserungen  werdefi 
noch  an  manchen  stellen  nöthig  sein. 

LEIPZIG.  H.  LEISER. 


ZU   BERTOLTS   CRANE. 

In  Mafsmanns  denkm'dlern  deutscher  spräche  und  lite- 
ratur  befinden  sich  1 ,  75 — 79  bruchstücke  eines  unbekan?i- 
ten  crz(ihle?iden  gedichtes  tvelches  allem  anscheine  nach  von 
Bertolt  von  Holle  herrührt  dessen  gedieht  Crane  wir  im 
ersten  bände  dieser  Zeitschrift,  so  weit  es  erhalten  ist,  mit- 
getheilt  haben. 

Einmahl  stimmt  sowohl  das  alter  dieser  handschrift* , 
die  dem  vierzehnten  Jahrhunderte  angehört,  zu  der  zeit, 
in  tvelcher  Bertolt  lebte,  als  auch  der  fundort  derselben, 
Magdeburgs  zu  dem  vaterlande  des  dichters ;  vorzüglich 
aber  entscheidet  die  spräche  und  das  ganze  colorit  in  die- 
sen bruchstücken  dafür  dafs  beide  nur  von  einem  verfafser 
hen^ühren  können,  formen  toelche  hier  vorkommen,  loie 
men  für  man,  van  für  von,  wert  für  wirt,  we  für  wie, 
let  für  liez,  ret,  repf,  vornam,  unllielden,  over,  orlop,  dorcli, 
vorste,  coning,  coninginue,  vorte  {für  fuorte),  sloch,  tro- 
gen, genogen,  mozen,  vrowcn,  vrowden,  truwe,  iind  über- 
haupt der  juangelnde  umlaut  zeigen  dasselbe  Verhältnis  der 
vocale  wie  es  sich  in  dem  gedichtc  Crane  aus  meiner  s.  60.  61 

•    sie  besteht  vur  ans   zwei  pergameniblättern  in  qitart,  die  von 
einem  bücherdeckcl  abgelöst  wurden;  jedes  derselben  enthält  96  zeilen. 


zu  BERTOLTS  CRANE.  177 

versuchten  Zusammenstellung  ergab ;  nicht  minder  entspricht 
derselben  der  consonantismus  in  diesen  bruchstiicken,  vgl. 
leven,  geven,  gaf,  over,  sterven,  inverven,  repf,  hulphe, 
waphen,  let,  vordrot,  slolten,  dat  neben  daz,  troch,  sloch, 
bogen  für  hohen,  die  sijncope  des  h  in  jen,  sen,  gesehen 
und  anderem,  mit  dem  zu  Crane  s.  63  gesammelte?!,  ein- 
zelne geringe  abweichungen  finden  sich  allerdings^  wie  z.b. 
dafs  diese  handschriß  hc  für  eh  hat,  was  aber  ebe?i  nur 
den  verschiedenen  schreibe?'?!  anhei?n  fällt;  denn  auch  i?i 
andern  ei?izelheiten  zeigt  sich  genau  dasselbe  idio?n,  da 
hier  he  mit  her,  imber  mit  umber  u?id  ummer  wechsehid, 
dus  für  sus,  das  niederdeutsche  wenle,  dieselbe  verwi?'rung 
in  der  decli?iation  des  ungeschlechtige?i  pro?io??ie?is  und  der 
zu  Crane  I,  37  bemerkte  auffallende  gebrauch  der  priipo- 
sition  an  wiederkehrt.  die  reime  in  diesen  bruchstücke?i 
sind  eben  so  einförmig  wie  im  Cra?ie;  ?ia?ne?itlich  findet  sich 
das  bei  Bertolt  sehr  häufige  alzohant  :  bekant  oder  lant  /// 
den  wenigen  versen  dreir?iahl.  zuletzt  zeigt  noch  die  häu- 
fige wiede?'kehr  der  epitheta  gemeit,  wert,  milde,  hochge- 
lobet dafs  beide  gedichte  nur  eineji  verfafser  haben,  so  wie 
der  ga?ize  ton  inid  die  ?na?iier  der  pocsie  in  beide?!  b?'uch- 
stücken  übei'ei?istim?nen,  was  keinem  leser  bei  angestellter 
veigleichung  e?itgehen  wird,  wir  theilen  deshalb  hier  nur 
ei?ie  kurze  p?'obe  (bl.  II,  z.  86  —  97  nach  Mafsi?ia?ins  ab- 
drucke mit,  eine  stelle  die  ??iit  Cra?ie  IV,  AA^ff.,  wo  Ache- 
loyde  von  Gayol  abschied  ?n??nnt ,  sehr  gj'ofse  ähnlich- 
keit  hat. 

De  coning  zo  der  vweu  sprahc 

'In  can  mibe  nihct  leng*  sparen. 

Nahe  dem  vorsten  wil  ihc  varen. 

Woldi  mibe  vmm    nie  gesen, 

Daz  sal  vor  antriun  gesellen. 

Heiz  min  waphen  bringe  mihc' 

Nein,  o  milde  vorste  rihe,' 

Sprach  de  eoninginne  reine, 

'Wold  ir  dar  riten  eine, 

We  stet  daz  vwcr  edeliebeil? 

Ir  hat  so  manigen  hclid  gemeit  — 
Lntcr  de?i  persone?i  die  in  diesen  bruchslücken  erirähnl 
Z.  F.  D.  A.     FF.  12 


178  ZU  BERTOLTS  CRANE. 

werden  irUt  hesondet's  Demantin  hervor  (bl.  11,17.64.80). 
der  die  schönste  Jungfrau  Syrgamote  erioorben  hat.  nun 
besieht  sich  Bertolt  im  Crane  IV,  216  y.  ^folgendermaßen 
auf  ein  früheres  erzählendes  gedieht  welches  von  falschen 
Spöttern  getadelt  sei, 

do  ich  sprach  we  der  man  vn  gin 

mit  swerten  pris  er  worven  hat, 

se  twauc  ires  hertzen  valschen  ral 

datz  se  der  tzucht  vor  gazen 

vii  mine  rede  niazen. 
ich  hatte  schon  vermutet  dafs  in  dem  unverständlichen  man 
vn  gin  der  name  des  beiden  stecken  miifse  und  es  wird 
jetzt^  zumahl  da  namen  in  altdeutschen  handschriften  öfter 
sehr  verdorben  sind,  der  schlufs  zuläfsig  sein  dafs  hier 
Demanlin  statt  der  man  vn  gin  gelesen  tverden  miifse,  wo- 
für sowohl  der  reim  als  die  schriftzüge  sprechen :  woraus 
de?in  von  selbst  folgt  dafs  die  erwähnten  bruchstücke  bei 
Mafsmann  zu  dem  gedichte  Demantin  von  Bertolt  von  Holle 
gehören. 

Noch   sicherer   dürfen  unserm  Bertolt  die  bruchstücke 
eines  gedicbtes  zugeschrieben   werden   welches   in  Nyerups 
symbolae  ad  litcraturam  teutonicam  antiquiorem  sp.  83- — 92 
aus  einer  pcrgamenthandschrift  welche  gleichfalls  dem  vier- 
zehnten Jahrhundert  angehört   unter  dem   titel  fragmenlum 
carminis  antiqui  Suevico-Saxonici  ex  historia  Darifanti  mit- 
gethcilt  sind,   wir  glauben  den  beweis  nicht  einleuchtender 
führen    zu   köntien,    als    wenn    wir   diese    bruchstücke   hier 
ganz  mittheilen  und  die  parallclstclten  aus  Crane  und  De- 
mantin   hinzufügen,  zumahl  da  Nyerups   buch  nicht  jedem 
leser  zur  band  sein  möchte,     weil  wir  keinen  diplomatisch 
getreuen    text  liefern  konnten,    so  geben    tvir  Nyerups  ab- 
druck  interpungiert  und  von  den  ärgsten  fehlem  gereinigt 
wieder :  die  Schreibart  der  kandschrift,  so  inconscquent  sie 
ist,  haben  wir  beibehalten,  da  sie  sich   nicht  nach  den  ge- 
wöhnlichen mittelhochdeutschen  gesetzen  regeln  lafsen  ivird, 
wenn  es  auch  leicht  war  einzelnes  zu  befscrn.    nur  die  un- 
tren7ibaren  präposilionen   sind,    too   sie  abgesondert  ivaren, 
der  deutlichkeit  wegen    mit  den  tvorten  verbunden  zu  wel- 
chen sie  gehören,  die  wichtigsten  abweichungen  von  Nyerups 


zu  BERTOLTS  CRANE.  179 

texte  sind  angezeigt,  offenbare  lesefehler  abet'  stillschwei- 
gejid  vei^bej'sert. 

mit  der  sconeii  Locedyau  quam 

dar  al  sin  troren  cn  ende  uani 

in  der  vroweden  riehen  nacht 

dar  sie  tzo  samende  worden  bracht. 

ein  bete  in  Avas  ghemachet  5 

mit  richeit  uongheswaghet : 

mit  vroweden  brachten  sie  se  dar 

vil  menich  scoue  vrowe  dar. 

dar  wart  sunder  sorghen 

de  nacht  went  an  den  morgheii  10 

bracht  vil  vrolichen. 

dar  wart  yme  daz  riebe 

ich  wene  kleine  ghedacht. 

waz  dar  vroweden  wart  volbracht, 

des  ne  muoz  ich  wisen  nicht;  15 

were  ich  vorbaz  bericht 

ich  chundc  iz  doch  vorswighen  wo! ; 

vor  der  valschen  deth  man  sol 

vorswighen  gutes  maunes  heil 

daz  sie  es  ne  winnen  nimber  teil,  20 

Do  de  nacht  uof  ende  quam 

Locedyan  man  do  nam, 

man  kleidete  sie  mit  richeit; 

menich  vrowe  gemeit 

halph  zimeren  iren  lip.  2.5 

do  was  sie  das  sconeste  wij» 

daz  mannes  oughe  i  ghesach, 

de  meyste  meiiie  ir  des  iach,  s 

an  scone  hctte  sie  den  pris :  s 

de  cronen  dar  tzo  Torkis  ?.  :  30 

de  sach   man  ir  hovuet  tragen.  ; 

ich  wil  van  dem  vorslen  sagen, 

ich  meine  den  werden  Balifeil : 

im  waren  van  samilte  kleit 

3.  daz  was  iit  N.  vgl.  Ci\  iv,  340.  4.   <laz  N. 

Ct\  IV,   115.   117.  243.  .5.  uf  oin  bete  N.  14.  Cr.  iv,  262-66. 

16.  der«  N.         30.  d(Mi  N.         33.   (Y.  iv,  79.  539.  .591. 

12" 


180  ZU  BERTOLTS  CRANE. 

ghesnilen  riche  und  grot:  S5 

manich  lowe  van  golde  rot 
de  stunden  bi  ein  ander  dar 
mit  menigheme  riehen  steine  dar 
vaste  underscheiden. 

iz  gene  also  in  beiden  40 

als  in  de  wuonsch  bette  irdacht. 
Nuo  wart  dar  de  crone  bracht 
de  des  landes  bette  gbewalt. 
nuo  wart  de  iuonghe  vorste  halt 
ghecronel  dar  tzo  Torkis,  45 

dar  her  sint  vil  menigben  pris 
begbencb  mit  siner  milden  bant. 
nuo  uontfengben  ir  borge  vn  ir  lauf 
de  vorsten  vnd  de  heren  al. 

von  boverende  irhof  sich  do  ein  scal  50 

vor  dem  iuongen  coninge  riebe 
von  den  berren  al  ghelicbe 
vnd  von  dem  bertzoghen  wert, 
swer  dar  wolde  nemen  swert, 
daz  wart  mit  willen  im  gegheuen:  55 

man  sach  nach  werdicheide  streuen 
vil  manigben  edelen  riehen  man. 
der  coninch  etzen  do  began. 
dar  lephen  ros  heren  vri 

de  de  rittare  sloghen  bi,  60 

üv  dar  upphe  menich  samit  lach 

ghesniten  und  pellel  von  Baldach 

de  de  vorsten  riche  trogben  vore. 

dar  was  uof  ghetan  de  tore : 

de  ir  gnaden  gherten  65 

de  vorsten  sie  ghewerten 

mit  ir  gave  vnd  mit  sotzicbeit. 

dar  was  alles  daz  bereit 

36.  Cr.  290 — 300  do  se  de  bilte  priseten  de  man  dar  underschei- 
den vant,  mauigen  lewcn  riche  irkant  de  uf  einen  samit  breit  koste- 
liche  wären  bereit.         38.  was  N.  46.  her  fehlt  N.  50.  houo- 

ende  N.  vgl.  Cr.  iv,  210.  51.  von  N.         59  ff.  Cr.  iv,  134—141. 

63.  de  ersten  richten  N. 


zu  BERTOLTS  CRANE.  181 

daz  ein  vorsle  hauen  sohle 

de  erliche  woide  70 

siue  hochtzit  macheit. 

daz  de  spottere  dar  uof  lachen, 

ob  sie  daz  letzen  daz  wer  mir  teil. 

dar  wart  mit  grotzer  werdicheil 

de  hochcit  uof  ein  ende  bracht :  75 

ich  wene  dar  ichtes  wer  gedacht 

iz  ne  werte  al  ghetan. 

ich  wil  von  der  rede  lan, 

waz  woldich  ir  mer  ghesaghet? 

dar  bleif  de  vorste  uonvorzaghet  SO 

gheweldich  an  sime  riebe : 

daz  besaz  her  so  erliche 

daz  hers  ghewan  so  hoeu  loi", 

swer  nach  im  reit  an  sinen  hol 

dorch  besehen  an  sin  lant,  85 

her  wart  also  wider  ghesanl, 

daz  is  der  coning  ere  uontfenc. 

Balifeile  iz  wol  irghenc : 
do  vn  ymber  mere 

irwarf  her  pris  vnd  ere.  90 

von  Darifante  wil  ich  saghen : 
sin  ritterschaf  beguonde  in  iaghen  . 

dorch  der  minne  pris  an  vromede  lanl 
orloues  gherte  her  altzo  baut: 
waz  her  dicke  wart  ghemant!  95 

he  wolde  im  liehe  don  becani 
mit  im  daz  coningriche, 
her  solde  gheweldichliche  . 

mit  im  dar  inne  coning  sin. 

PuoUe  daz  eighen  riebe  min  100 

ich  don  is  dir  ghelichen  teil  becaul/ 
do  sprac  de  iuonge  Darifant 

7^.  vgl.  18  und  Cr.  1,22.  iv,212jf.  78.  Cr.  iv,  375.  84.  6V.i,4»-45. 
86.  Cr.  550.  551  ir  werdet  also  weder  gesant  datz  ich  des  motz  ha- 
vcii  ere.  92.  Cr.  iv,  462.  556.  zwischen  95  und  96  scheint 

etwas   zu  fehlen.  96  ff.    Cr.  iv,  438.  333    niiner  lulc  und  miner 

ant  tuon  ich  im  lichea  teil  bekaat. 


182  ZU  BERTOLTS  CHANE. 

'duo  soll  din  riche  selver  han: 
ich  wil  beide  und  plan 

nach  aventuoren  riten,  105 

dorch  zyosleren  vnd  dorch  striten 
wil  ich  sochen  vroniede  lant.' 
Nu  tzoch  de  werte  Darifant 
harnasch  an  sin  stolte  lip. 

waz  dar  manich  scone  wip  110 

inil  ir  smalen  witzen  hant 
im  sine  waphen  remen  hant ! 
sin  korsit  vnd  sin  waphenkleit 
mit  grotzer  richeit  was  beleit 

so  iz  Fiolede  irdachte  :  115 

mit  kost  sie  iz  volienbrachte. 
de  coninginne  reine 
waren  uoz  ghespruongen  steine 
^'f'  vor  swerten  swar  de  vorste  streit- 

nuo  hetle  de  coningiu  ghemeit  120 

robine  dar  wider  in  ghetan. 

sie  mochte  is  lever  han  ghelan, 

sie  waren  dar  vonghepriset. 
*«♦-  _        de  aventuore  mir  wiset, 

iz  ne  wart  ni  vorste  baz  ghesant  ]25 

ghesimeret  an  vromede  lant. 

swe  vil  her  ghebeten  wart 

daz  her  bliue,  her  wolde  uof  de  vart. 

als  mi  seit  de  aventuore, 

nuo  karte  der  gbehure  130 

mit  siner  feyen  an  vromede  iant. 

der  coning  gherne  mit  im  ghesant  — 
es  fehlen  loenigstens  zwei  blätter. 

de  sie  betten  uoz  ghesant. 

'Phiolede'  Darifant 

vil  dicke  ref,  swen  her  trat  135 

vnd  so  nendichliche  sleghe  mal 

llü.   Cr.  IV,  /i68  —  470   de  junge  koniaginne  gemeit  im  al  de  wä- 
Iciirieniea  bant  mit  ir  wizen  edelen  hant.  132.  han  fehlt  N. 

127.  Cr.  IV,  465.  537.  129.    als  mi  de  a.  .V.  130.    vgl.  194. 

Cr.  i,  19.         134.  Dem.  i,  59.         136.  Dem.  ii,  65.  her  mat  IV. 


zu  BEKTOLIS  CHAiNE.  183 

iiol  den  gliellorereden  man. 

wider  rufen  her  Legau 

Fiacrode  de  coningin, 

an  dinie  denesle  ich  hir  bin,  140 

din  scone  helphet  mich  vorwar. 

her  rif  sie  an  vnd  trat  im  nar  : 

swicka,  we  he  do  swenken  ghenc 

vnd  selve  daz  widerghelt  uontfeac 

von  dem  werden  Darifant!  145 

dar  spranc  vor  der  tzwiger  liaut 

daz  wer  wol  Iwiger  ackere  breit 

nuo  dranc  de  vorsle  iunc  ghemeit 

zo  Darifande  daz  her  trat 

vnd  uontweich  ein  kleine  von  der  stal.  150 

dorch  so  grolze  strites   not 

de  feye  ir  ovghen  uontieghen  im  bot. 

sie  sprach  "^owe  der  vrovde  min ! 

suolt  ir  hir  vorstriten  sin, 

so  si  wir  dri  an  vrovden   loth ;  155 

ich  meine  der  gotinnen  not 

vnd  der  sconeu  ElFadien  dar 

de  uimber  ghetrost,  daz  is  war, 

ne  werdet  wen  von  vwer  hant : 

herre,  des  sie  noch  gemant.'  160 

do  de  vorste  ir  not  ghesach 

her  trat  ieghen  im  vnd  sprach 

'diz  si  Fioleideu  teil!' 

daz  wart  des  coninghes  uonheil 

do  her  so  nendichlichen  quam,  165 

daz  swert  mit  beiden  banden  nam :  ,: 

we  her  swcnkete  uoC  den  hell  gemeit ! 

dar  spruongcn  spene  eilen  breit 

von  des  coninges  scilde  uot'  den  sant. 

im  gaC  sin  mille  iunghe   hant  170 

so  riebe  slegbe  daz  her  dorch  not 

vntweich  :  her  moste  hauen  den  tot 

137.  Dem.  II,  55.  144.    uonterfeiic  N.  doch  vgl.  '/äSa. 

l/i8.  Cr.  I,  28.         149.  %»  fehlt  N.         153.  Cr.  iv,  453  —  54. 
161.   (lo  do  .Y.  ICf).   und  daz?         108.   eync  breit  N.        <:.         -    . 


184  ZU  BERTOLTS  CRANE. 

ghenomeu,  wen  de  coningiii 

de  dorch  ires  Iruowes  herzen  sin 

snellichen  von  dem  pherde  trat.  175 

sie  beguonde  loiifen  uof  der  stat 

dar  sie  iren  lierren  striten  sach : 

des  liues  si  sich  do  irwach. 

do  sie  irkande  sin  uonheil. 

do  Darifant  daz  weghere  teit  180 

helle  ieghen  den  cuonen  man. 

mit  uonwitzen  sie  do  began 

louphen  ieghen  den  vorsten  wert : 

vil  nach  Darifanles  swert 

helle  ir  den  lip  ghenonien.  185 

von  dem  iunghen  vorsten  vroinen 

wart  ghelatzen  tzo  der  Izil 

dorch  de  vrowen  dar  de  strit. 

do  sprach  aver  Darifant 

yeghen  den  vorsten  al  tzo  hanl  190 

*-^  •    .      'heitzet  de  vrowen  van  uons   gan. 

so  wert  hir  slrites  mer  ghelan.' 

do  sprach  auer  Offiart 

an  vwen  denesl  wert  ghekart. 

herre,  swes  ir  an  mi  ghert:  195 

''■•*  des  suolt  ir  an  mi  sin  ghewert. 

ich  gheue  noch  miner  truwen  phant. 

yeghen  rillar  ni  streit  min  hant, 

ich  ne  leihe  im  achte  clagende  not : 

swer  sich  tzo  slrile  yeghen  mich  bot,  200 

'' '  dar  was  daz  spil  ghewonnen  min. 

ich  moz  an  vwer  deneste  sin, 

swes  ir  röchet  an  mich/ 

do  sprach  der  iunghe  vorsle  rieh 

hat  ir  mir  Sicherheit  ghelan,  205 

herre,  der  wille  ich  noch  irlan. 

ich  wolde  ieghen  yspanien  lant 

verre :  dar  is  mir  becant 

aventure  von  einer  maghel 

17i.   licilsos  .V.        1H5.  hir  N.        186.  Cr.  iv.   576.        )'J7.   Uetn. 
I,  8ti  — 89. 


zu  BERTOLTS  CRANE.  185 

(so  hat  ein  rillar  mir  ghesaget);  210 

nach  ir  der  gheverle  ich  gherende  bin. 
ich  wolde  sie  sen,  des  ghert  min  sin. 
Offiart  de  sprach  tzo  hant 
herre,  ir  suolt  an  min  lant 

mit  dessen  vrowen  riten:  215 

swer  hir  komet  dorch  striten, 
her  ghewinne  scaden  oder  hail, 
her  moz   dorch  sines  prises  teil 
mit  uons  bliuen  doch  de  nacht, 
herre,  so  sult  ir  werden  bracht  T2{) 

uof  de  rechten  stratze  an  daz  lanl 
dar  noch  de  maghet  wert  becant. 
ir  holet  doch  de  duoreste  man 
der  i  dorch  minne  pris  ghewan 
mit  dren  sinen  gheverten,  225 

de  mit  speren  vnd  mit  swerten 
dicke  hat  irworven  pris.' 
do  sprach  der  iunghe  vorste  wis 
'ich  wil  darhin,  daz  ist  min  ghere : 
her  sal  an  mich  vinden  were  230 

strites,  daz  si  noch  ghesaghet. 


swaz  mich  gheschen  von  im  mach, 

nimber  vrolichen  lach 

ne  leve  ich,  ine  come  dar  235 

daz  ich  ghese  er  oughen  dar.' 

Mediane  sprac  tzo  hant 

'herre,  ich  wil  noch  don  becant 

des  landes  recht  sult  ir  began: 

iz  sal  werten  al  ghetan  24U 

des  ir  an  dem  vorsten  ghert. 

siet  nuo  wart  de  coning  ghewert. 

mit  im  karte  Darifant : 

unvorwitzen  an  daz  lant 

311.    Dem.  i,   35    ze   Anlriun    diu'  wold   ihc  hin    den  xorslon  seii. 
des  gert  min  sin.         215.  zwar  N.         326.  Cr.  iv,  216  do  ich  spiacli 
svc  Dcniantin  mil  swerlen  pris  firworvjrn  hat.         229.    Cr.  iv,  450. 
230.  Cr.  IV.  171.  395.         235.  ne  coine  TV.  . 


186  ZU  BERTOLTS  CRANE. 

lie  au  korlzeu  stunden  reit,  245 

bi  im  de  scone  niaghet  ghenieit. 

des  coninghes  swester,  daz  is  war. 

vnd  de  scone  Fedakine  dar: 

de  was  des  landes  coniugin. 

sie  karten  herlze  vnd  sin  '2öO 

we  sie  scophen  im  ghemach : 

al  des  denestes  man  im  placli 

des  her  selve  gherte : 

noch  mer  man  im  ghewerte. 

he  wart  dar  wol  uontfanghen.  255 

uonlieghen  im  quam  gheganghen 

vil  menich  scone  vrowe  ghemeil, 

do  he  uof  einen  [gronenj  angher  breit 

mit  der  coningin  gheriten  quam 

dar  her  ghesach  vnd  vornam  260 

manich  poulun  riche, 

ffhesimeret  costichliche. 

her  sag  ein  dar  vnder, 

soldich  half  de  wonder 

sagheu  de  ich  dar  von  weit  —  265 

252.  Cr'.  IV,  359.  255.    uonterfangheii  .\ .  '200.   Cr.  i,  46. 

262.  was  g.  N.  vgl.    Cr.  iv,  52.  270.  'iöi.    Cr.  lu   15. 

IV,  286. 

Die  vergliche7ien  stellen,  obgleich  sich  Jur  ei?izelhei~ 
teil  noch  mehr  anführen  liefsen,  scheineji  hinlänglich  su 
dem  beweise  da/s  das  gedieht  von  Dainjant  ebenfalls  von 
Bertolt  herrührt,  der  umstand  dafs  im  atfange  des  bruch- 
stücks  ein  vei^mäldungsfesi  beschrieben  tvird,  dessen  wenn 
auch  kürzere  Schilderung  in  der  ganzen  manier  der  be- 
schreibung  von  Gayols  Vermählung  gleich  kornrnt,  läfst  au- 
'»enblicklich  denselben  verfafser  erkennen,  zutnahl  da  auch 
hier  wie  in  Crane  an  einer  ganz  entsprechenden  stelle  eine 
ähnliche  rüge  der  spotlere  vorkommt,  auf  ivelche  sich  eben- 
falls des  dickters  klagen  in  der  einleitung  zu  diese?n  ge- 
dickte beziehen.  Bertolts  idiom  zeigt  sich  auch  hier,  wie 
im  Demantiii,  so  deutlich  dafs  wir  es  für  überßüfsig  hal- 
ten einzelnes  hervorzuheben,  bei  genauerer  betrachtung  er- 
gibt  sich  dafs  die  drei  gedickte  Demantin  Crane  Darifani 


zu  BERTOLTS  CRANE.  187 

in  der  folge  wie  wir  sie  eben  aufgeführt  habm  verfafst 
sind,  denn  wenn  der  dichter  im  Darifant  seine  einseitige 
und  deshalb  leicht  erkeniibarc  manier  auch  nicht  x>erleus:- 
net,  so  zeigen  doch  einzelne  partien  eine  höhere  kunst- 
rollendungf  weshalb  dieses  gedieht  gewiss  nach  dem  (Jrane 
zu  setzeri  ist. 

WILHELM  MÜLLER. 


ZUM    iWEIIV. 

Die  hs.  2779  (/?.  2259)  derfFiener  hofbibliothek  ent- 
hält unier  anderem  auch  Hartmamis  Itvein.  damit  niemand 
daran  ziveifele,  da  die  von  Graff  Diut.  3,  371  und  Hoff- 
mann verz.  j.  16  angegebenen  anfangszeilen  nicht  der  ein- 
gang  des  Iwcin  sind,  mag  hier  räum  finden  was  Karajan 
mir  darüber  vorlängst  mitgetheilt  hat. 

Bl.  46  VW.  bricht  auf  der  In  spalte  die  kaiserchronik 
ab.     es  folgt  mit  der  20?i  zeile 

hie  hebet  sich  an  daz 

Bvch  daz  da  haiset  der 

ritter  mit  dein  leben 

Swenn  ein  wol  beschaiden  man 

Der  beschaidenleichen  dienen  chan 

Baiden  mvt  vnde  leip. 

Leit  an  einem  beschaidem  weip. 

Swen  des  wudert. 

Daz  do  ir  hertze  svndert. 

von  vns  allen  hintze  dem. 

Der  sagte  gerne  weste  er  wem. 

Des  enwudert  mich  nicht. 

Swa  dem  gvten  wol  geschieht. 

Des  pin  ich  immer  vro  mit  in. 

Daz  haizzcnl  auch  di  weisen  sin. 

Di  rede  lazzen  wir  beleihen. 

vnde  sagen  ev  von  den  weihen. 

Si  habent  wuderlcichen  sit. 

Da  si  di  man  versuchent  mit. 

Swcr  ev  di  alle  solde  sagen. 


188  ZUM  IVVEIN. 

Der  endorft  auch  nimmer  gedagen. 

Wir  svln  si  lazzen  beleiben. 

Swer  ev  solde  schreiben. 

Alle  ir  wuderleiche  sile. 

Der  bedorfte  prailer  permeil. 

Swelich  weip  von  ir  sinne. 

Dar  vmbe  versprichet  minne. 

Daz  die  leute  alle. 

Bedent  mit  einem  schalle 

Secht  wi  State  den  ist. 

Di  1er  ich  einen  pezzern  list. 

Daz  si  minne  walte. 

Vnd  ir  er  doch  behalte. 

vnde  minne  einen  man. 

Der  minnen  vnde  helen  chan. 

So  sprichet  manigev  wa  fvnd  ich  den 

Da  wage  iz  wider  tisen 

waz  iz  wider  den  man  daz  ist  mein  ral 

Der  Zucht  vnd  schone  sinne  hat 

So  mag  ir  nimmer  misse  gan. 

Si  sol  doch  vngeluche  han  ^ 
hierauf  beginnt  die  2e  spalte 

Swer  an  rechte  gvte  u.  s.  w. 
die  voi'hergehende  reimerei  wird  niemand  zum  Iwein  rech- 
nen oder  für  hartmannische  poesic  halten. 

H. 


ZU   DEN   MERSEBURGEK    GEDICHTEN.* 

Das  asyndclon,  ohne  welches  im  zweiten  gedieht  nicht 
vier,  nur  zwei  göttinnen  sein  würden,  fordern  folgende  gründe. 

1.  ira  gen.  sg.  fem.  ist  ahd.  und  auch  alts.  von  iro  gen. 
pl.  geschieden,  beide  sondern  sich  wie  golh.  izus  und  ize. 
auch  das  Uildebrandslied  hat  nur  iro  eorum,  kein  ir^a ;  wenn 
im  Hcliand  einigemal  ira  für  iro  steht,  so  scheint  das  feh- 
lerhaft,   da  auch  thero   und  alle   übrigen  gen.  pl.   o   weisen 

•  über  zwei  entdeckte  gedichle  aus  der  zeit  des  deutschen  beiden- 
tbums.     Berlin   1842. 


zu  DEN  MERSEBÜRGER  GEDICHTEN.  189 

und  (las  ags.    fries.    a   meiden,  erst  im  mhd.  ir  fallen  beide 
casusformen  scliädlicii  zusammen. 

2.  bedeutete  ira  hier  eorum,  auf  wen  soll  es  bezogen 
werden?  doch  auf  Phol  und  Wodan?  dann  folgte  nothwen- 
dig  dafs  Phol  und  Wodan  brüder,  Sunna  und  FoUa  ihre 
Schwestern  waren.  Phols  und  Wodans  briiderschafl  ist  aber 
beiden  bedeutungen  entgegen  die  ich  von  Phol  versucht  habe, 
noch  weniger  scheinen  Wodan,  Sunna,  Folla  geschwister. 
Söl,  nach  nordischer  mythe,  war  tochter  der  Mundilfari, 
Schwester  des  Mäni  (Mond),  nirgend  werden  S61  und  Fulla 
geschwister  genannt,  zwar  heilst  Fulla  auch  nicht  der  Freyja 
Schwester,  sie  steht  vielmehr  in  nahem  Verhältnis  zu  Frigg. 
und  da  Frigg  (langob.  Frea,  ahd.  Fria,  slavisch  Prii/e)  ver- 
wechselt wird  mit  Freyja  (ahd.  Frouwa,  Fri<a),  so  fragt  es 
sich  ob  nicht  in  unserm  denkmal  für  Früa  gesetzt  werden 
miifse  Fria?  dann  wäre  Wodan  vollends  ein  unpassender 
bruder,  weil  er  Frias  gemahl  ist. 

3.  auf  den  ersten  schein  gemahnt  frua  Folla  an  do- 
tnina  Ahundia,  dorne  Habonde,  wie  an  frau  Berhta,  frau 
Hulda,  frau  Venus,  doch  diese  ausdrucksweise  beginnt  erst 
im  12n  oder  13n  jh.,  ich  glaube  nicht,  dafs  man  im  8n  oder 
9n  frouwa  als  blofsen  titel  vor  eigennamen  setzte,  die  ags. 
und  alts.  mundart  haben  das  ahd.  frouwa  überhaupt  nicht, 
späterhin  scheint  es  aus  der  hochdeutschen  in  die  nieder- 
deutsche, bis  in  die  niederländische  und  friesische,  einge- 
drungen, mhd.  lesen  wir  freilich  allenthalben  vrowe  JutiUy 
vrowe  Pallas,  wie  her  Jupiler,  lier  Adam  und  vrowe  nah- 
tigal;  in  den  meisten  anreden  wird  betitelt,  aber  0.  und  N. 
verwenden  frouwa,  frowa  nicht  so.  Maria  heifst  auch  spä- 
ter niemals  frau  Maria,  sondern  entweder  Jungfrau  Maria, 
oder  sente  Maria,  oder  unsere  frau  Maria  (wie  bereits  im 
Essener  fragm.  iisero  fri/on  sancte  Mariun),  was  mehr  als 
titel  ist.  0.  1,  3,  31.  1,  5,  7.  1,  7,  1  hat  nur  sancta  Ma- 
ria; N.  ps.  21,  11  föne  3hm>/n  wojnbo ;  ps.  79,  18  Mariun 
sun.  niemals  erthcill  0.  einer  Elisabeth,  Magdalena,  Mar- 
tha den  titel  frowa,  noch  N.  im  Marc.  Cap.  einer  Juno, 
Minerva,  scheint  also  frCia  Folla  unstatthaft,  so  mufs  Früa 
ein  von  Folla  verschiednes  wesen  sein,  ich  habe  Folla  für 
die  göttin  des  reichthums  gehalten,    lieber  als  für  den  Voll- 


190  Zu  DEN  iMERSEBURGER  GEDICHTEN. 

niond,  weil  weder  bei  der  nord.  Fulla,  noch  bei  Abundia  und 
dem  lettischen  Pilnitis  des  monds  gedacht  wird,  nach  dem 
Volksglauben  spendet  auch  der  neumond  mehr  fülle  und  Se- 
gen als  der  Vollmond  (litth.  pilnatis,  goth.  fidlips).  wie 
sich  aber  Abundia  und  Diana,  Hulda,  berühren,  könnte  den- 
noch bei  Fulla  der  JVIond  in  betracht  kommen. 

4.  wäre  frau  Folla  recht,  so  müste  es  auch  Stntkg'mid 
sunna  sein,  und  Sinthgund  den  eigennamen  der  sonne  bil- 
den, einen  solchen  führt  sie  nun  nirgend,  obschon  der  ihm 
nachgewiesene  sinn  auf  sie  wie  auf  ihre  Schwester  anwend- 
bar wäre,  würde  aber  dann  nicht  blofs  Sinthgimd,  mit  weg- 
lafsang  des  appellativs  sunna  gesagt  worden  sein,  der  sonne 
nicht  nothwendiger  das  prädicat  frau  gebühren,  als  der  Folla. 
selbst  wenn  diese  der  mond  wäre?  in  der  handschrift  isl 
nach  Sinhtgtmt  der  den  haupteinschnitt  des  verses  bezeich- 
nende punct  gesetzt,  und  im  folgenden  vers  könnte  er  hin- 
ter Frua  ebenfalls  stehn.  dürfte,  wenn  ß'ua  blofser  titei 
wäre,  zwischen  ihm  und  dem  eigennamen,  so  wie  zwischen 
dem  eigennamen  Sinthgund  und  dem  appeüativ  sunna  die 
metrische  ruhe  eintreten?     ich  zweifle. 

Sind  nach  allem  diesem  Früa  und  Folla,  Sindgimd  und 
Sufi?ia  vier  eigene  göttinnen,  drückt  ira  ejus,  folglich  schwe- 
sterschaft je  zweier  unter  einander  aus,  so  darf  das  weg- 
bleiben der  copula  dem  nach  .y^wo;ii  (gramm.  4,216.  346.  950) 
an  die  seile  gesetzt  w^erden*  und  auf  weitere  bestätigungen 
hoffen,  ich  führe  noch  einige  stellen  aus  der  edda  an.  Isöl/'r, 
Asulfr  Olmödssyjiii"  Ssm.  116";  Ani,  Omi  oro  horjiir  Arn- 
gi'ims  synir  116*';  Amr  ok  löfur,  Mär  115*';  Jinbiörg^ 
Valbiörg  IZh^  \  glöar  Gullinbursti,  Hildisvini  W.k''^  diese 
letzte  fügung  ist  zweideutig,  da  Hildisimii  auch  der  dat. 
sein  könnte  und  dann  das  corama  unterbliebe,  aus  der  mhd. 
poesie  lafsen  sich  vielleicht  befsere  beispiele  sammeln,  als 
folgendes,  Nöupatris,  Eskelabon  drr  manegen  pris  besalle 
Wh.  106,  23. 

JAC.    GRI31M. 

•  auch  zwischen  herod  uodev  im  ersten  pjedichl  scheint  die  copula 
l^leich  obslchtlich  nusf^elaPsen. 


191 


CREDE   MIHI. 

Wenn  Harlmanns  reine  deutsche  spräche  einem  abl  die 
helheuerung  crede  mich  für  cj^ede  mihi  zweimal  in  den  mund 
legt  (Gregorius  853.  1456),  so  mul's  sie  unter  den  kloster- 
leuten  sehr  im  schwang  gewesen  sein,  auch  Reinmar  von 
Zweter  MS.  2,  124"  sagt  diu  glihsenheit  diu  birget  vil  un- 
reines, —  dur  Juden  und  dur  vilrsten  goll  so  ist  man  ir  ze 
Home  holt,  ir  Crede  mich  kan  Schatzes  tool  gevdren,  und 
nochmals  MSH.  2,  20,3"  da  triiwc  ich  nimmer  vinden  süeze 
seic,  crede  mich  (:  sich),  auch  im  Waltharius  807  wird 
mihi  crede  eingeschaltet,  und  man  darf  Otfrieds  giloubi  thu 
mir,  thaz  giloubi  thu  mir,  thes  giloubi  thu  mir  (2,  14,61. 
.3,  20,  178.  4,  5,  34),  thaz  giloubet  ir  mir,  thes  giloubet 
ir  mir  (4,10.0.  19,53)  o^^v  giloubi  minen  worton  (5,7,4. 
13,4)  schon  für  eine  blofse  Verdeutschung  dieser  formel  hal- 
ten, so  natürlich  auch  die  eigne  spräche  auf  den  ausdruck 
führt,  was  ich  aber  hier  bemerken  wollte  ist  dafs  noch  im 
i7n  jh.  in  dem  niederrheinischen  kloster  Rommersdorf  eine 
speise,  seien  es  klöfse  oder  ein  backwerk,  unter  dem  namen 
cret/e  m?7«' verabreicht  wurde;  ein  Heimbacher  weisthura  von 
1627  (1,  619  meiner  samlung)  besagt,  der  alt  burgemeister 
empfanget  den  hojfnercn  im  closter  30  cj^ede  mihi  vnd  ein 
stuck  keefs,  das  vher  19,  doch  nit  20  heller  werth  sei.  im 
Hennebergischen  hiefs  nach  Reinwald  1,  70.  2,  62  eine  ge- 
wisse art  klöfse  herr  gott  behütcs,  oder  abgekürzt  blofs 
hütes. 

JAC.  GRIMM. 

DAS    ER    ÖRTLICHER   APPELLATIVE 
UNAD.IECT1VISCH. 

Den  schein  des  adj.  hat  höchstens  der  nom.  sg.  masc. 
in  Nürfiberger  tand,  lierliner  nrilz,  Frankfurter  kaufmann, 
das  uns  fast  wie  guter,  schlechter,  aller  lautet,  doch  in  al- 
len andern  fällen  schwindet  er.  Nürnberger  landcs,  licrlinrr 


192     DAS  ER  ÖRTLICHER  APPELLATIVE  UNADJECTIVISCH. 

iraare,  Frankfurter  geld.  dies  unveränderlich  haftende  er 
unterscheidet  sich  also  auch  von  organischen  adj.  auf  er, 
wie  mager,  heiter,  die  überall  flectieren.  es  ist  nichts  als 
der  vorgesetzte  gen.  pl.,  den  die  frühere  spräche  oft  auch 
dem  regierenden  subst.  nachsetzt,  z.  b.  ein  schittifig  Rege/is- 
bi/rger,Costanzer  =  Kegensh[irger,  Costanzer  Schilling,  wie 
man  ihn  zu  Regensburg,  Costanz  ausprägte,  die  ahd.  spräche 
sondert  jenen  festen  gen.  pl.  -äro  bestimmt  von  gnoter  und 
magar.  wenn  nun  allen  eigennamen  und  örtlichen  appella- 
liven  ein  grolser  buchstab  gebührt,  so  folgt,  dafs  er  jenen 
gen.  nicht  entzogen  werden  darf,  und  es  unrichtig  ist  zu 
schreiben  leipziger  druck,  berliner  handschrift  statt  Leipzi- 
ger, Berliner. 

JAC.  GKIMM. 


FRAU  KEIN  WILDES  THIER. 

Schon  gramm.  4,  650  ist  auf  redensarten  hingewiesen 
worden  die  mir  uralt  scheinen,  will  eine  frau  ihrem  gelieb- 
ten seine  blödigkeit  vorrücken,  so  sagt  sie  ihm  Ich  war  ja 
kein  wildes  thier  das  du  zu  meiden  brauchtest.  bei  dem 
von  Kürenberg  31 S.  1,  38'' jo  enwas  ich  niht  ein  eher  leildc, 
als  der  liebhaber  sich  nicht  sie  zu  wecken  getraut  hatte. 
Iwein  2269  ir  möhtent  sitzen  naher  haz,  min  vrouwe  bizet 
iuiüei'  niht.  MS.  2,  195*'  sin  mäht  mit  linden  henden  rnin 
niht  ersldn.  auch  unser  noch  gebräuchliches  einem  den  zahn 
weiser  kann  dazu  genommen  werden :  si  zeiget  mir  den 
ivolves  zant  Ben.  386.  es  mufs  andere  stellen  meiir  geben, 
deren  ich  mich  jetzt  nicht  entsinne. 

JAC.  GRIMM. 


11« 


MARIENLIED. 

Der  herzoglich  najsaiiische  oberschulrath,  herr  dr  Frie- 
dtiinann,  director  des  centralarchives  zu  Idstein,  hatte  die 
gute  mir  eine  im  anfange  und  am  ende  defecte  pergament- 
handschrift  eines  lateinischen  psalteriums  mitzutheilen,  die 
er  in  dem  ehemaligen  marietikloster  zu  Arnstein  aufgefun- 
den hatte,  in  welcher  auf  den  letzten  blättern  ein  deutsches 
marienlied  steht. 

Die  handschrift  ist  in  kleinoctav  und  gehört  in  das  drei- 
zehnte oder  vierzehnte  Jahrhundert ;  die  spräche  aber  so 
urie  die  reime  iveise?i  auf  eine  bedeutend  frühere  zeit,  so 
dafs  loir  also  nur  eine  abschrift  eines  von  einer  frau  ge- 
dichteten frömmelt  liedes  vor  uns  habeii :  diu  buoche  (das 
buch),  alinc  {unversehrt,  ganz),  andouge,  du  statt  diu  im 
instrumefitalcasus  so  wohl  als  im  nominative  und  accusative, 
und  mehr  der  art,  lafsen  an  der  früheren  entstehung  des 
liedes  nicht  zweifeln. 

Ich  füge  hier  noch  bei  dafs  der  folgende  abdruck  sich 
auf  eine  von  mir  selbst  genommene  abschrift  gründet,  in 
welcher  ich  nur,  des  leichteren  Lesens  wegen,  den  vocal  i 
mit  einem  puncte  versehen  habe ;  alles  übrige,  so  xvie  auch 
die  inteipunction,  gibt  treulich  die  handschrift  ivieder. 

GÖTTINGEN,  apr.  7.  1842.  G.  F.  BENECKE. 

I         Die  vier  ersten  zeilen  sind  ausgekratzt. 

werlt  van  der  sunnen  vz  geit  ane  ser  5 

vnd  an  arbeit,     daz  kint  daz  himel  und 
erden  solde  er  f'rouwen.     daz   ze  slorene 
qua  unsen  ruwcn.    an  aller  slahte  ser  iz        ^ 
uan  dir  qua.    alsiz  godcs  kinde  allcine- 
me  gczani.    \'^an  der  sunnen  geit  daz  10 

dage  liet.     sine  wirdet  uinbe  daz  du 
dunkelcre  nicl.     nog  bewollen  ward 
din  incgedlicher  lif.     allein  gebere  du 
daz   kinl  heiligcz  wif.     Sint  du  daz 
Z.  F.  D.  A.     II.  13 


194  MAHIENLIED. 

kiiil  gebere.    bit  alle  du  werc.     Uitcr  uiide  15 

reine  iian  mannes  gemeine*    swencn  so 
daz  dnnkel  nnniugelicli  der  merke 
daz  glas  daz  dir  is  gelig-     daz  sannen 
liet  schinet  durg  milllen  daz  glas,     iz 
is  alinc  nnde  lufer  sinl   alsiz  edes  was.  20 

durg  daz  alinge  glas  geit  iz  in  daz 
luis.    daz  uinesternisse  uerdriuel  iz  dar 
uz   Ou  bis  daz  alinge  glas  da  der 
11     durg  qua.     daz  liet  daz  uinesternisse  der 
werlde  benam.     uandir  schein  daz  go- 
des  liei  inalle  die  laut,     do  uan  dir  ge 
boren  warlh  unse  heilant.     iz  beluhle 
dich  und  alle  cristenheit.     du  inden  5 

iingelouuen  uerre  was  uerleit.     iz  uani 
dich,    iz  liz  dich,    bit  alle  luter  alse  du 
sunne  deit  daz  glase  uinster.    luden 
die  ug  willen  ce  gode  keren.    merkel 
daz  glas  daz  mag  ug  leren.    Inder  10 

buche  lese  wir.    daz  ysaias  uane  dir. 
alsus  hauet  gesprochen,    die   wort  die 
sint  belochen  Vz  uan  iesse  sal  wahsen 
ein  rvde.    uffe  der  rüden  sal  wahsen 
ein  blüme.    ander  blumen  sal  gervn  15 

der  heilige  geist.    her  sal  sie  gesterken 
bit  allen  sinen  crefden.    uan  ime  sal  sie 
du  godes  craft  entfan,    da  mite  sal  sie 
den  uiant  erslan.   meinet  du  rüde  dig 
heilig  megedin.    bedudet  du  blume  20 

din  drut  kindelin  Oug  saget 
uns  alsus.    du  biich  du  der  heizet  exo 
dus.    daz  moyses  ein  heilig  man.    sag 
III     einen  husch  de  der  bran.    den  busch  du 
flamme  beuienc.    ie  doch  her  niet  ne 
cegienc.    her  bran  undc  louvede.    daz 
für  ime  ninc  scadedc     Schein  uan 
deme  husche  daz  für.    daz  meinede  daz  5 

uane  dir.    got  hie  in  erden,    erberwel 

III,   (».   deiiUicIi   <M'l)er'M('l   in  der  hs. 


MARIEINLIED.  195 

solde  werden,    grünede  daz  lof  indenie 
fiire.    blüde  der  din  magedüm  inder 
geburle.    der  busch  behielt  du  sine  sco- 
necheit.    so  dede  din  heilig  lif  du  sine  iü 

reinicheit.    Dines  magedümes  blü- 
nie  grünet  ie  nog.    du  heizes  unde  bis 
milder  ie  doch .'  daz  is  daz  wunder  daz 
niene  gescag.    daz  nie  ore  negehorde 
nog  ouge  ne  gesag.    Oug  bezechene-  15 

de  dich  wilen  de  niandelen  zuig.    de 
uore  gode  blüde  daz  was  äärones 
rüde,   de  sament  bit  den  blumen  erou 
nede  die  mandelen.    Du  porte  besloz 
zen  gode  alleineme  offene  du  ezechi  20 

eli  erschein,    si  was  oug  diner  ceichen 
ein.    man  liset  oug  ander,    uil  nianig 
wunder,    damide  din  geburd  wilen. 
IV     uore  gekündet  ward.    Hed  ich  dusent 
munde  gesagen  ich  niene  künde  en 
vollen  des  wunderes,    daz  uan  dir  ge 
scriuen  is.    iznemogen  alle  zungen 

gesagen.    nog  ges diner  5 

eren.    nog  dines  loues  enuollenUer 

hiraelischer  hof.    singet  aller  dinen 

lof.    louet  dig  cherubin.    eret  dig  sera 

phin.    allez  daz  herie  der  heiliger  en 

gele  die  godes  andouge  Stent  uon  fO 

aneginne  prophelen  und  aposloien. 

und  alle  godes  heiligen,    die  frowent 

sig  iemer  din.    kunenclichez  inege 

din  IfVale  miizen  sie  dig  eren.    du 

l)is  nuuler  ircs  heren  de  der  himel  15 

und  erden,    uan  eres  hiez  werden,    de  .   ' 

bit  eineme  worte  gescfif  du  werlt 

alle  dem  alle  dinc  sint  under  dan 

18.     I',>.     riellcicltt    tu    bi'f.ivrii    crougede.      vergl.   genes,    ftnulgr. 

2,  :m,  6. 

IV,  5.  ohne  ÄU't'{/ip/ gcsiiigcii,  das  auch  naeliher,  x,  2iy. ,  mit  zungen 
reimt,  vor  diner  ist  noch  zu  erkennen  bit  alle. 

13' 


196  MARIENLIED. 

dem  uiet  \\e  mag  widerstan.    dem 
alle  crafl  gewichet  dem  niet  ne  ge  20 

liehet,   den  der  eret  und  uortet.    alle 
duse  werlt.    Daz  is  mir  lanc  zesa 
ffeiie  wie  her  du  sis  ee  himele.    iz  enis 
V     oug  oiemanne  kiint,    ane  den  seligen 
die  da  sint.    Des  eines  bin  ig  uan  dir 
gewis.    daz  IVowe  siis  geret  bis.    diirg 
die  dine  groze  güde.    durg  die  dinc 
olmüde.    durg  du  dine  suvcrcheit  5 

durg  du  dine  groze  mildeeheit 
Van  du  anerufen  ig  dich,    frowe  nu 
gehöre  mig.    aller  heiligesle  wif.    uer 
,1 ;  nim  mig  sundigcz  wif.    allez  daz 

min  herze,    daz  fled  dir  bit  flize.  10 

daz  du  mir  willes  genaden.    cedine 
me   sune  hellen,    daz  er  durg  sine  gu 
de  miner  missedede  nergezze  hil 
alle  unde  mir  genaden  wille  Jjei- 
der  mine  lidicheil  du  hat  mig  dik  15 

ke  uerleit.    daz  ig  uan  minen  scul 
den.    uerworte  sine  hulde.    frowe 
daz  is  mir  engestlich  her  umbe  so 
vorten  ig.-  daz  er  sine  genaden  uan 
mir  sule  keren.    Van  du  flien  ig  20 

ce  dir  numüze  daz  stan  ane  dir 
wie  du  mir  maged  milde  gehelfes 
siner  hulde.    hilf  mir  wares  ruwen 
VI     daz  ich  mine  sunden.    müze  gewei 
neu.  bit  inneclichen  trenen  Hilf 
mir  bit  flize  daz  ig  du  hellewize 
niemer  ni  relide.    dad  ig  oug  vernii 
de  hinne  uord  alle  dine  die  wider  5 

godes  hulden  sint  Vnde  ruehe 
mig  gesterken  in  allen  güden  werken, 
daz  ich  bege  minen  lif.    alse  die  heili 

23.  enis  ist  ?ncht  ganz  sicher;    man  Iwunte  auch,    und  vielleicht 
richtiger,  izn    is  leseii.  V,  3.    vor  sus  scheint  du  ausgefallen  zu 

sein.  VI,  4.  dad]  /.   daz. 


MAKIEINLIEU.  197 

§e  wil'  dir  uns  aller  (lugende  j^ege 

neu  haueut  bilede.    unser  müder  sa  10 

ra  du  otniudige     anna  du  gediildi 

ge.   liesler  du  milde,   iudil   du  wizzi 

ge.  und  andere  die  frowen.   die  in  go- 

des  forhten.   hie  sig  so  helrageden.   daz 

sie  gode  wole  behageden.  Oug  na  di  15 

ner  gude.  na  diner  otmüde.  muz  ig 

gescheppen   minen  liC.  des  hilf  mir  hei- 

ligez  wif.'  an  dine  haut  ig  Legeuen 

mig  und  allez   daz  min  leuen.   dir  be 

velen  ig  alle  mine  not.  daz  du  mir  2() 

willes  sin  gereit  in  swelechen  minen 

noden  ig  dich  iemer  ane  gerufen  JPio 

we  diner  liende  beuolen  si  min  ende .' 

Vil     und  rüche  min  gewisen.   und  mich  er 
losen  uz  uander  grozer  not  suanne 
so  der  leide  dot  ane  mir  sol  gescheiden 
den  lif  uander  seien  Inder  grozer 
engeste  cum  du  mir  ce  tröste/  unde  hill  5 

daz  min  sele  werde  ce  deile.   den  lie 
uen  godes  engelen.  niet  den  leiden  du 
uelen/  daz  sie  mich  dare  brengen.  da 
ig  müze  uinden.  du  eweliche  frovvede 
die  da  liauent  ce  himile/  die  fil  selige  10 

godes  kint  die  dar  zu  irwelet  sint. 
Daz  ig  müze  scowen  den  unsen  lieueu 
herren.  den  unsen  scheppere,  den  unsen 
heilere  der  uns  gescvf  uan  nivvete.   der 
vns  oug  gecoufte/   bit  sines  sünes  blu  15 

de  uan  deme  ewigeme  dode.    "Vver  sal 
mir  des  gehelfen,    wer  sal  mig  so  geluteren 
daz  ich  des  wirdich  muze  sin.   daz  saltu 
ilTc  herre  min.  gif  mir  herre  dinen  ge 
ist  wanlu  selbe  wale  weist,  alle  mine  20 

crancheit.  und  alle  min  unwizigheit. 
daz  ig  muze  scowen  bit  den  minen  '   ■ 

ougen.'  diu   unuerloschcn  liet  daz 

\'lll     ne  werc  du  mir  niet.'  daz  is  der  ewige 


198  MAKIENLIED. 

liF.   daz  is  daz  ig  armez  wif.  bit  diner 

helfen  suchen  daz  la  mig  herre  uinden. 

Ues  sie  min  bode  cedir.  dines  selues  müder/ 

owie  selig  bin  ich  dan.  of  sie  mig  wil-  5 

let  fore  stan.  Jflaria  godes  druden, 

maria  trost  der  armen/   maria  Stella 

maris.   züfluht  des  sunderis.  porce  des 

himeles.  burne  des  paradises  /  dan  uns 

du  genade  üz  gefloz  du  uns  eilenden  10 

entsloz   daz  unse  rehte  uater  lant.   nu 

gif  uns  frowe  dine  haut.  liWise  uns 

uz  gehelfen  uon  dere  grozer  dufenen 

daz  is  des  duveles  gewalt.  dar  uns  in 

hat  geualt/  eua  unse  müder  nu  flie  15 

wir  alle  zu  dir.  ^Vir  weinen  unde 

suften.   ce  dinen  lieuen  uvzen/  la  du 

dich  irbarmen/  die  not  die  wir  armen/ 

indirre  dale  beiden  manege  wis  uer 

:  dulden.  Stella  maris  bis  tu  genant.  20 

na  deme  sterren  der  an  daz  lant.   daz 
müde  schif  geleidet  dar  iz  cerasten 
beidet/  geleduns  an  ilTni  dinen   sun 
IX     Auf  dieser  seile  ist  nur  zu  erkennen  daj's  das  was 
darauf  stand  deutsches  war.  aber  alles  ist  ausge- 
kratzt.  zu  lesen  ist  nur  als  ziveite  hälftc  der  letz- 
ten zeile  daz  er  sie  behu- 
X     de  naht  unde  dach,  uan  aller  slahten 
ubele  daz  in  gewerren  mach,  daz  er 
in  geuen  wille  die  sine  lieuen  hulde 
unde  celezzes  uns  gesamene  in  deme 
,   ewigeme  leuene.  JfMaria  milde  kü  5 

ningin.  nu  müzes  tu  gelouet  sin/  der 
diner  otmüte.  und  aller  diner  güde/ 

..  dar  umbe  dig  crist  genam.  ce  müder 

als  iz  wale  gezam  /  daz  den  aller  bez 
VIH.  8.    porce    deutlich    in  der  ha.,    aber    wohl  nur  schreibj'ehler 

statt  portc.  19.  genau  so  in  der  hs.  23.  das  wurt  sun  kann 

auch,  und  vielleicht  richtiger,  vil  gelesen  werden. 
X,  9.  10.  bezzestcs /c/i/er  der  hs.,  l.  Ijczzesleu. 


MARIENLIED.  199 

zesles  man  der  ie  induse  werlt  quam.  10 

daz  bezzeslc  wif  gebere  du  in  vviues 

kuuiie  were.  ]%[u  nuizcs  tu  yelouol 

sin  maria  unse  uogcdin.   Irosl  der 

crislcnheide.   schilt   der  unser  hrode 

clieide/  maria  gra  jdena  du  bis  uol  15 

aller  gnaden  /  des  heiligen  geisles  er 

cornez  uaz.  daz  er  cedisen  eren  sun 

derliche  erlas/  uz  uan  allen  wiCen. 

die  der  ie  geboren  wurden.  THilde 

maria.  genedige  maria.    siize  maria  20 

dincn  lof  müzen  singen,  aller  slah 

te  Zungen .'  und  alle  du  geschefl'ede 

du  der  is  in  erden  oC  in  hinicle.   diu 

Die  folgende  seile  ist  aifsgetUgt  und  unleserlich. 


GOTTHICA   MINORA. 

1 

Zu  band  1   s.  311  ff. 

Die  s.  314  ausgesprochene  beziehung  des  von  Bonaven- 
tura Vulcanius  herausgegebenen  eotntnenturiolus  docti  ciiius- 
dam  iriri  anonymi  auf  Richard  Strein  dürfte  der  weiteren 
besprechung  nicht  unwerth  sein,  die  a.  a.  o.  genannte  hand- 
.schrift  von  Leyden  (Vul.  92')  liegt  in  ihrem  ganzen  inhalte 
jetzt  vor  mir  und  gewährt  bei  näherer  betrachtung  manche 
eigenthümliche  beziehung.  icii  schildere  sie  daher  noch  etwas 
näher. 

1.  der  inhalt.  s,  1  enthält  a)  Alphabetnm  Gethicum,  dar- 
unter die  Worte  |MyfVr['6Aqö,  «['f^'l^^'  H(\|^Rii  |\N,\<iTQAGi(]). 
aiuuaggelgo  lliairli  murcu  anasiodcith 
darftnter  b)  ORJTIO  DOMINICJ  (gothisch)  bis  auf  s.  2, 
welche  noch  entiiäll  SALFTATIO  ANGELICA.-  s.  3 
CANTICFM  FJRGINIS,  mit  lateinischer  Übersetzung  über 
den  Zeilen  und  Wörtern,  bis  s.  4.  —  s.  5  bietet  Canticum 
Simeonis,  blofs  gothisch. —  s.  6  bis  10  sind  leer. —  s.  11 
und  12  enthalten  die  s'.  315  bereits  besprochenen  kanimcr- 
rechnungen  oder  notizen  von  Richard  Strein,  die  wir  hier 
niitlheilen. 


200  GOTTHICA  MINORA. 

s.  11  Ad  Ctes.   Ca.  nulicain. 

Die  key.  m'  weijjst  siehe?'  disen  heioilligung  vnd  ist 
ivol  zuerjunert.  vnd  diewoyl  er  ein  wol  verdeinster  schiilr 
So  ist  der   (über  der  steht  jr)  m^.  will  das  dasselbige  dem 

zo 
supplicantenn  vnuersagelich  gereicht  werde.  Darumb  jr  M\ 
bcuolch  ist  dafs  jr  M  koyserlicher  (diese  drei  worte  in  leer 
gelafsenen  räum  mit  schwärzerer  tinte  eingetragen)  hofcämer 
also,  vnd  das  der  siipplicant  nitt  lenger  auffgehaltenn  werde 
anzureichen  (ausgestrichen,  darüber  a?isuzeiefi).  per  impe- 
ratorem  15"  Julij.   69. 

praesentata  fuit  hiec  requesta  22**  Junij  zu  sehen  obs 
nicht  zuuor  den  Jesuws*  beuelh.  oder  in  recknung 

26  Julij  68. 
Georg  Lantig.    solle  Georgio  Cassandro  200  goldt  Gulden 
zuestellen 

13  Decembris  A°  p  65. 
s.  12  (abgeschnitten  und  weiter  gerilsen)  .  .  aujf  die  .... 
.  .  Lieber  Her  hojfzallmaister  ivillet  dem  supplicäten  diese 
zwe  hundert  goldt  guldejin  van  stundan  betzalenn,  vnd  ob 
ires  jm  anibt  nicht  hetet  aufs  bewiegerung*",  vnd  b  am 
ersten  gelt  wider  erstaten  19  Julij  68.   Vndertzeckent 

Strein . 
2.  innere  eigenthiimlichkeiten.  bekundet  schon  das  letzte 
wort  vor  der  Unterschrift  des  namens  Strein,  Vnderzeckent 
einen  Niederdeutschen  oder  Niederländer,  so  bestätigen  dies 
einige  über  die  lateinische  interlinearversion  zum  canti- 
cum  virginis  geschriebene  deutsche  Wörter,  nämlich  über 
hNj\iy6iii)\i  und  humilitatem  das  niederdeutsche  nedricheit, 
und  über  HiKiAf})nhTj\iiS  und  superbos  —  hogdcnckende,  und 
über  rj\SQri»Vf\  und  impleuit — gesedigen***. 

Vergleicht  man  die  gothischen  texte  bei  Vulcanius.und 
hier  bei  Strein  näher,  so  ergibt  sich  1)  die  gröste  ähnlichkeit 
in  beziehung  der  alphabete  ;  man  sehe  : 

uiideullicli,   elx^nso  das  darüber  geschriebene  er  . .  .  .  und  das  dar- 
unter, neben  reckiing  stellende  Jres  viaj  zijn. 

oder  aufs  hewiegertim  j     darüber  unleserlich  ringchen,     ob  aus 
ai/fsbewiegeren  gemacht  ist  ausbringhen  ? 

'**  über  hA6BUVj\  und  suscepit  steht  hebet  au  [f. 


GOTTHICA  MIiNOKA. 


201 


Vulcanius 
(\    B     i"    A    G     |;     q    li    H 

<))    l    R    A    H    H    Q    ri    O    !<.    S 

T  11  II  ']:»  Z  X 

a,  b,  c,  d,  e,  f,  g,  li,  eta, 
th,  i,  k,  l,  m,  n,  o,  p,  q,  r,  .s-, 
t,  V,  u,  y,  :;,  c/i. 


Slrein 


eta 


f 

Ih  0 

<])    l    RA     M    HQII0|<.i; 


T  u  u  u  y  z  X 

ü         u  z    eil 


[jv.  B.  e.  u    gibt  Str.  iii 
verschiedenen  formen.] 


dieselbe  folge  der  buchstaben ;  dann  dieselben  irrthümer, 
c,  g,  eta,  V  St.  qv,  dagegen  0  als  q,  dieselben  fehler  (g  st.  7) 
in  dem  bei  Slrein  gleich  folgenden  anfang  des  evangelii  Marci 
(bei  Vulcan.  s.  Qß),  nur  dafs  Str.  aiituaggelgo,  Vulc.  Ai- 
wanggelgo,  überdies  noch  Marcum  schreibt;  im  gothischen 
haben  übrigens  beide  hier  f]j(\iRli  H|\RRU. 

2)  bei  Strein  folgt  das  Vaterunser,  das  Vulcan.  s.  32 — 34 
gibt,  gemeinsam  ist  hier  beiden  das  l,s.342  schon  bespro- 
chena  M(\t\S;  Vulcanius  zeigt  (s.  33,  4)  am  ende  der  zeile 
yj\ip])j\  st.  Y,\i)^f|)j\i  bei  Strein;  des  Vulc.  auslegung  s.  35 
sculanfsigaima  erklärt  sich  (während  er  s.  34  abbricht  mit 
SRiiAjXUS  und  35  mit  siqj\iM(\  anhebt)  aus  StreinsSRiiAjXHSSi- 
q(\m)\  ;  Strein  schliefst  s.  1  mit  .svasvefah  und  beginnt  s.  2  mit 
ni.  bnggnis.  uns.  in.  J'raist.  |  iibnjaL,  läfst  also  aus  (durch 
jah)  vais  ajletum  thäi  skulam  unsuraim  jah.  Strein  setzt 
vielfach  puncte  zwischen  den  Wörtern:  so  nach  nnnio  thein. — 
ihiudlnassus  theins.  und  von  lu'nnnadaga.  an  fast  hinter  jedes 
wort  bis  zum  schlufs.  Strein  hat  liB'GAlN  (mit  absichtlich  ver- 
scliwärzlera  d)  —  beweis  dafs  er  in  seiner  Urschrift  Avie  V^ul- 
cauius  richtig  iiHiAiil  vor  äugen  hatte. 

3)  in  dem  bei  Strein  nun  folgenden  englischen  grufse 
(Vulcan.  s.  31j  verbindet  Str.  )\ii,ST|\i,AncV,\Ii|\|^T,\,  eben  so 
Vulc.  f\nSTj\i,\ii  j  A,\li(\|^Tj\;  Vulc.  bietet  |^j\,  Str.  nur  (^,\ 
(dagegen  im  folgenden  lobgesang  Mariae  mit  jenem  Un,  wie 
r«|>  und  im  Cant.  Simeon.  beide  |^f\);  beide  geben  das  umge- 


202  GÜTTHICA  MINOHA. 

kehrle  ii  st.  u  in  niHsJN  und  ni«])j\NS,  eben  so  beide  (})iiif|)U\0/\ 
R)v|\u  (Vulc.  daher  thhi  thidol  krati)'. 

4)  im  lobgesang  M.  beide  (nachdem  silbernen  c.)  Mikileid 
lind  Svelg-tteid,  beide  auch  gleich  trennend  HiRlAGUVSjVi  y)\A(\, 
eben  so  t\li  r(|)  )\,  welches  j\  Str.  durch  articulus  erklärt,  wie 
in  All  li  H)\iy6Ui|\i  (eben  so  trennt  Vulc.)  das  li  ihm  articul<^ 
sein  mufs,  )\  articulus  wieder  als  iS|v|\eA  j\  (eben  so  setzt 
Vulcan.  ab).  Str.  giebt  N^sqj\N(\  (Vulc.  richtig  H|\sq(\NA.) 
und  drüber  salutare  (salvatore)  meum  (H6iHj\MMj\ !) :  beweis 
l'alscher  abschrift  im  goth.  wie  im  latein.  —  Strein  gibt  weiter 
falsch  seiHjMSias  (Vulc.  richtig  semjViZsJS).  beide  verbinden 
wieder  fc|<f\MlvinH(\N  lijVIiA.j\rqj\H  st.  fram  k'imma  nu  au- 
dagjand).  Vulcanius  holzschneider  sah  und  schnitt  HlSlHlRl- 
A61H  (Str.  hat  jenes  i  nicht),  beide  wieder  trennen  Nj\M  öiS 
(nomen  ejus),  und  verbinden  '])6iMs2r(\H<Vj\H,  wo  Str.  im  bei 
beiden  falsch  mit  6  geschriebenen  (|)|\in  deshalb  nicht  den  arti- 
kel  sieht  (er  setzt  blofs  timentibvs  über),  beide  verbinden  und 
theilen  ferner  (am  ende  der  zeile)  HiRiA'|^lihTj\NSrj\]hnrÄ.jVl5 
Vulcanius  bezeichnet  richtig  am  ende  der  zeilen  ns- 1  lij\nhl*Vj\ 
und  lm,\i-|yu\j\iis  und  aj\ii-|S(\ms  rj\Hri- |  H|\Ht\s,  weil  sie 
auch  Strein  verbindet;  er  trennt  auch  iNSj\N- 1 Ai«Vj\  und 
rj\Mim(\- 1  HA.S ,  wie  Vulcanius  am  ende  nn-|«vj\iy,  Strein 
schliefst  schon  mit  ,\|^M,\h)\iRT6iNS-syj\S<J)6,  während  seine 
s.  räum  genug  bot  mit  Vulcan.  zu  schliefsen  rodida  du  attam 
unsaraim  Abrahama  ja  fraiv  is  und  aiv.  beide  geben  wieder 
gleich  r)\  h  Hj\i- 1  yk\,\iiü  Vulc,  r^  h.  |  uj\iyuvj\HS  Str.; 
Strein  fehlerhaft  hAeBU\)\  st.  Vulc.  liAGiKuvjX,  beide  (mit 
oder  aus  cod.  Ar  gen  t.)  »j^iUM^Vl'U  zu  seinavuna. 

h)  gleichmäfsig  nach  dem  silb.  cod.  im  Canticum  Simeo- 
nis  (Vulc.  s.  41)  beide  (und  beide  gleichm  gelrennt)  |^|v(\ 
AGiTjMS ;  beide  ferner  gleich  fehleriiaft  i')\y(\i|v»|)r(\ ;  während 
aber  Vulcan.  j\iir,s5iij\  schneiden  liefs  (ähnlich  Str.  voraus 
l:|^|\im-|HsJik\  St.  Vulc.  |;|<.j\iii'i- |Ns2Nt\),  schrieb  Str.  nur 
j\iiöH(\,  verleitet  durch  das  vorausgehende  [i.  Strein  gibt  mit 
ausgewischtem  n  blofs  M)\ii|\  |  yuveü,  beide  wieder  den  glei- 
chen fehler  (gleichmäfsig  getrennt)  IH  )\H  ,\iuvy)\i|v«])q(\  j  Str. 
weiter  hin  »|^iiu\öii,  V^iilc.  richtig  ']niKVQM,  Sir.  endlich  ver- 

•  vgl.  h.l.  1.31U,  •      •■ 


GOTTHICA  MINORA.  203 

schrieb  <]>eN)\i,  strich  es  durch  und  wiederholte  mit  der  neuen 
zeile  (|>(^inei. 

Alle  diese  einzelheiten  beurkunden  hinlän<^lich  eine  und 
dieselbe  quelle  für  Vulcanius  und  Strein,  nur  dafs  letzlerer 
blofs  texte  abschrieb,  Vulcanius  dieselben  anders  geordnet 
wieder  gab.  natürlicher  folgt  aber  bei  Strein,  obschon  nach 
der  Überschrift  des  evangelii  Marci  nochmals  das  vatcrunser 
aus  Matth.  6,  9  steht,  der  engl,  grul's  —  der  lobgesang  M. 
—  der  lobgesang  Simeons  (d.  i.  Lucas  1,  28  —  1,  46  — 
2,  29)  als  bei  Vulcanius  s.  1  das  aiphabet,  s.  31  der  engl, 
grufs,  s.  32  das  Vaterunser,  s.  36  der  lobgesang  Mariae, 
s.  41  der  lobgesang  Simeons,  endlich  s.  66  die  stelle  Marc. 
6,  4  (iio?i  est  propheta  ?nsi  in  patn'a  suä  mit  den  fehlem 
miST  n|<^i\Ti|^6Tns  |  inns  yej^^s  nibjvih  |  ir,\iip]),\i  semjvi. 
sieh  bd.  1,  s.  324  u.  325)  und  die  Überschrift  des  evangelii 
Marci. 


Zu  band  1  s.  377  ff.  Gothisches  in  Spanien. 

Paulus  Piasecius  episcop.  praemisl.  sagt  in  seiner  Chro- 
nica gestorum  in  Europa  singularium  (Cracoviae  1645  fol.) 
Si  48,  wo  er  von  den  Gothen  und  Vandalen  spricht,  Qitod 
vero  potissimum,  rne  procuranta,  Adamus  Makocttts,  dum  in 
Hispania  a.  1622  obiret  legationcm  a  Sigisviuudo  in  Rege 
Polofiiae  opud  Philipputn  iv  Hispaniae  regem,  perquisivit 
ibi  summa  diligentia  monumenla  Gothorutn  Vandalorumque 
ac  invenit  multa,  etiam  sacram  Hebraeorum  historiam* 
Gothica  lingua  scriptam,  quae  cum  a  Suecis,  qui  erant  in 
aula  Sigismundi  regis  non  pauci  viri  docti,  compararentur 
tum  vulgari  tum  obsoletiori  demumque  cultiori  scriptae  lin- 
guae  Sueticae  et  Germanieae,  nee  unicum  verbum  reperiri 
potuil,  in  quo  una  alteram  vocis  aut  syllabarum,  vel  ely- 
mologiae  signißcationisve  proprietate  assimilaret.  quin  imo 
et  in  publicis  inscripfionibus  refustis,  quae  in  Suecia  piu- 
rimae  praesertim  circa  oppidum   Telga  visuntur,  ne  minima 

'  (las  nmfs  doch  wohl  das  alle  leslamenl  sein,  vorher  sagt  er  in 
isla  gente,  ex  qua  natus  d.  Hieronymus,  eadem  lingua  slavonica  sa- 
cram Ifebracorinn  kisloriam  rerlit,  tit  ipscmet  in  apologia  contra 
Ihißnum  tcslalur. 


204  GOTTHICA  MIISORA. 

quidem  similitudo  invenitur  set^monis  vel  characteris  Gothici. 
iUudque  vulgare  Gutthland  twn  Gothicum  sed  Germanicum 
est  ?iomcn,  ob  honitatem  soll  certae  ibidem  regioni  inditum. 
quod  nolunl  etiam  geograjj/ii,  ut  Petrus  Bertius  in  descri- 
ptione  illius  regionis.  imagines  autem  antiquac  Gothorum 
et  Vandalorum,  quae  ibidem  in  Hispania  alicubi  visuntur, 
rej'erunt  vestitum  Sarmatico  similem.  sed  his  carpti?n  nnno- 
tatis  ad  propositum  redeamus. 

Hätte  der  gute  mann  doch  nur  eine  probe  mitgetheilt. 
die  imagines  Gothorum  erinnern  an  das  Standbild  Theodo- 
richs in  Neapel  (band  1  s.  375);  die  erklärung  von  Goth- 
land  ist  niclit  schlechter  als  die  noch  heute  in  Schweden  ge- 
wöhnliche, eben  von  den  Gothen.  von  diesen  selber  sagt 
aber  Piazek  s.  48  Gothi,  Uli  itiquam  bellicosi  Gothi  sive 
Gethae  {idem  enim  sonat  utrumque  apud  omnes  eruditos  .  . . .) 
a7i  sint  censendi  inter  gentes  Sarmaticas,  aliis  disculiendum 
relinquo ;  keinesweges  aber  seien  sie  aus  Schweden  gekom- 
men, sondern  vom  schwarzen  meere  und  von  der  Donau, 
ebenso  seien  die  Vandalen  vom  sarmatischen  flufse  Vanda- 
lus  oder  Vistula  gekommen. 

H.  F.  MASSMANN. 


ERFURTER     GLOSSEN. 

De  nominibus   cognationum. 

Coloni.  locatum  agrum  colunt.  id  esl  anderes  la/it  sezau. 
Inquilinus  inbvirthich.  Indigene.  inlendig.  Urbanus.  bürgere. 
Oppidanus  burgsezo.  Mancipium  quicquid  manu  capi  subdi- 
que  potest.  Libertus  urigelazin.  Libertinus  iirigelazijis  su7i. 
Manumissus  geuriethat.  Manumissor  dator  libertatis.  Dedili- 
cius  ein  hantgengo.  Genitores  a  gignendo  dicuntur.  idem 
parentes  quasi  parientes.  idem  et  creatores  a  cremento  quod 
est  semen  cuiusuis  generis  masculini  nominanlur.  Auus.  se- 
ciindus  patcr.  auia.  Proauus.  tercius  paler.  Proauia.  Aba- 
uus  IUI  paler.  Abauia.  Attauus  v  paler.  Altauia.  Trilauus  vi 
pater.  tritauia.  Soboles.  filii  et  filiae  a  substitutione  uocali 
sie.  Liberi  id  est  filii  sie  appellati  ut  secernantur  a  seruis.  Po- 
stumus  diotus  quod  post  humationem  patris  uascitur.  Nothus  a 


ERFURTEK    GLOSSEN.  205 

nobili  patre  et  igiiobili  raatre.  Spurius  patre  incerto  nialre  ui- 
(lua  genitus.  qiiia  nuiliebrem  naturam  ueteres  spuriim  uocabanl. 
Nepos  filius  ülii.  Pronepos  tercius  iilius.  Proneptis.  Abncpos. 
quartas  Iilius.  abneptis.  Adncpos.  quintus  filius.  adneptis. 
Trinepos.  sextus  filius.  trineptis.  Patres  ante  genitores.  patres 
ante  proauum  dicti  uel  nominati.  Progenies,  filii  post  nepotem 
dicti.  Maiores  dicuntur  ante  tritauum  patres.  Minores  omnes 
post  trinepotem  dicti.  Agnati  ueniunt  per  uirilis  sexus  perso- 
nas.  id  c?.l  fadermag a.  Cognati  ueniunt  per  sexus  feminini 
personas.  id  est  mudermaga.  Dicitur  etiam  proximus  7nagh 
id  est  propinquus  et  sanguineus.  Fratres  de  patre  nati.  ali- 
quando  gelandan.  quos  Latini  paternitates  appellant.  Patrue- 
les.  quorum  patres  fratres  inter  se  fuerunt.  Fratrueles  mater- 
terae  filii.  boc  est  muidirsuna" .  Consobrini  aut  ex  sorore  et 
fralre  nati.  aut  ex  duabus  sororibus.  Sobrini  consobrinorum 
filii.  Socer  et  socrus  parentes  sunt  mulieris  et  uiri.  et  dicitur 
a  sociando.  Gener  uir  qui  liabet  filiam.  Nurus.  feniina.  Leuir 
dicitur  frater  uiri  et  leminae.  Vitricus  priuignus.  Palruus. 
patruus  magnus*'  propatruus.  abpatruus.  et  sie  de  aniita. 
Auunculus.  auunculus  niagnus.  proauunculus  et  sie  de  niater- 
tera.  Sceniata  dicuntur  ramusculi  quos  aduocati  faciunt  in  ge- 
nere  cum  gradus  cognalionuni  parciuntur.  ut  pula  ille  filius. 
ille  pater.  ille  auus.  et  cetera.  Arrabo  daturpro  coniugio  di- 
cta  quasi  arrabona.  et  dos.  Pronuba  et  paranimpha  huuelspce- 
per.sa    Obstetrix  Matrona  hemurouiia.    Mater, 

ununi  liabens  inlanlem.  Malerfamilias.  plures.  Fratrissa.  fra- 
tris  uxor.  Lanitrices  duoruni  fralrum  uxores.  Calus  uiri  so- 
ror.  Friuolum  esl  cum  eo  separantur.  ut  rursuDi  ad  se  inui- 
cem  reuertantur.  Repudium. 

Capilli  capitis  quasi  piii.  honethar  vel  t^has.  Pili  a  pelle,  id 
csi  lichhar.  Cesaries.  ein  schorenlach.""  a  cedendo  vocata. 
Coma  proprie  sunt  non  ceci  (/.  caesi)  capilli.  boc  est  lanc. 
Greci  enim  comas  a  secando  caimos  nomiiianl.  unde  et  ccrin 
londcre  dicunl.  inde  et  cirri.  id  est  lebdo'loecas  uocantur. 
quod  idem  cliam  Greci  mallonem  appellant.  Crines.  ivisphas 
(so),  quod  vittis  discernuntur  dicti.  Tinipora  thiunnehein.    sie 

niuidirsuiia  über  inüi'vpiiiictierlvtn   v\   duabus  soi-orihiis. 

patruus  inagnus  über   propatruus. 

of/cr  -latli ;   n/i  dem   vorlelzlen  bnchslubrn  isl.  (■(ivi'i'fiiorl . 


206  ERFURTER  GLOSSEN. 

nuncupata  qiiia  mouentiir.  Vultus  gedena.  a  uoluntate  aninii. 
Tautonibus  ouer  Facies  ab  effigie.     Frons  a  foramini- 

bus  oculoruni.  Oculi.  ([uod  ciliis  oculanlur.  Papilla  a  pauitate 
dicta.  eadem  et  päpula.  Conas  ovgan.  Corona  eo  quod  ambiat 
papulam.  Palpebra  a  palpitacione.  Lacrimae  a  lacerationc 
mentis.  Has  Greci  dacria  dicunt.  Cilia  eo  quod  celant  oculos. 
Supercilia  eo  quod  superposita  sunt  oculis.  Intercilium  inler 
oculos  et  supercilium.  Gene  inferiores  partes  oculorum  uoeatae 
propter  rotunditateni.  quas  Greci  mala  dicunt.  Maxillae  kin- 
iiebein.*  propter  diminutionem  a  malis.  Mandibulae  partes 
maxillae.  Pinnula.  orlappa  ab  acumine  dicta.  Nares  dictae 
quia  uos  odore  admonent  ut  aliqua  sciamus,  Olfecisse  enini 
ueteres  scisse  dicebant.  Praescissores.  qui  rem  praesciunt. 
Canni.  thesmannesgetkunche.  Älolares  quod  quasi  molant 
atque  inniassent.  Fauccs  quod  per  eas  famur.  Arteriae  vuinth- 
athren.*'  dictae  quod  per  eas  a  pulmone  aer  fertur.  Tolles 
per  diminutionem  toxellas  uocamus.  quae  in  faucibus  turge- 
scere  solent.  Mentiini  quod  mandibulae  ibi  iungantur.  Gur- 
gulio  a  gutture  noniinata.  Rumen.  hinc  ruminatio,   Sub- 

linguium  dicuutur.    quod   illic  uiscera   torta   uideantur. 

idem  lacerti.  idem  musculi.  idem  et  uiscera.  Lingua,  zhunga. 
Cubitus  elenbogo.  uel  eleji.  quod  in  ipso  ciibanius.  Ulnus  se- 
cundum  quosdam  ycr^Äew.  secundum  quosdam  cletinam.  Greci 
ulenos  cubitos  uocant.  Talias  lenden.  Alae  oselen.  a  similitu- 
dine  alarum  eaedem  ascillae.  quod  ex  eis  brachia  excellantur 
et  mouentur  eadem  et  sub  Ungulas  nagala.***  bas  Greci 

onices  uocant.  Truncus  tota  medietas  hominis.  ToraxGrecum 
nomen  est.  hoc  est  Imistlappa .  quam  Latin!  arcam  uocant. 
Pectus  bj'i/.stbehi.  siue  una  costa  quod  sit  quasi  pexum.  Ma- 
mille per  diminutionem  a  rotunditate  quasi  nialae  Papulae 
imnrza  quod  eam  infantes  quasi  papant.  dum  lac  sugunt.  Lac 
a  colore  dictum  quia  Greci  leucos  album  uocant.  Ubera  quod 
lade  uberant.  Arpina  spun?ia  et  liquando  nece.  Pulpa,  orspin- 
na  et  est  illud  durum  in  aure.  Cira  quod  palpitor  eandem  et 
uiscum  uocanl  (juia  gluliuosa  sit.  Artus  lilhe.  et  .iliquando 
limus  dicii  quod  inuicem  artentur.   Compago  meinbrorum.    quod 

*  kinnübein  über  maxillae. 

"  das  erste  l  von  anderer  band  über^esehriebeii . 
"'  nagala  eorrifi?'erf,   vorher  stand  iiajrola. 


ERFURTER  GLOSSEN.  207 

sibi  compacta  sunt  neruis.  Veslibula  imerfhehi.  co  qiiod  in- 
flexionc  nienibrormn  uertiinlur.  Carlilagines  dictae 

(juod  leni  atlritu  carent  dolore.  Terga  quia  eis  iacemus  in 
terra.  Scapiila  scoldra.  Iota  medictas  inter  scapilium.  Palae 
scoldrin.  sie  diclae  quod  in  luctando  eas  premimus.  nam  Greci 
palin  luctam  nomioant.  Spondilia  ritgbein.  Spina  rugelenda 
quia  radiolos  acutos   habet.     Sacra  spina  lendenbein.*     hanc 

a 
Greci  ieron  oslen  id  est  sacrum  6s  nominant.  eo  quod  haec  a 
gentilibus  diis  hostia  dabatur.  Renes  Icnden.  quod  riui  ab  bis 
obsceni  humoris  naseuntur.  Lumbi  Imf  bein,  ob  libidinis  lasci- 
niani.  Umbilicus  quod  sit  umbus  ilioruni  sie  uocatur.  Ilium 
lanvo  et  est  Grecuni  nonien  quia  ibi  nos  obuoluanuis.  (irece 
siquidem  ileos  obuoluere  est.  Ciunes  gofen.  quod  sint  iuxta 
culuni.  Genitalia  liaec  pudenda  baec  et  inhonesla  et  ideni  uere- 
truni  quia  uiri  est  lantum.  Virus  proprio  bumor  flueiis  a  natura 
uiri.  Viscus  pellis  in  quo  tesliculi  sunt.  Posteriora  dicta  quod 
retro  sunt.  Mealus  quod  per  eum  meant  id  est  egeranliir  stcr- 
cora.  Coxae  quasi  coniunctae  axcs.  Vertebra  ^7/e/•A■Zla/^.  quod 
in  eis  capila  femorum  uertentur.  Suffragines,  hainmen.  quod 
subtus  frangunlur  id  est  flecluntur.  Tibiae  scinkan.  quasi  tu- 
bae.  Crura  schma.  quia  in  bis  currimus.  Bathma  (liioth.  Ta- 
lus enkel.  a  tolo.  nam  tolus  est  emincns  rotuudilas.  Pedes 
Greci  podas  dicunt.  Planlae  pes  anlea  a  planicie.  Viscora. 
beitillel  ßesc.  dictum  propter  uiscum  quod  est  rüidblood.  sine 
billislr.  Item  uiscera  intestina  sunt,  id  est  tharma.  Item  ui- 
scera  uilalia  hoc  est  liarlin/iolhere.  Item  uiscera  capila  neruo- 
rum  ex  sanguine  et  neruis  copulata.  quod  est  .scoodhra/t . 
Idem  tori.  idem  lacerti.  id  est  scnuhjran.  Idem  miirus  et  per 
diminutionem  musculi  a  similitudine  animalium  sub  terra  deli- 
lescenlium  dicti.  Pulmonem  Greci  j)leuinon  uocant.  in  qua 
pneuma  id  est  spirilus  inest.  lecor  quod  ex  co  ignis  in  cere- 
brum  subuolat.  Fibre.  leuerinlappan.  sie  uoealae  quod  apud 
gentiles  in  sacris  ad  Phebi  aras  forcbautur.  StoniachusGreeum 
est  et  interpretatur  6s.   et  subauditur  ueulris. 

Mitgetheilt    ron    kern/  docior  IVailz  ans  ci/ivr  in  der 
amploniani sehen    bibliothek    zu    Erfurt    befind liclie/i    hand- 

loinleiiiliciii   die    lis. 


208  ERFURTER  GLOSSEN. 

schnft  in  octav  aus  dcvi  \1njh.;  aber  da/s  diese  glossen 
aus  einer  älteren  handschrift  abgeschrieben  si?id  lehrt  der 
augenschein. 


BONUS. 

Gotlichiu  msere 
wseren  uns  vi^eudenbaere 
von  dir  ze  sagene, 
küniginne  aller  magene. 

der  wil  ich  einez  recken.  5 

da  sollu  minen  sin  zuo   strecken, 
daz  ich  dich  lobe  nach  dinem  rehle. 
wan  mir  sündigem  knehte 
ist  gar  ze  unmügelich. 

doch  ist  minem  willen  niht  trseglich,  10 

ich  si  dir  dienstes  bereite, 
min  Zungen  mir  geleite 
und  süeze  den  liuten  mine  stimme, 
swes  ich  in  dinem  lobe  beginne, 
du  himelischiu  küniginne.  15 

Einen  kneht  biet  du  dir  erweit, 
der  bete  in   dine  gnfide  verselt 
sinen  lib  und  sin  sele. 
des  wuohs  sin  ere 

vor  gote  und  vor  den  liuten.  20 

swa  in  diu  schrift  bediute 
da  er  solle  dienen, 
des  erwendele  in  nicmen, 
er  wsere  dienstes  gereht. 

ich  han  gesprochn  er  wwr  din  knelif.  25 

vrowe  der  engelischen  schar. 

Hie  hebet  (hebt  /")  sich  an  alsus  (svs  /  )  von  einem  bischolf  (pi- 
schof  /')  hiz  (der  hiez  /  )  Bonus  MI.  1  jf.  Lachmann  zur  klage 

s.  292.  1.   Golliche  M.  4.  magdcn  /.  0.  do  MI'.         ster- 

»hen  F.  8.   svndigen  F.  9.   vielleiclit  ist  ez  g.  ze  unm. 

11.   dienst  geraile  /'.  i'l.  beraite  J\  15.   hinielische  /',  hymeli- 

srhe  M.  10.   hile  M.  17.  De  hcte  in  dein  genade  v.   F. 

l\ .    kau    bi'deiiteii    .]/.  2.").   i^psiiroclieii    er   were   M. 


BONUS.  2ü9 

des  wurden  alle  die  gewar 

die  er  nach  biscliolflichen  eron 

solde  wisen  unde  leren 

den  weg  ze  dem  ewigen  lebene.  30 

swaz  im  unser  hßrre  gab  vergebene, 

daz  nam  er  umb  anders  niht  veile, 

denne  swen  er  zuo  dem  ewegen  heile 

gevürdern  mohte  tag  und  naht, 

dar  an  lag  sin  vliz  und  sin  mäht.  35 

Bonus  was  er  genant, 
der  name  het  in  wol  ermant, 
wan  er  guot  hiez  und  wolde  guot  tuon. 
er  het  den  weisen  viir  sinen  suon, 
die  wilewen  vür  sin  muoter.  40 

Bonus  sprichet  Guoter-. 
guot  tete  er  zwäre 
tougen  und  offenbare, 
er  was  der  dürf legen  amnian. 
allez  daz  er  ie  gewan,  45 

daz  im  ze  notdurft  über  wart, 
daz  wart  niht  unz  morne  gespart, 
er  gedahte  ze  allen  ziten 
an  sine  hinevarl  witen. 

Der  von  im  welle  vragen,  50 

Wachens  künde  in  niht  betragen, 
vaslen  was  sin  gwonheit: 

wie  selten  er  [keinen]  tak  vermeit.  ^^ ^ 

er  würde  bihtig  unde  sunge. 
üf  die  muoter  der  barmunge  55 

liez  er  allen  sinen  gedingen :  ' 

da  muost  im  von  rehte  an  gelingen, 
eines  sitcs   er  ouch  phlak, 
swenne  kom  der  selbe  tak  *'" 

daz  man  unser  vrowen  hinvart  begie,  60 

28.  Öi  her  nach  mil  bisch.  M.  29.  soldeu  M.  30.  Den  wege 
ZV  d.  ewigen  leben  M.  'il.  vergeben  M.  32.  Daz  man  vmb  anders 
n.  V.   M.       33.  ewigen  M  {immer  -igen).        3  4.   ze  tag  vnd  ze  naht  M. 

38.  gute  hiez  M.         39.   hele  M.       40.   sine  M.       47.   morgen  M. 

52.  gew.  M.  54.  bichlige  M.  57.  do  mfste  M.  59.  kome  M. 
Z.   F.   D.   A.   II.  14 


210  BONUS. 

so  verlie  er  daz  nie, 

er  wser  über  naht  an  sinie  gebete. 

eines   beilegen   nabtcs   er  sam  lete, 

zuo  einen  hochzilen 

(diu  Sache  sol  witen  65 

guoten  liuten  werden  kunt  getan). 

dö  sacb  er  den  himel  offen  stan, 

got  weit  wunder  mit  im  began. 
Daz  aller  schoenste  sank  er  vernam, 

als  ez  in  wol  von  reble  gezam  70 

die  gotes  kint  sint  genant, 

daz  nieman  so  schoenez  vant 

von  wunneklicher  wtse, 
,j,\  [daz  hörte  er]  zem  ersten  ein  teil  lise, 

dar  nach  ie  baz  unde  baz.  75 

der  herre  siner  psalmen  gar  vergaz. 
Do  sach  er  ein  sträze, 

diu  duhte  in  zuo  der  mäze 

als  er  [e]  in  den  buochen  het  gesen 

in  der  himelischen  Jerusalem,  80 

sani  si  wesen  solde 

üz  durch  gesotem  golde,  j 

wol  gezierel  üz  und  innen  r. 

von  berlin  und  von  gimmeu, 

rehte  alsam  ez  brunne :  85 

daz  was  michel  lieht  an  sunne,        ,/ 

da  enschein  der  mane  noch  der  sierre. 

ey  waz  wunne  der  herre 
^...'  in  dem  münster  sach  aleine         .et)  '.; 

die  beilegen  alle  gemeine,  90 

si   begunden  lachen, 

sam  si  in  ein  senffe  wolden  machen. 

die  do  fuoren   ze  fal, 

rehte  gegen  dem  belesal 

da  dirre  lag  enkriuzestal.  95 

62.  Er  were  —  sinein  fvebrt  M.  65/.  \v«M-dcu  /lintn-  sol  M. 

78.  in  fehlt  M.  79.  gesen]  so  M.  86.  U'^chte  M.  87.  Do 
enschcinc  — Stern  M.  88/.  ey  was  wunne  vnd  was  ern.  Der  herre 
sach  in   dem   nivnsler  alein   M.  95.   Do   dirre  Inse  en   kreii'ztal   M. 


BONUS.  211 

Die  koere  wären  underscheiden 
von  Jungelingen  und  von  meiden, 
als  si  der  vorwise  solden  phlegen 
und  den  magden  anlwurt  geben. 
mit  wunderlicher  stimme  100 

beleiten  si  die  kiineginne. 
der  zwelifboten  herschaft, 
ir  orden  was  erliaff, 
do  si  si  fuorten  under  banden, 
ein  slat  si  erkanden,  105 

vor  den  alter  frone 
saz  diu  maget  schone 
und  hele  üf  ein  guldin  kröne. 
Harte  was  der  bischolf  erkomen. 

er  het  im  ein  winkelstat  genomen  HO 

da  er  wände  in  swhe  niemen. 
do  vrägten  die  boten  wer  da  got  solde  dienen. 
'Bonus'  sprach  diu  frone  maget, 
der  sol  werden  her  für  geladet, 
den  ich  dar  zuo  wirdigen  erkenne  1 1 5 

daz  ich  in  zuo  miner  gnözschaft  nenne.' 
die  rede  er  harte  widersaz, 
er  smukte  sich  zesamne  baz  j/ü 

hinder  den  phila;re. 

daz  gebot  dühle  in  swa^re,  120 

er  enphalch  sich  gote  in  sime  gebete. 
do  entweich  diu  sül  von  der  stete 
wol  zwelif  kläfter  wit : 
daz  [zeichen]  gesach  man  dö  und  nimmer  sit. 
Bi  der  haut  viengen  si  den  herren,  125 

-     .        si  fuorten  in  mit  eren 
da  diu  frone  maget  saz. 
getröstet  wart  er  aber  baz 

08.  vorweise  M.  101.   beleitent  ^f.  106.   dem  M. 

109.  bisc^olfe  M.  HO.  hcte  M.  111 .  Do  M.  in.  T 

116.  genoschaft  erkenne  (:  erkenne)  M.  U8.  zv  samne  M. 

119.    pheiler    (:  swere)  M.  121.  in   sin   gebet  M.  J24.    vnd 

immer  rae  seil  M.  12.5.    Bi  hiinden  viengen?  127-   D"  —  mag- 

<le   s.    ^f. 


212  BONUS. 

daz  er  sines  unmuoles  erwanl : 

si  gesegenl  in  mit  der  hant.  130 

du  reichten  im  die  engel  here 

daz  messegewant  mit  grozer  ere. 

als  er  vür  den  alter  gie, 

manegen  zalier  er  dö  lie, 

die  im  in  sinen  buosmen  fluzzen  135 

und  die  himelwat  beguzzen, 

wan  er  sich  unwirdik  erkante 

da  in  diu  maget  zuo  benante. 

und  ein  wunder  daz  geschach, 

do  er  daz  gebete  vor  dem  alter  sprach,  140 

so  man  tuot  zuo  einr  islichen  messe, 

do  sprächen   die  zweifboten  gewisse 
i^i  .;  die  wären  indulgenciam. 

daz  dühte  den  herren  tröstsam. 

Uf  huoben  die  [himelischen]  degene  145 

daz  ambet  schone  und  ebene 

daz  des  tages  ze  singen  was 
*  '  '  von  ir  diu  gegenwürtic  saz. 

wem  geschach  solhes  ie  iht  mer 

daz  die  erzengel  her  150 

im  reichten  daz  opher  an 

unz  diu  messe  ein  ende  nam 
'-';  und  stuonden  gezogenlichen  an 

unz  der  bischolf  sine  gehorsam 

den  zwelifboten  erzeigte  155 

vor  den  er  sich  [nider]  neigte? 

si  gäbn  im  urloub  zuo  dem  segene 
■-  ^  und  neigten  sich  gar  hingegene. 

dö  sprach   diu  maget  fröne 

min  dienstman  Böne,  160 

hab  dir  ditz  messegcwant  ze  löne.' 
Dö  wart  diu  künegin  Marjä 

131  /.  Iier  :  er  M.       136.  himelwat  so  M.     138.  do  M.     141.  einer  M. 

142.  zwelifboten  gar  gewisse  M.       143.    die]  Den  M.       145.    de- 

gen  M.  153.  an]  dan?  155.  erraichet  /)/.         156.  vor  dem  — 

naiget  M.         157.  Si  gaben  —  segen  ^hingegen)  M.         162-  kviieginne 

Maria  M. 


BONUS.  213 

also  schiere  diu  ober  hvk 

die  nideren  gerüeret 

ze  himele  gefüeret.  165 

der  biscliolf  stuont  eine  : 

sin  gebete  was  reine 

unz  an  die  niettine. 

do  körnen  die  sine 

wol  gelerten  kaplän  170 

die  im  wären   undertäu. 

dö  si  träten  in  den  tuoai, 

si  duhte  als  ein  balsanmni 

allenthalben  waere  geströuwet, 

si  wurden  groezlich  gefröuwet.  175 

uiht  betrouc  si  ir  sin : 

si  sprächen,  got  were  do  mite  samte  in, 

daz  erzeigte  dö  dez  bischolf  gewin. 

er  beleip  mit  in  steete, 

wan  er  kom  aller  von  der  wajte  180 

diu  dennoch  üf  dem  altar  lac. 

dö  in  erschein  der  lieble  tac, 

dö  lie  si  der  bischolf  schouwen 

welch  ein  gäbe  er  von  unser  vrouwen 

des  nahtes  het  enphaugen,  185 

dö  er  frönampt  hete  begangen. 

wizer  denne  der  sne  was  diu  wäl: 

da  enmohte  nieman  keine  nät 

erkiesen  mit  den  ougen. 

ouch  zeigte  ern  ander  tougen,  190 

wie  im  diu  süle  was  entwichen 

da  er  hinder  was  geslichen, 

diu  in  vor  den  engein  niht  gelorste  verheln. 

dö  huoben  die  phafFen  mit  heitern  kein 

schoene  gesank  von  unser  vrouwen:  195 

164.  nidern  M.  165.  daz  si  zv  liiincl  wart  gefurel  M. 

166.  stvnde  M.  168/.  raellin  :  sin  M.  177.  were  do  mit  samle 
in  M.  177  /.  vielleicht  si  sprächen,  got  wäer  da  mit  in  samt,  daz 
erzeigte  da  der  stanc.  179.  beleihe  M.  180.  wan  er  erkom  M. 

183.  do  im  erscheine  M.       184.  welich  M.       186.   fron  ampte  M. 

189.  do  —  dekeine  M.  190.  er  in  M.  192-  do  ^f. 

193.   diu  in  niht  getorste  verheln?         194.    dö  huoben  si  mit  h.  k.  ? 


214  BONUS. 

suiulicbea  begunden  touwen 

die  heizen  zeherbrunnen. 

[alle]  die  daz  bedenken  kunnen, 

die  sulen  iren  muot  keren 

daz  si  si  immer  gerne  eren,  200 

die  muoter  des  obristen  hereen, 
Do  der  bischolf  verschiet 

und  sich  dö  gotlich  beriet 

umb  einen  andern  allherren 

der  die  liufe  künde  geleren  205 

den  weg  zuo  dem  ewegen  riche, 

doch  was  er  sinem  vordem  angliche 
G'C-f  daz  er  so  grozer  durnehte 

'         künde  gephlegen  oder  mehte. 

doch  gedahle  er  im  sit,  210 

swenn  koem  unser  vrowen  hociizil, 

er  wolde  an  sime  gebete  benahten 
03J  unde  mit  gote  belrahten 

ob  im   diu  ere  möhte  geschehen 

daz  er  solde  solch  tougen  sehen  215 

als  der  vorder  bischolf  sach. 

nu  hoerl  wiez  im  ergie  her  nach: 
ö^f        '        in  gie  demüetikeit  an,         "eli.  ii  i'ji.»  "    , 

als  noch  vil  manigen  man. 

Do  er  minen  trehtin  an  rief,  220 

üf  der  greden  er  entslief.  jr  ;'::t:  ^b 

welch   ein  wunder  im  geschach 
OÜ:  daz  er  an  allen  ungemach 

in  sin  bette  wart  geleget!  ff 

er  hetc  liitzel  ruowe  gephleget,  225 

.lubdit   ze  metten  wakte  in  der  sinegöz. 
II.  sin  angest  wart  do  vil  groz 
'  ■'  wer  in  üz  dem  miinster  biete  bräht. 

196.   svmlich  iV.  200.    daz  si  sein  imer  /»/.  203/.   viel- 

leicht unde  si  do  g(»l  beriet  mit  einem  u.  s.  w.         206.  wege  M. 
208.  durnehte    IH.  209.    mechte  aus  mocht  gebefnert  M. 

211.  swennc  kerne  M.         212.  sioem  M.  217.  Nv  höret  wi  ez  M. 

219.  nianik  HI.  224.  pcleit  M.  225.   rv  gephlcit  M. 

726.   sinegoz  finlinnabiiluin,   Schmcllcr  3,  2.54.  227.   sine  M. 


BONUS.  215 

er  weste  wol  deir  kintlich  liet  gedüht 

daz  er  sich  dem  wolde  geliehen  2.'50 

der  unser  vrowen  so  fliziklichen 

künde  dienen  als  ich  iu  gesagel  han. 

er  klagte  daz  erz  lorste  ane  gän. 

doch  wart  er  ein  guot  man  sit. 

küneges  kint  Davit,  235 

her  an  dise  werlt  wiird  du  geborn : 

läz  unser  keinen  werden  vlorn 

die  dich  ze  vogtin  haben l  erkorn. 

229.  deir]  daz  M.  232.  diente?  233.  er  klagete  daz  er  er. 

lorste  an  ergan  M.  236.  Herre  MT.  wurd  r,  wurde  M. 

237.  verlorn  MP^.         238.  ze  vogtin  /';  zv  vogtinne  M. 

Aus  (M)  der  Melker  handschrift  11,18,  porg.,  \A  jli., 
octav,  hinter  den  sttnckerischen  beispielen  s,  212  ff.  ab- 
schrift  verdanke  ich  herrn  Franz  Pfeiffer,  die  ersten  18 
und  die  letzten  4  verse  theilt  Greith  spicil.  Vat.  62  y.  mit 
aus  {V)  der  vaticanischen  hs.  bibl.  Christ,  n»  1423,  perg., 
vom  j.  1347,  128  bll.  octav.  diese  hs.  ist  wahrscheinlich 
eine  abschrift  der  Melker  hs.  genau  in  derselben  folge 
enthält  sie,  mit  ausnähme  iveniger,  die  nämlichen  stücke, 
im  ganzen  zwei  und  vierzig.  Banga  in  seinem  Verzeich- 
nisse (im  aufsefsischen  anzeiger  1833,  2SAff.)  hat  das  2Qe, 
Greith  in  dem  seitien  {spicil.  Vat.  ^7  ff.)  das  3e  das  29c 
und  das  33«?  ausgelafsen.  —  von  der  legende  vom  bischof 
Bonus  hat  Hoffmann  altd.  bll.  1,  327/.  eine  bearheitung 
in  lateinischen  reimeyi  nachgewiese7i. 

H. 

V, 


\,v 


216 


WALTHER  UND  HILDEGÜNDE. 

Da  Karaj'an  die  von  ihm  entdeckten  und  in  seiner  fräh- 
lingsgabe  im  j.  1839  mitgetheilten  wichtigen  hruchstücke 
eines  mhd.  gedichtes  vo?i  JValther  und  Hildegunde  der  k. 
k.  hofbibliothek  übergeben  hat,  so  war  es  mir  vor  zwei 
jähren  möglich  die  beiden  pergamentblätter  ?iochmaliger 
durchsiclit  zu  unterwerfen,  ich  bekam  ziemlich  viel  heraus, 
auch  die  zeilen  wo  oben  oder  unten  nur  spuren  von  buch- 
stabe?i  geblieben  wai^en ;  blofs  ein  paar  vom  buchhinder  zer- 
knickte Zeilen  widerstanden,  das  durch  das  besch?ieiden 
vom  2n  blatte  verlorene  konnte  an  einigen  stellen  leicht  und 
sicher,  aii  andern  gar  nicht  ergänzt  werden,  das  ergänzte 
ist  hier  cursiv  gedruckt,  das  imsichere,  erloschene  zwischen 
klammern  gesetzt,  die  zeilenabtheilung  der  ha?idschrift 
bewahrt  Karajans  erster  druck,  zu  dem  ich  nur  bemerke 
da/s  die  wörterabtheilung  am  ausgange  der  zeileii  noch 
mehr  als  dort  geschah  und  fast  i^egelmäfsig  durch  einen 
bitidestrich  be zeichtet  ist;  2,  18,  2  steht  sogar  vr'l'evnde; 
2,  13,  1  steht  jener  strich  7iach  sl  wohl  nur  abrückend  oder 
sollte  dem  i  (si)  zufallen. 

Neuer  abdruck  dieser  bruchstücke  erfolgt  hier  weil 
Karaja?i,  dem  ich  meine  abschleift  in  IVien  damals  gern 
übergab,  mir  jüngst  bei  erbetener  rücksendung  schrieb 
dafs  er  so  bald  an  keinen  iviederabdruck  kommen  könne, 
bei  meiner  letzten  anwesenheit  in  Berlin  aber  die  dortigen 
freunde  dazu  antrieben,  möge  Karajan  durch  erneute  be- 
mühung  auch  die  von  mir  noch  gelafsenen  lacken  ausfül- 
len,    ein  reagens  wurde  von  mir  nicht  angeivendct.  * 

H    F.  MASS3IANN. 

[einige    bcmerliungen   die    ich    ItinzuziiJ'ügen    mir    erlaubt    habe 
und  ditrr/i  klammer//  u/id  11.   beieivhnel.     Ifaupf.] 


VVALTHER  UiND  HILDE(iUNDE.  217 

1 

WALTHERS  UIVD   HILDEGtJNDEN  HEIMKEH«. 

« 

1 in.) 

wol  gehelfen,  si  rvhten  minen  win. 
von  miner  hende  nemen  an.  (ic)h  gan  iv  deste  baz. 
daz  ir  vns  leitet  nah  den  iwern  siten.   daz  svle  wir  dvl- 
den  ane  haz. 

2  Si  enphiengen  Volkere,  vnd  ovch  die  sine  man. 
sehzec  siner  degene.    die  waren  mit  im  dan. 
gevolget  von  dem  Rine.    dvrch  den  wasechen  walt. 

er  laitte  so  den   gast  vnd   ovch    die   sine,    daz    ers   vil 
wenich  enkalt. 

3  Do   sprach  der  eilende,    nv  hellFet  mir  bewarn. 

daz  wir  die  twerhen  strazen  iht  i  den  landen  varn. 

wir  svln  gen  leng's.    da  ist  d*  valer  min. 

des  anlwrt  Volk*  der  vil  kvne.    des  sol  ich  hvt*   sin. 

4  Swie  wir  anders  riten.    so  ist  daz  div  lere  min. 
daz  wir  da  ze  Metzen  geste  niht  ensin. 
Ortwin  hete  drinne  /  wol  tovsent  kvner  man. 

swaz   der   kvnic   hernach   darvmbe  geredete,   mit    strite 
wrde  wir  bestan. 

5  Er  hete  wol  geraten,    si  liezens  ane  strit. 

so  er  aller  beste  chvnde.    so  leit  er  siv  sit.  • 

di di  ez  sahen  daz  er  da  mite  reit. 

die  mohte   do  dem  beide  noch    d    vröwen    vor   i  gerate 
deheiniv  leit. 

6  Wa  si  die  nahtselde.    nahmen  dvrch  div  lant. 

mit  volk'e  dem  beide,    daz  enwart  mir  bechant.    ^ 
d*  kvnic  mit  sin*  gvte  im  schone  dinen  hiez    " 
Volk*  d*  was  in  also  werden  mvte.     daz    er   sin   wenic 
v*liez. 

7  Ovz  Ortwines  lande  dvrch  Bvrgonde  dan. 

braht  si  do  volk*  d*  vil  kvne  man.  ' 

ob  mä  daz  sin  geleite,    so  starch  niht  het  gesehen, 
so  mvs  in  ouf  der  selben  straze  dikche.    sin  niichel  ar- 
beit geschehen. 

5,  3  von  ez  sahen  daz  spuren  oben  an  der  zeile,  die  untere  liälfte 
ganz  erloschen,         [6,  3.  l.  sinem  guolc.  mit  Knrajan.  U.] 


218  WALTHER  UIND  HILDEGL'NDE. 

8  Nv  liorl  ovch  wie  der  reke  frvt  i(n  sime)  lanl. 
die  boten  die  er  hele  dem  kunige  gesant, 

die  riten  ross  div  gvteu.    vü  fvrten  spahiv  kleit 
die  sagten  indem  lande,     daz    er  kome  vfi  och  vrö  Hii- 
deg*t  div  meit. 

9  Do  der  khvnic  alker.    gehorte  dise  sage. 

do  entweich  im  vngemvte.    vud  ovch  sin  langiv  klage, 
die  boten  er  vlizichliche  enphie.    vnd  ovch.    sin  wip. 
si  wrden    harte    grozer   vrevden  riche.    dvrch   den  wal- 

theres  lip. 
10     öo  sprach  d*  vogt  von  Spanyge  so  wol  mich  iwer  sage, 
ich  hete  sorge  manige.  lang  mine  tage, 
daz  sin  s(in  in  der)  fremde,    was   mir  wol  t^vsent  iar/ 
ich  sih  in  gern,  swen  i  got  send*  div  red  ist  entlichen 

war  / 


1 1  Do  ez  div  kvniginne.    het  mit  im  vernomeu. 

ir  was  von  lieben  magren,    vil  d    traeh*en  komen. 
von  herzen  indiv  ovgen.   weinde  si  do  saz. 
si   riet   wie   man   si   bede  wolde  solde  enphahen.    vnde 
tet  vil  willechlichen  daz. 

12  Do  sprach  aber  der  rekche  ir  svlt  mich  hören  lan. 
wie  Etzele   vnd  frö  Helche  zv  zin  haben  getan, 

.(T,     do  sprach  der  boten  einer  daz  wil  ich  iu  sage 

walth*   ist   vö    dem    kvnige    so    gescheiden.    daz    ez  die 
Hivncn  immer  mvzen  klagen. 

13  Ir  ettelich'  drvnder.    daz  si  i  wahren  holt, 
er  hat  an  svmelichen.    vil  wol  daz  versolt. 

daz  si  im  immer  flvchen.   wand  er  hat  in  erslagen. 
an  siner  verte  vil  ir  lieben  mage.    ich  kan  iv  ands  niht 
gesag. 

14  Do  sprach  der  kvnic  edele.    ich  sol  mich  vre  wen  sin. 
er  mvz  wesen  herre.    inden  landen  min. 

|8,    1.   in  sime  lanl  bezweifle  ich,  nicht  wegen  der  in  diesem  tvortc 
nicht  sellenen  Verkürzung  des  datives,  aber  wegen  des  sinnes.  eher  in 
sinin  lant.  H.]     9,  1.   alkeij  5.  2,  7,  1.     10,  1.  blaues  D.       11,4.  wol 
de   solde   so. 


WALTHER  UND  HILDEGUNDE.  219 


er  wirl  der  Hvne  purgetor. 


swes  Ezele  vnd  sine  rechen   ie  begvnden.    da   was   er 
ze  allen  ziten  vor. 

15  MeR  chvnic  sprach  zv  den  rekeu.  wol  öf  alle  mine  man. 
vnd  rilet  im  belegene,    er  hat  mir  liep  getan, 

swer  I  nv  gerne  dienet,    des  vrivt  (wi)l  ich  wesen. 
div  lant  svlt  ir  mit  vns  beiden  bowen.    ir  mvgt  bi  wal- 
th*  wol  genese. 

16  Man  sagt  im  daz  in  leite.    d*ch  Gvnth's  lant. 
Volk'  der  vil  kvne.    d'  was  im  wol  erkät. 

vnd  ovch  des  kvniges  reken.    driv  hvndert  od'  baz. 
do  bat  er  sin   gesinde  zv   im  gaben,     di    täte   willechli- 
chen  daz. 

17  Do  hiez  ovch  sich  bereiten  des  edeln  kvniges  wip. 
ia  wolde  si  beleiten.    d*  Hild'gde  lip. 

so  si  aller  beste  kvude.    ze  Lenges  indie  stat. 
ir  vrowen  si  do  wol  kleiden  begvnde.    des  si  der  kunich 
selbe  bat. 

18  Sin  warten  sine  livte.    mit  g^zer  vngebite. 

dar  nach  in  chvrzen  stvnden.    man  sagt  im  daz  da  rite, 
daz  Gvnlh's  gesinde.    mit  in  indaz  lant. 
do  kom  d'  wirt  mit  stolz*  massenye.    da  er  vnin  Hild'. 
vant. 

19  Div  kvniginne  fvrte.    wol  sehzec  niegedin.  _j 
die  aller  schönisten.    die  d    mohten  sin. 

vn  ovch  d    hohsten  mage.    di  raä  do  bi  in  vant. 
do  fvrten    och    des   alten  kvniges    beide,    vil  harte  her- 
lich gewant.  ^     ^ 

20  K  si  vol  drie  mile  komen  waren  dan. 

von  der  stat  ze  Lenges,    in  volgen  tvsent  man. 
od*  dannoch  mere.    die  zv   den  gesten  riten.         .., 
wand  si  d'  kvniginne  herc.    beten 

14,  3.  4.  die  Zeilen  sind  in  der  hs.  so  abgclhvili.  min.  er  «irt  der 
Hfüe  pur-  I  getSr.  swcs  Ezele  vnd  sine  \  rechen  ii.  s.  w.  15,  1.  ro- 
thes  D.        20,  1.   blaues  E.         4.   mit  heten  bricht  das  erste  blatt  ab. 


^'.WmV 


220  VV ALTHER  UND  HILDEGÜNDE. 

2 

hildeg'vnde  brvte 

1  Mv  was  zehove  nienien.    wan  di  da  solden  siti. 
het  gesehen  iemen.    ein  schöner  magedin. 
denne  wser  Hildegvt  do  si  da  heime  saz. 

da  ir  des  ivngen  kvniges  reken  dieten.   ich  gelovh  luv- 
lich  daz, 

2  Swaz  man  wesse  vnpilde.    di  iemen  het  getan, 
er  waire  denne  wilde  zereht  mvse    stau. 

da  walther  d*  vil  kvene  sines  vater  lant  besaz. 
er  phlach  des  landes  nach  der  kröne   rehte.    wände    im 
riet  div  ivnchfröwe  daz. 

3  Die  Walthers  mvter.    zafte  wol  die  meit. 

daz  sach  der  degn  gvter.    iz  was  im  niht  leit. 
si  schvf  ir  hovegesinde.    vil  schöniv  magedin. 
die  bi  Hildegvnde.    ze  allen  ziten  mit  groze  zvhte  mv- 
se sin. 

4  Do  div  magt  edele  in  ir  heinliche  saz. 
so  getet  ir  chvrzwile/nie  dekeine  baz. 

wä  so  si  des  gedahte  waz  ir  d*  chvne  degen. 
e  daz   er   si   vö  den  Hivnen  brachte,    het  gedieuel   ovi" 
den  wegen. 

5  Dar  zv  sach  er  si  diche.    vrö  was  in  d*  m°vt. 
ir  trivtlich'  bliche  siv  beide  dovhte  gvt. 

er  liebte  swie  er  kvnde.    daz  mmnechliche  kint. 

daz  man  lohes  jnvse   iehen ffi'ldegvnie.     der 

'■    '  wncvToweü  sint. 

6  Swa  le  des  fvrsten  hole  /v'ten.    dvrch  daz  lant. 

e^  wa7't  den  livten  allen,    mit  sime  tvn  bechant  ""  , 

er  wolde  ÄoÄzite.    mit  Hildegvnde  hau. 
der   riebe   kvuich   rnUte   mit   sinen  vrevnden.      dar   zv 
bereiten  si<;h  began. 

7  Crestvle  hiez  do  wrchen  dei'  herre,  alpker. 
ahzec  her  gesellen,  vnt  wa;n  dannoch  mder  mer. 

hildegvnde    brvte    ist   schliifs    rofhcr  Überschrift.  1,   1.   bun- 

tes iN.  [6,    2.    die   ausfüllung   dieser   zeile    ist   mir    bedenklich, 

vielleicht    er  liiez  den  liuten  allen  inil  vlizc  luon  bekant.     H.\ 
6,  4.  oder  blofs  miti'     [vielmehr  der  r.  k.  mit  den  sinen  vriunden.  IJ.\ 

7,   1.  blaues  G.         [7,  2.  inder  verstehe  ich  nicht,    wohl  unt  wa;n 


WALTHER  UND  HILDEGÜNDE.  221 

....   der  iesliclien  wol  zwez  hvnderl  man. 
die   mit    de   ...   .  sehe    chomen    solden.     des    «-ßrches 
galien  man  hcg-an. 

8  Er  schvf  ovch  allenllia/^e//.  iaget  inden  walt. 

vf  man'ic  tyer  wilde,  der  he enkalt. 

ouch  mvsen  v/schare.  ovf  wa^^e  vnmvz?c  ?^esen. 

si    fvnden    ir   vil in  den  vnden.   die  von  in 

e//kvnden  genesen. 

9  Die  sinen  valchniere.  der/i'rste  peizen  hiez. 
wie  vil  man  der  nezze.    m\z\chlichen  liez. 
verren   vnde  nahen,  man  der  voge/e  nie. 

.   .    .   hiez(e)n  a sneile a 

in  s  .   

10  E 

wie icher  de e'  daz. 

gesniten. 

di(e)    da   lieber   ross    gewnne    der   kom    vil    manig*   dar 
gerite. 

1 1  Die  Äohzile  walther  d*ge    .   .   .   .  do  der  walt  gelovbel 

was 


vnd  daz  die  blvme  vnd  daz  gras 


Afvnden  allenthalben  6f  den  wisen  breit. 

daz  im  </'  sine  geste  körnen,    so  icas  allez  da  bere(it.) 

12     vnmvzic  waren  hie.  ze  Spume  lant. 

da  h   .   .   .  nv   .    .    .  Hildcgvnl.  kom  heim  .    .   .  gesanl. 
ze  Arrogön  dem  laot  div  ma^re  hiez  si  sagen. 
daz  si  in    chvrzen  ziten  wolde  h'one.  bi    dem  kvnin^P 
walthcre  tragen. 

13  f^f'ol  was  iz  in  allen.   (de)n  si  /  den  gTvz  e?ib6l. 
ovch  mvs  in  wol  gevalhn.  daz  si  von  mang*  7wt, 
zen  Hivnen  was  ^esceiden.  vnd  daz  si  brahte  dan. 
de?'   h    walthere    so    rehtc    \ohliche.    da   vö    er   ere   vil 

gewan. 
<lannocli  mcr.  //.]  [8,  2.  vielleirhl  vil  inanic  tier  wilde  der  lierschaft 
enkalt.  //.]  [8,  4.  ivohl  die  vor  in  //.]  (9,  2.  wie  wenic  Diler  wie  lülzel. 
vogelnetze  sind  gemeint.  //.]  10,  l.E  iinddie Iniljte  der  zeilc  noch  auf 
der  Vorderseite  des  zweiten  blattes  j  mit  wie  endet  die  erste  zei/e  der 
rückseite.  [U,  4.  so  wiere  //.]  [12,  3.  ivolil  ze  Arr.  dem  lande 
inaere  (ot/er  diu  m.)  h.  s.  s.  //.]  [13,  I.  Liep  was  //.]  13.  3.  mit 
gesc  schliefst  die  zeile.         [14,  /i.    nir/il   hiofs  her  W.?  II. \ 


222  WALTHER  UND  HILDEGUNDE. 

14  Des  kmu'g'QS,  ingcsinde.  be(rei)te  sich  zeT  vart. 

wol  .    .   .   saCz^te   er  di  reken.    wol   geziret  bf  /'ossoii 

vn(gesp)art. 
rrowen  yo ^her. 

15  Ke  Engellant.  man  riten  och  die  boten  hiez. 
die  wege  man  vil  leiten,  gar  ^v^mvzic  (lie)z. 
zNauarren  vn  Chijerlingen.  da  wart  ez  ovch  bechanl. 
do  rillten  si  sich  gen  der  hohzite.  i  daz  waltheres  lant. 

16  Walther  gie  zerale.  ob  si  daz  devhte  gvt. 
sine  man  vn  sine  mage.   ob  niht  vbele  gemvt. 
Ezel  da  vo  w^rde.  ob  er  die  boten  sin. 

im  vnd  der  kvniginne  Helch'n  sande.  vn  ouch  daz  schon 
magdin. 

17  Daz  wider  riet  im  niemen.  da  von  wart  ez  sit  getan, 
sine  brieve  schriben.  man  dar  zv  began. 

die  er  da  wolde  senden  in  Ezelen  lant. 
den   selben    boten    l?e  man  niht  gebresten.    man  gab  in 
i'osse  vnd  och  gewant. 

18  Mit  den  hiez  man  do  rite,  di  da  solten  an  den  Rin. 
Gvnth*  wol  gedahte.  vnd  ovch  die  vrevnde  sin. 

wie  er  siniv  nnere.   bete  dar  gesant. 

bi  Volkere  dem  stolzen  videlaere.  in  der  ßvrgönde  lant. 

19  Do  sprach  der  vogt  von  Rine.  vnd  wier  iz  niht  schände 

min. 
het  ic\\  nv  tovsent  miner  beiden,   so  wold  ich  gerne  sin. 
'»%    ze  siner  hohzite.  waer  ez  d*  Hagne  rat. 
so  wold  ich  dar 

If).  1 .    blaues  Z. 


223 


GEDICHTE  DES  ZWÖLFTEN  JH.  ZU  VORAIJ 
IN   DER   STEIERMARK. 

Hei'r  Joseph  Diemer,  scriptor  an  der  k.  k.  imwersi- 
tätshibliothek  zu  Graz  fand  jüngst  in  dem  regulierten  chor- 
herrnstifte  zu  Voran  im  codex  N.  xi  eine  anzahl  zum  theil 
ganz  unbekannter  deutscher  gedickte  des  I2n,  vielleicht  auch 
des  1  In  jh.  die  handschrift,  183  pergamentblätter  in  breitem 
folio  mit  je  zwei  sechsundrierzigzeiligen  spalteji  und  unab- 
gesetzt  geschriebene?!  verse7i  enthaltend,  besteht  aus  zwei 
hatipttheilen ,  deren  deutscher  bis  bl.  135  reicht,  von  reo 
Ottos  von  Freisingen  Gesta  Fridarici  vivique  iniperaloris 
quae  Wolfcangus  scripsit  iubente  ßernhardo  praeposilo  von 
bl.  ISG*"  bis  183  folgen.,  leider  nur  die  drei  ersten  bücher 
und  zwei  bliitter  des  vierten;  nach  dem  einbände  fehlen 
etwa  30  blätter.  eine  hand  des  vorigen  jh.  hat  mit  bleislift 
auf  den  Innern  deckel  geschrieben  Quid  fecisli  frater  Idio- 
ta,  quod  lacerasti  hunc  libruni  tarn  prsetiosuni?  Otto  von 
Vreisingen  starb  1185,  kaiser  Friedrich  1190,  Bernhard 
im  j.  1202,  nachdem  er  seit  1185  die  würde  eines  präla- 
ten  in  Voran  bekleidet  hatte  (Caesar.  Ag.  annal.  1.  682. 
2,  85). 

Der  vordere  theil  der  hs.  enthält  nun  folgende  ge- 
dieht e. 

1.  bl.  1"  —  73"^  die  kaiserchronik  bis  zum  beginne  des 
kreuzzuges  u?iter  Konrad  3  im  j.  1147,  mit  denselben  war- 
ten abbrechend  wie  die  Heidelberger  hs.  ihr  werth  im  ver- 
gleiche zu  dieser  wird  sich  aus  folgender  gegenüberstellung 
des  anfanges  eingeben. 

Heidelberger  hs.  Vorauer  hs. 

In  des  almecliligen  gotis  ininneii.  In  des  almaelitigen  gotis  iiünnen. 

Wil  ich  dissis  liedes  beginnen.  so  wil  ich  des  liedcs  beginnen. 

Daz    schult    ir    gezogeliche    uer-  daz    scult     ir     gezogenlichc     u*- 

neme.  nenien. 

Ja  mac  Jv  uil  wol  gezcnio.  ia  mag  cz  ech   iiil  «  olc  go/<'iii<'ii. 


224 


VORAIJER  HANDSCHRIFT. 


Heidelberger  hs. 

Ze  hörne  alle  uruinecheil. 

Iz  dunkel  die  tunimen  arbeit. 
Sol  man  sie   iciit  leren. 

Odir  wisdum  gemeren. 
Daz  in  were  nuzze. 

Sie  ne  phlegint  nil  guter  wizze. 
Daz  si  ungerne  horent  sagen. 

Da  uoa  sie  mochten  haben. 
Wisdum  uü  ere. 

Uü  Avere  ie  doch  urume  d   sele. 


Vorauer  hs. 

ze  hören  alliv  frumichail. 

die  tumben  dunchet  iz  arebait. 

sculn  si  immer  ihl  gelerncn. 

od    ir  wislum  gerne  en. 

die  sint  unnuzze. 

vn  phlegent  niht  guter  wizze. 

daz  si  ungerne  horent  sagen. 

dannen  von  si  mohten  haben. 

baeidiv  vvistüm  vfi  ere. 

uii  waere  iedoch  frum  der  seit- 


Das  weitere  des  anfangs  in  Hoffnianns  fundgruhen,  der 
nur  z.  42  unerhört  aus  nv  grife  wir  daz  gute  liet  ane  (vgl. 
z.  2)  daz  gute  her  machte.  —  wichtig  ist  z.  31  mit  c.  pa- 
lat.  mit  scophelichen  Worten,  woraus  die  übrigen  {Manch. 
W^olfenb.)  be7'eiis  schimT^hlichen  ge?nacht  haben ;  Prag,  über- 
sprang. —  der  schlaf s  ist 

Heidelberger  hs.  Vorauer  hs. 

Der  babes  EugeniO. 

Der  gewarp  alsus. 
Er  hiez  iz  clagen  drate. 

Deme  künrate. 
Vü  deme  kunige  Ludewige. 

Daz  ne  stunt  nicht  lange  wile. 
Vnz  d    abl)al  Bernhart. 

Den  uursten  geliebete  die  vart. 
Er  quam  zu  dem  kunige  Kiinrat. 

Er  mancte  harte. 
Mit  sinir  suzen  lere. 

Er  sp'^ch  daz  selbe  unser  herre. 
In  dar  zu  erwelde. 

Der    kunic     nicht    langer    ent- 
weite. 

die  Heidelberger  hs.  bricht  mit  dieser  8n  zeile  ihrer  spalte 
105*^  ab,  die  foi^auer  hat  die  mitgetheilten  schlufsverse  un- 
abgesetzt  und  schliefst  mit  bl.  135.  ebenso  schliefst  die 
Wiener  hs.  2693,  die  U'olfenbütfelcr  15,  2,  und  die  Slrafs- 
burger.  die  München  er  geht  nur  bis  Lothar  2.  die  an- 
deren voll  stand  i geil  hss.  {der  jüngeren  recension  mit  dem 
anfange  Hoch  gelobter  altissinius),  cod.  Vindob.  2685,  Vin- 
dob.  Inspruk.,  Carlsruh.  52,  Monac.  germ.  965,  gehen  bis 
zu  kaiser  Friedrichs  2  lode,  cod.  JValdburg.  Zeil,  selbst  bis 


Der  babes  Eugeuius. 

der  gewarf  do  alsus. 

er  hiez  iz  chlagen  drate. 

dem  chonigc  Chönrat. 

unt  dem  Chonige  Ludewige. 

daz  enstunt  niht  lange  wile. 

unze  der  abbat  Pernhart. 

den  uursten  geliebte  die   vart. 

er  chom  ze  dem  chunige  Chönrat. 

er  manet  in  harte. 

mit  siner  süzen  lere. 

er  sprach  daz    selbe  unser  here. 

in  darzu  erwelte. 

der  chönich  niht  langer  netvelte. 


VORAUER  HANDSCHRIFT.  225 

Rudolf  von  Habsbitrg.  das  jähr  1147  wird  aus  mehreren 
gründen  das  anhnltsjahr  für  dies  kunige  Inioch  bleiben 
müfsen. 

2.  hl.  74* — 96''  die  vier  bücher  Mosis,  von  denen  aus 
der  fViener  hs.  nur  das  le  buch  und  der  anfang  des  2n 
bekannt  waren  {Hoffmanns  fundgr.  2,9 — 101,  Mafsmanns 
ged.  des  I2n  j'h.  2,  235  —  342). 

3.  bl.  97'' — OS''  ein  gedieht  von  der  wvltschöpfung , 
bisher  unbekannt,  32  Strophen,  etwa  340  verse.  Schöpfung 
durch  die  allma.cht  gottes,  auch  der  enget  die  fielen  u?id  an 
deren  stelle  die  menschen  in  das  paradies  gesetzt  wurdeji; 
gott  gab  ihnen  bist  und  ivo?ine,  um  bei  künftigen  leiden  auf 
die  seligkeite7i  ihrer  ursprünglichen  heim  dt  zurückzublicken, 
von  den  höheren  geschöpfen  verlieh  gott  dem  menscheii  ver- 
schiedene kräfte,  von  den  steinen  mannhafte  härte  der  beine 
H.  s.  tv.  dann  wollte  er  ih?i  schmücken  aus  allen  vier  de- 
menten i  vom  feuer  gab  er  ihm  den  reijien  sinn,  von  den 
höheren  lüften  das  gehör,  von  den  niederen  den  geruch, 
von  den  wafserti  den  geschmack,  von  der  erde  die  stete 
regsamkeit  der  hä?ide  und  füfse.  danach  ward  mit  dem 
ersten  menschen  ein  vertrag  geschlofsen  dafs  er  mit  dem 
geböte  einen  zioeikampf  bestehe  ßlr  das  ganze  menschen- 
geschlecht 

Daz  er  ein  einwig  rungi 

mit  denio  giboti  uur  mankunni : 
erlange  er  den  sieg,  so  sollten  wir  niemals  sterben;  unter- 
liege aber  unser  kämpfer, 

wanti  der  iinsir  chcmpho  do  geweich, 
so  fielen  rvir  sämmtlich  dem  tode  anheim  u.  s.  w. 

4.  bl.  98° — 100"  loblied  auf  könig  Salomo  {in  24  Stro- 
phen, etwa  240  versen),  von  den  drei  m(in?iern  im  feurigen 
ofen,  und  von  Judith  (in  20  absützen  von  ungefähr  200 
versen). 

5.  bl.  100" — 108''  ein  gröfsej^es  gedieht  von  der  Ju- 
dith in  etwa  2400  versen,  wie  die  vorgenannten  gänzlich 
IUI  bekannt. 

C.   bl.  109" — 115'^  der  Alexander  des  pfafjen  fjamprcclil. 
zwar    nur    die   ersten   1000  verse,    doch    wird  das  fehlvndr 
Z.  F.  I).  A.     II  15 


226  VORAUER  HAiNDSCHRIFT. 

blatt  der  Strafsburger  hx.  ergänzt.  —  Judith  und  Alexan- 
der wird  herr  Diemer  demnächst  herausgeben. 

7.  bl.  llö" — 125'*  vom  leben  und  leide?i  Jesu,  vom  An- 
tichrist und  jüngsten  gerichte,  aus  der  bisher  einzigen 
Görlitzer  hs.  abgedruckt  (fundgr.  1,  127  —  204);  hier  fehlt 
ein  blatt  (s.  149,9  —  155,  15),  ebenso  gleich  im  anfaiige 
die  geschichte  Johannes  des  täufers.  nach  dem  schlufse  ist 
das  werk  von  einer  frau  gedichtet, 

Dizze  buch  dihlole 

Zweier  cliinde  muter 

Diu  sagelen  ir  disen  sin 

Michel  niandunge  was  under  in  u.s.w. 

8.  bl.  125'' — 128''  loblied  auf  Maria,  ungefähr  800 
verszeilen,  deren  ernste  dt^eizehn  auf  den  inneren  deckel  der 
Zwetteler  hs.  73  sich  fanden,  s.  Hoffm.  fundgr.   1,  260. 

9.  bl.  128'' — 129  ein  gedieht  von  34  Strophen,  etwa 
300  versen,  ähnliches  Inhaltes  wie  das  unter  3,  auf  veran- 
lafsung  des  bischofs  Günther  von  Bamberg  (1057  — 1065) 
verfafst. 

Der  gute  biscoph  gunter  vone  babenberch 

Der  hiez  machen  ein  uil  gute  werbe 

Er  hiez  die  sine  phaphen 

Ein  gut  lieht  machen  u.s.w. 
er  beginnt  mit  der  Schöpfung  der  weit  und  des  ersten  paa- 
res,  dem  sündenfalle  und  seinen  folgen,  der  erlösung  durch 
den  Messias,  icelche  im  alten  bunde  schon  Abels  und  Abra- 
hams opfer  und  Mosis  schlänge  in  der  wüste  vorbedeutete ; 
dann  von  der  auferstehung  u.  s.  w.  bei  der  Schöpfung  hoffst 
es  auch  hier  wieder,  gott  bildete  den  meyischen  aus  acht 
theilen,  vo?i  der  erde  gab  er  ihm  das  fleisch,  der  thau  ist 
ihm  der  schweifs,  aus  dem  felsen  schuf  er  das  bein,  aus 
den  wurzeln  die  ädern,  aus  dem  grase  das  haar,  aus  dem 
meere  nahm  er  das  blut,  von  den  wölken  den  sinn  und  von 
der  sonne  die  äugen,  endlich  verlieh  er  ihm.  seinen  gcist, 
damit  er  ihn  fortwährend  behalten,  und  die  erkenntnis, 
dafs  er  sie  stets  mehren  sollte  (vergl.  zcitschr.   1,    1). 

10.  bl.  129*^ — 133"  von  den  sieben  gäbe?!  des  h.  gci- 
stes  und  von  der  siebenzahl  überhaupt  {die  7  gaben  des 
geistes,    die  7  siegel  des  buches  in  der  offenbarung,    die  7 


VORAUER  HANDSCHRIFT.  227 

zahlen  der  aslronomen^  die  7  wandelsternc  am  hirnmel,  die 
7  tage  der  ivoche,  mondwechsel^  lauf  der  sonne,  entstehung 
und  aushildung  des  menschen,  die  7  altersslufen,  die  7  freien 
kiinste  und  grade  der  verwandlschafL,  die  ü  alter  der  welty 
die  7  hauptschnerzen  des  me?ischen,  bei  deren  letztem  der 
iod  erfolgt) ;  gcgc7i  900  verse.  als  verf  ist  genannt  ein 
priester  Arnoltli,  vielleicht  der  aht  Arnold  zu  Botineval, 
der  de  Septem  donis  spiritus  schrieb,  vertrauter  freund  Bern- 
hards von  Clairvaux  (1113),  dessen  lehensbeschreibung  er 
i^erfafste. 

11.  hl.  133*^ — 135  gedieht  vom  himmlischen  Jerusa- 
lem {?iach  offenb.  21.  22).  in  der  minne  seines  namens,  der 
die  liimmel  besefsen,  die  erde  umfange7i,  die  regeiitropfen 
geziihlet,  zu  seinem  dicnste  die  enget  erivählet,  beginnen 
wir  dieses  liedes ;  sehr  fürchte  ich  dafs  etliche  schelten  y 
von  dem  himmel  reden  wir  selten'  u.  s.  lo. 

12.    Ottos  von  Freisingen  leben  k aiser  Friedrichs,  s.  oben. 
MÜNCHEN,  23  april  1842.  H.  F.  MASSMANN. 


PREDIGTBRUCHSTÜCK. 

1  r?/'.  a  verzage  nit  ich  bin  der  der  dinen  lip  vfi  din 
sele  gescliafTen  hat.  Ich  bin  der  der  die  edelkeit 
diner  sele  vn  diner  nature  erkennet,  da  von  er- 
barmctost  du  mir  vn  fvr  von  himelrich  vsser  mi- 
5  nes  vater  schoz  daz  ich  dich  suchte  vn  wider- 
brehte  zv  diuer  edelkeit.  Ach  lieber  mensche 
sprach  er  Ich  bin  din  vater  da  von  minnote  ich 
dich  so  sere  daz  ich  alles  min  blut  vz  goz.  nv 
merke   wie  mir  din  v  .  .  .  c  be  .  .  .  den  het.    da 

10  von  bin  ich  wol  gelich  den  velt  blvmelin  an  mi- 
nen  kleidern.  Ich  bin  och  gemeine  allen  dien  die 
min  geruchent.  3Iin  tod  ist  gemeine,  min  genade 
ist  gemeine,  min  himelrich  ist  gemeine.  Ich  vn 
min  vater  vn  der    heilig   geist  sin  gemeine  allen 

15  dien  die  Irosles  ald  genadcn  gerent  von  rechte 
herzen,   dien  will  ich  mich  selben  geben  mit  vol- 

15* 


228  PREDIGTBRUCHSTUCK. 

leni  Irosle.  Vfi  nach  disem  eilende  wil  ich  selbe 
ir  Ion  vn  ir  vröde  sin.  mir  ist  nieman  ze  am 
mir  ist  nieman  ze  svndig.  Ich  bin  ein  eherer  vn 
I  vw.b  alles  daz  dem  tievel  enphallet  daz  lise  ich  |  vf  vn 
5  eheren  ez.  Nv  horent  des  gvten  gottes  gvti  er 
gelichet  sich  einem  eherer.  Alz  ir  wol  sehenl  da 
die  riehen  Ivte  snident  da  gant  die  armen  Ivte 
nach  vn  eheren t.  Ze  gelicher  wise  tvt  vnser 
herre.     Der  tievel    ist  der  riebe  man  der  snidet 

JO  leider  vber  alle  die  Avelt  manig  edel  sele  die  gol 
köfte  mit  sime  wirdigen  blvte.  So  ist  vnser  herre 
der  arme  man  vn  gat  alles  nah  in  eherende.  Vn 
swa  im  ein  sele  mag  werden  die  zvket  er  an 
sich.  Vn  des  manet  er  den  menschen  vn  sprach. 

15  0  we  mensche  gedenke  daz  ich  ein  eherer  wor- 
den bin  dvr  din  heil.  Er  sprach  och  lieber  men- 
sche gedenke  wie  ich  dich  gesvchet  han.  Ich  liez 
himelrich  min  rechtes  erbe,  vfi  fvr  vf  ertrich  vn 
wart  mcnsciie.    Vn  liez  mir  min  herze   in  minem 

20     libe  vf  tvn.  vnd  min  zarten  sele  gap  ich  von  mir 

ze  scheidenne.    daran   gedenke   vn   erbarme  dich 

vber  mich  eilende  wan  ich  han  mich  dur  din  liebi 

Xi'w.a     verellendet  da  von  gib  mir  din  herze  daz  |  ich  vf 

ertrich  han  gesvchet.     gedenke  noch  an  mich  vn 

25  kere  dich  zv  mir  vn  gip  mir  din  herze  zv  einer 
rvwe  vn  din  sele  zv  einer  minnerin  wan  des  han 
ich  gegert.  Nv  kere  wider  lieber  mensche  zv  den 
svzen  vellblvmelin.  er  ist  so  vol  miltekeit  vn  er- 
bermde  daz  er  dich    gvtlich  enpliahet.    Uwe  ellv 

30  menschen  die  sich  ie  von  disem  lieben  veltblvnien 
kertin.  die  keren  hvte  wider  mit  rechter  trvwe 
zv  siner  genade.  vn  svchen  trost  an  sin  erbermde 
mit  rechter  demvtekeit.  Wan  er  sprach  selbe  alle 
die    mich  svchent   mit   demvtige    herzen    die    sun 

35  genade  vn  trost  an  mir  vinden.  Nv  svnd  ir  wiz- 
zen  daz  vnser  herre  nil  allein  ist  ein  veltblvme 
alz  er  sich  selben  nemet.  Er  ist  och  sinen  hein- 
lichen frvnden  ein  lylie  in  dem  beslozenen  garten. 
Wan  ze  gelicher  wise  alse  man  des  lylien  ze  al- 


PREDlGTliKÜCIlSTUCK.  225) 

leii  ziten  sicher  ist  in  dem  beslozenen  garten 
1  ri(\  b  Also  ist  got  ze  allen  ziten  in  dem  |  vridcsamea 
herze.  Wan  der  mensche  der  sich  flizet  daz  den 
vride  behalte  vzwendig  mit  eime  ieklichen  men- 
5  sehen  beidv  an  werten  vfi  an  werken.  Vn  der 
och  inwendig  hat  ein  Ivter  gemvte  ane  nid  vn 
ane  vbeln  willen  der  ist  wol  ein  beslozzener  garte, 
der  sin  herze  also  beslvzet  daz  alle  argwan  vn 
alle  nid  da  vor  mvz  beliben.  Vn  och  sinen  munl 

10  also  beslvzet.  daz  er  nie  manne  uit  arges  sprach 
hinder  im  noch  vor  im.  Vn  alles  daz  ze  gvte  vn 
ze  tvgenden  keret  das  er  sihel  ald  höret,  der 
mensche  ist  wol  ein  beslozener  garte,  in  dem 
garten  wil  got   rvwen  svzeklich  vü  frvnllich  mit 

15  der  lieben  sele.  Zv  der  sele  sprach  vnser  herre 
mich  het  sere  gelvstet  daz  ich  din  antlvle  gesehe. 
So  mag  dv  sele  wol  sprechen,  alz  si  sprach  in 
der  minne  bvche.  Kvme  her  nider  min  geminter 
in  dinen  garten,  nv  kvvic  min  gemahel.  min  garte 

20     ist   wole  geblvniet  mit  aller  hande  tagenden  ma- 

Ivw.a     nige  altekeit  vn  ist  da  vndergemischet  |  mit  dem 

grase  inneklicher  begirde  nach  dinem  biwescnne. 

da  die  sele  sattet  nach  aller  geuvgede.     nu  kvm 

her  minner  der  minne  dv  da  vbertriffet  alle  sinne 

25  ksvü.  in  dinen  garten,  der  alvmbe  mvret  ist  mit 
vorhte  dine  liebi  ze  verlierenne.  Vn  darzv  mit 
hvte  ze  allen  ziten  dine  heinlicbi  vn  dine  frvnt- 
schaft  zebehabenne.  Nv  kvm  her  zvcht  vn  schäme 
stand  an  der  porte  vn  hvtent  daz  dv  vn  din  min- 

30  uerin  mit  enkeiner  vnzvcht  werden  erweket.  Nv 
kvm  her  min  vnbevaher  vn  min  minner.  din  garte 
ist  wol  beslozen  mit  dem  sloze  rchter  demvtckeit. 
So  sprach  denne  vnser  lieber  herre.  Ich  wil 
nider   gan    in    minen    garten  vn  wil  gesehen  die 

35  bome  in  dem  tal  die  blvmen  vn  daz  gras.  Vn 
wil  scliowen  ob  die  reben  blvgcn.  Nv  merkenl 
dis.  die  böme  in  dem  tal  das  sint  die  reinen  ta- 
gende in  der  sele.  Vn  die  schönen  reben  daz  isl 
vrölichi  in  gote.  swaz  dich  an  gange  daz  dir  das| 


230  PREDIGTBRUCHSTUCK. 

2  viv.  b     ein  yvhdc in  allen  diue   .    .   . 

....  soll  dv  rechte  Aemuetige  vrode  mit  gote 
han  in  diner  begirde.  daz  dv  s^weg  vroliche  ge- 
rest  arbeit  kvmhcr  vfi  not  haben  in  der  minne 
5  dines  minners,  d  .  .  .  die  reben  in  der  sele  die 
blvegewi  schone  vfi  vfwuesam  swenne  der  mensche 
yrcelic/i  ist  in  widerwertekeit.  Y/idalweg  bcgeret 
daz  er  ATbeit  dvr  got  trage.  Vnder  die?i  bömen 
vn  bi  dien  reh&n  r^nvet  vnser  herre.  als  er  selbe 

10  sprach.  Ich  lian  gervwet  vnder  dem  schalten  mi- 
ner ge;?^«Äelen,  vfi  die  frvcht  ir  . . .  den  het  mich 
gespiset.  Vnd  die  spise  ist  mir  gar  svie  in  mi- 
nem  mvnde  vfi  minei'  kelvn.  Nv  svnd  ir  vfi:izen 
daz  ein  ieklich  gvt  yon   vnserra    herre   vrode  vn 

15  last  git.  In  disem  besloze/??/«  garten  des  reinen 
herzen  sint  got  vn  dv  sele  zesawe/^e  gemehelt. 
daz  ist  Qin  r;??;?neklicher   höngar^e  imd  ein  para- 

dise  der  vrcede  vnd  lust  da 

2  7'w.  a     ....  füge I  . 

20     t  sprach dise 

frvndinne  han  ich  gar  sere  geminwe^  vh  bin  men- 
sche -worden  dvr  ir  liebi.  Vn  han  arbeit  dvr  si 
gellten  al  da  her  von  minen  kintlichen  tagen.  Ich 
bin  ein  minner  ivorden  ires  schonen  \volge*/«//en 

25  antlvtes.  Vnd  ir  wzV/neklichiv  geschepfede  hat 
mich  ZV  einem  minner  gew«chet.  dar  vnbe  starb 
ich  an  dem  criice  daz  mir  ?ninv  frvndin  wrde  zv 
ei//er  minnerin.  Vfi  daz  ich  vfi  sie  //eplich  ze 
samne  geiyget  vn  gemehelt  wrdin.  vfid  ist  daz  ge- 

30  schehen  in  dem  Z^eslozenen  garten  da  rvwet  got 
vn  dv  selige  se/e  mil  ein  andern,  da  nietet  sich 
dv  sele  einer  syzekeit  Alz  si  sprach  in  der  minne 
bvche  Ich  saz  under  sime  schalten  des  ich  ie 
gerte.     vn  s'mes  svzen  wvchers   nielel  ich  mich. 

35     daz  wort  ist  nit  so  ze  verstenne,  als  ob  si  s^rce- 

che  ich  Äan  mich   gesezzet 

....    et         ze 

2  rtv.  b     ze n  |  scam  sincr 

menscheit.  Vnd  lief  vf  zr  warlonne  hvngerigi'i  an 


PREDIGTBKUCHSTÜCK.  231 

den    edela  wicher  siner  gotheil.    Vii  ich  ellendv 
ze  kvlenne   vnder  den  schallen  des  heiligen  gei- 
stes.     0    we    svzu    sele    wie   rechte    niiiineklich 
disv   rvwe  ist.    da  got  rvwet   in  diuern  paradyse 
5     daz    ist  din    geblvnites    herze   in  allen  tvgenden. 
Vnd    din    sele  rvwet  vnder  sinie  gütlichen  schat- 
ten,   gcsach  got   die  sele   du  mit  rechter  begirde 
rvwet   vü    erkvlet   wirt   vnder   dem  schalten  des 
heiligen  geistes.    Du    sele  mag   wol  genesen  vor 
10     aller  vreise.     Zv  der  sele  sprach  unser  herre  in 
der   minne   bvche,     0    dv    min    aller  liepstü  wie 
schone  dv  bist  in  dime  zarte.     Nv  merkent  we- 
der der  zart  gotes  si  hin  zv   der  sele.    oder  von 
der  sele  zv  gölte.  Vn  welu  sele  diz  zartes  wir- 
15     dig   si.     Entrvweu  daz  sint  die  dvrnechtigen  die 
demvtiges  herzen  sint.     ez  sint  nit  die  valschen 
geislichen,    noch    die    glichserin.     ez  sint  och  nit 
die  hinderrede  spvlgent  vn  verkerde.  ez  sint  die 
demv 
Doppeltes   quartblatt ,    pergavient ,    afi  einer  seite  be- 
schnitten, abgelöst  von  dem  einbände  eities  buches  in  octav 
in  der  Universitätsbibliothek  zu  Marburg,  die  abkürzufige7i 
sind  aufgelöst,  ergänzunge7i  cursiv  gedruckt. 

MARBURG.  DR  DIETRICH. 


ÜBER  DIE   BEDEUTUNG  DES  NAMENS   ZIU. 

Je  spärlicher  unsere  nachrichten  über  diesen  gott,  einsl 
einen  der  bedeutendsten,  vielleicht  den  ersten,  fliefsen,  um 
so  werthvoUer  ist  jede  auch  die  geringste  aufklärung  über 
sein  wesen.  die  folgende  auseinandersetzung  versucht  es 
einiges  licht  wenigstens  über  seinen  namen  zu  verbreiten. 

Grimm  stellt  in  der  mythologie  s.  31  den  namen  Ziu 
mit  dem  lat.  dcus  und  griech.  Zii>g  zusammen,  und  das  ist 
wohl  was  das  letztere  worl  betrifft  unbezweifell  richtig ;  ge- 
gen die  Zusammenstellung  mit  deus  spricht  aber  einmal  das 
diesem  vollständig  gleichstehende  griechische  Otög,  dann  aber 
zweitens  das  Ju-  in  Jupiter,  das,  wie  wir  weiter  unten  zei- 


232  DIE  BEDEUTUNG  DES  NAMENS  ZIU. 

geu  wollen,  dem  Xiu  und  Ztin;  entspricht,  so  dal's  jene  zii- 
saninienstellung  nur  möglich  wäre,  wenn  man  annehmen 
wollte,  alle  diese  Wörter  seien  untereinander  identisch,  dies 
anzunehmen  verbietet  aber  das  sanskrit,  wo  das  Xiu  und 
Z^vq  entsprechende  wort  tljaus  (hinimel),  das  dem  deus  und 
■&töq  entsprechende  devas  (gott)  ist,  was  wir  zunächst  von 
Seiten  des  lautes  nachweisen  wollen. 

In  deus  und  &^oq  sowie  in  derns  sind  u,  o,  a,  wie  die 
declination    ergibt,      zum    stamm   gehörig    und  wir   behalten 
demnach   als  wurzel    de,   •&(,  und    dev,     woraus   hervorgeht 
dals    das  griechische  und   lateinische  den   halbvocal  v  verlo- 
ren haben*),    der  indess  im  griechischen,   wie   ich  vermute, 
nicht  ganz  verschwunden  ist,  sondern  die  aspiration  auf  den 
anlaut  übertragen  hat.    denn  es  ist,  um  von  einer  verwand- 
ten erscheinung  auszugehen,  im  griechischen  häufig  dafs  eine 
im   auslaut   einer  wurzel   stehende    aspirata   ihre   aspiration, 
wenn    diese    nach    irgend  einem    lautgesetz  schwinden  mufs. 
nicht   ganz   aufgibt,    sondern    dieselbe   auf  den   anlautenden 
consonanten  überträgt;  man  vergleiche  d-Qi'S.  mit  r^ixög,  TQi- 
qto  mit  TQf\pof^tai,  -OaTTToi  mit  hüqtjv  u.  a.  m.  nach  demselben 
lautgesetz  zeigt  das  griech,  {yvyuT)]Q  ein  anlautendes  O  statt 
des  d  in  skr.  dithitd  (f.  dtihitar),    goth.  daiihtar,  weil  das 
griechische   kein    inlautendes    h   hatte    und    statt   dessen  die 
entsprechende    gutturale    media    setzte,    der  ausfall  eines  di- 
gamma,  das  sich  ganz  den  aspiraten  anschliefst,  hat  nun  zu- 
weilen dieselbe  erscheinung  herbeigeführt  und  diesem  umstände 
verdankt   z.  b.  -Ovqu   sein   x>  gegenüber  dem  d  von  dvdr  f. 
und  dvdram  n.,  die  ihür;  ein  noch  augenscheinlicheres  bei- 
spiel  ist  (fiuoög  (fett,  glänzend)    verglichen  mit  skr.  pivaiYis 
mit  derselben  bcdeutuug,   neben  dem  TiiuQog  ebenso  wie  das 
einfache   Tvioiv   neben  pivan   besteht,    welche  zugleich  zeigen 
dafs    das   erwähnte  lautgesetz  nicht   in    allen  fällen  durchge- 
drungen ist  und  den  mangel  fernerer  beispiele  erklären,   dem- 
nach dürfen  wir,  denke  ich,  nicht  zweifeln,  das  griech.  -Ofüg 
dem  lat.   deus  und  skr.  deeas  an  die  seite  zu  stellen,  und  köu- 


(lenn  im  dorischen  i}tvizzi&töi  gchbrl  v  nicht  zur  würze!  (isl  also 
nicht  aus  einem  früheren  digamma  vocalisicrt),  da  fr  durch  coniraclion 
aus  fo  entstanden  ist. 


DIE  BEDEUTUNG  DES  NAiMENS  ZIU.  23:i 

neu  iius  nun  zu  der  zweiten  reihe  der  oben  zusammengestell- 
ten Wörter  wenden. 

Die  richtigkeit  der  Zusammenstellung  von  Zfvg  und  Zit/ 
brauchen  wir  nach  Grimms  Vorgang  nicht  weiter  zu  erör- 
tern, und  es  bleibt  uns  nur  die  mit  skr.  dj'aus  und  zwar 
zunächst  ebenfalls  nur  von  der  seile  des  lautes  zu  rechtfer- 
tigen, dies  wort  hat  drei  verschiedene  stamme,  von  denen 
es  seine  casus  bildet,  nämlich  div,  dju  und  djö,  deren  letz- 
tere in  den  casibus  erscheint,  die  Bopp  die  starken  nennt, 
diese  verhalten  sich  zu  den  schwächeren  wie  im  griechischen 
die  wurzelform  des  2n  aoristus  vieler  verba  zu  der  des  prä- 
sens,  z.  b.  wie  tcpvyov  zu  qfvy-oi,  und  die  Verstärkung  be- 
steht hier  wie  da  häufig  in  der  vorsetzung  eines  vocals  (im 
skr.  immer  a  oder  d,  mit  denen  ii  in  ö  und  au  übergeht, 
im  griech.  u,  e,  o)  vor  den  einfachen  wurzelvocal.  die  bei- 
den formen  dju  und  dj'ö  reducieren  sich  demnach  auf  die  eine 
ursprüngliche  dj'u;  diese  erscheint  nun  in  der  declination 
des  Wortes  nur  in  den  casibus,  deren  endungen  mit  einem 
consonanten  beginnen,  wogegen  sich  die  erste  form  d/'v  vor 
allen  vocaliscii  anlautenden  endungen  zeigt,  demnach  müfsen 
wir  auch  dju  und  div  als  identisch  ansehen  und  zwar  das 
letztere  als  das  ursprüngliche,  da  v  im  sanskrit  nur  vor  r 
und  j  erscheint  und  vor  allen  übrigen  consonanten  sich  vo- 
calisiert  oder  verschwindet,  daher  hier  nothwendig  in  Ji  ver- 
wandelt werden  muste,  also  diu,  woraus  sich  dann  unmit- 
telbar die  andere  form  dju  entwickelte,  da  das  sanskrit  nicht 
zwei  vocale  neben  einander  duldet. 

Gehen  wir  nun  zur  declination  des  wortes  über,  so  zeigt 
eine  Zusammenstellung  der  griechischen  und  entsprechenden 
indischen  formen  sogleich  die  formelle  Verwandtschaft  von 
djaus  und  Zfv,-  (wobei  wir  das  bei  Boeckli  im  corpus  inscr. 
sich  findende  digamnia  zu  hilfe  nehmen). 

nom.    djaus     Ztvg 

gen.     divas     Jt\:6g 

dat.   1  divc        ,    , 

loc.    idivi  .; 

acc.     divam    z/i\iu 

voc.     djaus     Ziv 
liierhoi  isl   nur  zweierlei  zu  bemerken,   nämlich  (msIous  dafs 


234  DIE  BEDEUTUNG  DES  NAMENS  ZIU. 

im  iioiii.  und  voc.  f  an  die  stelle  von  dj  getreten  ist;  die- 
ser lautwechsel  erklärt  sich  jedoch  leicht,  wenn  man  erwägt, 
dafs  i"  ein  doppelconsonant  ist,  der  hier,  wie  die  casus  obli- 
qui  zeigen,  aus  einem  d  nebst  folgendem  zischlaut  besteht, 
welcher  sich  bereits  dem  vorhergehenden  consonanten  assi- 
miliert hat,  wogegen  er  im  sanskrit  noch  auf  der  ursprüng- 
lichen stufe  verharrt  ist.  zweitens  würde  man  an  der  stelle 
des  griech.  ev  eher  das  vollere  uv  erwarten  wie  es  z.  b.  in 
vuijg  verglichen  mit  skr.  7iaiis  (gleicher  bedeutung)  erscheint, 
indess  zeigt  gerade  dies  wort  am  besten  die  möglichkeit  einer 
Schwächung  aus  au  in  iv,  indem  es  im  ionischen  als  vrjvg 
erscheint  und  die  grammatiker  eine  form  v£vg  aufbewahrt 
haben,  die  vielleicht  nur  den  genitiven  veiäg  und  vioöv  zu 
gefallen  ersonnen  ist,  aber  nichts  desto  weniger  die  richtige 
Stammform  der  letzteren  ist,  in  denen  das  v  nur,  nachdem 
es  frühereu  lautgesetzen  gemäfs  in  digamma  verwandelt  war, 
in  der  späteren  sprachperiode  nothwendig  verschwinden  muste. 

Die  dritte  Stammform  des  indischen  Wortes,  nämlich  dju, 
erscheint  nur  im  pluralis  vor  consonantischen  endungen,  hat 
aber  dem  römischen  nameu  des  gottes  den  Ursprung  gege- 
ben, indem  nur  das  anlautende  d,  da  das  römische  nie  dj 
im  anlaut  hat,  aufgegeben  ist  und  so  Ju-piter  für  Djupiter 
steht,  die  casus  obliqui  dieses  namens  lafsen  die  erklärung 
sowohl  aus  dem  stamm  dju  als  dju  zu,  indem  neben  ihnen 
nach  \  arro  auch  Jovis  als  nominativ  stand,  dies  wort  erfor- 
dert nun  aber  noch  eine  erklärung  in  bezug  auf  seinen  zwei- 
ten theil,  die  uns  zu  gleicher  zeit  über  die  bedeutung  der 
oben  zusammengestellten  Wörter  näheren  aufschlufs  giebt. 

Das  wort  fiter  in  Jupiter  schliefst  sich  nämlich  eng  an 
das  indische  pitä  (s.  pitar)^  dervater,  an,  und  es  kann  kein 
zweifei  sein,  wenn  wir  die  bedeutung  von  sanskr.  djaus, 
der  himniel,  und  das  lat.  sub  Jove  berücksichtigen,  dafs  Ju- 
piter den  himmelvater  bedeutet,  diese  annähme  gewinnt  noch 
gröfsere  beslätigung,  wenn  man  ferner  erwägt  dafs  auch  Ho- 
mer den  Zivg  fast  immer  noch  ttutj^q  nennt,  und  die  durch 
den  leider  zu  früh  verstorbenen  Rosen  uns  eröflneten  schätze 
der  vedas  entscheiden  endlich  vollends,  bisher  war  uns  aus 
den  epischen  gedicliten  das  wort  djaus  nämlich  nur  in  der 
physischen   bedeutung   bekannt,    in   einigen   vedahymnen  er- 


DIE  BEDEUTUNG  DES  NAMENS  Zlü.  235 

scheint  es  nun  aber  als  der  personificierte  liiinmel,  und  die- 
ser wird  in  einer  derselben  (Kosen  Rig-Veda  s.  177)  pita 
djaus,  vater  Zivg,  vater  himmel,  genannt,  und  ihm  die  7ndtä 
prithivi,  rautter  erde,  zur  seite  gestellt,  gerade  wie  im  ho- 
merischen Ztv  TTuriiQ  yrj  Tf  ^u]Tni),  und  so  denke  ich  kann  kein 
zweifei  an  der  bedeutung  von  Zevg  als  himmel  sein,  womit 
dann  zugleich  dieselbe  für  Ziu  gewonnen  ist.  was  aber  die 
form  betrifft,  so  sehen  wir  dafs  sich  das  angelsächsische 
Tiv  (gen.  Tives)  am  nächsten  an  die  indische  grundform 
diu  anschliefst,  diese  ist  nun  als  wurzel  auch  sonst  noch 
vorhanden  und  bedeutet  leuchten,  glänzen,  der  himmel  ist 
also  der  glänzende,  eine  durch  die  gewöhnliche  vocalver- 
stärkung  von  i  zu  e  geschehene  ableitung  von  div  ist  nun 
aber  devas,  was  demnach  ursprünglich  der  himmlische  heifst, 
und  nun,  wenn  wir  anders  recht  haben,  auch  beweist  dafs 
deus  und  d^eög  nicht  mit  Ziu  und  Zfvg  in  eine  reihe  gestellt 
werden  können. 

BERLIN.  A.  KUHN. 


ÜBER  DIE   GESCHICHTLICHE   GRUNDLAGE 
DES   GRAFEN  RUDOLF. 

Im  jähre  1828  gab  Wilhelm  Grimm  fragmente  eines  mit- 
telhochdeutschen gedichtes  aus  dem  ]2n  jh.  heraus,  unter 
dem  titel  Grave  Ruodolf,  deren  trefflichkeit  in  ausführung  und 
darstellung  nach  seinem  Vorgänge  ebenso  anerkannt  wurde 
als  ihr  Zusammenhang,  die  motive  und  der  abschlufs  des  In- 
halts völlig  räthselhaft  blieb,  unter  diesen  umständen  hat 
jeder  versuch  hoffnungslos  geschienen  historische  gestalten 
aufzusuchen  mit  denen  die  figuren  des  gedichtes  zusammen- 
hangen könnten,  und  je  gröfser  die  lebendigkeit  ist  mit  der 
die  bruchstücke  den  zustand  des  königreichs  Jerusalem  vor 
1187  vergegenwärtigen,  desto  mehr  hat  man  den  verlast  des 
ganzen  auch  wegen  geschichtlicher  aufklärungcn  die  es  viel- 
leicht enthalten  hätte  bedauert,  ich  gestehe  freilich  dafs  ich 
dieses  gefühl  nicht  theile  und  bei  der  sichtlichen  freihcit  der 
darstellung  nicht  glaube  dafs  wir  hier  für  kenntnis  der  that- 
sachen  irgend  ein  neues  gewonnen  hätten,  —  höchstens  sonst 


236  GRAVE  RUODOLF. 

schon  lestgeslelltes  hätte  schärfere  beleuchluug  erhalten  ;  — 
desto  lebendiger  ist  mir  aber  immer  der  umgekehrte  wünsch 
geblieben,  ob  nicht  trotz  alles  ungünstigen  Scheines  durch 
geschichtliche  Untersuchung  fernere  aufklärung  über  den  bau 
des  gedichtes  zu  gewinnen  wäre,  wie  weit  ich  nach  mei- 
nem dafürhalten  in  der  verwürklichung  dieses  Wunsches  ge- 
kommen bin  mögen  die  folgenden  bemerkungeu  darlegen: 
ich  stelle  fürs  erste,  um  die  nölhigen  vergleichungspunkte 
übersichtlich  zur  band  zu  haben,  den  inhalt  der  vorliegen- 
den fragmente  zusammen. 

König  Gilot  von  Jerusalem  gibt  ein  glänzendes  fest,  sich 
gegenüber  setzt  er  einen  herrn  aus  Flandern,  der  seinen  söhn 
au  der  seite  hat. 

Ein  pferd  ist  beim  zügel  gefafst  und  soll  weggeführt 
werden,  des  grafen  knappe  ApoUinart  wird  es  gewahr  und 
bringt  eilend  den  Faris  in  sein  behälter. 

Nachricht  von  einem  kriegszuge,  'wir  fiengen  einen  der 
das  schönste  ross  an  der  band  führte.'  —  habe  dank  männ- 
licher that"  u.  s.  w.  die  ritter  nehmen  nachtlager  und  zie- 
hen auf  Rudolfs  bitten  am  vierten  tage  nach  Jerusalem,  wo 
sie  mit  geläut  und  heiligthum  empfangen  werden,  am  fünf- 
ten tage  kommt  ein  böte  von  Scalun,  ich  war  da,  derselben 
bürg  also  nah  dafs  ich  sah  in  das  land.'  es  soll  krieg  ge- 
ben, Rudolf  ermahnt  zur  tapferkeit,  der  könig  dankt  ihm, 
herr,  ihr  seid  kommen  in  das  land  durch  gottes  ehre.' 

Vorgänge  bei  der  belagerung.  Girabobe  führt  von  der 
bürg  herunter  ein  gespräch  mit  Rudolf,  bietet  für  die  gefan- 
genen gold  und  silber,  das  Rudolf  zurückweist,  er  habe  ge- 
nug aus  seinem  lande  mitgebracht.  Girabobe  hat  die  weiber 
in  der  bürg  geschoren  und  in  waffen  gesteckt,  er  zeigt  jetzt 
diese  recken,  könig  Gilol  beüchlt  seinem  beergrafen*  die 
wachen  zu  henken  weil  sie  so  viel  volkes  in  die  bürg  ge- 
lafsen,  nimmt  darauf  aber  den  von  Girabobe  dem  grafen  vor- 
geschlagenen frieden  an.  alle  werden  feierlich  in  Jerusa- 
lem von  dem  cardinal  von  Bethlehem  und  andern  empfan- 
gen ;    Rudolf,  von  könig  berufen,    reitet   in  den  palast,    sein 

•  ich  glaube,  der  coniielablc  wird  gemeint  sein,  vcrgl.  seine  fun- 
•  tionen  lici  Canciani  5,   148. 


(;mave  ulodolf.  237 

adel,  seine  Schönheit  wird  gferühmt,  die  frauen  blicken  nadi 
ihm  in  niinne,  der  könig  ehrt  den  kindischen  beiden,  der 
gegen  arm  nnd  reich  gleich  liebenswürdig  ist  nnd  dem  könige 
gegenüber  wenigstens  nicht  blöde  auftritt,  schon  früher,  auf 
einen  ausriif  des  erstaunens,  ist  das  wahr?'  antwortet  er 
ihm  scharf  genug,  'denkst  du,  ich  sagte  was  ich  nicht  auch 
vernommen  hätte?'  jetzt,  als  Gilot  meint,  er  möchte  einen 
hofhalt  wie  den  des  kaisers  bei  sich  einführen,  lacht  Rudolf 
laut,  'was  denkst  du?  wessen  unterwindest  du  dich?  könige 
dienen  dem  kaiser,  dir  will  ich  guten  rath  geben  — .' 

Liebesscenen  zwischen  Rudolf  und  einer  darae,  wie  sich 
weiterhin  zeigt,  der  tochter  des  heidenkonigs  Halap,  an  des- 
sen hofe  sich  Rudolf  hier  befindet.  Gilot  sendet  aus  dem 
christenlande,  entbietet  dienst  und  minne  und  fordert  Ru- 
dolfs auslieferung  mit  gebundenen  bänden,  er  sei  untreu  im 
dienst  gewesen  und  habe  ihm  den  herzog  und  seinen  söhn 
benommen.  Halap  will  Rudolf  zu  gerichtlichem  Zweikampf 
stellen,  sonst  aber  nicht  ausliefern. 

Rudolf  kommt  zu  dem  beere,  das  mit  grofscr  Streitkraft 
vor  der  bürg  am  meere  liegt,  gelangt  mit  list  durch  das  be- 
lagernde beer  in  die  bürg,  richtet  die  gemüter  wieder  auf, 
und  als  Halap  zum  entsalz  herannaht,  macht  er  einen  aus- 
fall,  ohne  jedoch  anders  als  mit  flachem  schwxrle  auf  die 
Christen  zu  schlagen.  Gilot  erliegt  dem  Girabobe :  man  sieht, 
die  bürg  am  meere  ist  wieder  Scalun. 

In  Conslantinopel.  die  fürstin  weist  alle  bewerbungen 
des  griechischen  königs  zurück,  erhält  in  prachtvoller  taufe 
den  namen  Irmengart,  und  läfst  nur  immer  nach  Rudolf  for- 
schen, ob  er  noch  am  leben  sei.  Rudolf  liegt  in  einem  hause 
gefangen  aus  dem  er  mit  mühe  und  noth  entkommt,  gotl 
läfst  ihn  sehr  für  seine  missethat  büfsen.  elend  versteckt  er 
sich  in  einem  dornbusch,  manch  harter  schlag  war  ihm  ge- 
geben und  mancher  stofs,  liefe  wunden,  sehr  grofse,  hat  er 
gewonnen,  rücken  und  bauch  war  Ihm  geschlagen  dafs  es 
niemand  sagen  kann,    ein  Avundcr  dafs  er  am  leben  blieb. 

Rudolf  und  die  königin  enllliehcn  mit  ihren  schätzen 
heimlich  aus  Conslantinopel,  die  königin  wird  müde,  sie  ma- 
chen ihr  ein  lager  auf  blinnen,  IJouifail,  Hudolfs  ncfl'e,  be- 
reits  früher  ihr  kämmerer,  hall  wache.   Überfall  ^ on  räubeiii, 


238  GRAVE  RUODOLF. 

Rudolf  erwacht,  sielit  BonifaiL  und  fünf  räubcr  bereits  todt, 
erlegt  die  übrigen  und  beklagt  den  nelTen. 

Dies  ist  alles  was  uns  zur  begründung  irgend  einer  an- 
sieht vorliegt;    anfang   und    ende    sind  also  ganz  im  dunkel, 
und    auch    innerhalb    der    fragmente    selbst   sind   die   lücken 
höchst  wesentlich,    den  anfang  unserer  belrachtung,  wenn  sie 
nicht  ganz  im  blinden  rathen  soll,  niufs  eine  möglichst  genaue 
Zeitbestimmung   bilden,    und  ich   denke,  um  über  1187,   den 
allgemeinsten    termin,    hinauszugehen    wird   man  eine  Unter- 
scheidung  zunächst   festhalten   müfsen.     nämlich  Grimm  ge- 
winnt ein  zweites  datum  aus  Rudolfs  äufserung  dafs  könige 
dem  kaiser   dienten,    eine  thatsache  die  damals  nur  zur  zeit 
Wladislaws  von  Böhmen,    1158  bis    1173    vorgekommen  sei. 
aus    dem   gleich    anzuführenden    gründe   trage   ich  aber  kein 
bedenken   diese  crwähnung  nur  auf  rechnung  des  deutschen 
bearbeiters  und  nicht  einmal  des  französischen  Originals,  zu 
setzen :     dafs    die  handlung  des  gedichtes  selbst  nicht  in  die 
erwähnte    periode    passe   ergibt  die   einfache  bemerkung  dafs 
so  gut  wie  Jerusalem  christlich,  Ascalon  dort  saracenisch  ist. 
man  gewinnt  dadurch  nicht  mehr  1187  als  letzte  oder  1158 
als   früheste,    sondern    1153   als    äufserste  grenzbeslimmung, 
und   überhaupt   müfsen   die    händel   mit   dieser  Stadt,    die  im 
gediclile  eine  so   beträchtliche  stelle  einnehmen,  uns  auf  nä- 
here bestimmungen  führen,  es  ist  zwar  unmöglich,  aber  für 
unsere    zwecke    auch    nicht  erforderlich,    eine  würkliche  und 
förmliche    belagerung   Ascalons    durch    die   Franken   nachzu- 
weisen   die   den    kämpfen  Gilots    und  Girabobes    entspräche : 
es  wird   uns  vielmehr  darauf  ankommen  eine  periode  in  der 
geschichte  des  königreiches  aufzufinden  in  welcher  der  krieg 
gegen  Ascalon  eifrig  genug   geführt  wurde  um  einen  dichter 
darauf  aufmerksam  zu  machen  und  ihm  allgemeines  Interesse 
für    dessen    darstellung   zu  verheifsen.     gehen  wir  in  dieser 
rücksicht   die   einzelnen   rcgierungen    durch,    so  werden  wir 
zunächst  die  ersten  jähre  Balduins  I   von   vorn   herein   aus- 
scliliefsen  mülsen.  die  damaligen  kämpfe  mit  Ägypten  waren 
einmal  von  anderer  bedeutung,  ein  umfafscnder  krieg  zweier 
nationen,    wo    Ascalon    freilich   als    waffenplatz    seine  grofse 
wichtigkeil    hatte,    aber  niemand  daran   dachte  es  als  gegen- 


GRAVE  RÜODOLF.  239 

slaiid  des  slreiles  zu  betrachten;  zweitens  war  auch  der  er- 
folg ein  verschiedener,  die  Ägypter  wurden  abgewiesen,  waren 
darum  aber  nicht  weniger  übermächtig,  während  umgekehrt 
in  unserem  gedieh te  Gilot  zuletzt  eine  niederlage  erleidet, 
im  ganzen  aber  kräftig  genug  den  Ascaloniten  gegenüber  auf- 
tritt, später  erscheint  als  das  einzige  streben  Balduins  I  die 
besetzung  der  türkischen  seeplätze,  und  nur  in  seinen  letz- 
ten Jahren  versuchte  er  sich  in  abenteuerlichen  zügen  gegen 
die  ägyptische  grenze,  wobei  aber  gerade  Ascalon  nicht  im 
mindesten  berührt  wurde,  unter  Balduin  II  wurde  1125  ein 
einzelner  streifzug  gegen  die  Stadt  unternommen,  sonst  aber, 
durch  umstände  und  vielleicht  durch  richtige  einsieht  bewo- 
gen, gieng  die  normale  richtung  seiner  politik  in  abwehr  und 
fortschritt  durchaus  gegen  die  syrischen  und  mesopotamischen 
feinde,  von  Fulco  will  ich  sogleich  reden  und  vorher  be- 
merken wie  Balduin  III  zwischen  1143  und  1148  nur  den 
unglücklichen  zug  gegen  Boszra  versuchte,  wie  1148  könig 
Konrad  allerdings  die  belagerung  Ascalons  vorschlug,  selbst 
dorthin  gieng,  sich  aber  von  den  übrigen  fürsten  verlafsen 
fand,  worüber  sein  brief  an  Wibald  das  nähere  und  damit 
die  erkläruDg  des  Nie.  Ambian.  gibt,  dafs  die  iterata  fraus 
auf  die  Christen,  nicht  auf  die  Saracenen  geht,  also  zur  er- 
klärung  unseres  gedichtes  nicht  benutzt  werden  kann*,  dafs 
noch  weniger  als  dies  unternehmen  die  endliche  belagerung 
von  1153  im  grafen  Rudolf  gemeint  ist  erhellt  aus  dem  ziem- 
lich schlagenden  umstände  dafs  damals  Ascalon  erobert  wur- 
de, im  gedichte  aber  die  Christen  un verrichteter  sache  ab- 
ziehen müfsen. 

Nur  die  regierung  Fulcos  von  Anjou  ist  noch  zurück, 
und  hier  scheinen  sowohl  die  Verhältnisse  gegen  Ascalon  als 
die  zustände  im  allgemeinen  der  art  gewesen  zu  sein  um  in 
poetischer  bearbeitung  gebrochen  ein  bild  wie  das  unserer 
fragmente  abzuspiegeln,  das  auftreten  Emadeddin  Zenkis  würkle 
in  einer  den  syrischen  Franken  auch  sonst  geläufigen  weise  ; 
wo  ein  kralliger  gcgncr  auftrat  vermieden  sie  die  kämpfe 
mit  ihm,  statt  sie  zu  suchen  ehe  jener  völlig  erstarkte:  so- 
bald Zenki  seine  macht  in  Aleppo    gegründet  hatte  war  von 

•  ep.   VVit).    127. 


240  GRAVE  RUODOLF. 

clirisüiclier  seile  keine  rede  weiter  von  einer  offensive  gegen 
ihn  nnd  die  nordgrenze  überhaupt,  vielmehr  wandte  sich  die 
einzige  ihnen  nicht  abgenöthigte  thätigkeit  dem  jetzt  beinahe 
ungefährlichen  süden  zu.  nicht  mit  bewuster  planmäfsigkeil, 
sondern  jenem  factischen  Verhältnis  folgend  versuchte  man 
die  ersten  schritte  auf  dem  wege  der  1153  zu  der  einnähme 
Ascalons  und  1 168  zu  dem  angriffe  auf  Ägypten  führte : 
langsam  heranrückend  setzte  man  sich  fest  in  der  unigegend 
der  Stadt  und  engte  sie  durch  eine  reihe  starkbesetzter  ca- 
stelle  ein,  so  dafs  1138  die  Ascaloniten  nrhem  per  gyrum 
praesidiis  mexpugnahilibus  vallatnm  erblickten  und  in  völ- 
liger mutlosigkeit  darüber  an  den  chalifen  berichteten,  da  war 
1132  Baitnuber  (später  Richards  I  mehrmaliger  lagerplatz), 
dann  näher  1134  Bersaba,  1137  Ibelin,  1138  die  hohe  Blan- 
chegarde  befestigt  worden*,  von  deren  ihürmen  man  in  die 
Stadt  hineinsah  und  jede  kriegerische  rüstung  bemerkte,  nicht 
anders  als  der  böte  an  könig  Gilot  berichtet,  'ich  war  da, 
ich  sah  in  das  land.'  von  diesen  bürgen  wurden  die  wenn 
auch  unbedeutenden  doch  lästigen  plünderungen  der  Ägyp- 
ter gehemmt  und  ein  kleiner  krieg  ununterbrochen  gegen 
Ascalon  selbst  gerichtet;  der  könig,  der  pafriarch,  die  barone 
hatten  den  grundstein  der  castelle  legen  helfen ;  man  sieht 
wie  dies,  in  etwas  gesteigert  und  concentriert,  den  kämpfen 
des  gedichtes  vollkommen  entsprechen  muste.  und  in  der  that, 
die  kräfle  des  reiches  brachten  es  zu  wenig  resultaten  da- 
mals aufser  diesen  befestigungen :  abgesehen  von  den  folgen- 
losen zügen  nach  -Antiochien,  zu  denen  Fulco  sehr  gegen 
seinen  willen  geuöthigt  wurde,  weifs  Wilhelm  von  Tyrus 
nur  die  Vernichtung  eines  räubernestes  zu  erzählen,  einer 
befestigten  berghöhle,  wie  man  sie  auch  sonst  aus  syrischen 
kriegen  kennt,  der  punkt  war  berufen  wegen  seiner  festig- 
keit,  und  nur  die  ankunft  des  grafen  Dietrich  von  Flandern, 
ebenfalls  1138,  gab  den  mut,  seine  hilfc  den  ausschlag  bei 
dem    unternehmen :    ich  meine,    es    wird   auch  hier  nicht  zu 

'  diese  zeitl)e.sliiuinuii};('ii  weichen  von  Wilkeii  ai),  so  wie  (iee  in- 
hail  inelirerei"  soiisliffeii  behaiipliingen  von  ihm  und  den  übrigen  mir 
bekannlen  geschichleii.  ich  niuls  die  nähere  begriiiidiiiig  einem  andern 
orle  vorbehailen  und  beziehe  mich  nur  im  allgemeinen  auf  Wilh.  von 
T.    14. 


GRAVE   RUODOLF.  241 

gewagt  sein   in  den  anfangsworten  des  gedichtes  eine  renii- 
niscenz  an  diese  Vorgänge  zu  finden. 

Die  Wahrscheinlichkeit  hier  im  vierten  decennium  des 
Jahrhunderts  den  geschichtlichen  aufenthalt  des  grafen  Rudolf 
zu  entdecken  wächst  mir  aber  noch  in  weiterer  hinsieht, 
wie  Ascalon  und  Flandern  treffen  auch  die  griechischen  ein- 
fliilse  zu,  nicht  als  wären  sie  später  geringer  gewesen,  aber 
damals  tritt  durch  den  angriff  Kalojohannes  der  Wendepunkt 
ein  mit  dem  eine  neue  bedeutung  der  Byzantiner  für  Syrien 
beginnt,  seine  persönliche  tüchtigkeit,  nicht  minder  die  sei- 
nes Sohnes  Manuel,  war  den  dortigen  Franken  wohl  bekannt; 
das  unzweideutigste  zeugnis  darüber  legt  die  politik  der  kö- 
nige  von  Jerusalem  seil  dem  zweiten  kreuzzuge,  legt  ferner 
in  ausdrücklichen  worten  der  erzbischof  von  Tyrus  über  Ma- 
nuel ab.  wie  umfafsend  waren  nicht  Johannes  asiatische  plane 
als  Vertreter  der  Christenheit  den  islam  in  dem  kerne  seiner 
macht,  im  chalifate,  zu  vernichten;  dafs  die  erwartungen 
anderer  nicht  zurückblieben  ist  in  jeder  weise  anzunehmen, 
auch  dann  noch  als  nach  dem  stürze  der  Monkaditen  in  Schai- 
sar  die  eifersucht  der  Franken  seine  fortschritte  auf  Klein- 
asien beschränkte,  für  einen  dichter  der  von  vorn  herein 
nicht  das  detail  der  ereignisse,  sondern  ihren  kern  im  äuge 
hatte,  lag  demnach  stoff  in  hinreichender  weise  vor  um  einen 
conflict  zwischen  dem  kaiser  und  dem  rechten  haupte  des 
islam  zu  schildern ;  was  irgend  ein  emir  errungen  und  er- 
litten halle  wurde  auf  Zenki,  den  sanguinus  rex  Alapiae, 
den  könig  Halap,  übertragen,  —  ein  process,  der  sagenpoe- 
sie  so  geläufig  wie  kein  anderer;  —  mit  einem  worte,  so 
konnte  Halap  selbst  der  unterliegende  in  Schaisar  und  seine 
tochter  nach  (]onstantinopel  geführt  werden,  denn  von  einem 
ähnlichen  Standpunkte  gehört  die  bemerkung  hierher  dafs  ge- 
nau dieselbe  zeit  es  ist  in  der  die  ersten  geschiclilliclion 
nachrichten  über  liebesverhältnisse  zwischen  Christen  und 
Türkinnen  niedergeschrieben  wurden,  vor  1130  kenne  ich 
kein  beispicl  davon,  der  fanatismus  von  1097  verdammte  er- 
oberungen  dieser  art  statt  sie  zu  preisen,  jetzt  aber  wird  er, 
hier  wie  in  anderen  gebieten,  durch  die  gesetze  ritterliches 
und  sinnliches  wesens  gebrochen,  es  ist  eine  umwandelung 
auf  der  bedeutende  theile  der  syrisch -fränkischen  geschichte 
Z.  F.  D.  A.     II.  -  IC 


242  GRAVE   RUÜDOLF. 

beruhen,  liier  in  im  crer  frage  ist  es  Orderic  V  ilalis  der  in 
jenem  Zeitpunkte  die  belrefFenden  erzälilüngen  vernahm  und 
aufzeichnete;  man  mufs  die  erfolge  christlicher  ritlerschafl 
auf  diesem  felde  in  seiner  farbigen  darslellung  nachlesen  um 
sich  zu  überzeugen  welch  frische  popularilat  damals  diese 
dinge  im  abendlande  gehabt  haben  müfsen.  was  geschicht- 
liche Wahrheit  anlangt,  so  ergeht  es  ihm  dabei  natürlich  nicht 
anders  als  dem  Albert  von  Achen  in  seinen  mystischritter- 
lichen neigungen  ;  es  ist  einmal  unerlüfslich  die  beiden  mü- 
fsen auch  weibliche  herzen  und  nicht  blofs  feindliche  Schwer- 
ter besiegen ;  so  erfindet  sich  die  sage  ihr  detail,  wenn  sie 
es  nicht  vorfindet,  gelingt  es  uns  nach  sonstigen  indicien 
den  grafen  Rudolf  in  einer  geschichtlichen  figur  zu  entdecken, 
so  wird  darin  wenigstens  kein  beweis  gegen  die  identitäl 
liegen  dafs  ein  Verhältnis  der  arl  in  der  erzählung  etwa  des 
Wilhelm  von  Tyrus  mangelt. 

Fafsen  wir  alles  zusammen,  die  griechischen  geschich- 
ten,  die  liebe  zu  der  heidnischen  königin  erlauben,  Ascalon, 
könig  Halap,  der  graf  von  Flandern  führen  geradezu  darauf 
hin  den  stoft'  unseres  gedichtes  in  der  regierungszeit  Fulcos 
zu  suchen,  hiernach  wird  jetzt  schon  wer  einige  wifsenschaft 
dieser  periode  zur  band  hat  nicht  mehr  zweifeln  von  wel- 
chem ereignis  ich  reden  will ;  es  gibt  nur  eines,  so  viel  uns 
bekannt  ist,  bei  dem  sich  irgend  eine  möglichkeit  des  ver- 
gleichens  zeigt,  und  ob  ich  dies  eine  mit  recht  hierherziehe 
möge  der  leser  aus  der  folgenden  erzählung  beurlheilen,  in 
der  ich  die  vergleichungspunkle  mit  dem  gedichte  wörtlich 
nachAVilhelm  gebe,  im  übrigen  mir  aber  vorbehalte  mehrere 
fehler  und  unvollständigkeilen  des  autors  nachzubefsern. 

Es  ist  allgemein  bekannt  in  welchem  zustand  von  schwä- 
che könig  Philipp  1  die  cenlralgewall  Frankreichs  seinem 
nachfolger  Ludwig  biiiterliefs  :  eine  menge  sogar  der  kleinern 
barone  stand  in  olfener  Widersetzlichkeit  und  Ludwig  konnte 
anfangs  nicht  von  Paris  nach  Melun,  nach  Etampes,  oder  von 
Etampes,  von  Orleans  gelangen  ohne  sich  mit  diesen  caslel- 
lanen  herumzuschlagen*,     einer   der   berufensten  war   Hugo 

die  belege  dazu  finden  sich  beinahe  sämmllich  verzeichnel  bei 
Bouquet  12,  ind.  gcograph.  unter  Pitsaciitvi.  ich  bin  so  ausführlich 
weil  gerade  hier  Wilhelm  von  T.   14,   15  so  mangelhaft  ist. 


GRAVE  Rl  OÜOLF.  243 

t]berliard,  castellan  von  Pniset,  einer  bürg  nicht  weit  von 
Orleans,  der  scliöne  aber  der  rnchlose  von  Orderich  bezeich- 
net, der  keinen  kaulinann  des  weges  ziehen  liefs  und  mit 
einer  bände  verzweifelter  gesellen  die  ganze  umgegend  in 
schrecken  hielt,  in  vielfachen  kleinern  und  gröfsern  bändeln 
sehen  wir  ihn  schon  unter  Philipps  regierung,  das  bedeu- 
tendste war  dafs  er  im  jähre  1106,  als  Boemund  I  ganz  Eu- 
ropa zum  kriege  gegen  Alexius  aufrief,  seinem  bruder  Gui 
die  Verwaltung  der  chatellenie  übertrug  und  sich  dem  nor- 
mannischen beiden  anschlofs.  wir  begegnen  ihm  in  diesem 
kriege  mehrmals  in  ansehnlicher  Stellung,  er  spielt  eine  rolle 
l)ei  den  friedensverhandlungen,  besucht  nachher  Constantino- 
pel,  pilgert  nach  Jerusalem*,  und  kehrt  dann  wieder  zu  dem 
alten  treiben  in  die  heimat  zurück,  hier  war  indessen  Lud- 
wig zur  regierung  gekommen,  mit  dem  festen  entschlufse 
eine  befsere  Ordnung  herzustellen  ;  eine  bürg  nach  der  andern 
wurde  gebrochen  und  bald  genug  fand  sich  ein  anlafs  auch 
'Jen  herrn  von  Puiset  zu  beseitigen,  einmal  befreite  ihn  zwar 
graf  Theobald  von  Blois  und  Champagne  (zwischen  1115  und 
1123),  zum  zweiten  mal  aber  erlag  er  der  königlichen 
macht,  er  selbst  wurde  gefangen,  die  bürg  geschleift,  die 
besitzungen  eingezogen,  unter  diesen  umständen  suchte  er 
nun  von  neuem,  durch  mehrere  anläfse  eingeladen,  den 
Orient  auf;  könig  Balduin  II  war  sein  vetter  von  mütterlicher 
Seite",  ein  anderer  verwandter,  Walram  von  Puiset,  hatte 
sich  so  eben  in  glück  und  unglück  neben  dem  könige  aus- 
gezeichnet"*, genug  Hugo,  seine  gemahlin  Mamilia,  eine  ge- 
borene Roucy,  mit  ihm,  langte  in  Palästina  an  und  erhielt 
sogleich  die  grafschaft  Joppe  als  erblehn,  starb  aber  bald 
darauf,  und  Mamilia  brachte  Joppe  ihrem  zweiten  gemahle 
Albert,  einem  bruder  des  grafen  von  Namur,  zu.  aber  auch 
diese  beiden  starben  nach  kurzem  besitze,  und  nun  meldete 
sich  als  nächster  erbe  des  lehns  der  mann  auf  den  es  uns 
endlich  hier  ankommt. 

Mamilia  mufs  wie   1123    so  auch  schon  1106  ihren  ge- 
mahl  auf  seinen  fahrten  begleilel  haben,  wenigstens  läfst  sich 

Anna  Coinnenn   und   (hilci  iili. 
"  Wiih.  von  T.   I'i,    Ift. 
Ordnricli. 

16* 


244  GRAVE  RUODOLF. 

mir  so  die  angäbe  Wilhelms  retten,  dafs  der  jüngere  Hugo 
in  Apulien  geboren  und  bei  seinem  verwandten  Boemund  er- 
zogen worden  sei.  wann  er  überhaupt  nach  Syrien  gekom- 
men läfst  Wilhelm  unbestimmt,  sicher  ist  er  nur  dafs  er  nach 
dem  tode  seiner  mutler  (etwa  1127?  es  träfe  das  mit  seiner 
Volljährigkeit  nach  französischem  lehnrecht  iiberein*)  Joppe 
ohne  Schwierigkeit  erhielt  und  mit  könig  Balduin  stets  in 
gutem  vernehmen  stand,  hier  fahrt  nun  Wilhelm  in  folgen- 
der weise  fort,  mit  könig  Fulco  gerieth  der  graf  aus  ver- 
borgenen Ursachen  sehr  bald  in  hader ;  nach  einigen  soll 
Fulco  geargwöhnt  haben  Hugo  führe  zu  vertraulichen  ver- 
kehr mit  der  königin  31elisende,  wofür  in  der  that  gar  man- 
ches zu  sprechen  schien,  denn  der  graf  war  jung,  von  statt- 
lichem aussehn  und  zierlichen  formen,  ausgezeichnet  durch 
ritterliche  thaten  und  in  aller  äugen  beliebt,  mit  vollen  bän- 
den schien  die  natur  ihm  alle  Vorzüge  gespendet  zu  haben; 
ohne  zweifei  hatte  er  im  königreich  keinen  gleichen  an 
Schönheit  freigebigkeit  und  kriegerischer  erfahrung;  dazu  kam 
seine  nahe  Verwandtschaft  mit  der  königin,  der  tochter  Bal- 
duins  II. —  andere  freilich  widersprachen  jedem  gerüchte  die- 
ser art  und  behaupteten  das  allein  sei  grund  des  haders  ge- 
wesen dafs  Hugo,  etwas  hochfahrend  und  anniafsender  als 
billig,  gegen  den  könig  sich  weniger  unterwürfig  zeigte  als 
die  übrigen  fürsten  und  manchen  befehl  eigensinniger  weise 
vernachläfsigte. 

Hier  bleibe  ich  einen  augenblick  stehen  und  frage  ob 
man  sich  bestimmtere  ähnlichkeit  wünschen  kann  als  zwischen 
diesem  jungen  grafen  Hugo,  dem  schönsten  manne  des  rei- 
ches, der  den  könig  wie  seines  gleichen  behandelt,  dem  man 
die  liebe  der  königin  ebenso  zutraut  wie  die  ritterlichste 
tapferkeit,  und  unserm  kindischen  beiden,  unserm  Rudolf, 
der  den  Gilot  auf  jeden  zweifei  hitzig  zur  rede  setzt  und 
die  stolzen  ideen  des  königs  fröhlich  verlacht,  den  die  frauen 
minncn,  an  den  die  liebe  von  arm  und  reich  sich  heftet? 
auch  die  äufsern  Verhältnisse  stimmen:  Hugo  sowohl  als  Ru- 
dolf sind  eben  erst  aus  dem  abendlande  angelangt,  und  in- 
dem ich  mich  der  Verwandtschaft  mit  Balduin,  dem  belgischen 

die  unsicherhell  des  syrischen  isl  hinsichllich  dieses  punktes  aus 
Wilken  bekannt. 


GRAVE  RUODOLF.  2i5 

grafen,  eriiinei'e,  koinnic  ich  auf  Grimms  frage  zurück,  ob 
nicht  der  herr  aus  Flandern  oder  sein  söhn  etwa  Rudolf 
selber  sei,  geschichtlicher  weise  also  nicht  Dietrich,  sondern 
die  beiden  Puisets,  vafer  und  söhn,  deren  ankunft  der  dich- 
ter hier  nui'  zusammenfafste?  ich  lafse  es  dahingestellt;  es 
ist  gleichgülliger,  da  ja,  wie  wir  sahen,  sich  auch  für  Diet- 
rich geschichtliche  analogien  ergaben :  zunächst  folge  ich  der 
lauf  bahn  des  jüngeren  Hugo  weiter. 

Sein  eigener  Stiefsohn,  der  herr  von  Cäsarea,  wie  man 
sagte  auf  anstiften  Fulcos,  trat  gegen  ihn  auf  mit  der  klage 
auf  hochverrath ;  Hugo  forderte  ein  gericht  der  pairs,  dies 
aber  erkannte  auf  Zweikampf;  Hugo  blieb  aus  irgend  wel- 
chen gründen  aus  und  wurde  in  contumaciam  verurlheilt.  in 
dieser  noth  ergriff  er  eine  mafsregel  die  allerdings  damals 
ohne  beispiel  war  und  erst  in  den  letzten  Zeiten  des  reiches 
nachahmung  gefunden  hat,  die  Wilhelm  deshalb  mit  recht 
als  eine  unerhörte  bezeichnet,  er  warf  sich  den  Saracenen 
in  die  arme,  segelte  nach  Ascalon  und  bat  die  Ägypter  um 
hilfe  gegen  seinen  lehnsherrn.  der  vertrag  kam  zu  stände, 
Hugo  gieng  nach  Joppe  zurück,  wo  er  sich  befestigte,  die 
von  Ascalon  begannen  den  krieg  und  streiften  bis  Arsuf, 
Fulco  belagerte  den  grafen  in  Joppe ;  darauf  brach  auch  Tadsch 
el  Moluk  von  Damascus  los  und  eroberte  die  wichtige  grenz- 
stadt  Paneas,  deren  inhabcr  mit  den  übrigen  baronen  vor 
Joppe  stand*,  die  sache  gewann  gefähiliche  bedeutung  für 
das  ganze  reich,  denn  mit  Hugo  verbunden  war  auch  Ro- 
manus von  Puy,  herr  von  St  Abraham  und  besilzer  der 
transjordanischen  landschaft,  so  dafs  also  fast  die  ganze  süd- 
grenze sich  in  offne  feindschaft  gegen  das  reich  versetzt  hatte. 
Dies  nun  ist  Rudolf  bei  Halap,  der  letztere  stets  als 
repräscntanl  der  saracenischen  fürsten  überhaupt  genommen, 
Rudolf  und  (jirabobe  in  der  belagerten  bürg  am  meere,  mag 
nun  Ascalon  selbst   oder  Joppe  gemeint  sein,  die  niederlage 

*  dies  geschah  vurdemSIn  oct.  1133,  da  Abulf.  a.  527  davon  be- 
pichtet, da  nun  Fuleo  kurz  voriier  erst  aus  Antiociiien  zurück  gekom- 
men war,  nach  Wilh.  v.  T.  14,  10  ziemlich  gleichzeitig  mit  dem  tode 
des  Patriarchen  Bernhard,  so  fallt  der  streit  mit  Hugo  zwischen  juli 
und  november  1133  (nicht  1132,  wie  Wilkcn  hat).  Bernhard  starb  im 
36n  jähre  seiner  amlsfiihrunp  und   war  im  Juli    1098  eingesetzt. 


246  GRAVE  RUODOLF. 

Gilots  gegen  Halap,  der  einnähme  von  Paneas  durch  die 
Damascener  entsprechend,  wie  man  sieht  sind  alle  einzeln- 
heiten auf  das  freiste  bearbeitet,  das  gesammtverhältnis  da- 
gegen steht  in  unverändertem  lichte  und  man  kann  sich  leicht 
überzeugen  dafs  alle  abweichungen  dazu  dienen  sein  wesen 
nur  reiner  lebendiger  und  vollständiger  zu  entwickeln. 

In  jener   noth  nahm  sich  darauf  der  patriarch  Wilhelm 
der  Sache  an  und  bewog  beide  parteien  zu  der  Übereinkunft, 
Hugo  solle   drei  jähr   lang   freiwillig   das   reich  meiden,  der 
könig  die  grafschaft   so    lange  verwalten,  nach  ablauf  dieser 
Frist  aber  alles  vergeben  und  vergefsen  sein,     bis  zur  über- 
fahrt  gieng   darauf  Hugo   nach  Jerusalem  zurück,    und  hier 
trat  ein  Zwischenfall  ein  über  den  ich  wieder  den  erzbischof 
von  Tyrus  wörtlich  reden  lafse.    der  graf  spielte  würfel  auf 
dem  tische  eines  pelzhändlers  Alfani  vor  dessen  hause  in  der 
kürschnerstrafse,    als    ein  bretonischer  ritter,    den  jener  mit 
dem  spiele  beschäftigt  nicht  weiter  beachtet  hatte,  ihn  plötz- 
lich anfiel  und   vor  den   äugen   alles    Volkes   mit  hieben  und 
Stichen  auf  das  gefährlichste   verwundete,     sogleich  entstand 
ein  gewaltiger  auflauf,    der   ruf  der  nichtswürdigen  ihat  flog 
durch  die  Stadt,  alles  erhob  sich,   und  öffentlich  war  die  rede 
in  jedermanns  munde,    ohne    des  königs  mitwifsen  habe  das 
niemand  wagen  dürfen,   jetzt  sehe  man  des  grafen  Unschuld 
und  den  hafs  des  königs,  den  er  ohne  grund  trotz  aller  Ver- 
dienste auf  Hugo  geworfen  habe;  kurz  die  sache  des  grafen 
war  populär  mit  einem  male,  alle  schritte  gegen  ihn  wurden 
reiner   bosheit    zugeschrieben,     nun    entkräftete  Fulco  aller- 
dings die  meisten  dieser  vorAvürfe  durch  die  umsieht  mit  der 
er  die  Untersuchung   und    bestrafung  des  mordversuches  an- 
ordnete;  der  graf  blieb   in  Jerusalem   bis  zu  seiner  heilung 
und  verliefs  dann  das  land  in  tiefer  betrübnis,  theils  wegen 
der  zuletzt  erfahrnen  unbilde,  theils  weil  er  gezwungen  war 
seiner  besitzungen  beraubt  in  fremden  landen  hilflos  zu  bet- 
teln,    er  gieng  so  nach  Apulien,    fand  hier  an  könig  Roger 
einen  beschützer  und  erhielt  von  diesem  die  grafschaft  Gar- 
gana ;  indess  starb  er  eines  frühzeitigen  todes  ohne  Palästina 
wieder  gesehen  zu  haben. 

Zunächst  will  ich  hier  anknüpfen  an  das  aufsehen  wel- 
ches  Hugos  Schicksal  in  Jern.salem  gemarhl.   den  aniheil  den 


GKAVE  KUODOLF.  247 

alles  Volk  daran  j^enooimen  lial.  Fulco  erscheiul  durchaus 
in  gehäfsigem  lichte;  es  war,  wenn  dieser  Standpunkt  dich- 
terisch geltend  gemacht  und  die  gesiiinuug  des  königs  in  pla- 
stischen thatsachen  ausgedrückt  wurde,  wahrlich  ein  gerin- 
ger schritt,  zu  dem  mordversuch  das  gcfangnis  und  zu  Hugos 
traurigem  scheiden  die  äufseren  hedrängnisse  hinzuzufügen 
in  denen  die  Iragmenie  des  gedichtes  uns  den  grafen  Rudolf 
zeigen,  allerdings  steht  historischer  weise  Fulco  etwas  befser 
da  als  nach  dieser  annähme  Gilot  im  gedichte ;  es  kommt 
uns  aber  auch  viel  weniger  darauf  als  auf  die  nieinung  der 
zeitgenofsen  an,  und  hier  läfst  ja  Wilhelms  bericht  die  Sym- 
pathie des  Volkes  für  Hugo  deutlich  genug  erkennen,  man 
nehme  dazu  wie  vieles  in  Fulcos  würklicher  erscheinung  ein 
vorurtheil  dieser  art  begünstigen  muste,  die  schwäche  des 
alters,  die  planlosigkeit  der  regierung,  der  wunderliche  man- 
gel  alles  gedächtnisses,  endlich  in  Hugos  sache  der  ausgang 
selbst,  wo  es  zu  einer  gerichtlichen  feslstellung  des  unrech- 
tes niemals  kam,  —  und  die  entstehuug  eines  bildes  wie  es 
in  Gilot  erscheint  wird  nicht  weiter  in  Verwunderung  setzen. 

Eines  noch  will  ich,  da  die  fragmente  uns  hier  verlafsen, 
nicht  urgieren,  aber  wenigstens  erwähnen,  dieselbe  theil- 
nahme  wie  bei  dem  mordversuche  zeigt  Wilhelm  auch  bei 
dem  abscheiden  Hugos  aus  Palästina;  statt  ihn  einfach  von 
Joppe  nach  Brundusium  überfahren  zu  lafsen  nimmt  er  das 
Interesse  für  den  beltler  in  fi'emden  landen  in  anspruch.  wie 
wenn  das  gedieht  eine  hier  unmittelbar  sich  darbietende  ge- 
dankenreihe verfolgt  und  ausgebildet  hätte?  der  armut  helfen 
zwar  Irmengards  schätze  ab,  aber  die  Verbannung  bleibt; 
ehe  sie  in  die  neue  heimat  gelangen  ziehen  sie  von  land  zu 
land  und  sehen  die  nähe  und  die  fremde  unter  strengerem 
oder  milderem  geschicke.  wenigstens  käme  man  damit  auf 
kein  der  damaligen  literatur  fremdes  gebiet;  man  erinnere 
sich  an  herzog  Ernst  und  den  heiligen  Brandau,  und,  um  ein 
beispiel  unseres  kreifses  anzuführen,  an  die  ritler  Balduins  II 
bei  Orderic,  die  von  (ihorlberl  nur  durch  das  innerste  Asien 
nach  Antiochien  zurückkehren  können,  es  wäre  ein  motiv 
mehr  für  den  dichter  gewesen  gerade  dieses  Stoffes  sich  zu 
bemächtigen. 

lind  hiermit,  scheint  mir,   kann  ich  schliefsen.  ich  wüste 


248  GRAVE  RLüDüLF. 

kein  wesentliches  eleiuent  in  dem  gedichte  das  nicht  irgend 
einer  richtung,  einem  Verhältnisse  von  speciellerer  oder  all- 
gemeinerer bedeulung  in  der  angegebenen  zeit  entspräche, 
läfst  sich  dies  aber  bei  einem  historischen  gedichte  nachwei- 
sen, so  mufs  man  trotz  aller  abweichungen  anerkennen,  ein- 
mal dafs  der  dichter  die  richtige  Stellung  zwischen  geschicht- 
licher und  poetischer  Überlieferung  einzuhalten  versteht,  zwei- 
tens dafs  die  freie  ausbildung  des  einzelnen  nicht  mehr  als 
grund  gegen  die  identität  des  Stoffes  benutzt  werden  kann, 
und  hierauf  vor  allem  mufs  es  uns  ankommen :  was  die  ein- 
zelnen geschichtlichen  thatsachen  angeht,  so  ist  nur  das  eine 
erforderlich  dafs  sie  dieser  identität  nicht  geradezu  wider- 
spreciien.  das  wesentliche  und  positive  liegt  in  dem  beweise 
dafs  aus  der  historischen  begebenheit  als  ganzem  vermöge 
richtiger  ästhetischer  beliandlung  die  vorliegende  gestalt  des 
gedichtes  entwickelt  werden  konnte. 
BONN.  VON  SYBEL. 


WITEGE   MIT  DEM  SLANGEN. 

Sphragistische  aphorismen,  von  C.  P.  Lepsius.  erstes 
lieft  (aus  den  neuen  mittheilungen  des  thüring.  sächs.  Ver- 
eins besonders  abgedruckt)  mit  drei  steindrucktafeln.  Halle 
1842.  enthalten  schätzbare  beitrage  zu  der  siegelkunde  des 
mittelalters.  auf  der  zweiten  tafel  sind  in  sorgfältigen  nach- 
bildungen  siegel  der  schmiedezünfte  bekannt  gemacht,  wel- 
che besondere  aufmerksamkeit  verdienen,  das  gewöhnliche 
Siegel  dieser  gewerkschaften  enthält  die  natürlichsten  Sym- 
bole ihres  handwerks,  hammer  und  zange.  als  beispiel  ist 
das  Siegel  der  schmiede  zu  Stettin,  das  nach  der  form  der 
buchstaben  zu  urtheilen  in  die  mitte  des  14n  (15  ist  ein 
druckfehler)  Jahrhunderts  gehört,  merkwürdiger  sind  drei 
andere  von  den  schmiedezünften  zu  Halle  Mainz  und  Augs- 
burg, die  in  dieselbe  zeit  fallen  mögen;  das  hallische  ist  einer 
Urkunde  vom  j.  1327  angehängt  und  vielleicht  das  älteste, 
hier  ist  noch  zwischen  hammer  und  zange  jedesmal  eine 
schlänge  gesetzt,  welche  in  dem  mainzischen  und  augsbur- 
gischen eine  kröne  von  drei  spitzen   trägt,  die  in  jenem  sich 


WITEGE  MIT  DEM  SLANGEN.  249 

iu  kugeln,  iu  diesem  in  drei  blumen  oder  kleeblätter  endi- 
gen: in  dem  maiuzischen  ist  ferner  ein  gekrönter  adler  ne- 
ben die  Schlange  gestellt,  wie  ich  vermute  der  deutsche 
reichsadler.  statt  der  kröne  steht  in  dem  hallischen  ein  sechs- 
eckiger Stern  über  der  schlänge,  unter  derselben  aber  ein 
halber  mond.  diese  abänderung  erklärt  sich  daraus,  dafs  man 
das  hallische  Stadtwappen,  zu  welchem  diese  beiden  zeichen 
gehören,  noch  anbringen  wollte ;  der  slern  verdrängte  die 
kröne,  der  verfalser  hat  den  Zusammenhang  des  siegeis  mit 
der  alten  sage  von  Wieland  und  seinem  söhne  Wittich  rich- 
tig bemerkt  und  aus  einander  gesetzt,  ich  will  seiner  aus- 
fiihrung  einige  nähere  bestimmungen  beifügen. 

Die  Wilkinasage  beschreibt  an  zwei  stellen  (cap.  33. 
156)  Wittichs  rüstung.  sein  schild  war  weifs  und  mit  ham- 
mer  und  zange  von  rother  färbe  bezeichnet,  weil  sein  vater 
ein  Schmied  war,  und  über  diesen  zeichen  standen  drei  kar- 
funkelsteine, um  die  königliche  abkunft  seiner  mutter  anzu- 
deuten, sein  heim  von  dem  härtesten  stahl  war  mit  nageln 
beschlagen,  und  es  war  ein  giftspeiender  lindwurm  von  gold, 
den  man  schlänge  nennt,  darauf  eingegraben  (thar  var  d 
markadur  orrnur,  sder  slarigi  heitir  G.  33.  d  hans  hialmhetti 
er  skrifadur  ormur  qfraudigulti,  sd  er  sla/ig7  lieitir  c.  15G). 
dieses  zeichen  trug  er  auf  seinem  haupt,  damit  jeder  daran 
seine  tapferkeit  und  seinen  zornmut  erkennen  sollte,  auf 
saltel  wafFenrock  und  fahne  war  derselbe  lindwurm  ange- 
bracht. 

AVir  finden  hier  alle  cinzelheiten  des  schmiedesiegels. 
die  kröne  mit  drei  spitzen  und  den  kugeln  darauf,  welche 
dort  die  schlänge  trägt,  ist  ohne  zweifei  aus  den  drei  kar- 
funkelsteinen entstanden,  welche  über  haramer  und  zange  in 
dem  Schild  angebracht  waren,  die  schlänge,  da  sie  als  hclm- 
zeichen  nicht  auf  dem  schild  vorkommt,  scheint  unpassend, 
aber  diese  Verbindung  zeigt  sich  auch  in  einem  mit  den  sie- 
geln ziemlich  gleichzeitigen  gedieht,  in  Dieterichs  drachen- 
kämpfen (heldens.  268),  wo  das  zeichen  in  Wittichs  fahne 
beschrieben  wird,  ein  Immer  und  ein  zange  von  golde  rot, 
ein  nater  diu  ist  von  golde  (\.  ,si/öer)  wiz.  und  so  konnte 
die  sage  oder  ein  Volkslied  die  schmiedezunft  veranlafsl  ha- 
ben sich  durch  aufnähme  der  schlänge  in  ihr  siegel,  die  einen 


250  WITEGE  MIT  DEM  SLANGEN. 

der  bci'iiliintesteii  beiden  mit  ihrem  Handwerk  iu  Verbindung 
brachte,  zu  verherrlichen,  die  dänischen  kjämpeviser  (1,4. 
18.  80)  unterscheiden  aber  noch  bestimmt  den  schild  mit 
hammer  und  zange  (der  drei  karfunkelsteine  geschieht  hier 
keine  erwähnung)  von  dem  heim. 

In  den  dänischen  liedern,  wie  in  dem  schwedischen  (bei 
Arwidsson  1,  16)  wird  der  heim  Blank  genannt,  seltsam  ist 
diese  Verwendung  des  adj.  für  einen  eigennamen,  aber  sie 
bestärkt  mich  in  der  Vermutung  dafs  er  aus  Slange  entstan- 
den ist,  weil  man  diesen  namen  für  einen  heim  sich  nicht 
zu  erklären  wüste,  es  würde  damit  stimmen  dafs  in  dem 
ältesten  Zeugnis,  im  Biterolf  (heldens.  147.  148),  der  heim 
selbst  Limine  heilst,  wenn  ich  dieses  unverständliche  wort 
durch  lind  wurm  richtig  erklärt  habe,  die  stelle  im  jüngeren 
Titurel  (heldens.  173),  IFitege  mit  dem  slangen  entscheidet 
hier  nichts. 

Freilich  konnte  der  ganze  heim  den  namen  Slange  füh- 
ren, wenn  eine  schlänge  darauf  eingegraben  war,  aber  eine 
stelle  in  dem  gedieht  von  Ecke  nach  der  bearbeitung  Kaspars 
von  der  Röhn  (heldens.  226)  leitet  mich  auf  eine  weitere 
Vermutung.     Ecke  spricht  hier  zu  Dieterich  von  Bern 

' —  hell,  loiltii  mich  bestdn? 

der  heim  und  den  ich  iijfe  hdn, 

den  wirkt  JVielant  vdt  sitten, 

in  sanl  ein  künec  her  über  mer  .- 

er  revacht  ein  kdnecrich  mit  der  wer. 

guldin  ist  er  in  mitten. 

nii  Idz-  dir  von  dem  hclme  sagen, 

ob  dich  dar  nach  belange. 

er  ist  so  meisterlich  beslagen, 

guldin  sint  im  sin  spange; 

dar  171  verwirkt  ein  wurmes  schal. 

stoie  vil  man  swert  drüf  slüege, 

da  von  gewint  er  doch  kein  mal. 
diese  slrophe  iiudet  sich  nicht  in  dem  lafsbergischen  text 
(wiewol  Str.  78  von  dem  heim  die  rede  ist),  noch  in  dem 
slrafsb.  und  augsb.  druck,  allein  Kaspar  von  der  Röhn  hat 
sie  ohne  zweifei  in  seiner  quelle  vorgefunden,  zwar  ist  nicht 
von  dem   heim   Willichs  die  rede,  aber  doch  von  einem  den 


WITEGK  MIT  DEM  SLANGEN.  251 

Wieland  geschmiedet  hat  und  der  ganz  gleicher  art  scheint 
gewesen  zu  sein,  nicht  eine  schlänge  war  als  zeichen  dar- 
auf eingegraben,  sondern  die  schuppige  haut  einer  schlänge 
hinein  verarbeitet,  die  dem  stahl  die  übernatürliche  stärke 
verlieh,  so  dal's  kein  seh  wert  nur  eine  spur  darauf  zurück- 
lafsen  konnte :  wie  die  dänischen  lieder  (1 ,  28)  sich  aus- 
drücken, 'viele  Schwerter  waren  darauf  zerbrochen.'  mir 
scheint  es  aber  angemefsner  dafs  Wieland,  der  ein  alp  ist 
(heldens.  388.  389),  dem  heim  übernatürliche  kräfte  verleiht, 
als  ihn  mit  zierrat  schmückt.* 

Kannte  man  überhaupt  in  früherer  zeit  den  helmschmuck? 
er  scheint  mir  erst  im  13n  jh.  aufgekommen  zu  sein,  das 
bild  auf  der  spitze  des  heims  finde  ich  zuerst  bei  Wolfram 
(Parz.  39,  16.  736,  10.  739,  16)  und  bei  Wirnt,  der  es  diu 
zimier  nennt;  uf  keimen  diu  lieht  schinenden  mal  Nib. 
1943,  4  (in  einem  späteren  lied)  scheinen  dasselbe  zu  be- 
zeichnen (vgl.  Andreas  und  Elene  s.  92),  könnten  aber  auch 
auf  zierrat  an  der  seite  gedeutet  werden,  in  den  gedichten 
des  12n  jahrh.  habe  ich  nichts  dahin  bezügliches  gefunden. 
im  Rolandslied,  da  wo  der  heim  Venerant  beschrieben  wird 
(117,  7  — 16),  wäre  gelegenheit  dazu  gewesen,  auch  in  den 
bildern  zu  der  pfälz.  handschrift  sind  die  heline  ganz  einfach 
und  schmucklos  :  nur  kaiser  und  könige  tragen  zugleich  die 
kröne,  die  aber  nicht  auf  der  spitze  des  heims  sitzt,  son- 
dern die  stirne  umgibt.  Waltharius  334  imposuit  cnpiti  rubras 
cum  casside  cristas  stammt  wohl  aus  Virgil. 

Demnach  wäre  glaublich  dafs  in  den  früheren  sagen  (die 
von  Wieland  gehört  zu  den  ältesten)  der  vater  seinem  söhne 
einen  heim  schmiedete  dessen  kraft  nicht  blofs  in  dem  stahl 
lag  sondern  zumeist  in  der  eingewürkten  schlangenhaut.  es 
wäre  nicht  das  erste  mal  dafs  in  der  späteren  quelle  sich 
das  ursprüngliche  allein  erhallen  hätte. 

Endlich  noch  ein  zeugnis  von  der  Verbindung  des  hand- 
werks  mit  der  sage,  das  älter  ist  als  jenes  siegel.  in  einer 
Urkunde  vom  jähr  1262  (Lang  regesla  boic.  3,  181)  steht 
juxta  domum  ]Velandi  fabri.  möglich  dafs  ein  schmied  sich, 

Vulcanus  ist  {^otl  der  schmiede,  selbst  schmied,  und  lahm  wie 
Wieland,  dessen  profsvater  oder  ahnherr  \  ili<inus  in  irpend  einem  be- 
zog stehen   miils  zw  Vulkan.     JACOli  GHIMM. 


252  VVITEGE  MIT  DEM  SLANGEN. 

oder  das  volk  ihm,  den  altberühmten  namen  beigelegt  hätte; 
mein  bruder  glaubt  dafs  nach  herkömmlicher  sitte  an  dem 
haus  ein  bild  von  Wieland   gestanden  habe. 

WILHELM  GRLMM. 


SCHON  MEHR  ÜBER  PHOL. 

Neueutdecktem  pflegt  sich  bald  auzuschliefsen  was  vor- 
her, weil  alle  beziehung  fehlte,  noch  unbeachtet  blieb,  so 
auffallend  der  heidnische  name  Phol  zuerst  erscheinen  muste, 
bietet  er  sich  glücklicherweise  an  andern  stellen  weiter  dar, 
und  alle    zweil'el  über  seine  mythische  echtheit  schwinden. 

Das  wichtigste  ist  dal's  die  traditiones  fuldenses  und  pa- 
tavieuses  ihn  in  uralten  ortsnamen  gewähren ;  glänzendes 
zeichen  für  die  nolhwendigkeit  diese  sprachquelle  sorgfältig 
zu  erforschen. 

In  den  fuldischen  Verzeichnissen  begegnet  bei  Schannat 
s.  291  no  85  die  merkwürdige  stelle  JVidcrolt  comes  tradi- 
dit  sa?icto  Bonifacio  quicquid  propjnetatis  habuit  in  Pho- 
lesbrunnen  in  provincia  Tin^ingiae* .  Pholesbrunno  ist  das 
heutige  dorf  Pfuhlsborn  unfern  der  Saale,  von  den  Städten 
Apolda  Dornburg  (dem  alten  Doringeburc)  und  Suiza  gleich 
weit,  etwa  anderthalb  stunden  abgelegen**,  man  wird  aber 
aufserdem  denken  dürfen  an  Falsbrunn,  Falsbro7in,  auf  dem 
Steigerwald,  ander  rauhen  Eberach,  zwischen  Troisdorf  und 
Theinheim,    auf  würzburgischem    boden,  nicht  fern  von  der 

*  meinem  freunde  Dronke,  der  auch  den  codex  verglichen   und  die 
lesart  genau  so  gefunden  hat,  verdanke  ich  diese  miltheilung, 

"  slaatshandbuch  des  grofsherzogthums  Sachsen-Weimar  1840  s.  138, 
in  noch  ungedruckten  Urkunden  des  kloslers  Hausdorf  erwähnt,  eine 
undatierte,  etwa  zwischen  1285  und  1310  ausgestellte  hat  Lndolphus 
de  Phubborn;  eine  von  135G  doniiniis  Heinricus  de  Phulsborn,  eine 
von  1302  llenricus  dictiis  Schonehiife  plebantis  in  Pfolczbiirn,  vergl. 
Schmidt  die  Lobdaburg  bei  Jena  (Jena  1840)  s.  126.  in  der  ehemali- 
gen voglei  Dorla  (im  kreifse  Mühlliausen)  kommt  eine  w  üstung  Pfuhl- 
rode vor  (Fiirslemann  neue  mitth.  2,  272)  oder  Ftilrode  (Wolf  gesch, 
des  Eichsfeldes  1,  104).  das  dorf  Pful/endorJ'  bei  Gotha  (gewöhnlich 
Foliendorf  genannt)  heifst  in  urk.  des  14n  jh.  Phtilsdorf.  PfuHendorJ 
und   PJ'iillingen  in  Schwaben  sind  bekannt. 


PHOL.  253 

bambergischcn  grenze,  ungefähr  in  der  riclitung  zwischen 
Eltmann  am  Main  und  Schliilselfeld :  zwar  in  einer  später 
zu  Franken  gerechneten  gegend,  doch  früher  konnte  er  wie- 
derum zu  Thüringen  gehören,  das  sich  südöstlich  noch  wei- 
ter, bis  ins  bairische  gebiet,  erstreckte. 

Den  andern  gleich  beziehungsvollen  namen  liefern  mir 
die  traditiones  patavienses  in  einer  zwischen  774  und  788 
fallenden  Urkunde,  Pholesauwa" .  späterhin  wird  Pholesowe, 
Pholisoire  gefunden  ";  und  es  ist  das  jetzt  noch  bestehende 
dorf  Pfalsati  (auch  Pfahlso  geschrieben)  im  niederbairischen 
landgerichte  Griesbach,  pfarrei  Höhenstadt,  etwa  vier  stun- 
den von  Pafsau  liegend. 

Schwerlich  ist  der  genitiv  eines  dieser  namen  auf  einen 
menschlichen  eigner  oder  besilzer  zu  deuten,  bei  der  gro- 
fsen  Seltenheit  des  eigennaniens  Phol,  den  wie  Wuotan,  Do- 
nar sterbliche  sich  beizulegen  anstand  nahmen,  dürfen  sie  uns 
verschollenen  Pholsdienst  bezeugen,  und  dem  gewicht  der 
einzelnen  Zusammensetzung  wird  durch  das  übereintreffen 
der  beiden  siciilbar  hinzugefügt. 

Pholesbrunno  wird  also  mythisch  gefafst  werden  müfsen, 
nicht  wie  Hrabanes  prunno  (Eccard  Fr.  or.  1,  674),  Litl- 
lanbrunna  (Lüntzels  Hildesheim  s.  22),  Botmbru/mo,  Scal- 
chobrufüio,  Hapnchopru/uio,  und  solcher  örtlichen  benennun- 
gen  mehr,  des  gottes  Verhältnis  zu  dem  brunncn  verstehen 
wir  freilich  nicht,  in  der  nordischen  mythologic  kommen 
aufser  ßalders  brunnen  auch  Mhnisbrunnr  und  Urdarbrumir 
vor,  der  quell  in  welchen  Odin  dem  weisen  Mimir  sein  äuge 
zu  pfand  setzte  und  das  heilige  wafser  der  norn.  wie  wenn 
Phol  und  Mimir  in  naher  berührung  ständen?  der  letztere 
ist  dem  nordischen  glauben  wo  kein  gott,  doch  ein  göttliches, 
erhabnes  wesen,  bei  welchem  selbst  Odin  sich  rathes  zu  er- 
holen nicht  verschmäht,  ja  es  scheint  dafs  Odin  und  31imir 
dem  begriffe  nach  einigemal  in  einander  übergehn.  man  hat 
hier  die  benennungen  Vidritiimir,  ndn'r,  Heiddmpnir  und 
Hoddropnh'   zu  erwägen.     Sa.'m.  195'"  werden  lleiddraup/ns 

*  M.  B.  vol.  28  pars  2  n»  23  5  das  im  reiclisarchiv  zu  München 
liegende  diploin  schreibt  j)holcfauuua. 

"  M.  B.  28,  2  s.  30  n»  33.  29,  2  s.  263 ;  daselhsl  s.  'l(,\ 
i»  einer  tradition  des  12n  jh.  Unclt  de  pliulsu. 


254  PHOL. 

haus  und  Mhnishüßid  hinter  einander  genannt,    ein  Pholes- 
houbit  wäre  nur  erst  aufzufinden. 

Auch  die  Zusammensetzung  mit  aue  eignet  sich  ganz  zu 
der  annähme  eines  altheidnischen  cultus,  nicht  nur  auf  ber- 
gen wurden  die  götter  verehrt,  auch  auf  inseln  oder  von  bä- 
chen  und  flüfsen  eingeschlofsnen  auen,  da  wo  fruchtbare  wie- 
sen trift,  Wälder  schatten  gaben,  so  das  castmn  nemus  der 
Nerthus  in  insula  Oceani,  so  Fosetes  land  mit  seinen  weiden 
und  quellen  (mythol.  s.  144).  nach  nordischen  götteru  hei- 
fsen  Oäinsey  (Onsöe)  in  Norwegen  (fornmannasögur  12,  33) 
und  Oäinsey  (Odensee)  auf  Fiihnen,  sonst  auch  Odinsv4 
(ve  heiligthum,  geweihter  ort)  benannt;  pursey  (wäre  ahd. 
Donaresouwä)  fornmannasögur  7,  234.  9,  17;  Hlesay  (Läs- 
söe  im  Kattegat);  vielleicht  Niariey  (f  Niardarey)  fornm. 
sog.  2,  6.  3,  593  ;  andere  mehr,  wie  gerichte  und  Zweikämpfe 
häufig  auf  auen  und  inseln  statt  fanden,  scheinen  sich  auch 
die  christlichen  kirchen  gern  solche  platze  auserlesen  zu  ha- 
ben, eine  menge  klosteruamen  in  Deutschland  gehn  aus  auf 
-aue,  z.  b.  Reichenau  in  Alemannien,  Breitenau  in  Hessen, 
ein  hersfeldisches  nonnenkloster  zu  Aue  an  der  Geisa  wurde 
von  abt  Ludolf  nach  Blankenheim  an  die  Fulda  verlegt; 
merkwürdig  wird  in  einem  gedieht  des  13n  jh.  vom  nonnen- 
kloster Aldenburg  in  der  Wetterau  bei  Wetzlar  der  ausdruck 
gebraucht  in  der  megde  omve  (Diut.  1,  357).  nun  können 
solche  auen  aufser  nach  göttern  auch  nach  beiden  oder  spä- 
teren eigeuthümern  genannt  sein,  wie  z.  b.  im  Norden  Sdm- 
sey,  Vißlsey  nach  Sunir  und  Vißll,  oder  jene  Reichenau 
(Augia  dives)  früher  Sifitleozesomoa,  nach  einem  gewissen 
Sintleoz",  augiae  insulae  dominus,  hiefs,  der  seine  besitzung 


■  schlechtere  formen  Sintluz,  Sinllar,  Sindloch,  stehen  Pertz  5, 
147.  Eccard  Fr.  Orient.  1,  348,  das  allein  richtige  Sintleoz  sichert 
Neugart  episc.  Constant.  s.  536  und  cod.  dipl.  Alem.  n"  188  (a.  816). 
diesen  eigennamen  durfte  GralT  4,  1123  nicht  unter  HL  bringen,  ihm 
gebührt  gleich  den  übrigen  Adallioz,  lieginleoz,  ff^olßeoz,  Hriiodleoz 
ein  reines  L,  wie  die  vergleichung  des  bekannten  isländischen  Ulßiotr 
zr  fVoIßioz  lehrt,  das  altn.  adj.  liolr  lurpis,  deformis  oder  was  es 
eigentlich  bedeutet  halic,  inufs  also  auch  in  einem  ahd.  lioz,  leuz  auf- 
gestellt werden,  und  in  einem  golh.  Huts,  wovon  liiila  hypocrita,  ver- 
sutus.  dolosus. 


PHOL.  255 

der  kirclie  hingab,  allein  wie  bei  Pholeshruniio  isl  auch  bei 
Pholesouicn  die  ainvoiidiiiig  auf  den  golt  vorzuziehen. 

Ich  wüste  den  cigcnnamen  Phol  als  menschlichen  wie- 
der   nur   aus    einer  andern  Urkunde  der  Irad.    fuld.    (Pislor. 

1,  142)  anzuführen,  wo  sigiium  Volea  steht,  Schannats  ab- 
druck  no  483  aber  Vuoles  liest,  weder  JVol  noch  Vuol  z=: 
Fuol  erscheinen  sonst,  aber  l^ol  ■==:■  Phol  befremdet  nicht, 
Dronkes  fuld.  giossen  liefern  phuoza  pedes  f.  vuoza ;  so  wird 
noch  später  gar  oft  z.  b.  /?/tzVÄe=:zJzcÄe  geschrieben  (weislli. 

2,  290),  Phumbei^g  neben  Vüncmhers^  (Böhmers  cod.  fran- 
cof.  no  61.  74).  dennoch  mufs  das  beinahe  festgehaltene  i'H 
in  Phol  Pholeshrunno  Pholesovirn  bei  künftig  einmal  zu 
versuchender  deutung  des  namens  angeschlagen  werden. 

Darum  sei  noch  eines  andern  eigcnnamens,  wenn  schan 
unsicher,  gedacht.  Resch  annales  ecclesiae  sabionensis  (Se- 
hen, später  Brixen,  in  Tirol)  liefern  3,  672  den  seltsamen 
mannsnamen  Heitphol,  in  einer  conimutatio  inier  Albinum 
cpiscopum  et  Oudalricum  (aus  dem  lOn  jh.).  die  anmerkung 
728  zu  dieser  Urkunde  gibt  jedoch  Heitphoc,  wodurch  mau, 
wenn  zweimal  verschi'ieben  wäre,  auf  die  lesart  Heitpholc 
geräth,  und  in  der  that  enthalten  andere  bairische  Urkunden 
Heitfolcus  (Ried,  n«  40  a.  848),  Heidfolch  (Ried,  n"  72 
a.  890),  //e/f//ü/c  (31eicliclbeck  n"  63i),  Heidjloc  yMc\Q\\e\h. 
n"  502),  Heitvolc  (Längs  reg.  3,  15  a.  1251).  man  vergleiche 
Sigffolc,  Sigißoc  (Meichelb.  n"  427.  663).  /ÖA-,  obgleich  den 
begrif  von  agmen,  cohors  ausdrückend,  könnte  doch  wie  das 
entsprechende  slavische  polk,  pluk  in  mannsnamen  vorkom- 
men ;  das  zeigt  der  berühmte  name  Svatopolk,  Sratopluk, 
Zuenlepolch,  ja  die  Versetzungen  polk  und  pluk,  Heitfolc, 
lloitßoc,  SigiJ'olc,  Sigijloc  rechtfertigen  einander,  das  ahd. 
heit,  ags.  had  bedeutet  ordo,  ordo  sacer,  religio,  das  altn. 
hcidr  honor,  dignilas,  und  erinnert  man  sich  der  eddischen 
nymphe  Heidr,  der  mythisclien  namen  Heidrün,  Heiddropnir, 
so  gliche  unser  Ilciljblc  dem  slav.  Smtopolc  (d.  i  agmen 
sacrum)  aufs  haar,  aber  selbst  die  form  Heitphol  lafse  ich 
noch  nicht  fahren,  sondern  halte  für  möglich  dal's  phol  und 
pholc  sich  berührten,  und  halte  die  versuchte  Zusammenstel- 
lung zwischen  Phol  und  Mimir  irgend  grund,  so  würde  selbst 
Heitphol  gemahnen  an  Hi'iddropnir. 


256  PHOL. 

Aber  noch  stärker  Pholesbrunno  an  Balder,  und  die 
gleich  nach  dem  ersten  eindruck  des  gefandnen  denkmals 
behauptete  identität  zwischen  Phol  und  Balder.  denn  von 
jenem  Baldersbrunnen,  mit  dessen  wafser  der  siegreiche  gott 
sein  durstendes  beer  labte,  weifs  ja  Saxo  grammaticus  s.42, 
noch  heute  führt  BaMershrönd  zwischen  Kopenhagen  und 
Roskilde  den  namen ;  sollten  nicht  andere  örter  mehr,  auch 
des  innern  Deutschlands,  dafür  zeugen?  Chmels  regesta  Ru- 
perti  n«  1069.  1074.  1836  aus  späten  Urkunden  von  1400. 
1404  haben  ein  Baldehruji^  Baldeburn  unweit  Hagenau,  das 
aus  Baldeshrunn,  Baldershrunn  verderbt  sein  könnte*,    und 

"  ['Baldebrunno  auf  der  Eifel'  erwähnt  Gratf  3,  311,  leider  wie 
gewöhnlich  ohne  angäbe  seiner  quelle,  ich  schliefse  hier  eine  unge- 
druckte Urkunde  an  welche  zu  der  deutung  von  Baldebrunn  aus  Bal- 
dersbrunn  ein  ähnliches  beispiel  gibt,  sowie  die  nachfolgenden  bemer- 
kungen  verdanke  ich  sie  der  gütigen  mittheilung  des  hn  hofrath  Gers- 
dorf. 'In  nomine  sancte  et  individue  trinitatis  amen,  nos  Eckinhar- 
dus  burggraßus  dominus  de  Sfarkinberch  Omnibus  Christi  ßdelibiis 
hanc  literam  visuris  in  perpetuum.  quoniam  ad  modum  aque  de- 
ßuentis  mundi  huius  ßgura  praeterit  seci/m  rapiens  in  obliuio7iem  re- 
rum  gestarum  memoriam  necesse  ntique  est  ut  quq  memoria  indigent 
quibtis  subsistant  indiciis  muniantur.  unde  et  presenti  indicio  per- 
lienni  constare  voluimus  nocioni  quod  quidam  noster  ßdelis  Rinkerus 
de  Baldershain  obtento  super  eo  consensu  seniorum  ?iostrorum  et  no- 
sfro  quidam  ex  his  qu^  de  iam  dictis  senioribus  nostris  et  a  nohis 
nomine  feudi  habuerat  duodecim  videlicet  agros  cum  lignis  sitos  in 
campo  iuxta  villam  Hartinrode  quorum  longitudo  perienditur  a  pra- 
tis  vill§  in  Lntlmünshain  usque  ad  agros  illorum  in  Hartinrode.  la- 
tifudo  vero  a  metis  lignorum  Tnarchionis  rustici  de  Frankenowe  usque 
ad  semitam  qua  itur  de  Lutwinshain  in  Hartinrode  in  dotem  perpe- 
tiiani  ecclesi§  Korbisen  vendidit  legitime  etc.  testes  huius  rei  sunt 
nobilis  vir  auunculus  noster  Heinricus  iunior  aduocatus  de  Plane,  do- 
vnnus  Rewse  auunculus  noster  de  Gera  etc.  datum  in  Starkinberch 
anno  dni  m.  ccc.  xxvii.  vi.  Idus  lunii.  —  Baldershain,  jetzt  ßalden- 
hain,  ein  zum  herzogthum  Altenburg  gehöriges  dorf,  liegt  in  einer  sehr 
fruchtbaren  von  laub-  und  nadelholzwaldungen  vielfach  durchschnitte- 
nen gegend  am  anfang  des  sogenannten  Reichstädler  grundes,  andert- 
halb stunden  von  Ronnebnrg,  zwei  stunden  von  Gera,  an  der  ehema- 
ligen strafse  von  Gera  nach  Allenburg.  die  in  der  Urkunde  genannten 
dörfer  sind  sämmtlich  nur  ungefähr  eine  halbe  stunde  nach  osten  Süd- 
osten und  Westen  davon  entfernt,  in  alter  zeit  gehörte  Baldershain 
unstreitig  zum  gau  Geraha,  nicht  zum  gau  Plisni.  —  sollte  nicht 
auch     in    der     nähe    des    Thüringer    waldes    oder    in    Oberfranken    ein 


PHOL.  257 

weitern  sich  hier  blicke,  nicht  nur  auf  die  jüngeren  sagen 
von  Karl  dem  grolsen  (myth.  s.  103.  104),  der  uns  mit  glei- 
chem fug  Wuotan  wie  Balder  verträte,  sondern  selbst  auf 
Castor  und  Pollux  im  hain  der  Nahanarvalen  bei  Tacilus 
(Germ.  43)?  den  Pollux  kürzen  eidschwüre  in  Pol,  dafs  er 
unserm  Phol  ganz  ähnlich  wird,  und  die  römischen  Casto- 
res  erscheinen  am  brunnen    der  Juturna  rosse  tränkend. 

Halten  wir  das  gewissere  fest,  dafs  Phol  nach  Thürin- 
gen gehörte  bestätigt  nun  Phokshrunno  einleuchtend,  Pho- 
lesouwa  weist  auf  Baiern,  Hcäphol  noch  südöstlicher.  Thü- 
ringen und  Baiern  (oder  alterthümlicher  ausgedrückt,  Her- 
munduren und  Markomannen)  verehrten  also  diese  goltheit; 
ob  andere  deutsche  stamme,    ist  uns  noch  verborgen. 

JAC.  GRIMM. 


DIE  UNGLEICHEN   KINDER  EVAS. 

Hans  Sachs,  dessen  poesie  am  reinsten  und  eigensten 
in  den  fabeln  und  schwanken  waltet,  deren  slolF  und  umfang 
seiner  lebenserfahrung  und  ganzen  sinnesart  am  meisten  ent- 
sprach, hat  einen  lieblichen,  dem  hauptinhalt  nach  ihm  be- 
reits Überlieferlen  mythus  dreimal  verschiedentlich  behandelt, 
zuerst  1553,  23  sept.,  in  dem  spiel,  wie  der  herr  Evae  kin- 
dcr  segnet  (band  3  iheil  1  bl.  243),  dann  1553,  6  nov.  in 
der  comedie  der  ungeleichen  kinder  Eve  (band  1  theil  1  bl.  10 
— 18),  endlich  1558  in  dem  schwank  von  den  ungleichen 
kindern  Eve  (band  2  theil  4  bl.  83),  jedesmal  trefflich  und 
ausgezeichnet,  doch  wird  man  kaum  anstehen  der  letzten 
undramalischeu  erzählung  noch  den  vorzug  zu  geben,  es  ist 
darin  alles  abgerundet  und  bis  ins  einzelne  vollendet,  der 
dichter  scheint  von  dieser  fabel  gar  nicht  ablafsen  zu  kön- 
nen und  wicderholentlich  band  an  sie  zu  legen  um  ihr  end- 
lich die  gelungenste  form  zu  verleihen. 

gleichnamiger  ort  si(;li  finde;!!?  in  !neinen  sauünlungeii  linde  ich  Jo- 
hfinn  Triichscf.i  von  Baldcrshcim  riller,  den  P.  Jovius  im  chi-onicoh 
Schwaizhui'gicum  (vcrgl.  Schötigen  und  Kfcysig  diplomalar.  1,257)  als 
unleil!'andl('r  der  gi-äfin  Margai-ela  \nn  Schwaizbiü-g  in  saihcn  diu- 
heiM'Schaft  Hi-anüfck  in  Frankt-n  im  j.  \W\  aiiriihi-l.'  —  1!.] 
Z.   F.   I).   A.      II.  17 


258  DIE  ÜNGLEICIIE^  KINDER  EVAS. 

Als  Adam  und  Eva  aus  dem    paradies  vertrieben  waren, 
hauten  sie  die  unfruditbare    erde    und  erzeugten  viel  kinder 
mit  einander,   nach  dem  verlauf  der  zeit  liels  ihnen  der  all- 
mächtige gott  durch   einen  engel  entbieten  dal's  er  zu  ihnen 
kommen  und  ihren  haushält  schauen  wolle,    da  war  Eva  froh 
der  gnade  gottes,  kehrte  und  schmückte  das  ganze  haus  mit 
gras    und   blumen  und   begann  ihre  schönsten  kinder  zu  ba- 
den strahlen  und  flechten,  legte  ihnen  neugewaschne  hemdcn 
an  und  ermahnte  sie  wie  sie  sich  vor  dem  herru  höflich  nei- 
gen, ihm  die  bände  bieten  und  züchtig  prangen  sollten,  ihre 
ungeslalten  kinder  hingegen  barg  sie  ins  stroh  und  heu  oder 
versteckte  sie  ins  ofenloch,    aus  furcht  der  herr  werde  sein 
misfoUen   darüber  äufsern.     als   nun   gott  der   herr  eintrat, 
standen   die    schönen   kinder  in    der  reihe,    empfiengen   ihn, 
neigten  sich,    boten   ihm  die    bände  dar  und  knieten  nieder, 
der  herr  aber  fieng  an  sie  zu  segnen,  legte  seine  bände  auf 
den  ersten  knaben  und  sprach  'du  sollst  ein  gewaltiger  könig 
werden,'  zu  dem  zweiten    du  ein  fürst,'  zu  dem  dritten    du 
ein  graf,'    zu  dem  vierten  'du  ein   ritter,'    zu    dem   fünften 
'sei   ein   edelmann,'    zu    dem   sechsten  'sei  ein  burger,'     zu 
dem  siebenten    sei  ein  kaufmann,'  zu  dem  achten    du  werde 
ein  gelehrter   doctor!'    gab   ihnen    also   allen    seinen  reichen 
segen.     Eva  jedoch  dies    mit  ansehend   und   die   milde    des 
herru    erwägend   gedachte,    ich  will   auch  meine  ungestalten 
kinder  holen  dafs  sich  gott  ihrer  erbarme,  lief  hin  und  langte 
sie  aus  dem  heu,    der   krippe    und    dem  ofenloch  und  führte 
sie  vor  gott,  eine  unlustige  gesirobelte  grindige  russige  grobe 
schlüchtischc  rotte,     da   lächelte  der  herr,   sah  alles  an  und 
sprach  'ich  will  sie  auch  segnen,'  legte  dem  ersten  auf  seine 
bände,    'du    sollst   werden    ein    bauer,'    dem  andern  'du  ein 
flscher, '  dem  dritten    sei  ein  schmied,'    dem  vierten    sei  ein 
lederer,'  dem  fünften    ein  weber,'    dem  sechsten  'ein  Schuh- 
macher,' dem  siebenten    ein  Schneider,'  dem  achten  'ein  haf- 
ner,'  dem  neunten    ein  karrenmann,'    dem  zehnten    ein  schif- 
niann,'    dem  eilften    ein  böte,'    dem  zwölften  'du  sollst  ein 
hauskneclit  bleiben,    dieweil    du  lebest!'     wie  Eva  das  alles 
anhörte,  sagte  sie  'herr,  wie  thcil.st  du  deinen  segen  so  un- 
gleich?  hab   ich   doch    alle    kinder  geboren  und  deine  gnade 
sollte  über  alle  gleich  crgohn.'  der  herr  aber  versetzte  'Eva, 


DIE  UNGLEICHEN  KINDER  EVAS.  259 

(las  verstehst  du  nicht,  mir  gebührt  und  ist  noth  dal's  ich 
die  ganze  weit  mit  deinen  kindern  versehe;  wenn  sie  alle 
Fürsten  und  herrn  wären,  wer  wollte  körn  bauen,  dreschen, 
malen  und  backen,  wer  schmieden,  Aveben,  zimmern,  bauen, 
graben,  schneiden  und  nähen?  jeder  soll  seinen  stand  ver- 
treten, dafs  einer  den  andern  erhalle  und  alle  ernährt  wer- 
den, wie  im  leib  die  glieder.'  da  antwortete  frau  Eva  'ach 
herr,  vergib!  ich  war  zu  rasch,  dafs  ich  dir  einredete;  dein 
göttlicher  wiüe  geschehe  an  meinen  kindern.' 

In  dem  spiel  ist  alles  umständlicher  angelegt  und  aus- 
geführt. Adam,  der  im  schwank  gar  nicht  mithandelt,  ver- 
nimmt des  engcls  bolschaft  und  heilst  Eva  die  kinder  putzen 
und  baden ;  sie  bringt  aber  nur  einen  tlu>rl  und  versteckt  die 
andern  in  die  streu  und  hinler  den  herd.  als  gott  ein'^-e- 
trelen  ist  und  mit  Adam  und  Eva  geredet  hat,  wendet  er  sich 
auch  zu  den  kindern,  läl'st  sie  beten  und  das  valerunser  her- 
sagen;  dann  segnet  er  sie  durch  händeauflegen  und  macht 
den  ersten  zum  könig,  den  zweiten  zum  riller,  den  dritten 
zum  burgermeister,  den  vierten  zum  kaufmann ;  hernach 
nimmt  er  sie  mit,  ihnen  den  lustgarten  zu  weisen,  unter- 
dessen bereut  Eva  ihre  häl'slichen  kinder  vor  dem  herrn  ver- 
borgen zu  haben,  Adam  rälh  sie  noch  herbei  zu  schaffen, 
und  als  der  herr  wieder  eintritt  und  scheiden  will,  kommt 
sie  eilends  mit  den  vier  ungestalten  kindern  gelaufen ;  sie 
sollen  niederknien  und  beten,  könnens  aber  nicht,  auf  Evas 
bitten  läfst  es  der  herr  die  armen  kinder  nicht  entgelten  und 
legt  ihnen  auch  die  bände  auf;  der  erste  knabe  soll  ein  schu- 
ster,  der  andere  ein  weher,  der  drille  ein  schäfer,  der  vierte 
ein  bauer  werden.  Eva  beschwert  sich  über  die  ungleiche 
austheilung,   wird  aber  zur  ruhe  verwiesen. 

Die  comödie,  nur  wenige  monate  nach  dem  spiel  ge- 
dichtet, scheint  Überarbeitung  desselben,  vermullich  auf  äu- 
fscren  anlafs,  um  sie  auf  mehr  pcrsonen  einzurichten,  un- 
ternommen, viele  Worte  und  ganze  salze  sind  aus  dem  spiel 
eingeschaltet,  die  haupländernng  besteht  darin  dafs  Abel  und 
Kain  namentlich  auflreten,  Kain  sich  nicht  waschen  und 
schmücken  lafsen  will,  auch  hernach  mit  den  übrigen  unge- 
horsamen kindern  verkehrl  betet  und  gottlose  reden  ausslöfst. 
Abels    und   liaiiis  opfei-    und  der  hnidermord  kommen  mit   in 

17* 


260  DIE  UNGLEICHEN  KINDER  EVAS. 

die  Handlung,  Satan  und  sein  gefolge  erscheint  persönlich  : 
dadurch  wird  die  segnung  der  ungleichen  kinder  und  der 
unterschied  der  stände  zurückgedrängt,  so  dafs  von  manchen 
schönen  ausführungen  abgcsehn  der  haupteindruck  der  co- 
mödie  doch  dem  des  spiels  nachsteht,  es  ist  wohlgefälliger 
dafs  die  im  segen  hintangesetzten  kinder  nur  als  ungestalt 
und  vcrnachlälsigt,    nicht  als  boshaft  dargestellt  werden. 

Daraus  leuchtet  recht  des  dichters  liebenswürdige  be- 
scheidenlieit  hervor,  dafs  er  jedesmal  seinen  eignen  stand, 
den  des  Schuhmachers,  aus  der  mitte  des  verabsäumten  und 
geringen  geschlechts  entspringen  läfst. 

Hans  Sachs,    der   alles   dichtet  und  doch  nichts  erdich- 
tet,   sondern   gern   aus    einer    namentlich  angeführten  quelle 
beglaubigt,    nennt  sie  im  eingang  des  spiels  nicht ;    bei  der 
comedia  aber  läfst  er  den  herold  sagen  dafs  sie 
itrspimngklich  hat  zugericht 
im  latein  Philippus  Melancthon, 
und  nun  zu  gut  dem  gmeitien  vion 
auch  in  teutsche  sprach  ist  gewcndl. 
und  vornen  im  schwank  heifst  es  wiederum 
die  gleisten  haben  zugericht 
vor  jaren  ein  lieblich  geticht. 
von  Melanthon  ist  aber  unsere  fabel  eben  so  wenig  ursprüng- 
lich ausgegangen,  er  erzählt  sie  dem  comes  Joannes  a  Weda* 
in  einem  brief  vom  23n  merz  1539"  und  sagt  y^cere  7ion  po- 
tui,  quin  adjicerem  narratiunculavi,    quae   in  quodam  poe- 
inate  extat,  non  illam  quidem  historicam,    sed  venuslam   et 
erudite  confictani,    admonendae  adolescentiae  causa,    ut  co- 
gitet  et  discrimina  ordinum  divinitus  instituta  esse,  et  uni- 

"  Johann  iv  graf  von  VVied,  ein  freund  und  anhänger  der  refor- 
mation,  war  durch  Peter  Medmann,  vertrauten  rath  erzbischof  Her- 
manns von  Köln  an  Melanthon  empfohlen  «orden.  im  mai  1543,  auf 
der  reise  nach  Bonn,  sprach  Melanthon  bei  dem  grafen  zu  Wied  ein. 
(J.  St.  Reck  gesch.  von  Isenburg,   Runkel,  Wied  s    lOÜ). 

epistolae  selectiores  aliquot  Pli.  Mclanthonis  editae  a  Caspavo 
Pvucero.  Vitch.  1565.  8.  s.  342  —  363,  und  cpistolarum  J'h.  M.  liber 
primus  editiis  a  Caspavo  Pcucero.  f Heb.  1570.  8.  s.  377  —  397,  wo 
auf  der  Iclzlen  seile  fälschlich  1530  für  1539  gedruckt  sieht,  es  gibl 
auch  einen  einzelnen  druck,  ad  comitem  Joanuem  a  Weda  ephtola. 
Francofurti  apiid  C.   Egriiolph    1539  auf  zwei   octavbogen. 


DIE  UNGLEICHEN  KINDER  EVAS.  261 

cuique  elaborandum  esse,  ul  virtule  suam  pcrsonam  tuea- 
tur.  das  gedieht  worauf  sich  hier  bezogen  wird  muls  doch 
auch  lateinisch  abgefal'st  gewesen  sein,  weil  sonst  kaum  eru- 
dite  coiijictam  gesagt  wäre,  was  von  Hans  Sachsens  Vor- 
trag abweicht  ist  folgendes,  kein  engel  bringt  die  botschafl 
von  goltes  vorhabendem  besuch,  sondern  Eva  schaut  zum 
fenster  aus  und  sieht  ihn  mit  den  engein  nahen,  sie  hatte 
gerade  schon  wegen  eines  bevorstehenden  festtags  die  kin- 
der  zu  waschen  begonnen,  war  aber  noch  nicht  mit  allen 
fertig  geworden,  die  ungewaschenen  heifst  sie  also  sich  in 
heu  und  stroh  verstecken,  aber  die  gewaschnen  dem  herrn 
entgegentreten,  mit  ihnen  hält  nun  golt  eine  förmliche  kin- 
derlehre.  Abel  sagt  das  credo  weilläufig  her,  nach  ihm  wer- 
den Seih  und  die  Schwestern  geprüft,  alle  bestehn  aufs  beste, 
dann  aber  befiehlt  der  herr  auch  Cain  und  die  übrigen  her- 
zurufen, deren  abwesenheit  dem  allwifsenden  nicht  entgan- 
gen war.  Cain  erscheint  trotzig  mit  Strohhalmen  und  heu- 
fasern im  ungekämmten  haar,  er  kann  das  credo  nur  ver- 
kehrt und  verstümmelt  herausbringen  und  äufsert  sich  frech, 
darauf  läfst  der  herr  den  Abel  herantreten,  legt  ihm  bände 
auf  und  weiht  ihn  zum  priester,  den  Seth  zum  könig,  den 
bäurischen  Cain  aber  zum  knecht.  als  Eva  wehklagt,  trö- 
stet sie  gott,  reicht  den  kindern  beim  abschied  die  rechte 
und  wird  von  der  mutter  noch  eine  strecke  weit  vom  haus 
begleitet,  bis  er  sie  heimkehren  heifst  und  in  eine  wölke  ge- 
hüllt gen  himmel  steigt. 

Von  dieser  anmutigen,  reinlichen  einkleidung  entfernt 
sich,  wie  man  leicht  sieht,  die  comedia  des  Hans  Sachs  in 
vielen  stücken,  indem  er  einzelne  zügc  ausläfsl  oder  hinzu- 
fügt, den  auachronismus  dafs  Abel  und  Seth  zusammen  auf- 
treten ertragen  beide  Vortragsweisen. 

Es  gibt  von  Erasmus  Alberus  ein  gespräch  zwischen 
gott,  Adam,  Eva,  Abel,  Cain,  von  der  schlangen  Verfüh- 
rung und  gnade  Christi,  Berlin  1541,  wiederholt  Erfurt  1544, 
das  ich  mir  nicht  habe  zur  einsieht  verschalFcn  können,  um 
zu  ermitteln  ob  darin  aufser  den  biblischen  Vorgängen  im 
paradies  auch  noch  die  fabel  von  den  ungleichen  kindern  be- 
rührt wird,  man  darf  es  bezweifeln,  weil  sonst  auf  dem  tilel 
wohl  der  Unterscheidung  der  stände  gedacht  wäre. 


262  DIE  UNGLEICHEN  KINDER  EVAS. 

Wichtiger  aber  ist  uns  eine  stelle  aus  Agricolas  Sprich- 
wörtern, die  über  die  jähre  1558  1553  1539  hinauf,  bis  zu 
1528  zurückweist,  ich  hebe  darum  die  ganze  erzählung  nach 
dem  plattdeutschen  Magdeburger  druck  aus,  n°  264  bl.  127''. 
Etlike  Seggen  yn  schertzes  wt'se,  de  vürsten,  hereit  vnde 
eddellude  hebten  eren  ortspnmg  dar  her,  do  Adam  radede 
vnde  Heiia  span,  krech  Heua  vele  kinder.  vp  eine  tid  ivolde 
vnse  here  godl  tho  Heua  ghan  vnde  besee?i,  tvo  se  hushelde, 
nu  hadde  se  euen  all  ere  kinder  vp  einmal  by  einander 
vnde  wusck  se  rnde  smtickede  se.  do  öuerst  Heua  vnsen 
heren  godt  such  kamen  tho  sick,  hadde  se  sorge,  he  mochte 
er  eere  vnküscheit  voriviten,  dat  se  so  vele  kinder  hadde, 
vnde  ging  tho  vnde  vorstack  etlike  ynt  stro,  etlike  ynt  höw, 
etlike  in  de  auenkulen,  de  alderhöueschten  öuerst  bchelt  se 
by  sick.  vnse  here  godt  sach  de  smuckeden  kinderken  an 
vnde  sprack  tho  einem  also,  du  schalt  ein  köninck  wesen, 
tho  dem  andern,  du  schalt  ein  vörste  syn,  tho  dem  drild- 
den  sprack  he,  du  schalt  ein  eddelman  syn,  tho  dem  veer- 
den,  du  schalt  ein  bürgermeister  syyi,  tho  dem  vöfften,  du 
schalt  ein  schulte,  eiti-  vagdt  edder  amptman  syn.  do  nu 
Heua  süth,  dat  ere  kinder,  de  hervor  weren,  so  incklick 
begauet  weren,  sprack  se,  here,  ick  hebbe  7ioch  mer  kin- 
der, ick  wil  se  ock  hervor  bringeti.  do  se  nu  quemen,  ive- 
ren  se  vngesmucket,  swart  vnde  vngestalt,  dat  har  hengede 
en  villi  stroes  vnde  hoiiwes,  do  sach  se  vnse  here  godt  an 
vnde  sprack,  gy  schalt  buren  bliucn,  küye  vnde  swyneher- 
den,  ackerlüde,  etlike  van  iuw  schvllen  in  den  steden  hant- 
wercke  driuen ,  b?'uiven ,  backen  vnde  den  ersten  heren 
denen. 

Neben  dieser  mehr  zu  dem  schwank  als  zu  den  dramen 
und  Melanthon  stimmenden  darstellung  der  fabel  sei  noch 
eine  spätere,  schlechtere  aus  dem  schlufs  des  16n  jh.  bei- 
gebracht, wie  sie  in  Georg  Rudolf  Widmanns  ivarhajftigen 
historien  von  de?i  grewlichen  vnd  abschewlichen  sünden,  so 
D.  Joh.  Faitstus  hat  getrieben.  Hamburg  1599.  4.  1,  237. 
238  angetrolfen  wird. 

Adam  xvar  sonderlich  ein  astronomus,  und  wie  man  fa- 
buliert, so  hab  er  viel  kinder  gehabt,  als  er  aujf  dem  erdl- 
reich  und  aufser  seinem  crrtriebncn  land  dem  paradis  seine 


DIE  UNGLEICHEN  KINDER  EVAS.  263 

Wohnung  mnb  Damnsco  Iwlte,  mvhii-fs  ihm  goll,  er  tuolle 
auj]'  ein  zeit  ein/nah/  koninien  und  sehen  wie  er  lebe,  da 
ihn  nun  der  herr  auf  ein  zeit  visitiert,  lear  des  Adams  hat 
und  behuusung  besehlnßen,  der  herr  hlupjf'el  an,  als  aber 
.Idaui  und  sein  weib  Heua  durch  ein  loch  den  herrn  ersa- 
hen, erschracken  sie  sehr,  denn  sie  schemten  sich,  das  sie 
so  viel  kinder  haben  sollen,  der  herr  ivürde  ihnen  diejs 
aufmutzen,  derhalbcn  sie  behend  etliche  kinder  in  die  Win- 
kel und  andern  örtern  verschoben,  eines  ander  das  hew, 
das  ander  ander  das  dach,  das  dritte  ander  die  garben, 
das  viert  in  ofen,  das  fiinJJ't  in  den  kellcr,  das  sechst  an- 
der die  küfen,  item  wider  das  weinfafs,  eins  in  ihren  alten 
peltz-,  in  ihr  bereit  lach,  damit  sie  hat  die  kinder  beklei- 
den wollen,  etliche  under  das  leder  und  so  fortan,  die 
schönsten  kinder  aber,  so  schön  von  angesickt  und  haar, 
liefs  er  in  der  st  üben,  da  nun  der  herr  in  die  behausung 
hinein  kam,  und  ihnen  den  segen  ivünscht,  gab  er  denen 
kindern,  so  er  gesehen  und  umb  ihn  stutiden,  die  handt, 
sagte  zu  den  eitern,  seid  friedlich,  erschreckt  nicht  vor 
mir,  wie  ihr  zuvor  gethan  habt,  den  alhie  bleibt  mein  se- 
gen! segnet  derhalben  die  kinder  umb  ihn  und  sprach,  ei 
lieben  kindlein,  wachset  und  inehret  euch,  du  sei  könig, 
fürst,  grajf,  Jurist!  und  theilte  also  alle  cmpter  aus.  da 
nun  die  eitern  sahen,  zu  was  hohem  stand  sie  gesegnet 
worden,  gedachten  sie  au  die  andern  kinder,  begehrten  ih- 
rer Wohlfahrt  auch  und  zogen  die  ungeschajfne  kinder  her- 
für, sagendt,  herr,  hie  sindt  noch  mehr  meine  kinder.  da 
nun  der  herr  mehr  solcher  kinder  sähe,  da  sprach  er  auch 
das  benedicite  über  sie  und  sagte,  sei  du  wechter,  baur, 
meurer,  ackerman,  kemrnicJ feger,  gerber,  decher,  keller, 
kubier,  bender,  kürfsner,  Schneider,  schustcr !  daher  7iun 
diese  iveldl  also  begabt  worden. 

So  unbehoHeii  und  verworren  hier  alles  vorgeli'agen  wird, 
lalscn  doch  einzelne  abgehende  oder  hinzulrelende  unisländc 
schlielsen  dafs  VVidnian  weder  aus  Hans  Sachs  noch  aus 
Melanlhon  und  Agricola  schöpfte ,  sondern  einem  andern 
schrillliciien  oder  jiuindlichen  herichl  folgte,  der  herr  lindel 
das  haus  verschlofsen  und  klopft  an,  Adan»  und  Eva  er- 
schauen  ihn   durch   eine   lucke ;   auch   hei  Melanthon  scliaul 


264  DIE   UNGLEICHEN  KINDER  EVAS. 

Eva  durch  das  fenster  und  siebt  gotl  von  weitem  kommen, 
während  ihn  bei  Hans  Sachs  eine  botschaft  des  engeis  ver- 
kündigt, den  von  Widmann  und  Agricola  vorgegebnen  be- 
w eggrund,  dafs  Eva  wegen  der  menge  ihrer  kinder  verweis 
von  gott  fürchtet  und  einen  theil  davon  zu  bergen  sucht, 
kennen  Melanthon  und  Hans  Sachs  nicht ;  es  ist  viel  müt- 
terlicher dafs  Eva  die  schönen  ausliest,  die  häfslichen  ver- 
steckt; doch  stimmen  darin  Agricolas  und  Melanthons  erzäh- 
lungen  dafs  Eva  beim  waschen  der  kinder  für  den  festtag 
von  dem  besuch  überrascht  und  die  ungewaschnen  bei  seile 
zu  bringen  genölbigt  wird,  bei  Hans  Sachs  läfst  erst  nach 
empfangner  botschaft  Adam  den  befehl  zum  scheuern  des  hau- 
ses,  zum  streuen  der  maien  und  schmücken  der  kinder  er- 
gehn.  die  catechisation  mangelt  in  der  letzten  darstellung 
ganz,  doch  wird  in  ihr  das  verstecken  und  hernach  der  un- 
terschied der  ämter  mehr  im  einzelnen  ausgeführt. 

Alle    solche   abweichungen   machen   eine   lebendige  und 
allgemeinere    Verbreitung    der   sage  von  den  ungleichen  kin- 
dern  Evas  im  ganzen  laufe  des   16n  jh.  wahrscheinlich,    die 
gar  nicht  auf  einen  der  angeführten  erzähler  zurück  geführt 
werden  darf,  vielmehr  sclion  früher,    namentlich  im   15n  jh. 
und  länger   bereits    gangbar   gewesen    sein  mufs.     vielleicht 
war  jenes  lateinische  gedieht,  woraufMelanlhon  sich  bezieht, 
noch  im    15n  jh.   abgefafst ;    im   16n  werden  die  lateinischen 
dichter    schon    zu    namhaft,    ihre    arbeiten  stellen  sich  durch 
wiederholte  abdrücke  sichrer,     das   ältere  und  fast  volksmä- 
fsige  umgehn  dieser  sage  wird  am  sichersten  dadurch  erwie- 
sen dafs  sie    auch  in    den    kreifs    dramatischer  Vorstellungen 
aufgenommen  war.    schon  zwölf  jähre  vor  Agricolas  Sprich- 
wörtern im   j.    1516  oder  noch   früher,    im  j.   1509,  wurden 
zu  Freiberg   im    erzgebirge  feierliche  spiele  gehalten,    deren 
Job.  Bocerus  in  seinem  gedieht  Fribergum  in  Misnia  (Lips. 
1577.   4.  folio  K.   z.  verso)  und  daraus  Michael  Neander  in 
seiner    orbis    terrae    succincta    explicatio    (Lips.     1597.    8. 
s.   140—146)    gedenkt,     eine    im  morgenblalt,  jahrg.   1808 
n°  278   mitgelheille  nachricht    enthält  darüber  folgendes.    I?i 
pß?igstjeiei  tagen   den  11.   12.   13    mai  1516   sind  die    ludi 
solemnes,    so    man    zu  Freiberg-  gehalten,    auf  offeütlichem 
marlitr    mit   grnj'ser  pracht   vnd  hosten    agiert  worden,  da 


DIE  UNGLEICHEN  KINDER  EVAS.  265 

denn  dar  hcrzos;  Geors:  zu  Sachsen  neben  seiner  uremalilin 
und  ganzer  hofhaltung,  ivie  auch  viel  andere  hohe  und  nie- 
drige Standespersonen  zugegen  gewesen  und  zugesehn.  hier- 
zu hat  ein  ehrsamer  rath  zum  actore  verordnet  Hans  Ru- 
dolfen, den  damaligen  stadtrichter,  und  ihm  Hans  Pfef- 
Jern,  der  hernach  stadtvoigt  loorden,  zugegeben,  sieben 
jähr  zuvor  1509  ist  genanter  Rudolf  gleichfals  actor  ge- 
wesen neben  Nicolaus  Perner.,  dem  fürstlichen  schofser.  man 
hat  aber,  une  gedacht,  alle  drei  pfingstfeiertage  nach  ein- 
ander agiert,  den  ersten  tag  ist  die  geschichte  gespielt  wor- 
den von  dem  fall  der  engel,  von  ej^schajfung  und  fall  der 
menschen,  von  ausjagung  derselben  aus  dem  paradiese  und 
von  deyi  ungleichen  hindern  Adams  und  Evas,  wie  sie  gotl 
der  herr  angeredet  und  examiniert,  die  personen  dieses  tags 
sind-  gewesen  gott  der  himmlische  vater,  Raphael,  Michael, 
(iabriel  drei  engel,  Cherub  auch  ein  engel,  Lucifer,  Relial, 
Satan  drei  teufel,  Adam,  Eva,  die  schlänge,  Abel,  Seth, 
Jared,  HeJioch,  Methusalem,  Lamech  sechs  gehorsame 
^Idams  söhne;  Kain,  Bathan,  Achan,  Nahal,  Esau,  Nim- 
rod  sechs  ungeratime  kindcr,  samt  dem  chrenholde.  den 
zweiten  und  dritten  tag  wurden  Vorstellungen  aus  dem  neuen 
lestament  und  die  des  jüngsten  gerichts  gegeben. 

Hieraus  ist  freilich  nicht  genug  über  die  innere  behand- 
lung  der  fabel  von  den  uuglciclien  kindern  zu  entnehmen ; 
da  aber  in  Hans  Sachsens  coniodie  die  sechs  gehorsamen  u?id 
sechs  ungeraten  sün  Eve  ganz  mit  den  nemlichen  nanien  auf- 
treten, so  darf  man  voraussetzen,  dafs  der  nürnbergische 
incister  mit  der  hergebrachten  einrichtung  des  älteren  spiels 
bekannt  gewesen  sei  und  daran  nichts  wesentliches  abgeän- 
dert habe,  solche  spiele  werden  aufser  Nürnberg  und  Frei- 
berg an  manchen  andern  orten  Deutschlands  aufgeführt  wor- 
den sein,  allem  anschein  nach  schon  während  des  15n  jh., 
wiewohl  sich  unter  den  mir  bekannten  fafsnachtspielen  des 
Polz  und  Kosenblüt  d;is  von  den  ungleichen  kindern  Evas 
nicht  erwähnt  findet,  noch  weniger  ist  es  mir  gelungen  in 
den  mhd.  dichlungen  irgend  eine  spur  der  fabel  zu  gewahren. 

Wozu  also  hier  sie  genauer  untersuchen?  ich  tr.iue  ihr 
dennoch  ein  weit  höheres  aller  zu. 

Durch  die  pocsie  und  den  Volksglauben  unserer  vergan- 


2(;6  DIE  IjNGLEICHEN  KINDER  EVAS. 

<^cnlicil  ziehen  auch  faden  geistlicher  stofFe  die  der  christli- 
chen, biblischen  quelle  unangeniefscn  waren,  nicht  die  apo- 
kryphischeu  bücher  sind  damit  gemeint,  welche  in  frühen 
Jahrhunderten  fern  vom  deutschen  boden  entsprungen  mehr 
auf  gelehrtem  wege  allgemeinen  eingang  fanden,  ganz  abge- 
sondert von  diesen  erscheinen  in  kleinen  vereinzelten  sagen 
zügen  und  selbst  namcn  hin  und  wieder  beziehungcn  auf 
gestalten  des  alten  oder  neuen  testamenls ;  sie  gereichten  zu 
unschuldiger  crheiterung  oder  ausschmiickung  des  glaubens, 
die  kirche  liefs  ihnen  weder  billigung  noch  tadel  angedeihen. 
dahin  rechne  ich  aufser  vielen  thier-  und  pflanzennamen,  die 
auf  Maria  oder  den  teufel  angewandt  wurden,  zumal  alle 
Überlieferungen,  in  deren  mittelpunct  sanct  Petrus  und  noch 
einige  andere  heilige  sich  bewegen,  seine  Verleugnung  des 
herrn,  der  hahnkrat,  selbst  das  durch  den  schliifsel  empfangne 
himmlische  thürhiiteramt  benahmen  ihm  gleichsam  an  würde, 
wenn  auch  nicht  an  gewicht,  und  erleichterten  den  anflug 
welllicher  sagen,  fafst  man  dessen  art  und  weise  näher  ins 
äuge,  so  werden  sich  leicht  uralte,  heidnische  Überbleibsel 
ergeben,  welche  duldsam  und  fast  unverhinderlich  färbe  und 
gewand  des  neuen  glaubens  annehmen  durften,  ihr  dasein 
und  Ursprung  wäre  sonst  kaum  zu  begreifen. 

Wie  nun  Petrus  bei  jedem  anlafs  gern  aus  der  himm- 
lischen Wohnung  in  die  alte  irdische  heimat  zurückkehrt,  wo 
er  sich  mit  seinen  freunden  letzt  oder  mit  Spielern  und 
landsknechten  umtreibt,  so  sind  mir  die  Wanderungen  der 
götter  auf  der  weit  ganz  besonders  ein  zug  unsrer  einhei- 
mischen mythologie.  das  alte  testament  läfst  gotl  den  herrn 
nur  im  paradies  vor  den  erstgeschalfnen  menschen,  hernach 
noch  vor  Noah  und  Abraham  leiblich  erscheinen ;  später  rich- 
ten engel  seine  befehle  aus.  in  der  griechischen  fabel  wer- 
den Zeus  Hermes  Apollon  Athene  und  andere  himmlische 
dem  sterblichen  geschlecht  häufig  sichtbar  und  nicht  minder 
oft  zeigen  sich  in  der  nordischen  zumal  Odin  Thor  Ha'uir 
und  Loki.  so  besucht  Thor  seine  freunde  die  Thelleböndcr 
zur braullauft ;  diese  schöne  norwegische  sage  (bei  Faye  s.4) 
kennt  auch  eine  schweizerische  Überlieferung,  begnügt  sich 
aber  mit  dem  einkehrenden  zwerg  statt  des  goltes.  vor  allem 
gehört    hierher   das    eddische    licd    von   lligr   dem  wanderer, 


DIE  ÜNGLEICHElN  KINDER  EVAS.  267 

dem  ich  gerade  unsere  sage  von  den  ungleichen  kindcrn  an 
die  Seite  stellen  möchte,  unter  jenem  namen  zieht  Heiiiulallr 
der  gott  zu  den  drei  menschenpaaren  und  gründet  den  unter- 
schied der  drei  geschlechter,  dieser  mythus  von  dem  ein- 
kehrenden, die  stände  festigenden  gott  mag  von  frühe  au  in 
raanigfacher  form  bei  den  heidnischen  Deutschen  umgegan- 
gen und  fortgepflanzt  worden  sein,  er  trug  sich  zuletzt  in 
geschickter  anwendung  unvermerkt  auf  Adam  und  Eva  über, 
aus  dem  blofsen  gegensatz  zwischen  Abel  und  Cain,  aus 
dem  über  Cains  nachkommen  gesprochnen  fluch  allein  leitet 
sich  nicht  die  Umständlichkeit  der  ganzen  erzählung,  der 
durch  das  fenster  gewahrte  besuch  gottes,  sein  anklopfen, 
die  festliche  ausschmückung  des  hauses*  und  der  kinder,  ihr 
theilweises  verheimlichen  und  die  genau  ausgedrückte  glie- 
derung  der  stände  her.  zwar  weicht  ab  dafs  hier  die  kinder 
schon  geboren  sind,  in  der  edda  erst  nach  des  gottes  anwe- 
senheit  geboren  werden,  dafs  hier  alle  von  einem  paar,  dort 
von  dreien  ausgehn ;  doch  diese  Verschiedenheiten  konnten 
oder  musten  auf  den  langen  wegen  der  alten  fabel  leicht 
erwachsen,  im  eingang  der  Völuspa  heifsen  alle  menschen, 
die  meiri  ok  minni  (gröfsern  und  kleineren),  megir  Heim- 
dallar,  des  gottes  söhne,  und  wenn  der  umziehende  Petrus 
schon  in  gedichten  des  zwölften  oder  gar  zehnten  jh.  nach- 
zuweisen ist,  wird  auch  jener  göttliche  besuch  bei  Adam 
und  Eva,  den  ich  höchstens  bis  zum  jähr  1509  hinauf  brin- 
gen konnte,  viel  ältere  grundlagen  in  der  geschichtc  unsrer 
poesie  ansprechen  dürfen. 

JAC.  GRIMM. 

'  kom   hann  al  sal,   suitr  horfda  di/r,    var   hurd  luiigin,    hri'ngr 
rar  i  '^iv.lti,  '^i'ck  hann  inn  al  pa/^  gö/f'  var  strdd.     Sa;iii.   103''. 


208 


ÜBER  UMLAUT   UND  BRECHUNG. 

Etwas  in  meiner  jüngsten  darstellung  der  deutschen  vo- 
callaule  ganz  neues,  die  annähme  von  brechungen,  woran 
auch  altn.  und  ags.  grammatiker  nicht  dachten,  hat  noch 
kein  aufsehii  erregt,  aufser  bei  Adolf  Holtzmann,  der  neulich 
in  den  Heidelberger  jb.  1841  s.  770  —  777  und,  wie  er  pflegt, 
sehr  scharfsinnig  darüber  gesprochen  hat.  er  fafst  die  merk- 
würdige erscheinung  nur  anders  auf.  während  ich  die  bre- 
chung  des  /  und  //  vom  umlaut  des  a  trenne,  bringt  er  die- 
sen damit  zusammen,  und  nimmt  ahd.  umlaut  des  a  durch 
/,  des  /  durch  «,  des  u  durch  a  an,  woraus  e,  e  und  o, 
nach  meiner  bezeichnung,  entspringen,  die  sache  ändert  sich 
nicht,  sie  wird  nur  verschieden  erklärt. 

Es  wäre  hübsch  und  einfacher,  käme  man  mit  den  drei 
umlauten  des  «,  /,  u  ab,  d.  h.  könnte  man  überall  die  e,  ü,  o 
abhängig  machen  von  einem  /  und  a  der  nachfolgenden  silbe. 
noch  vollständiger  würden  fünf  altn.  umlaute  erwachsen,  zwei 
für  a  in  e  und  ü,  je  nachdem  /  oder  u  folgt,  zwei  für  ti  in 
0  und  1/,  insofern  a  oder  /  folgt,  einer  für  /  in  e  bei  nach- 
folgendem a,  so  dafs  auf  a  durch  die  nachstehenden  vocale 
zweimal  eingewürkt  würde,  ebenso  vielmal  auf  u,  nur  ein- 
mal auf  /.  geborgen  bleibt  der  reine  vocallaut  in  allen  fäl- 
len, wo  jedem  derselbe  vocal  folgt  (a — a,  i — /,  u  —  //)  und, 
weil  i  lediglich  durch  a  afficiert  wird,  auch  wenn  ihm  u 
nachtritt  {i  —  ii).  für  den  umlaut  ergeben  sich  die  formeln 
e  —  i,  ö  —  u,  ö — a,  o — a,  y  —  i.  die  Wichtigkeit  der  regel 
leuchtet  zumal  ein,  wenn  abgefallne  vocale  der  zweiten  oder 
dritten  silbe  aus  beschaffenheit  des  vocals  der  ersten  erra- 
then  werden  sollen. 

Meine  bisherige  darstellung  entzieht  die  formeln  e  —  a, 
0  —  a  dem  umlaut  und  überweist  sie  der  brechung.  gründe 
welche  sonderung  des  gebroohnon  lauts  von  dem  umlaut  an- 
rathen  sind  nachstehende. 

1.  die  brechung  scheint  älter  als  der  umlaut,  von  dem 
der  goth.  dialect  durchaus  noch  nichts  weifs.   der  ahd.  blofs 


l TIMLALT  UNI)  BRECHUNG.  269 

den  beginn,  nicht  die  Vollendung  aufzeigt,  ii  und  o  dagegen 
sind  schon  dem  goth.  ahd.  und  allen  übrigen  dialecten  be- 
kannt, wenn  gleich  in  abweichender  geslalt. 

2.  im  golh.  iiängl  die  brechung  blol's  von  den  conso- 
nanlen  r  und  h  ab,  in  den  übrigen  sprachen  von  consonan- 
lischen  und  vocalischen  einflüfsen  zusammen,  so  jedoch  dafs 
jenes  r  und  h  überall  noch,  Aviewohl  auf  andere  weise,  sie 
bedingen,  aufserdem  aber  auch  zumal  im  ahd.  nachfolgendes 
n  gefordert  wird,  während  nachfolgendes  i  und  //  beide  das 
/  und  u  der  wurzel  schützen,  mir  schien  als  ob  aus  blofs 
consonantischer  brechung  der  Gothen  sich  im  fortschritt  eine 
consonantisch  vocalische  im  ahd.  ags.  und  altn.  entfaltet  habe, 
späterhin  sogar  ist,  zumal  im  mnd.  mnl.,  die  vocalische  aus- 
gedehnt worden  auf  formen  die  ursprüngliches  i  und  u  in 
der  letzten  silhe  haben,  z.  b.  si'^^e  ahd.  sign,  vrikJe  ahd. 
fridif,  schiinen  ahd.  scinun.  auch  die  schwed.  dän.  präte- 
rita  vierter  reihe  nehmen  im  pl.  e  für  i  in  die  wurzel,  und 
sonst  viele  subst.  zeigen  solches  c,  z.  b.  schwed.  dän.  sm'ed 
i'aber,  /f-V/ artus,  altn.  *w?V//',  U(ti\  das  nhd.  sommer  schwed. 
sommar  dän.  sommer  nnl.  zomcr  zeigen  o,  da  doch  mhd. 
sumer  ahd.  sumar  auf  ein  goth.  stimnis  (wie  widar,  pipar 
^v\{  viprus,  bibrus,  gramm.  I,  147.  453)  schliefsen  lafsen, 
also  der  brechung  nicht  unterliegen  sollten,  dennoch  schritt 
sie  vor. 

3.  Umlaut  durch  i  zeigt  sich  in  den  flexionen  weit  sich- 
rer als  brechung  durch  a.  zwar  in  ahd.  conjugation  erster 
und  zweiter  reihe  gewähren  hilfu  hilßs  hilfii  helfames 
hi'lfat  heljant ;  lisit  lisis  lisit  lesames  tesat  lesant  (und 
trutii  trutames  statt  ti'üti  tretames  liefse  sich  theoretisch 
vermuten)  zureichende  beispiele,  neben  welchen  in  dritter 
reihe  tragu,  Iregis,  tregit,  tragames  umlaut  weist,  der  na- 
türlich an  anderer  stelle  vortritt,  auch  in  fünfter  reihe  bie- 
tet sich  das  part.  scopan,  logan  dar,  da  doch  in  vierter  nur 
scinan  tripmi  nicht  scennn  Irepan  steht ;  erst  jene  späte- 
ren mundarten  gewähren  würklich  scheuen,  schrevoi  f.  ahd. 
scinan,  scriban.  dies  /  in  scinan  crkläi't  sich  Iloltzmann 
aus  einem  übergewicht  des  /  und  i  in  vierter  coiignjation, 
so  dafs  das  einzige  parlicip  nicht  zum  e  habe  gelangen  kön- 
nen,    doch   war  ei  in  sccin,  Ireip  (\n\.   sehen,  ^^'X'/)  *'*''"  '' 


270  UMLAUT  UND  BRECHUNG. 

nahe  genug,  in  der  declination  *  erscheint  aber  gar  kein  ge- 
brochner  im  Wechsel  niil  ungebrochnem  vocal ;  mau  halte  ihn 
namentlich  ahd.  in  den  ersten  starken  declinatiouen  zu  ge- 
warten, denn  wie  neman  nimu  sollten  jöe/'c,  tvec,  nest,  got, 
hof  im  instrumental  jnrku,  wiku,  ?iistu,  gutu,  hiifu,  vorzüg- 
lich fem.  wie  gepa,  piita,  ercla,  giwona  im  dat.  gipu,  pitu, 
irdu,  giwunu  zeigen,  konnte  hier  wiederum  das  i  und  u  in 
der  Wurzel  nicht  durchdringen?  oder  sind  die  u  der  flexion 
unorganisch,  wie  das  der  dat.  pl.  auf  um  statt  am  in  den 
ersten  declinationen?  weshalb  mit  recht  kein  wikum,  nistum, 
gutum,  pilum,  irdtwii  giwuniim  erfolgte,  dürfen  wir  aber 
uns  einlafsen  auf  solche  Verdächtigung  der  würksamkeit  ahd. 
flexionsvocale,  so  müsten  wir  auch  dem  u  in  der  prima  sg, 
lisu,  7nmit,  hüfu  kraft  abstreiten  die  brechung  zu  hindern, 
weil  goth.  Jisa,  nima,  hilpa  gelten,  in  den  zweiten  decli- 
nationen sollte  das  thema  i  wenigstens  im  dat.  sg.  der  bre- 
chung räum  lafsen,  doch  nirgend  begegnen  die  formen  scriita, 
scelta,  vohsa  f.  scrita,  scilta,  vuhsa,  obschon  der  nom.  sg. 
nach  abgelegtem  thema  i  sogar  rückumlaut  gewonnen  hat, 
ast,  gast,  pale,  anst,  am,  womit  die  umgelauteten  casus 
esti,  gesti,  pclgi,  e?isti,  et'ni  tauschen,  man  mufs  in  den 
zweiten  declinationen  übergange  aus  erster  und  dritter  an- 
schlagen, und  den  ahd.  dritten  gewährt  das  thema  u  schütz 
vor  brechung.  längst  entsprach  keine  ahd.  flexion  genau 
mehr  dem  goth  üu  des  gen.  dat.  sg.  wer  wollte  den  nom. 
masc.  und  neutr.  erster  decl.  nach  abgelegtem  thema  a  der 
flexion  gebrochnes  e,  o  in  der  wurzel  statt  ?,  u  zutrauen, 
wo  sich  die  reinen  laute  zumal  vor  doppelconsonanz  bewahr- 
ten? nie  erscheint  fcsc  für  ßsc,  so  angemefsen  das  e  in 
liiscan,  liskii  scheint,  im  ganzen  folglich  darf  der  raangel 
der  brechungen  in  ahd.  declination,  neben  den  entwickelten 
umlauten,  diesen  ein  lebendigeres,  jüngeres,  jenen  ein  zä- 
heres, älteres  })rincip  bezeugen. 

4.  den  unilaut  sehen  wir  fast  ganz  von  vocalischem, 
die  brechung  wesentlich  von  consonantischem  einflufs  ab- 
hängig,   es  ist  doch  bedenklich,  das  goth.  ai  in  bairan,  vair- 

*  icli  ncliuic  jclzl  nur  drei  slarkc  (loclinalioiu-ii  mit  dem  lliema 
a,  i,  ti  an,  wie  ich  anderwärts  (in  einer  academisclien  Vorlesung)  ent- 
wickelt lial)e  nnd   in   der  irrainmatik  umständlich  auslühren  werde. 


UMLAUT  UND  ßllECHUNG.  271 

pan  anders  aufzufafsen  als  das  alid.  li  in  pi'rnn,  wörfan. 
allerdings  macht  grofsen  unterschied  dafs  das  ahd.  /''  iheils 
ausgedehnter  ihcils  eingeschränkter  gilt  als  das  gotli.  ai,  es 
findet  sich  auch  in  nöinan,  li'sa/t,  kl'paii  ■=.  goth.  uiman, 
lisan,  giban,  und  hört  wieder  auf  in  prrü,  wirfU  =:  goth. 
hain'f),  vaivpip.  ein  goth.  nainian,  latsa/i,  ^aihnn  wäre 
unglaublich,  eher  lielse  sich  denken  dals  bairip,  vairpip  nahe 
an  birip,  virpip  grenzten,  doch  gerade  wie  h  und  r  goth. 
brechung  veranlafsen,  welcher  vocal  auch  nachher  folge, 
hindern  ahd.  in  und  //,  wenn  andere  consonanlen  daneben 
slehn,  alle  brechung,  wenn  auch  a  folgt,  es  heifst  pinrnman, 
rinnaii^  limfan,  pi/itan^  prinhan,  diusan  und  im  particip. 
prnmvian,  ninnan,  lunija/i,  punian,  pninkan,  dunsan^  nie- 
mals pr'emman  proinmau,  so  dals  diese  durchfiihrung  des 
z,  u  völlig  der  des  goth.  ai,  ak  in  bairon,  bauran  gleich- 
steht, und  der  von  vocalcn  bedingte  Wechsel  des  reinen  und 
gebrochnen  lauts  nur  in  den  übrigen  ahd.  formen  zuläfsig 
Avird,  freilich  in  den  meisten,  den  umlaut  des  a  durch  i, 
sobald  er  einmal  platz  gegriffen  hatte,  scheinen  consonanti- 
sche  einwürkungen  wenig  zu  kümmern,  es  heifst  spnnnu 
spennis ,  g'nngi/  gongis ,  fnra  fcris ,  icahsu  irehsis.  die 
in  Position  verbundnen  m  und  71  hemmen  aber  die  brechung 
auch  in  Substantiven  erster  decl.  wie  sind,  ivinl,  hrinc, 
m///if,  stiinna,  slanla,  im  gegensatz  zu  clmi'ld,  irolf,  lii-IJa, 
molta,  hi'vtd. 

5.  der  ahd.  mhd.  umlaut  stätigt  noch  andere  unterschiede 
günstig,  wo  im  analogen  fall  die  brechung  unvvürksam  scheint, 
denn  wie  von  den  adj.  Icngi,  Iwrli,  Jesti  die  rückumlauten- 
den adv.  lango,  harlo,  fasto  gebildet  werden,  dürfte  nun 
auch  neben  irri,  durri  ein  adv.  iirro,  dori'o  stattlinden,  wenn 
schon  nicht  der  wposition  zugefallen  neben  lindi  ein  adv. 
li'ndo.  die  aualogien  lafsen  aber  im  stich.  irran  goth. 
airzjan  hat  ein  dorran  goth.  paürsjan  zur  seite,  so  schön 
das  transitive  durran  abstechen  würde  von  dem  intransiti- 
ven dorren,  nie  erscheint  ahd.  dorah  per,  immer  durah; 
soll  es  erklärt  werden  aus  einem  vorgewicht  von  dt/ruh, 
durik?  goth.  pnirh  zeugt  eher  für  -ah.  in  onlnung  sind 
/M/v  janua  und  Lor  porla,  ////■///  osliola,  doch  gleich  .s7^//  und 
stcti  wechseln    tor  und    ////•/  nicht,    sondern    der   reine    odej- 


272  UMLAUT  UND  BRECHUNG. 

gebrochne  laut  haften  im  einzeluen  wort  wie  sie  sich  einmal 
festigten,  warum  behauptete  sich  kein  alts.  hh^u  gladius, 
wie  bliran  birid,  sondern  heru  z=i  gotli.  hairus?  warum 
alts.  ehu  ■:=.  goth.  aihvus?  da  doch  sidii,  ividu,  simi  gelten. 
warum  mhd.  mete  mulsum  neben  site  mos  =  goth.  7nidus 
und  sidus,  wie  zu  vermuten  steht?  ahd.  scheinen  mitu  und 
metu  zu  schwanken,  warum  schon  bei  Tacitus  Nertkus, 
Hermunduri,  kein  Nirthus,  Hirmunduri?  die  goth.  brechung 
vor  r  und  h  ergibt,  auch  von  dieser  seite,  sich  als  die  äl- 
. teste,  freilich  heifst  es  ahd.  hiruz  =:  goth.  hairtus,  altn. 
hiörtr,  also  für  hiruzu,  während  ^o««;' mehr  zu  ^oih.  punrs 
als  zu  punf'us  berechtigt. 

6.    rathen    es  diese   erscheinungen  zusammengenommen 
an  im  ahd.  und  mhd.  umlaut  und  brechung  abzusondern,  so 
begehren  es  noch  entschiedner  im  ags.  eigenthümliche.  denn 
während    der  umlaut  des  a  in  e,    des    n  in  y  ordentlich  er- 
geht,   weicht    die   brechung  des    ?    und   e,    des  u  in  o  öfter 
von  der  ahd.  ab  und  richtet  sich  wieder  nach  consonantein- 
llüfsen.    so  bleibt  namentlich  der  reine  lant  meist  schon  vor 
einfachem  /n  und  n :  niman  ahd.  neman,  numen  ahd.  noman, 
aber  auch  andere  Wörter  führen  ihn  durch,  z.  b.  gifan   ahd. 
kepan,  gifcn  ahd.  ki'pan ^    otigitan  ahd.   i?itkl'zza?i,  ongiten 
ahd.    intkezzan.    hingegen    bricht   sonst  die   prima  sg.  präs. 
den  vocal:  ete  ahd.  izzu,    bere  ahd.  pirii ,   stele  ahd.  siilu, 
bri'cc  ahd.  prichu,    wo  man  anzunehmen  halte,  der  ausgang 
-e  müfse  ursprünglich  gleich  dem  goth.  -a,  nicht  wie  im  ahd. 
-u   gewesen    sein,  obwohl  jene  niman,   gifan,  ongitayi  aucii 
hier  nime,  gife,  ongitc  behaupten,    in  der  zweiten  und  drit- 
ten   person    tritt   freilich    itst,  it;   hilfst,  bird;   stilst,  stild^ 
bricst,  bricd  ein.     was  ferner  u  angeht,    so  haftet  es  ags., 
wo   es  nach  ahd.   regel  zu  o  werden  sollte,    z.  b.   \n  fugel 
ahd.  fokal,  punor  ahd.  donar,  milf  ahd.  ivolf;  doch  in  bo- 
ren, brocen,  svollen,  vorpen  stimmt  es  zu  ahd.  poran,  pro- 
chan,  suollan,  rvorfan.     von  besonderer  Wichtigkeit  ist  nun 
weiter  dafs  neben  i  und  i^  häufig  eo  stattfindet  und  zwar  mit 
beiden   wechselnd,     niclit    nur   wird    vita    und  veota  procer, 
f'rido   und  froodo   geschrieben,    sondern  auch  efor  aper  und 
enfor,    gifon  oceanus  und  geofon,   fida  niultum  und  feola, 
f'cäer   poniia    und  foodor ,    setel   thronus  und  seotol ;    ja  es 


UMLAUT  UND  BRECHUNG.  273 

können  die  drei  formen  friäo,  freocto,  frl'do  gelten,  e  und  i 
verhalten  sich  gar  oft  wie  die  ahd.  z.  b.  in  den  ableitnngen 
fiäre  ahd.  gifidiri,  xowßkteri  geviderc  terapestas,  ahd.  gi- 
loitiri,  von  veder.  co  habe  ich  als  ursprüngliche,  der  Ver- 
engung in  e  vorangehende  brechung  dargestellt,  die  dem  goth. 
ai  noch  näher  steht,  und  das  wird  dadurch  bestärkt  dafs  sie 
wiederum  vor  r  haftet,  zumal  wenn  durch  einen  zweiten 
consonaut  position  erwächst ;  veorpan,  beorgan,  hveorfa?i 
gleichen  dem  goth.  vairpan,  bnirgan,  hvairban  mehr  als  das 
ahd.  iverfan,  pergan,  hiierpan;  nur  vor  st,  sc  gilt  e,  ber- 
stan,  perscon  nicht  bco7'stan,  peorscan.  auch  scheint  für 
ein  höheres  alter  des  eo  zu  sprechen  dafs  ahd.  spuren  von 
ähnlichem  ia  oder  io  vorkommen,  die  bald  verschwinden,  so 
das  neulich  aufgefundene  sioza  (oben  s.  5)  =  ags.  seotu. 
ohne  zweifei  ist  also  eo  ein  laut  der  uns  das  Verhältnis  zwi- 
schen goth.  ai  und  ahd.  e  vermittelt  und  nicht  gestattet  letz- 
teres lediglich  von  dem  vocalischen  einflufs  des  folgenden  a 
abhängen  zu  lafsen.  dazu  kommen  noch  die  ags.  ea  und  ä, 
welche  neben  dem  reinen  a  auftreten,  ja  dessen  Übergang  in 
0,  die  ich  sämtlich  lieber  der  brechung  als  dem  unilaut  ver- 
gleiche, ea  hält  sogar  gleichen  schritt  mit  eo  in  bearh, 
vearp,  cearf  von  beorgan,  vvorpan,  ceorjan,  entwickelt  sich 
aber  auch  vor  posilionalem  /  in  healp,  gealp  von  helpan, 
glilpan  und  in  andern  fällen,  weder  dieses  ea  für  a  in  den 
starken  prät.  vearp,  healp,  ahd.  umrf,  half,  noch  das  ä  in 
gäf  oder  geaf,  am  wenigsten  das  ä  in  däg,  däges,  scriif, 
scräfes,  ist  aus  folgendem  a  abzuleiten,  weil  dieses  gerade 
den  reinen  laut  in  dagas,  daga  herstellt,  wie  es  das  ?/  in 
daguin,  scraju  thut.  o  in  gomel,  ?ioina,  svongor  wird  durch 
m  und  71  gewürkt.  und  die  mnl.  spräche  hat  vor  posiliona- 
lem r  gebrochncn  laut  r/e  für  a  (gramm.  1,  !>79),  da  sie  doch 
für  i  blofs  verengtes  e  zeigt,  icii  geschweige  hier  der  an- 
dern mnl.  so  wie  der  friesischen  vocallaute  die  noch  ein- 
schlagen. 

7.  aber  die  altn.  spräche  zeigt  uns  jene  ags.  i,  eo  in 
rcgelmäfsigerem  Wechsel  gewisser  flexionen,  dergestalt  dafs 
hier  das  ursprüngliche  /  nur  diircii  ein  nachfolgendes  i  der 
cndung  gehalten  wird,  hingegen  sobald  a  oder  u  folgen,  die 
brechung  ia  oder  deren  umlaut  iö  eintreten,  welcher  letztere 
Z.  F.  1).  A.    II.  18 


274  UMLAUT  UND  BRECHUNG. 

auch  da  stall  findel  wo  u  früher  vorhanden,  später  wegge- 
fallen war.  es  tauschen  demnach  angenehme  formen  wie 
hiörn  hiarnar  hirni ,  Niördr  Niardar  Nircti,  und  freilich 
dieser  einflufs  des  i  scheint  dem  von  i  herrührenden  umlaute 
des  a  in  den  analogen  formen  lögr  lagar  legi  zu  gleichen, 
ist  aber  kein  umlaut,  da  der  umlautende  vocal  niemals  den- 
selben laut  zeugt,  vielmehr  mufs  man  sagen  dafs  in  hirni 
die  flexion  /'  den  urlaut  schütze,  in  legi  das  a  umlaute. 
Holtzmann  will  dies  alln.  ia  für  jünger  halten  als  das  e, 
und  allerdings  fällt  die  abwesenheit  jenes  in  den  starken 
conjugationsformen  auf,  es  heifsl  bera,  gefci,  nicht  hiara, 
giafa;  doch  sehe  man  das  gramm.  452  aufgewiesne  biarga, 
gialda  (wieder  im  positionsfall)  und  erwäge  wie  gangbar  die 
ags.  beorgan,  weorpan  gerade  in  starker  form  sind,  auf 
der  andern  seile  ist  alln.  e  weiter  vorgeschritten  als  ahd. 
und  ags. ;  man  sagt  selbst  brenna,  r'etma  für  brinna,  rinna 
(gramm.  454)  neben  spi/ma.  ja  es  nimmt  den  ganzen  sg. 
prUs.  ein:  et  etr ,  gijf  gefr ,  nein  neim^ ,  berg  bergr ,  verp 
verpr,  obschon  in  dritter  reihe  umlaut  des  ß  in  e  gewürkt 
wird,  el  elr ,  stend  ste?idr.  ein  nicht  undeutliches  zeichen 
dafs  hier  umlaut  und  brechung  auf  andern  gründen  ruhen, 
in  die  Ursachen  des  wechseis  zwischen  ^,  ia  und  e  überall 
zu  dringen  ist  schwer  genug;  von  den  adj.  iq/n  und  diarfr, 
die  auf  gleichem  fufse  stehn,  wird  sowohl  ejna  als  dirfa 
geleitel;  ahd.  behaupten  epan  und  epanon  den  selben  laut, 
pidirpi  aber  schwankt  seltsam  über  bald  in  pid'erpi,  bald  in 
piderpi  d.  h.  umgelautetes  pidarpi,  und  die  nemliche  Unsi- 
cherheit ist  in  pidirpan  piderpan  pidarpan  pidcrpan.  offen- 
bar war  hier  die  ausspräche  nicht  mehr  mit  sich  einig,  da 
iie  doch  in  den  meisten  andern  füllen  die  laute  reinlich 
sonderte. 

Was  endlich  die  bezeichnung  der  beiden  e  betrifft,  so 
ist  sie  mir  gleichgiltig,  sobald  man  sich  darüber  einmal  ver- 
ständigt. Holtzmann  will  f  für  e  (wie  alln.  o  für  ö),  da- 
gen  e  für  e,  welches  c  unleugbar  dem  gebrochnen  o  äufser- 
lich  gleicher  stände*,  ich  halte  ii  vorgezogen  um  an  das 
ursprüngliche    i    zu    erinnern     und   weil    der   typus    unsern 

schon  Lachmann  in  seiner  atiswahl  halte  erzp,  folj^lieh  ezne 
angenommen. 


UMLAUT  UND  BRECHUNG.  275 

druckereien  nicht  abgeht,  dies  spricht  auch  für  das  nord. 
ö,  dem  man  in  Dänemark  schwerlich  wieder  entsagen  wird, 
dafs  in  ahd.  hss.  ae  und  f  für  o,  e  und  e  erscheinen  weifs 
jeder. 

JAC.  GRIMM. 


VORANGESTELLTE  GENITIVE. 

Nicht  blofs  wurzeln  formen  reclionen ,  sondern  auch 
einzelne  Wortstellungen  erhalten  sich  in  der  spräche  lange 
Jahrhunderte  hindurch,  ich  will  hier  einige  fälle  behandeln 
wo  der  genitiv  dem  Substantiv  das  ihn  regiert  beständig 
vorausgeschickt  wird,  in  eigennamcn  und  Zusammensetzun- 
gen verhärtet  sich  diese  fügung  häuflg,  aber  auch  dem  losen 
genitiv  pflegen  in  gewissen  redensarten  wir  noch  heute  im- 
mer den  Vorrang  zu  lafsen,  z.  b.  wenn  es  heifst  von  rechts 
wegen,  aus  leibes  kräfien,  seiner  händc  icerk.  so  setzte 
die  alte  spräche  dem  mit  einer  präposition  verbundnen  worte 
ende,  bedeute  es  nun  das  vorderste  oder  hinterste,  jederzeit 
den  gen,  voraus.  Hildibrant  ums  eo  folches  at  eyite ;  that 
he  wurdi  is  aldres  at  endie  Hei.  82,  10  ;  dryhteji  sinne  drio- 
rigne  fand  ealdres  ät  ende  Beov.  5576;  pd  väs  sund  liden 
eotetes  ät  ende  Beov.  446;  wenn  Andreas  221  mit  vorge- 
schobner präp.  ät  vieres  ende  gesagt  ist,  möchte  man  auch 
da  zu  lesen  vorschlagen  meres  ät  ende.  mhd.  belege  sind 
mir  folgende  zu  band,  gie  des  hovos  an  ein  ende  Gudr. 
1618,  4;  toiset  des  hoves  an  ein  ende  Rab.  197;  trihen  be- 
gan  des  her  es  unz  an  daz  ende  altd.  bl.  1,  342;  ich  kum 
es  an  ein  ende  Nib.  791,  3;  vmvizzer  dinge  kam  an  ein 
ende  Greg.  1197;  nu  bin  ich  ze  ivdre  diner  mxre  an  ein 
f?/?</e  Aowew  Hahns  Stricker  4,  283;  ich  bin  des  vf  ein  ende 
brdht  Silv.  5190.  noch  in  späteren  Volksliedern  meine  ich 
gelesen  zu  haben  gieng  des  weges  a/i  ein  etide,  denn  aller- 
dings sind  solche  fügungen  eher  episch  als  dafs  die  höfischen 
dichter  sich  ihrer  gern  bedienten,  sicher  findet  auch  die 
phrase  statt  er  kam  sins  libes  an  daz  ende,  wie  gestüont 
sins  libes  an  der  J'reide  (iudr.  495,  4;  daz  man  so  mani- 
gen  recken   sehe  si?is  libes  in  der  freide    Bit.  11376;    reit 

18* 


276  ^()RAiNGESTELL^E  GENITIVE. 

S//IS  libes  en  freise  Er.  G096 ;  minor  sele  ze  freisc  Haupts 
zeitschr.  1,  318,  und  ähnliches,  die  analogie  bald  der  vor- 
gesetzten genitive  (nhlres,  /ibes'^,  bald  der  von  der  präp. 
abhängenden  Substantive  schlägt  dabei  au,  man  dürfte  auch 
bei  at  07'de,  in  der  tniftr  gleiche  Stellungen  erwarten,  aus 
der  golh.  spräche  gehört  hierher  das  bekannte  seina  misso, 
entsprechend  dem  altn.  si7i  ä  viilii. 

JAC.    GRI3IM. 


BESCHREIBUNG   EINER    IM  JAHRE   1507  ZU 
ZERBST  AUFGEFÜHRTEN  PROCESSION. 

Am  ausgange  des  15w  nnd  im  anfange  des  \&n  jahr- 
hmderts,  wahrscheinlich  bis  zum  Jahre  1522,  in  welchem 
die  sladt  Zerbst  für  Luther  sich  erklärte,  ward  daselbst 
Jährlich  eine  jirocession,  oder  richtiger  ein  geistliches  stra- 
fsenschauspiel,  aufgeführt. 

Mehrfache  abschriften  von    beschreibungen  dieser  pro- 
cessio?i    in    poetischer  form    sind  im   geheimen  archive  der 
sladt  Zerbst  vorhanden,     ich   habe  dieselben^    die  niemand 
bekatmt  sein  ko7inten,  da  das  archiv  seit  fast  zweihundert 
Jahren    unberührt    stand,    bei  anordnung   desselben    aufge- 
funden  und  der   vollständigsten,    in   eichenholzschalen   ge- 
bundenen, die  im  Jahre  1507  stattgefundene  darstellung  be- 
schreibenden   handschrij't  nachstehende  mittheilung  cntnom- 
men.    über  den  zweck   der  procession   gibt  am  füglichsten 
folgende  Urkunde   vom  Jahre  1506  auskunft,    durch  ivelche 
beglaubigte  abgeordnete  des  stadtraihs  beitrüge  zur  bestrei- 
tung  der  processiofiskosten   nach  dem  grofsen  brande  sam- 
melten   welcher  am    30//    april    1506  die  Stadt  zu?n  vierten 
theile  in  asehe  gelegt  hatte. 

ZERBST.  FRIEDRICH  SINTENIS. 

\  or  allenn  Cristgloubigenn  frommenn  szeligenn  leuthenn 
was  wirdenn  Slandis  Addir  weszenn  Die  sein  vnnd  mith 
diesszem  vnnzern  offin  briefle  in  deniulh  zue  der  ehre  gotts 
irsucht  werdin  Bekenncnn  wir  Burgeruieysler  vnd  Rath- 
mannc  Richter  vnnd  Schcppenn  der  Sladt  zcerwisch 


ZERBSTEU  PROCESSIOxN.  277 

Szo  alsdann  nianicheun  fronien  menscliin  bwustli,  das 
liier  zue  der  Erbietunge  des  Allmechtigenn  golls  vnnszers 
szelichiuecliirs  Ejnn  Erlich  processieu  bedeuliinge  der  bil- 
lern ghenge.  die  chrislus  vnnszir  beill  vmme  erloszuoge  Al- 
ler menschlicher  gesiecht  zue  seynen  hymraelischenn  vaters 
durch  denn  snielichin  lodl  ghanghen  ist,  der  gleich  gottis 
auszerwcllcn  heillige  phyu  vnnd  niarlir  zcue  bedenckenn, 
Alhier  vorordenth  vnnd  aufF  gericht  isth,  Jerlichenn  in  dem 
xVchten  tage  des  heiligenn  leichnams,  mith  koszperlichenn 
(Bguren  des  Aldenn  vnnd  nawen  testaments  Welche  gherin- 
ge  Erebiethunge  der  Erwirdigiste  In  goth  vater  vnnd  herr 
hcrr  Raymundus*  Bebstlicher  legal  vnnd  Cardinall  In  kor- 
Izin  Jaren  Alhier  Irschenenn  Dergleichenn  der  hoechwirdi- 
giste  In  goth  vatir  Irleuchlenn  hochgeboren  ffurst  vnnd  hcrr 
herr  Ernstli  ErlzbischofF  zue  Magdeburg  primat  in  gcrmanien 
Administrator  der  kirchin  zcue  halberstadt  herlzcogk  zue 
Sachsszenn  lanthgralTe  In  doringhenn  vnnd  margkgratf  zue 
meysszenn  vnnszer  Gnedigister  lieber  herr,  Inglcichcnn  vnn- 
szir Gnediger  herre  von  Brandinborch**  vnnd  31erszeborgk"* 
Alles  bevvagcnn  vnnd  Sulche  processienn  vnd  Erbietunge 
Angeseheun  den  schaltzs  der  krisllichen  kirchin  Angegriflin 
vnd  zelien  ablas  dar  zue  gegebin  vnd  Allen  mylden  hanth- 
reichern  dys  zue  Irhalden  Sodhann  Schatzs  nach  vormel- 
dunge  der  brieff  mithgeteill  wie  wol  Rustunge  vnd  kostunge 
etzwas  gestandin  Isth  doch  leyder  brandis  vnd  feurs  noelh 
vorszeriget  vnd  beschedigel  wurden,  wir  bewogenn  cwer 
mylde  hanlh  betlichen  zue  irsuchin  Deshalbin  diessze  kegin- 
werlige  vnszer  huszbesesszin  gloubwirdige  bothen  Ahn  ewer 
alle  gunslh  vnd  liebe  geschickt  Wollen  die  Ere  vnnszers 
zelichmechers  betrachtin  ewer  zelen  heil  bedenckenn.  Den- 
selbigenn  vnnszeru  bothen  die  mylden  Almuszenn  zue  sul- 
cher   Ehre  obir  die  Irgangenn  schodin  bey  euch  zcuebiltenn 

'  der  curdlnal  litiyiinuidiis  ^ieiig  am  Vi n  Januar  1503  auf  seiner 
reise  naeh  Magdeburg  durch  Zerbst  und  ward  daselbst  aufs  feier- 
lichste evipfangen.  vergl.  Bcekmaun  ehr.  von  Anhalt.  6,  3   5.  13. 

"  Zerbst  gehörte  zum.  bisthiimc  Brandenburg  und  zwar  unter  das 
archidiacunat  des  probstes  zu  Leitzkaa. 

""  fürst  Adolf  zu  Anhalt  war  damals  beim  Merseburger  bischof 
Thilo  V.  Tlirote  presbyter,  ward  1507  von  ihm  zum  coadjulor  ange- 
genommcn  und  sein  nachfolger  1514.   eergl.  Ludtv.  lieliq.   i.  p.  i6\. 


278  ZERBSTER  PROCESSION. 

vorgonnenn  vnnd  selbst  mittetheilenn  vnd  auff"  ernhanten 
tagk  hier  Irscheinenn  Die  belonunge  vonn  gote.  der  aller 
woltelhe  eyn  beloner  isth  zunehemen,  Wollen  wir  ouch  vmbe 
eynen  yderen  Bszundern  wiliich  vnd  gernhe  vordienenn. 
Diesszes  zu  warhafFtiger  vrkunde  habin  wir  vnnszir  Stadt 
Secrelh  vndenn  Ahn  ghehanghenn  der  gegebenn  isth  nach 
cristi  vnnszers  herrn  geborth  Thausentfunffhundert  vnd  Im 
Sechssien  Jare  Sonthages  Voceni  Joeundita tis. 

Äiifsere  aufschvift  der  handschrift. 

Eyn  sprach  von  deutung  vnnd  Irkleruug  der  ffiguren  dy 

in  der  processien   gehenn  Donnertags   in  der  heiligen  phin- 

gistwoche  Im  funfzcehenhundersten  vnd  Sibenden  Jarn. 

hmere  aufschvift. 

ürdenunge  vnd   bestellunge  der  procession. 

Die  ölsleger. 
Die  scheppung  der  werlt  nach    der  schepfer 
ffigura 
Des  scheppers  hoge  gewalt 
Ist  sichtlich  mannigfalt 
Hymmel  vnd  erde  vnd  was  do  in  ist 
Hat  got  gemacht  allis  auff  eyne  frist 
Aller  wunder  letzt  vnd  ent 
Ist  das  wirdig  sacrament 
Schaw  0  mensche  deyne  speysze 
Dy  iesus  marien  szone  der  weysze 
An  sich  selbem  hat  gegebenn 
Der  seien  trosl  vnnd  rechtis  lebeun 
Do  got  den  menschen  macht 
Was  er  Reyn  vnsterblich  geacht 
Die   Bader 
Eynen  Bom  mit  eyner  slangen.     Adam  vnd  Eua  nakel 
mit  queslen  wan  der  rym  geleszen  szo  sol  der   engel  Adam 
vnd  Eua  vszslan 

ffigura 
Alsbalt  aber  vnszir  vater  adam 
w  Den  verbotten  appel  zcue  sich  nam 


ZERBSTER  PRüCESSION.  27P 

Erslang  er  den  ewygen  lodt 

Des  viel  dy  menschcit  In  herle  nodi 

ffigura 
Der  engel  slug  olin  aus  dem  paradeysze 
Als  dysse  figur  tliuet  weysze 
Nackent  enelendig  vnnd  bloes 
Darnach  hub  sich  Eyn  boszheil  groes 
Browerknechte 
Cayn  mit  eyner  klauen  Abell  erlichen  gekleydel 

Alia  figura 
Abraham  eyn  konnigk  Melchisedech  wein  vnd    brol 
ffigura 
Cayn  slet  abel  seynen  bruder  lodl 
Der  Im  kein  leyt  gethaeu  hodt 
Dy  syntflut  that  gantze  werll  vortrincken 
Dan  dy  sunde  soll  allwege  vorsinckenn 
Alszo  bleib  der  mensche  in  sunden  sweben 
Abraham  hub  an  in  horszam  zcue  lebenn 

ffigura 
Den  ehrete  konnigk  melchisedech  mit  brot  vnd  weyn 
Das  soll  dyszes  sacrament  bylde  seynn     , 
Regenten  * 
Abraham  mit  eynem  geczogen  Swert   ysaac   seinen    So» 
bey  der  hanl 

ffigura 
Abraham  brachte  seynen  szone  gote  zcue  ehren 
Vnuorschont  seyn  leben  zcue  vorsehrenn 
Des  Andacht  got  angesehnn  hot  > 

Dy  Irloszung  er  do  Im  bot  ,  i? , 

Das  aus  seynn  gesiechte 
Wurde  geborn  der  Irloser  rechte 
Die  Szever   vnd  dreszler 
Jonas  in  dem'wallissche  ,3 

ffigura 
Jonas  von  dem  walfische  verslungen 
Am  drytten  tage  war  Im  gelungenn 
Domit  ist  wurden  künde 
Der  Irstentnys  die  froliche   stunde 
'  Inhaber  von  altären  und  den  damit  verknüpften  einkiinften. 


280  ZERBSTER  PROCESSION. 

Die  lakenmecher 
David  eyn  konnigk  mit  eyner  harpfen  vnd  kneclite 
Ifigura 
David  Eyn  konnigk  lobesam 
Dornach  elierlich  quam 
Das  kreucz  ciisti  in  der  harffe 
DoraufF  gezcogenn  alszo    scharffe 
Die  murmeyster 
Irer  viere  als  geschigkten  zu  wandern  tragen  eyne  wyn- 
truben  vnd  eynen  garten  Engadi  gehit  vorn 

ffigura 
Engadi  der  lustiger  weyngart 
Dor  Inne  ist  der  balszam  wolverwart 
Auch  vil  ander  schone  blumen 
Domit  wir  dy  newe  ehe  beruhmen 
Der  zcyperbom  vnd  trubelen  dor  an  gefunden  seyn 
Reich  vnd  trubar  gaben  sie  weyn 

ffigura 
Yrir  zcwe  Eyne  trubele  swerlich  trügen 
Bedewt  vns  nach  cristlichen  fügenn 
Gottes  irlosung  den  vbirfloes 
Vnd  des  herrn  Jesu  mylde  gnad  so  groes 
Der  verslossener  gart  ist  muttir  vnd  maget 
Dor  Inne  Irgrunet  got  vnd  mensch  vns  belagel 
Hir  abe  wir  zue  sagenn  bann 
■      '    Vnd  heben  mit  salomon  ahn 
Die  lakenmecher 
Salomon    eyn  konnigk  mit  seyner  mutter  vnd  öre  hofge- 
synde 

ffigura 
Davidis  szon  konnig  salomon 
Sas  in  seynn  konniglichim  tron             .         ^ 
.    Mit  kostbarir  schöner  zcyrde 
Vnd  kronete  seyne  muttir  wirde 
Alszo  hat  got  seyner  muttir  bewyszen 
Dorvon  er  ist  genyszen 
Daraus  ist  cristus  gespalt 
Nach  vylen  Jaren  wol  gezcalt 
Maria  Eyne  Juncfrawe  reyn >■ 


ZERBSTER  PROCESSION.  281 

Doraus  got  irsprossen  vnd  geborn  alleyn 
Mit  warer  menscheit 

Die  vorstender  vnszer  lieben  fraweii 
Ortus   conclusus  mit   seinem  anhange  tragen  die  bruch- 
slressere  * 

Die  besuchungc  marien  zu  Elizabet  vber  das  gebirge 
mit  czwen  engelen  im  rym  leszen  sullen  sie  sich  vmbfangen 
czuchlich 

tfigura 
Höret  ir  cristen  iewte 
Was  ich  hewte  bedewte 

0  groes  gnade  vnd  barmhertzcigkeit  erczeyget 
Do  sich  got  in  gnaden  zcue  vns  hat  geneygel 
Der  von  hymmel  ist  gekommen 
Vnd  die  menscheit  an  sich  hat  genhomeu 
Das  wir  alle  werden  getrost 
Hat  ehr  in  vnszir  nature  eidost 

ffigura 
Höret  merket  vorsteit  dysser  verslosne  garte 
Beczeyget  vns  mariani  dy  eddele  zcarte 
In  dem  sich  got  selber  vorsloes 
Vnnd  sich  mit  allen  gnaden  In  sie  ergoes 

ffigura 
Höret  der  pusch  moysi  brante  von  fewre  vnuorczert 
Also  maria  entpfingk  vnd  gebar  vnuorsert 
Juncfraw  vnd  rauttir  gottis  vorwar 
Ahn  allen  wandell  vnd  mangel  gar 

ffigura 
Mercket  dys  bedewt  dy  rwte  aaron  bluete 
Beczeyget  mariam  dy  do  brachte  dy  blume  allir  gute 
Ir  magelthum  behilt  vnd  ewige  keuschcit  schone 
Gotts  szon  entpfing  von  hymmelischen  trone 

fligura  '   -■  ■     ' ' ' 

Dysser  thron  bedewt  mariam  zcart 
Dy  do  vor  der  erbsunde  von  gote  wart  bewart 
Mit  vil  tausent  gülden  Schilden 
Bleyb  vnuormagkelt  dy  reyne  vnd  mylde 

slrtij'sf  itiiicr  t'orxladl   voti   Zerhsl . 


ZERBSTEK  PROCESSION. 

ffigura 
Dysse  güldene  geslosne  port 
Bedewt  das  maria  was  vnd  bleib  eyn  Juncfraw  vor 

vnd  nach  der  gebort 
Vnd  bleibet  vmmer  vnd  ewig  geslossen 
Der  gebort  wir  alle  zcue  ewigem  heyle  haben  gnossen 

ffigura 
Die  person  bedewt  den  engel  gabriel  gesanl 
Do  ehr  die  Juncfrawe  vorslossen  fant 
Brachte  ir  allis  heyles  grossen  groes 
Was  sie  allis  leydes  bloes 

ffigura 
Dys  bylde  bedewt  wie  der  ewige  eynhorn 
Quam  zcue  marien  der  Junefrawen  auszirkorn 
In  den  keuschen  schoes  der  ewige  heylant 
Von  dem  hymmel  mit  allen  gnaden  sich  swaut 

ffigura 
Dysser  vier  hundeleynn  Jaget 
Got  von  Ewigkeit  hat  gesagt 
Frede  vnd  gerechtigkeit 
Warheyt  vnnd  barmherzigkeit 
Habenn  got  alle  vier  vorraocht 
Vnnt  mit  ir  iaget  zcue  wege  gebracht 
Das  got  von  hymmel  quam 
Vnnde  die  menscheil  an  sich  nam 

ffigura  i 

Dysse  figur  thuet  euch  bekant 
Wie  got  seyn  Eygen  szon  hat  gesaut 
Vnd  wie  die  Juncfraw  von  dem  heiligen  geyste  wart 

swanger 
Dancketh  das  got  ewig  mit  eynander 

ffigura  ! 

Das  hat  gabriel  bereit 
Der  engel  mit  seynem  grussze  i 

Macht  er  widder  süsse 
Des  sunder  bitterkeit 
Maria  ist  wurden  bereit 

ffigura 
Alsbalt  sy  iesnin  hat  entpfangenn  ,■   ." 


ZERBSTER  PROCESSION.  283 

Ist  sie  in  das  gebirge  gegangen 
Zcue  Elizabct  yrir  frundynne  alt 
Drey  mont  ir  gedynet  niannigfalt 
Darnach  hat  maria  gezcelt  ane  smerlze 
Jesum  das  nemet  alle  zcue  hertze 
Die  Wantsnyder 
Die    gebort    christi    mit   dem    husischen  darinnen  maria 
vnd  eyn  kindichen  sollen  die  vfczogere*  tragen 

ffigura 
In  eyner  krippe  geleget 
Grosz  armiit  gepfleget 
In  eynem  armen  hawsze  zcue  falle 
0  gros  armut  vbir  alle 
Dor  In  gelydenn  vil  iammer  vnd  zcwangk 
Im  ist  gebottenn  lob  vnd  dangk 
Die  Wantsnyder 
Die  heiligen   drie  konnige  wol   gerüst   hilgetom    in  ore 
hende  weiszen  vf  die  Sterne  am  husichen 

ffigura 
Vonn  den  heiligenn  konnigenn  drey 
Mit  golde  murra  wiroch  do  bey 
In  lyebe  vnnd  grosser  andacht 
Hann  sie  das  oppher  gebracht 
Sy  filen  nydder  vfF  yre  knye 
Wie  wol  sy  ohn  funden  vntir  dem  vyhe 
■  Nach  irkenten  sy  mensch  vnd  got 
Der  yr  hertze  irluchtet  bot 
0  wy  wunderlich  ist  herre  dcyne  gebort 
vnszere  lieben  frawen  vorstender 
Joseph  ein  erlich  man  wol  gekleydet  mit  eyner  Haschen 
vnd  laschen  Maria  vf  eynem  Esell  mit  eynem  kynde  Joseph 
sol  den  esell  leyden 

ffigura  ,.   '         '     i 

Maria  nam  des  nachtis  ire  liebes  kint 
Wie  wol  es  weynte  sere  vnd  swynt 
Vber  berg  vnnd  vbir  thael 
In  armut  ane  zcall 

'     die    leide,    welche   die    bierfäfser    aus   den    braukellern    zogen; 
Zerbst  versendete  damals  Jährlich  zehn  bis  fiinfzeh»  lausend  faß  bier. 


284  ZERBSTER  PROCESSIOPS'. 

Zcog  sy  In  egiptenii  landt 
Dor  was  sy  mit  Joseph  vnbekandl 
Das  macht  herodes  der  vngelrewe 
Dem  taet  es  sere  rewe 
Aus  hessigem  boesenii  raethe 
Die  Becker 
Herodes  eyu  konnigk  mit  eyner  krönen  vf  eynera  pferde 
eyn  czeptcr  in  seiner  hant 

Item  wolharnischtere  knechte  mit  spysen  kindere  darvf 
steckende 

Item  iiii  frowen  Svvartz  gekleydt  demutig  die  hende 
wringende  Alszo  das  die  mentell  von  den  schuldern  hengen 
sollen  sich  stellende  zcu  weynende 

ffigura 
Begingk  er  mort  vnnd  vbillhael 
An  kiuder  vnter  zcwenn  jarnn 
i  ffigura 

Ahn  dy  muttir  thaet  er  auch  vbillarcnn 
Sehet  wy  Jammerlich  sy  weyne 
Vmme  yre  kint  szo  kleyne  r '•      -n'' 

Die  barbirer 
Johannes  baptista  mit  eynem  lipkleyde  Eyn  lam  im  arme 
mit  czwen  fingeren  dar  vf  wiszend  Ecce  agnus 

ffigura 
Johannes  der  allirheligister  man 
3Iit  seym  finger  zceygete  er  ahn       v  ,rY    " 
Dasz  lam  gotls  iesus  crist  -;* 

Der  vnszir  yrloszer  ist.  ',-  ^; 

Die  barbirer 
Jesus  mit  eynem  tufell  der  tufel  in  der  hani  stcyne  vnd 
Eyn  rym  Si  filius  dei  es  pp. 

Jesus  eyn  ryme  non  in  solo  pane  pp.  czwe  cngel  mit 
rymen  Et  angeli  pp. 

ffigura  " 

Nach  der  lawlle  sobalt 
Wirt  iesus  gofurt  in  den  walt 
Abir  vonn  Jesu  do  vorwuunen  wail 
Der  tewllcl  eyn  schalgk  von  art 
Jhesus  zcuc  viinszr^m  Irosl  ^okommcnn  i,.: 


ZERBSTER  PROCESSION.  285 

Die  ankunschen* 
Jhcsus   mit  xii  apostcllen  barfus   ihesus  mitUMi   iiin  vnd 
alle  diademala 

ffi{^ura 
Hat  czue  sich  zcwelff  Junger  genommen 
Mit  den  zcog  er  widder  vnnd  vort 
Vnnd  segele  seynn  heyliges  wort 
Die  czymnierlewte 
figiira   Iterodis   cum  decollatione  Johannis  konniglich  ge- 
kleydet  in  sampl  seine  frowen  vnd  tochter  iiii  wapener  vnd 
iiii  junger  Johannis  in  korhemden 

ffigura 
Herodes  rieht  zcue  eyn  grosz  essenn 
Seyns  bruder  weyb  bey  Im  gesessenn 
Sy  harffte  sang  vnd  sprang  wylde 
Darvmme  wart  der  konuig  mylde 
Vorhyesch  ir  allir  bete  vnuorsagt 
Herodiaden  yr  muttir  sy  befragt 
Johannes  howbt  in  eyner  schusscl  sy  bat 

Ifigura 
Gar  halt  wart  gewbet  dy  thaet 
Im  gefengnisz  verlor  sanl  Johan  seyn  leben  tewre 
Das  langest  bey  den  wylden  thyrn  vngehewre 
Sycher  vnnd  lebendig  behilt  vnuorlorn 
Benympt  nach  sundiger  weyber  has  vnd  zcorn 
Nymandes  leyder  nyinpt  zcue  synne 
Wie  yrbermlich  der  gerechte  kompt  von  hynne 
Johannes  Jungern  ane  vorzcage 
Brengen  Iren  meyster  erlich  zcue  grabe 
Die  lynwefer 
Die   erweckunge   laszari    vsz    dem    grabe   ihesus    mit  ii 
vlgerackten  fingern  lasarus  im  grabe  mit  gcfalten  henden 


lligura 
rgk  er 
Vom  tode  lasarum  Irwecket  haet 


Grosse  wunderwergk  er  thaet 


*  der  Ankiihn,  grofse  vorstadt  der  Stadt  Zerbsl ,  oder  vielnu-ltr 
eine  eigene  utadt  {wie  die  nsustadt  Mai^dchurg),  unter  Jiirstlii-hcr  Ju- 
risdiction. 


286  ZERBSTER   PROCESSION. 

Als  sich  irvolgete  die  zceyt 
Dor  an  vnnsir  heil  gantz  leyt 
Die  boddeker 
Jhesus  vf  eynem  Eszel  mit  vfgerichten  fingern 
xii  apostel  ii  junge  Juden  vorn  die  tüchere  werfen 
ii  junge  Juden  die  palmen  werfen  vnd  singen  hie  est  pp. 
ffigura 
Am  palmtage  alszo  schyr 
Satzt  er  sich  auff  eyn  thyr 
Vnnd  reyt  zcue  Jherusalem  in  dy  stat 
Das  volgk  ym  grosse  ehre  that 
Nach  dem  heyligen  abintessenn 
Die   kannengisser 
Jhesus  vnd  Judas  Jhesus  eynen  rym  quid  facere  de  cre- 
visti  celeriter   perfice  Judas   eynen  Rym  egone  sum  Domine 

ffigura 
Hat  Judas  ehre  vnnd  trewe  vorgessenn 
Des  Abinies  in  dy  nacht  spaet 
Er  den  herrn  vorrathenn  haet 
Die  ackerlewte 
Den    ölberch    mit  ihesu  vnd  iii    apostellen  als    er  ange- 
richlt  is 

ffigura 
Der  herre  In  eynen  garten  gyngk 
•  '        Dor  Inne  vnszir  irlosung  anphingk 

V  or  drey  seyner  Junger  zcyttern  wart 
■>         Zcum  oelberge  karte  er  seyn  vart 
Seyn  augenn  slug  er  aulF  zcue  got 
0  welche  angest  vnd  noet 
Er  gelydenn  in  liebes  brunst  szo  heys 
Vergoes  auff  dy  erden  blut  vnnd  sweys 
Mit  willen  sich  vor  vns  begab 
Der  verreter  lies  nicht  ab 
Er  viel  zcue  ym  swynde 
Mit  der  pryster  vnnd  ander  gesynde 
Judas  drang  sich  zcue  ym  Eyn 
Der  herre  sprach  0  frunt  meyn 
Die  Gerwer  vnd  Schuster 
Jhesus  mit  Juda  der  yn  kusszen  sali  hie  suilen  die  vo- 


ZERBSTER   PROCESSION.  287 

rigen  xii  apostell  von  ankun  zu  disser  figuren  konien  vnd 
szo  lange  vor  dem  Sacrauient  stehen  bisz  das  Jhesus  gefan- 
gen wirt  die  apostellen  sollen  wegk.  louffen  Judas  sal  haben 
in  seiner  hant  eynen  groszen  Rym  Aue  rabi  in  dem  sollen 
sie  ihesum  angreifen  Jhesus  mit  iiii  gewapente  Juden  ange- 
griffen gebunden  vnd  getrecket 

Annas  cum  ihesu  hir  sal  ihesus  gebunden  gehen  vnd 
Annas  als  eyn  biscop  vf  der  eynen  seite  vf  der  andern  seite 
Eyn  Jude  der  die  hant  zum  slan  vf  hebet  vnd  eynen  Rym  in 
seyner  hant  Sic  tradilur  pontifici  vff  dem  markt  im  rym  sal 
ihesus  nidderfallen 

Higura 
Mit  dem  kues  mensch  vnd  got 
ßrengestu  bysz  in  den  svveren  tot 
Jhesus  ist  gesucht  mit  fachelen  wapen  holtzern  vnd 

luchten 
Gefangen  gebunden  vnd  gefurt  mit  vnzcuchfen*. 

ffigura 
Do  lyeffen  dy  Junger  wegk  in  gemeyne 
Vnd  Hessen  iesum  yren  hern  alleyne 

IFigura 
Vor  Annas  der  herre  irstlich  stundt 
Hertlich  geslagenn  an  seyne  wangen  vnd  munl 
Die  bruvverknechte 
S.  petrus  mit  eynenn  langen  niantel  eyn  diadem  In  ev- 
iicr   hant   eynen    rym  Nescio    quid    dicis  In  der  lincken  hant 
eynen  rym  Non  noui  hominem 

Zu  ichlicher  seiten  Eyne  maget  mit  rymen  die  eyne 
Et  tu  cum  Jliesu  naszareno  eras  Die  andere:  Et  hie  erat 
cum  ihesu  nazareno  »    ^ 

fligura 
Petrus  ist  von  fragenn  Eyner  niayt 
Wurden  vorschrockenn  vnnd  vorzcazt 
Das  er  mit  tewren  swerenn 
Vorloychent  iesum  vunszren  lieben  heru 


*  andere  lesart  dieser  beiden  zeilen  ; 

Irbermlich  wirdt  Jesus  gefaoge 
Gefurt  mit  ernstlichem  zwange 


288  ZERBSTER    PROCESSIO^. 

Ehr  der  hane  drey  gekregt 
Grosz  weynen  er  dor  vmme  pfleget 
Eyu  Erbar  Rath 
Cayfas  cum  ihesu  gebunden  gefurt 
ffigura 
Cayphas  der  ander  richter  was 
Vor  dem  aus  neyt  vnd  has 
Falsche  zceugen  seyn  gebracht 
Die  hau  vil  logene  vbir  iesum  yrdacht 
Seyn  har  geraufFt  am  harte 
Auch  am  howbte  gezcogen  mit  der  swarte 
Vor  zcorn  Cayphas  seyn  kleit  zcueryssen  hat 
Vnschulde  den  hern  besagt  mit  honsprecher  tat 
Frytags  frühe  mit  dem  tage* 
Must  der  herre  eyn  ketten  am  halsse  trage 
Schuster 
Jhesus  mit   iiii  Juden  Eyne  ketten  am  halsze  pilatus  vf 
der  rechten    seiten   Eyn   weisz    holtz    in    seiner  haut  vnd  ii 
banner  vor  om 

tfigura 
Vor  pylatus  gefurt  zcue  vorrichlenn 
Dy  Juden  tatenn  vil  klegede  yrtichten 
Eyn  Erbar  Rath 
Herodes  schon  gekleydet  Eyn  krön  vnd  czepter  vor  im 
Jhesus  vor  om  mit  eynem  weiszen  kleyde  vnd  klatzere  daran 
iiii  Juden  die  ihesu  gebunden  leyten 

ffigura 
Herodes  der  vierde  richter  was 
Von  dem  zcue  pylatus  gefurt  furbas 
Vor  eynen  thoren  gewogen  dy  Ewige  woyszheit 
Bespottet  mit  eynen  langen  wyszen  kleit 
0  wolch  Eyn  Jammer  vor  allen 
Irbermlich  vbir  dy  blocke  gefallen 
Dy  vudeu  am  kleyde  gemacht 
Szo  slym  ist  marienn  kint  voracht  ' 

De  Schuster  vnd  Gerwer 
Jhesus    an  der  sewlen  czvvey  die  in  howen  mit  rulen 

*  diese  beiden  Zeilen,    die  im  originale  an  dieser  stelle  stehn,   g-e- 
liViren   zu  der  folgenden  ßgur. 


ZERBSTER    PROCESSION.  289 

ffigura 
Ahne  sache  lies  pylatus  iesum  an  eyn  sewlo  bynden 
Irbermlich  gegeiselt  vorn  vnnd  hyndenn 
Dor  an  liessenn  sich  dy  Juden  nicht  genugenn 
Sy  Ihaten  furbas  befugenn 
Die   Schuster 
Jhesus   vf  eynetn  stule    ii   die  im  die  kröne  mit  stehen 
vfdrucken  Eyn  Jude  mit  eynem  Rore  Eyn  rym  Aue  rex  Ju- 
deorum 

ffigura 
Eyn  dornenn  kröne  mit  smertzc 
Honlich  gehalten  geehret  yn  scherlze 
Noch  rieffenn  dy  vntrewe  lewte 
Krewczyge  ohn  balde  hüte 
Die  Schepfen 
Pilatus  schon  gekleydt  Jhesus  ym  leibkleyde  mit  eynem 
roten  mantel  Eyn  dornenkron  vfF  seinen  houbte 

ii  knechte   Eyner   binden    eyner    für   mit  eynem  hecken 
Pilatus  eynen  rym  Ecce  homo 

ffigura 
Pylatus  nam  den  herrn  leyte  -'     ' 

Ahn  Ein  fenster  hoch  vnnd  breite 
Ach  sehet  Jammer  an  den  menschen  vud  armen 
Lasset  euch  seiner  Irbarmen 
Fn  grosser  liebe  vnnd  gedult 
Die   Snyder 
Jhesus  mit  eynem  crucz  vf  dem  rücken  Eyn  altraan  die 
im  helft  tragen  ii  Schecher  mit  crucen  iiii  Juden  die  in  fuh- 
ren  ii  Juden   die  die  Schecher   füren    ii  kleine  Juden  die  in 
werfen  Wur  die  Strassen  weit  sein  sollen  die  Schecher  ne- 
ben in  gehen  wur  enge  binden 

ffigura 
Ist  iesus  gcfurt  ane  seyne  schult 
Zcum  todc  seyn  kleit  in  dy  wunden  gebacken 
Eyn  swer  krewcze  aufl'  seyn  nackenn 
Als   thaten  sy  Jagenn 
Eynenn   altenn  der  musl  helH'en  tragenn 
Z.  F.  D.  A.    II.  ly 


290  ZERBSTER    l»R()CESvSION. 

Ifigura 
Mit  zcwen  buefenn  in  rechter  vnsclmlt 
Lest  sich  iesus  furenn  mit  j^edull 
Die  Craraer 
Eyii   wolgescliigkle    frowe  die  dy   feronica  trcgel   demn 
liy  gekleydet  Eyii  criice  vfgerichtt 
Tenebre 
Maria  demüttigliken  geschigktt 

Johannes    bey    marien    in    einem    weiszen    manlel    Kyn 
blosz  Swerl  zu  marien  gekert 

Darnach  maria   magdalena  mit  eyner  buxszen 
Maria  kleopfas  swartz  gekleydct  yre  namen  in  yre  hende 
Cenlnrio    rillichen    zu  pferde  geschigkt  vf  ichlicher  sei- 
len ein  knecht  In  seiner  hant  eynen  rym  vere  lilius  dei  erat 
isle  Longinus    mit    eynem   vfgerichtem    spere    wol    gekleidet 
Eynen  jungen  der  in  leydet 

ffigura 
Veronica  das  edel  weib  vnd  milt 
Erwarb  des  herren  angesichl  vnd  bilt 
Tenebre    fade   sunt    et    hie   pausatur   fiat  Brevis  pnisns 
in  turri 

ffigura 
Das  krewcze  ist  aufgerichl 
Wer  das  liewle  ansieht 
Der  gedencke  an  dy  martir  groes    '  ' '.^   ' 
Vnnd  seyn  heiliges  bluet  das  do  floes 
-^li..    f.     Das  tregt  der  prister  in  seyne  hant 
-(■:,(     Dancken  wir  iesu  dem  rechten  heylant  t   ;', 

'       '^  ;     ~  ffigura 

.■<•    !  '    Dem  volgele  maria  mit  trawre 
Dy  vorgoesz  yre  trene  tawre 
Dor  zeue  Johannes  bey  der  muttir  gehet 
Maria  Cleophas  auch  do  bey  stehet 

ffigura 
Magdalena  steyt  auch  in  rawenn       '         '  ' 
Mit  Irenen  vnd  ganizenn  trawen 
Dy  cristlich  kirche  was  do  nicht 
Dan  in  marien  das  heylige  licht  '»      •'     H     • 


ZERBSTER   PROCESSION.  291 

Centurio  der  ryü"  vor  aller  schar 

Dis  ist  gotis  son  vorwar 

Dem  hernn  langet  meii  Etzigk  her 

Jfigura 
Longinus  reichte  das  scharfl'e  sper 

Vrbanus  richard* 
Die  begrebnisz  vnnszers   lieben  liernu 

ffigura 
Der  herre  nach  seyuem  lode  herbe 
Als  er  vor  vns  wolde  sterbe 
Lies  er  sich  legenn  Im  steynen  grabe 
Dy  drey  marien  wolden  nicht  gehn  darabe 
Warer  got  vnd  Mensch  Im  grabe  gelygenn 
Dy  gotllche  sele  zcuer  hellen  gestygenn 
Mit  selbest  mechtiger  thaet 
Die  altvetere  yrloszet  haet 
Die  Smede 
Die  vferstentnisz  Jhesu  mit  eyner  fahnen  eyn  liebkleydt 
mit   V  wunden  Desz  sal  bey   dem  grabe    sein   ii  wolgeruste 
wepener  vnd  ii  engelle  mit  weiszen  tuchern 

Item  ii  greber  darinne  ii  personen  mit  weiszen  mutzen 
vnd  mit  gefalden  henden 

ffigurä 
Am  drytlen  tage  irstandcnn  ist 
Vnnszir  lieber  herre  ihesu  crisl 

ttigura 
Andere  mit  cristo  irstandin  seynn 
Dy  geben  dem  glowbenn  scheynn 
Die  ackerlevvte 
S.    SteHan   als  eyn  Ewangelier   ii  Juden  die  SfefTanum 
werffen  Steffanus  sal  ein  ror  in  der  liant  habrii 

Higura  '  " 

Stephanus  der  mertcler  mildt 
Ist  der  Irst  der  des  leydens  bildt 
An  sich  volbracht  haet  '      '■'    '" 

Die  boddeker 
xii  aposleli   ichlicher  sein  marter  czeichen  in  alben  an- 
"   ein  Zerhster  bürger. 

19' 


292  ZERBSTER   PROCESSION. 

i^eczogen  Dyademata  vf  yren  haubten  Die  nhamen  dar  inn 
geschreiben  vnd  ichlicher  eyn  rym  des  geloiibens  eynen  ar- 
tikel  vor  siner  brüst 

ffigura 

Hyr  volget  der  heylige  rael 

Der  zcwelff  golliche  böte 

Petrus  andreas  irwelt  von  gote 

Johan  Jacobiis  der  grosse 

Symon  Judas  seyn  genösse 

Bartholomeus  vnnd  matlhias 

3Iattheus  dorzcue  thouias 

Philippus  Jacobus  der  kleyne 

Das  seyn  sy  in  gemeyne 

Dy  ganze  werlt  han  sy  bekart 

Vnd  den  cristen  gelowbenn  gelarl 

Ir  bluet  han  sie  alle  vergossenn 

Eyne  grosze  schar   der  mertelere 
Die  Schiitmeyster 
S.  Sebastian  an  eynersewlen  im  libkleydemit  pfeilen  durch- 
macht Eyner  mit  eynem  bogen  eyner  mit  eyner  armbursle  ne- 
ben ym  ' 

ffigura 

Sant  Sebastian  der  heyliche  herre 

Mit  pfeilenn  ist  er  durchschossenn 

Sein  bluet  miltlich  geflossenn 

Vorstender  S.  Valentini 
S.  Jürgen  vf  eynem  pferde  ritlich  im  harnnisch 
Eyn  juncfrow  mit  eyner  krönen  kostlich  geczirt  die  sal 
den  trachen  leiten 

ITigura 
Sant  Jörg  in  gotts  dynst  hat  thuen  wachen 
Vnd  irstochenn  den  gresenlichenn  trachen 
Vorstender  S.  ßartholoniei 
St  Laurentz  als  eyn    leulte    eyn    diadem    vnd   eyn   rost 
in  der  hant  vnd  eyn   ror 

S.  Ciriacus  mit  eynem  diaken   rocke  Eyn  diadem 
Eyn  tewfelsbilde  bey  im 


ZERBSTER   PROCESSION.  293 

Ifigura 
Sant  lorentz  vnd  Ciliax  zcwene  leuitenii 
Hau  mit  yrem  tode  thun  streitenii 
Vorstendcr  S.  Nicolai 
S.   lefin  eyn  biscop  liutli  vnd  korkappe  Eyii  slapp    Eyii 
czange  mil  einer  czungen 

S.  uicolaus  als  eyn  bisscofl"  mit  eyner  körkappen  vnd 
hüte  Eyu  stab  vnd  iii  klosz  gold  in  den  fienden  die  hant 
zur  benedictio  vfgerichtt 

ffigura 
Sani  liuinus  hat  ane  zcunge  gesprochen 
Sant  Nicolav^^es  hat  vil  vnrecht  gerochen 
Die  korszner 
S.  Gregorius  gefurt  als  eyn  babist  mit  eynem  hüte  vnd 
eynem  crutze 

S.  jeronimus  als  eyn  cardinal  mit  eynem  hüte  vnd  crutze 
S.  ambrosius  als  eyn  biscoff 

S.  augustinus  als  eyn  biscoff  Eyn  crutze  mit  iii  stralen 
Sollen  alle  jre  nhamen  an  yren  hüten  haben 
ffigura 
Vier  lerer  sollen  wir  merckenn  i    ,.       i. 

Die   han  dy  kirchen  thun  sterckenn  ..,i 

Gregorius  Jherouimus  dorbey  ' 

Ambrosius  Augustinus  von  sunden  frey  ■    .-,,> 

Die    Slechterkoche 
S.  Michell  als  eyn  engel  czirlich  geschigkt  Eyn  crutze 
vor   seinem  houbte-  Eyn  stola  am  halsze  crutzweisz  vnd  sal 
füren  eyuen  tewfel  an  der  kethen 

Higura 
Sant  michael  den  tewifel  verwann  -< 

Szo  schriebet  in  geheym  sant  Johan  ,    ,.  , 

Die  Szeler 
S.  Cristoff  barfusz  Eyn  kindt  vf  seinem  nacken  Er  vnd 
das  kindt  Diadema  crutze  vf  dem  houbte  das  kinl  sal  ii  fiu- 
ger  vfrichten  vnd   eyn    alt  mennichen  eyne  laterne  vor  sich 
tragen 

ffigura 
Cristoffcrus  am  lybe  groes 
Seyn  bluet  vor  chrislo  vorgoes 


294  ZERBSTER  PROCESSION. 

Vorstender  S.  Gerlrudt  * 
Anna  demutlich  gekleydt  bey  annen  eyne  junckfrow  in 
marien  weysze  Eyn  kindichen  in  ihesus  weysze  angetzogeu 
mit  eyneui  diademate 

Elizabet  in  hoffliclier  demut  mit  eynem  minister  in  irer 
haut  Die  nhamen  alle  in  ire  hende 

ffigura 
Anna  Elizabet  dy  heyligen  frawen 
Thun  ir  hy  mit  scbawen 
Die  31üller 
S.  Mauritz    selb   sybende  Swartz   beramit  vnd   in  har- 
nissche    mit   einer   syden    fanen  Mauritius  ein  rot  schilt  mit 
eynem   gelen   crutze    gutten   harnissche   alle   crutze  vor  den 
houbten  vnd  schortze  vber  die  lenden 

fiigura 
Sant  moritz  mit  seyner  heyligenn  legion 
Hau  auch  der  merteler  krön 
" '';t  '"     Sechstausent  sechshundert  sechs  vnd  sechzcigk  man 
^  Sollenn  wir  In  Ehrenn  bann 

Vorsteher  der  elenden" 
xiiii   nothulfer  mit   diademata  vnd  crutze  vf  ore  houbte 
Jhesus  kindes  weysze  im  mittel 

S.    wendelinus    ein   hirte   mit   eynem   hörn   Sacke    vnd 
tassche 

fBgura 
'\r  Vierzcehn  nothelffer  seyn  gezcelt  f^ 

"  •'   "    '    Von  gote  sunderlichenn  auszirwelt 
Vorstender  corporis  cristi** 
S.  katherina  schön   eyne  krön  vnd  marlir  czeichen 
S.  margareta  eyne  krön  vffs  schönste  geczirt  eynen  tra- 
chen  vff  yrem  arm 

S.  Barbara  mit  eynem  tonn  kelche  vnd  hostia 
S.    dorothea   eyn   knebichen   bey   der    hant   mit    eynem 
roszenkorbe 

Darnach  folgen  junckfrawen  szo   viel  der   sein  kan  yre 
martirczeichen  vnd  nhamen  in  ore  hende  n3;^*»ji 

kapeile  zu  Zerbsi. 
"  geistliche  brüderschaftcn  zu  Zcrbsf.  '  '''"'■   "  f'*^' 


ZERBSTEU  I'KOCESSION.  295 

lliyura 
Saut  kalherinu  uiargarel  reyiiii 

Ifigiira 
Barbara  dorolliea  nicht  allein 

ffigura 
Sundere  Andere  Juncfraweiin  aue  zcall 
Dy  lian  gelydcn  grosze   luartir  vnd  (|uall 
Dy  nhameu  tragen  sey  in  vre  hcnl 
Zouni  rechten  vbir  sey  iian  gelenl 
Die  lakenscherer 
S.   Ursula  konnigiichen  geczirt  iii  slrale  in  ore  haut  vor 
ir    ein   kiiabe    mit    eyncm    czepler  Eyner   der    ir  die  kleider 
nachtrege L 

üarnacii  sollen  ir  folgen  szo  vil  junckl'rawen  als  man 
vuimer  darzu  vororden  kan  in  weyszen  kleyderu  crulze  vor 
ire  houbte  pfeile  strale  vnd  andere  wapen  in  irc  heudt  iiii 
vnd  iiii  bey  eynander 

Higura 
Sant  vrsula  mit  yrer  schar 
Han  vorloren  ir  leben  gantz  vnnd  gar 
Vor  cristus  dem  herrn  gute 
Dy  alle  mit  yrem  bluete 
Han  gebawet  dy  cristenheit 
0  mensch  zcue  andacht  dich  bereyt 
Dan  kurtz  ist  deyn  leben 
Got  wirt  nach  den  wcrcken  das  loiin  geben 
Tisscher  vnd  maier 
Der  todt   im   liblarwcn  kleide  mit  eyner  wolgeschicktcn 
lodenkappe  8al    langszam    sleichen  Eyne  scnszen  zum  liawe 
in  seiner  hanl   tragen  geleich   vf  der  straszen  bleiben 

ffigura 
Gedencke  der  todt  kompt  gewyslich 
Abir  dy  stunde  ist  ganlz  myslich 
Die  knocheuhawer 
Das  hymmelriche  Jhesus  forne  daran  mit  cynem  regen- 
bogen  szo  geschigktl  das  mau  inn  funlT  wunden  gesehn  kan 
vf  der  eynen  selten  maria  eyne  junckfraw  demuttich  gekley- 
det  vnd   mit  gefaldcn  henden 

vf  der  andern  seilen    S.  Johannes   mit   eyueni   diadema 


296  ZERBSTER  PROCESSION. 

ouch  mit  eynem  libkleyde  vnd  mit  gefalden  heuden  in  dem 
hymmelhausze  Iwten  pffiffen  trummel  vnd  allerley  seitenspill 
szo  vil  man  das  habe 

vor  dem  hymmel  sollen  sein  kinder  weisz  gekleydt  von 
allerley  stenden  Babist  Bisschoff  Cardinal  vnd  pfaffen  Die 
helfFle  sal  iiaben  einen  engell  im  stricke  gehen  zu  der  rech- 
ten hant  mit  frolichem  gemute 

Die  andere  helfte  der  kinder  von  allen  stenden  obin  be- 
rurt  Sal  eynen  teufell  füren  in  eyner  kethen  Die  kinder  vf- 
recken  ire  hende  wenen  vnd  heulen  als  vorthumet 

Item  am  regenbogen  zur  rechten  seitten  eyne  lylige 
Eyn  rym  venite  benedicti  patris  mei 
Zur   linckeu    seiten  Eyn  Swert  Eyn    rym   Ite  maiedicti 
in  ignem  eternum 

Eyn  engel  sal  bey  dem  gerichle  tragen  ein  crutze  mit 
allen  wapen  vnszers  hernn 

ffigura 
Schaw  den  richter  sytze 
Dy  büszen  zcuer  hellen  in  dy  ewige  hytze 
0  welch  vnlust  vnnd  swerir  hon 
Dy  guten  weysl  er  zcue  hymmelstron 
Vorstender  des  hospitals 
X  wolgesmuckte  juncfraweu  v  mit  bernenden  lampen  Iro- 
lich  vnd  v  mit  geneyten  lampen  trurich  vnd  weynende 

ffigura 
Bedewtenn  dy  zcehn  Juncfrawenn 
Dy  ir  thuet  schawenn 
• .         Funff  tragen  bernende  lampen  vnuordrossen 
'  FunfF  han  das  oel  vorgossenn 

Eya  wy  ferlich  ist  vnnszir  weszenn 
Wollen  wir  hyr  geneszenn 
Ist  vns  noet  vnd  behufF 
Das  wir  geyssen  vnnszir  gebet  vnd  ruIT 
Zcue  Jennigem  am  ent 
Wirt  getragenn  in  des  pristers  hent 
Der  vnszir  trost  vnnd  heil 
Seyne  gnade  ist  das  seyl 
Do  mit  wir  gezcogenn  werdenn         '     '  '    '  '  • 
'  " ''  Sich  got  ist  bey  vns  auff  erdenn 


ZERBSTER  PROCESSION.  297 

Des  alleyne  liir  iujjedenckenu 
Dorzcue  deyiie  andacht  sol  lencken 
Dysze  figuren  thun  iesum  bewyszenn 
Er  wil  vns  mit  seynem  leichnam  speysen 
Gyb  lob  vnd  dang  o  cristenheit 
Ane  spot  habe  Innigkeit 
Eytelcheyt  saltu  hewte  meydenn 
Gedenck  seyn  heyliges  leyden 
Darzcue  wil  man  hyr  in  eyne  saclie* 
Billich  gebort  vns  Inen  zcue  lobenn 
Synget   mit   andechtiger  slymme  zcue  gole  Irhobeu 
Incipiatis  Crist  du  bist  mild  vnd  guth 
Die  schoknechte 
Die  helle 


ZUR  LEX  SALICA. 

Über  die  ausdrücke  die  in  den  stellen  der  lex  salica, 
welche  von  gräbern  und  deren  Verletzungen  handeln,  vor- 
kommen und  nicht  aus  älterem  Latein  sich  erläutern. 

Wir  begreifen  unter  den  in  der  Überschrift  bezeichneten  stellen 
diejenigen  welche  in  der  von  hn  Laspeyres  besorgten  nicht  ge- 
nug zu  rühmenden  synoptischen  ausgäbe  der  lex  salica,  die  uns 
überhaupt  bei  unsern  Studien  die  trefflichsten  dienste  geleistet 
hat,  s.  46 — 51  unter  den  Überschriften  De  corporibus  cxpo- 
liatis  oder  De  eo  qiii  vioHiiiim  hommem  eaypoliarerit  zusam- 
mengestellt sind,  und  bringen  die  erörterung  der  einzelnen 
ausdrücke,  wie  sie  in  den  handschriflen  und  paragraphen  auf- 
einanderfolgen, in  regislerarliger  weise  zum  vortrage. 

1.    Si  quis  honünem  mortumn    (al.    corpus   occisi  homi- 
nis) antequam  in  terram  mittatur,  expolinverit  (ma/b.  chreo 
'  in  einer  andern  handschrift  stehen  hier  Johlende  teilen 

Er  gebe  vns  seyncn  sege 

Hir  bleibt  in  der  nege 

Es  wirt  hir  Jhesus  vor  vbbirzyhc 

Fallet  alle  auf  Ewer  knye 

Betet  an  seyn  fleis  vnd  blut  ' 

Danckende  vmb  seyn  bewisenes  gul 


298  ZUR  LEX  SALiCA. 

mosdo,  ?A.  cheo  mosido,  d\.  ckreomardo,  al.  mulher)  u.s.w. 
der  erste  llieil  dieser  malbergischen  glosse  welcher  chi'eo 
lautet  (cheo  ist  Schreibfehler)  ist  genau  das  gälische  creadli 
d.  i.  der  nieuschliche  leib,  leichuam ;  mosedo,  musido,  mu- 
sedo,  vmrdo  sind  offenbar  das  gälische  mortadh,  mui'tadJi 
(spr.  murto),  welches  jetzt  mord  bedeutet;  aber  in  älteren 
Zeiten  mag  das  wort  wie  das  entsprechende  deutsche  eine 
allgemeinere  bedeutung  gehabt  und  nicht  sowohl  homicidium 
als  facimis  clandestinum  bedeutet  haben,  der  Wolfenbütt- 
ler  codex  hat  in  einem  entsprechenden  paragraphen  noch  die 
glosse  norebero;  das  wort  ist  gälisch,  nämlich  nar  schmach- 
voll, und  ein  verbalsubslantivum  von  beir  nehmen,  weg- 
bringen, welches  jetzt  irregulär  breith  lautet,  aber  regulär 
beirendh  lauten  müsle.  norebero  bedeutet  Schmachvolle  weg- 
nähme, schmachvoller  raub. 

2.  Si  quis  haminevi  moriuum  (al.  corpus  iam  sepultimi) 
exfodierit  et  expoliaverit  {malb.  thurnichalt,  al.  iurni  cale, 
al.  turnecale,  al.  tbt/rn?'cha/e),  war^gus  (al.  virgo)  sit  i.  c. 
expellisset  (al.  expulsus  de  eodem  pago)  usque  in  dient  il- 
hnn  quam  ipsa  causa  parentibus  defuncti  faciant  emendare, 
et  ipsi  parentes  rogare  ad  iudiceni  debea?it,  ut  ei  liceat 
inter  homincs  habitare  u.  s.  w.  das  wort  tu7'nicha/t  (so 
scheint  die  richtige  Schreibung)  kommt  überein  mit  gälischem 
torraii  das  grab,  und  cailte  oder  caillte  verdorben,  zieht 
man  die  Schreibung  cale  vor,  so  ist  es  cailleadh  das  zu- 
grundericiiten,  verderben ;  turnichalt  zerstörtes  grab,  tnrni 
cale  Zerstörung  des  grabes.  dal's  das  wort  ivargus  oder 
virgo  keltisch  und  von  den  Kelten  erst  an  die  deutschen 
Stämme  gekommen  sieht  man  einmal  daraus  dal's  angelsäch- 
sisch i^earg  oder  allnordisch  vargr  ohne  wurzel,  vielmehr 
selbst  erst  ausgangspunkt  für  einige  ableituugen  ist,  sodann 
daraus  dafs  vargus  bestimmt  als  keltisches  wort  bezeichnet 
wird:  Sid.  Apoll,  ep.  4,  6  iHirgorum  nomine  indigenae  lu- 
trunculos  nuncupanl.  oflcnbar  ist  hier  die  bedeutung  la- 
h'unculus  nur  die  speciellcre,  gewissermafsen  convcnlionelle ; 
die  allgemeine  bedeutung  ist  AiisgestoFsener,  verfolgter,  cxul, 
die  eigentliche  grundbcdcutung  aber  ist  Elender,  denn  es  ist 
die    aspirierte   form  des  gälischen  mairg,    also    mhairg  (spr. 


ZUK  LKX  SAUCA.  299 

iiuirg  oder  ivarif)'  (1.  i.  janimervoU,  unglücklich. —  die  län- 
gere falsung  des  paragraplieu  im  VVollenbüUeler  codex  hat 
noch  et  qiii  ei,  antequam  componat  ciun  parentihus,  ante 
penc  (litt  tor,  qui  tale  dcderit  (oder  nach  anderer  falsung 
el  quicunqm  nntea  ei  aut  yanem  mit  hospilale  dce  uxor 
sua  sive  yroxima  ei  dedent,  und  anderwärts  mit  noch  eini- 
gen Varianten),  ich  halte  die  worle  yene  auttor  für  uialber- 
gisch,  entsprechend  dem  gälischen  benn.  umgehen  mil  jemand, 
behandeln  jemand  in  einer  weise,  ead"\  negatives  prätix,  und 
deöra  der  ausgeslorscne,  verbannte,  ein  Verbalsubstantiv 
von  bean  würde  beanadh  lauten  und  bebandlung,  Umgang 
bedeuten:  ead-deüra  {ea-deöra)  der  nicht  verbannte,  pene 
auttor  bedeutet  Behandlung  als  nichtverbannten,  und  so  über- 
setzen es  auch  der  Pariser  codex  und  die  emendata,  qui  ei 
hospitium  dederit  ^  das  wort  panem  scheint  aus  misverstand 
des  malbergischen  pene  erst  hereingekommen. 

3.  Si  qiiis  hominem  morluum  super  alterum  in  naufum 
(al.  in  qffb,  al.  in  aufa,  al.  in  nachao,  al.  in  naufo,  al. 
in  nofo)  aut  in  petra,  quae  vasa  ex  nsu  sarcophagi  di- 
cuntur,  iniserit  {rnalb.  idulgus,  al.  hidulgus)  u.  s.  w.  die 
Verlegenheit  des  Schreibers  ob  er  jf  oder  ch  schreiben  solle 
ist  erklärlich,  da  es  sich  hier  um  einen  laut  handelt  der 
zwischen  /  und  ch  in  der  mitte  liegt,  wie  zuweilen  das  aus- 
lautende englische  gh.  dieser  laut,  der  im  auslaut  einsilbig 
ger  Stämme  ganz  jenem  englischen  gh  ähnlich,  nur  mit  stär- 
kerem hauche  gesprochen  wird,  wird  gälisch  gh  geschrie- 
ben, und  ofjo,  aufo,  achao  ist  gälisches  uagh  das  grab,  das 
todtenlager.  das  n,  das  in  der  malb.  glosse  bald  davor  steht 
bald  nicht,  gehört  ebenfalls  dem  keltischen  lautsystem  an, 
wo  in  gewissen  lautverbindungen  bei  vocalisch  anlautenden 
Substantiven    ein    n   vor   den    stamm    gesetzt    werden    mufs. 

'  einzelne  dialeele  inoelihMi  auch  das  /  stärker  und  aussehlielsen- 
dei-  hervorheben,  und  so  die  form  viri;o  entstellen,  im  jetzigen  Irlän- 
dischen vcrtheileti  sich  diese  dreierlei  aussprachen  des  ai  (als  a,  ä,  i) 
an  verschiedene  worte,  z.  b.  tain  (spr.  takn)  ruinour ,  aingeal  (spr. 
iiigel)  angel,    air  (spr.  ürr)  law/u/.  ,  i,,,,  ; 

"  dem  malbergischen  (ui  entspricht  mit  seltenen  ausnahmen  ca, 
und  das  aiil  der  malbergischen  glossen  ist  fast  stets  ead,  z.  b.  pedero 
aut  freodu,  verschrieben  für  prdcro  aut  treodo,  ein  kalb  was  nicht 
zur  herdc  gehör»  {eud-  treudaeh),  was  noch  mit  der  matter  läuft. 


300  ZUR  LEX  SALICA. 

idulgus  (mit  dem  h  verhalt  es  sich  ganz  gleich  wie  eben 
hinsichtlich  des  71  erwähnt  ward)  ist  gälisch  eiti  furchtbar 
(das  wort  wird  besonders  zu  bezeichnung  des  gespensterhaft 
furchtbaren  gebraucht)  und  olcus  frevel,  idulgus  =z  grau- 
senbringender frevel. 

4.  Si  quis  aristatoiiem  (al.  cheinstadima,  al.  arestatio- 
nem)  super  hominem  mortuum  capulaverit  {inalb.  viandoado) 
aut  silave  (al.  selave),  quod  est  pontictilus,  super  hominem 
mortuum  deiecerit^  de  unaquaque  {malb.  chreohurgio)  u.s.w. 
das  wort  aristaton  wird  in  der  emendala  durch  staplum  er- 
klärt, die  gloss.  Est.  fügen  das  wort  banculas  hinzu;  der 
codex  Estensis  hat  sonst  scaplum,  was  für  staplum  offenbar 
verschrieben  ist.  das  wort  staplum  ist  offenbar  deutsch, 
Stapel,  der  höhebau  zu  welchem  stufen  führen,  auch  der 
thurm.  aristaton  ist  gälisch  a  riastadh  (spr.  a  risto)  die 
einfafsung  und  tiiam  das  grab,  —  aristaton  die  grabeinfafsung. 
hanculas  halte  ich  für  verlesen  oder  für  verschrieben  für 
banculac i  das  wäre  synonym,  banc  querstrich,  furche,  ein- 
fafsung, grenze,  und  ndhlac  das  begräbnis:  es  hiefse  auch 
grabeinfafsung, —  die  raalbergische  glosse  mandoado  erscheint 
in  der  emendata  latinisiert  als  mandualis  mit  dem  beisatze 
quod  est  stn/ctura ;  es  scheint  aus  den  gälischen  Worten 
mam  der  hügel  und  dual  die  einfafsung,  der  rahmen,  zusam- 
mengesetzt, =  die  grabhügeleinfafsung ;  mandoado  wäre 
dann  für  mandoalo  verschrieben,  silave  oder  selave  (Wol- 
fenbüttler  Codices  haben  auch  salive,  sillabc)  wird  durch 
ponticulus  (porticulus  bei  Herold  scheint  ein  Schreibfehler) 
erklärt,  die  Verschiedenheit  der  Schreibung  erklärt  sich  aus 
den  gälischen  Worten  die  zu  gründe  liegen,  sail  die  bewah- 
rung  und  uaimh  der  grabraum,  das  grab,  wenn  mau  schriebe 
seluaiw,  so  wäre  die  ausspräche  genauer  ausgedrückt,  aber 
doch  nicht  lautlich  genau,  was  überhaupt  mit  unserni  aipha- 
bet nicht  möglich  ist.  offenbar  war  es  der  überbau,  die 
brücke  über  dem  grabesraum,  über  dem  lodlenlager  (off  oder 
auf  ■=:  uagh;  ave  oder  abe  z=:tfaimh),  welche  das  einstür- 
zen des  darüber  errichteten  aristaton  verhinderte  und  die 
leiche  vor  diesem  bedrücktwerden  behütete,  an  dieses  be- 
drücklwerden  der  leiche  scheint  sich  gespensterhaftes  ange- 
knüpft zu  haben,  wie  man  aus  dem  oben  erwähnten  verböte, 


ZUR  LEX  SALICA.  301 

eine  leiche  auf  die  andere  zu  legen,  schliefsen  darf.  —  zu 
bezeiclmung  aller  dieser  unter  4  erwähnten  grabfrevel  zu- 
sammen hat  nun  die  heroldische  glosse  noch  das  wort  chreo- 
bnrgio,  wozu  als  anders  und  zugleich  üdsch  geschriebenes, 
übrigens  sonst  gleiches  wort  chlebarbio  des  Pariser  codex  ge- 
hören mag*,  auf  jeden  fall  ist  letzteres  in  chvebarbio  zu 
ändern,  die  richtige  lesung  scheint  chreoburdio  oder  chreo- 
bardio,  von  creadh  der  leichnam  und  buaireadh  die  Störung. 

5.  Si  quis  tornbam  (al.  tunibam)  super  mortiium  homi- 
ncm  expoliaverit  {inalb.  turnichalis  u.  s.  w.  das  wort  tur- 
yiichalis  ist  schon  oben  erläutert;  tumba  oder  tomba  ist  gä- 
lisches  iuam  das  grab. 

6.  Si  quis  basilicam  super  hominem  mortuum  expolia- 
verit (inalb.  ehre  ottar  sino)  u.  s.  w.  die  glosse  ist  offen- 
bar abzutheilen  ck7\'o  ttarsino  d.  i.  gälisch  creadh  der  leich- 
nam und  darsa  das  haus,  die  wohnung,   das  gebäude. 

Von  diesen  freveln  ward,  wenn  wir  die  bufsen  über- 
blicken, am  härtesten  gebüfst  das  legen  einer  leiche  auf  die 
andere,  über  noch  einmal  so  hoch  als  der  raub  in  einer 
über  dem  grabe  errichteten  kapelle,  über  viermal  so  hoch 
als  die  meisten  anderen  grabstörungen,  und  nur  das  ausgra- 
ben eines  schon  bestatteten  leichnams  und  die  beraubung 
desselben  hatte  noch  höhere  bufse.  offenbar  aber  hat  das 
gesetz  verschiedenartige  grabeinriclitungen  vor  äugen,  gräber 
mit  einer  kapelle  (basilica)  darüber,  gräber  mit  einem  ein- 
fafscndcn  und  deckenden  aufbau  (aristato?i),  gräber  mit  einem 
durch  einen  vorbau  umfafsten  erdhügel  (rnandualis). 

H.  LEO. 

iler  lieroldischo  codex  hat  auch  zu  clireoburgio  am  rande  bardio. 


302 


MITTELNIEDERLANDISCHES    OSTERSPIEL. 

Vor  eitiigor  zeit  erlaubte  7nir  herr  bibliothekar  Holtrop 
hieselbst  mit  gewohnter  freundlichkeit  die  durchsieht  der  im 
verflofsnen  sommer  aus  dem  ehemaligen  Slaivantenkloster  bei 
Mastricht  an  die  hiesige  kömgliche  bibliothek  gekommenen 
handschriften .  ich  fand  darunter  nur  eine  vo7i  Wichtigkeit 
ßlr  die  altfiiederländische  literatur,  und  aus  ihr  sind  die 
nachstehenden  mittheilungen  entnommen,  sie  ist  gegefiwär- 
tig  bezeichnet  n°  377  und  enthält  247  pergamentblätter  in 
folio.  nach  einem  zwei  hliitter  einnehmenden  inhaltsver- 
zeichnisse  folgen  von  hl.  3  v.  bis  232  i\  47  predigten,  von 
welchen  ich  wegen  der  Seltenheit  altniederländischer  prosa 
zwei  kürzere  aufs  gerathewohl  herausgegivffe?i  habe,  bis 
dahin  geht  eine  und  dieselbe  deutliche,  feste,  7vahrschein- 
lich  dem  ende  des  \An  j'ahrh.  ajigehöinge  hand.  mit  bl.  232*^, 
dem  ende  der  20w  läge,  bricht  die  letzte  predigt  plötzlich 
in  der  mitte  eines  wertes  ab,  und  es  folgt  von  bl.  233/'. 
bis  1kl  V.  das  leider  sehr  verstümmelte  osterspiel,  welches 
ich  ah  ältesten  Überrest  niederländischer  dramatischer  poe- 
sie  vollständig  wiedergebe,  die  hand  ist  mit  der  vorherge- 
henden ziemlich  gleichzeitig,  ich  glaube  aber  nicht  sehr 
zu  irren,  tvenn  ich  die  predigten  sowohl  als  das  osterspiel 
mindestens  ein  halbes  Jahrhundert  älter  achte  als  die  hand- 
schrift.  —  die  Orthographie  habe  ich  unverändert  gelafsen, 
trotz  ihrer  grofsen  mn^egelmäfsigkeit,  leeil  das  osterspiel, 
wahrscheinlich  auf  der  grenze  entstanden,  im  texte  wie  in 
den  reimen  deutsche  und  niederländische  formen  und  Wör- 
ter mischt,  ich  begnügte  mich  deshalb  aufser  der  inter- 
punction  einzelne  kurze  anmerkungen  und  verbefsei^utige?i 
am  rande  beizufügen,  einige  j)arallelstellen  welche  herr 
dr  Jonckbloet  hieselbst  mir  gefälligst  mittheilte  sind  mit  J 
bezeichnet. 

Derselbe  machte  mich  aufmerksam  dafs  das  von  herrn 
von  Karajan  in  dieser  zeitschr.   1,  97  ff.  mitgetkeilte  brach- 


MNL.  OSTERSPIEL.  303 

stück  einer  nieder Uindischen  bcarheitnng  der  Karlssage  zu 
den  brabantischen  yeeslen  des  Jan  de  Kleine  gehört,  in  der 
ausgäbe  von  Willems  {BrüsseJ  1839.  4.)  hoek  2  v.  2180 
—  2475  s;  146—156. 

HAAG  5  aprll  1842.  JULIUS  ZACHER. 

hl.  233''     Dit  is  begi7i,  loie  vnse  here  die  werelt  zen  irsten 
hegonde   ze   machcne    ende  allet  des  he  begerde,    ende 
sprag  das  Ego  siim  alfa  et  o. 
f^nse  here  zu  sich  seluer 

Ich  ben  ende  efi  aneginne. 

gew  or  gol  gerechte  minne !  . 
Hie  macht  vnse  here  dat  irstc,    dat  loas  himel  ende  erde. 

Nu  wil  ich  dat  gewerde 

hlmel  ende  erde, 

inde  wille  hanen  schone  5 

engele  in  niinen  trone, 

die  minen  lof  sengen 

inde  immer  in  vrouden  rengen. 
Hie  sengen  t  die    engele  gloria   in    excelsis   deo.     dar  na 
besach  sich  Lucifer  in  die  driueldicheit  inde  spi^ach  das 

Ich  sien  in  minen  claren  schin 

dat  is  mich  diinke  werdich  sin  10 

dat  ich  minen  stnl  in  eisten 

sezze  ende  gelich  dem  hoisten.  '■ 

\\\i  prüuel  gesellen  alle 

wie  lieh  dit  beualle. 
Ein  enget  Satan  ror  si  alle  spricht  ' 

233''     Vns  dunckil  gut  de  seine  wain,  ,  15 

dar  umbe  wir  dich  gestain. 
Hie  wirt  Lucifej'  virstosen,  ende  spricht  rtise  here 

Lncifor,  din  ouermiiet  .w  \ 

hait  dir  benomen  al  dat  guet, 

inde  dal   der  himel  beneit, 

8.  rengeii.  vcv^l.  Minnen  loep,  lis.  der  /iön/i'L  bibl.  im  Haag, 
hl.  ;U)''  \N  ye  in  den  eorsten  (giael  van  minne)  ringlict  v(ieM,  Dacr  meest 
onsediclieit  in  valt.  Die  .sai  hehberi  in  syn  hehall  Mate,  waer  lii  hene 
gael.     ./. 


304  MNL.  OSTERSPIEL. 

dat  der  zu  vrouden  was  gereit  20 

ende  alle  dineii  gesellen. 
nii  vart  zu  der  hellen 
da  ir  quellt  inne 
van  disen  aneginne 

immer  sunder  ende  25 

in  iemerlich  meswende. 
Hie  werden  die  e?igele  duvele  ende  spricht  Beizebub 
Owe  leider  ende  owach ! 
dat  uns  die  doirheit  ie  geschach 
die  uns  dus  hait  mishandelt ; 
want  uns  schonet  is  vorwandelt  30 

in  eine  arge  vorme. 
na  eime  leitlichen  worme 
sin  wir  nu  alle  geschaffen, 
wir  daden  als  arme  äffen 

dat  wir  uns  des  ane  noraen  35 

des  wir  inmochten  voUekumen. 
Hie  machet  vnse  here  die  iverelt. 
Nu  so  wil  ich  machen 
wale  duen  gerachen 
alle  creaturen 
{hier  fehlt  ein  blatt.) 
234"     Vnse  here  quam  in  paradis  ende  spach  zu  Adame 
Sage  Adam  wo  bes  du?  40 

wat  hais  du  begangen  nu? 
Adam  sprach  zu  imsen  here 

Here,  ig  han  dine  stimme  gehört. 
van  uorten  so  ben  ig  zestort, 
went  ig  nacht  ben  ende  blois, 
des  is  mine  schemede  grois.  45 

Vuse  here  zu  Adame 

Adam  wijs  dir  geschyt 

dat  du  in  hais  behauden  nyt 

dat  ig  dir  hadde  geboden? 

went  van  miner  gcnaden 

so  must  du  hauen  w^nne  50 

euer  al  ersehe  kunne. 


MNL.  OSTERSPIEL.  :«)5 

Adam  zu  i/nscft  hero 

Dal  wyf,  dal  du  mir  geues,  here, 

die  dede  ic,  ende  hör  lere, 

dal  ich  mig'  hau  uirgessen 

inde  van  dem  appel  gessen.  55 

l'nse  here  zu  vorn   Yven 

Eua,  war  umbe  hais  du  brail 

minen  man  zu  der  gedait, 

dat  he  sig  dus  hait  vergessen 

ende  van  der  vruchte  gessen? 
f^or   lue  SU  unsen  hären 

Here  in'  dail  is  selue  niet !  60 

dis  slange  hi  steil  mir  dal  riel. 
Vnse  here  zen  slangen 

Slange,  went  du  dit  hais  gedaen, 
234*'     so  in  saul  du  nil  reichte  gaen, 

mer  du  saul  crufen  ende  slenden, 

dig  up  dinen  bugge  wenden;  05 

alle  die  werelt  sal  dig  vlin, 

dich  bespien,  node  ane  syn. 
f^^nse  here  zu  vorn    Yuen 

Wyf,  nu  si  dir  dal  gesail : 

went  du  dit  hais  zu  brail, 

ende  minen  man  bedrogen,  70 

so  si  dir  dat  zu  plogen 

dat  dir  ende  allen  Aviuen 

die  vrut  van  vren  liuen 

sal  kumen  zu  bit  iamergeil 

inde  bit  groisser  arbeit.  75 

/  nsp  here  zu  adame  •    .  \ 

Adam,  wenl  du  den  wiue  diu 

me  gehordes  dan  dat  gebol  min 

her  umbe  ich  dich  vorwise 

vsser  den  paradyse, 

dich  ende  alle  dine  nakumeri,  80 

den   si  ewige  vroude  benoraen 

53.   ic  ist  coi'iififerf  aus  mid  ;    es  mufs  wohl  mir  oder  ie  heij'sen. 
64.   cruipen,    kriechen,     itt    slenden    vergl.    slyntvvorm,     lyntworm 
Teuth.  243'. 

Z.  F.   D.   A.     II.  '  20 


3(|(i  MNL.  OSTERSPIEF.. 

immer  evveliclie 

van  den  himelriche. 

ende  als  du  kiimes  zu  der  erden 

so  muz  dir  sur  werden  85 

in  dinen  sueize  diu  broit 

dürg  des  billers  lumgers  noil,     . 

als  du  Salt  hacken  ende  roden. 

dat  geschie  dir  zu  vngenaden 

dal  beide,  distele  ende  dorne,  90 

wasse  under  dinen  körne. 
234'=     Hie  driuet  Cherubin,    der    engele,    Adame  ende 
Yuen  usser  dem  paradyse  mit  einen  sirerdo. 

Adam  ende  Yue,  ir  hait  versünil 

vg.   dit  paradis  nu  riioit 

inde  ilet  her  vore ; 

ich  muz  huden  dise  dore.  95 

Viise  here  spricht  die  hitfarmeherthigkeit  ane 
«■;  f  Virnemet  vuer  Gerehügcit, 

ende  docher,  vor  Inlbarmicheit. 

wes  ig  ug  nu  vragen  sal : 

of  einichen  kende  dat  geual 

immer  geschien  muge,  100 

dat  dar  zu  duge 

dat  mit  einichen  sinne 

dat  erue  wider  gewinne 

dat  usser  sines  vader  hanl 

ze  voren  erfliche  is  gewant  105 

ende  willenllige  is  gegeuen 

einen  andren   al  sin  leuen? 
Die  Intbarmicheit  spricht 

Ich  was  ie  ende  sal  immer  syn 

diu  dohter,   ende  du  der  uader  min. 

intfarmicheit  h^n  ig  genant,  '  110 

de  name  is  mir  van  dir  bekanl. 

in  woldis  du  dere  nit  informen 

die  up  dig  scrien  ende  karmen        "   ■' 

wie  wers  du  dan  der  vader  min. 

of  wie  bliue  ig   die  dohter  din,  115 

96.   /.   vor  (vrou)  97.   /.   doli  (er 


iMNL.  OSTERSPIEL.  307 

234''     die  ie  einsamen  waren  gader, 

ig-  din  dohter  ende  du  min  vader, 

inde  immer  müssen  wesen   ein 

ende  vngesundert  in  vns  zwein, 

vader  dar  vmbe  is  dat  min  rait  120 

dat  du  irlois  dine  hantgedait. 

uu  du  vp  dine  gotliche  arme 

ende  vederliche  dig  irbarme 

ouer  Adams  ende  Yuen  kent 

die  al  ze  lange  in  noden  senl!  125 

J'^nsc  here  ze  JVairheide 

Dohter,  vor  Gerechtigeit, 

gef  mir  rait  ende  vnderscheit 

wie  ig  bit  rehle  ende  bit  minnen 

wider  muge  gewinnen 

dat  ig  gegeuen  ende  gewant  130 

ban  erfliche  in  eins  ander  hant. 
Die  Wairheit  antwnrt 

Ig  ben  genant  gerebtigeit, 

de  name  van  diner  gotheit 

an  mir  is  geruet  ende  gegeuen, 

ende  wir  sin  vngesundert  bleuen  135 

iemals,  ende  sulien  immer  sin 

vngesundert.   vader  min, 
.  -.  dedis  du  inl'armicheit, 

wa  bliue  dan  die  gerehticheit? 

her  vmbe  setz  ich  den  rait  an  dir,  140 

want  it  unmügelich  duchte  mir 

dat  einich  kent  sich  vnderwndo 

des  erues,  des  sin  vader  gunde  •    ' 

sinem  andren  manne  ze  voren  * 

235*     e  dat  kent  worde  geboren.  145 

in  were,  oll  mugelich  were, 

dat  eine  mait  ein  kent  gebere 

ende  bliue  mait  als  si  was  6.  - 

dat  seine  kent,  ende  niman  me, 

mothe  rait  reichen  witzen  150 

dat  seine  erue  besitzen 
15U.   /.  inobte  —  rehten  '         •  :         •' 

20* 


308  MNL.  OSTERSPIEL. 

dat  erflich  was  us  gegeuen 

e  dat  kent  gewinne  sin  leiien. 
yrise  here  ztt  sich  sprach 

Want  Dauid,  niia  prophele,  sprag, 

des  is  leiden  nianich  dag,  155 

gereitheit  ende  vride  hant  sig  gekust. 

intfarmicheide  hait  gelust 

ende  wairheide,  dat  si  in  ein 

sich  han  verdragen  in  hon  zwen. 

nu  willich  dat  irvollet  werde  160 

van  miner  irbarmunge   die  erde. 

her  umbe  beuellet  mir  ze  dune 

dat  ich  wille  machen  sune 

intuschen  die  gereicticheit 

indc  die  barmheerzicheit,  165 

inde  wille  dun  bit  desen  vride 

als  ich  mit  Abrahame  dede, 

deme  ig  einen  wider  sande 

den  he  vor  sinen  sun  virbrande, 

da  mide  ich  ienen  troiste  170 

inde  leidichte  Ysac  van  den  roiste. 

also  willich  genendeu 

ende  sal  Christum  dat  lamp  senden 

der  nie  schuldich  inwart. 
235''      de  muz  up  ertriche  dun  die  vart,  175 

da  he  den  kelter  trede  alleine, 

vp  dat  mine  hantgedait  gemeine  > 

mit  sine  dode  werde  irloist  " 

inde  van  ewiger  pinen  gelroist. 
f^Tise  here  in  sich  sprach 

Nu  willich  dat  werde  kunt  180 

durg  miner  propheten  munt 

dat  ich  wille  senden  .  .^ 

minen  sun ;  de  sal  sich  wenden 

in  einer  meide  lichame 

ane  menschliche  schäme,  185 

P„  ,  inde  mine  goithcil 

bedecke  bit  der  minscheit ; 
172.  genenden,  t^ergl.  Huydee.  op  Sfoke%,  328  ff.         187.   /.  bedecken 


/ 


MNL.  OSTERSPIEL.  309 

di  pine  ende  nianiclie  noit 
liden  muz  binz  in  den  doit  y 

durg  den  minsche,  de  vorerst  •/    y    '^'^ 

is  zer  hellen  ende  vorderst,  '-  ^ 

inde  halt  geweset  lange 
in  des  duuels  bedwauge. 
nu  dunckit  mir  nu  wesen  reit 
dat  ig  loise  minen  kneit,  19.'» 

des  ben  ich  uirsünnen. 
ich  wille  dal  werde   vorwünen 
mitz  Criste  ant  cruce,  de  uorwan 
an  deme  holze  uiinen  man. 
Vor  Ecclesia  sprecht  zu  Balani 

du  uan  irste  Balam,  200 

sage  wal  dir  vore  quam, 
\ve  sal  der  losere  sin? 
willich  sint  die  reden  din? 
235"     Balam  antwort  Ecclesien 
Van  Jacobs  künne 

heft  sich  eine  w<Jnue,  205 

ein  schone  leide  sterre, 
de  sal  schinen  verre  ,. 

ouer  alle   die  werelt  breit, 
allil  dat  sich  ruret  ende  geit 
sal  ime  wesen   vndertaen.  210 

sine  krail  in  sal  zegaen 
nummerme  nog  nimmerme. 
himcl,  erde  ende  se 
sal  weruen  al  an  siner  hanl. 
he  sal  alle  die  lant  215 

beduengen  al  geliche. 
dat  wisset  weirliche. 
Ecclesia  spricht  zu    Ysaiam 
Ysaias,  godis  driit, 
sage  uns  ouer  lüt 

van  der  gebort  heirlich  220 

so  gut  ende  so  minentlich. 
Ysaias  zu  Ecclesien  (Ecce  virgo..) 

Got  sal  ein  wonder  geuen ; 


310  MNL.  OSTERSPIEL. 

ouer  alle  die  leuen 
\      sal  gaen  ein  kent  zeuoreu, 
V    "*  ^at  werdeff"  sal  geboren  225 

A  »  van  der  maffet  eine, 
^     die  sal  wesen  reine 

da  dat  kenl  sal  kumen  af 
ane  mans  gemeischaf. 
Ecclesia  zu  Virgilis 

Heiden  man  Virgilis,  230 

235''     du  saut  uns  ouch  macben  wis 
van  der  ^eiliger  gebort, 
sage,  wie  sint  dine  wort? 
Virgilis  zu  Ecclesien 

Ho  van  biemelricbe 

sal  kiiinen  wnderlicbe  235 

eine  nuwe  gebort, 
die  sal  werden  gevort 
van  aller  bände  creaturen, 
vor  die  nit  en  kan  geduren 
■•<''  beide,  doit  ende  leuen,  240 

be  sal  si  beide  mugen  geuen. 
Hie  sent  unse   here  Gabriele   zu  Marie  zen  irste/i  male. 
Gabriel,  virnem  niig  reitbe  ! 
van  Dauides  geslete 
han  icb  ein  müder  erkoren, 

raanicb  zijt  liie  beuoren,  ■>  245 

di  mich  maget  sal  gebaren  »i 

(dat  sal  der  belieb  geist  bewaren)       •' 
ende  na  geburde  sal  maget  bliuen,  •  ■ 
V  reine  vor  allen  wiuen.     >     iis  ti"   ,  ii 

Maria  is  si  genant.  ;•          "  2S0 

zu  Galileen  in  dat  lant,  .!^ 

in  die  stat  van  Nazaret  w      iauw,»  5W'.',A..A  - 

da  vindis  du  si  in  ore  gebet.  l 

Gabriel  spricht  zu  Marien  <  a 

'  "  (Ne  timeas  Maria  etc.)  .';    i  li-     -vi' 

Maria,  wie  gebers  du  so? 

Hall  dig,  reine  maget,   vro,  255 

•242.  /.   rehte  243,   /.    geslehle       rf,i'(.'.    U\>: 


MNL,  OSTERSPIEL.  311 

du  hais  voiiden  j-enade 
2.'}(>*     van  den  liijueliclien  gode. 
Maria  antwort  den  engele 

(Quomodo  fiel  istud.  etc.) 

engel  van  liimelriche, 

id  dunckit  mich  wnderliclie 

dat  it  in)iner  me  geschie,  260 

want  ich  man  bekunde  nie. 
Gabriel  zu  Marien  spricht 

(Audi  Maria  virgo  fpc  Tcs  etc.) 

Maria,  maget  reine, 

in  hat"  vorle  engeine ! 

dat  kent,  dat  du  salt  gebaren, 

dat  sal  der  heiligeit  bewaren.  265 

Maria  zen  engele  spricht 

(Ecce,  ancilla  doniini  etc.) 

Such,  die  godis  dirne  ben  ich,  .  . 

heilich  engel,  inde  an  mich 

volge  die  susze  boitschaf  diu, 

want  der  vrouwet  sich  die  sele  min. 
Ecclesia  zu  Marien  spricht 

Aue  !  reinicheidc  spigel,  270 

inde  meitlich  ingesigel, 

rose  aller  wiue, 

so  wale  dinen  liue 

dat  du  ie  wordes   geboren, 

zu  hiraele  so  bis  du  irkoren.  275 

der  genaden  aneginne 

heil  dir  kunincginne 

von  Dauites  kiinne !  >   i. 

id  sal  eine  w°nnc 

van  dinen  liue  kümen  280 

236'"     die  der  werelde  sal  urümen. 

du  sali  dragen  crone 

in  den  hoistcn  Irone. 

in  den  himelriche, 

immer  eweliche.  285 

Hie  hauet  der  engel  zo  Joseppe  ende  beuill  ome  Ma- 
rien in  sine  hude.     (Josep  fily  dd'.) 


312  MNL.  OSTERSPIEL. 

Josep,  Dauites  künne, 

du  Salt  vrouden  wonne 

mit  dinen  ougen  schouweu 

bi  der  reiner  juncvrouwen. 

keir  vm  mit  vroen  müde,  290 

nem  Marien  in  dine  hude. 

in  la  si  niet,  stant  bore  bi, 

inde  wes  aller  vorlen  vri ; 

went  der  beliebe  geisl 

de  sal  duen  sin  volleist  295 

-  '        an  der  heilieber  gebort 

di  die  mait  sal  brengen  vort. 
Hie  deit  der  enget  den   hirden   kunt   dnt  Jesus  gebo- 
ren St. 

(Aununctio  uobis  gaudium  magnum.) 

Ir  birden  up  den  uelde,  geit, 

beft  up  ur  boft  ende  uirsteit, 

ich  brenge  ug  liue  mere  :  300 

der  werelde  loisere, 

den  die   engele  bau  irkoreu. 

de  is  alzebant  geboren. 
Dei'  hirden  ein  spricht  zu  siine  gesellen 

Höre  gesellekin,  boire 

in  des  bimels  koire  305 

wie  die  engele  sengen, 

die  di  boitschaf  brengen  i  - 

-1  dat  dat  kent  geboren  si  v 

dat  die  werelt  niaeben  vri  •? 

sal.  bit  groissen  eren  ■  3J0 

la  uns  da  bine  kereu. 
Ihr  ander  hirde  sirne  gesellen  i 

Geselle,  wir  willen  ane  vaen 

dat  wir  zu  Betleiui  willen  gan,    I)  :ut>.     'n:'.-: 

inde  machen  raeren 

dat  bit  groissen  eren  '315 

geboren  si  dat  selue  kent        n    ü  »'     ci  . 
<     .  deme  weder  ende  went^ 

biniel,  erde  ende  se 

dinen  sulen  immerme, 


MNL.  OSTERSPIEL.  313 

als  uns  der  engel  sathe  320 

de  VHS  die  boilschaf  brathe. 
Der  irste  hiinle  zerti  andren 

Vromve  dich  geselle  sere, 

ich  dich  liue  mere. 

die  boilschaf  die  der  engel  brate 

indc  bit  vrouden  sathe  325 

vns  liint  an  diser  nait, 

dat  is  gescheit  van  godis  crait : 

want  ich  sach  dat  kindolin 

ligeu  in  der  kribben  sin. 
Hie  quam  ein  bode  ende  sprag  zen  hirden  das 

(Quem  vidistis  paslores  dicite.   etc.) 

Er  hirden,  wie  gebert  ir  so?  330 

inig  dune  ir  siet  van  herten  vro. 

saget,  wat  hait  ir  uirnomen, 

ol"  wat  is  uch  zu  voren  kunien? 


In  der  engel  trone 

soige  wir  also  schone  335 

dat  vile  selich  kindolin 

dat  der  werelde  here  sal  sin. 
Hie  kument  die  dri  kuninge  ende  uolgent  deine  slerren 
ende  sukent,  dat  kent 

(Hoc  Signum  niagni  regis  est.) 

Dit  is  ein  zcigin  sicherlichen 

des  küningis  van  liimelrichen  '      •   vi  >  ■  \' 

dat  he  nu  geboren  si.  340 

volge  wir  liine  alle  dri 

so  wäre  uns  leideit  der  stei're.      '  '  'i? 

golt,  wirouch  ende  mcrre  ■  ' 

wil  wir  ime  zu  öftere  dragen  '• 

indc  eweliche  lof  sagen.  345 

Hie   kamen   die  dri  kiininehe   in  die  stat  ende  vragen 
umhe  dal  kenl. 

;{23.  nach   ich  fehlt  das  verbitm.         WK)  f.   l.   iiachl :  kracht 
:i33.  /.   oreii         nach  333  J'ehll  die  iiberschriß  zur  anlwort  der  liirten, 
welche  in  der  hs.  überhaupt  von  der  fraise  des  boten  nicht  fielrennt  ist. 

335.  /.  saghe  (saghcii) 


314  MNL.  OSTERSPIEL. 

(Vbi  est  qui  natus  est  rex  ludeorum). 

Wo  is  he  nu,  de  is  geboren, 

de  zu  kunincke  is  erkoren 

ouer  alle  iuzge  diet? 

einen  sterre  han  wir  gespiel, 

herus  van  da  die  sunne  up  geit,  350 

de  uns  dat  bekant  deit 

dat  geboren  si  dat  kent, 
237"     dat  weder  ere  nog  sent 

so  eidel  nie  geboren  wart, 

dat  suke  wir  up  diser  varl.  355 

Hie  kiwipt  der  bode  ^u  Herodes 

Here,  uirnem  in  dinen  genaden, 
',  .  '  •  hie  sint  kumen  nuwe  boden 

ze  Gersleim  in  die  stat; 

vor  woer  sage  ig  dir  dat 

si  weruen  an  din  ere.  360 

höre  künninc  here, 

si  sagen  ongehorche  reden,       '  L 

,  ,  .  want  si  willen  ane  beiden 

ein  kindolin,  dat  is   geboren,        -'       n 

dat  die  engele  hant  irkoren  365 

zu  keisere  ende  zu  heren.  ,  '•' 

ouch  willen  si  vomieren  ' 

dat  it  geweldich  sule  werden, 

beide  in  hieniel  ende  in  erden. 
Herodes  zu  deme  boden  <»         ■  •    •;/     ■■■ 

Sage,  wat  hais  du  vernomen?  370 

we  is,  dat  do  sal  komen, 

de  muge  sin  gelich? 

wie  sal  he  bedwengen  mich 

inde  driuen  us  minem  trone? 

so  mir  mine  crone !  ;  .  li  375 

mich  moithis  uile  lithe  ^    ^  •    \    ^ 

dat  ijt  ander  ricthe.  '      »■   « 

Der  irste  riddere  zu  Herodes 

Des  du  nit,  here  min, 

di  boden,  die  da  kumen  sin, 
376  ,/■    '■    'iiicli  muotets  vile  lihte  dal  icl  anders  rillte. 


MNL.  OSTERSPIEL.  315 

die  du  houe  kumen,  380 

vnze  du  hais  uirnumen 

wes  si  hauen  gedait; 

so  maicli  du  bit  diner  inait 

den  kuninc  vordriuen 

lüde  selue  kuninc  bliuen.  385 

Her  ödes  zu  den  riddere 

So  gebiden  ich  dir 

dal  du  si  kümen  dus  vor  mir. 

dat  ig  van  on  dat  höre. 

dis  dunckit  niig  ein  dore. 
üer  ridder  zu  den  künicinngen.  prinius 

Got  grus  ug  heren  alle  drij ;  390 

will  ir  wissen  wat  id  sij  ? 

Herodes,  min  here, 

intbudet  uch  mere 

dat  ir  sult  ze  houe  kumen, 

want  gerne  hedde  min  here  vernoiiien  395 

war  umbe  ir  sijt  kümen  here. 

dat  is  sines  herzen  gere. 
üer  drier  kiinincke  spricht  ein 

Gerne  kume  wir  ze  houe 

deme  keisere  ze  loue, 

inde  ime  sagen  dat,  -'400 

wie  ende  umbe  wat  ''S       ' 

(of  it  ime  it  mach  vromenj 

dat  wir  us  sin  kümen.  "     " 

Hie  kwnent  die    dri  kimincge   vor  Herodes   ende   sen- 

gent  Viue  rex  in  eternum. 
Herodes  Saluet  (/.   Salulat)  uos  gralia  mea.      "'  •' 
Der  irste  kuninc  sprich  zu  Herodes  dus  '' 

Heil  dir,  kuninc  here !  •,       ' 

diu  lof  ende  diu  ere  ' ''  '  "  '•'  '  ,  405 

musze  immer  irmeren  sich. 
Herodes  antwordet  ze  hant 

Siet  willekume  ir  heren  mig ! 

mine  genade  si  uch  bi. 

ine  weis   wanne  urc  cinicli  si 


316  MNL.  OSTERSPIEL. 

oc  wat   ug  vs  hail  gedragea.  410 

dal  sult  ir  mig,  ir  heren,  sagen. 

Der  irste  kilainc  zu  Herodes 

Keiser,  geweldich  here, 

der  hais  vns  geuraget  niere 

we  wir  sin,  ende  wanne  wir  kunien. 

dal  saut  du  schire  han  vernomen.  415 

Arabien,  dat  riebe  lant, 

dat  wiruet  al  an  miner  haut, 

ende  wat  da  ridet  oue  geit 

dat  is  mir  zu  dinste  gereit. 
Der  ander  kihihic  zu  Herodese 

AI  dat  lant  von  Tarsys  420 

inde  menich  helit  wys 

sin  mir  vnderdenicb, 

der  ben  ich  al  geweldich. 
Der  dirde  kuniiic  zu  Herodese 

Kaldewen  al  dat  riebe 

bau  ich  geweldenclige  425 

in  miner  baut  bedungen, 

beide,  alden  ende  iungeu ;  .    /  ^" 

inde  dise  beren  die  hie  staen 
237'     sint  mir  zu  dinste  underdaen. 

Nu  spricht  he  nog  me 

Nu  weis  du,  keiser,  we  wir   sin.  430 

nu  wille  wir  dig  och  dun  scbin 
.        war  umbe  wir  sin  kumen  vs.  ^^ 

Ysaias  ende  Virgilius 

inde  andre  propbeten  bau  gescreuen 

van  eines  kendis  leuen.  435 

des  wir  sere  ruken 

van  bercen,  ende  gein  suken. .   ,   , 
Herodes  spricht  zen  kiininc 

Ir  bereu  di  sich  küninc  nennet,  •■  ^. \".«    Aä 

sait  wa  ane  ir  dat  irkennet       ' 

dat  dat  keul  nu  si  geboren.  440 

wat  is  ug  kiunen  ze  voren, 
Ul.  /;  "reu 


MNL.  OSTERSPIEL.  317 

of  wal  (liebl)  ir  uirnoraen, 

we  is  (lat  da  sal  kunien? 
Die  kunincke  zu  Herodes.  primus 

(Vidimus  slellam  eius) 

In  Oriente  verre 

sagie  wir  einen  sterre.  445 

dar  ane  han  wir  bekant 

dat  nu  geboren  is  in't  lant 

ein  kent  also  herlich 

dat  nie  enwart  des  gelich 

nog  nimmer  en   deil  450 

als  uns  lert  vnse  wisheit. 
Herodes  zen  künincgcn 

Ir  heren  di  vor  niig  sit  kumen, 

van  deme  dat  ir  hait  vernuraen 

vragel  na  deme  kende. 
238"     so  \va  mant  irgen  vende  455 

dat  sult  ir  mich  sagen. 

min  offer  willich  ime  dragen 

ende  na  uren  seden 

wil  ig  it  ane  beden. 


primus: 
Kuuincinnc  Marie,  460 

edel  ende  vrie, 
wir  brengen  dig  gauen 
dinen  kende  zu  loucu, 
deme  wir  sin  nnderdaen  ; 

liflich  Salt  du  si   enti'aen.     sfcundus.  465 

Marie  antwt  ivider  dus: 

So  wale  sal  uch  des  immer  sin 

dat  ir  wodet  geruken  min 

zu  eren  minen  kende  • 

her  in  dit  eilende 

verre  vsser  vremde  lant  470 

inde  mig  dise  ere  hait  bekant. 

442.   hebt /('/(//.  nach  459  eine  liicke  von  vier  zeilen. 

4(57.  /.   woudet 


318  MNL.  OSTERSPIEL. 

Hie  varetit  die  kiniincge  inweg.     tercixis 

Vrovwe  zu  dineii  eren 

wille  wir  henne  keren. 
Hie  kumpt  der  cngel  ende  sait  dait  si  gein  einen  an- 
dren weck  zu  Marien  ende  Joseph. 

(Audite  verbuni  domini  gentes) 

Ir  heren  liort  mich   ende  versteit ; 

ich  rade  nch,  dat  ir  nit  engeit  -475 

238**     den  seinen  wech  den  ir  sit  kumen, 

want  ich  ben  uch  zu  vromen 

heir  gesanl  virholentliche 

van  den  hoen  hiemelriche. 
Der  bode  zu  Herodesse 

Here  in  dinen  genoden  480 

nu  bis  du  uirraden. 

die  sich  kunincge  hant  genanl 

die  sint  gekert  in  or  laut 
'       andren  wech  dan  si  quamen, 

want  si  dat  uirnamen  485 

dat  du  si  vaen  woldes 

inde  uirderuen  soldes.        «•      ,,.:;.  . 

nu  niuz  he  kuninc  bliuen        ,       '      ■  . 

de  dich  will  vordriuen. 
Herodes  riddere  spricht  ein  secundus 

Halt  dich  kuninc  bit  genaden.  490 

ich  sul  dich  wale  raden 

dat  du  bit  diner  gewalt  :- 

den  genen  vordernen  salt 

de  sig  des  virmessen  hait, 

of  du  volbrenges  niinen  rait,  •      40® 

dat  he  sule  kuninc   bliuen 

ende  dich  bit  geweldc  vordriuen. 
Herodes  spricht  zcn  riddere  •   :;:. 

Dinen  rait  willich  voUebrengen 

bit  aller  slathen  dengen. 

inde  dich  geen  ze  lone      .  ;,      ■,  500 

niine  guldine  crone. 
De  ander  ridder  zu  Uerodese 

Here,  du  dine  riddere  senden 


MNL.  OSTEKSPIEL.  319 

wideii  in  allen  enden, 

indc  du  alle  die  kindolin 

die  bennen  zwen  iaren  syn  505 

so  wo  si  se  venden  doit  slaen. 

id  in  mach  ninimer  so  irgaen 

dat  kent  in  si  dar  vnder 

do  dise  so  manicli  wonder 

lange  ane  liain  gesait.  510 

so  bliues  du  here  in  dincr  mait. 
Herofles  zume  rid(le7'e   spricht 

Du  liais  nnch  wale  geraden. 

vp  riddere  ende  boden ! 

duet  doden  alle  di  kindolin 

die  bennen  zwen  iaren  sin.  515 

Gabi'iel  kumet  zu  Marien  ende  heizit  si  vlie?/  zu  Egip- 
ten  voert. 

(Descende  in  Egyptum.) 

Joseph,  nem  Marien  wäre 

mit  ire  kcnde,  ende  vlu  al  dare 

da  ir  nimanne  en  syt  bekant, 

dal  is  in  Egyplen  lant;  '.,•,,  ,V'-      . ,., 

indc  also  lange  al  da  bes  520 

wint  doit  is  Ilerodes. 
Hir  kumenl  die  riddere  Herodes   ende  sukent   di  kent. 
Rachel  sprichet  das  zti  in 

Walen !  wat  sal  mir  geschien 

van  den  luden,  die  ich  sien 

so  balde  kunien  herwert? 

wat  sulen  ire  gerothte  swerl  525 

inde  ire  vreslich  gebere? 

mich  wondert  uile  sere 

war  umbe   si  herwert  rennen 

of  wes  si  gesennen. 
Hie  sleit  man  doil  die  kent.  —  primus 

Gef  her  din  kent,  baude  wyf,  530 

wilt  du  behalden  dinen  lyf; 

want  ig  müsset  doden 

van  des  kunninz  noiden. 
Rachel  zu  den  ridderen 


320  MNL.  OSTERSPIEL. 

Here  got  van  hiemelriche, 

nu  müsse  dis  ieinerliche  535 

(loit  vor  dinen  ougeii  sin 
van  denie  liuen  kende  min. 
wanl  haddis  nu  uirschoit. 
nu  willich  mine  ungedolt 

gerne  laissen  bliuen,  540 

went  si  woudeu  entliuen 
Jhesura,  dinen  liuen  sün, 
van  deme  der  küninc  Salomon 
lange  ze  uoren  hait  gesait; 
want  dus  wale  Ionen  mait  545 

minen  kende  ende  mich, 
des  biddich  liue  here  dich. 
Hie   kument  die   riddere  zu   Herodesse  trider.  —   Se- 
cundus 

Höre,  here,  wat  ich  dir  sagen  : 
die  kent  haen  wir  irslagen 

in  al  dat  lanl  van  Juda.  550 

iomer  worte  wir  alda. 
Der  engel  zu  Joseph 

(Tolle  puerum  et  malrem  eins) 
239**     Joseph,  liue  bode, 
stant  up  uile  drode, 
nem  Maria  bit  der  haut, 

strich  zu  Juda  in  dat  lant  555 

went  si  doit  sin  ende  gestoruen 
die  no  des  kendes  sele  woruen. 
Hie  uert  Maria  ende  Jhesiis   ende  Joseph   zu  Egypten 
(1.  uil  Eg.).  Hie  was  Jhesus  zioelf  iare  alt.    Ma- 
ria zu  iren  sune 

Jhesus,  sun,  horis  du, 
du  hais  wale  dat  ander  nu  '    w       . 

dal  du  wale  bit  uns  mait  gaeii  560 

in  den  tempel,  ende  uirstaen 
wat  man  in  den  tempel  deit,  ■ '■ 

inde  wi  mau  dat  hogezide  begcit. 
Jhesus  zu  siner  müder 

538.  etwa  wanl  wat  hadd'is   nu  virsclioll'.' 


m^L.  OSTERSPIEL.  321 

Milder,  bit  iig  gaen  ig  gerne. 

des  insteit  mich  uit  zu  inberne,  565 

geit  uore,  ich  benz  gereit 

vch  ze  uolgene  ende  gemeit. 
Hie  ginc    .Ihestis  in  den  tevijyel   imder    die    iuden  ende 
sprach 

Er  iuden,  ig  hume  zu  ug  her, 

dat  is  mines  herzen  ger 

dat  ich  bit  ug  wil  disputiren  570 

inde  offenbare  probiren 

inde  bit  reden  machen  wis 

dat  ir  geleit  syt  up  ein  ijs, 

went  ir  den  ewe  haut  nnrethe 

de  uren  geslethe  575 

hie  beuoren  wart  gegeuen 

Moisi  in  einen  stein  gescreuen. 

ouch  weis  du  wale  wat  Daniel  sprag 

hie  beuoren  manichen  dach : 

als  heilich  gisle  der  heiligen  wirt  gesanl,       580 

jutschaf,  so  uel  us  diner  hant 

die  künincliche  rüde 

in  eine  vremde  hude. 
Cayf'as  zu  Jhesus 

Jhesu,  wir  vuirsten  dich  wale. 

du  spriches    ungehorte  zale.  •"  .SSö 

he  in  is  noch  nit  gesant, 

dat  is  vns  wale  bekant, 

de  uns  sule  troislen 

inde  kumen  van  den  hoisten. 
Jhesus   SU   Cayfase 

He  is  van  einer  maget  geboren,  590 

as  Ysaias  hie  beuoren 

inde  alle  die  propheten  screuen. 

dat  in  is  nit  achler  bleuen 

nog  in  mag  nit  achter  bliuen. 

hiniit  wil  ig  dich  wider  driuen  595 

dins  ungelouen  hie  zestunden. 

sage,  wo  wirt  irgen  vunden 
580.   /.   als  der  heilig  geeste  wird  gesant 
Z.  F.  D.  A.     ri.  21 


322  MNL.  OSTERSPIEL. 

ein  kuninc  under  uren  kiiiine, 
deme  got  des  gunne 

dat  he  gesaluet  werde  600 

ze  kunincge  up  die  erde, 
als  got  hie  beuorcn  dede? 
begef  dine  hicheliche  rede. 
Cayfas  zu  Jhesusse 

239°     War  umbe  solde  wir  geswigen  des? 

went  he  nog  mit  kumen  in  es,  605 

de  uns  zu  troiste  sal  sin  gesant. 
Mesias   so  is  he  genant 
des  wir  alle  wardende  sin; 

dar  unibe  la  die  rede  din. 
Jhesus  zu   Cayfasc 

De  messias,  des  beidet,  610 

mit  deme  wert  ir  uorleidct. 

he  in  sal  nit  kunieu  van  gode, 

want  he  is  des  duuels  bode 

mit  deme  dat  he  wirken  sal 

inde  die  werelt  uirleiden  al,  615 

al  binz  an  die  seine  zyt 

dat  die  selue  werelt  syt 

dal  on  Cherubiti  irslcit 

inde  siner  valsheil  wider  steil. 
Cayfas  antwrt  Jhesusse 

Jhesu  vns  Wandert  sere  620 

dal  du  so  sware  lere 

vns  ze  koirnisse   sais 

zu  der  iugede  die  du  hais. 
Jhesus  zu  Cayfase 

An  is  mine  meusgeil  zuels  iar  alt, 

mine  wisheil  is  manichfalt,  625 

die  an  mir  wirt  bekant 

van  irae  de  mig  hait  gesant. 
Hie  kumet  Mcma  ende  Joseph  ende  vendeu  Jhesum  imder 
,.      den  luden  i?i  ire  schote,     dus  spricht  Joseph  zu  Jhesu 

610.  /.  des  ghi  beidet  622.  cornisse,  Versuchung;  vgl.  coringe, 
yelthem  sp.  hisi.  3,  22,  64.  Jonckbloet  specimen  c  litt,  neerl.  {Felth. 
sp.  h.  h.  3)  s.  100.  127.  624.  /.  AI  is 


MNL.  OSTERSPIEL.  323 

239'     Wes  silzes  du,  Jhesu,  hie  uirborgen? 

wir  liaii  groissen  sorgen 

dich  gesut,  wale  zweue  dage,  630 

indc  gedriuen  sware  clage, 

wanl  wir  diu  inlboreu 

ende  dich  wonden  han  uirloren. 
Jhesu.s  antwort 

Wat  ist  dat  ir  mich  suket 

inde  min  nu  geruket?  635 

in  wist  ir  nit  dat  ich  müs  sin 

in  dinste  des  vader  min, 

den  he  uns  hait  beuolen, 

als  gude  kinder  sulen. 
Hie  kumct  Jhesiis  zu  seilte  Johanne  baptisten  eiide  will 
van  ime  gedoßt  sin 

Johannes,   ich  küme  zu  dir  640 

dat  du  di  doifTe  geuis  mir. 
Johan?ies  zu  Jhesu 

Genade,  liue  sceppere ! 

mich  wndert  harde  sere 

dat  ich  solde   doifFen  dich. 

ich  bidde  dat  du  heilicli  mich.  645 

Jhesus  antwort  Johantiesse 

Min  oitmuet  will  ig  dun  schin, 

dat  ig  gedouft  van  dir  wil  sin, 

dat  kirstcn  ewe  da  mit  geste 

ende  der  iutzaf  aler  ge, 

dar  umbe  ganc  vort  ende  du  650 

des  ich  dich  han  gesprogen  zu. 
Eine  stimme  van  den  hirnele  sprach 

240'     (Hie  est  filius  meus  dilectus.) 

Dit  is  min  sün  de  mir  beuellet, 

in  deme  ich  mich  han  uirsellet; 

den  gebort  in  allen   stünden 

so  wert  ir  in  den  besten  vonden.  655 

Du  Jhesus  gedoufet  was  du  ginche   in  ein  einnode  up 
einen  stein  sich  beiden,  dit  sach  Lucifer  ende  sprach 

629.   l-  inet  groissen  (j30.   /.  gesoekt  649.  dat  iuedscap, 

Maerl.  2,  201.  vgl.   Gr.  gr.  2,  521.  /.  achter 

21* 


324  MNL.  OSTERSPIEL. 

Horis  du,  (lief  Sathan, 

mich  w^'iiderl  sere,  we  de  man 

si,  de  >itzit  up  deme  steine 
in  sinen  geheide  alleine, 

sunder  essen  ende  dranc,  660 

nu  uichtet  mig  in  min  gedanc 

da  he  de  selue  minsche  si 

de  uns  kumen  moithe  so  bi 

dat  he  rouuet  uns  die  helle. 

nu  var,  Sathan,  liue  geselle,  665 

inde  nem  des  wäre 

dat  he  uns  namals  nit  endare. 
Sathan  zu  Lucifere 

Meister,  dat  willich  gerne  dilen. 

ine  wille  nimmer  geriien, 

ich  ine  kume  ime  so  bi,  670 

dat  ich  wisse  we  he  si, 

mit  miner  schalcheide, 

e  ich  van  ime  gescheide. 
Hie  kumpt  Sathan  zu  Jhesit. 

Gut  man,  wes  sitz  du  hie  so  eine 
._;  vp  diesen  harten  steine?  675 

240*     hais  du  einis  hungers  noit, 

nem  dise  steine  ende  magge  broit; 

ich  weis  wale  dat  kans  die  list 

of  du  godis  sun  bist 
Jhesus  zu  Sathan 

Niet  in  vrages  du  des,  680 

wistes  du  wat  da  gescreuen  es, 

dat  man  in  brode  alleine 

leuen  moithe  deine 

dan  int  wort  godes 

inde  int  duen  sins  gebodis.  685 

Hie  vurle  der  duuel  Jhesus  vp  den  tempel  ende  sprach 

Of  du  godis  sün  bist, 

V'al  her  nider  bit  diner  list, 

du  weis  wat  da  gescreuen  steit, 

662.  /.   dal  ()fi7.   darcn,  schaden.  070.   ich   ist  zu  tilgen. 

680.  /.   vragdos 


MNL.  OSTERSPIEL.  325 

die  cngel  kuiuen  dich  gereil, 

die  dich  bewaren  inde  waren,  690 

dal  dich  die  steine  niren 

in  nuigen  hende  nog  wusse, 

so  dal  dijl  si  vnsusse. 
Jhesus  ze/t  duiielc 

Id  is  gescreuen  du  bes  uirloren, 

duü  sali  dinen  sceppere  nil  bekoren.  695 

Hie  nirt  der  duuel  vnsen  here  up  einen  berg-  ende  sprag 

Nu  val  uider  hie  ze  sieden, 

ende  wolt  du  mich  ane  beden 

so  bist  du  here  al  disser  lanl, 

die  geue  ich  dir  an  diner  haut, 

so  wat  du  hie  niait  gesien,  700 

240°     of  du  an  mig  wolt  gien. 
Vnse  here  sprag 

Wat  soude  mig  dinc  richeit, 

want  al  da  gescreuen  sleit 

dal  alreisle  dalz  din  val, 

ende  man  nit  ane  beden  en  sal  705 

dan  got,  dinen  here, 

aller  denge  sceppere. 

Sathanas,  nu  snelle 

dich  wider  in  die  helle. 

na  dinem  werke  dir  geschie,  710 

du  in  hais  numme  ze  dune  hie.  ' 

Nu  kumit  unse  here  ende  vindet  Petrus  ende  Andreas 
gande  up  deine  mere  vischende  ende  sprach  zu 
im  dus 

Peter  ende  Andris,   laisset  staen 
•  vr  seif,  ir  must  bil  mir  gan. 

ich  sal  uch  uugcn  zu  anderen  saggen 

inde  vitschere  der  lüde  machen.  715 

690.  /.  vüreii  701.    gien,  mhd.  jebeii.     Maerlant  (?)  geestel. 

gedickte  (n.  tverk.  d.  maalsvh.  v.  lett.  5  deel  %  st.  s.  27).  Zech 
mensche,  merc  ende  hevie,  Zageslu  mecirii  rouwe  ye  Dan  du  an  mi  hc- 
ves  vonden?  Wat  mocht,  ic  mere  doen  dor  die  Dan  hangen,  sterven,  proef 
ende  ghie,  Mit  aldus  svvaren  wonden  ?  ebctid.  s.  Ol  Doe  god  die  werell 
wilde  vvieden  —  Outflo  Noe  mel  zinen  lieden  Enlie  aen  ghelove  ghiedcn 
In  die  arke  mctten  dieren,     ./. 


326  MNL.  OSTERSPIEL. 

Sente  Peter'  spj'ach 

Meister  ende  here, 
gerne  dun  wir  dine  lere, 
AI  110  dinen  gebode 

iude  no  dines  seines  rode ; 

dar  umbe  saut  du  uns  here  säen  720 

wat  lone  dat  wir  sulen  haen 

alle  Sachen  achter  loissen 

inde  vns  zu  dinem  dineste  soissen. 
f^7ise  here  spricht  xen  opostel 

Dat  sult  ir  han  ze  lone, 
240''     ir  sult  sitzen  up  den  trone  725 

mit  mir,  ende  urdeil  geuen 

vuer  die  doit  sin  ende  leuen. 
Vnse  here  zu  setite  Petere 

(Petre,  anias  me  ?  —  Tu  scis  dne) 

Sage  Peter,  rains  du  mich? 
[Sente  Peter  zu  v/isen  here)* 

Du  weis  wale,  here,  ig  minnen  dig. 
Vnse  here  zu  sente  Petere 

(Pasce  oues  ineas)** 

Van  nu  vort  ende  allewegen  730 

salt  du  rainer  schafe  plegen 

ende  hauen  sie  in  diner  huden 

inde  bit  den  worden  godis  vuden. 
Sente  Peter  zu  unseri  here 

Meister,  dat  is  mine  begerde 

dat  din  wille  an  mir  gewerde.  '    735 

Jhestis  spricht 

(Tu  es  Petrus) 

Du  bis  Peter,  up  disen  steine  ' 

so  Stiche  ich  die  kirge  reine, 

inde  beuele  dir  eweliche 

den   sluzel  van  den  himelriche, 

di  da  cloppcnt  die  la  in,  740 

si  sulen  alle  inlfangin  sin. 
Sente  Peter  sprach 

722.   achter  te  laten  ?  '  fchU.  in  der  hs.  "   Frise,   Pascc  | 

diese  beiden  Zeilen  sind  in  der  hs.   iimi'csteUl .         737.    /.  stirhle 


MNL.  OSTEKSPIEL.  327 

llere  ineister,  du  mir  kiinl, 

of  mau  siilc  sieuen  stunl 

alle  die  siuidigen  intfaeii 

oC  sie  zu  buezeri  willen  staen.  745 

f^/ise  herc  .s/jrach  (üi mitte  se|).) 

Ja  Peter,  ze  siueu  ende  siuenzich  stunden, 
241'     ende  so  decke  als  he  wirt  vonden 

in  Sunden  inde  he  die  wilt  scrien 

Genade  sal  man  ime  uirlien. 
Miij'ia  zu  unscn  herc 

Here  sun,  willen  gaen,  750 

of  dirt  gut  duncket  gedaen, 

zer  bruloit  Johans,  dins  neuen, 

deme  ein  brul  hait  gegeuen 

de  riebe  wirt  Arcbitriclin, 

da  müdes  du  der  urt'nde  din.  755 

Jkesus  zu  siner  müder 

Müder  min,  id  dune  mig  zucbt 

dat  wir  zu  der  brulucbt 

inde  zu  anderen  unsen  vrunden  gein 

inde  ire  vroude  nit  vorsmein. 
Archüriclin 

(es  schet'/ti  etwas  zu  fehlen.)  - 

Maria  zu  Iren  sune 

Hie  in  is,  meister,  iugein  win,       r  760 

dar  umbe  du  dine  genade  schin,     •- 

dat  ein  zeigen  hie  geschie  -  -     . 

von  dir,  dat  dal  volc  gesie. 
Jesus  {zu")  siner  müder 

Wijf,  wat  soude  mir  ane  genomen? 

mine  ure  in  is  noch  nit  komen.  765 

duet  Wasser  in  die  krugen  gissen, 

vp  dat  sijs  alle  genissen 

di  her  zu  urouden  kumen  sin, 

id  sal  wandelen  sich  in  win,  i 

inde  drait  si  Architricline,  770 

dal  he  drencke  van  den  wine. 

750.   /.   \vi,i  willen  75H.   /.   bniilof'l  755.  /.  vrieiid«' 

XU  fehlt.  ;       '  ! 


328  xMNL.  OSTERSPIEL. 

Architriclin  spricht 

Dis  will  (lunckit  mir  der  beste, 
241'*     went  hene  up  dat  leste 

gehalden  hait  sinen  vrundea, 

inde  will  dit  zeigen  hie  uorkuuden.  775 

Hie  kiimet  Maria  Magdalena. 

Vrout  ug  alle,  iunc   ende  alt, 

went  die  vroude  is  manichfalt 

die  men  syt  nu  ouer  al 

vp  den  berg  inde  den  dal. 

man  hoert  vor  den  walde  780 

dat  uorgangen  is  dat  kalde, 

went  die  bluuien  sprengen 

inde  die  uogele  sengen. 

dat  uelt  cirt  sich  ouer  lut. 

an  der  erden  drengen  vi  785 

manicherhande  blumen 

der  ich  nit  inkan  genümen. 

der  uogel  saue  wirt  olfenbor, 

inde  die  lucht  wirdet  cloer. 

uorgangen  is  vns  og  dat  sure.  790 

des  vrout  sig  manich  creature ; 

der  nog  hait  geweset  bange, 

die  vrouwet  sich  bit  blidem  sänge. 

also  willich  e  it  lanc 

van  vrouden  sengen  nuwen  sanc.  795 

Hie^singet  Magdalena 

Alle  creaturen 

vrouwent  sich  der  liuer  zijt,  ,i 

rosen  blumen  hure  : 

siet  man  springen  wider  strijt. 

si  woren  versunden,  800 

si  hant  or  leit  vorwonden, 

sie  dun  uns  den  sumer  kunl. 
241'      susze,  suuerliche, 

werde  ich  vrouden  riche 

dal  deit  mir  diu  roder  munl!  —  805 

nu  hait  ir  van  der  zijt  gehört 

77fl.   /,   inde  in  800.   /.   verswunden 


MNL.  OSTERSPIEL.  329 

beide,  sanc  in  wort, 
im  mut  ir  vorwert  leren, 
wilt  ir  den  sen  keren 

ze  minen  worden  reichte,  810 

juncvrouwen  ende  knechte, 
went  min  lere  si  is  guet; 
ig  han  ir  seine  decke  besuet 
bit  vrouden  ende  bit  schalle, 
dar  urabe  rade   ich  ug  alle  815 

dat  ir  willet  uolgen  mich, 
ig  sal  ug  machen  vrouden  rieh, 
nu  schouwet  alle  gemeine, 
grois  ende  deine, 

wie  ich  schire  minen  lijf.  820 

als  ein  w^nnencliche  wijf 
sich  van  reichte  ciren  sal 
an  iren  lijf,  al  ouer  al, 
also  sult  ir  ueh  ciren, 

inde  vren   lijf  orniren,  825 

ende  behagel  machen, 
dat  mans  muge  lachen, 
dus  nemet  einen  spigel, 
da  ir  reichte  als  in  ein  sigel  ^ 

rauget  ur  gedene  beschouwen.  830 

beide,  knapen  ende  iuncurouwen, 
ir  sult  au  ure  liende  trecken 
zwene  henszen,  ane  vlecke, 
die  uch  die  heude  wale  bedecken. 
241*^     ir  sult  ouch  umbe  ur  houet  strecken,  835 

ir  iuncvrouwen,  ein  quac, 
de  uch  ur  hair  al  sunder  lac 
muge  leigen  ende  richten, 
bit  eime  kambe  sult  ir  slichten, 
dil  is  sicher  die  lere  min.  840 

ir  meide,  ir  sult  ug  halden  üu, 
als  ig  duen,  intgeen  die  knechte. 

807.   inj  /.   inde  808.  leren  ist  lernen.         813.  besuet]  besoect. 

820.  /.  cicre  830.   gcdaente,  gestalt.  837.    gebreck,  lack; 

(lel'ectus,  macula.    Teulhonista  39". 


330  MNL.  OSTERSPIEL. 

beschouwel   luiu  gedeiie  rechte, 
ich  wil  ug  sagen  we  ich  si. 
edel  bin  ich   ende  vri,  845 

ouch  ben  ich  wale  bekant, 
Magdalena  ben  ich  genant, 
(ich  in  hans  ingeine  schäme). 
31aria  is  min  reichte  name. 
ich  säen  uch  sunder  waen,  850 

Magdalum  is  mir  vnderdaen, 
eine  burch  herlich  ende  guet, 
dar  vmbe  vrouuet  sig  min  nuiet. 
Lazarus  de  is  min  bruder. 

ich  in  haen  vader  nog  müder,  855 

sunder  mine  suster  eine, 
siet,  dit  is  si  die  ich  meine, 
si  steit  enen  dore  gelich, 
des  gebaut  ug  ane  mich. 

went  si  weis  eine  ander  zale  860 

die  mich  nit  en  beuellet  wale. 
Martha  zu  Marien  spricht  -  - 

3Iaria,  du  sais  dat  min  zale 
dich  nit  beualle  wale. 
242'*     weis  du,  war  umbe  dal  dat  is? 

ich  wil  dirs  machen  gewis :  .      865 

went  dich  nit  in  is  bekant 

got,  nog  van  ime  gesant  ■ 

troist  ende  minne, 

dat  hais  du  dine  sinne 

an  der  werelde  rum  gelait.  870 

des  inbes  du  nit  wale  bedait 

dat  du  dine  sinne  dig  leis  drigen. 

die  werelt  inkan  nit  dan  ligen 

inde  bit  sunden  umbe  gaen, 

dar  ane  will  du  volstaen.  875 

des  is  din  name  sich  verwandelt 

went  du  dich  dus  hais  gehandelt. 

8i9.  Magdalum,  v.astnnn  in  littore  maris  Gulilaeae,  ac  in  tribii 
Zabvlon,  a  quo  vohtui  Mariam,  de  qua  Math.  27.  56,  Magdalenam  esse 
iiominatain.  s.  63"  des  anhanss  n/r  l'vlgata,  Paris.  Dezallier  1702.  4. 


MNL.  OSTERSPIEL.  331 

Maria  sulde  man  dich  nennen 

so  moichte  man  dich  bekennen. 

der  ewangeliste  hait  uns  gelert  880 

dal  din  name  si  umbe  gekert, 

ende  sis  eine  siinderinne  genant 

wijt  ouer  alle  die  lant. 


Magdalena  zu  Marthen 


War  umbe  is  mir  benomen 

min  name  wat  so  mag  dat  vromen  885 

dat  ig  min  vroude  sule  laizen 

of  miner  vrouden  mig  gemazen? 
Martha  zu  Magdalena 

Maria,  ich  wille  dirt  sagen 

went  du  mig  beginnes  vragen. 

dine  vroude  in  is  nit  gut,  890 

wanl  si  is  ze  umbehiit. 

si  is  suntlich  ende  vnreine, 
242"'     si  is  ouch  alze  sere  gemeine. 

want  suntlich  werc  sin  veruuazen 

van  godis  munde ;  wolt  du  si  laiszen,  895 

ig  wil  dir  dar  zu  geuen  rait 

wie  si  dir  sulen  dünken  quait. 
Maria  zu  Marthen 

Ja,  liue  suster  min, 

rait  mig  up  die  truwe  din 

al  dal  mich  mag  wesen  giiet,  900 

wanl  mig  dunkil  ig  ben  vnurut. 
Martha  zu  Marien  '   . 

Wolt  du  dan  uolgen  niiner  lere? 
Maria  zu  Marthen 

Ja  ich,  nu  ende  immermere. 
Martha  zu  Marien 

So  höre  mig  wale  ende  uirstant:     ' 

spigel,  hcnschen  ende  gcwant  905 

sali  du  balde  van  dir  duen. 

dun  sali  og  nimmer  geruen, 

883.//'.  Klwa  min  name,  of  wut  mag   dat  vromen  dat  ig  —  gemazen  '*. 
überhaupt  schcini  die  ganze  stelle  v.  874  —  884  mehrfach  verdorbpn. 


332  MNL.  OSTERSPIEL. 

dun  sulis  suken  deu  heilant, 
de  van  liirael  is  gesant 

VHS  zu  eineu  Iroiste.  910 

he  was,  de  irloiste 
Israhel  van  Egypten  lauge, 
he  was,  de  on  och  sande 
van  den   heimel   dat  suze  broit 
in  der  uusehten,  si  haddens  noil.  915 

nu  es  he  up   ertriche  kiinien, 
also  als  wir  haen  uirnümen, 
ende  wilt  zu  ime  bekereu 
den  sundere  bit  siner  leren, 
he  cleit  zechen  manichualt.  920 

an  ime  gelouuet  ifinc  ende  alt. 
nu  so  salt  du  up  staen 
inde  uollencliche  da  hine  gaen 
da  du  vendis  disen  here, 

Jhesum,  den  irlosere.  925 

he  sal  dich   macheu  sunden  vry 
ende  troislen  och  dar  bi. 
Maria  za  Marthen 

Marta,  ich  begenne  z'  uulen 
wo  diese  wort  hine  sulen. 

got  deil  mig  sine  genade  schin.  930 

si  vliszen  in  dat  herte  min 
als  ein  riuir  nu  ze'stüut. 
gebenediet  so  si  diu  münt. 
ich  wille  min  herte  keren 

na  alle  derre  leren  '  935 

die  Salomon  der  küninc, 
de  uil  wise  iuncgelinc, 
bit  sinen  raiinde  gesprochen  hail. 
dat  dunckit  mir  der  beste  rait. 
he  sait  van  der  idelcheit,  940 

da  die  werell  mit  ümbe  geit, 
dat  sy  quait  si  ende  vol  sunden. 
nu  willich  anders  mig  Vormunden, 
ich  wille  us  duen  dit  gewant 
{n-i.   I.   liiiid.'         915.   /.  woesten         920.  /.   deil 


MiNL.  OSTERSPIEL.  333 

da  ich  niide  ben  geschant,  945 

iiule  wille  di  sunden  vorwerl  laiszcn. 

IUI  var,  dattii  sis  uirwaiszen ! 

du  hais  iiiig  decke  gedaen   leide, 

spigel  der  unreiuicheide. 
242'     ich  wille  zen  spigel  gaen  950 

in  deme  die  gedene  staen 

reichte  volmacht  ende  wale, 

da  man  sich  alzemale 

in  beschouwe  sunder  leit,  — 

dat  is   die  driueldicheit.  955 

Hie  biddet  Syinon  der  siehe  Jhesum  zu  esse?ie  mit  ime. 

Here  ende  nieister  min, 

ich  bitte  dig,  ouet  muge  syu, 

dat  so  la  mich  al  hie  wessen, 

of  du  dar  hem  wls  kiimeu  essen. 
.fhesus  zu  Symone 

Ja  ich,  Symon,  dine  spise  960 

vorsaen  ich  nit  in  geiner  wise. 
Maria  Magdalena  spricht 

Man  spricht  einer  hande  zale  >     ,     ■ 

die  han  ich  gehauden  wale, 

dat  niman  zu  hone  in  sule  knmen 

(also  as  it  haen  uirnumen)  965 

hene  si  chirst  dar  geladen, 

of  id  mag  ime  wale  schaden. 

des  in  mach  dog  nit  loiszen, 

die   sunden  han  mig  so  nerwazen, 
^    an  sal  man  wenich  up  mich  ruken,  970 

ig  müz  dar  den  gienen  suken 

den  ig  da  kenne  in  Symons  hus. 

genant  so  is  he  Jhesus.  :' 

ich  wille  vallen  an  sin  uiise 

inde  bidden  also  siize  975 

dat  he  wille  mins  inlfarmen, 

want  lie  is,  de  durg  uns  armen 

wolde  minsche  geboren  werden 

van  Marien  up  der  erden. 

957.   /.  of  «'t         965.  /.  icl         960.   /.  zf  irsi  970.   /.  al  sal 


334  MNL.  OSTERSPIEL. 

zu  siuen  uiisen  wil  ich  gain  980 

ende  achen  sinen  riiche  stain, 

waut  ich  sain  ug  dat  introuwen, 

in  dar  sin  anllitze  nit  beschowen. 
Hie  kämet  Mai^ia  Magdalena  in  S?/mons  hus,  inde  g-ois 
ir  sahie  up  Jhestis  houet.     Dit  sack  Si/mon  ende 
spi'ach  dus 

[ch  sieii  mit  den  ougen  min 

dat  mich  ein  wonder  diinkit  sin  985 

van  ime  den  ir  meister  nennet, 

dat  he  dise  niet  enkeunet 

die  au  sine  uusze  lyt. 

he  inkent  si  wale  nyt. 

were  he  prophete  van  gode  gesanl,  990 

so  were  si  ime  wale  bekant. 

si  is  eine  sunderinne  gemeine. 

mich  dünc  dat  he  is  wisse  deine. 
Jhesus  Sil  Symo?ie  spricht 

Symon,  in  wenig  sal  ig  dir  sagen, 

dat  in  sal  dir  nit  mishagen,  995 

Symon  zu  Jhesu  :'■ 

Nein  id,  here  meister  min, 

sage  mir  den  wille  din. 
Jkesi/s  zu  Symoti  .•■.*.'•■ 

Zwene  knechte  schuldich  waren 

zu  einen  thiden  hie  beuoren 

einen  manne  eine  deine  güit.  ;,  1000 

243^'     des  so  waren  si  vnurut 
. ;  wa  mide  sit  gelden  moiten  ^ 

of  si  zu  der  gülden  doiten. 

der  ein  was  schuldich  den  seinen  here 

wiif  hundert  pennincge,  inde  nit  mere ;  100.5 

der  ander  nünzich  mit  reichte. 

die  zwene  kneichte 

ime  gcgelden  inkunden. 

zu  den  seluen  stunden 

nam  is  der  h*e  gftde  gedolt  1010 

he  uorlois  in  ire  scholt. 
981.   /.    achter   sinen   rugge 


MNL.  OSTERSPIEL.  335 

im  sage  mig,  Simon,  sunder  wanken, 

we  soride  iiue  alremeisl  du  danken? 
Si/mofi  zu  Jhesu 

Here  meister,  dat  sain  ich  dir, 

so  dus  willes  vollen  mir,  1015 

deine  he  uirlies  die  meiste  scholt, 

alre  meist  was  he  ime  holt. 
Jhesus  zu  Symo/ine 

Symon,   du  hais  wair  gesait, 

inde  dit  vrdeil  reichte  uolbrait. 

dit  wyf  sis  du  Symon  wale.  1020 

ich   quam  zu  dir  al  sunder  zale, 

du  ingeuis  mincn  uüszen  niet 

wasser,  als  dit  wyf  hie  liet 

hait  gedaen  bit  iren  treuen. 

euch  insalt  du  des  nit  wenen,  1025 

si  in  haue  gedrugel  bit  iren  hare, 

beide  stille  ende  offenbare. 

og  is  dich  me  uirgeszen 

sent  ig  hire  ben  gesessen 
2/13"^     des  kussens  uan  dinen  münde.  '  1030 

>         süg,   al  van  der  seiner  stunde 

dat  si  in  dat  hus  getrat, 

so  hait  si  begangen  dat 

reine  ende  susze, 

inde  gekussct  mine  vüsse.  1035 

du  in  salt  dig  nit  müden  sere, 

ig  wil  dich  vorwisen  mere. 

sent  dat  ich  zu  dir  ben  kiimen, 

so  hais  wale  min  wort  vernomen 

van  disen  dat  hire  is  geschiet.  1040 

uu  in  hais  du  Symon  niet 

min  hoit  begossen  bit  der  saluen, 

diese  hait  mig  in  allcnthaluen 

mine  uüze  gesaluet  wale, 

dat  sult  ir  wissen  al  ze  male.  1045 

dar  umbe  säen  ich  dir  dat, 

«ilzehant  up  dieser  stat, 
1013.  du  =:  (ioe.  1031.  süg  a7.  sie,   vidv.  oerg/.  '20(5. 


336  MNL.  OSTERSPIEL. 

dat  si  der  süiiden  genade  vint, 

wanl  si  van  herten  sere  mini. 

Maria  du  saut  up  staen  1050 

inde  vort  in  vreden  gaen. 

din  geloue  hait  dich  gesimt 

geniagt  nu  zu  diser  stunt. 
Jhes^us  zu  sinen  aposteleu 

Ir  heren,  laist  uns  up  staen, 

dat  dunkjt  mich  wale  gedaen,  1055 

inde  laist  uns  gaen  in  dat  lant 

dat  Judea  is  genant. 
Petei'  zu  Jhesu  spricht 

Meister,  wat  soude  dig  dat  gedaen? 
243**     du  bes  ze  kune,  als  it  verstain. 

wat  wiit  du  da  mide  meinen?  1060 

die  iuden  wouden  dig  dog  steinen. 
Jhesus  antwort 

Noch  wist  ir  wale,  dat  it  sin 

zwelf  stunden  an  den  dage  schin. 

so  we  bit  den  dage  wandelt, 

he  is  de  sich  wale  handelt.  1065 

wilt  he  euer  in  der  nait 

gain,  dat  si  uch  gesait, 

he  müz  an  den  wege  sneuen 

went  he  dat  lyt  hait  begeuen. 
Maria  Magdalena 

Höre  her  zu  mir,  iungelinc.         -     -   ^  1070 

ich  wil  dir  sagen  ein  deine   dinc. 

wolt  du  uns  ein  boitschaf  driuen? 

einen  brif  sule  wir  dir  scriuen 

zu  Jhesum,  unse  herc, 

de  inie  sal  clagen  vns  beswere.  1075 

De  bode  zu  Marien 

Ja  ich,  vrouwe,  ich  ben  bereit. 

loen  mir  minre  arbeit. 
Maria  zu  den  bode 


1059.  l.  ict  1006.  aver,  aber.  1068.   sncuveii,  deßcere, 

vacillai'e,  adi^ersa  pali.   KU.         1069.   /.   liclit.    vergl.   1184. 


MiNL.  OSTERSPIEL.  337 

Üinen  Ion  wil  ich  dir  geuen 

so  mich  got  hehuet  dat  leuen. 
D&v  bode  zu  Jhn.su 

Höre,  meister  ende  here,  1080 

ich  säen  dich  eine  nuwe  mere. 

dich  enlbident  ende  dun  künt 

zwa  gesusteren  nu  zestünt 

di  dich  han  usser  maissen  lijf, 
244"     si  sendent  dig  disen  brijf,  1085 

inde  entbident  dich  dar  inne 

hören  dinst  ende  höre  niinne, 

inde  willen  dat  dir  si  kunl 

dat  ir  bruder  is  ungesunt, 

Lazarus,  der  vrunt  din.  1090 

des  du  ime  dine  helpe  schio. 
Jliesus  zu  den  bode 

Die  suchde  sal  wesen  sunder  noit, 
1  sine  sal  nit  dragen  zu  der  doit, 

mer  an  ime  sal  sin  gemeert 

godis  name,  ende  ouch  geert.  1095 

Jhesus  zu  den  apostelen 

Nunc  niuge  wir  nit  langer  staen,. 

wir  müssen  da  hine  gaen  ; 

zu  miner  liuer  uründe  hus. 

alda  slefet  Lazarus. 

den  so  willich,  of  ich  mach,  1100 

inlslafen  dün  up  disen  dach. 
SenU'  Pete)'  zu  Jhesu 

Ilerc,  wir  venden  dat  geleissen  : 

slefet  he  so  is  he  genesen. 
.Uiesus  zen  apontelcn 

Ich  wilt  ug  sagen  offenboer 

(want  ig  weist  wal  vorwoer)  1 105 

dat  he  doit  is  ende  begraiien. 

dat  wil  ich  uch  nu  sagen, 

inde  wil  mich  vrouwen  sere 

vmbe  uren  wille  immermere, 

vp  dat  ir  gelouuct  des.  1110 

ine  was  da  nit,  des  sijl  gewes. 
Z.  F.  D.   A.    II.  22 


338  MNL.  OSTERSPIEL. 

2/iA^     Seni  Dummois  zen  apostelen 

Owie  !  got  ende  here, 

dit  is  uns  eine  kranke  mere. 

geit  dane,  gesellen,  loist  uns  weruen 

dat  wir  bit  ime  mögen  steruen.  1115 

des  so  is   uns  groisse  noit. 

decke  reikede  he  uns  sin  broit, 

inde  sine  susteren  beide. 

des  is  mir  alze  leide. 
Hio  kumet  der  bode  ende   sait  Marthen  dat  her  Jhe- 
sus  kume. 

Martha,  du  salt  up  staen  1120 

ende  balde  her  us  gaen. 

nit  en  mache  lange  merre, 

Jhesus  in  es  henne  nit  uerre. 
Martha  loiifet  intgein  Jliesu. 

Here,  vns  hait  gewesen  bange, 

dal  du  van  uns  also  lange  1125 

hais  geweset  sunder  noil. 
;,!<,■;  nu   so  is  uns  bruder  doit. 

wers  du  bi  uns  bleiuen 

behalden,  so  hedde  he  it  leuen. 

idoch  so  wisse  wir  al  gader,  1 1 30 

wat  du  biddes  dinen  vader, 

dat  he  dinen  wille  deit, 

want  sin  rait  an  dir  nu  steil. 
Jhesus  zu  Marthe?i 

Hall  dich  des  al  sunder  waen. 

din  bruder,  he  sal  up  erstaen.  1135 

Martha  zu  Jhesu 

Ich  weis  dal  wale,  dat   he  sal 
244"     vp  erstaen,  hait  heis  geual, 

also  ich  han  virnümen, 

als  got  zen  urdel  wil  kumen. 
Jhesus  zu  Marthen  '•■ 

Dal  uperstentinisse  ben  ich.  1140 

des  sali  du  gelouuen  mich, 
>iti  inde  in  der  wairheide  bekant.       *   - 

dal  leuen  ben  ich  og  genant. 


MNL.  ÜSTERSPIEL.  339 

we  gelouuet  ane  mich, 

were  he  doit,  he  wecket  sich.  J145 

ende  allel,  dat  da  leuent  es, 

so  id  gelouft  (des  sijt  gewes) 

all  mig,  he  instiruet  niet; 

want  ich  ben  dat  geware  lijt. 

Martha  geloufes  du  des?  1150 

Martha  zu  haut 

Here,  ich  bens  gewes 

dat  du  bes  godis  süa  genant, 

de  in  dise  werelt  is  gesant. 
Martha  zu  Marien 

Maria,  ich  san  dir  iiue  mere, 

dat  linse  meister  ende  unse  here  1155 

is  kumen  zu  unser  sericheide. 

nu  stant  up,  ende  la  uns  beide 

heimeliche  zu  ime  gaen. 

ich  hau  lange  bi  ime  gestaen 

inde  ime  geclaget  vnse  noit  1160 

dat  unse  bruder  si  nü  doit. 

stanl  up  !  he  ruft  dich  alzehant.  '    •    ; 

vnse  ruwe  is  ime  wale  bekant. 
244*^     Maria  ginc  zu  Jhesus.    dit  sach  ein  iude  inde 
sprach 

Mich  dune  Maria  is  up  gestan. 

zu  den  graue  wilt  si  gaen  1165 

inde  iren  bruder  weinen, 

Lazarum,  den  reinen. 

wir  willen  alle  bit  hoire 

zu  den  graue  gaen  her  uüre.  ) 

Uli  Maria  unscii  here  nach,    du  vil  si  ze  siueti  aussen 
ende  sprach 

(Dne,  si  hie  fuisses,  Lazarus  etc.) 

Vrünt,  here  ende  meister  min,  1170 

wa  hais  du  so  lange  gesin? 

hetz  du   bi  uns  mugcn  wesen, 
rj  ■  so  were  uns  bruder  wale  genesen. 

Il5ft.   serichoclc.  Irauor,  uiiiiliick.    rcr^l.  Hiiydtc.  op  Stoke  h.  3  v.  i. 

22* 


340  MNL.  OSTERSPIEL. 

Jhesus  zu  Manen 

Sait  mir,  wa  liait  irne  gelail? 
Maria  zu  haut 

Here,  dat  si  dir  gesait!  1175 

will  du  bit  uns  da  hine  gaen, 

wir  dun  dich  kurteliche  verstaen. 
Der  irste  iude 

Vor  wor  si  uch  dat  gesait, 

he  hail  sine  minue  an  iine  gclait. 

des  duukit  niig,  hen  kans  geloissen,  1180 

he  weinet  inen  usser  moissen. 
Ein  afider  iude 

In  künde  he  dat  nit  gsraachen, 

de  bit  als  gemelicher  sachen 

deme  blenden  wider  gaf  sin  lijt, 

dat  Lazarus  in  sturne  nijt?  1185 

Jhesus  geit  zen  graue 

245^*     Tastet  ane,  hefl  up  den  stein. 
Martha  ze  haut 

Ey  here,  durg  got  nein  ! 
(Martha  singet  ende  spricht) 

(Ecce  iam  fetet,   quadriduanus  est) 

Here,  id  is  hude  der  uirde  dacli 

dat  ine  her  in  legen  sach. 
Jhesus  zu  Ma7'theH 
.     ■  Martha,  ich  säen  dir  minen  sen,  1190 

dat  du  niet  en  suis  zuiuelen 

of  du  wolt  sicherliche 

beschouwen  godis  riebe. 
(Hie  hil  Jhesus  sinen  vader) 

Vader  van  himelriche, 

ich  danc  dich  sünderliche  1195 

aller  genaden  der  du  mig  deis, 

want  ich  dat  wale  weis 

dat  ich  van  dich  ben  gebort 

iude  nie  mine  beide  inwart  zeslort, 

dun   dedis  minen  wille  1200 

offenboer  ende  stille. 

Uli   biddicli  dig  als  minen  vader 


MNL.  OSTERSPIEL.  341 

vmbe   diser  wille  alle  gader 

die  hie  umbe  stände  siju 

dat  diiie  gotheit  werde  schiu,  1205 

ende  dat  on  allen  werde  bekant 

dat  ich  van  dig  ben  gesant. 
(Euer  Jhesus) 

(Lazare,  ueni  foras) 

Lazare,   du  salt  up  staen 

inde  usser  diseu  graue  gain. 

loist  ime  af  die  bende  1210 

an  uussen  ende  an  hende. 
Hie  sendet  vnse  here  sente  Petere  ende  sente  Johanne 
vmbe  eine  eselinne. 

Peter  ende  Johannes, 

in  di  slat  di  uor  uch  es 

sult  ir  al  beide  gaen, 

da  vent  ir  eine  esselinne  slaen  1215 

inde  ire  iunc  gebunden, 

die  brenc  mir  nu  zu  stunden. 

will  dat  iman  widersaen, 

sait,  ur  meister  wil  si  haen. 
Sente  Peter  zu  Jhesu 

Here  dat  si  gerne  gedaen,  1220 

na  den  eissei  wil  wir  gaen.    -  i 

Der  bodc  zen  apostelen 

Ir  hereu  sait,  wat  sukit  ir  hi? 

war  umbe  inbendit  ir  dit  vie? 
Sente  Peter  zu  den  bode 

Gut  man,  uns  meister  sal  drüp  riden. 

dar  umbe  in  salt  du  it  nit  beniden.  1225 

vor  woer  salt  du  wissen  dat, 

he  hait  ze  dune  hie  in  der  stal. 
Der  bode  zu  deine  volke 

Hort  ir  heren  eine  mere, 

hie  kumet  Jhesus,  der  lerere, 

her  zu  ug  gereiden,  1230 

einen  eissei  hait  he  beschreden. 

dunkit  ug  allen  gut  gedaen, 

intgegen  ime  wil  wir  gaen. 


342  MNL.  OSTERSPIEL. 

Ey7i  pha7'iseiis  spricht 

245"     (Aue  rex  nr  fili  Dauid.) 

Willekume  sijs  du  here, 

der  werelde  scheppere,  1235 

van  Israhel  kuninc  herlich, 

Dauites  sun  geweldich. 

du  bis  van  dines  vader  haut 

vns  zu  troisle  gesant, 

als  der  propheten  bugge  han  inue,  1240 

van  dei'  w^erelt  aneginne. 

des  sis  du  gebenedijt 

van  nu  vort  zu  aller  zijt. 
Di  kindere  süngen  gloria  laus. 

(Gloria,  laus  et  honor  tibi  sit) 

Hude  si  dir  lof  ende  ere, 

Crist,  der  werelde  losere,  1245 

r  I  in  deine  dat  di  kusche  iuget 

in  dir  sere  wirt  erhuget. 

ebreis  vole  kümt  dir  intgegen 

mit  palmen  ende  blumen  allerwegen 

inde  gert  dat  it  dich  intfange  1250 

beide  bit  loue  ende  bit  sänge. 
Hie  dreif  hei'  Jhcsus  us  den  templc  die  kqßude 

Ir  misdedige,  henne  vlijt! 

in  disen  tempel  insult  ir  nijt 

driuen  meisdait  ende  rouf 

nog  uorweselen  vren  kouf.  1255 

Hie  bleif  her  Jhesu  in  den  tempel,  ende  ?iiman  inba- 

den  zu  essene  sunder  Martha. 
(.  Here,  wilt  du  mit  uns"  gaen  ti 

245''     inde  dat  in  guet  uirstaen 

dat  wir  han  in  vnsen  hus,  - 

da  is  vnse  brüder  Lazarus.  . .     .»vk.  '    a\ 

da  wil  wir  dir  in  güden  trüwen  1260 

deilen  des  uns  is  uirluwen. 
Jhesus  zu  Marthen  ;-  ; 

Vor  Martha,  gerne  willich  gaen 

mit  uch  essen,  ende  Infant 
1201.   verliehen.         1263.  /.  ontfaen   ■'-'■■    t\:*'y\-<^\\}^    ■  . 


MNL.  OSTERSPIEL.  343 

des  ir  liait  in  vren  huse  5 

indc  wir  venden  Lazaruse.  1265 

Maria  Magdalena  kumet  in  Sijmons  Jius,  da  her  .fhe- 
sus  saz-,  ende  g'ois  ime  up  sin  honet  aromata  dal 
gecrude.  Dil  sag  Judas  ende  spj^ach 

Dil  werc  Las  acliter  bleuen, 

vnibe  dil  gecrude  were  gegeuen 

zu  llchtea  gedinge 

dri  hundert  penninche, 

ze  geuene  den  armen  1270 

der  man  sich  sal  irbarmen. 
Jhesus  antwort  sinen  iiingeren 

Gedougel  ug,    laist  bestaen  ! 

want  si  hait  wale  an  mir  gedau. 

bi  ug  sult  ir  alle  zijt  die  armen 

venden,  der  laisl  uch  irbarmen.  1275 

mich  in  muit  ir  uiet  sien 

in  aller  zijt,  dat  müs  geschin. 

dit  is  bekennisse, 

dat  man  hi  ane  wisse 

bedutnisse  van  minen  graue,  1280 

246"     inde  ich  den  doil  ze  lidene  haue. 
Ein  phariseus,  ein  inde,  sprichet  das 

(Quid  facimus,  c^uia  hie  . . .) 

Ir  heren,  wilt  ir  nemen  rait 

vmbe  dat  sich  hi  erbauen  hait? 

hi  in  disen  lande 

hell  sich  eine  nuwe  schände.  1285 

hie  kumet  des  diiuels  bode 

inde  mach  sich  zu  einen  gode.  ,, ,       ,  .vV 

vch  allen  is  he  bekant. 

Jhesus  is  he  genant. 

sin  vader  was  eyu  cimmerman.      ^  ,  1290 

ig  weis  dat  wale  dat  heue  wan 

an  eynen  wiue  Marien.  .,,    ,;V\ 

sins  wille  wir  uirzien. 

sin  koggelspel  dat  is  so  grois 

1278.  betekenisse?  1293.  sins  willen  wir  versien,  n'ir  wollen 

uns  vor  ihm  vorsehn,     versien  prospicere,  vavere,  praecavere. 


344  xMNL.  OSTERSPIEL. 

ine  weis  uirgen  sin  genois.  1295 

uuwens  so  hait  he  gedaen 

(lat  ime  eyn  dode  na  gaen. 

dat  is  de  seine  Lazarus 

de  hude  mit  ime  in  sin  hus 

zer  tafelen  hait  gesessen  1300 

inde  hait  gedrunken  ende  gessen, 

des  nie  inplagen  ander  doden. 

helpe  wir  vus  vs  diser  noiden! 

inde  dencken,  wie  wer  den  rait  gegeueu 

dat  wir  benemen  ime  sine  leuen ;  1305 

want  zu  grois   wirt  sine  gewalt. 

ime  volget  junc  ende  alt. 

virnement  dit  die  Romere 

aldus  gedane  niere, 
246''     si  nemeut  vns  dat  lant,  1310 

inde  antwordent  in  vremede  hant 

vuse  wijf  ende  vnse  kent. 

here  Cayfas,  nu  vent 

eynen  rait  de  vns  si  gut, 

da  mide  wir  wale  sin  behüt.  1315 

Cmjas  antwort 

(Expedit  nobis; 

Er  heren,   mirkit  alle 

of  uch  min  rait  beualle. 

wir  sien  dat  volc  irre  gaen. 

dan  dunckit  mir  nit  gut  gedaen. 

besser  ist  dat  eyn  man  sterue  1320 

dan  die  werelt  al  vorderue. 
Der  irste  iude  sjrricht 

Nu  hört  wat  ich  dar  zu  sage  : 

niet  an  den  heilichen  dage 

iusull  ir  dis  begennen, 

wilt  ir  den  man  vorwenuen.  1325 

Hie  kumpt  Judas  zen  rade 

Alleiue  inplit  mans  nit  ze  hone, 

ich  muz  dog  mit  vrloue 
■;■' '  'V  ^         mich  zuchen  an  diseu  rail. 

ich  weis  wale  wa  it  hine  galt. 


MNL.  OSTERSPIEL.  345 

ist  als  ich  gemirken  kau,  1330 

so  geit  die  reide  Jhesum  an. 

will  ir  reichte  stan  dar  na, 

ich  wen,   it   iig  andirs  nil  vorva, 

ir  inweruet  mine  minne, 

dat  ine  uch  gewinne.  1335 

ich  were  ug  harde  gut  daran. 
246""     he  is  ein  sere  wis  man. 

he  is  uch  decke  entgangen 

als  irne  umbe  vangen 

haddet  alle  gemeine,  1340 

inde  up  ime  druget  steine. 

nu  siet  wat  ir  mir  willet  geuen. 

he  wirt  ug  wale,  sal  ich  leuen. 
CayJ'as  zu  Judase 

Judas,  dine  zale 

behait  mir  sere  wale.  1345 

wilt  du  uns  bit  truwen  weruen 

so  in  mait  du  uit  verderuen. 

vnder  vns  haen  wirs   geual. 

dan  af  in  mache  ingein  geschal. 

wilt  du  ouch   gedinge  machen  1350 

van  aldus  gedaner  Sachen, 

wir  geuen  dir  uil  schone 

drizsich  pennincge  zu  lone. 
Judas  wider  .; 

.  Da  in  rede  ich  nit  wider. 

gef  mir  nu  ende  euer  sider.  1355 

berichtet  vre  knechte 

dat  si  mirken  reichte, 

so  wen  ich  küsse  vor  sinen  raunt 

den  grifet  ane  zer  seiner  stunt. 

nu  hört  wat  ig  hie  mide  meine  1360 

dat  ich  hie  dus  kume  alleine 

inde  ich  ualle  in  vren  rait, 

went  id  is  vmbe  vndait. 

dat  mich   soude  vrümcn 

dat  is  mich  bcnümen.  1365 

\:Wi.   I.   ende  ii 


346  MNL.  OSTERSPIEL. 

246'     Maria  quam  van  vruade  haluen 

mit  einer  kostlicher  saluen. 

si  were  so  wo  mare  hedde  begerl 

drihundert  penniuche  wert. 

die  gois  si  in  implit.  1370 

dat  in  behade  mir  nit. 

des  was  ich  ein  kemerere. 

of  si  virkoit  were 

so  were  der  tinde  penninc  min. 

der  penninche  sulden  drissich  sin.  1375 

id  sule  mig  hinderen  oue  vrümen, 

des  schaden  willich  na  kümen. 
CayJ'as  zu  Jiidase 

Judas,  du  reides  reichte. 

we  mich  in  schaden  brechte 

des  wolde  ich  immer  na  kümen,  1380 

id  solde  hinderen  oue  vromen. 

nu  du  vns  dis  Sicherheit, 

dal  war  dit  venden  al  gereit. 
Hie  sendet  her  Jhesus  si?ie  apostelen  in  eine  stat. 

Peter  inde  Johan, 

Jacob,  mine  villeiue  man,  1385 

in  die  stat  sult  ir  gaen. 

dat  sult  ir  wissen  sunder  waen. 

dat  sult  ir  venden  hude 

eynen  man  den  ich  ug  dude. 

he  dreit  ein  legellen  an  der  haut,  1390 

.  vol  Wassers,  dat  si  ug  bekant. 

ir  sult  ime  sagen  mere, 

dat  ur  meister  ende  ur  here 

wile  sin  paschen 


(es  fehlen  mehrere  bl'dtter) 
IM"     of  ich  der  niartilien  möge  in  sijn  1395 

voirhussen,    oft  si  der  wille  dijn. 
niet  na  rainen  wille,  vader, 
mer  na  den  dinen  allegader. 

1370.   in  ontplit  ?  unbedachter  wetsei'  plief,   cura,  observatio,  Hilian 


MNL.  OSTERSPIEL.  347 

Hie  unse*  here  loider  ende  vint  sine  iungere  slafende 

ende  sprach 
(Symon,  dormis?   Non  potuisti  vna  hora   vigilare   me- 
cum,    et  ludas   non  dormit.  Quomodo  non  dormit, 
sed  festinat  me  tradere  Iiideis.) 

Slefes  du  Peter,  liue  kent? 

die  wort  van  mir  gescreuen  senl.  1400 

also  sint  si  volle  brait 

hint,  an  dire  seiner  nait, 

van  einer  enstelicher  Sachen. 

in  moites  du  nit  in  wenich  wachen, 

als  Judas  deit,  de  sich  bereit  1405 

wie  hie  die  Juden  an  mig  geleit, 

inde  begint  dar  streuen 

dat  he  beneme  mir  dat  leuen. 

ir  sult  ur  slafen  laissen  stan, 

inde  rufen  minen  vader  an  1410 

dat  uch  der  duuel  nit  bekore. 

der  geist,  de  is  gereit  doch  zwore, 

ouch  wie  der  licham  si  ungesunt, 

den  doit  zu  lidene  nu  zerstunt. 
Hie  geit  uns  here   anderwerf  beden. 

Herteliue  vader  min,  1415 

of  id  nit  anders  in  mach  sijn, 

dat  ich  nit  inraag  intwenken 

ine  mnsze  van  disen  kelge  drenken, 
247''     ig  in  wille  die  martilie  nit  entsien, 

din  wille  müsze  an  mir  geschien.  1420 

Hie  kurnet  unse  here,  ende  vindet  sin  iungere  sla- 
fende, ende  geit  sich  dirdewerf  beden  up  den 
berg. 

(Pater,  manifestaui  nomen  tuum  etc.) 

Vader,  ich  han  in  aller  stünt 

dinen  name  gemachet  künt 

den  luden  die  du  hauis  mich 

gegeuen,   vor  die  bid  ich  dich. 

in  in  wille  nit  rufen  ane  "  1425 

/.   Hie  coml  unse 


348  MNL.  OSTERSPIEL. 

vnibe  die  werelt  dineu  name. 

went  ich  zu  dich  sal  uaren,  vader, 

so  bidde  ich  vmbe  inine  vrunt  algader. 
Hie  kumet  Gabriel  ende  troistet  vnsen  here. 

Here  Jhesu,  durg  dine  gude 

nu  Salt  du  din  vngemude  1430 

loissen  ende  och  dine  clage. 

vorstanl  ende  hör  wat  ich  sage  : 

dir  inbudet  sicherliche 

din  vader,  got  van  himelriche. 

ich  ben  as  van  ime  gesant  1435 

eyn  bode,  Gabriel  genant, 

de  ze  diner  müder 

Marien  der  guder 

wart  gesant  vm  des  minschen  noit. 

dar  uinbe  so  müz  du  den  doit  1440 

liden,  de  dich  sal  geschin. 

van  dinen  vader  is  he  vorsien. 
247'     den  müz  du  doigen  nu  zestunl. 

war  umbe  it  is  datz  dir  wale  kiint. 

dar  umbe  la  din  ungedout.  1445 

id  is  umbe  die  irste  schout, 

di  da  in  den  paradyse 

sich  irhuef  in  maniche  wise. 

her  umbe  müst  ze  rade  gaen 

got,  din  vader,  sunder  waen,  1450 

wie  ende  mit  wilcher  Sachen 
fv- :  ;  den  minsche  wider  vri  moichte  machen. 

^     he  sig  du  genande, 
^   Jhesu,  dat  he  dich  sande, 

inde  gaf  dir  dat  ze  dune  1455 

dat  du  suis  machen  süne 

tuschen   dich  ende  dinen  vader 

inde  der  Averelt  allegader. 

nu  ist  kimien  an  der  zijt 

dat  zebrochen  wirt  der  strijt,  1460 

•  ,  '  want  du  hais  die  sune  vorbrait, 

als  hie  vore  is  gesail. 

nu  Iroisle  dich  Jhesu,  liue  name, 


MNL.  OSTERSPIEL.  :M9 

du  Salt  liden  simder  schäme 

vmbe  des  minscheii  wille  den  doit,  14 05 

ende  stürzen  och  din  blut  roit. 

dan  sal  dich  nit  wesen  leit, 

want  van  dir  gescreuen  steit 

dat  du  suis  werden  sunder  noit 

geleil  als  ein  schaif  zer  doit.  1470 

nu  valr  ich  wider  in  dat  lanl 

dan  ich  here  ben  gesant. 
J-nsc  here  zu  den  apostelen 

247 ''     Slafet  kinder,  nemet  raste  ; 

Judas  de  so  nekit  vns  vaste 

mit  allen  den  viende  min.  1475 

steit  up,  laist  ur  slafen  sin ! 

wat  so  sal  die  lange  rue? 

dis  minschin  sun  der  wirt  itzu 

getreckit  in  der  sunder  haut. 

vrunt,  dat  si  uch  bekant:  1480 

we  so  hait  zwene  rocke 

de  so  loufe  uppen  stucke 

virkoufer  einen  ende  gelde  eyn  swerl. 

des  is  urber  ende  wirt  begert, 

weme  id  sie  lief  oue  leit.  1485 

went  alse  gescreuen  steit, 

ich  sal  den  schaef  hirde  slaen, 

sin  schaef  sulen  gesprcdit  gaen. 

inde  als  ich  uperstanden  ben 

vor  gaen  ich  uch  in  Galileen.  1490 

Sente  Peter  zu  Jhesu 

Here  zwey  swert  sinl  hie. 


Jhesus 


wat  wolt  du  dat  der  mit  geschie? 


Peter,  der  is  gnuch  der  niide. 
gedougc  wir  uns  nu  zu  siede. 
Judas  zu  den  luden  lief. 

Ir  heren,  hört  wal  ich  ug  sage.  l/i«.).") 

id  is  iezu  vor  dcnic  dage 
dal  Jhesus  in  gcbcde 
liet,   na  unsen  sede. 


350  MNL.  OSTERSPIEL. 

will  irne  vangen  oue  slaen, 

so  must  ir  balde  bil  mir  gaen.  1500 

Dit  horten  die  luden  ende 


Et    uos    similes    hominibus.    etc. 

bl.  3"  Dese  wort  spreect  onse  here  te  sinen  jongeren  ende 
teen  igeliken  menschen,  ende  spreken  de  wort  aldus  in  dit- 
schen:  gi  sult  gelic  sin  dien  menschen  die  beiden  hares  he- 
ren,  die  geuaren  es  ter  bruloyt,  dassin  gereet  inlaten.  dese 
brudegoem  es  got,  ende  die  brut  es  sin  menscheit.  die  hef- 
ter  te  himel  geuurt.  ende  in  den  iuncsten  dage  so  wilter 
her  weder  comen.  ende  sprect  onse  here  in  den  ewange- 
lien :  siet  dat  gi  bereet  sijt,  want  gin  wet  nit  wanner  nog 
welges  dags  des  menschen  kint  compt.  dats  dar  bi  want  wi 
alle  Iweere  mehschen  kinder  sin.  ende  hi  en  es  nit  dan 
enes  menschen  kint  ende  gots.     ende  daer  tue  dwangen  die 

M.  dassich  got  mensch  macde,  ende  die  menschen  te  gode, 
als  dar  vore  steet,  dar  onse  here  sprect,  dat  wi  gode  wer- 
den, dat  macde  allene  die  m.  want  m.  es  so  edel  ende  so 
werdech,  dasse  den  menschen  ane  allen  dengen  gode  gelic 
mact,  in  der  maten  dat  hi  henie  gelic  mag  werden,  nu  sprect 
hi  dat  wi  gelic  sulen  wesen  dien  menschen  die  beiden  hars 
heren,  die  geuaren  es  ter  bruloyt,  als  hi  weder  compt,  das- 
sin gereet  in  laten.  ende  die  dus  hars  heren  beiden,  si  su- 
len drie  denc  hebben,   wille  sis  wale  beiden. 

Dirst  es  dasse  waken  sulen.  ende  sulen  waken  dor  drie 
denc.  dirste  darse  orabe  waken  sulen  dats  dat  hen  nit  ver- 
stolnen  werde,  dander  es  dat  hen  tfür  nin  verlesschc,  op 
dasse  heme  ligl  eniegen  brengen.  terde  es  dasse  bereet  sin 
den  brudegoem  in  te  laten.  —  si  sulen  den  irsten  waken 
dat  hen  der  scat  nit  verstoln  en  werde,  dar  af  sprect  s.  Pau- 
lus:    wat  maech  ons  Aerstolen  werden  dan  die  sile?    derre 


MNL.   PREDIGTEN.  351 

wacht  der  diuel  lallen  tiden,  datier  ons  die  verstele.  ende 
bidien  sleel  ons  vlilelic  te  waken  dat  wi  die  behuden.  wi 
Silin  oec  waken  op  dal  tfiir  nin  lessche.  dit  für  en  es  an- 
ders nil,  dan  die  genade  ons  heren.  ende  dir  genaden  sal 
der  mensch  dogenllike  wagten  ende  plegen,  ende  sal  telken 
liden  dir  genadcn  tu  leghen  mit  guden  werken,  mi  lest  in 
den  auden  wet,  dat  gol  geboet  dat  elken  tijd  een  vur  bernde 
in  den  altare,  ende  der  hude  van  den  wette  sult  dat  vur 
maken,  ende  alloes  tu  leghen  dat  nin  verleschde.  geliker 
wis  es  ons  gebodeu,  dien  de  genade  ons  heren  in  den  her- 
len  bernt.  ende  der  hude  van  den  wette  dat  es  des  men- 
schen beschcidenheit.  die  sal  dat  vur  der  genaden  sloken 
met  guden  werken,  ende  sal  die  dogde  vffenen  vlitelikc,  die 
heme  got  gegeuen  heft,  met  singene,  met  lesene,  met  bedene, 
ende  met  eenre  igeliker  guder  arbeil,  als  vele  als  hi  vermach, 
ende  na  dien  dat  heme  got  genaden  heft  gegeuen  die  sal  hi  heme 
weder  geuen.  want  en  will  hi  die  genade  nit  vffen  so  menret 
se  in  gode.  alsoe  sprect  s. Paulus:  gefl  weder  die  genade  gode, 
gi  verlisse  anders,  onse  here  sprect  oec  in  den  ewl. :  so  wi  die 
genade  verbergt,  dire  van  gode  heft,  ende  nit  en  vfTent,  die 
nempl  hi  heme  ende  gifse  een  anderen,  darse  nutler  es.  die 
prophete  sprect :  in  wil  nemmer  rasten  eer  ic  come  in  die 
heilecheit  gots  ende  an  hare  dat  iuncste.  also  sprect  hi  sei- 
ner in  Apoc. :  ego  sum  alpha  et  o,  ic  ben  begen  ende  ende, 
ende  also  sprect  der  prophete  dat  hi  nemmer  en  raste,  hin 
com  ten  begenne  ende  ten  ende  dal  got  es.  hi  sprect  oec 
meer:  viemor  fui,  ic  gedagle  ane  gode,  ende  mi  weder  vu- 
ren  drie  denc.  due  ic  ane  gode  dagte  due  losts  mi,  ende 
bidien  vffendic  gude  werc,  ende  mi  tevloel  min  gest  van  dir 
sulecheit  die  ic  in  minre  gedechtcn  ane  gode  vant.  uii  les! 
van  der  coninginncn  Hesler,  du  se  vor  den  coninc  Assuerum 
sulde  gaen,  due  cruerelse  hare  sere.  want  der  coninc  had 
dien  sede,  wi  vor  heme  quam  ongerupen,  hi  must  den  doel 
liden.  ende  tenen  male  must  die  coninginne  vor  heme  comen 
ongerupen.  ende  due  ciretse  hare  met  edelen  clederen.  ende 
du  se  vor  heme  sulde  gaen,  due  vurlse  eene  joncfrouwe  met 
hare,  die  hare  die  cleder  op  ligde.  ende  du  se  den  coninc 
ane  sach,  due  dogl  hare  dasse  der  coninc  een  deel  verbolgelic 


352  MNL.   PREDIGTEIN. 

aiie  sege,  .ende  verscoet  alsoe  sere  (lasse  al  bleec  wart,  ende 
neigde  sich  op  die  joncfrouwe.  bi  den  coninc  Asswero  es 
betekent  onse  here  Jhesus  Christus,  ende  bi  der  coniginne 
Bester  es  betekent  die  sile.  want  als  die  sile  begint  te  ge- 
denckene  aue  gode  ende  ane  die  schoenheit  des  himels,  so 
en  rast  die  sile  nemniermeer,  eerse  met  hare  gedegten  come 
vor  gots  stul,  ende  stict  dan  har  ogen  in  din  godeliken  spi- 
gel.  ende  alsoe  als  mi  lest  van  der  cög.  dasse  verscoet, 
due  har  dogle  dasse  der  coninc  verbolgelic  ane  sege,  alsoe 
geschiet  der  silen,  alse  met  baren  gedegten  vor  gode  compt, 
ende  sich  got  an  sulker  maten  geft  te  bekenne,  also  dasse 
sin  anschin  bekent,  ende  van  dien  anschine  verschit  die  sile. 
ende  bidien  dat  der  coneginne  dogte  dat  har  der  coninc  een 
deel  verbolgelic  ane  sege,  bi  dir  bolgescap  es  betekent  ene 
wandelinge  dis  anschins.  die  wandelunge  geschiet  als  die 
sile  hare  oegen  stict  in  gode,  ende  sich  got  har  geft  ter- 
kenne.  so  verscit  die  sile,  inde  der  lighanie  verlist  al  sine 
cragt,  ende  trect  sich  dbuet  (/.  tbloet)allet  enwert.  want  therte 
heft  so  grote  beruringe  ontfaen,  dat  der  mensch  bleec  wert, 
ende  neigt  sich  dann  der  geest  op  den  lighame  ont  der  mensch 
wider  te  sich  seiner  compt.  terde,  darse  ombe  waken  sulen, 
dats  dasse  gereet  sin  den  brudegoem  in  te  latene  als  hi  compt. 
alsoe  sprect  onse  here :  ic  sta,  ende  cloppe  tes  menschen 
herten.     selech    sinse    die   mi  in  laten.     met  hen  willic  ho- 

getide  hebben.  hie  sprac  oec  in  der  m.  büke,  du  mi  op, 
min  liue  suster  ende  tortelduue,  ende  laet  mi  hogetide  hebben. 
Dander  es,  si  sulen  wale  gesiert  sin  als  danschin  stem- 
peis, ornaverunt  faciem  templL  mi  lest  in  den  auden  wet 
van  den  temple,  dat  was  gecirt  met  güldenen  cronen  ende 
met  güldenen  scilden,  ende  waren  ane  die  orde  des  tempels 
ombehange  op  geslagen  met  güldenen  vingeren.  gelikerwis 
sal  der  mensche  gecirt  sin.  dat  sprect  s.  Paulus :  onse 
lighame  es  een  tempel  des  leuentgen  gots.  sent  wi  nü  een 
lempel  gots  sin,  so  sulwi  gecirt  sin  met  eenre  guldenre  cro- 
nen. s.  Jo.  sag  ene  vrouwe,  die  hadde  die  sonne  tenen 
cleede  ende  den  mane  tenen  vutscemele,  ende  was  gecroent 
met  XII  ligten  sterren.  hi  sprect  oec:  ich  sach  een  teken 
an  den  himel,  dal  was  wonder  groet,  ende  was  ene  vrouwe. 


MNL.   PREDIGTEiS.  353 

det  möge  wi  betekeu  anc  onser  vrouwen.  vvant  si  badde 
vvale  die  sonne  tcncn  clcde,  du  se  die  ewege  sonne  onlünc, 
ende  si  ende  got  eren  gemeinen  son  te  gader  liadden.  si 
liadde  oec  den  mane  tenen  vulscenielc.  dal  was  die  hose 
werelt,  die  Iiadse  versuiaet.  si  was  oec  gecroeut  ende  es 
noch  gecroent  in  himelrike  mit  xii  sonderliken  eren.  ende 
dat  hi  sprac:  ene  vrouwe  een  wif",  dat  meint  lii  dar  mede, 
dasse  müder  ende  magt  es.  wi  mögen  oec  dese  betekeninge 
keren  ane  ene  igelic  sile  die  gots  tempel  es.  die  sonne,  dar 
die  sile  mede  es  gecleet,  dats  die  gre,  die  onse  bere  den 
guden  menschen  geft  in  den  gebede.  die  mane,  dats  die  böse 
werlt.  die  sal  der  mensch  versmaden  ende  vlien.  als  S.Pau- 
lus sprecl:  mi  es  die  wcrclt  le  meste  worde  vor  min  oegen. 
regte  als  of  hi  sprake :  ic  hebbe  die  werelt  so  verworpen 
ende  versmaet,  dat  ic  nit  meer  op  bare  en  agle  dan  olTe  een 
mcst  wäre,  darna  wert  die  sile  gecroent  met  eenre  cronen, 
die  bclt  XII  sterren.  das  sin  xii  gemein  sterren  des  himel- 
rics,  die  een  igelic  mensche  heft  dire  oc  ni  beft  (?).  bi  ge- 
winl  VI  sunderlike  vroiide  ende  gecirde  an  din  liue,  ende  vi 
an  dir  seien,  aldus  sal  die  sele  gecronet  sin,  die  gols  tem- 
pel es.  wi  sulen  oec  gecirt  sin  met  güldenen  scilden,  alse 
dat  lempel.  also  sprac  Dauid,  doiiiine  ut  scuto.  oy  here, 
du  best  mi  gecroent  metten  scilde  dins  guden  willen,  an  den 
seilt  sin  drie  orde.  dar  bi  es  ons  dit  betekent.  en  ort  dat 
sin  ons  beren  gebot  ende  sin  leringe.  die  sal  der  mensch 
vlilelike  hauden,  ende  sinen  rade  na  volgen.  dander  ort  es 
ene  igelicke  regele,  terde  es  die  setlinge  die  mer  ons  sei 
ende  heit.  dat  sal  der  mensce  gullike  ende  vrolike  behau- 
den,  ende  sal  sin  herte  dar  tu  ordeniren,  dat  willeglike  ge- 
horsam sie  sinre  mccsterscap  ende  sire  ordenen.  alse  der 
mensce  dese  drie  ort  heft  so  es  bi  wale  gecirt  vore  gode, 
ende  es  een  tempel  des  leuende  gots.  dat  tempel  was  oec 
gecirt  mel  iiij  ombebangcn.  dal  sin  iiij  dogede,  die  der  men- 
sche sal  hebben  die  gots  tempel  es.  der  erste  es  outfarme- 
cbeit,  die  der  mensche  sal  hebben  ouer  enen  igeliken  men- 
sce, alse  uerre  alse  hi  mag.  ende  sal  mel  enen  igeliken  men- 
schen dragen  wat  so  beme  mescomt,  het  si  an  Jiue,  ogte  an 
seien,  ogte  an  herten,  ende  sal  uor  beme  bidden.  der  ander 
es  gehorsamheit,  die  sal  der  mensce  willeglike  Icslen,  met 
Z.  F.   D.  A.   II.  23 


354  MNL.   PREDIGTEN. 

herten  ende  mit  liue.  der  derde  es  geduldecheit.  der  mensce 
sal  gediildeglike  sine  ordene  dragen  ont  in  den  doct.  der 
uirde  onibehanc  ende  der  leste,  dats  otmuet.  der  mensce 
sal  oelmudelike  alle  sine  werc  uolbrengen.  ende  sal  ontfar- 
mecheit,  gehorsamlieit  ende  geduldecheit  ciren  met  der  oet- 
mudeclieide.  met  desen  vier  onibehangen  sal  dat  tempel  gots 
gecirt  sin.  ende  dese  oinbehange  sulen  op  geslagen  sin  met 
güldenen  uingeren.  also  sal  der  mensce  alle  sine  dogede 
ophefen  melter  M".,  ende  sal  sine  sele  ende  gode  te  samen 
nechgelen  metter  M".  en  geliker  wis,  alse  een  vingeren  ront 
es  sonder  ende,  also  es  die  M".  sonder  ende,  want  alse 
alle  dogede  tegaen,  so  blift  se  stedeg.  want  sis  eweg.  mi 
leset  van  Moyse,  di  wart  geworpen  in  een  water,  ende  wart 
vonden  op  din  watere,  ende  mi  bragte  dat  kint  der  coni- 
ginne,  ende  si  hilt  drie  dage.  bi  din  es  ons  betekent  een 
igelic  geestelic  mensce.  Moyses  sprect  een  mensche  di  vt 
enen  watere  es  getrecl.  dat  sin  geestelike  lide.  di  sin  ut 
yn  watere  getrect  derre  vlitender  werelt.  want  geliker  wis 
alse  dit  waler  ulit  ende  onstedeg  es,  also  es  die  werelt  allen 
tid  ongetruwe.  also  sprect  ene  wise  urowe  :  wi  uliten  henne 
alst  dat  water.  also  sprect  die  screft:  een  igelic  dinc  ilt  dal 
werde,  ende  dat  sins  sec  nit  meer  en  sie.  also  es  die  un- 
getruAve  werelt  alse  dat  waler.  vt  din  watere  sin  gestelike 
lide  gelogen  in  geeslcliken  leuene.  dar  in  sulense  dri  dage 
weiden  gaen  legen  dal  himelrike.  der  erste  dag  es  gans  ende 
regt  ruwe.  der  ander  dag  es  ganse  ende  regle  bigte  al  der 
Sunden,  der  derde  dag  es  stedege  bvte  toten  ende,  mi  leset 
in  den  auden  wet,  dat  onse  here  gebot  dal  mi  een  tempel 
macte,  ende  dat  cirde  met  drin  uarwen.  met  witler  ende  met 
roder  ende  met  himel  varwen.  bi  der  witler  uarwen  es  be- 
tekent die  kuscheit  ene  geslelike  scanie.  daraf  sprect  S.  B*.: 
ic  weet  ene  liarde  scone  doget,  si  es  gebeten  geestelike 
scame.  si  es  harde  guet  geweten,  si  es  een  heimelic  vrint 
gols.  si  es  een  bchutinge  der  kuscheit,  ende  een  sluel  ende 
een  beginsel  der  dogede,  ende  ene  bereidinge  des  herten, 
ende  ene  ouergulde  alre  dogede  ende  alles  gudes.  bi  der 
roder  uarwen  es  belckenl  gedencnisse  ons  heren  marlelen. 
dar  sal  der  mensce  bedinken  al  dis  dal  hi  dor  ons  leden  hefl, 
ende   wie  grole   minne    hi    ons  dar   niidc  toende.     ende  dar 


MNL.   PREDIGTEN.  355 

sal  sich  die  sele  iierwen  inettin  blude  dal  ut  slnen  Herten 
vloet.  also  sprect  S.  Agnelc:  ons  heren  bluet  es  nii  eae 
uarwe  an  minen  wangen.  hofsce  urouwen  plegent  sich  le 
verwene  raet  witter  varwen  ende  met  roder.  also  sal  sich 
dl  sele  verwen  met  kuscheide  ende  met  gedenckenisse  ons 
heren  martelen.  dat  lempel  was  oec  gecirt  met  himel- var- 
wen. dar  raide  es  belekent  begeringe  ende  M*.,  die  wi  su- 
len  hebben  tin  himelsce  lande,  ende  die  M".  salt  ons  loenen 
ende  mit  gode  verbinden,  also  sprect  S.  Paulus:  die  M*'.  es 
een  baut  dar  onse  here  bitter  seien  mide  wilt  gebunden  sin. 
S.  Agnes  sprect  oec:  die  M^.  es  een  sutebant:  si  bint  gode 
ende  die  sele  sulelike  te  sanien.  hi  sprect  oec:  oy  JVP.  du 
best  ene  edele  doget,  ende  best  die  nit  en  begcrs  allene  te 
hebbene.  du  deeist  di  al  den  genen  die  in  der  minnen  sin. 
so  sprect  dan  S.  Paulus:  die  IVP.  es  edel,  ric  ende  gewel- 
deg,  ende  slat  also  metter  M".  si  mact  den  riken  arm  ende 
den  armen  rike.  ende  wi  sonder  M*.  es,  die  es  arm,  al  wäre 
oec  alle  die  werelt  sin.  ende  wie  oec  die  M""  heft  di  es  rike. 
aldus  sal  die  sele  gecirt  sin  met  drin  uarwen  alse  dat  tempel. 
Terde  es  wie  degene  dun  sulen,  die  hars  heren  beiden, 
die  ter  brulogt  es  geuaren.  dats  dat  si  sulen  geduldechlike 
beiden,  also  dals  lien  nit  en  verdrite,  of  hi  te  lange  mert. 
si  sulen  geduldechlike  beiden  dor  dri  dinc.  die  geduldecheit 
meret  din  loen.  so  der  mensche  geduldeger  es  in  sinem  bei- 
den, so  sin  loen  mere  es  vor  gode.  dander  es,  si  jioget 
die  werdecheit.  so  der  mensce  merre  werdecheit  heft,  so 
hi  hoger  wert  vor  alt  himelsce  her.  terde  es  si  breit  die 
uroude  des  himelrikes.  so  der  mensce  merre  geduldecheit 
heft,  so  sine  uroude  mere  es  vor  gode,  ende  an  heme  seiner 
ende  an  alt  himelsce  her.  also  list  mi  van  S.  3Iertcnc,  die 
was  also  geduldeg  dat  hi  seide:  here  wiltu  ic  Icue,  wiltu  ic 
Sterne,  wat  gi  will  dat  willic,  v  wille  gewerde  an  mi.  mi 
lest  van  enre  urouwen,  die  hit  Rebecca,  die  dnig  Iwe  kin- 
dere,  ende  die  kint  cregen  in  der  müder  onder  sig.  bi  dir 
vrouAvcn  es  bctekent  der  gude  sente  Merten.  die  drng  twe 
willen,  die  cregen  onder  sig.  dal  was  doet  ende  leucn.  wat 
gots  wille  wäre,  dal  dat  oc  sin  wille  wcre.  were  dal  gofs 
wille  dal  hi  leucde,  so  wolde  hi  leuen,  gode  tedinste.  wolde 
oec  got  dal  hi  storue,  so  wolde  hi  stcruen  gerne,  op  dal  hi 

23* 


356  MNL.   PREDIGTEN. 

ter  hiinelscer  gelorien  queine.  gol  geue  ons  guden  wille, 
ende  din  also  te  haldene  dat  sin  ere  ende  onse  orber  sie. 
Amen. 

XXI 

Dets  wie    sich    got  g^elict  eenre  blumen. 

bl.  MO*  Be/loiun't  caro  inea  etc.  Alsus  sprect  onse  here 
dor  dd.  mont.  min  vlesch  es  weder  gebloit.  nu  suldi  mer- 
cken  dal  sig  onse  here  gelict  eenre  blumen,  ende  die  blume 
hefl  ses  bladere.  derre  bladere  suhvi  mercken  drie  ane  sinre 
mensheit,  ende  drie  ane  sinre  golheit.  ane  sinre  mensheit 
was  oetmudecheit,  kuscheit  ende  gehorsamheit,  onse  here 
Jhesus  xpc  was  der  oetmudechste  mensche  die  ie  geboren 
wart,  hi  was  also  sere  versmaet,  dat  noit  mensche  op  ert- 
rike  so  versmaet  en  wart,  hi  was  oec  der  kuste  mensche 
die  ie  geboren  wart,  ogte  emmer  geboren  sal  werden,  sin 
wort,  sin  werc,  sin  gelaet,  sin  wandelinge  ende  alle  sin  le- 
uen  was  also  reine  ende  also  kusch  alst  van  regte  wesen 
soude.  want  hi  es  een  beginsel  alre  kuscheit.  hi  was  oec 
gehorsam  sinen  vadere  totter  doet.  want  gehorsamheit  ban- 
den ane  een  cruce,  ende  schiet  sine  edele  sele  van  sinen 
lighame,  ende  sfunt  an  den  cruce  also  iamerlike,  dat  sinre 
liuer  müder  harte  herle  tebreken  mogte.  ende  due  se  also 
iamerlike  stunt  bi  heme,  ende  also  hertelike  sere  weinde, 
(want  muderlike  herle  es  harde  morwe,  ende  si  sagene  in 
groter  noel),  due  sprac  hi  te  hare :  sech,  liue  rauder,  waer 
din  kint  staet !  dat  was  also  vele  gesproken:  sech,  liue 
müder,  wie  ic  stae  !  mi  sin  min  vute  anl  cruce  genegell  met 
also  scarpen  nagelen,  dat  ic  di  niet  ter  herbergen  geleiden 
en  can.  min  hande  sin  mi  geuegell,  ic  encan  di  din  oegcn 
niet  gedrogen.  min  bluet  es  mi  ontfloten  van  minen  herlen. 
in  can  gespreken  nog  en  can  di  nit  gelroeslen.  ende  due 
sprac  hi  te  S.  Jo.  ewi*.  die  bi  heme  stunt:  ecce  vialcr  tua. 
dat  was  als  vele  gesproken:  sech,  Jo.,  ic  bcuele  di  minre 
liuer  müder;  müder,  ic  beuele  di  Jo.,  minen  liuen  iungere, 
tenen  sone.  dat  was  een  cranc  wesscl.  hi  gaf  den  here 
oinb  den  knegt.     Owi !   nu  merct  muderlic  herle,  ende  prüft 


MNL.    PREEIGTEN.  357 

wie  herleliken  wec  Marien  sinre  müder  was  due  si  bare  kint 
so  iamerlike  sa<^  staen  ant  criice  ende  si  den  iungere  muste 
nenicn    vor   den   nieester.     siet    of    Jhesus    gehorsam    was. 
want   wat  drcuene   in  sinre  doet   ant  criicc?  —  aldus  hebdi 
gehört  wie  onse  here  Jhesus  xpe  drie  bluraen  hadde  an  sinre 
mciisheil.    nu  suldi  oec  drie  mercken  an  sinre  hoger  golheit. 
dats    gewaut,    schoenheit   ende    ewecheit.     sin   grote  gewaut 
niogdi  mercken  ane  meiiger  creialuren.   merkt  dat  hi  gewel- 
deg  es  himels  ende  erden,    ende  al  dis  dat  ie  gewart,    ende 
oec    dis  noit  en  wart,    ende   al    dis  dat   emmer  werden    sal. 
sin  gewaut  en  can  niman  voltellen.    niet  enen  worde  macde 
hi  himel  ende  erde,     ende  alle    denc,    ende   alle    creiaturen, 
ende  es  nog  al  in  sinre  gewant  besloten.  dits  die  blume  van 
sinre  gewaut.    nu  merct  die  van  sinre  Schönheit,    van  sinre 
scocnheit   es   bouen  male  le  sprekene,    ende  es  onseggelike, 
want   sin    Schönheit    es  ongelic  eneger  Schönheit  die  mi  ge- 
uisiren  can.   ende  alle  Schönheit  es  ene  donkelheit  iegen  sin 
Schönheit,    nu    bort   een   gelickenisse  geft  een  wis  man.     hi 
sprcct:    die    name   al   dat   ie    wart  ende   emmer  werden  sal, 
beide,    hout  ende    stene,    blumen,    gras,    ende  al  dat  bernen 
mag,  ende  van  al  din  een  vier  maecde,  dat  worde  een  harde 
groet   ligt,    ende    die   daii   ene  kertce  name,   ende  onlfencket 
se,    ende    hillse    ihegen    dat  groet  vier  —  regte   (sprect  hi) 
alse  die  kertce  wäre  ihegen  dal  vier,  also  ongelic  es  alle  die 
Schönheit  in  hiraelrike    ende  in   ertrike  ihegen  die  Schönheit 
die  ane  gode  es.     dits  die  blume   sinre  Schönheit,     nu  suldi 
mercken  sin  gotlike  ewecheit.   dat  eweg  es,  dats  sonder  ende, 
also    suldi   weten   dat    die    gotlike   ewecheit  sonder  ende  es. 
ende  oec  sonder  beginsel.  hi  was  altoes,  ende  hi  es  altoes, 
ende   hi    sal   alloes   wesen.     siet,    dits    die    blume  van  sinre 
ewecheit.  ende  aldus  es  got  weder  gebloyt.  nu  sul  wi  heme 
bidden,   dat  hi  ons  bloyende  ende  groiende  make,  ende  ewe- 
like   le  bliuene  met  sinre  ewecheit.     Amen. 


35S 


EIN  MÄRCHEN   AUS    DER    OBERLAÜSITZ. 

Eine  nonDe  ein  bergmanu  und  ein  schmied  wanderlen 
mit  einander  durch  die  weit,  einmal  hatten  sie  sich  in  einem 
grofsen  finslern  walde  verirrt,  so  dafs  sie  Iroh  sein  muslcn 
als  sie  endlich  in  der  ferne  ein  gemäuer  erblickten  in  dem 
sie  dachten  obdach  zu  finden,  sie  giengen  also  darauf  zu 
und  sahen  dafs  es  ein  alles  wüstes  sciilofs  war,  schon  vei'- 
fallen,  aber  dafs  man  doch  zur  noth  noch  darin  wohnen 
konnte,  darum  beschlofsen  sie  darin  zu  bleiben  und  hielten 
rath  wie  sie  sich  einrichten  wollten  und  wurden  bald  einig 
dafs  immer  eins  von  ihnen  daheim  bleiben  und  die  Wirtschaft 
bestellen  sollte  während  die  beiden  andern  aus  wären. 

Das  lofs  zu  hause  zu  bleiben  traf  zuerst  die  noiine.  als 
nun  der  bergmanu  und  der  schmied  in  den  wald  gegangen 
waren,  besorgte  die  nonne  die  küche,  und  als  ihre  gerährten 
zur  mittagszeif  nicht  heim  kamen,  verzehrte  sie  iiiren  iheil 
von  der  malzeit,  da  trat  auf  einmal  ein  graues  männclien 
zur  thür  herein,  schüttelte  sich  und  sprach  'o  wie  friert  mich  !' 
die  nonne  antwortete  'setze  dich  zum  ofen  und  wärme  dich.' 
das  männchen  that  wie  sie  es  hiefs,  aber  bald  rief  es  'o  wie 
hungert  michl'  die  nonne  sagte  'auf  dem  ofen  sieht  cfsen, 
so  ifs.'  da  machte  sich  das  männchen  über  das  eisen  und 
afs  in  geschwiudigkeit  alles  auf  was  da  war.  darüber  wurde 
die  nonne  zornig  und  schalt  es  dafs  es  für  ihre  gerährten 
gar  nichts  übrig  gelafsen  hätte,  da  gerieth  auch  das  männ- 
chen in  einen  grofsen  zorn,  nahm  die  nonne,  schlug  sie  und 
warf  sie  von  einer  wand  zur  andern,  darauf  liefs  es  sie 
liegen  und  gieng  seines  wegs.  am  abend  kamen  die  beiden 
gefährten  der  nonne  nach  hause,  und  als  sie  hungrig  ihr 
efsen  verlangten  und  nichts  da  war,  machten  sie  der  nonne 
grofse  vorwürfe  und  wollten  ihr  nicht  glauben  als  sie  ihnen 
erzählte  was  ihr  widerfahren  wäre. 

Den  folgenden  lag  erbot  sich  der  bergmanu  das  haus  zu 
hüten    und    versprach    schon    dafür   zu    sorgen  dafs    niemand 


EIN  MÄRCHEN.  359 

hungTig  zu  bette  gehen  dürfte,  so  giengen  die  beiden  an- 
dern in  den  wald  und  der  bergniann  besorgte  das  efsen, 
verzehrte  seinen  Iheil  und  setzte  dann  das  übrige  auf  den 
ofen.  da  trat  das  uiännchen  herein,  aber  wie  erschrack  der 
bergmann,  als  er  sah  dal's  es  zwei  köpfe  halte,  es  schüt- 
telte sich  und  sprach  'o  wie  friert  mich ! '  ganz  voller  furcht 
verwies  es  der  bergmann  zum  ofen.  bald  darauf  fieng  es  an 
zu  klagen  'o  wie  hungert  mich,  'auf  dem  ofen  steht  efsen, 
so  ifs!'  antwortete  der  bergmann.  da  fiel  das  männchen  mit 
seinen  beiden  köpfen  über  das  eisen  her  und  bald  war  alles 
aufgezehrt,  als  der  bergmann  es  deswegen  ausschalt,  ergieng 
es  ihm  wie  der  nonue :  das  männchen  schlug  ihn,  warf  ihn 
von  einer  wand  zur  andern,  liefs  ihn  dann  liegen  und  gieng 
davon,  als  nun  am  abend  der  schmied  mit  der  nonne  heim- 
kam und  nichts  für  seinen  hunger  fand,  gerielh  er  mit  dem 
bergmann  in  streit  und  vermafs  sich  hoch  und  theuer,  morgen 
sei  an  ihm  die  reihe  das  haus  zu  hüten  und  da  solle  es 
keinem  an  efsen  fehlen. 

Als  am  andern  tage  das  efsen  fertig  war,  kam  das  männ- 
chen w-ieder,  und  dies  mal  hatte  es  drei  köpfe,  es  klagte 
über  frost  und  der  schmied  hiefs  es  sich  an  den  ofen  setzen. 
als  es  darauf  über  hunger  klagte,  theilte  der  schmied  von 
dem  efsen  etwas  ab  und  setzte  es  ihm  hin.  damit  war  das 
männchen  geschwind  fertig;  es  sah  sich  mit  seinen  sechs 
äugen  begierig  um  und  verlangte  mehr,  uud  als  der  schmied 
sich  weigerte  ihm  mehr  zu  reichen,  wollte  es  ihm  mitspie- 
len wie  der  nonue  und  dem  bergmann.  der  schmied  aber 
war  nicht  faul,  nahm  seinen  grofsen  schmiedehanmier,  gieng 
auf  das  männchen  los  und  schlug  ihm  zwei  von  seinen  kö 
pfen  ab,  so  dafs  es  eilig  die  llucht  ergriff,  der  schmied  lief 
ihm  durch  viele  gange  nach,  bis  es  bei  einer  eisernen  ihür 
plötzlich  vor  ihm  verschwand,  nun  muste  der  schmied  es  auf- 
geben das  männchen  weiter  zu  verfolgen,  nahm  sich  aber 
vor  nicht  eher  zu  ruhen  als  bis  er  mit  seinen  beiden  gelahr- 
ten alles  glücklich  bestanden  hätte,  indessen  waren  der  berg- 
mann und  die  uonne  nach  hause  gekommen,  der  schmied 
brachte  ihnen,  wie  er  versprochen  halte,  ihr  efsen  und  er- 
zählte ihnen  sein  abenteuer  und  zeigte  ihnen  die  beiden  ab- 
gehauenen   köpfe,    die    sie    mit  verdrehten  äugen  anstarrten. 


360  ELN  MÄRCHEN. 

darauf  bcschlofsen  alle  drei  sich  von  dem  grauen  männclien, 
wenn  es  möglich  wäre,  gauz  zu  befreien,  und  gleich  am  fol- 
genden tage  giengen  sie  ans  werk,  sie  niusten  lange  suchen 
ehe  sie  die  eiserne  thür  fanden  hei  der  das  männchen  ge- 
stern verschwunden  war  und  es  kostete  grofse  mühe  ehe  sie 
sie  aufsprengten,  da  that  sich  ein  weites  gewölbe  vor  ihnen 
auf:  darin  safs  ein  schönes  junges  mädchen  an  einem  tische 
und  arbeitete,  sie  sprang  auf  und  fiel  ihnen  zu  fiifsen,  indem 
sie  ihnen  für  ihre  befreiung  dankte  und  erzählte  sie  sei  eine 
königstochter  und  von  einem  mächtigen  zauberer  hierher  ge- 
bannt worden ;  gestern  mittag  habe  sie  auf  einmal  empfun- 
den dafs  der  zauber  gelöst  sei  und  seitdem  habe  sie  jede 
stunde  auf  ihre  befreiung  gehofft,  aber  aufser  ihr  sei  noch 
eine  königstochter  in  dieses  schlofs  gebannt,  darauf  giengen 
sie  und  suchten  auch  diese  auf  und  befreiten  sie.  in  grofsen 
freuden  dankte  sie  ihnen  und  sagte  dafs  auch  sie  gestern  zu 
mittag  es  gefühlt  habe  wie  ihre  Verzauberung  gelöst  sei.  nun 
erzählten  die  beiden  königstochter  ihren  befreiern,  in  ver- 
borgenen kellern  des  schlofses  sei  ein  grofser  schätz  den  ein 
schrecklicher  hund  bewache,  sie  giengen  nun  danach  und 
fanden  endlich  den  hund,  und  der  schmied  erschlug  ihn  mit 
seinem  schweren  haramer,  wie  sehr  er  sich  auch  zur  wehre 
setzen  mochte,  der  schätz  aber  war  gold  und  silber,  ganze 
pfannen  voll,  und  dabei  safs  als  hüter  ein  schöner  jüngling. 
der  gieng  ihnen  entgegen  und  dankte  ihnen  dafs  sie  ihn  er- 
löst hätten,  er  sei  der  söhn  eines  königs,  aber  von  einem 
Zauberer  in  dieses  schlofs  gebannt  und  in  das  dreiköpfige 
männchen  verwandelt  worden,  als  er  zwei  von  seinen  köp- 
fen verloren,  da  sei  die  Verzauberung  der  beiden  königs- 
tochter gehoben  worden,  und  als  der  schmied  den  gräfslichen 
hund  erschlagen,  da  sei  auch  er  erlöst  gewesen,  dafür  soll- 
ten sie  nun  den  ganzen  schätz  zum  lohne  haben,  darauf 
ward  der  schätz  getheilt  und  ehe  sie  damit  fertig  wurden 
hatten  sie  lange  zu  thun;  die  beiden  königstochter  aber  hei- 
rateten aus  dankbarkeit  für  ihre  erlösung  die  eine  den  schmied 
und  die  andere  den  bergmann,  und  der  schöne  königssohn 
heiratete  die  nonne.  so  lebten  sie  in  frieden  und  frcude  bei- 
sammen bis  an    ihren  tod. 


361 


LAÜBACHEIl    BARLAA3I. 

Berichtigung  zu  s.  13G  des    lu  bandes. 

Die  angäbe  dafs  von  der  Laubacher  handschrift  des  Bar- 
laam  Diefenbach  zuerst  nachricht  gegeben  habe  ist  unrichtig, 
schon  im  j.  1820  hat  Benecke  in  seiner  beurtheilung  von 
Köpkcs  ausgäbe  des  rudolfischen  Barlaam  (Gott.  gel.  anz. 
st.  34)  sie  mit  wenigen  Worten  beschrieben,  deren  wieder- 
abdiiu'k  nicht  überflürsig  sein  dürfte. 

'Die  geschieh te  des  Barlaam  und  Josaphat,  die  eben  so 
gut  eine  empfehlung  des  eremitenlebens  als  des  christenthums 
hcifsen  kann,  mufs  vor  Zeiten  ein  sehr  beliebtes  buch  gewe- 
sen sein,  niciit  nur  Rudolf  brachte  es  in  deutsche  reime, 
der  verfafser  dieser  anzeige  hatte  vor  einigen  jähren  aus  der 
zu  Laubach  befindlichen  bibliolhek  des  grafen  Solms  eine 
handschrift  in  liänden  die  im  j.  1392  geschrieben  wurde  und 
eine  von  Rudolfs  gedichte  ganz  verschiedene,  im  ganzen  aber 
schlechtere  bearbeitung  desselben  Stoffes  enthält,  als  verfafser 
derselben  wird  am  schlulse  ein  bischof  Otto  genannt,  der 
reimzeilen  mögen  vielleicht  ein  paar  tausend  mehr  sein  als 
bei  Rudolf,  auch  schliefst  sich  der  bischof  genauer  an  das 
lateinische  an  als  Rudolf,  so  heilst  es  zum  beispiel  gleich 
im  anfange,  im  lateinischen  Rebus  igitur  bene  se  habentibus 
et  aureis  (ut  ita  dlcam)  pennis  multis  in  coeltwi  volantibus 
suiTcxit  quidam  rex  Avennir  nomine,  dies  übersetzt  Rudolf 
in  drei  zeilen  ohne  etwas  von  den  aureis  'pcnnis  zu  erwäh- 
nen ;  Otto  hingegen,  dem  gerade  dieses  bild  sehr  gefallen 
mochte, 

er  gülden  gefedere 

daz  druog  sy  hen  tvedere 

zuo  den  hymchchen  koren.  > 

nu  moget  er  gehören 

waz  die  vcder  dnten 

an  den  guden  Inten : 

wachen  fasten 

t/nd  dar  zuo  lulzel  rasten. 


302  LAUßACHEIl  BARLAAM. 

und  arbeiten  sef^e 

ahhirch  die  godes  eye, 

daz-  forct  en  die  scle 

ziio  sante  Mychele. 

in  den  selben  stunden, 

do  die  lade  begiinden 

als  US  ze  gode  streben, 

do  begundc  ein  konig  leben  u.  s.  w. 
als  fingerzeig  für  denjenigen  der  etwa  eine  zweite  bs.  die- 
ser arbeit  Ottos  auffindet  mag  diese  probe  genügen ;  eine 
weitere  vergleichung  mit  Rudolfs  gedieht  gehört  nicht  hier- 
her, nur  dies  verdient  hier  noch  bemerkt  zu  werden,  dafs 
die  im  zehnten  kapitel  des  lat.  buches  erzählte  fabel  von  dem 
Vogelsteller  (Bon.  fab.  92,  vergl.  EUis  roui.  1,  139)  von  Otto 
übersetzt  ist,  bei  Rudolf  aber,  man  begreift  nicht  warum, 
fehlt;  — 

Stuttgart,  10  merz  1842.  FRANZ  PFEIFFER. 


BURIDAN   UND    DIE    KONIGIN  VON 
FRANKREICH. 

De   Buridano    et  Noverra    historla  Johannis    Jeiicz 
incipit  fellciter. 

Buridanus,  nacione  Picardus,  perspicacis  vir  ingenii,  dum 
in  alma  universitate  Parisiensi  degeret  in  collegio  Na- 
verre,  quod  omnium  collegiorum  ibidem  est  maximum, 
quamvis  varios  libros  composuerat  ceteraque  preclara  fa- 
5  cinora  sequenlibus  posterisque  ad  sui  sempiternam  memo- 
riam  slatuendam  reliquit,  tunc  aliis  suis  preclaris  factis 
dimissis  solum  unum  memorie  tradere  visum  est,  quaUter 
nephandam  mulieris  libidinis  cedeni  stullorumque  adoles- 
centum  ac  amatorum  miserandam  cladem  et  oppressionem 
10  mira  callidilate  prohibuerit.  naui  quodam  tempore  ad  Buri- 
dani  aures  loquax  fama  rumorque  perveuit  de  regina  Fran- 
cie  Navarra  nomine,  qualiter  plerosque  adolcscentes  Pa- 
risiensis  universilatis  studcntcs  successive  ad  se  iusserat 

2.  pariensi  regerei  4.    /.  couiposueril  5.   ad  suis   senipilcr- 

num         6.   /.   reliqueril         /.   taniPii   //.         8.   vielleicht  muliebris 


BÜRIDAIN  UND  DIE  kÖiMGlN  VON  FRANKREICH.    303 

accersiri,  quoruiii  nulius  ab  ea  rcverti  visus  esf.  Buri- 
(lanus  vero  erat  vir  magna  prcdilus  solertia.  ex  regine 
palalii  silii,  quod  super  aquam  Secanam  iacet,  slinlenlum 
perdicionis  causam  apud  se  rede  rimatus  est.  ul  ergo 
5  ulleriorem  miserorum  amancium  submersionem  impedire 
posset,  ad  boc  opportune  vestlmenlorum  ornalu  reginc 
curiam  lusum  ingrcdilur.  dum  autem  scopbi  ludo  pluribus 
secum  vario  cursu  laborantibus  certaret,  ipse  cunctis  te- 
Icrior   cunctisque  agilior   et  in  corporis  multiplici  flexibi- 

10  litate  cunctis  expedilior  visus.  regina  vero  Navarra  de 
pallacio  versus  eandem  curiam  ad  ambitum  egrcssa  Buri- 
dani  celeritatem  nüralur,  totiusque  ludi  iocunda  celebri- 
tas  uon  tantum  quantum  solius  Buridani  gracile  corpus 
eiusque  veloces  saltus  reginam  delectare  videbantur.  nul- 

15  lum  autem  maius  solacium  Navarra  in  regis  mariti  sui 
absencia  posse  babere  credidit  ut  quanto  citius  velocis  sal- 
tatoris  poliretur  aniplexibus.  nam  qui  corea  veloces  sunt, 
eciam  in  amoreis  amasiis  expediciores  esse  credunlur. 
nee  fit  mora.    misso  nunccio  Buridanus  vocatur  ad  reginc 

20  pallacium.  quo  veniente,  slratis  per  cuncta  sedilia  tapeti- 
bus  alque  celalis  vasis  mullo  auro  argentoque  fulgenlibus 
per  mense  ambitum  pro  ccna  ducenda  ordine  locatis,  opta- 
tus  amator  gaudenter  suscipitur.  cena  vero  vario  cibi  po- 
lusque  apparatu,  multiplici  sermone,  diverso  ioco   citbaris 

25  resonantibus  in  multam  noctem  splendide  ac  solenniter 
deducitur.  dum  vero  longe  dulcis  Bachi  indulti  blanda  Ve- 
nus utriusque  amantis  corpore  surripere  visa  est,  innu- 
meris  osculis  ultro  citroque  datis  sei^cia  sacra  ingredi 
moliuntur.  sed  ubi  Naverra  talibus  gaudlis  trium  dierum 

30  atque  noclium  spacio  perusa  fuisset  atque  libidinis  ardore 
minuto  et  communis  insanle  crescenlc,  ne  eins  scelcrc 
palefacto  publicum  sibi  scandalum  alque  dedecus  orirelur, 
femineo  fraudis  vero  expers  Buridano,  ut  plerisque  dudum 
consueverat,  necis   boram   hiis  verbis  nunciavit,   'non   te 

16.  /.  quam  ut  18.  vielleicht  ia  aiuoie  celeris  amasiis  H. 

20.   lapedibus  21.  sclalis  20.  27.   /.  indultu  —  corpori  surrc- 

pere  //.         28.  uiro      vielleicht  e*icic  d.  i.  Erycinae  L.  secreliora?  //. 

29.   molliuiitur  31.  /.  et  communi  insania  decrescente 

'.Vi.  puplicum         33.  /.   femiiiee 


364    BURIDAN  UND  DIE  KÖNIGIN  VON  FRANKREICH. 

conturbet,  mi  amator,  quoil  post  lalia  gaudia  ultiuium  spi- 
rilum  rcddere  debeas.  nani  tu  non  solus  hanc  viain  iturus 
es.  sunt  etenim  uonagiuta  novem  iuniores  te  adolescen- 
tes,  qui  post  meos  amplexus  Secane  fluctus  non  potiierunt 
5  evadere.  non  igilur  tc  conlurbel,  si  post  dulcia  experieris 
aniara.'  Buridanus  vero  huiusce  malicie  non  ignarus  iaui 
dudum  per  suos  discipulos  navim  foeno  onustara  dispo- 
suerat,  que  geometrica  altitudine  ad  l'oranien  illud,  quo 
Buridanus    de   regine  pallacio    ad  Secanam   precipitandus 

10  esset,  poterat  altingere.  tali  itaque  auxilio  fretus  ad  regine 
miuas  lete  ac  hilariter  hiis  verbis  respondisse,  o  sere- 
nissima  domiua,  o  niea  flamma,  o  meus  amor,  tuus  ro- 
seus  aspectus,  tuus  dulcissiuius  amplexus,  tuum  lenerum 
corpus  meum  animum  tarn  ardenti  cupiditate,  tain  firniis- 

15  simis  kathenis  sibi  ad  perpetuain  dilectionem  colligavit  ut 

nulla  mors  tam  aspera  tamque  dura  esse  possit  quin  eam 

tui  amoris  causa  libentissime  subire  paralus   sim.     ymmo 

si  vivus  a  te  separari  debcam,  nullam  futuram  vitam  scio 

•   michi  amplius  fore  iocundam.  ut  ergo  in  tuo  amore  gau- 

20  denter  mori  valeam,  de  triplici  prece,  inclitissima  domina, 
me  securum  digneris  efficere :  pro  quibus  tuis  preclaris 
beneficiis  in  altero  seculo  incessabilem  amorem  etcrnis 
obsequiis  velim  rependere.'  regina  autem,  quamvis  cru- 
delem  sibi  cepisset  animum,  Buridani  tum  verbis  mitigata 

25  ita  respondil,  'o  duicissime  amator,  ex  mille  amatorum 
numero  nullus  unquam  tam  amasium  tamque  fidele  cor 
michi  habere  visus,  nullus  unquam  tibi  similis  repertus 
est,  ea  de  causa  quicquid  postulabis  vita  cxcepta  impe- 
trabis,    si  sallem  michi    quoquo  modo  possibile  fuerit  re- 

30  tribuere.'  ad  hec  Buridanus,  'o  clementissiraa  domina,  ut 
meum  corpus,  ymmo  non  meum  sed  tuum,  quo  tu  perusa 
es,  si  unquam  in  ripis  Secane  repertum  fuerit,  honorilice 
sepulture  constilui  possit  vigiliarum  alque  niissarum  cele- 
bracionibus  pro  anima  tuo  amore  sauciata  consequentibus, 

35  quatenus  pecuniam  ad  hec  nccessariam  sub  brachio  michi 
alligare  velis  primam  oracionem  oflero  devotissime.'  ad 
haue  pelicionem  regina  maguum  auri  sacculum  eins  ca- 
misie  assuisse  asseritur.    secundo  petit  ut  auream  cathe- 

5.  expereris     10.  vieUchlit  frelus  ferlur    16.  süui  24.  tum]  /.  tarnen  W 


BURIDAN  UND  DIE  KÖNIGIN  VON  FRANKREICH.    3Gö 

nam  quam  regina  in  coUo  gestabal  sue  cervici  vclil  ponerc, 
ut  torques  ipsa  in  fuluro  seculo  Buridani  aninie  appensa 
veliit  memorialc  qiioddam  ipsum  in  prislinos  Naverre  am- 
plexus  posset  reducere.  qua  impetrala  nee  terliam  sibi 
5  regina  pelicioncm  recusare  poluil,  dum  orat  ut  ante  omnia 
dexlram  manum  liberam  habere  posset.  qua  per  foramen 
inclinalus  aque  Secane  benedixil,  ne  quis  sibi  nialignus 
Spiritus  nocendi  vim  quousque  modo  habeat.  dum  sie  lerna 
vive  expressa  mediocre  .voee  aquam   benedixit  in  nomine 

10  palris  et  filii  et  Spiritus  saneti,  sui  diseipuli  navim  pre- 
diclam  foramini  appropinquauti  eins  dextram  firmitcr  arri- 
puerunt.  dufti  regina  ipsa  Iradit,  ipsi  trahunt  afque  ingens 
saxum  aquam  inieiunt,  itaque  magnus  sonus  in  aqiia  au- 
dilus  rcgine  salis  faeeret  afFectibus.   hoe  eum  non  contenta 

15  adhue  maiorem  desuper  lapidem  misit  proiicere,  ut,  si 
vellet  surgere  Buridanus,  non  posset.  sed  fideles  diseipuli 
ioeunda  magislri  liberaeionevigilanlissime  potiti  dulei  quieli 
eorum  trahunt  corpora.  postera  vero  die  Buridanus  in  sum- 
ma sccretorum  suorum  e  gralitudine  diseipulorum  non  le- 

20  vium  personarum  niore  seeius  regine  revelare,  sed  subtili 
quadam  versucia  patefaeere  in  dabiam  suspicionem  ponere 
curavit.  nam  emptis  ferme  omnibus  aviculis  que  in  pon- 
libus  Pariseus  haberentur,  seripsit  hee  verba,  reginam 
Naverram   interficere    noiite   timere    quia   bonum    si    quis 

25  consenserit  ego  non  contradieo.'  hiis  verbis  rotulis  inseri- 
ptis  et  coUo  avium  assutis  et  alligatis  omnes  volare  di- 
misit.  quas  iterum  auceps  una  cum  rotulis  cepissent  atque 
doctoribusmagistris  eeterisqneuniversitalis  suppositis  verba 
rotularum  ostendissent,  quisque  legeneium  se  dubitare  as- 

30  serebat  utrum  dicta  verba  reginam  interimcndani  an  inter- 
fectionem  eins  metuendam  affirmarent.  cum  dubia  de  ro- 
tulis avium  fama  vago  rumore  vario  per  omnem  non  modo 
uuiversilatem,  sed  et  civilalem  Parisiensem  volutaret,  il- 
lud  quod  diu  erat  in   dubio  factum  est  in  ore  omnium  fere 

1.   /.  imponcre  //.  11.   /.   appropinquanles  13.  /.   in  aquam 

itaque]  ila  ul  //.  14.  hoc  autem  nou  contenta?  //.  18.  /.   tra- 

dunt  //.         19.  /.  suorum  congralulaüone  //.         21.  /.  palcfacere  et 

22.   enipli         23.   /.  Parisiis  27.  /.   quas  eum  iterum  aucupcs 

33.  /.  volitaret 


3GÜ    BURIDAN  UND  DIE  KÖNIGIN  VON  FRANTCREICH. 

populo,  (iiiod  Buridanns  debeat  ille  fuisse  qui  predicta 
scripseral.  de  quoruni  verborura  intellectu  et  construccione 
interro-jatiis  dicitiir  respondisse  'lucide  scriptum  est,  iit 
quisque  acciperet  prout  siio  liberet  arbitrio.' 
ö  Hee  ßiiridani  solercla  ex  communi  fama  cepi  Pariseus 
et  presertim  a  quodani  cenfenario  qui  senio  confectus  ad- 
liuc  vivcbat  anno  domini  14(50.  is  dicebat  se  dum  adhuc 
adolescens  esset  Baridanum  malura  etatc  iam  vidisse.  in 
ecclesia   vero,    ubi    sepultus    est    Buridanus,    ut   fecerunt 

tO  Picardi  studentes,  de  predicta  pecunia  usque  in  hodier- 
num  diem  perpetuum  ccnsuni  fecisse  narralur  pauperibus. 
itaque  omni  dieVeneris  unus  albus  francigenus,  qui  qua- 
tuor  valet  denarios,  cuilibet  venicnti  pauperi  pro  eius 
anima  in  elemosinam  datur.  regine  vero  Francie  Naverre 

15  meretricis  silencio  populi  oblileratus  nichil  reliquit  aliud 
unquam  in  coUcgio  Naverre  pro  prediclo  scelere  perpe- 
tuus  census  quibusdani  studentibus  regina  institueret,  qui 
horas  canonicas  pro  ea  in  evum  decantare  astricti  sunt, 
hee  et  tanta  de  Buridano  ad  postulacionem    eommendabi- 

20  lis  bonarum  arcium  sectatoris  magislri  Petri  de  Gelingen 
ex  vago  rumore  in  unura  colligere  conatus  sum  alma  in 
universitate  Lipczensi  anno  domini  Mf4''7''  quorum  Buri- 
dani  et  regine  anime  rcquiescant  in  pace.    amen. 

1.    populo]    jii'opalam?  5.    /.  Parisiis  13.    quiühel 

15.  in  der  /is.  melc(j.  wajj  künnfe  das  ganze  inigefülir  so  le- 
sen, rcgine  vero  Francie  Naverre  memoria  silencio  populi  oblilerala 
nichil  reliquil  aliud  quam  quod  in  coUegio  Xaverre  pro  predicto  sce- 
lere perpetuos  census  quibusdani  studentibus  regina  institueret  w.  s.  w. 

Die  obtiTd  in  einem  neniisch  von  classischevi  und  init- 
telaltei^lichem  Intein  abgefaßte  erzHldiing  des  Nico/.  Jent.svh 
habe  ich  ans  einem  noch  niclil  co/isignierten  papiej'codex  der 
Leipziger  7inieersitätsbibliothek,  in  qiiart,  der  von  einer 
nachlfifsigen  hand  gegen  ende  des  Ihn  jh.  geschrieben  ist. 
wider  vermuten  fand  icJi,  als  ich  in  Bai/les  dictionnaire  hist. 
et  crit.  (Amst.  1740)  den  artihel  Buridan  nachscliliig,  dnfs 
nach  notc  a  hijchst  ivahi'scheinlich  dieselbe  erz(ihlii7ig  noch 
anderwärts,  nämlich  in  einer  hs.  des  klosters  Seitenstctten 
in  Oberöstreich  vorhanden  ist.  in  der  note  heifst  es  'ce  fait 
etoit    dune  noloriele  bien  publique,    du    nioins  dans  les  pais 


BURIDAN  UND  DIE  KONIGIN  VON  FRANKREICH.    367 

elrangers,  puis  qiie  dans  la  Saxe  —  un  maitre  ez  arls  de 
runiversite  de  Leipsic  coniposa  en  1471  un  petit  ouvrage 
sous  le  litre  de  commentariolus  historicus  de  adolescenlulis 
per  Blridanum  nalione  Piccardum  ab  illlcitis  cuiusdam  reginac 
Franciae  anioribus  relraclis.  31.  Krause  qui  pag.  186  de  son 
Journal  literaire  aleman  imprime  in  8°  a  Leipsic  en  1715 
parle  de  cette  piece  comme  etant  un  nianuscrit  de  la  biblio- 
theque  du  monastere  de  Seitensladt  dans  la  haute  Aulriche, 
devroit  bien,  soit  dit  en  passant,  en  procurer  Timpression.' 
bei  de?'  beri/fiing  auf  J.  G.  Krause  vtufs  eine  irrung  vor- 
gefallen sein,  denn  trotz-  allen  naelisuchungen  habe  ich  we- 
der in  den  von  ihm  redigierten  neuen  Zeitungen  von  gelehr- 
ten suchen  noch  in  seinem  hüehersale  das  cilat  auffinden 
können. 

Nicol.  Jentsch  neiint  in  seiner  erziihlung  die  königin 
schlechthin  Naverra ;  aus  andern  nachrichten  erfahren  wir 
dafs  die  sage  damit  die  königin  Johanna  vo?i  Navarra 
{\  1304),  die  gemahlin  königs  Philipp  des  An  meinte,  das 
älteste  Zeugnis  dafür  scheint  das  des  Robertus  Gaguinus 
("f-  1501)  zu  sein,  der  in  seinem  Compendium  super  Franco- 
rum  gestis,  Paris  I50i  fol.  im  7n  buche  bl.  70"''  sagt,  Fue- 
runt  quoque  insignibus  feniinis  sua  fala,  nam  uxores  liliorum 
Philippi  Ires  addulterii  insiniulatae  sunt,  und  bald  darauf  ob 
hanc  impudicitiam  insignium  mulierum  natam  fabulam  reor, 
quae  de  Joanna  Philippi  pulchri  uxore  a  rerum  impcritis  me- 
morari  solct,  eam  videlicet  aliquot  scholasticorum  concubitu 
usam  eosque  ne  pateret  scelus,  protenus  extinxisse  et  in 
Sequanam  araneni  de  cubiculi  sui  f'encstra  abiecisse ;  sed  unum 
tantum  13uridanuin  eo  periculo  forte  liberatum  et  proplerea 
sophisma  ab  eo  editum  esse  'reginam  interlicere  nolile  tirnerc 
bonum  est.'  fuit  siquidein  JJuridanus  Joanna  posterior  u.  s.  w. 
Gaguinus  selbst  hält  demnach  das  gerächt  nicht  für  wahr ; 
nach  seiner  Vermutung  wäre  zu  dessen  entstehung  der  um- 
stand veranlafsung  gewesen  dafs  die  drei  gemahlinnen  der 
söhne  Philipps  des  4n,  Margaretha  Johanna  und  Bianca, 
des  ehebruchs  angeklagt  und  die  erste  und  dritte  als  scJiul- 
dig  befmden  von  ihren  männern  verstofsen  wurden  (vergl. 
E.  A.  Schmidt  gesch.  v.  Frankreich,  Hamb.  1835.  1,723). 
es  haben  auch  andere,   wie  J.  Launoy  in  seiner  iicgii  Na- 


368    BURIDAN  UND  DIE  KONIGIN  VON  FRANKREICH. 

varrae  gymnasii  historia,  Paris  1677.  1,  14.  15,  die  gehalt- 
losigkeit  dieses  gerückts  zu  zeigen  versucht,  indem  sie  dar- 
znlhin  sich  bctnähicn  da/s  Buridanus  viel  zu  spät  nach  der 
königin  Johanna  gelebt  habe,  allein  sie  bringen  kein  ent- 
scheidendes Zeugnis  bei.  nach  dem  verfafscr  des  artikels 
Buridan  ///  der  biographie  universelle  (Noel)  soll  Buridan 
im  j.  1358  sein  nach  ihm  benanntes  haus  der  picardischen 
nntion  vermacht  haben  und  man  schliefst  daraus  dafs  Bu- 
ridan vielleicht  auch  in  demselben  Jahre  gestorbe?i  sei.  dem- 
zufolge könnte  Buridan  wohl  ein  zeilgenofse  der  Johanna 
gewesen  sein,  glauben  tvir  mehr  der  relation  des  Nicol. 
Jentsch,  nach  tvelcher  der  hundertjährige  greis,  der  ihm 
1460  in  Paris  die  geschichte  erzählte,  den  Buridan  in  sei- 
ner Jugend  jioch  gekannt  haben  will,  so  mufs  dann  Buridan 
noch  über  das  Jahr  1370  hinaus  gelebt  haben,  dies  erliält 
dadurch  einige  Wahrscheinlichkeit  dafs  ihn  3Ia?'silius  ab 
Inghen  (-];  1396)  in  seiner  Oratio  dictiones  clausulas  et  ele- 
ganlias  oralorias  coniplectens,  Heidelb.  1499.  4.  als  zeitge- 
nofsen  von  sich  auffährt,  ivic  dem  auch  sei,  so  ist  geiviss 
die  königin  Johanna  bei  dieser  geschichte  ganz  nnbethei- 
ligti  es  bestand,  ivie  wir  gleich  sehen  werden,  eine  ältere 
an  der  Universität  Paris  haftende  sage,  die  sich  später  an 
Johanna  von  Navarra  aus  keinem  andern  als  dem  gründe 
anlehnte  weil  diese  kurz  vor  ihrem  tode  im  J.  1304  das  col- 
legium  von  Navarra  stiftete  (vergl.  darüber  Launoy  a.  a.  o.). 
Nicolaus  Jenttch  hat  zugleich  mit  der  sage  noch  einiges 
von  dieser  Stiftung,  aber  in  großer  entstellung,  erfahren. 
Die  sage  ist,  wie  ich  bemerkte,  älter,  wir  habe?i  ein  von 
Martin  Schlecht  oder  Schleich  in  des  Späten  ton  verfertig- 
tes gedieht,  welches  die  heraiisgeber  des  ivunderhorns  2,  237 
rnelfach  verändert  zuerst  bekannt  machten,  in  echterer  ge- 
stalt  Jindet  es  sich  in  Görres  meisterliedern  s.  195  und  nach 
einem  jlieg enden  blatte  aus  dem  anfing  des  \^n  Jh.  in  Pb. 
Mar  Köi^ners  histor.  Volksliedern,  Stuttg.  1840.  8.  s.  201, 
womit  der  te.vl  in  dem  Frankfurter  grojsen  liederbuche 
{v.J.  1599.  8.),  w"  226,  im  ganzen  übereinstimmt,  dieses 
gedieht  hat  ganz  dieselbe  sage  zum  gegenstände ;  in  ihm 
tritt  aber  Albertus  Mägnf/s  an  die  stelle  des  späteren  Bu- 
ridanus.    aufserdem    dafs  in  diesem  gedichte  die  sage  sich 


BURIDAJN  UND  DIE  KÖNIGIN  VON  FRANKREICH.    369 

in  einfacherer  gestalt  erhalten  liat  {die  zahl  der  von  der 
königin  umgebrachten  ist  z.  b.  JiicJit  99,  sonderji  mir  9) 
loird  auch  mir  einer  königin  von  Frankreich,  nicht  von 
Navarra  gedacht,  die,  nachdem  es  ihr  mit  Albertus  M. 
misslungen,  auf  seine  ermahnungeii  in  ein  klosler  geht,  in 
dem  sie  noch  \%  Jahre  in  reue  und  leid  zubringt.  Albertus 
M.  (geb.  1205)  befand  sich  um  das  j.  1230  in  Paris ;  nach 
dem  alten  Hede  mäste  es  dami  Bianca  von  Castilien  (-]-  1252)^ 
witwe  Ludwigs  des  8n,  sein  mit  welcher  er  verbotenen  um 
gangs  pßog.  dafs  die  ältere  sage  diese  Bianca  auch  meinte 
geht  aus  einem  späteren  zeug/iisse  hervor,  der  dichter  Jo 
hannes  Secundus  machte  im  Jahre  1532  ei?ie  reise  nachFrank- 
reich;  in  Paris  sah  er  das  an  der  Seine  gelegene  schlofs 
voji  tvelchem  herab  nach  der  sage  die  königin  Alba  ihre 
liebhaber  durchs  fenster  in  den  flufs  gestürzt  haben  sollte; 
er  hat  darauf  das  folgende  gedieht  gemacht  {opp.  LB. 
1651.    12.   s.  119  und  s.  276). 

In  arcem  reginae  Albae  Parisiis. 
Cernite  flaventes  ubi  volvit  Sequana  lyniplias 

Seniirutam,  fertur  quam  coluisse  prius 
Effera  funcstae  regina  libidinis,  arcem, 

Nunc  ultore  mali  ut  tempore  sola  iacel 
Et  quassata  undis  ventis  habitatur  et  imbri, 
3Iulta  ubi  ferales  nocte  querantur  aves, 
Cypris  ubi  milis  flammas  exosa  cruentas 

Chaonias  sedem  ponere  nolit  aves, 
Qua  strix,  qua  Furiae  volitent  et  plurima  fatum 

Exululet  raucis  queslibus  umbra  suum. 
Sic  domus  aeternum  numerosae  conscia  caedis 

Impia  lascivae  lacta  luit  dominae. 
Labuntur  lentis  et  condemnata  ruinis 

Implorant  hominum  pendula  saxa  manus. 
Implorant  Iruslra:    stant  haec  rata  lege  severa, 

Instauratricem  ne  l'erat  uUus  opem,' 
Aut  subeat  gladios  prelium  pietalis  iniquae 

Et  quis  adhuc  ausit  facta  nefanda  sequi. 
En  etiam  saxis  mortem  censura  minatur 

Longaquc  post  cineres  stant  raonimenta  mali. 
7na7t.  sieht  toohl  leicht  dafs  Alba  der  lalinisicrtc  name  ist  für 
Z.  F.   D.  A.     II.  24 


370     BURIDAN  UND  DIE  KÖNIGIN  VON  FRANKREICH. 

Bianca,  wenn  die  geschickte  auch  nichts  erwähnt  ivas  un- 
serer sage  historische  Wahrscheinlichkeit  verleihen  könnte, 
so  hat  sie  doch  mehrcres  über  Bianca  von  Castilien  über- 
liefert was  die  keuschheit  dieser  königin  stark  verdächtigt 
(vergl.  Bayle  dict.  u.  d.  artikel  Caslille  und  Schmidt  a.  a.o. 
s.  487;. 

Der  alte  französische  dichter  Fraji^ms  Corheuil  dit 
Villon  gedenkt  der  sage  in  seiner  ballade  des  dames  du 
temps  jadis  {Recueii  des  plus  belles  pieces  des  poetes  Fran- 
fois  —  par  Barbazan.  Pa7'is  1692.  12.  1,  11)  mit  folgen- 
den warten, 

Semblablement  ou  est  la  reyne, 
Qui  comracnde  que  Buridan 
Fust  jelte  en  ung  sac  en  Seine? 
und,  wahrscheinlich  nach  dem  deutschen  Hede,  Eyering,  pro- 
verbiorum  copia  1,4, 

Dann  als  der  Albertus  Magnus 
Nicht  (wie  andre)  so  tröstlich  was. 
Verriebt  er  doch  der  königin  mort 
Aus  Franckreich  durch  die  vögleiu  zart, 
Den  er  die  zeltelin  in  mund 
Dergestalt  in  jhr  schneblin  bund. 
Das  wo  sie  sich  salzten  zu  essen 
Der  zetlelin  im  mund  vergessen 
Sie  fallen  Hessen  zu  der  fahrt, 
Dardurch  jhr  mort  verrahten  ward, 
Vnd  in  jhrn  reich  vnd  gantzen  landl 
Ein  raörderiu  alldo  genandt, 
'        Die  neun  Studenten  bracht  umbs  leben, 
Gott  wol  jhr  solche  sünd  vergehen. 
Der  durch  den  abschreiber  sehr  verunstaltete  text  der 
erzählung  von  Nicol.  Jentsch  bedarf  noch  der  verbefserung, 
die  sich  mit  hilfe  einer  zweiten  hs.   leicht  ergeben  loilrde^ 
durch  freundliche  beihilfe  des  herausgebei's  dieser  Zeitschrift, 
dem  ich  das  7ns.  vorher  viittheiUe,  sind  indessen  mehrere  stel- 
len lesbar  gemacht  worden  deren  herstellung  mir  nicht  hatte 
gelingen  wollen.  —  scophi  Indus  s.  363,  7  ist  ballspiel ;  Du- 
cange  gibt  wohl  unrichtig  scopha  jrila,   Gallice  pale ,  für 
scophus.  HERM.  LEYSER. 


371 


ZU  SILVESTER. 

155.    156.    (laz  (er)  dicke  und  ofle  dö 

vrömder  geste  vil  gewan.     Haupt. 

292.    tugentlose  wiht. 

300.  disiii]  diu.  w/V  scheint  disiu  in  der  Senkung  und  mit 
verschliffencm  nuslaut  zu  hart  für  Konrad.  H.  —  ich 
habe  dieselbe  Vermutung  gehabt,  aber  wieder  gestj'i- 
chen  weil  Kowad,  ivenigstcns  im  Silvester^  jenes  de- 
monstr.  liebt,  vergl.  197.  2256.  2306.  3857.  44 14. 
5039.   5160. 

772.    verswein. 

1127.    ab  ich?  H. 

1325.  beide  setzen  die  abschreiber  so  ivillkiirlich  dafs  ich  es 
auch  hier  lieber  ihnen  zutraue  als  dem  dichter  gegen 
die  regel  {Lachmann  z.  Nib.  646,  1).  4874  /.  und. 
im  Silvester  scheinen  mir  die  zweisilbige?t  auftakle 
leicht  hinweg  zu  räumen.  12.  104.  1730.  1812.  2133. 
2310.  2395.  2847.  4622.  5171  und.  588.  633.  1126. 
2627.  2643  dann  oder  dan.  749  iur.  1054  eim. 
1215  wir  sin  [her]  üf  dise  erden.  1892  leit  {vergL 
2026).  1903  über  al  roeinisch  riebe.  2165  prüef.  2228 
müez.  2542  geläzen  ohne  oucb  oder  ouch  lazen.  2673 
umbo</trum.  2877  üf.  2895.  4755  als.  3073  würd. 
3080  selb.  3291.  4098.  5158  und.  3332  so  bedarf. 
3427  well.  3498  reht.  3501  niuost.  3797  wenn  aber 
oder  wenne  ab.  3867  wolt.  3981  swig.  4453  müg. 
4632  swenn.  4643  fui.  4736  von  prime.  4823  rünf. 
4843  und  liuoben.  5022  ezn  niiige,  H.  —  ich  bemerke 
dagegen  folgendes.  \i(^\\^.  findet  sich  gold.  schm.  844 
in  ganz  gleicher  Stellung  und  wird  durch  das  zeugnis 
von  zehn  handschriflen  geschützt,  freilich  läfst  der 
zweisilbige  auflakt  in  den  meisten  füllen  sich  mit  Icich- 
tigkeit  loegschajfeti,  und  ich  kann  noch  weitere  vor- 
befserungen  dieser  art  vorschlagen.  927  umbe  gc- 
nisl.    1111  wser.    1353  wann.    1904.3086.   3506  als. 

24* 


372  ZU  SILVESTER. 

2297  keiner.  3097  irdisch.  3453  od.  3454  sprach  er 
ist  zu  löschen,  ferner  go Id.  sehn.  847  ders.  ti^oj.  kr. 
1687  ilz.  2593  ich  wil  statt  ml  wil  ich.  24651  daz  ist 
zu  streichen.  5383  iu  weiz.  15932  oug  über  ouge  zal- 
1er.  24651  daz  fällt  weg.  es  fragt  sich  aber  zunächst 
ob  die  herbei  geführten  kürzungen  auch  alle  für  Kon- 
rad zuläfsig  sind:  von  einigen,  z.  b.  von  iur,  od, 
möchte  ich  es  noch  nicht  behaupten. ^dann  aber  bleiben 
noch  andere  falle  zurück  wo  sich  der  zweisilbige 
auftakt  nicht  wohl  entfernen  liifst,  z.  b.  Silvester  937 
man  bevalch  diu  reinen  Icindelin.  2948  einen  men- 
schen suln  wir  machen,  2959  einen  menschen  snl  wir 
bilden,  die  kürzung  ein  oder  einen  hat  Konrad  schwer- 
lich gebraucht.  1209  wir  sin  Peter  unde  Paulus. 
3450  weder  was  daz  erlriche.  gold.  schm.  1999  von 
der  engel  süezem  schalle.  u?iter  diesen  umständen 
scheint  es  mir  angemefsener  die  regel  noch  nickt  fest 
zu  setzen  so7idern  das  zeugnis  der  handschriften  zu 
erhalten,  erlaubt  hatte  ich  mir  im  Silvester  und  für 
unde,  vergl.  zu  113,  auch  4720  drin,  weil  es  durch 
gold.  schm.  5  gesichert  war.  2877  üffe  hatte  ich 
selbst  rschon  bezweifelt,  s.  vorr.  xi. —  \^Z7  könnte  rei- 
nen, 3450  weder  entbehrt  iverden.     1209  ivUrde  ich 

\         an  Petr  und  Paulus  nicht  viel  gröfseren  anstofs  neh- 
men als  an  sein  209.    aber  1263  die  getouften  goles 

•^ "  knehte  weifs  ich  nicht  mit  Wahrscheinlichkeit  zu  än- 

dern, da  man  goles  nicht  wohl  streichen  darf:  viel- 
leicht geteufte  gotes  knehte?  leichter  läfst  sich  3754 
ändern,  die  geburt  entsloz  uns  [Jesus]  Crist.  auch 
die  zweisilbigen  auftakte  der  goldenen  schmiede  la- 
fsen  sich  fast  alle  durch  genauere  Orthographie  hin- 
weg schajfen.  146  swenn.  623  dürr.  641  kann.  670. 
1817  würd.  688.  930.  970.  1374  vrow  {wie  74.  1874). 
1007.  1322  schön.  1172  müg.  1255  zeim.  1269  denn. 
1279  verr.  1370  liet.  1851  grüen.  1881  schier.  1987 
manc.  847  würde  ich  lieber  leit  als  ders  schreiben. 
CS  bleiben,  auf ser  jenem  beide  844,  nur  drei  bei  spiele 
übrig.  14  oder:  die  hss.  schwanken  und  deuten  da- 
durch  gerade  aufoA.  1384  der  geschepfde  sin  zc  löne  : 


zu  SILVESTER.  373 

so    lese?t   nur  acg,    die  fcrgamenthandschriften  wei- 
chen ab;  doch,  glaube  ich.  Hegt  in  jenern  fkts  ivahre 
der  geschepfde  ze  lone,    dejin  sin   ist  im  gegerisatze 
zu  dem  folgenden  der  sclicpfaer  sich  ervrischete  ganz 
entbehrlich,     1999  das  oben  erwähnte  von  der  engel 
siiezem  schalle  :  hier  möchte  ich  süezcm  streichen.  H.'\ 
1395.    guote  war.  Konrad  liebt  die  silben  zu  zählen,  loarum 
sollte   er  hier   die  Senkung  fehlen  lafsen,    ivo  guole 
war  doch   die  gewöhnliche   redensart  wäre?     H.  — 
ivir  sind  nicht  gewiss,  da  die  ßexion  wegfallen  kanfi, 
vergl.   gramm.  4,  482.  freilich   steht  auch  troj.  kr. 
158*   keine   war,    aber   das   entscheidet  noch    nicht, 
de?m  gleichförmigkeit   ist    nicht  nöthig,    auch  nicht 
natürlich,     die    letzte  Senkung  fehlt  in  dem.  gedieht 
nicht  selteji,  z.  b.  862.  879.  1030.  1744.  2213.  2987. 
3478.  —  \in  diesen  beispielen,  mit  ausnähme  des  letz- 
ten, fehlt  die  Senkung  mitten  in  einem  loorte,  prisant, 
ungeloubhaft  (vergl.  geloubhaft  1420,  dagegen  gelou- 
behafl  2812),  herschaft  (außer  1030  noch  1110.2553), 
andäht    (außer  1744  noch  4435.  4521.  5189),    äkust 
(außer  2213  ?ioch  372G),  Silvester  (außer  2987  ?wch 
111.   169.   242.  419.  808.    1225.    1284.    1458.   1464. 
1686.  2786.  2987.  3084.  33S0.    3389.    3924.    4089. 
4549.    4590.    Silveslro   423.    724.   853.   1505.   1864. 
2974.   5131.    Silveslrum  293).    ich  füge  die  übrigen 
beispiele  hinzu,     urdrutz  5.    bischaft  19.  3875.  3892. 
4135.4263.4281.  LiutoltSO.   Jusla  105.   CyrinusllO? 
Thyraoleus  166.   198.    Thymoleum  294.     bischof  246. 
Paulo  279.     Paulus   1408.   1429.   1488.    unreht  339. 
gesunUicil  493.   hanfgift  534.   zwelfbole  582.    ursjjriuc 
654.   5032.     IVeislich  728.     golheit  751.  2818.  2940. 
3701.3712.4095.4119.     Petrus  774.  805.     Honoi'ä- 
tus781.    serpant  796.    palas  951.  1086.    1748.  4601. 
palastl834.    siecheit  1004.  2541.  meintat  1019.   tunip- 
lich    1067.      gewonheit   1091.      billich    1095.      4316. 
sicchtagen  1222.  1679.  1849.    pfafheit  1229.    Serapliu 
1283.  gütlich  1427.    buochslabcn  1482.  4725.  gew;er- 
haft  1605.    Jonas  1653.  1664.    samzlages  1695.    Sau- 
lus  1801.  vriheit  1877.   denuiot  1977.  menscbeit2165, 


374  ZU  SILVESTER. 

2784.  3724.  4207.  4374.  urloup  2197.  wistuom  2211. 

2458.    abgote  2301.    warheit  2455.  2643.  2744.  3243. 

3941.4531.4946.  (Iiensthaft2480.  5186.  volleist2506. 

botschaft2567.  J6as2749.  G6d61ias2750.  Annan 2752. 

Kusi  2755.  3467.     Davit  2900.  3012.     trehtin  2946. 

3008.  3462.  3532.  3878.  5138.    wonhaft  3057.    dürnin 

3069.  3184.  4464.    Ysäiä  3091.    Ysäias  3398.    wis- 

sage  3101.  3151.  3225.    wissagen  3277.  3301.  3333. 

4321.  gewissaget3359.  Zacharias3122.  wisheit3137. 

Judas  3161.  Jeremias  3187. 3213.   dannoch  3475.3485. 

autwurl3573.  3603.  4002.  4577.  4679.    arbeit  3641. 

4120.  4140.  4756.    välant  3838.  4902.    hovart  3839. 

3860.  vräzheit  3879.  3897.  unkust  3977.  4424.  4541. 

Jobal  3989.  4083.    Tharä  4223.    smächeit  4329.  iirbap 

4403.     also  4483.    Zanibri  4642.  4658.  4741.     unlob- 

same  4674.    freissam  4912.  5040.     freissamen  5066. 

urteil  4927.     einige    dieser  beispiele  icürden  an  sich 

nichts  beweisen,  da  mit  vollerer  form  der  loörter  sich 
die  fehlende  Senkung  gewinnen  liefse,  goteheit  ge- 
woneheit  götelich  dienesthaft  (icie  20  steht)  boteschaft 
arebeit  unlobesame;  es  bleiben  genug  übrig  denen 
man  nichts  anhaben  kann,  die  goldene  schmiede  bie- 
tet folgende  belege,  richluom  55.  Gotfrit  97.  Fran- 
ciscus  155.  brütstuol  307.  urhap  357.  forest  467.  got- 
heit  581.  784.  1633.  1651.  güetlich  589.  Afrer811. 
Cuonrät890.  menscheit  961.  1733.  arbeit  1067.  vol- 
leist 1138.  ursprinc  1141.  wirouch  1404.  sidin  1417. 
gewissaget  1722.  zwivalt  1750.  trehtin  1939.  wissa- 
gen 1967.  viel  seltener  als  mitten  in  einem  ivorte 
läfst  Konrad  die  letzte  Senkung  des  stumpfen  vei^ses 
nach  einem  warte  fehlen.  Silvester  1246  wird  viel- 
leicht statt  dri  stunt  befser  geschrieben  drislunt,  wie 
gold.  schni.  507.  n/isicher  ist  dri  tage  762.  1545,  da 
drie  tage  jvohl  so  gut  als  in  Hartmanns  Gy^egor  1540 
stehen  dürfte,  und  bereit  was  1749,  da  bereite  gar 
zu  nahe  liegt.  inuotwas950,  latin  wol  2711  werde?i 
des  herausgebers  wahrscheinlichen  vei^nutungen  ivei- 
chen  müfsen.  41{^S  vermutet  er  dise  woV  für  die  not ; 
mit    demselben    rechte  wird  man  2053  dilze  heil  ,////' 


zu  SILVESTER.  375 

daz  heil  i'orschlagen  dürfefi.   1544  (nii  luo)  mit  wil- 
len daz  ich  dir  sage  würde  al  vor  daz  vertragen,  es 
bleibt  übrig  drizic  jär  alt  458.  zwei  jär  841.  lant  sin 
{wo  doch  der  herausgeber  riche  sm  vorschlägt)  928. 
sprach  er  2988.  brot  az  3154.    dorn  nie  3478.  in  den 
zweitausend  zeilen  der  goldenen  schmiede  fohlt,  wenn 
ich   tiichts   übe7'sehen   habe,    die  letzte  Senkung  ?iur 
zweimal  anders  als  mitten  in  einem  worte.   198G  diu 
sunne   erlasch  und  wart  sal,  873  diu  doch  die  reinen 
bluot  birt.   allein  die  zweite  stelle  ist  imsicher,  denn 
ein  theil  der  hss.  bietet  diu  doch  den  schoenen  bluo- 
men  birt.  aus  dieser  Zusammenstellung,    bei  der  ich 
mich   absichtlich   auf  den  Silvester   und  die  goldene 
schmiede  beschränke,  ergibt  sich  die  möglichkeit  daj's 
\^^^  ^woivf AT  richtig  ist^  aber  zugleich  die  unwahr- 
scheifilichkeit ;  denn  einfallen  muste  dem  dichter  das 
üblichej^  guote  war.   H.^ 
1418.    gewallic.  f/cv^/«  kein  ander  gewallic  hl  scheint  mir  ge- 
schmeidiger. H.  —   aber  Konrad  legt  selten  die  he- 
hung  auf  ein  tonloses  e,  zumal  bei  zweisilbigen  Wör- 
tern,   vielleicht   bewähren  sich  nicht  einmal  die  bei- 
spiele  die   Halm    zu    Otto    158    anführt,    wenigstens 
ist  gold.  schm.  378  zu  streichen,    und  warum  sollen 
wir  defi    dichter  noch   geschneidiger   machen    als  er 
schon   ist?  —  [<Jfiß  i^^^  ''"^   unrecht  kein  ander  gc- 
waltic  ist  vermutet  habe  mufs  ich  ^Anräumen,  ebenso 
dafs  ich  3725  mit  unrecht  die  lesart  der  handschrij't 
in  schütz  genommen  habe,   aber  an  kein  ander  gwal- 
lic  ist  nehme  icJi  immer  noch  anstofs.    denn  loas  ich 
von  der   letzten   Senkung  bemerkt   habe   {zu   1395), 
dafs  Konrad  sie   mitten    in   einem  tvorte  häufig  feh- 
len läfst,  nach  einem  worte  sehr  selten,  das  gilt  auch, 
in  hinsieht  jeder  andern  stelle  des  verses.  im  Silreslcr 
falleTi    vielleicht   einige  beispiele  durch  andere,    dem 
dichter  nicht  nngemäfse,  betonutig  himveg,  1958  und 
lie  vliezen  lougen.      2978  daz  sun   valer   unde  geisl. 
4483  bok  g«;gen  b('>kke  also,     einige  stellen  erledigen 
sich  wenn  man  genauer  schreibt,    229    hicz    er  que- 
len  unde  slahn,   346  ich  wil  dich  quclen  harter.  4724  an 


376  ZU  SILVESTER. 

die  schalen  silberin.    4899  der  stier  verloren  hat  sin 
leben,     hierher  gehört  auch  2439  mit  guoter  sclirifte 
V'oUekomen  (schrifte  ivie  2771).  vom  herausgeber  sind 
verbefsert  665  und  guot  geniste  {für  guole  genist)  ha?te 
2md  3279  daz  unrehte  {für  unreht)  warnest  du.   unver- 
ständlich und  verderbt  ist  3426  der  uns  wart  noch  ge- 
däht.    bei  1039  den  wagen  üf  dem  er  saz  tvird  man  fra- 
gen können  ob  ?iicht  hier  das  2897  verworfene  (s.  zu 
1325)  üiTe  stehen  darf,  loodurch  der  vei^s  alte  Senkun- 
gen einhält  wie  1642.    leicht  zu  ändern  ist  4981   den 
pharren   daz    er    geniset    in    disen    pharreu    daz     er 
gniset.  V071  den  beiden  zcilen  4952/1  daz  er  tot  unde 
leben  Beide  mac  vil  wol  geben,    die   hinter  einander 
Konrad  gewiss  nicht  so  geschrieben  hat,  ist  die  zweite 
sicher  ditrch  gegeben  zu  verbofsern,    vergl.    4961  f. 
daz  du  wider  mäht  gegeben  Dem  ohsen  ein  gesundez 
leben :    die  erste  zeile  weifs  ich  mit  Wahrscheinlich- 
keit nicht  zu  ändern,    endlich  gehören  nach  der  ge- 
lööhnlichen  betonung  hierher  338  und  wart  sin  zorn 
älse  groz,  4612  ich  weiz  einen  goles  nämen.    in  der 
goldenen   schmiede   steht  695   wazzer   fiur  erde  luft, 
aber  Kom^ad  kann  die  unorganische  aber  nicht  seltene 
form^wer  gebraucht  haben .  1310  kann  man  vielleicht 
lesen  din  heil  sime  glücke.  432,/.   würde  ich  mandel- 
kerne  vorziehe?i,  denn  Konrad  kann  neben  der  star- 
ken form    auch  die   schwache  gebraucht  haben,    und 
er  zog  sie  vor,  wenn  die  folgende  ansieht  richtig  ist. 
Senkungen,  aufser  der  letzten,    läfst  Kojirad  mitten 
in    einem  tvorte   im  Silvester   mehr  als    aclizig   mal, 
in  der  goldenen  schmiede  ungefähr  dreifsig  mal  feh- 
len,   unter   so  vielen  beispielen  ist  beinahe  kein  ein- 
ziges völlig  sicheres  von  fehlender  Senkung  nach  er- 
ster den  vers  beginnender  hebung.    denn  Silv.  25 15/". 
Sit  du  von  den  touben  Abgöten  bist  getreten  beweist 
nichts  ehe  ?nan  nicht  darthut  dafs  Konrad  ?iicht  abe- 
göten   sagen   komite,    welche  form    hier   und  da   er- 
scheint.    380  heifst  es  man  sol  dich  underwisen  Daz 
Thymoleus  nihl  enwas  Meintaitic,  wand  er  las  In  sins 
edeln  herzen  niuot.     hier  hat  Grimm  bereits  bemerkt 


zu   SILVESTER.  377 

dafs  in  {Christum)  fehlt,  ich  möchte  aber  dieses  in 
nicht  zu  anfange  des  letzten  verses  einschalten,  son- 
dern so  schreiben,  31eintäelic,  wände  er  in  las  In  sincs 
u.  s.  w.  so  ist  mit  dem  anstofse  des  sinnes  hinweg- 
geräumt loas  mir  bei  Konrad  ein  metrischer  anstofs 
scheint,  es  bleiben  drei  verse  übi^ig  (2759.  3922.  3963) 
in  denen  die  erste  Senkung  des  verses  nach  der  er- 
sten silbe  des  namens  Archel  oder  Arkel  fehlt,  da 
aber,  ivie  in  der  anmerkung  zu  2759  angegeben  ivird, 
die  kaiserchronik  die  legen  da  aurea  und  das  passio- 
nal  einstimmig  Arocl  haben,  so  scheint  mir  hei  Kon- 
rad Arohel  die  richtige  Schreibung ;  daraus  loard 
zuerst  Archel,  dann  x^rkel.  wenn  also,  wie  es  scheint, 
Konrad  an  dieser  stelle  des  verses  die  Senkung  selbst 
mitten  im  icorte  nicht  leicht  hat  fehlen  lafsen,  so  dünkt 
es  mich  unwahrscheinlich  dafs  er  sich  dies  nach  einem 
loorie  eher  eidaubt  haben  sollte,  ich  halte  also  AloQ 
meine  Vermutung  freclien  unde  geilen  fdr  sicher,  denti 
ein  dichter  wie  Konrad  gebraucht  zwar  manches  sel- 
tene des  verses  wegen,  schwerlich  aber  gegen  seine 
metrische  gewohnheit  ?/ngewöh?iliches  wo  das  gewöhn- 
liche ihr  vollkommen  entspräche.  A0A9f  wo  die  hs. 
Davide  und  zide  gibt,  7nöchte  ich  nicht  lesen  oucii 
sprach  zuo  hern  Davit  Gol  in  der  alten  zit :  sollte  der 
dichter  nicht  geschrieben  haben  ouch  sprach  zuo  hern 
Dävite  Got  in  der  alten  zilcl  freilich  Davites  in  defi 
akd.  fViener  fragmente?i  (ii,  18.  viii,21.23)  beweist 
dafür  nichts.  1104/!  heifst  es  ich,  der  mit  miner  hant 
Hiin  überwunden  elliu  lant:  hier  will  ich  mich  aller 
Vermutungen  enthalten  und  glauben  dafs  durch  die 
fehlende  Senkung  der  nachdruck  des  ich  erhöht  ^ver- 
den  soll,  aber  1418/6'^,  glaubeich,  zu  schreiben  kein 
ander  got  gewaltic  ist  Wan  der  vil  reine  süeze  Crist : 
vor  dem  folgenden  worte  konnte  got  leicht  ausfallen, 
und  der  Zusammenhang  fordert  beinahe  dieses  ivort, 
denn  vorher  geht  des  kaisers  mcinung  dafs  Petrus 
7ind  Paulus  mügen  —  vil  üz  erweite  göle  wcsen.  //.] 
1538.  und  gerne  leisten  d.  g.,  abhängig  von  niht.  ich  gebe 
zu  dafs  ungern  möglich  ist,  aber  auch  der  ausdruck 


378  ZU  SILVESTER. 

dünkt  mich,  bei  verbindendem   und,  passender  wenn 
und  gerne  geschrieben  loird.  H. 
1897.    dräne  Benecke  (Gott.  anz.  1841  s.  728).  es  müste  wohl 
des  ane  heifsen;  aber  das  erlaubt  das  versmqfs  nicht, 
vergl.  IValth.  31,  10  sich  dran  läzen. 
21.56.    müezcnt.  dejin  läzen  2672   ist  wohl  V  plur.  praes. 
conj.  H.  —    Hah?i  hat  schon  vorr.  zu  Otto  s.  9  amn. 
die  2'  plur.  praes.  auf  -en  bei  Konrad  nachgeiviesen  ; 
dazu  ßige  ich  troj.  kr.  21266  ir  versehen  im  reim  auf 
spehen.  in  einem  spätem  gedieht  (altd.  wälder  2,  142, 
240.  Hätzleinn  129'')  ir  erkalten  :    spalten. 
2550.    du]  ich  glaube  dun  (=  du  in),  gerade  wegen  2280. 
2320.   vergl.  noch  2880.  4880.-^.  —    ich  hatte  es  auf 
Dävides  riche  bezogen,  aber  allerdings  wird  es  befser 
mit   der  jüden  got  2545  in  Verbindung  gebracht. 
2674.    swederz,  vergl.  2681^.  H.  —  s^tiAtTs  hat  die  ha?id- 
schrift,  und  teil  keifst  hier  partei,  wie  2838  der  jü- 
den teil. 
2765.    der  eilift.  H. 

2779.    siner  B.  und  H.  —  ich  glaube  auch,  siner  ist  rich- 
tiger, aber  ich  bin  nicht  ganz  gewiss,    vergl.  Graff 
präpos.  82.  Iwein  3273. 
2782.    einen  (druckf). 
2876.    wellent  daz. 
343'7/-  vielleicht 

und  an  der  schrift  gelesen  ie 

daz  got  den  ersten  menschen  hie  (=i  den  ersten  men- 
schen der  hier  war).  H. 
3451.    Adam. 

3725.    7nit  der  handschrift  so  waere  Adames   Verlust    (oder 
'Adämes.  H.  —   3471.  3498.  3510.  3528.  3688.  3730. 
3763  Adam,    3451.  3503 'Adam,  3587  Adame,    3512. 
3520.  3683  Adamen  sind  sicher,  «Ae/*  Adames, 'Adämes 
hier  ohne  beispiel  und  für  Konrad  bedenklich. 
3837.    der  wissäge  Davit.  de?m  da  wider  ist  nur  ein  Schreib- 
fehler den  der  Schreiber,     als  er  das  richtige    Davit 
gleich  selbst  setzte,  auszustreichen  vergafs.   H. 
«.141.  U7iten  in  der  anmerkung  l.  4351  statt  4356. 
4307.    ze  den]  ze  rede?  //. 


zu  SILVESTER.  370 

4483.    er  ivohl  am  besten  hinter  bok.  H. 
4570.    iuch.  H.     steht  auch  in  der  haudschrift. 
4750.    frechen,  grammatisch  mag  sich  frech  verteidigen  la- 
fsen,  aber  es  ist   unwahrscheinlich  daj's  Konrad  ohne 
noth  die  seltene  ausdrucksweise  gebraucht  und  damit 
gegen  sei?ie  gewohnheit  die  Senkung  aufgegeben  haben 
sollte.  H. —  bei  blofser  Wahrscheinlichkeit  gestatte  ich 
noch  keine  änderung  der  handschrift,  und  hier  kann 
ich  nur  eine  vermutu?ig  sehen,    eine  Senkung,  sogar 
zivei  in  derselben  zeile,  liifst  Konrad  nicht  allzu  selten 
fehlen.—  [s,  zu  IA\^.  H.^ 
5199.    Iriujjet  B.  —   ich  stimme  vollkommen  bei.    die  hand- 
schrift hat  trüget,   demnach  ist  auch  die  bemei^kung  in 
der  vorr.  vii  u?id  \\\i  zu  streichen. 
5209.    Iriuwen  (druckf). 

Ich  habe  im  Silvester  allzeit  (218.840.3327.3391.3474. 
3741.  3766.  4442.  4474.  4520.  4965.  5026.  5063  offenbar 
geschrieben,  /«cÄ^  offenbar,  weil  ich,  Schmellers  ansieht 
(Graff  1,  163)  beistimmend,  jenes  für  das  richtigere  halte, 
und  weil  Konrad,  tvenn  auch  nur  in  einzelnen  fällen,  a  :  ä 
bindet  und  anderwärts  bei  ihm  {Engelhard  bog.  1^  11)  offen- 
bar: gar  vorkommt,  wie  bei  Friedrich  dem  knecht3IS.2, 116". 
andere  schwanken.  Neidhard,  dem  a  undk  im  reim  kaum  ei- 
nen unterschied  zu  machen  scheinen,  gebraucht  offenbar  {Be- 
necke s.  340.  358.  439)  ebenso  oft  als  offenbar  {Beneckc 
s.  424.  fVackeivuigel  lesebuch  1,  513,  29).  der  3Ieis?ie7' 
{altmgb.  27"*)  reimt  das  wort  mit  jär  und  schar,  der  dichter 
Beinfrieds  von  Braunschweig  mit  gevar  {Hannöv.  hs.  bl.  149'') 
und  jar  (206*).  allein  da  Konrad  das  wort  vorzugsweise  auf 
-är  reimt  (im  Silvester,  und  Otto  391.  troj.  kr.  4995.  5063. 
6003.7391.  10505.12933.16313.18890.19181.21642.21835) 
und  andere,  welche  a:  ä  zulafseji,  wie  Freidank  23,  17.  42,  5, 
LichtensleijiFrauend.27 ,  16,  blofs  offenbar  zeigen,  so,  glaube 
ich  jetzt,  geht  man  sicherer  wenn  man,  wenigstens  für  diese 
dichter,  ein  unorganisches  offenbar  als  adj.und  adv.  annimmt, 
das  ist  auch  Haupts  meinung.  dazu  kommt  dajs  Gottfried,  der, 
so  viel  ich  weifs,  kein  a :  a  gestattet,  J'reilich  nur  einmal  {in 
dem  lobgesang,  bei  IVackernagel  leseb.  1,  431,  27),  offenbar 
auf  war   reimt:     er  gebraucht  daneben  das  adj.    offenbaTC 


380  ZU  SILVESTER. 

(Trist.  10997.  17716.  lobgesang  str.  56  Hagen,  auch  bei 
andern,  z.  b.  in  Rudolfs  Barlaam  322,  40  imd  in  dem  un- 
echten Hede  Konrads  MSH.  3,  340")  und  das  adv.  offenbare 
{Trist.  15069,  vergl.  JFatther  7,  20.  Stricker  ged.  3,  33. 
Bite7^ol/' 1328&).  dieses  adj.  mag  den  langen  vocal  veranlafst 
habe?i,  der  in  dem  ahd.  offanpar  und  offanparo  ?iicht  darf 
vorausgesetzt  werden;  ein  niederdeutsches  ufDnbere  kommt 
aber  im  reim  auf  hele  schon  im  zwölfte?!  Jahrhundert  vor 
{Hoffmann  fundgr.  2,  136,  15). 

ZUR    GOLDENEN    SCHMIEDE. 

lies      xxui,  3.  4.  aus  der  kaiscrchronik  sind  eifrige  bibli- 
sche gleichnisse  von  der  Jungfräulichkeit  anzti fähren. 
XLix,  5.  Dävides.  142.  lebermer.  284.  brüt. 

1085.  ir         1285.  ähte  Lachmann.         1466.  kuochen. 

WILHELM  GRLMM. 

WATE. 

Jacob  Grimm  hat  {ubeti  s.  5)  aus  dem  reime  Waten :  ge- 

gaten  im  Alexander  und  aus  der  ags.  Schreibung  Vada  dar- 

gethan  dafs  man  Wate  schreiben  mufs  und  nicht  Wate,  dies 

bestätigt  die  Gudrun.  -         - 

232,  2  (928)  da  man  Walen  den  alten  [  bi  sinen  beiden  vant. 

357,  1  (1427)  der  fürsteHagene  fragte  I  Waten  und  sine  man. 

507,  1  (2027)  do  kam  der  degen  Fruote  |  und  Wale  mit  si- 

ner  schar. 
509,  4  (2038)  zeHagenen  dem  wilden  |  hiezen  si  Waten  den 

alten  dringen. 
514,  1  (2055)  do  gieng  üf  Walen  den  alten  |  der  kiinic  mit 

grozen  siegen, 
520,  3  (2081)  er  künde  [da]  Waten  den  alten  |  niht  von  im 

bringen. 
522,  2  (2088)  er  kam  ze  Waten  dem  allen   |   daz  was  dem 

beide  leit. 
687,  4  (2750)  und  wil  nach  Waten  dem  allen   |   uiide  nach 

den  andern  . .  .  senden. 
889,  1  (3555)  swä  man  Waten  den  kiienen   j  in  stürmen  ie 

verncim.         , 


WATE.     ZUR  GUDRUN.  381 

925,  1  (3699)  dö  sprach  Wate  von  Stürmen  |  'ich  mag  iuch 
niht  verdagen. 

1135,4(4544)  Wate  mit  sime  gesinde  |  was  dem  magnelen 
komen  al  ze  nähen. 

1397,  4  (5592)  si  vorhten  Waten  den  allen  |  alse  einen  grim- 
men lewen  wihlen. 

1457,  2  (5830)  Waten  und  sine  mau. 

1465,  3  (5863)  ich  muoz  ze  Walen  dem  allen  :  |  swie  mir  da 
gelinge. 

1466,  3  (5867)  do  besUiont  er  Waten  den  grimmen.  [  daz  was 
dem  helde  ein  ere. 

1468,  1  (5873)  Wate  vil  zorniclichen  |  lief  Harlmuolen  au. 
1470,  3.  4  (5883,/".)  ez  was  ein  michcl  wunder  j  daz  dö  Ilarl- 

muot 
von  Waten  niht  muoste  sterben  :  |  vil  grimme  was  der 

recke  gemnot. 
1480,  3  (5923)  nü  stet  der  recke  Harlmuot  |   vor  Waten  in 

grozer  freise. 
alle  diese  Zeilen  können  nicht  richtig  gelesen  xoerden  ivenn 
man  nicht  Wate  oder  Waten  zu  einer  silbe  verschleift. 

Einige  Zeilen  Icifsen  sich  nun,  da  ivir  die  richtige  fonn 
des  namens  kennen,  leicht  aus  ihrer  Verderbnis  herstellen  und 
dienen  so  zur  bestätigung. 
329,  4  (1318)    die  irowen   erbiteu  küme  |  unz  si  die  site  an 

Waten  dem   allen  erfunden,     die  hs.  hat  an  dem  alten 

Waten. 
340,  1  (1359)  Do  hiez  man  Waten  den  allen  |  zuo  der  meide 

gän.   die  hs.  den  alten  Waten. 
1455,  1  (5821;  Üf  Walen  und  sine  helde  |  so  grimme  man  dö 

schöz.  die  hs.  wiederholt  an^nach  und. 
1508,  3  (6035)   nü  ner  uns  kiiniginne  |  vor  Waten  und  sinen 

mannen,  die  hs.  wiederholt  \ov  nach  und. 
Ich  übergehe  die  stellen  die  metrisch  nichts  gegen  Wale 
beweisen,  wie  759,  2,  leo  zwar  kein  verstütidiger  unde  Watn 
dem  allen  billigen  wird,  aber  und  Walen  dem  allen  a7i  sich 
unanstöjsig  tväre,  7venn  nicht  die  emnittelte  form  des  namens 
lehrte  da/'s  es  heifsen  vivfs  unde  Walen  dem  alten, 

hl  den  wenigen  zeilen  also  in  denen  dieser  name  mit  kur~ 


382  WATE.    ZUR  GUDRUN. 

zem  a  dem  versmäfs  nicht  entspricht^  wird  mafi  einen  Jehler 

der  hs.  zu  suchen  haben. 

235,  4  (942)  er  dahte  wie  er  Waten,  j  sinen  alten  Munt,  solle 

cnphähen.  lies  er  gedahte  wie  er  Waten. 
300,  4  (1202)  Horant  und  Wate  aller  erst  hin  ze  hove  ir  gäbe 

sanden.    wahrscheinlich  Horant  und  Wate  ir  gäbe  |  aller 

erste  hin  ze  hove  sanden. 
451,  3  (1805)  sich  bete  der  Wate  |  gesümet  nach  ze  lange. 

es  ist  nichts  nach  der  einzuschalten,  sondern  es  mag  ge^ 

heifscn  haben    sich  bete  Wale  der  alte. 
574,  2  (2296)  den  enphalcb  er  Waten,  j  er  zöch  daz  kindelin. 

vielleicht  auch  hier  den  enphalcb  er  Waten  dem  alten. 
859,  4  (3438)  die  hs.   ich  wil  daz  her  Wate  der  alle  seinen 

scbilt  niht  mussig  liesse.    der  abschnitt  kann  nicht  nach 

Wate  eintreten,    vielleicht  ich  wsen  her  Wate  der   alle] 

sinen  schilt  do  niht  miiezic  lieze. 
1512,  3  (6051)  willekomen,  Wate!  |  wie  gerne  ich  dich  ssehe. 

lies  wis  willekomen  Wate. 
1539,  4  (6160)  die  hs.  nu  thüe  Wate  waz  er  welle  mit  den 

gysel  seinen,    lies  nü  tuo  et  swaz  er  welle  |  Wate  mit 

den  giselen  sinen. 
mir  vier  hebungen  hat  die  letzte  halbzeile  der  1485w  strophe 
(5816),  daz  er  mirHarlrauoten  |  von  dem  alten  Waten  erlöste. 
hier  können   leicht  ßinf  hebungen  herausgebracht  loerden, 
wenn  man  schreibt  von  Walen  dem  allen  erlöste. 

Hieran  mögeji  sich,  um  den  bogen  zu  Julien,  ohne  beson- 
dere ausivahl  einige  hemerkungen  über  andere  stellen  dieses 
gedichtes  reihen. 
9,  4  (36)  hat  Ettmüller  richtig  geschrieben  die  fuoren  mit 

ir  gerne,  inid  hierdurch  ändert  sich  eine  bemerkung  Jac. 

Grimms,  zeitschr.  1,  8.     aber  auch   die  folgende  zeile 

10,1  verlangt  verbefseimng.    In  magellichen  eren  die  ir 

(nicht  ye,  ie)  da  fuoren  mite. 
15,  3.  4  (58/".).  den  vil  guolen  nioeren  diu  guotcn  salelkeit 

hiengen  für  die  hiicve  nider  üf  daz  gras,  die  hs.  Äar^büef- 

fen ;  tvas  die  letzten  herausgeber  schreiben,  für  die  hüf- 

fen,  ist  ein  sprach/'ehler.     vergleichen  lajsen  sich  viele 

stellen,  z.  b.  WolJ'r.  IFilh.  360,  4  unz  üf  den  buof  daz 
ors  vil  gar  gewäpenl  was  mit  kovertiur.  —  dieselbe  ände- 


ZUR  GUDRUN.  383 

rung  ist  nöthig  552,  3  (2209),    (diu  ros)  den  die  man 
verre  üf  die  hüeve  giengen.  die  hs.  hat  hufe;  die  letzten 
herausgeber  setzen  hülle,  aber  bis  zu  den  hilflen  (liuf  ist 
7iicht  bug)  zu  7^eichen  loürde  den  mahnen  schwer  gewor- 
den sein. 
134,  2.  3  (534/*.)  Ir  niuolet  miiier  froinven  dazs  iwer  gesinde 
wesen.    an  seyn  liilffe  si  miigcu  wol  genesen.  Ettmüllcr 
schreibt  mit  Ziemafin  äne  sine  helfe,  tcohl  nur  aus  ver- 
sehen, denn  gebilligt  hat  er  schwerlich  dessen  übcrselt- 
same  erhlärung,   'sin  bezieht  sich  wohl  auf  gott,  desse/i 
namen  hier  auszusprechen  gotteslästerlich  gewesen  icäre! 
lies  ane  dine  hilfe.  der  zorn  duzt. 
145,  1  (578).  Er  hiefs  sy  fragen  wie  sy  getorsten  komen  in 
daz  lant.    lies  Er  iesch  wie  si  getorsten  u.  s.  w.  dasselbe 
wort  ist  herzustellen  295,  1  (1179)  Her  Wate  iesch  ge- 
dinges  des  landcs  herren  biten.    in  der  hs.  steht  haisst, 
aber  das  präteritum    ist  nothwendig   u?id  iesch   ivahr- 
scheinlicher  als  hiez.    es  folgt  dort  man  mohle  do  wol 
kiesen  an  sinen   heren   siten,    den  sin  gewalt  geruchte, 
daz  er  da  grimme  waire.  lies  gereichte. 
168,  4  (674).  Hagene  der  kiiene  erpot  sinen  nanien  (den  na- 

men  Valant  aller  künege)  vlizidiche.    lies  urbort. 
174,  1  (695).  Üf  einem  wilen  plane   herbergen  man  die  hiez 
des  riehen  kiineges  geste.    lies  h.  man  dö  hiez.  in  dieser 
hs.  steht  oft  die  ßir  dö ;  iii  der  Gudrun  ist  derselbe  foh- 
ler zu  verbefsejm  633,  2  (2530).  724,  1  (2895). 
258,  1  —  3  (1031^.)  (wir  sulen  sagen  Hagenen  daz  wir  küme 
üz  Stürmen  sin  entrunnen)  Und  daz  (uns)  ungenäde  der 
künec  Hctel  tuo  (die  hs.  thue).    mit  unser  grözen  gäbe 
sul  wir  ofte  zuo  (zuo  foJilt)  ze  Hilden  und  ze  Hagenen 
hin  ze  hove  gan. 
288,  2.  3  (1152,/'.). —  hin  ze  Hagenen  bürge,  so  wir  hoeren  sa- 
gen, da  er  herre  wa,'re,  ze  Polay  lasterliche,    lies  ze  Ba- 
liän  der  riehen  (:  geliche). 
314,  2  —  4  (1256 j^'.).  sin  kraft  und  [ouch]  sin  eilen  sinl  starc 
und  ouch  sin  hant.    (er)  hat  uns  geswachet  an  manegen 
freuden  guot,  daz  wir  sin  von  schulden  deste  trüeber  ge- 
muot.  ich  habe  er  eingeschaltet  und  das  gemaciiet  der  hs. 
rej'ändert.    freuden  statt  freunden  hat  schon  Ziemann. 


384  ZUR  GUDRUN. 

meine  Veränderung  dieser  stelle,  ivie  die  der  folgenden, 
habe  ick  schon  an  einem  andern  orte  mitgetheilt,  ich 
iviederhole  sie  hier,  iveil  sie  von  dem  neuesten  herausge- 
her übersehen  ivorden  ist. 

322,  4  (1290)  lies  daz  slüende  uns  allen  schentliche.  die  hs. 
schedlich,  icas  hier  keinen  sinn  gibt. 

456,  4  (1826)  lies  swie  si  des  nilit  gedrehten,  ja  gewunnen  si 
der  arbeit  mere.  die  hs.  wann  sy  des  iclit  gedachten. 

538,  4  (2154)  lies  ich  kan  des  niht  geläzen,  ich  engrüeze  iuch 
willicliche.  die  hs.  han  iind  ich  graesse.  auch  13G9,  2 
(5478)  muß  k:x\\  für  han  gesetzt  werden,  daz  sint  vil 
(kiiene)  degene,  als  ich  gesehen  kan,  vergl.  1374,  2 
(5498)  als  ich  mich  kan  versehen, 

646,  1 .  2  (2583/!)  lies  Do  si  heten  gerne  die  porten  zuo  ge- 
tan, dö  muosten  si  daz  lernen  durch  schunipfenliure  Ver- 
lan, die  hs.  d.  ni.  s.  das  lernen  das  schimpfen  tewre  ward 
Verlan.  r/?//"schumpfentiure  scheitit  auchEttmüller  {s.^&) 
gekommefi  zu  sein,  obwohl  ich  seine  meinung  nicht  recht 
verstehe. 

662,  2  (2648)  lies  du  hast  mit  dicneste  hiule  hie  versolt  daz 
u.  s.  w.  die  hs.  mir  dienst. 

669,  2  (2676)  lies  ez  wan  den  niht  geviele  die  erz  wizzen 
liez.  die  hs.  etlwan.  ^ 

686,  3.  4  (2745y.)  lies  henden:  —  ja  kan  ez  nienien  anders 
so  wol  genden(=geenden).  die  hs.  handen  und  geauien. 

693,  1 — 3  (2771^.)  lies  Der  wirt  wol  tusent  helden  gap  ros 
unde  wat:  diu  zugens  iiz  den  seiden,  so  si  der  ofte  hat 
der  vehten  wolte  riten  zuo  langen  slräzen.  die  hs.  rofs 
vnd  gewant  —  so  sy  die  offt  hant  —  ze  — . 

707,  1 — 4  (2827 Jf.)  lies  Do  si  zesamen  wären,  von  den  ich 
han  geseil,  komeu  mit  ir  kreften,    äne  freude  leit  heten 
'      zallen  ziten  die  recken  unde  sorgen,  waz  in  die  naht  ge- 
schehe,   si  dahten  'wie  leben  wir  den  morgen?'  die  hs. 
an  freunde  lait  und  die  recken  vnd  wegsorgen. 

H. 


385 


DIE  GUTE    FRAU. 

GEDICHT  DES  DREIZEHNTEN   JAHRHUNDERTS. 

Die  einzige  handschrift  in  der  dieses  gedieht  erhalten 
ist  befindet  sich  in  der  k.  k.  hihliothek  zu  IVien  (cod. 
2795,  früher  philol.  42,  Arnbr.  435,  jHipier,  45  blätter 
kleinfolio,  vergl.  Hojfinanns  Verzeichnis  s.  55  u?id  von  der 
Hagen  im  alld.  museum  1,  550,  der  zugleich  angibt  dafs 
die  handschrift  aus  dei^  handbibliothek  kaiser  Maximilians 
stammt),  sie  fuhrt  den  titel  Anonymi  poema  de  Caroli  31. 
origine  et  genealogia.  bekannt  war  das  gedieht  bisher  inir 
seinem  Inhalte  nach  durch  Ferd.  fpolfs  schrift  über  die 
neuesten  leistungeii  der  Franzosen  für  die  herausgäbe  ihrer 
national -heldengedichtc  s.  73  —  97.  ich  entnehme  es  einer 
abschrift  die  Schottky  im  J.  1817  für  die  Berliner  könig- 
liche bibliothek  (ms.  germ.  quart  12)   besorgt  hat. 

Der  verfafser,  über  den  loir  nichts  erfahren  als  dafs 
er  das  gedieht  auf  den  wünsch  eines  markgrafen  geschrie- 
ben hat,  war  ein  mäfsiges  taleyit  n?id  hatte  noch  wenig 
Übung  gehabt;  sein  loerk  scheint  ein  ei'ster  jugendlicher 
versuch  und  wenn  er  sich  durch  den  erfolg  desselben  nicht 
zu  iveiteren  arbeiten  ermu7dert  gefühlt  hat,  so  darf  die 
liteimturgeschichte  dies  nicht  zu  sehr  beklagen,  seine  weise 
ist  die  allgemeine  epische  des  \Zn  jahrh.,  die  durch  Hart- 
mann vertreten  wird,  denn  IVolfram  und  Gottfried  zeichfien 
sich  durch  eine  zu  scharf  ausgeprägte  individualität  aus 
als  dafs  sie  für  den  gesammtaus druck  ihrer  zeit  gelten 
könnten,  aber  auch  dieser  stehende  typus  der  epischen  poe- 
sie  erscheint  hier  ziemlich  dürftig,  die  darstellungsiveise 
ist  arm  und  eintönig,  dies  zeigt  sich  besonders  bei  den 
Übergängen  der  erzählung,  deren  das  an  stoff  äufserst  rei- 
che gedieht  sehr  viele  bedurfte,  selbst  mittehnäfsige  dichter 
des  13/1  Jh.  haben  es  den  ?neistern  abgelernt  ivie  man  du?'ch 
feine,  vorzüglich  durch  naive  ivendungen  des  lesers  aufmerk- 
samkeit  auf  das  folgende  neue  spannt;  hier  tverden  tvir  fast 
Z.  F.  D.  A.    II.  25 


386  DIE  GUTE  FRAU. 

immer  mü  einem  dürren  nu  oder  dö  weitergeführt,  aus 
dem  wecliselvollen  Schicksal  der  Heldin  erwuchs  die  schönste 
gclegcnheit  zu  genaueyi  ausführlichen  Schilderungen  und 
scharfen  gegcfisätzen  ,•  doch  der  dichter  benutzt  dieselbe  nie. 
dafs  er  keine  psychologische  entwickelung,  zu  der  ihn  der 
Stoff  aufforderte,  gibt  machen  wir  ihm  nicht  zum  Vorwurf; 
diese  findet  sich  selbst  bei  den  besten  dichtem  dieser  zeit  nur 
njivollkommen.  allein  die  herkömmliche  ironie  der  mhd. 
poesie  selbst,  mit  welcher  andre  dichter,  die  durchaus  nicht 
originell  sind,  manche  artige  Wendung  erhaschen,  steht  ihm 
nur  in  geringem  mafse  zu  geböte,  neben  dieser  armut  ist 
seine  erzählungsiveise  nicht  selten  geradezu  nachUifsig  und 
dadurch  unklar,  besonders  bei  anordnung  der  personen  (vgl. 
z.  b.  862^.,  921^.  wo  ick  923  durch  Verwandlung  von  er 
in  der  nachzuhelfen  gesucht  habe,  12oGff.).  dieselben  ge- 
da?iken,  ganze  vei^se  werden  höchst  matt  bald  ivörtlich  bald 
mit  geringer  dnderung  tciederholt  {man  vergl.  43  f.  und 
685/  =  l/i45/  2231/  2779/,  364  U7id  A18,  813/. 
955/  und  2725  f,  912  und  1152,  913  und  1063,  1541/ 
und  2iol  f.,  1791/  und  2917  f.,  1837/  und  29^5  f., 
1847—52  ?///rf2937— 42,  1957/  und  197 o  f.  vergl.  1251  f., 
2013  f  und  2427  f.,  2301  ?/?id  2705,  2421/  z/nd  2737  f 
u.  a.).  ja  es  scheint  dafs  der  dichter  sogar  den  grundge- 
danken  seiner  f ab el  nicht  verstanden  hat.  dieser  ivar  ohne 
zweifei  der  ethische,  theologisch  jnj/siische,  dafs  gott 
jnüchtig  genug  sei  um  die  tvelche  seinethalb  sich  der  ir- 
dischen guter  begeben  nicht  nur  durch  seineji  himmel 
sondern  durch  noch  gröfseres  irdisches  glück  zu  belohnen 
und  vor  jeder  entehrung  zu  bewaltren.  dieser  mystische 
Charakter  geht  bereits  aus  dem  ganzen  gange  der  sage  her- 
vor;  wenigstens  iväre  ohne  die  annähme  eines  fortdauern- 
den unmittelbaren  eingrcifens  der  gottheit,  welches  auch 
dort  thätig  zu  denken  ist  wo  der  dichter  davo?i  schweigt, 
dieses  zutreffen  so  höchst  verschiedenartiger  und  zum  theil 
sehr  ungewöhnlicher  ereignisse,  die  dem  dichter  stets  in  die 
hand  ivachsen  ivie  er  sie  eben  braucht,  vollkommen  abge- 
schmackt, unser  poet  dagegen  stellt  am  schlaf se  des  ge- 
dicktes das  glück  der  keldin  als  lohn  ihrer  ckelicken  treue 
dar;    aber   kierbei  irird  zunäckst   nicht   begriffen    iveshalb 


DIE  GUTE  FRAU.  387 

auch  der  mann  glücklich  wird.,  man  milste  ihn  denn  etwa 
nur  für  ein  mittel  zur  hegründung  und  erhaltung  des  glückes 
der  fr  au  ansehen;  ferner  geht  diese  ansieht  so  wejiig  aus 
der  anläge  des  gedichtes  hervor  dafs  die  frau  alsdann  viel- 
mehr sterben,  sich  selbst  tödten  mäste  als  eines  zweiten  und 
selbst  des  dritten  mannes  bett  besteigen,  zumal  da  sie  selbst 
gar  nichts  dazu  beitrügt  dafs  sie  rein  bleibt.  Ja  nicht  hof- 
fen darf  es  zu  bleiben,  sondern  nur  wider  erwarten,  das 
erste  mal  durch  gottes  unmittelbaren  schütz  (2019 — 2026), 
das  zweite  mal  durch  ein  glückliches  zusammentreffen  der 
umstände  {den  hafs  der  königin  von  Frankreich  die,  nach- 
dem sie  dem  gemalil  entßohen,  ihn  durch  Zauberei  der  lie- 
hesfreude  beraubt  2433 — 2444),  gerettet  wird.* 

Dafs  die  fabel  ursprünglich  von  der  karlssage  unab- 
hängig gewesen  zmd  nicht  früher  mit  ihr  vereinigt  worden 
sei  als  der  kerlingische  und  bretonischc  sagenkreifs  so  all- 
gemein gefallen  hatten  dafs  die  dichter  jeden  beliebigen 
Stoff  durch  anlehnung  ati  einen  von  beiden  anziehender  zu 
machen  hofften,  haben  bereits  von  der  Uagen  und  Jfolf 
bemerkt,  dafs  der  dichter  einen  zug  seines  Stoffes  benutzt 
um  Pippins  klei?iheit  zu  motivieren  (3025 — 3030)  klingt  auch 
in  seinem  munde  fast  mir  scherzhaft,  die  vcranlafsung  zur 
anlehnung  an  die  karlssage  aber  tvar  ohne  zweifei,  tvie 
ebenfalls  schon  Wolf  bemerkt,  die  ähnlichkeit  welche  das 
Schicksal  unserer  heldin  mit  dem  der  Berta  {denn  mit  ihr 
wäre  sie  identisch)  hat,  wie  dieses  im  roman  de  Berte  au 
grand  pie  erscheint,  dafs  die  ivenigen  Idnweisungcn  auf 
bekannte  historische  punkte  {dafs  Karls  vater  Karlmann  ge- 
heifsen,  daß  Pippin  Karls  bruder  gewesen,  dafs  Karls  va- 
ter nach  dem  tode  des  früheren  kÖnigs  durch  einen  volks- 
beschlufs  auf  den  thron  erhoben  sei  u.  s.  lo.)  falsch  sind 
bedarf  keiner  erwähnung .  ob  die  übrigen  ereignisse  die 
der  dichter  als  historische  gibt  {z.  b.  der  krieg  des  königs 
von  Spanien  und  des  herzogs  von  Bretagne  mit  dem  grafcn 

'  auch  hier  iinirdc  ein  dichter  der  wie  Jf'olfram  bewiistvoll  sei- 
nen Stoff  ordnet  das  erste  motiv,  golies  schütz,  als  das  gewichtigere 
zuletzt  gebraucht  haben;  doch  unser  verfafser  schlofs  sich  ohne  Zwei- 
fel hierin  der  wälschen  quelle  an,  die  überhaupt  an  der  dürfligkeit 
des  deutschen  gedicktes  grofsentheils  mit  schuld  sein  mag. 

25* 


388  DIE  GUTE  FRAU. 

von  Püilou^  die  kämpfe  des  grafen  Guido  von  AuvergnCy 
der  raub  der  französischen  königin  durch  den  könig  von 
Portugal)  ga7txi  oder  zum  theil  begründet  sind,  dies  zu 
untersuehen  hielt  ich  für  zwecklos,  zumal  so  lange  die  fran- 
zösische quelle  nicht  bekannt  ist.  das  gedieht  ist  weder 
der  anläge  noch  der  ausfdh^ung  nach  so  ausgezeichnet 
dafs  wir  hoffen  kön?itefi  bei  einer  solche?i  nntersucliung  den 
geist  der  mittelalterlichen  poesic  zu  beimischen  wie  er  die 
geschickte  nach  des  dichters  zzvecke?i  j/mgestaltetc  7/nd  den 
gestalten  der  sage  einßocht.  im  allgemeinen  verweise  ich 
auf  die  Vermutungen  die  IVolf  in  den  sorgfdltigC7i  anmer- 
kungen  zu  seiner  inhaltsangabe  aufstellt  und  füge  nur  die 
herichligung  hinzu,  die  ich  herrn  prof  Leo  verdanke,  dafs 
Barria,  die  heimat  tinsrer  lietdin,  nicht  Bar  sondern  Berry 
ist,  wozu  es  vollkommen  pafst  dafs  der  ritter  auf  seiner 
ersten  fahrt  in  das  benachbarte  Poitou  zieht,  dafs  die  gute 
frau  von  dem  ebenfalls  benachbarten  grafen  von  Auvergne 
angegriffen  wird  it7id  dafs  die  Schlacht  am  Allier  (Aller 
1080)  statt  findet,  als  besonders  auffallend  hebe  ich  iiur 
den  offnen  ividerspruck  gegen  das  salische  gesetz  {2\A^  ff.) 
und  die  enoähtiung  der  12  fürsten  {auf  jeden  fall  der  pairs 
Karls)  hervor,  deren  macht' so  grofs  ist  dafs  sie  den  könig, 
wenn  er  ihnen  nicht  zu  willen  ist,    absetzen  (2537 — 68).* 

Die  zeit  der  abfafsung  des  gcdichts  läfst  sich  nicht 
genauer  begrenzen  als  durch  die  jähre  1212  und  1280. 
der  ganze  ton  zeigt,  dafs  es  erst  nach  der  Umgestaltung 
welche  die  deutsche  poesie  am  ende  des  12//  und  im  erste?i 
jahrzehend  des  ISn  jh.  erfahren  hat  geschrieben  ist;  dafs 
es  aber  nicht  ganz  an  das  oide  des  ISnjh.  zu  rücke?i  ist,  da- 
für bürgt  eine  gewisse  einfachheit  und  natürlichkeit  die  das 
gedieht  bei  aller  sonstige?i  armut  zeigt;  iväre  es  aus  so 
ganz  später   zeit,    so   würde   es  sicher  an  Übertreibungen, 

eben  so  wenig  tafsen  sich  von  vnlcrsuchungen  über  den  Ursprung 
■und  die  fortcntwickelung  der  sage  sonderliche  resultate  erwarten,  sie 
hat  ühnlichkcil  mit  der  legende  vom  heiligen  Eustacinus  {s.  derRcemer 
tat  herausgegeben  von  Keller  s.  166  Jf.),  auch,  wie  schon  bemerkt, 
mit  der  sage  von  Berla  mit  dem  j)lattfufs;  vieles  in  ihr  ist  nur  all- 
gemein hergebrachtes  zur  phrase  herabgesunkenes  sagen-  und  mär- 
chenelamcnt. 


DIE  GUTE  FRAl.  389 

L^esuchtem  prunh\,  spielei^eien  und  anderen  aiLswächsen  lei- 
den, auch  u'ürde  die  spräche  schweidich  so  rein  sein,  nach 
der  g'anzen  haltung  würde  ich  es,  ohne  diese  bosti)mtiung 
durch  dufserc  gründe  stützen  zu  können,  in  die  Jahre 
1230  —  40  setzen. 

fVenn  ich  oben  gesagt  habe  dajs  Hartrnann  als  repriisen- 
lant  des  jnhd.  epos  dasteht,  so  ist  dies  bekanntlich  nicht  so 
zu  verstehe?}-  als  ob  die  übrigen  dichter  in  denen  sich  die- 
selbe tveise  findet  ihn  speciell  nachgeahmt  hätten,  wie 
IVolfraui  und  Gottfried  eine  ganze  reihe  von  diclitcrn  ängst- 
lich gefolgt  ist;  wenige  dichter  wie  IVirnt  ausgenommen 
war  diese  Übereinstimmung  mehr  eine  unwillkürliche.  Hart- 
jnatin  hat  die  demente  seiner  poesie  nicht  geschaffen,  icie 
jene  beide7i  allerdings  vollkommen  neues,  bis  dahin  noch 
nicht  gekanfites  aus  sich  erzeugt  haben,  sondern  nur  das 
was  er  vereinzelt  bereits  vorfand  zusammengefafst  und  hö- 
her entwickelt,  unser  dichter  dagegen  scheint  freilich  Hart- 
vianns  werke  vorzüglich  gelesen  zu  haben,  wid,  er  hat  sie 
in  einem  mir  in  der  mhd.  poesie  sonst  nicht  bekannten 
grade  ausgeschrieben,  man  halte  folgende  stellen  zusam- 
men  die  mehr  oder  minder  wörtlich  übereinstimmen:  23/". 
=  Erec  3687  f.,  248  =  £'rec  4642  (tnit  hinzusetzung  eines 
durch  vor  lüter  auch  =  Gottfr.  Tr.  11730),  263  =  Greg. 
325,  372  = /m^.  7864,  416  =  Greg.  \2lö,  A24  — 26=  Erec 
132  —  34,  605—10=  Greg.  1807  —  12,  883—85=  Greg. 
1983  —  85,  (925/  =  Iw.  3073/)  1199  —  1202  =  Greg. 
1921  — 1924,  1204  =  E7^ec  1520  und  Iw.  4766,  1450 
=:  Greg.  323,  1474  —  76  =  arm.  Heinr.  58  —  60,  242 1  /". 
(=  2737  f.)  =  Iw.  365  f.  und  Erec  8361/,  2425/ 
z=i  Erec  7Q78  und  6351/,  2859/ =//«.  2533/  wenige 
dieser  stellen  sind  so  allgemein  dafs  ma?i  glauben  könnte 
der  dichter  habe  sie  ohne  Vorbild  zufällig  auch  gefunden, 
einen  einßufs  Gottfrieds  könnte  man  sehen  in  den  versen 
103  —  106,  167  —  174,  301  —  312,  1341—1359,  vielleicht 
auch  in  dem  gedanken  der  2189  —  98  ausgesprochen  ivird, 
so  wie  in  dem  häufigen  spiele  mit  licp  und  leit,  das  sich 
zwar  bei  allen  mhd.  dichtem,  doch  bei  Gottfried  besonders 
häufig  findet;  dagegen  braucht  der  dichter  gegen  Gott- 
frieds art  in  Übereinstimmung  mit  Hartmann  auffallend  we- 


390  DIE  GUTE  FRAU. 

nig  französische  toorter,  turnier  219,  hashart  1094,  äniis 
1344,  schappel  1947,  malätes  2631,  condwieren  2677  (zwar 
conjectur,  doch  unzweifelhafte^^  punte  2803,  la  hone  dame 
3022.  aus  den  anfangszeilen  des  gedichies  könnte  man  schlie- 
fsen  dafs  der  dichter  nicht  nach  einer  schriftlichen  quelle 
sondern  tvie  JFirnt  nach  mündlicher  erz'dhlung  des  kaplans 
oder  des  markgrafen  gearbeitet ;  doch  scheint  diese  folge- 
ning  bei  so  ivenig  bestimmten  ausdrücken  voreilig  und  las 
(6)  seile  (9)  saget  (575)  können  sich  auch  auf  das  vorlesen 
beziehe?! . 

In   sprachlicher   hinsieht  sind  nur  folgende  durch  den 
reim  verbürgte  formeii  zu  bemerken,    gesät  (:  stat  704. 1552, 
:  bat  957)    das   auch    Hartmanri    und  besonders  Rud.    vo?i 
Ems  haben,  iiiet  (:  schiet533.  2601.  2616.  2772,  :diet2998), 
genuogcn  (/?^>  geniiegen  1370)  diu  kalte  (628,  Xi  scheint  den 
einflufs  des   i  gestört  zu  habeti,  vergl.  die  conj.  prät.  der 
schw.    verba  sande,   künde,    funde   und  die  gehemmte  kraft 
des  a  in  bindan),  diu  grüebe  2024.  vott formen  die  verschie- 
dene  dichter  verschieden  brauchen  finden  ivir  folgende  im 
reim:   sie   (:  ie  246,    gie4I4,  lie  1992),  prät.  ind.vonMn, 
hate  (121.  542.  656    und  oft)  ha;te  (55)  het  (:T61et  2433), 
sint   (für  sit,    das   auch   im  reim   vorkommt,    1928.  2958), 
drin  (tribus,  1120),  wir  sin  ind.  (1910)  und  wir  sin  (3034. 
504,    in    der   letzte?!   stelle  kön?ite  es  alle?falls   co?y'unctiv 
sei?iu?id  vielleicht  ist  1910  wir  hin  ^w  sch?'eibe?i),  tete  (348. 
^62)u?id  tet  (243  und  sonst),  dieselben  for?nen  b?^auchenRud. 
ff'^irnt  und  der  Stricker  ?iebe?i  ei?iander,  vgl.  graimn.  1,  965  ; 
femi?ii/ia  auf  In  (2050.  2173.  2216  u?id  oft)  inne  (302.  1326. 
1333.  1954.  2202.  2229.  2515.  2553)   u?td  in   (2869  und  im 
reim    auf  dar  in  2847,    da   dies  wort  so?ist   im  reitne  ?ncht 
vorkommt  habe  ich  diese  gewöh?ilichere  form  vorgezogen)^ 
adv.  auf  liehe   (43.  128.  688   u?id  oß)   liehen   (889.  2124) 
liehe  (867)   liehen  (897),    herre  (:  merre  93.  230.  855,  das 
auf  kein  anderes  woiH  reimt),     nu  und   du  stehen  ?iicht  im 
reim. 

Das  ??ieti'um  wird  oft  ei?itö?iig  und  ungefüge,  die  bei- 
de?! zusamtnengehörigen  ?'eimzeile?i  loerden  selten  durch  den 
sinn  geschieden ;  doch  fehlt  die  se?ikung  sehr  oft  und  dies 
spricht  für  eine  frühe   abfafsung   des   gedichts.     kli?ige?id 


ÜIE  GUTE  FKAU.  391 

reimende  vevse  za  vier  hebtt/igen  erlaubt  sich  der  dichter 
wie  uujscr  Gottfried  und  Konrad  von  IVürzburg  wohl  alle 
dichter  des  13/<  jk.  das  tonlose  e  irird  im  in-  und  auslau l 
innerhalb  des  verses  wie  im  reim  (hier  sogar  in  formen  wie 
kiat  dat.  29.  349),  so  oft  es  dem  dichter  unbequem  ist,  ab- 
geworfen. 

Im  reime  zeigt  er  ferner  folgende  freiheiten.  er  bin- 
det n :  m  auffallend  oft  und  zwar  an  :  am  (47.  51.  323  und 
noch  20  mal)  aru  :  arm  (gevarn  :  arm  2179)  an  :  am  (jjetan:  räm 
2795)  ein  :  eim  (zwein  :  oelieim  591)  ün  :  um  (Urilüii :  rum  843; 
uon:  uom  (tuon:ruom  1563)  iens  :  iems  (Urliens  :  Riems  1807); 
aufscrdem  naht  :  gemachl  2395,  bilde  :  milde  2383  wo  der 
Schreiber  mit  richtigem  gefiihl  milte  setzt,  komen  :  vromen 
2097  (vergl.  gramm.  1,  205.  3^  ausg.).  dafs  er  ursprüng- 
lich geschlofsnes  e  mit  offnem  in  wesle  :  beste  57,  weste : 
veste  1201,  gerne  :erue  581  bindet  wird  nicht  als  freiheit  an- 
zusehen sein,  sondern  in  seiner  gegend  wurde  das  geschlofsene 
e  einiger  tvörter  in  der  that  als  offnes  gesprochen  tvic  auch 
Hartmann  das  e  in  weste  als  offenes  behandelt. 

Was  endlich  die  beschaffe nheit  der  handschrift  betriff't, 
so  geht  dieselbe,  besonders  die  höchst  verderbte  Orthogra- 
phie, aus  den  auszügen  bei  IVolf  Hoffmann  und  Hagen 
hinlänglich  hervor;  ich  habe  daher  in  den  hemerkungen 
nur  die  wörter  der  handschrift  aufgeführt  in  denen  ich  ivürk- 
lich  abgewichen  bin  oder  die  ihrer  form  wegen  in  irgend 
einer  hinsieht  bemerke nswerth  schienen  und  führe  hier  nur 
noch  an  dafs  ei  für  i,  scbvv  sohl  scbn  sehr  und  die  ausl. 
media  dort  ivo  sie  im  inL  hervortritt  bereits  fast  ganz 
durchgedj'ungen  ist;  dafs  das  poss.  ir  bereits  als  adj.  ße- 
clierl  wird ;  dafs  sich  die  adj.  ßexion  iu  nie  findet,  ebenso 
wenig  ein  swer,  swaz  u.  s.  ic,  zwei  oder  drei  fälle  ausge- 
nommen  in  denen  zw  geschrieben  ist,  sondern  stets  wer 
steht;  ferner  sind  fast  durchgehend  ou  für  äne,  nit,  nun, 
zwingen,  zwahen,  iarbc,  jemand,  niemand,  verlor,  häufig 
ich  sagen  und  ähnliche  (gramm.  1,  958);  nirgend  ein  dirre, 
und  es  rvird  nur  vn  vnd  vndd,  yiie  unl  oder  unde  geschrieben, 
die  handschrift  stammt  aus  dem  \än,  vielleicht,  wie  Graff 
Diut.  3,  349  will,  aus  dem  Hin  ßi.  ;  es  liegt  wenig  daran 
dies  genauer   zu   untersuchen,     neun  verse  fehlen,   nur  bei 


392  DIE  GUTE  FRAU. 

V.  2404.  2856.  2890   bemerkt  Schottky   die  lücken;   mögen 
Wiener  freunde  der  altdeutschen  poesie,   icenn  sie  das  ge- 
dieht dessen  loerth   halten^    und   ich    hoffe   dafs   es    hei  al- 
ler   mangelhaftigkeit    doch    gelesen    zu    tverden    verdient, 
nachsehen  ob  sich  auch   die  ührigen  lücken  in  der  hs.  fin- 
den,    geschrieben    ist  die  hs.  ivahrscheinlich  in  Schwaben, 
loenigstens    zeigt    sie  folgende    vorzugsweise    schwäbische 
eigenthütnlichkeiten,  au  für  ä,  ent  für  et   in   der  2.  pei's. 
pl.,  doch  nie  im  reim,  dagegen  hlofses  t  einige  mal ^  volle 
formen   wie   lebolen,   begegnot,    seltaa;    kllche    (2107,  doch 
1649   kirche)    und   den    abfall    des    e  am  cfide  der  ivürler, 
rergl.  Beneckes  vorrede  zum  fVig.  s.  43y.     da  sich  nicht 
annelimeii   läfst  dafs   das  gedieht  eine   grofse  Verbreitung 
gefunden^  so  darf  inan  hieraus,  so  wie  aus  des  dichters  ge- 
nauer bekanntschaft  mit  Hartmann,  ivohl  schlief sen  dafs  auch 
er   ein   Schwabe  gewesen,     tadehi   wird  man  es  nicht  dafs 
ich  bei  einer  so  gänzlich  unverlafsbaren   hs.    manches  ge- 
regelt habe   was   auch  in    den    besten  hss.    schwankt,   dafs 
ich  z.  b.  die  form  vrouwe  bis  auf  die  stellen  in  denen  der 
vers  vrowe  fordert  durchgesetzt  habe,  während  die  hs.  stets 
auch  im  reim  frow  schreibt,    bei  gleichgiltigem   schwanken 
wie  ode  oder  aide  alder  bin  ich  der  hs.  gefolgt. 

Schliefslich  habe  ich  herrn  prof  Lachmann  meinen  er- 
gebensten dank  zu  sagen  für  die  grofse  liebe  mit  ivelcher 
er  mich,  ivie  bei  meinen  Studien  überhaupt,  auch  bei  diesem 
kritischen  versuche  unterstützt  hat.  die  eitelkeit  dafs  ich 
mir  bei  diesem  probestück  gern  den  geringen  schein  eines 
eigenen  Verdienstes  bewahren  mucJite  macht  es  mir  iinmög- 
lich  alles  aufzuführen  was  ihm  im  einzelnefi  an  dieser  arbeit 
gehört.  7nöge  ich  künftig  im  stände  sein  ihm  gröfseres  und 
befseres  vorzulegen,  dafs  er  zeit  und  mühe  nicht  als  ver- 
loren beklagen  mufs. 

BERLIN  15  Juli  1842.  Da  EMIL  S03J3IER. 

Ein  buoch  lit  ze  Arie 

daz  der  kiinec  Karle 

hie  vor  vrumle  geschriben, 

2.  Was  der  küug  (küng  nach  Schottky,  kinig  nach  tVolJ  stets) 

3.  frümbt 


DIE  GÜTE  FRAL.  393 

wie  sin  geslähte  waTe  beclibeii 

und  wie  ez  dar  komen  was.  5 

der  ditze  buoch  las, 

der  was  von  Munferran 

des  margraven  cappelän : 

der  seit  im  diu  m^ere, 

wie  ez  komen  w*re  10 

und  wiez  von  erste  huop  sich. 

dö  bat  der  margrave  mich 

daz  ich  diu  ma^e  rihte 

ze  liutschem  getihte. 

nu  hän  ich  es  begunnen :  15 

die  ez  vernemen  kunnen, 

unde  wellen  die  gedagen, 

so  wil  ich  in  vil  rehte  sagen 

von  der  besten  vrouwen 

die  mau  dö  mohte  schouwen.  20 

Ez  saz  ze  Frankriche 
hie  vor  gewaltecliche 
ein  herre  biderbe  unde  guol, 
an  sinen  triuwen  wol  behuot. 

4.  plibü  und  5.  wyt  für  wie  ez.  beliben  konnte  höchstens  heifseti  Wie 
sein  geschlecht  lange  gewährt,  sich  erhalten  habe,  so  dafs  es  dasselbe 
wäre  tvie  wite  dar  (bis  auf  Karl  den  grofsen)  komen.  ich  zweifle 
ober  zunächst  ob  sich  dieser  sinn  in  belibea  hineinerklären  läfst,  so- 
dann ci'hielten  wir  gleich  am  anfang  eine  matte  Wiederholung,  und 
vorzüglich  hat  sich  Karls  geschlecht  nach  unserm  gediehte  durchaus 
nicht  weither  {und  kann  wite  dies  überhaupt  heifseti  f),  durch  viele 
glieder,  forterhallen,  da  Karl  selbst  erst  das  zweite  oder,  wenn  man 
die  altern  der  heldin  mitrechnet,  das  drifte  glied  ist;  deshalb  beson- 
ders habe  ich  auch  wile  geändert,  auch  schien  mir  das  gcfühl  des 
Icsers  zu  fordern  dafs  das  subject  (ez)  wiederholt  werde;  und  die  ver- 
bifserung  wird  bereits  durch  den  titel  der  hs.  angedeutet,  de  Caroli 
origine  (becliben)  et  genealogia  (dar  komen),  der  wahrscheinlich  in  der 
älteren  hs.  die  der  unsern  zu  gründe  liegt  übergeschrieben  und  aus 
den  anfangszeilen  entnotnmen  war.  —  über  den  Wechsel  der  modi 
(wKi'e,  was)    vcrgl.    Lachmann   zu   If^^alth.   29,  34.  6.  dis 

7.  IVuiilTevran  NuiiH'eoran  NuafTeman  Hagen ,  NunlFecran  Schotthy, 
'Vüiiirerran  Jf'olf,  iNumfetran  Graff  {Diut.  3,  349),  Nüinfretran  Iloff- 
viann.  15.  l)egünncn  lü.   verniemcii  {nergl.  301.  735.    1228) 

künucn  17.   wiillen  die  still  gelagn  21.   gewalleuclichc 


394  DIE  GÜTE  FKAIJ. 

er  was  Kuopreht  genant,  25 

Barria  hiez  sin  lant. 
er  was  sttete  und  raanliafl 
und  het  an  guote  wol  die  krall 
daz  man  in  mit  gewalle 

wol  zeiuem  gräven  zalte.  30 

an  gewalt  und  au  eren 
er  künde  wol  bekeren 
siniu  dinc  nach  sinem  muole. 
do  der  herre  giiole 

bi  sinem  wibe  gesaz  35 

zwei  jär  alder  baz, 
dö  gewan  se  ein  kindelin, 
daz  schoenesle  löhlerlin 
daz  mannes  ouge  ie  gesacli. 

diu  diet  im  alle  samet  jach,  40 

do  ez  wahsen  begunde, 
dö  jähen  im  zestunde 
,alle  geliche, 
beide  arm  und  riche, 

ez  künde  so  wol  gebären,  45 

käme  ez  ze  siuen  jären, 
da  wüehse  ein  salec  wip  an. 
si  jähen  als  ez  sit  kan. 
Bi  im  was  gesezzen 
ein  herre  vermezzen  :  50 

der  was  disse  gräven  man 
und  im  doch  genozsan, 
der  in  nihtes  dorfte  vlehen 
niuwau  umbe  daz  liMien 

daz  er  von  im  luete.  55 

er  was  al  siuer  nele 
der  ha'hsle  und  ouch  der  beste : 
swaz  der  eine  weste, 
daz  was  ouch  dem  andern  kunt : 

25.  es  w.  Ilupprecbt  geuampt  33.    siiiiuj  Diso  37.  sy 

42.  I)ü  Jacheiit  Jm  sa  zcrst.  40.  Kein  47.  wiichs  48.  Do 

spraclicnd  als  er  sicli  kan  51.  dicz         53.   Dar  Jon  nichlz   bedorlil 

54.  ^iunlt■Il         55.  hole         50.  an  seineu  lellcn 


DIE  GÜTE  FRAU.  395 

si  waren  sament  zaller  stiiut,  60 

sameat  hie,  sament  dort: 

ez  wa-re  wise  oder  wort, 

daz  was   ungesclieideu 

zwischen  den  herren  beiden. 

getriuweni  vriundc  ist  nütze  bi,  65 

swie  unwert  triuwe  nü  si, 

si  niuoz  doch  imer  mere 

ein  honptschar  sin  der  ere. 

Der  herrc,  disse  gruven  man, 
üuch  ein  kindeh'n  {^ewan  :  70 

daz  was  ein  siin  wol  getan, 
nu  mac  et  niemen  niht  hän 
wan  als  im  got  wil  gunneu: 
het  er  noch  zwei  gewannen, 
diu  wa-ren  wwrliche  75 

beide  worden  riche. 
diu  zwene  beten  zwei  ensam, 
die  wurden  so  liebesam 
daz  man  noch  wunder  seit  dar  abe. 
diu  juncvroawe  und  der  knabe  80 

wären  sament  zallen  stunden, 
daz  si  gedenken  künden 
wie  holt  sc  einander  wahren.  ', 

an  spräche  und  an  geba'ren 

minten  si  sich  sunder.  85 

da  hwret  michel  wunder, 
si  wuohsen  in  der  minne, 
ob  ich  rehte  mich  versinne, 

60.  zesament  65.  Ain  gelreiiwü  iVüiul.     die  form  nütze  (iiücz  ia 

der  A.V.),  statt  des  gewöhnlichen  nuz  nutzes  in.,  habe  ich  gestützt  auf 

das  alid.  wwltX  f.    {GraJJ't.,  1123)  bewahrt.  68.  hepplschar,  vergl. 

1339.  60.  dis  72.  et  iebt  niemät  n.  h.  73.  giinnen 

74.  gewinnen  IT  f.    Die  zwen  herren  Lett  zwene  Die  wurdenl  so 

lieb    seine,     ich   weifs   ensam  blofs   durch  die  analogie  von  bisam  init- 

sam    zesam    zu   stützen;    aber  andere  verbefserungcn  {etwa  die  zwene 

[herren]    beten   zwei    kint    diu  wurden    so  geliebe    sint    (sinl  im  reime 

1928  tmd  29.58)  schienen  mir  zu  gewagt.  81.  zesament 

82.  daz,  seit  der  zeit  dafs.  83.  sy  ainandren  waren  84.  spra- 

ohen  u.  a.  gebaren         85.  besonder         87.  wücbstend 


396  DIE  GUTE  FRAU. 

(laz  ir  ielwederem  wa're 

des  anderen  sweere  90 

leider  dan  diu  sine. 

dö  starp  dem  raägetline 

ir  vater,  der  edel  hßrre. 

dö  wart  diu  rede  vil  nicrre 

zwischen  den  kinden  beiden  95 

daz  si  vorhlen  sin  gesclieiden 

dann  umb  in  der  du  tot  gelac. 

si  wanden,  soltens  einen  tac 

von  einander  sin  gewesen, 

daz  si  iemer  möhten  genesen.  100 

ja  herre,  waz  ist  minae? 

man  vindet  wunder  drinne. 

ez  wirt  von  ir  gewalle 

der  junge  als  ouch  der  alte, 

der  alle  als  oucli  der  junge.  105 

si  heizet  wandelunge 

baz  danne  niinne. 

si  verkeret  rehte  sinne 

ze  wunderlichen  dingen. 

den  niemen  möhle  bringen  110 

üf  deheiner  slahle  arbeit, 

dem  git  si  liep  unde  leil 

und  machet  in  vil  drale 

an  werken  unde  an  rate 

als  er  ein  minuajre  115 

ie  gewesen  wtere. 

Nu  lac  der  alte  herre  tot, 
als  gol  von  himele  geböl, 
von  dem  ich  e  hau  gesagt. 

dö  wart  sin  husfrowe  und  diu  i/iagl  120 

die  er  ze  tohlcr  liale 
mit  ir  vriunde  rate 
bevolhen  harte  sere 
dem  andern  an  sin  ere, 

9'i.  <ler  red  uil  mcr  98.  siillends  ein  ',)".).    aiu  andren 

101.   Da  hurend  HO.  Die  niemat  mocli  |ir.  118.    hiemel 

II'.).   der         Vil.  helle         122.    friinde  vud   ralte 


DIE  GUTE  FRAU.  397 

(laz  er  ir  pflegen  sohle,  125 

als  er  bilh'che  wolde. 

deswur  daz  tct  der  riclie 

vil  gctrimveliche. 

er  nanis  in  sine  huole 

mit  libe  und  mit  guote  130 

und  scluiof  alle  ir  sache 

ze  eren  und  ze  gemache 

als  die  sine  oder  baz. 

dö  diu  vrouwe  gesaz 

zwei  jar  nach  ir  manne,  135 

dö  starp  ouch  sie  danne 

dö  der  edel  weise 

von  des  tödes  vreise 

verlos  sin  muotr  und  sineu  vater, 

raanege  riche  man  bater  1 40 

durch  ir  bürge  und  durch  ir  lant. 

in  was  allen  wol  bekant, 

swellien  si  ze  slaele 

zeinem  man  genomen  ha^te, 

dem  wter  als  wol  geschehen  daran  145 

als  dem  der  si  sit  gewan. 
Nu  schuof  ouch  mit  gewalte 

der  tot  daz  der  alte 

behendeclichen  tot  gclac 

der  der  juncvrouwcn  pdac.  150 

dö  starp  ir  vriunt  und  ir  raf. 

dö  tet  si  als  der  beide  hat 

sailde  unde  wisheit: 

si  was  dem  armen  vil  bereit, 

dem  riehen  hcrrn  ze  vuoge.  155 

ir  jähen  des  genuoge 

daz  wibes  name  ie  würde 
137.  wyse  140.  batt  er.  sie  lad  die  Jiirsten  zu  sich  zum  empfange 

de)'  lehcn,  vergl.  vür  sich  bilen  (s.  b.  Parz.  344,  22)  und  unser  bit- 
ten, einladen.  142.  welchen  145.  also  146.  genam 
147.  zwang,  so  viel  ich  weifs  steht  twingen  mhd.  so  wenig  als  un- 
ser zwingen  ohne  obj'ect;  doch  tveifs  ich  nichts  bejseres  als  das  un- 
wahrscheinliche schuof  an  seine  stelle  zu  setzen.  149.  Beschaiden- 
lichcn          157.  wurde 


398  DIE  GÜTE  FRAU. 

so  fri  vor  valsches  bürde 

an  allem  ir  gemüete. 

si  schuof  mit  mancher  giielc  160 

daz  si  über  allez  daz  lant 

diu  guote  vrouwe  wart  genant. 

soltich  iu  von  ir  dingen 

gar  zeinem  ende  bringen. 

wie  rehte  guot  si  w«re,  165 

daz  würde  ein  langez  nia>re, 

an  ir  was  vür  säze 

guot  und  elliu  mäze, 

mäze  junc,  maze  alt, 

mäze  blüc,  mäze  balt,  170 

mäze  diemuot,  mäze  here : 

an  ir  gebrast  niht  mäze  merc, 
\      '          wan  si  was  äne  mäze  guot, 

da  mäze  niuwan  schaden  tuot. 

disiu  reine  junge  !*•'> 

diu  saz  in  zvvivelunge 

wie  si  ir  leben  slizze 

daz  man  ir  niht  Aerwizze. 

si  gedähle  'ich  wil  mich  äne  man 

begän,    ob  ich  iemer  kan:  ISO 

mir  ist  sus  sanfte  unde  wol. 

swaz  ein  vrouwe  haben  sol 

von  bürgen  und  von  lande, 

von  pferden  und  von  gwande, 

von  rittern  und  von  vrouwen,  185 

daz  mac  ich  allez  schouvven 

in  minem  hove,  svvenn  icii  wil: 
.  ,  darzuo  maneger  bände  spil, 

beizen,  birsen,  unde  jagen,  >.'• 

videlen,   singen,  unde  sagen,  1,90 

des  hän  ich  alles  gewalt. 

158.  valscher  Bürde  162.  genamt  167.  satze  (:  massc).     vergl. 

fValth.  8,24.  MS.  2,  215'^  (min  wort  min  doene  geträten  nie  uz  reliter 
sinne  säzen)  vnd  2,  224''.  in  ihr  war  als  in  seiner  behattsung,  in  ihr 
hatte  sich  eingemietet.  168.    an  alle  173.  wan  fehlt. 

174.  Die  niasz  nicmal  180.  iemi-r  fehlt.  181.   193.  sunsl 


DIE  r.lTE  FRAU.  39y 

wie  niölite  ich  senfter  werden  all? 

mir  ist  sus  micliel  baz 

dann  ich  iemen  über  daz 

minnle  vür  min  selbes  lip.  19-5 

ich  horte  sagen,   so  diu  wip 

mannes  minne  hinderge, 

daz  in  dannc  wirs  si  dan  e. 

3Iir  ist  niht  kunl  umbe  man  : 
als  aber  ich  mich  verdenken  kan,  200 

an  in  sint  zwei  dinc  leider, 
der  ich  erviirhle  beider, 
ob  ich  einen  man  ha'te, 
dem  wa're  ich  also  sla*le 

daz  ich  nimer  verliezc  205 

swaz  ich  in  luon  hieze. 
baete  ich  danne  daz  er  sich 
enzucte  eteswes   durch  mich 
daz  er  lihte  nlht  verba're, 

daz  würde  ein  sölhiu  swa're  210 

diu  mich  vil  serc  müete. 
so  liete  ich  miner  güele 
cngolten  harte  sere. 
dannoch  vürhte  ich  mere, 

swenne  er  uz  wa're  215 

durch  rilterlichiu  mare 
in  turniern  unde  in  slriton, 
so  müest  ich  zallen  ziten 
da  heime  grozen  angest  han, 
wie  ez  im  dort  soll  ergän.  220 

so  het  ich  jugent  unde  leben 
gar  einem  manne  gegeben, 
lebte  er  mir  nilil  danne, 
'•  ••  so  wsere  ich  zc  manne 

al  zc  vrüeje  geriten.  225 

ez  ist  bezzer  wol  gebiten 
dann  übele  gegähet. 

201.  zvvai  laid         203.   Die  i.  e.  itaid  208.  etwas,     es  könnte  auch 

elcwu  heißen.         210.  Da         211.    mültc  212.  gute  219.  hai- 

inen  grossen         222.  man  gebfi  225.  früg.  wohl  s//ric/iit<(ir//ir/i. 


400  DIE  GUTE  FRAU. 

swer  also  sich  selben  vahet, 

der  ist  betalle  ane  siii. 

ich  wil  eht  leben  als  ich  bin.'  230 

Nu  wart  der  junge  herre 
balder  unde  merre 
danne  in  dem  riebe 
keiner  sin  geliche 

der  bi  der  vrouwen  was  gezogen.  235 

si  tätenz  alle  ungelogen 
die  in  ie  an  gesahen, 
ob  si  im  gruozes  jähen, 
schiere  kam  er  üf  die  vart 

daz   er  loplichen  wart  240 

ze  ritler  als  ein  edel  man. 
dar  nach  er  dienen  began 
siner  vrouwen  als  er  e  tet. 
daz  was  ir  wille  und  ir  gebet, 
wände  si  in  minnet  ie.  245 

also  tet  er  ouch  sie. 
ich  sage  iu  wie  ir  rainne  was : 
lüter  als  ein  Spiegelglas,  ^ 

an  aller  slahte  geviere 

mit  werten  unde  gebwre.  250 

.  '  •      ■         si  gedähte  'ich  sol  im  holt  sin. 

sin  vater  underwant  sich  min  , 

also  schiere,  dö  min  vater  slarp.       i 

daz  ich  dö  uiht  gar  verdarp, 

daz  schuof  siu  hilfe  und  sin  rät.  255 

daz  er  zuo  mir  getan  hat,    ;, 

des  het  ich  iemer  schände, 

beviinde  ieman  im  lande 

ald  in  mime  gesinde,  ■ 

ine  waT  ouch  sinem  kinde  ?6.0 

holt  an  sines  vater  stat. 

228.  selbs  vacht       231.  wuchs,  was  ich  mit  dem  aüjeclivischen  incrre 
zu  verbinden  anstehe.  232.  mer         233.  ich         236.  hetten  all 

237.  grücz  verjacheii  245.   Wann  sy  mini  247.    sagen  wie 

{lu  fehlt)  249.  geuar  250.  gebar  259.  mine 

200.  ine]  Ich 


DIE  GUTE  FRAU.  401 

ich  weiz  vil  wol  wes  er  mich  bat, 

do  er  an  sinem  ende  lac 

und  nimer  anderthalben  tac 

nach  dirre  rede  werte.  265 

do  bat  er  unde   gerte 

an  mich  vil  sere 

daz  mir  an  mine  ere 

sin  kint  bevolhen  wsere. 

vergaize  ich  sölher  majre,  270 

so  waere  ez  vil  gar  verlorn 

swaz  triuwen  an  uns  ist  geborn. 

D6  was  aller  sin  gedanc 
als  in  diu  groze  liebe  twanc. 
er  gedähte  in  sinera  muote  275 

•       "ja  herre  got  der  guote, 
nu  geruoche  mir  geben 
die  sa;lde  und  daz  lange  leben 
daz  ich  gediene  sere 

die  manecvalten  ere  280 

die  mir  diu  vrouwe  hat  getan, 
ich  muoz  anders  iemer  hän 
der  Hute  spot  unde  ir  haz, 
ine  getuo  eteswaz 
.  daz  man  spreche  und  schouw«,.  285 

swaz  disiii  guote  vrouwe 
disem  manne  liebe  tuot, 
daz  enist  niht  ein  verloren  guol.' 

Do  gedähtes  alle  tage 
da  wider  als  ich  iu  sage,  290 

"min  vater  nie  gewan 
getriuwern  mäc  noch  man 
dan  sinen  vater,  dem  er  mich  lie. 
solher  triuwe  pflägens  ie, 

daz  Sit  unz  an  ir  ende  schein,  295 

die  liezen  si  uns  zwein  : 

262.  WZ        271.  ez  vil]  ich  273.   seiner         274.  nv  zwangk 

277.  nn  fehlt.  284.  Jnen  getüg         289.  sy  altag        292.  getrüver 

magt  293.    seia  294.    pflag  sy  ie  295.  an  vncz  Jr  end 

schin         296.  Do  üessent  sy  vncz  zwain.    wir  haben  die  trette  ererbt. 
Z.  F.  D.  A.  II.  26 


4(»2  DIE  GÜTE  FRAU. 

IUI  sols  oucli   stiele  beliben. 

man  viinde  noch  an  wiben 

Iriuwe  unde  statte, 

der  in  ouch  rehte  ta?te.  300 

Do  erzeigte  in  diu  Minne 
daz  si  ein  vüega?rinne 
ist  über  allez  daz  ic  wart, 
unde  ir  slüzzel  hat  \erspart 

swaz  iemer  man  von  minnen  -Mi» 

möhte  gewinnen, 
die  slüzzel  treit  si  beide 
ze  liebe  und  ze  leide, 
sie  sliuzet  unde  entsliuzet, 

ir  engiltet  und  geniuzel  310 

manger  zaller  stunde, 
nu  beeret  wie  si  begunde 
michel  wunder  stellen 
under  diseu  zwein  gesellen, 
die  rainne,   diu  undr  in  was  315 

noch  vester  danne  ein  adanias, 
die   schriet  si  mit  kraft  enzwei, 
daz  si  sich  kloup  als  ein  ei. 
er  nam  sin  teil  in  sine  hant, 
•  '  diu  Minne  in  überwant,  320 

der  sine  vrouwen  muoste  län 
und  wart  der  Minne  undertan,  i 

Als  er  in  ir  gewalt  kan^  .i 

do  wart  er  ein  trürec  man, 
,t   '  ob  er  die   solte  bän  verlorn  325 

die  sin  herze  het  erkorn 
vür  alle  die  er  gesach. 
diu  Minne  wider  in  sprach 
we  du  vil  armer  tumbe, 
t  du  enweist  niht  darumbe.  330 

swic  unde  warte  mir. 
ich  löne  eines  lages  dir, 

297.  solts  298.  an  den  299.  Jn  anders  och  318.   klob 

321.  der]  Var  odei^  Nar,  undeutlich  in  der  hs.  329.  Turne 

331.  wie  V.  wart        332.  Ionen  .•"■       ■   ,    ' 


DIE  GÜTE  FRAU.  403 

daz  du  mit  sselden  mäht  leben, 
ich  wil  dir  ein  wip  geben, 

daz  dir  niemer  mere  335 

guotes  noch  cre 
hinnän  vür  gebresten  kan.' 
dö  sprach  der  kindesche  man 
'vrouwe,  ich  leiste  al  iwer  gebot 
und  wil  iuch  biten  durch  got,  340 

weit  ir  mir  gensedec  sin, 
so  gebt  mir  eht  die  vrouwen  min, 
ob  ir  der  gewaltec  sit, 
bi  der  ich  alle  mine  zit 

uf  gnade  her  gewesen  bin.'  345 

dö  sprach  diu  Minne  wider  in 
'gsebe  ich  dir  nach  diner  bete, 
daz  ich  nie  manne  tele, 
künege  noch  küneges  kinl, 

die  mir  underta^nec  sint.  350 

so  hat  mich  min  wisheit 
durch  dich  vil  nidere  geleit. 
ich  wil  dir  sagen  min  wesen : 
swer  mit  mir  wil  genesen, 

swaz  der  ungemaches  lide,  355 

so  muoz  er  als  ein  side 
•ij,:  ze  aller  stunt  gewaschen  sin, 

ald  ich  geloese  mich  sin. 
raines  hoves  geselle 

ist  der  himel  und  diu  helle:  360 

wan  niemen  nimts  deheine  war, 
wan  als  er  hat  gedienet  dar. 
von  diu  scheiden  wir  uns,  daz  ist  guol. 
du  hast  deheJner  slahte  muot 
der  von  schänden  vliehe  365 

336.  Gucz  339.  ein  absalz  in  der  hs.  341.  Vnd  wiill 

347.  gel)  —  gebelt  348.  iiiemäl  tält  357.  gewaschen,  ich  kann 
diesen  sprichwörtlichen  ausdruck  sonst  nicht  nachweisen,  sehe  aber  zu 
änderunge?i  (gewaehe,  gevücge)  kein  recht.  358.  glos         359.  mei- 

nem hoj'e  gleich.  361.    VVa   niemant  man   niemetz  kain  w. 

363.  diu]  dir         365.  von  scheiden 

26* 


404  DIE  GUTE  FRAU. 

aide  zeren  sich  ziehe. 

var  hin  swä  du  e  wsere 

diner  vrowen  almuosencere. 

da  wil  ich  dich  lazen  sin : 

gebiutet  ez  diu  vrouwe  din,  370 

so  wil  ich  dich  da  bi  ir  län. 

du  enhäst  gedinge  noch  wan 

daz  dir  an  si  üf  der  erde 

immer  gelonet  werde.' 

Do  sprach  daz  kint  wol  geborn  375 

vrouwe,  senftet  iuwern  zorn. 
wiset  mich,  wie  ich  werbe : 
e  daz  ich  gar  verderbe, 
so  volg  ich  iuwern  eren.' 

si  sprach  'ich  wil  dichz  leren.  380 

boesiu  wip  niide, 
und  mit  den  besten  lide 
swaz  dir  ze  liden  geschiht. 
swelher  man  da  valscheit  gibt, 
der  euhabe  keinen  wän.  385 

wellest  du  die  guoten  willec  han, 
wis  getriuwe  und  manhaft, 
vliz  dich  üf  ritterschaft : 
da  mit  soltu  gewinnen 

daz  dich  die  besten  minnen.'  -^  390 

er  sprach  'vrowe,  daz  tuon  ich  : 
got  eutoele  danne  mich, 
'  so  tuon  ich  durch  sie  eteswaz, 

daz  man  mich  lobet  dester  baz. 
diu  mir  ane  valschen  list  395 

lieber  was  und  lieber  ist, 
dann  in  der  wcrlde  ie  wurd  ein  wip, 
durch  die  wil  ich  miuen  lip 
arbeilen  unde  Lwingen. 
ze  etelichen  dingen,  400 

366.  zerren         368.  alinusnere,  bcttler?         370.  min  372.   nach 

379.  eüvch  gerne         380.    es  lernen         385.  en  fehlt.  387.    Bis 

392.  ertölt               395.  valscher                397.  weit  stets,  doch  nicht  im 
reim. 


DIE  GÜTE  FIL\U.  405 

«z  si  niin  schade  oder  uiiu  vruiue, 
daz  ez  ir  ze  dienste  kume.' 
Er  bereite  sich  vil  dratc 
iiAch  der  Minne  rate 

und  beriet  sich  zehanl  405 

daz  er  wolle  riimen  daz  lanl 
und  daz  er  üz  ein  jär  belibe, 
und  ob  er  daz  also  tribe 
daz  manz  vür  guot  ha.'te 

daz  ers  noch  mere  tiete.  410 

als  er  sich  bereite, 
niht  lenger  er  enbeite, 
vür  sine  vrouwen  er  dö  gie,' 
also  sprach  er  wider  sie. 

raöhte  ich  iu  und  künde  415 

ijenäden  mit  dem  munde 
als  mirz  daz  herze  meinet !    - 
vrouwe,  ir  hat  bescheinet 
an  mir  vil  ganze  triuwe : 

des  ich  vil  groze  riuwe  420 

han,  wie  ichz  vergelte, 
daz  man  mich  nihl  enschelte. 
gebiet  mir,  vrouwe,  ich  wil  varn. 
der  himelkeiser  ruoche  bewarn 
i.«i  iwer  werdeclichen  ere :  -425 

ir  gesehet  mich  niemer  mßre, 
in  getuo  durch  iuch  eteswaz 
daz  man  mich  lobe  dester  baz. 
daz  ist  wol  min  wille/ 

do  sprach  diu  vrouwe  stille  -430 

guoter,  wes  hästu  gedaht 
ode  wer  hat  dich  ane  bräht 
disen  willn  und  disen  muot? 
der  was  diu  vriunt  niht  guot, 
der  dich  wil  von  mir  keren.  435 

408.  ain  Jar  tribe         412.  laug  413.   Von  seiner         415.  iu]  n» 

416.  Gnad         423.  Geblüt,  noch  ihrzen  sich  die  beiden,  die  hs.  macht 
hier  einen  absatz.  425.  wcrdenl.  427.  Ich  getun         428.  mich 

fehlt        431.  Gutt        432.  Ad 


406  DIE  GUTE  FRAU. 

du  mäht  mit  grözen  eren 

mir  hie  dienen,  daz  ist  reht, 

als  wol  ritter,  als  kneht.' 
'Daz  ist  war,  vrouwe  min : 

ja  wil  ich  in  iuwern  dienste  sin  440 

swä  in  allen  landen 

ich  schaffe  mit  den  handen 

unde  mit  der  zungen.' 

diu  laut  sint  betwungen : 

wiltu  mir  dienen,  daz  tuo  hie  445 

in  dem  daz  mir  min  vater  lie : 

da  mac  ich  wol  gedienen  dir. 

wiltu  nu  scheiden  von  mir, 

wem  wiltu  denne  läzen  mich? 
} ,  V  si  sint  gedigen  an  dich,  450 

die  mir  guot  sollen  sin : 

der  vater  und  die  muoter  min 

diu  sint  leider  beidiu  tot. 

dannoch  ha^te  ich  mine  not 
'  mit  dinem  vater  überkomen,  455 

hsete  in  der  tot  mir  niht  genomeu : 

nu  hat  ir  got  beroubet  mich. 

von  diu  soltu  wol  bedenken  dich 

e  du  scheidest  von  mir.' 

er  sprach  'min  wille  und  ouch  min  gir  460 

stät  gar  in  unkundiu  lant. 

ich  bin  leider  unbekant 

in  vremden  landen,   des  niht  guot. 

ich  slize  jugent  unde  muot 

anders  danne  ich  solte,  465 

ob  ich  gedenken  wolte 

waz  miner  jugent  gezseme 

und  dem  alter  i'ehte  kseme. 

440.  iuwer  dienest?  442.  landeu  ziveimal.  441.  Wo 

442.  ich  schaffe  fehlt  und  mit  steht  zweimal,  eine  genügende  ver- 
hefserung  habe  ich  umsonst  gesucht.  444.  sy  sprach  betwungen 
verstehe  ich  nicht,  vielleicht  hedruogen,  die  angrenzenden  länder  sind 
mit  krieg  überzogen.         /k^k^.   tu         453.  Die  -456.  mir  schon  nach 

Hell  458.  diu]  dir  4()0.  och  hegir  46t.  vnkunden 

463.  dz  nit         4Ü5.  Änderst  i,.       ^  ,  imu      j, 


DIE  GÜTE  FRAU.  407 

swer  sich  verlit  in  siiier  jugent, 
<laz  schadet  dem  alter  sere  an  tiigenl :  470 

er  wirt  vil  dicke  schamrot, 
diso  vorhle  und  dise  not, 
nuic  ich,  die  wil  ich  bevvarn. 
lat  mich  mit  iuwern   hulden  varn. 
swar  ich  kiime,  ich  hin  ouch  hie,  475 

min  herze  daz  geschiet  sich  nie 
von  iu,  noch  niemer  getiiot. 
wizzet  rehte  mineu  muot : 
swa  ir  weit,  da  muoz  ich  sin 
mit  triwcn  und  mit  dem  herzen  min  480 

imer  unz  an  minen  tot. 
Iiie  von  wart  si  schamrot 
und  was   iedoch  der  ma3re  vrö. 
si  bat  in  unde  sprach  also, 

wiltu  bi  mir  beliben,  485 

diniu  jar  mit  mir  vertriben, 
des  gelone  ich  dir  harte  wol. 
er  sprach  'ichn  mac  noch  ensol 
beliben  niht  mere.' 

daz  muot  die  vrouwen  sere,  490 

daz  si  in  wolte  erwenden 
und  ez  niht  mohte  geenden. 
do  muoste   si  in  varcn  län. 
•''«  si  sprach  'wilt  du  iht  des  ich  hän, 

Silber  oder  deider?'  495 

vrowe,  der  hän  ich  beider 

ze  eime  järe  genuoc.' 

einen  köpf  man  dar  truoc, 

der  was  von  golde  durclislagen : 

475.  kom  479.  weiil.  ctiva  wonl?  487.'gel()iieii  488.   irli 

eniiiag  491.  wenden  403.  er  494.  iclitz         499.  voll  gold. 

nicht  rächt  deutlich  isL  mir  durchslagen.  es  steht  zugleich  mit  durcli- 
worlit  in  Heinrichs  Tristan  4481,  wo  von  einem  mit  gold  verzierten 
tnantel  die  rede  ist.  bcchcr  heifsen  ebenda  4805  durch  legi  mit  edelen 
steinen.  roseng.  740  werden  helnic  mit  gesleine  wol  durchslagen. 
klar  ist  dafs  die  steine  iti  das  gold  gej'nj'st  uuirden  ,  doch  fragt  es 
sich  ob  sie  durch  giengcn,  so  dafs  der  bcchcr  an  den  einzelnen  stel- 
len   durchsichtig    wurde,   oder   ob    sie    bloß    auj'sen    anlief ügt  wurden 


408  DIE  GÜTE  FRAU. 

da  inöht  man  wunder  von  sagen  500 

wie  der  geworht  wa^re: 
so  lengert  ez  daz  msere. 

Sie  sprach  'hie  bi  gedenke  min 
die  wile  wir  gescheiden  sin. 
nu  sage  mir  war  din  wille  si :  505 

ist  er  verre  aide  bi?' 
ich  sag  iuz  gerne,  vrouwe. 
ich  wil  gen  Poitouwe 
da  hat  der  künec  von  Hispanje 
und  der  herzöge  von  Britanje  510 

den  gräven  bestanden, 
gen  disen  zwein  landen 
ist  im  not  guoter  wer, 
wan  si  hänt  im  Überher. 

dem  wil  ich  helfen,  obe  ich  mac.  515 

'  '  »  gelebe  ich  iemer  den  tac, 

ich  hebe  mich  üf  die  sträze.' 
daz  muote  äne  mäze 
die  vrouwen  unde  was  ir  leit: 
daz  meinte  ir  einvaltekeit  520 

daz  ez   si  so  sere  muote. 
iedoch  sprach  diu  guote 
'got  gesegen  dich,  nu  var.' 
si  enwiste  aber  niht  waz  im  war. 
in  twanc  minne  unde  ir  baut,  525 

'  .  da  von  ouch  wilent  Tristant 

gröze  not  und  arebeit 
durch  sine  vrowen  Isalde  leit. 
so  was  ouch  er  gebunden 

vil  sere  zallen  stunden  530 

mit  siner  lieben  vrouwen. 

do  moht  man  wunder  schouwen,  ' 

des  sine  mohte  wizzen  niet, 
do  in  ir  minne  von  ir  schiet. 

Sinem  knaben  er  dö  sagete  535 

und  die  innere  wand  des  hechers  ganz  von  golde   war.  501.  ge- 

würckt         508.  pettowe,  ve7'gL  1162.  1178.  1424.         ,514.   sein  band 
517.  (lisc  524.   nit  wo  od*  war  528.   ysald         533.  Das  sein 


DIE  GUTE  FRAU.  409 

des  morgens  dö  ez  lagete 

daz  man  im  diu  ros  bereite. 

niht  leiiger  er  enbeite. 

dö  vuor  mit  dem  kinde 

gar  ein  wenigez  gesinde,  540 

aht  knaben  wol  beraten 

als  si  des  State  bäten. 

daz  was  ein  rotte  deine. 

er  vuor  gesellen  eine : 

daz  muote  in  dicke  sere.  545 

dö  kam  vrou  Sa?lde  und  Ere : 

die  wurden  sine  geverten 

die  in  sit  dicke  ernerten 

von  aller  slahte  swa;re. 

des  hoert  ein  schoene  ma;re.  550 

Er  kam  ze  Poitouwe  in  daz  laut, 
den  gräven  er  da  heime  vant 
mit  unstaten  ze  wer  bereit. 
'   ^       daz  scbuof  sin  gröziu  vrümekeit 

der  sich  so  lange  werte,  555 

s6  sere  man  in  herte. 

sines  landes  daz  beste, 

diu  dörfer  und  die  veste, 

was  allez  samt  verbrant.  ' 

so  ja'merliclie  stuont  daz  lant  560 

daz  ez  zerbarmenne  was. 

der  armen  iützel  da  genas: 

si  warn  wol  halbe  hungers  tot. 

wer  möht  ouch  leben  äne  bröt?        i 

fragt  nu  ieman  der  msere,  •  565 

wä  von  der  gräve  wsere 

zerstoeret  unde  sin  lant, 

den  berihte  ich  ez  zehant.  .  ,.r 

der  künec  da  von  Spangen  jach, 

daz  da  vor  nie  geschach,  570 

er  seit  sin  lant  von  im  han.  !"' 

542.  statt         544.  gesell  550.  Da         557.  «ler  best         558.  lest 

561.  zerbarmen  563.  halb  hungcr  564.  mochl  o.  lang  l. 

569.  Spangen         571.  soll 


410  DIE  GUTE  FKAU. 

(16  wolt  er  sich  vertriben  län 

e  daz  iemer  geschaehe 

daz  ers  von  im  jaehe. 

des  wart  urliuge  so  groz  575 

daz  es  vil  manegen  verdroz. 

man  saget  uns  vür  war, 

ez  werte  wol  driuzehen  jär 

daz  nie  dehein  jär  wart, 

si  kwniu  mit  niuwer  hervarl.  580 

nu  was  ez  vor  dem  erne, 

so  diu  liute  gerne 

ir  vienden  schaden  tuont. 

daz  körn  üf  dem  velde  stuont : 

daz  wollen  si  in  hän  genomen,  585 

.     '*'  darumbe  wärens  dar  komen 

mit  harte  grozem  gezoge. 

der  britänische  herzöge 

der  was  betallecliche  ein  helt 

ze  allen  noeten  üz  erweit.  590 

''■'  der  künec  was  sin  oehein. 

der  gräve  werte  sich  in  zwein         '- 

daz  er  niht  mere  mohte. 

sin  wer  im  lützel  tohte. 
Nu  erschrac  der  gast  ma^re,  ''  595 

'  ■'  swie  er  doch  komen  wa^re  ' 

durch  ritterschaft  in  daz  lant.  '• 

daz  machete,  im  was  bekant  - 

an  ritterschaft  wan  der  name.  '■ 

als  aber  er  verliez  die  schäme,         '.•  GOO 

do  wart  vil  schiere  ouch  er 

beidiu  mit  schilde  unde  sper  '« 

so  behende  und  ouch  so  wise  '• 

daz  ez  in  bräht  ze  prise.  ' 

575.  wards  vrlog  580.  kemin.  des  verses  wegen  mochte  ich  in  J'i/r 
inil  setzen.  581.   eriulc,  589.   betallccliclien.     ich  kann  diese 

form  nicht  nachweisen ;  doch  sah  ich  /{einen  griind  sie  tu  tilgen,  das 
versmajs  würde  dem  einfachen  belallc  nicht  entgegen  sein.  593.  ze 
zw.       594.  im]  nü       597.  macht  in  vast  unbekant         (501.   vil  schiere 

Jehll. 


DIE  GUTE  FRAU.  411 

swä  si  an  die  vinde  kämen,  •  605 

swelhen  schaden  si  dti  nämen, 

so  vergie  in  selten  daz, 

er  engetaete  ie  eteswaz 

da  von  er  wart  ze  schalle 

und  ze  prise  vür  si  alle.  610 

im  enschatte  ouch  niht  sere 

daz  vrou  Sailde  und  vrou  Ere 

sich  sin  underwunden, 

dö  sin  üf  der  sträze  vunden. 

vrou  Sa'lde  loste  im  diu  pfant :  615 

dar  nach  versatzte  si  zehant 

vrou  Ere  aher  vürbaz. 

den  strit  den  liez  er  äne  haz. 

daz  was  sin  wille  und  ouch  sin  muol  : 

swenn  im  der  gräve  bot  guot,  620 

des  werte  er  sich  schone, 

und  ern  wolde  niht  ze  löne  . 

wan  siner  vrouwen  minne: 

got  gebe  dör  die  gewinne. 

der  kiinec  eines  sites  pflac,         i  ".  625 

daz  er  die  sumerzit  lac 

im  lande  mit  gewalte  t; 

unz  in  vertreip  diu  kalte. 

die  wile  wuostc  er  daz  laut. 
.  swa  er  den  gräven  guot  vant  630 

.  ■  aide  sine  belfere, 

daz  was  im  allez  miere. 

er  fuorte  sine  antwerc 

beidiu  an  tal  unde  berc, 
-  ebenhoehe  und  mangcn.  635 

•    ;  swaz  er  moht  erlangen, 

daz  was  allez  samet  verlorn. 

ez  wart  der  gräve  wol  geborn 

605.  koinen  6Ü6.  nomeii  007.  So  woll  ie  doch  selten) 

608.  eiigeltet         ich  habe  diese  stelle  nach  Ilarhiiainis  Greg.  1807 — 12 
ücrandert ;  doch  scheint  607  eine  urtdere  lesarl   verborgen  zu  sein. 
611.  entschal         614.  sy  in  616.  sy  si         020.   Wann         622.   zc- 

lün         624.  derj  dir         625.  sitlcns        628.  der  k.       635.  Eben  hoch 


412  DIE  GÜTE  FRAU. 

uie  überladen  so  vaste 

von  urliuges  laste.  040 

Der  künec  fuor  mit  gewalte. 

manege  burc  er  valte, 

ir  müre  nider  in  den  graben. 

der  gräve  mohte  niht  behaben  : 

er  verlos  an  der  vart  645 

Cäwirz  unde  Müsliart, 

die  im  dicke  dienten  sere, 

und  behabte  niht  möre 
,. ;;,  wan  siner  stete  viere: 

diu  nenne  ich  iu  schiere.  650 

Linode  unde  Rodel, 

die  behuop  der  helt  snel, 

und  Poitiers,  daz  waren  dri, 
>'.• '  daz  vierde  daz  was  Lenseni. 

der  gräve  nam  ze  rate  655 

alle  die  er  häte, 

er  sprach  'nu  ratet,   ez  ist  zit 

(min  lant  mir  allez  wuoste  lit), 

wie  ir  wellet  daz  ich  werbe  *, 

6  daz  ich  verderbe.  660 

ob  wir  siiln  mit  in  vehten 

(got  lät  geniezen  uns  des  rehteu, 

w'an  si  tuont  mir  äne  schulde), 
,'  ald  ob  ich  des  küneges  hulde 

gewinne,  der  uns  hat  getan.  665 

wil  ich   min  lant  von  im  hän, 

so  hat  der  kriec  ein  ende. 

e  aber  ich  sehende 
,  :  mich  selben  und  min  erben, 

ich  läz  mich  e  verderben.  670 

swem  ez  danne  nach  mir  werde,    i  b 

der  wer  als  ich  sin  erde 

oder  tuo  swie  im  gevalle.' 

640.  Vrlougs  648.   behablü             654.  daz  viertle,    vergl.  Iw.  92. 

frolfr.  trh.  45,  20.         661.    oh  fehlt.         sollent  mit  Jm         662.  uns 

vor  geniezen  665.   uns]  es          666.   ich]  ouch          669.   selbs 
673.  tüg 


DIE  GUTE  FRAU.  413 

dar  nach  rietens  alle 

bczzer  ist  iiiil  ern  verstriben  075 

dan  mit  schänden  hie  beliben.' 
den  selben  willen  hän  ouch  ich. 
vertribenl  dise  herren  mich, 
daz  enist  niht  ein  wunder. 

doch  stirbet  manec  gesunder  080 

e  ich  min   laut  rüme. 
si  vertribent  mich  vil  küme 
die  wil  mir  helfe  gestat 
diu  mir  unz  her  geholfen  hat.' 
si  sprächen  alle  geliche  685 

beide  arme  und  riebe 
'herre  min,    nu  ist  guot 
daz  ir  wisliche  tuot, 
swelh  not  iuch  an  ge. 

ir  wäret  doch  bescheiden  e  :  690 

daz  selbe  lät  nu  werden  schin. 
ir  sult  von  uns  gewis  sin, 
wir  helfen  unde  raten 
als  wir  noch  ie  geläten,  ■'■'    ' 

weit  ir  unsern  rät  begän.  695 

die  selben  stete  die  wir  hän 
die  sult  ir  schiere  bewarn 
und  sult  selbe  in  eine  varn 
•  diu  iu  diu  liebeste  s\. 

dennoch  haben  wir  nu  dri :  '  700 

dar  in  varen  aber  wir. 
herre,  dar  nach  schallet  ir 
daz  werde  iegelicher  stat 
''  ein  sölich  houbetman  gesät 

ander  den  die  andern  swern  705 

daz  si  sich  hüeten  unde  nern  ' 

rehte  als  er  si  heize, 
daz  schallet  ageleizc.' 
Si  rieln  im  alle  vaste 

674.   rittend  sy         687.  min  fe/ilt.         692.  sond         694.   noch]  iudi 
697.  698.  sond  704.  hopptman  gesalzt  708.  angelaisz 

709.  rictlend 


414  DIE  GUTE  FRAU. 

(laz  er  sinem  gaste  710 

muote  unde  bsete 

daz  erz  durch  in  ta^te 

und  ze  Linöde  füere, 

und  im  daz  volc  da  swüere 

daz  si  im  wceren  undertän.  715 

si  woltenz  alle  da  vür  hän 

daz  undr  in  niemen  waere 

ze  not  so  trostbwre. 

der  gräve  gienc  sä  zehant 

-da  er  sineu  gast  vant.  720 

,^y:i  er  nam  in  von  den  liuten  dan, 

er  sprach  'mir  räteni  mine  man 

daz  ich  iu  des  muote 

daz  ir  in  iuwer  huote 

miner  stete  eine  ruochet  nemen.  725 

:;«.,■        -    wil  iuch  des  durch  mich  gezemen, 

daz  gediene  ich  imer  me  benamen/ 

do  begunde  sich  der  gast  schämen 

der  an  in  wolte  keren 

die  arbeit  mit  eren.  730 

,.tj  •  er  sprach    des  sult  ir  mich  erlän. 

si  hänt  dar  an  niht  wol  getan 

die  iu  an  mich  rieten. 

got  sol  in  gebieten 

daz  si  iu  rätn  an  einen  man  735 

,i,  der  iu  baz  gedienen  kan, 

da  beeret  kraft  zuo  unde  sin. 

so  wizzet  ir  wol  daz  ich  bin 

in  iuwern  diensten  also  ^,; 

daz  ich  von  herzen  wa?re  vro,  740 

{i  swaz  ich  gedienen  möhte 

daz  iu  ze  dienste  tobte. 

der  gräve  vlehetc  unde  bat 

unz  er  gelobete  die  stat 

ze  behüeten  und  bewarn  ,  -•'  •        745 

710.  seinen  gast         713.    zclinodc  liere  714.  schwierc         717.  tlaz 

fehlt.  725.  nicniea  726.  zimen  727.  ymer  by  namen 

729.   der]  daz         735.  si  fehlt.         737.  hört 


DIE  GUTE  FRAU.  415 

und  durch  in  dar  in  varn. 

er  reit  des  morgens  vruo. 

man  schuof  im  hundert  ritter  zuo. 

da  fuor  er  und  die  sine 

in  daz  laut  ze  Linödine.  750 

als  er  ze  Linödine  kan, 

do  was  da  dehein  man 

si  swüeren  alle  in   sin  gebol 

unde  baten  des  daz  got 

im  salde  und  ere  giinde,  755 

Sit  er  sichs  underwünde. 

nu  was  er  unlange  da, 

er  enschüefe  ouch  eteswä 

der  über  allez  daz  laut 
,zem  besten  ritter  wart  genant.  7()0 

ich  sage  iu  rehte  w^es  er  pflac. 

er  geruowte  selten  keinen  tac 

von  grözer  arebeite. 

läge  unde  reite 

kund  er  wol  gestellen.  7«}5 

im  hülfen  sine  gesellen 

mit  manheit  und  mit  rate 

daz  er  geschuof  drate 

daz  in  daz  her  vorhte.  .;   .j.. 

vil  dicke  er  si  entworhle  770 

,11.  mit  viieterunge. 

der  volkomene  junge 

schuof  in  michel  ungemach: 

ir  guoten  market  er  in  brach 

daz  in  diu  spise  tiure  wart.  775 

,s,',j  der  kiinec  hete  an  der  vart 

dem  graven  sin  laut  gar  genomen, 

wser  er  im  niht  ze  hilfe  komen. 
Der  kiinec  zürnen  began, 

747.  morges         749.  siiien         753.  schwüren         754.  daz]   darunil) 
755.  Sed  v.   e.  gunde  (im  fehlt)         75C.    sich  hell  vndcNvundcii 
758.  entschuU'        759.   der]  Dar         762.  sellan  kain  708.' g.schafft 

hat  (drate /t'Ä//)  771.  wohl  Durch  das  ausziehen  nach  speise. 

772.  volkomenl         774.  markt 


416  DIE  GUTE  FRAU. 

er  sprach  'daz  uns  der  einec  man  780 

in  disem  witen  lande 
besitzet,  d^st  ein  schände, 
der  tiuvel  brähte  in  hiure  her. 
tsete  mir  ieman  als  er 

sinem  herren  tegeliche  tuot,  785 

dem  waere  hilfe  unde  guol 
von  mir  iemer  unversagt. 
nu  müeze  ez  gote  sin  geklagt 
daz  ich  nieman  enhän 

der  in  getürre  bestän.'  790 

do  sprach  der  herzöge  here 
herre,  ir  sult  niht  mere 
reden  von  disen  dingen. 
*'•  ich  wil  in  schiere  bringen 

eintweder  gevangen  oder  tot.'  795 

ein  triuwe  er  im  des  dar  bot. 

niht  lenger  er  entweite, 

üz  den  sinen  er  dö  weite 

daz  ir  driu  hundert  wären. 

die  begunden  sin  da  vären.  800 

si  vuoren  üz  alle  tage, 

ir  knehte  riten  nach  bejage 

als  si  ouch  e  täten. 

also  wart  er  verraten. 

daz  wart  dem  beide  unverzagel         '  805 

dar  nach  schiere  gesaget 

von  einem  garzüne 

daz  sin  die  Brituue  ' 

lägeten  aller  tegelich. 

dö  sprach  er  'daz  ist  billich  810 

daz  man  den  vinden  schaden  tuo        '-■ 

beidiu  späte  unde  vruo,' 

do  ergienc  ez  vil  bereite  ' 

als  er  üf  leite. 

782.  besitzt  das  ist           783.  hür,  vcrgl.  625  JT,  797.  enlwalle 
798.  walte          801.  allen  tac          803.   tetleii  808.   sin]  im.     viel- 
leicht ist  der  dativ  zu  bewahren,  vergl.  844.  811.    lüg 
812.  früg         813.  Do  gieng  er  uil 


DIE  GUTE  FRAU.  417 

(16  diu  ros  daz  vuoter  gazen,  815 

zehanl  si  druf  säzen. 

sus  reit  der  helt  balde 

sä  gegen  eime  walde 

des  selben  nahtes  späte, 

den  er  erkoren  häte  820 

zer  aller  besten  huote. 

dö  bat  si  der  guote 

daz  si  stille  laegen 

und  deheines  Schalles  pfla?gen. 

er  sprach  'swie  wenec  unser  si,  825 

uns  lit  ein  michel  her  hie  bi.' 

als  lägen  si  mit  sorgen. 

dö  in  erschein  der  morgen, 

dö  sprach  er  'ich  wil  riten: 

nu  sult  ir  min  hie  biten  830 

hinder  disem  rise. 

nu  tuot  als  ich  iuch  wise. 

in  si  daz  allen  vorgesaget, 

swer  mich  da  her  zuo  iu  jaget, 

dem  hänt  wir  wol  geliehen  strit.  835 

als  ichz  erhebe,  so  komet  enzit. 

wirt  aber  der  jegere  ze  vil, 

so  sage  i'u  wie  ich  tuon  wil : 

ich  vliuhe  ein  ander  sträzen, 

so  sult  ir  mich  läzen  840 

vliehen  und  verliget  ir, 

und  ritet  danne  nach  mir, 

so  iu  werde  der  rün. 

unser  läget  der  Britün 

mit  siner  geselleschefte  845 

die  hänt  uns  überkrefte. 

von  diu  pflegt  gewarheit  ' 


817.  Sunsl  821.  Zc  826.  gotli^  das  rechtt         835.  Denn 

838.   ich  üoch  839.  So  fliuch  ich  e.  a.  strassze  840.  mich]  nil 

841.  Fliechent  843.   run  844.  Vnns  lagcnt  die  pritün 

845.  gesi'llschaflte         846.  iiberkrafft*;  847.  die  pfligt  warheil 

848.  Aiu  nüw  wirt  widerrail,    woraus  ivh  nichts  zu  machen  weiß, 
Z.  F.  D.  A.    II.  27 


418  DIE  GUTE  FRAU. 

Nu  tüten  si  als  er  in  riel 
vroeliche  er  von  in  schiet  850 

selbe  vierzehende. 
(16  reit  er  umbe  spehencic 
bi  den  viuden  lif  der  warle. 
dö  kam  sä  vi!  harte 

der  Britüne  herre  :  855 

des  schar  was  diu  merre. 
als  er  si  hätc  gesehen, 
er  sprach  'uns  mac  niht  geschehen 
.,  :  wan  daz  uns  geschehen  sol. 

daz  gevüeget  sich  ouch  wol.  860 

wir  suln  in  striten  üf  reliL' 
do   enbeit  der  guote  kneht 
unz  si  si  wol  besahen, 
dö   sin  begunden  nähen, 

zuo  zini  der  da  habLe  865 

gezogenliche  er  drabte 
^     vor  in  werliche. 
siege  unde   Stiche 
die  wären  da  wol  veile : 

der  wart  im  vil  ze  teile.  •  870 

man  stach  unde  sluoc  in 
über  ein  wit  velt  hin. 
ich  sage  iu  rehte  wes  er  gnas :        > 
daz  er  ein  ziere  ritter  was 

unde  manhaft  genuoc.    •     ;        ^  .  875 

vünf  ros  er  in  sluoc 
,  unz  hin  zem  holze  vorne, 
dö  warf  der  wol  geborne 
sin  ros  hinwider  diu  ougen. 

die  da  lägen  tougen  '  880 

verborgen  in  dem  walde,  -^ 

die  körnen  sä  vil  balde. 
dö  wart  der  scha'neste  strit 

849.  lelleud  853.  der]  einer  854.  kiim   so.     vielleicht  ist  gähtc 

zu  schreiben,  icegen  harte.        855.    pritun  höre         861.  söllent  mit  Jn 
862.  cmbaiezt  864.  Do  beg.  Jnen  866.  Gezoglich  873.  in 

fehlt.        877.  verne 


DIE  GUTE  FRAU.  419 

der  vor  des  aide  sit 

von  so  vil  liuten  ie  geschach.  885 

diu  minder  schar  durch  brach 
durch  die  merren  vil  ges winde, 
der  gast  und  sin  gesinde 
vähten  nianlichen. 

des  muosten  in  entwichen  890 

des  herzogen  ritterschaft. 
si  bestuonden  si  mit  sölher  kraft 
daz  sis  ze  vlühtc  twungen. 
do  begegenle  dem  jungen 

der  herzöge  in  dem  strite.  895 

in  harte  kurzer  zite 
twanc  er  in  manlichen, 
wan  im  warn  entwichen 
die  im  helfen  sollen  da. 

do  vienc  in  der  hell  sä  900 

und  twanc  in  mit  gewalte, 
den  pris  man  im  dö  zalte. 
swen  nu  der  rede  wundert 
daz  hundert  driu  hundert 
.     ,         viengen  unde  ersluogen,  905 

daz  geschsehe  oueh  hiute  genuogen, 
swä  ungewarnte  liute  riten 
und  ir  gewarnete  biten 
verholen  in  einer  läge, 

daz  man  von  sinem  mäge  910 

vlühe  e  er  bevünde 
aide  wol  gcmerken  künde 
welaht  jener  wa^rc. 
also  vuocten  sich  diu  ma^re.  : 

si  sluogen  unde  viengcji  915 

swaz  so  si  ir  begiengen  ,        . 

884.  (lez  aller  zilt  893.  sis]  sy  894.  De  begegnol 

906.  geschacli  —  gnüge  908.  Je.  der  dichter  hat  sieh  entioeder  die 

gottfriedische  unrej^elmäfsigkeit  erlaubt  (und  ir  gewarnete  biten,  ver^^l. 
zu  Iw.  6575,  denn  lindc  ir  gewarnte  biten  tväre  zu  hart)  oder  gewar- 
note  gesagt.  911.  Flucht  er  befände  913.  vergl.  1063.  da  die 

form  welacht  zweimal  vorkommt,  wage  ich  nicht  zu  ändern. 
915.  schlug 

27* 


/,20  DIE  GUTE  FRAU. 

und  rilen  vroeliche  liein. 

dö  muost  der  kiinec  sinn   oehein 

biiezen  unde  gelten. 

dem  gräven  dem  was  selten  920 

da  vor  so  wol  gelungen. 

nu  dankete  er  dem  jungen. 

als  der  zc  Linode  kan, 

do  sante  er  sinen  boten  dan 

und  enbot  dem  gräven  m?ere,  925 

wie  im  gelungen  waere, 

und  der  im  kunt  Isete 
,.  -  daz  er  gevangen  hsete 

den  von  Britanje  laut. 
.  '     .  dö  daz  der  gräve  bevant,  930 

dö  schiet  in  daz  miere 

von  aller  siner  swa're. 

er  kam  ouch  zallem  guote. 

im  wart  nach  sinem  muote 

vergolten  iesä  zehant  935 

'  beide  roup  unde  branl. 

Dö  der  gräve  und  sin  lanl 
,'  '  mit  grözen  eren  überwant 

sinen  kumbr  und  sine  not, 

sinem  gaste  er  dö  bot  ;  ~  940 

sin  tohter  ze  wibe  , 

und  nach  sinem  libe 

daz  lant  ze  Poitouwe. 

des  erwande  in  sin  vrouwe. 

er  sprach  'des  erlät  mich :  '         945 

ez  waere  unvuogelich.  ' 

ich  wart  der  eren  nie  wert.        "    *- 

der  herzöge  iuwer  tohter  gert, 

den  ir  da  gevangen  hat: 

dem  gebet  si,  daz  ist  min  rät:  950 

ich  rätez  üf  die  triuwe  min. 

918.  seiu         920.  seltan  923.  der]  er.  iinsci^  ritter  ist  gemeint. 

925.  embollen  den  gr.  mere         927.  dar  Jim         929.  den  herczogen 
939.  kumer  943.  peltowe  945.  des]  der  948.  begert 

951.  ratts 


DIE  GÜTE  FHAU.  421 

so  mac  iuwer  suone  sin 
stselc  linde  veste. 
(laz  (lunket  mich  daz  beste. 

<laz  ergic  vil  bereite  955 

als  er  üf  leite. 
(16  diu  suone  wart  gesät, 
zehant  er  urloubes  bat 
jze  riten  heim  ze  laude. 

der  gräve  in  des  ervvande  960 

harte  kiime  und  doch  mit  bete, 
daz  er  ungerne  tete. 
nu  möhtc  niemen  wizzen 
wie  si  sich  alle  vlizzen 

ze  tuonne  swaz  er  wolle.  965 

swenn  er  ze  hove  solle 
ald  zer  herberge  riten. 
so  dolle  er  zallen  zilen 
von  gedrange  michel  ungemach. 
swer  in  zuo  einem  male  gesach,  970 

der  wände  sin  vür  war 
deste  sa^liger  ein  jär.  - 

in  dirre  wirdekeile 
vant  in  ein  böte  bereite, 

der  sagete  im  leidiu  ma.Te,  975 

daz  siner  vrouwen  wäre 
ir  laut  wol  halbez  genomen. 
dö  sprach  er  'wie  ist  daz  komen? 
aide  wer  hat  daz  getan?' 

daz  läze  ich  schiere  iuch  verstän.  980 

der  gräve  Wide  von  Averne 
haite  si  ze  wibe  gerne, 
dö  enwolt  ab  si  sin  niht.  :  - 

da  von  ir  daz  leit  geschiht. 
er  reit  mit  her  in  ir  lant:  985 


952.  sun      957.  sunn      960.  in  des]  iiil      961.  kom      962.  er,  der  rittcv. 
963.  inoclil         965.  zelun  972.   sin  vor  ein         974.   in  ein]  min 

977.  hall)  980.   bcstan.  dies  soll  nach  Zieinarin  MS.    1,  70''   in  der 

bedeiUung  von  verstän  vorkommen,   ist  aber  dort  so  gebraucht  wie  iv 
diesem  gedichtc  1315. 


422  DIE  GUTE  FRAU. 

daz  hat  er  allez  verbräm 
und  liget  noch  mit  gewalte  da/ 
vür  sinen  herren  vuor  er  sä. 
an  sinen  vuoz  er  sich  bot, 

er  sprach  'nu  ist  mir  erste  not,  ^90 

weit  ir  mir  iemer  rät  geben, 
al  die  wile  ich  hän  daz  leben 
so  muoz  ich  vertriben  sin, 
vertribet  man  die  vrouwen  min 
diu  mich  von  kinde  hat  gezogen.  995 

ode  mir  hat  ir  böte  gelogen, 
si  urliuget  sSre 
und  hat  hilfe  lützel  mere. 
.  '  nu  hat  si  her  an  mich  gesant.' 

Do  sprach  der  gräve  zehant  JOOO 

'des  wil  ich  iemer  got  loben 

und  den  guoten  sant  Jacoben 

daz  ez  ir  solte  widervarn. 
•  nu  wil  ich  niemer  gesparn 

weder  lip  noch  daz  guot.  "  ^  1005 

swer  dem  andern  wol  tuot, 

tuot  er  im  da  wider  leit,  :  , 

daz  ist  ein  groziu  bosheit. 

ir  hat  vil  wol  an  mir  getan. 

daz  ich  min  laut  hiute  hän,  '  1010 

des  hülfet  ir  mir  eine    ^v;  7  •  -  ,'    i  . 

und  anders  iemen  deine. 

ich  hilfe  iuch  da  widere 

ald  ich  gelige  darnidere.' 

der  gräve  boten  sante :  '  1015 

nach  den  boten  er  selbe  rante. 
■   er  sprach  mäge  unde  man,  • 

unz  er  vünf  hundert  ritter  gwan 

den  eines  ringes  niht  enbrasl. 

die  riten  alle  durch  den  gast  1020 

harte  willecliche.  ' ' 

998.  verluget  999.  in  der  hs.  schon  hier  absatz.  1005.  daz 

fehlt.  1013.  ouch  1Ü16.   ist  bolen  zu  strcichenlf         stlb  da 

1021.  willeacl.  .  ■ 


DIE  GUTE  FRAU.  423 

sus  vuüi-  der  lugeiilriche 
wider  heim  ze  lande. 
mit  ereil  äne  schände. 

<lö  der  hole  siner  vrouwen  kam  1025 

und  daz  si  rehte  vernani 
sin  wirdeclichen  ere, 
dö  vreute  si  sich  sere 
und  gedahte  in  ir  muote 

ja  herre  got  der  guole,  1030 

diner  gnaden  der  ist  nie 
dan  der  vische  inie  se. 
noch  wirt  min  alse  guot  rat 
als  der  diu  einen  man  hat. 

ich  weiz  wol  daz  da  her  verl  H)35 

ein  man  der  min  laut  wert 
so  er  aller  beste  kan.' 
dö  daz  her  diu  msere  vernan 
'■  daz  da  krem  ein  ander  her, 

gen  dem  schuofen  si  ir  wer.  1040 

dö  si  komen  in  daz  laut, 
der  e  gast  was  genant, 
der  wart  nu  wirt,  si  gaste. 
in  schuof  der  muotveste  ■ 

gemach  als  er  wol  künde,  1045 

wan  er  in  guotes  guude. 
dar  an  enwas  dehein  zil : 
rosse  und  liute  heten  si  vil, 
nu  enböt  er  siner  vrouwen, 
si  soll  ir  balde  zouwen  1050 

im  senden  swen  si  möhle  haUo 
daz  wart  vil  schiere  getan: 
si  sanle  im  in  einer  schar 
•  '    .  vünf  hundert  biderber  ritter  dar 

und  tilsent  serjande,  1055 

die  besten  von  ir  lande, 
die  wären  willec  üf  die  vart 

!022.  Sunst  für        1027.  winlencl.         1038.  frowl         1039.  kaem  ein] 
kain  1042.  genamt  1043.  vü  sy  1046.  wol  gulz 

1048.  hatten         1050.  sölt  —  scLowen         1057.  viilicht 


424  DIE  GUTE  FRAU. 

und  liezn  ir  hiuser  wol  bewarl. 

Do  si  zeinander  kämen 
und  die  geste  verniimen  1060 

von  den  vome  lande, 
do  was  in  harte  ande, 
welaht  jener  wsere. 
sich  huop  urliuges  majre. 

dö  hugelens  alle  uf  einen  strit.  1065 

des  wurden  si  gewert  sit : 
wan  im  was  strites  gedäht, 
der  si  dar  hete  bräht. 
der  reit  des  morgens  zehant 
da  er  die  viende  vant  1070 

...'  und  kam  in  also  nähen 

daz  si  einander  sähen, 
er  schuof  sim  her  durch  gemach 
ir  herberge  an  einen  bach 

der  zwischen  in  nider  vloz.  1075 

daz  wazzer  was  also  groz 
daz  ez  ze  den  selben  ziten 
da  niemen  moht  erriten, 
so  rehte  tief  was  der  sant.  ..      •  > 

ez  ist  noch  Aller  genant.  1080 

der  gräve  Wide  von  Averne 
dem  tobte  ouch  niht  zemberne, 
erne  schliefe  under  in 
beidiu  wer  unde  sin: 

wan  er  hete  dri  starke  schar  1085 

die  im  gevolget  beten  dar. 
des  siges  des  versach  er  sich        .  ,  , 
und  was  ouch  gnuoc  werlich :        \,,,. 
des  was  er  innerlichen  vrö. 
da  wider  gedähte  er  aber  do  1090 

1058.    liessz  1059.    zu  aia.   körnen  lOCO.    v  nomen 

1061.  vome]  von  dem  1064.  vrlougs  1065.    hugetes 

1066.  gewar  1069.    der]    do  morges  1073.    sein 

1078.  erriten  in  dieser  bedeutuns  kenne  ich  nm-  aus  Notk.  ps.  67,  25. 
1080.  gedannl  1083.   Den  dog»  1083.  Er  scliulT  1089.  inne- 

clichen?         1090.  selb 


DIE  GÜTE  FRAU.  425 

ich  hau  ez  dicke  gesehen 

und  ist  mir  selben  geschehen, 

swä  ein  spil  geteilet  wart 

nf  breite  ald  an  hashart, 

swer  da  daz  wseger  kos,  1095 

daz  er  dicke  verlos. 

also  ist  mir  geleilt  ein  spil 

dar  an  ich  gewinnen  wil, 

ob  ich  sailec  wart  geborn : 

wirt  aber  min  teil  verlorn,  1100 

so  enruoche  ich  wer  diu  pfant  hat, 

wan  so  wirt  min  nimer  rät.' 

hie  von  het  er  beide 

liebe  unde  leide. 
-  Mit  rede  ich  iuch  betiute,  1105 

von  welher  bände  liute 

er  dri  schar  hüte : 
-,      die  nenne  ich  in  drate. 

der  gräve  von  Murlan, 

dem  was  Gascön  undertän,  1110 

der  kam  durch   sinen  willen  dar. 

dö  braht  die  anderen  schar 

ein  gräve,  der  hiez  Lufer, 

von  Provenze  was  der. 

diu  dritte  schar  sin  selbes  was.  1115 

üz  den  drin  scharn  er  dö  las 

die  besten  alle  die  naht 

mit  den  er  smorgens  vruo  vaht. 

dö  schuofen  jene  under  in 
.    ,  zwo  schar  gen  den  drin.  1120 

der  guote  kneht  sich  underwant 
»  der  die  er  brähte  in  daz  lant: 

die  teten  gern  swaz  er  si  hiez. 

iuy4.  vcrgl.  Jacob  Grimm  in  der  zcitsclir.  f.  d.  alt,  1,  57ti.  dort  wird 
ein  lia.seli.irt  lif  einem  brel  erwähnt;  hier  scheinen  nf  breite  und  an 
hashart  verschiedene  spiele  zu  sein,  diese  stelle  ist  ohne  zweij'el  die 
älteste  in  dei'  dies  ivort  bisher  gefunden  ist.  1095.   da  fehlt.  i 

1099.  ob]  das         1110.  Gason         1112.  ander  1118.  dez  ni.   vor 

1122.  er  fehlt.         1123.  gern  zu  streichend 


426  DIE  GÜTE  FRAU. 

dem  gräveii  er  die  sineu  liez 

und  bat  in  nächhuote  :  1125 

daz  lobete  im  der  guote. 

niorne,  dö  ez  tac  wart, 

si  körnen  beidenthalp  geschart 

mitten  ilf  ein   ouwe. 

dö  vrumt  diu  guote  vrouwe  1130 

des  selben  tages  sä  zestunt 

vii  manegen  töten  unde  wunl. 

daz  was  doch  an  ir  schulde  gar. 

zesamene  körnen  dise  schar 

mitten  ime  vurte,  1135 

da  man  manegen  nider  hurte 

der  niemer  mere  üf  gesaz.  v 

-'M  j  si  wurden   müede  unde  naz. 

swelher  da  nider  kan, 

den  generte  nie  man,  1140 

er  muoste  da  beliben  tot. 

daz  lüler  wazzer  wart  röt 
'•    '  vil  schiere  von  dem  bluote    \  •,       »■: 

da  die  beide  guote 

striten  in  dem  wäge.  1145 

nieman  bedarf  der  vräge 

wie  ez  der  helt  strete 
■    '  des  selben  tages  tsete. 

er  werte  mit  siner  hanl 

sine  vrouwen  unde  ir  laut  1150 

des  tages   mit  gewalte. 

den  pris  man  im  zalte.  •.        ,  =. 

er  dranc  unde  er  hurte, 

unz  er  üz  dem  vurte  ,1 

getete  sunder  twäle  .     '  1155 

mit  gwalt  die  Provinzäle.      . 

als  er  daz  laut  dö  gewau, 

sin  herre  mit  den  vanen  kan.  * 

dö  wart  gevärwel  daz  gras 

1127.  Mornen  1135.   in  ain  fute         1140.   nieinaii         1144.  heldeii 

1155.  sonder  wal  115(i.  den  prouiczal  1158.  raueu.     »n  hcrro 

rer/,'/.  907.   1177.         1159.  grün  grrasz 


DIE  GCTE  FRAU.  427 

röt,  daz  e  grüene  was.  1160 

der  gräve  und  die  sine, 

die  stolzen  Poitewine, 

drangen  sament  durch  die  schar 

als  ez  wa^re  ein  ror  gar. 

do  bestuont  der  gräve  Wide  1165 

mit  harte  grozem  nide 

die  herren  vorne  lande. 

vil  verre  mann  erkande : 

sin  wäfenroc  was  riche, 

er  erschein  gar  werliche  1170 

von  im  als  ein  Sterne . 

der  gräve  von  Averne 

der  was  ein  helt  ze  aller  zit 

doch  kund  er  niht  genern  sit 

den  gräven  von  Murlan.  1175 

daz  het  er  gerne  getan : 

do  enliez  in  des  gräven  man 

der  von  Poitouwe  kan. 

waz  sol  ich  iu  nu  mere  sagen? 

da  wart  gevangen  unde  erslagen     ■  '  1180 

meistec  allez  daz  da  was. 

der  aber  entran  und  genas, 

der  verlos  ganzliche.  ... 

"•  jene  wurden  also  riche 

daz  si  ez  fuorten  küme.  1185 

si  vuoren  hin  zem  pflume  '' 

und   herhcrgcteu  zehant. 

dise  vrouwen  unde  ir  lant 
'  erloste  ir  geselle.  ' 

nu  löne  im  so  si  welle!  1190 

ouch  wart  er  an  der  selben  stunl 

in  eine  hant  sA  s«;re  wunl 

daz  er  einen  krumbcn  vinger  gwan 
■'■  der  im  sit  ze  grözeii  slalen  kan. 

do  disiu  rede  also  ergie  1195 

116U.   cj  es  1162.  Do  stoUzleii  boitwinen  1168.   man  in 

tl69.  Waffen  rot         1172.  wid  v.  A.         1174.   doch — sit]  als  man  von 
Iin  seil         1185.  Iure  Itomcn  IIS'J.  Er  erlossl  ir  Jr  gesellen 


428  DIE  GÜTE  FRAU. 

imd  sich  daz  her  nider  gelie 

und  daz  diu  vrouwe  veruam, 

zehant  si  geriten  kam 

harte  schöne  über  daz  vell 

vür  des  gräven  gezelt  1200 

da  si  in  inne  wesle. 

do  enpfienc  der  muotveste 

die  vrouwen  schone  unde  woi, 

als  man  lieben  vriunt  sol. 

ouch  enpfienc  in   diu  riche  1205 

gar  güelliche: 

si  hiez  in  willekomen  sin 

und  sprach    vil  lieber  herre  min, 

ir  hat  vil  wol  an  mir  getan. 

mich  wolte  der  herre  hän  1210 

*:  mit  gewalte  äne  reht, 

als  ir  selbe  wol  seht 

wie  er  min  laut  verwiiestet  hat. 

daz  ez  nu  vrideliche  stat, 

des  hat  ir  mir  geholfen  wol.      ,       .^  1215 

.    .  nune  weiz  ich  wie  ich   dienen  sol 

dise  manecvalten  ere, 

wan  daz  ich  ieraer  mere 
,  in  iuwerm  dienste  schine 

mit  triuwen  und  die  mine.'  1220 

[er  sprach]  Vrouwe,  ir  müezt  die  rede  län. 

swaz  ich  in  gedienet  hän, 

daz  tete  ich  gerne  an  iuwer  bete.- 

danket  ir  es  dem  durch  den  ichz  tele. 

mir  half  ein  iuwer  lantman,  1225 

^  ;  daz  ich  ez  niemer  enkan 

gedienen  als  ich  solte,  -  ,  • 

ob  er  dienest  nemen  wolte. 

mir  half  sin  manheit  und  sin  sin 

daz  ich  ein  richer  herre  bin,  ,    1230 

und  was,  do  er  ze  mir  kau,  : 

belalle  ein  vertriben  man. 

1199.  (lazj  ciids         U17.  meniguult  1223.  gebelt.         1225.  aiiier 

1228.  nicmeii  -<.'.•;.  ''     vi 


DIE  GUTE  FRAU.  42U 

den  selben  sult  ir  willec  hän, 

so  kan  ez  iu  nihl  missegAn.' 

ilannoch  enweste  der  hell  halt  1235 

wiez  undr  in  zwein  was  gestalt. 

Diu  milte  und  diu  riebe 
enpfienc  vil  werdeclicbe 
ir  gesellen  den  degen. 

da  wart  ir  nacb  vil  nianec  segen,  1240 

dö  diu  vrouwe  gemeit 
wider  bin  ze  büse  reit, 
soll  ich  iu  sagen  wie  si  reit 
und  wie  si  wwre  becleit, 

und  ir  juncvrowen  besunder,  1245 

daz  diubte  iucb  ein  wunder, 
si  heles  an  guote  wol  gewall  :■ 

und  was  ouch  dar  zuo  gestalt 
alse  wol  ze  wäre 

an  libe  und  an  bare  1250 

daz  ir  alle  die  jaben 
die   si  des  tages  gesäben, 
si  geswben  nie  so  scbcene  maget.   ; 
swaz  iu  von  ir  was  gesaget, 
des  jäben  si  ir  alle  nie.  1255 

Wol  dri  tage  unde  me 
reit  er  bin  wider  mit  in. 
do  teilten  si  ir  gewin 
und  riten  vroeliche  hein. 

do  sacb  man  under  in  zwein  1260 

manege  triuwe  ein  ander  geben, 
die  wil  si  möbten  geleben 
daz  iemer  wtere  mit  kraft 
sta'te  ir  gesellescbaft. 

daz  kint  scbiet  trürende  dan.  1265 

daz  machele,  im  lac  allez  an 
sin  berze  in  eime  stricke 
und  ermante  in  vil  dicke 

1^33.  sond         1?35.  wisst  nicht  d.         1238.  werden!.         1240.  vuor? 
1243.  Soll  1247.  hell  es  1256.  in  der  hs.  kein  absatz. 

1262.  mochten       1265.  trurig       1266.  lang  allsan       1268.  Ja  ermant  uil 


430  DIE  GÜTE  FRAU. 

(laz  er  nach  liebe  hete  leit. 
(16  was  diu  Minne  vil  gereit:  1270 

si  riet  im,  als  siui  e  riet, 
do  er  von  siner  vrouwen  schiel, 
daz  er  guotiu  wip  erte 
und  von  den  boesen  kerte 

und  dar  au  stsete  belibe,  1275 

und  swie  lang  er  daz  tribe 
und  swie  wenec  ers  genüzze, 
daz  ez  in  niht  verdrüzze. 
daz  treip  er  also  manegen  tac 
daz  ich  viir  war  wol  sprechen  niac  1280 

daz  man  in  wälscher  zungeir 
so  wol  gelobeten  jungen 
in  allen  enden  niender  vant, 
•  wan  er  siner  vrouwen  het  ir  laut 

erlost  albetalle:  1285 

'  w  -  des  jähen  si  im  alle. 

nu  erbarmte  die  Minne, 

daz  er  lip  und  sinne  ^ 

an  ir  genäde  häte  ergeben 

und  ein  so  jgemerlichez  leben  1290 

von  ir  schulde  ha^t  erkorn. 

si  Iwanc  die  maget  wol  geborn 

daz  si  ouch  wehsein  began 

ir  minne  wider  den  man. 

ir  wart  nach  im  als  we  '1295 

als  im  nach  ir  was  gwesen  r. 

als  si  von  der  Minnen 

also  waren  überwunden, 

swaz  si  da  vor  künden  1300 

trinken  oder  ezzen,  < 

des  wart  gar  vergezzen, 

lachen  unde  singen 

1269.  liebin  1271.  sim]  Jm  1283.   iiieiiert  1286.  Das 

1291.  von]  Vnd  1293.  si  fehl/.  1298.  etwa  au  iibe  unde  an  sin- 
nen, oder,  da  die  Hielte  nicht  bezeichnet  ist,  um  1296  zu  glätten,  als 
im  was  gewesen  «'•  nach  ir  in  sinen  sinnen.  1300.   dauon 


DIE  GÜTE  FHAI  .  431 

daz  warl  ze  andern  din<»en 

harte  verkeret.  1305 

swen  minne  leben  lerei, 

dem  widervert  dicke 

liebe  und  iierzen  schricke. 

swie  groz  diu  liebe  si, 

so  wcse  gewarnet  da  bi  13l() 

mit  liebe  und  mit  leide, 

wie  si  die  gescheide 

die  mit  vröuden  selten  werden  alt. 

herre,  wer  gap  ir  den  gewall 

(ern  beslät  si  ze  nilite)  1315 

daz  si  scheidet  äne  gerihte 

daz  gerne  samet  wa^re  ? 

der  selbe  scheida^re, 

der  heizet  missew^ende 

und  liep  ze  leid  ende.  1320 

Babilonje  diu  stuont  e, 

die  wile  disiu  werlt  gesle 

so  gewinnet  niemer  mere 

dehein  stat  so  michel  ere. 

da  was   gesezzen  inne  1325 

ein  richiu  küneginne. 

ez  enwart  nie  küneges  gewalt 

zuo  der  vrouwen  gezalt 

noch  enmöhte  niemer  werden. 

si  was  uf  al  der  erden  1330 

gewaltec  rchte  als  in  ir  iianl: 

si  vuor  mit  her  in  elliu  laut. 

diu  selbe  küneginne  -    . 

pflac  wunderlicher  minne. 

si  was  vil  selten  äne  man:  1335 


1304.  Dez  1309.  die  liebü  ist  sy  1310.  wese]  bis  1311.  liebi 
1315.  er  einbestat  1318  und  1319.  Die,  was  ich  nicht,  wage  stehen 
zu  lafscn.  1330.  liep  ze  leid  ende  ist  wie  ein  ivort  zu  betrachten, 

vielleicht  ist  jedoch  liebe  leidez  ende  zu  schreiben  oder  mit  grüj'se- 
rer  kühnheit  1310  scheide  zu  lesen,  1318  und  1319  in  klammern  zu 
schliefsen,  und  zu  verbinden  den  gcwall  daz  si  scheide  and  —  ende. 
1323.  niemät        1325.  da]  Das         1330.  aller  der        1335.  sellan 


432  DIE  GUTE  FRAU. 

s weihen  si  des  nahtes  gwan, 

er  laite  ir  liep  oder  leit, 

dem  was  des  morgens  bereit 

daz  man  imz  houbet  abe  sluoc : 

si  verdarbte  liute  genuoc.  134Ü 

also  git  Minne  beide 

liebe  unde  leide. 

si  lönet  ze  gelicher  wis 

als  diu  künegin  ir  ämis. 

diu  gap  ie  den  Ion  den  tot:  1345 

als  lonet  si  mit  seneder  not. 
..<  .  nu  ist  iedoch  vrou  Minne 

meister  aller  sinne, 

si  einec  ist  betalle 

honec  unde  galle,  1350 

alt  unde  niuwe, 

vreude  unde  riuwe, 

weich  unde  herte, 

sieht  und  ungeverle, 
-  grilsen  unde  vehen,  1355 

dröuwen  unde  vlehen, 

släfen  unde  erwecken,  . 

zarten  unde  erschrecken : 

des  hat  si  alles  gewalt. 

ir  gevalt  ist  manecvalt  1360 

daz  ir  niht  des  widerslät     .,  .       .      ■ 

daz  herze  unde  sinne  hat. 
Swer  nu  an  disen  kinden 

wil  ze  rehte  vinden 

waz  si  leben  äne  minne,  1365 

der  enhät  deheine  sinne.       •  - 

swem  rehte  kunt  wa3re 

ir  mauecvaltiu  swcere 

die  si  nach  ein  ander  truogen,     '., 

den  möhte  ez  wol  genuogen.  1370 

ich  sage  iu  sinen  kumber : 

1336.  die  n.ichlz  1337.  teil         1338.  morgcs  1339.  heppt 

1340.  verderbt  134».  all  belallc  1361.  iiiclitz  w.  1363.   an 

feh/t.         1368.  nuiiiiguällige         1371.  kumer 


DIE  GUTE  FRAU.  433 

er  gedähte   ich  vil  tumber, 
waz  solle  mir  der  tumbe  wän? 
von  der  ich  liebe  wände  hän, 
diu  ist  ein  vrouwe  riche:  1375 

so  lebe  ich  armliche, 
si  wirt  mir  also  schiere 
als  Melze,  alse  Triere. 
dö  was  der  vrouwen  giiote 

anders  ze  muote,  1380 

vil  reht  als  iu  sagen  wil. 
und  merket  iemen  uns  daz  spil, 
so  si  sin  gröziu  vrümekeit 
gein  mime  guote  geleit: 

so  mac  ez  wol  geliche  sin.  1385 

rätent  ez  die  vriuude  min, 
ich  nime  in  gerne  zeinem  man. 
ob  ichs  niht  an  in  vinden  kan, 
ich  minne  in  an  ir  aller  rät. 
der  rehte  wisse  wiez  nu  stät,  1390 

der  hülfe  mirs  bezite. 
swaz  ich  vürbaz  bite, 
daz  ist  wider  minen  danc' 
diu  Minne  si  zesamme  twanc: 
diu  kundes  wol  gevellen  1395 

,:,  '  ensamt  ze  einem  wellen, 

si  sante  nach  ir  mannen 

und  nach  ir  vriundeu  dannen  ' .  -^-^ 

und  dähte,  swie  si  den  gelüge 
und  si  mit  listen  betrüge,  1400 

daz  ez  doch  guot  wtere. 
si  sprach    mir  wart  ein  maere 
gesaget  nähten  späte, 
daz  man  aber  rate 
an  min  guot  und  an  min  ere.  1405 

1372.  Turner  1378.  Also  mctz  also  Trier  1382.   Vnd  merk  uff 

dz  sp.,  und  tadelt  es  jemand.  1384.  Gen  Jn  min  g.  1385.  ez] 

Jr  1389.  Ich  ich  min  (nim?)  Jn  on  aller  Jrer  r.  1390.  rechten 

wicz         1391.  gar  zitte  1395.  kund  sy  1396.  One  sant  ze  sine 

wollen,     ohne  zweifcl  ist  wellen  noch  verderbt.  1403.  nacht 

Z.  F.  D.  A.  II.  28 


4S4  -  DIE  GUTE  FRAU. 

nu  viirhte  ich  mir  vil  sere : 

ich  bin  eia  maget  äne  sin.' 

dö  sprach  einer  under  in 

'vrouwe,  ir  sultz  vür  guot  han, 

disiu  vorhte  und  dirre  wän  1410 

ist  uns  bereit  ze  aller  zit. 

die  wiie  ir  äne  man  sit, 

so  sint  wir  alle  verlorn, 

irn  kieset  einn  man  wol  geborn 

der  uns  wer  und  iuwer  laut.  1415 

do  sprach  diu  vrouwe  zehant 

ich  enwil  noch  enmac 

hinnen  vür  deheinen  tac 
'    "  '8Ci  "z  iuwerm  rate  geleben. 

weit  ir  mir  einen  man  geben,  1420 

1^  den  kieset  als  es  iuch  gezeme 

daz  ich  in  durch  iuwern  willen  nemc. 

si  sprächen  alle  'vrouwe, 
r,i:  der  dem  gräven  von  Poitouwe 

sin  laut  widere  gewan,  1425 

weer  iu  der  liep  ze  einem  man,. 

der  bete  iuch  billiche. 

der  wert  euch  iuwer  riebe 
ij:  manlichen  als  ein  helt.'  ;- 

diu  vrouwe  sprach  'sit  ir  in  weit,     s  1430 

ich  nime  in  gern  durch  iuwern  rät,  •; 

Sit  daz  ir  mirz  geraten  hat.  t 

dö  wert  in  vrouwe  Minne  '■ 

1      ;  an  libe  unde  au  sinne  n     -    'ii.i 

vil  rehl  nach  sinem  muole  >  1435 

an  wibe  unde  an  guote  < 

als  sim  geheizen  bäte. 

swer  nach  ir  rate  > 

1409.  soll  es  1411.   isl /vhlt.  1414.  Jr  kiessct  ,\r  aineii 

1415.  yvcv  fehlt.  14'il.  gezim  1422.  daz]  sit         neme]  niiii 

1424.   Der  den  gr.         1425.  poitowc         1428.  wirl         1429.  Manlich 
143Ü — 32.    vielleicht  ist  die  dreimalige  erwähnung  des  rathes  wenig- 
stens einmal  dadurch  zu  vermeiden   da/s   man    1431   ze  hirät  schreibt. 
1438.  War  ....  ,•••  r^  A'Vv,,   "il.  --.r,    i. 


DIE  GÜTE  FRAU.  485 

Wirbel,  derst  behalten, 

und  wil  er  sinne  walten.  1440 

Do  ditze  raa?re  üz  kan, 
daz  diu  vrouwe  bete  disen  man, 
daz  wart  über  al  daz  laut 
ze  grozen  eren  bewant. 

si  spracben  alle  geliche,  1445 

beidiu  arme  und  riebe, 
er  solt  si  billicbe  bän. 
oucb  bet  si  wol  an  im  getan, 
er  was  vro  und  si  was  vro : 
ir  vreude  scbuof  sich  also  1450 

alle  stunde  und  alle  vart 
daz  in  ande  niene  wart, 
daz  bekumberte  laut  -^ 

den  aller  besten  vride  vant 

der  da  vor  ie  drinne  wart.  1455 

ir  ungenäde  was  verspart. 
'<  dem  bcrren  liebte  sin  wip 

beidiu  leben  unde  lip. 
er  lebete  als  er  wol  künde.  ('j,i 

hebeche  unde  ouch  bunde,  1460 

valken  unde  winde 
bet  er  in  sime  gesinde  v ,' 

ze  allen  zilcn  harte  vil. 
hundc  unde  vederspil 

was  sin  kurzwil  allen  tac,  1465 

swenn  er  da  heime  müezec  lac. 
!  doch  verlac  er  selten  durch  gemach, 

swa  ime  lande  iht  gescbach      '      ». 
daz  iht  traf  ze  rillerschaft. 

er  und  sine  gcsellescbaft  1470 

wären  wol  da  vorne.  .ii- 

1439.  <ler  ist         li-41.  kein  ahsatz.         1443.  allez         1446.   Bälden 

1452.  Das  Jin  das  ander  Je  wart,    ich  habe  die  unwahrscheinliche  und 
matte  wendiing'  nur  um  keine  l'dcke  zu   laj'sen  in  den  tcxi  gesetzt. 

1453.  bekümbrot  1460.   Häbk  1464.  Ilüad  1467.  seltan 
1469.  Das  zer  ritterschaft   icht  trafft.    daj's   der  dichter  reime  wie  rit- 
terschaft:  gesellcschaft  7iicht  mied  zeigt  1255/.    die   alte  form    gesel- 
ieschaf  ist  schwerlich  anzunehmen.         1471.  vornen 

28* 


436  DIE  GÜTE  FRAU. 

der  mille  üz  erkorne 

was  ein  zil  der  eren : 

die  künde  er  wol  gemeren 

mit  aller  hande  tagende.  1475 

er  was  ein  blnome  der  jugende. 

Nu  kam  es  zeinen  ziten 
daz  der  helt  wolle  riten 
mit  sinen  hebechen  an  einn  bach 
da  er  sich  vögele  versach.  1480 

er  reit  daz  wazzer  ze  tal : 
do  vant  er  vögele  äne  zal, 
;  ,  viir  eine  mülen  gie  sin  pfat: 

dar  an  giengen  driu  rat 

diu  harte  sere  liefen.  .    '  1485 

vor  der  mülen  da  sliefen 
zwelf  vil  arme  dürftigen, 
"    '  die  sach  er  da  vor  ligen, 

halze  unde  blinden, 

die  niender  künden  vinden  ,  1490 

vor  ir  ungemache  rehte  wege. 
do  vragete  er,  in  wes  pflege 
daz  gotes  her  da  waire. 
do  sprach  der  miilnsere 

herre,  mir  hat  si  gesant  1495 

diu  guote  der  ditze  laut 
ist  (der  ist  ouch  disiu  miile),       • ;  ' 
daz  ich  si  hie  behalten  süle 
und  ich  also  mit  in  werbe, 

swenn  ir  einez  sterbe,  1500 

e  ich  daz  iemer  begrabe, 
daz  ich  zehant  ein  anderz  habe. 
Do  sweic  er  und  reit  vür  sich 
und  dahte  'diz  ist  wunderlich, 
daz  ich  sündiger  man  1505 

gote  niht  gcdanken  kan 
der  manecvalten  erc. 

1472.  usserkoren  1476.  der]  in  seiner  1477.  kein  absatz. 

1478.  wol  r.         1479.  hebcchn  an  einen?  oder  sinen  zu  streic/umif 
1483.  148G.  mülin         1490.  nienerl         1497.    mul  -     ■      • 


DIE  GUTE  FRAU.  437 

hete  er  mir  niht  mere 

gegeben  wan  min  saelec  wip, 

so  enkunde  min  lip  1510 

gedienen  niemer  mere 

die  manecvalten  ere 

die  er  mir  hat  getan. 

sit  ich  nu  ganzlichen  hau 

swaz  ein  man  haben  sol,  1515 

so  stüend  ouch  da  bi  harte  wol, 

[daz]  ich  geda'hte  wannen  ez  kan 

und  wiez  einn  urhap  gewan/ 

do  sin  beizen  ergienc 

und  er  der  vogel  so  vil  gevienc  1520 

daz  er  ir  genuoc  häte, 

dö  reit  er  wider  dräle 

alles  in  dem  muote, 

er  gedähte  'got  der  guote, 

gip  mir  sinne  unde  mäht  1525 

daz  ich  wol  geswüere 

daz  ich  mit  gwalte  vüere, 

wolt  ich,  in  diu  riebe. 

nu  bekenne  ich  sicherliche  1530 

daz  niht  so  grozen  schaden  tuol 

als  ere  unde  guot. 

daz  ist  ein  mortgalle 

zem  ewigen  valle.' 

den  gedanc  den  verliez  er  nie  1535 

unz  er  ze  naht  ze  bette  gie. 

dö  lac  diu  vrouwe  riebe 

bi  ir  manne  güelliche. 

diu  liebe  ergazte  in  der  clage. 

si  sliefen  beide  unz  ze  tage.  1540 

dö  der  tac  durch  daz  tach 

beide  lühte  unde  brach, 

dö  er  den  morgen  erkös, 

I5Ü9.   Mir  geben  waü  151.3.  mänigiialt  1518.  ain  vrhab  gewän. 

1525.  inaht  ohne  ztisatz  fällt  auf.     vielleicht  fehlt  mehr  als  ein  vers. 
1532.  Dan  alz  er     1536.  bet     1538.  Jieni     1541/.=2451/.     1542.  lüchi 


438  DIE  GUTE  FRAU. 

daz'  er  des  äbents  verlos 

do  er  sich  nider  leite,  1545 

daz  vant  er  vil  bereite 
in  sinem  herzen  stecken  : 
riuwe  begunde  in  wecken, 
er  lac  an  sinem  bette, 

wider  sich  selben  er  dö  rette,  1550 

'mich  hat  an   eines  wolves  stat 
got  üf  die  erde  gesät, 
dem  man  die  gans  vür  leit : 
so  er  die  vroeliche  treit, 

so  ist  dar  an  gehenket  1555 

«< ;;; ;  daz  im  diu  bein  ab  swenket. 

als  trage  ich  zaller  stunde 
die  gans  in  minem  munde: 
dar  zuo  versneit  mich  sere 
guot  und  werltlich  ere.  1560 

,^..  f  ez  eusol,  ob  got  wil,  niht  sin, 

vind  ich  ez  an  der  vrouwen  min, 

daz  ich  werltliche  tuon.  i, 

so  suln  wir  ere  unde  ruon 

durch  got  vil  schiere  üf  geben  1565 

■;  :  und  ditze  unstsete  leben,  -, 

läzen  unde  erwerben,  m 

s6  wir  an  dem  übe  verderben,    ■   jj.; 

daz  die  sele  sin  erstanden  ,  x\..h 

vor  grözen  hellebanden.  \  1570 

Do  erwachete  diu  reine  '.■,/-        ' 

und  erhörte  an  siner  meine 

da  ouch  ir  wille  stuout  zuo. 

si  sprach  'waz  redestu  so  vruo? 

'daz  sage  ich  dir,  guote.  ..  1575 

weere  dir  ze  muote  . 

als  mir  ze  muote  ist,  ■  ;    ,^i.i  6i' 

so  wolt  ich  in  vil  kurzer  vrist      .  ,  i 

die  werlt  läzen  durch  got.' 

1540.  Da  1550.   selber,  inelleichi  zu  siTcicheu.  1557.    also 

1559.  uil  sere         1561.  ob}  es  1564.  sollen  —  riiom  156i>.  se- 

ien sind         1570.  helbanden         1572.  seine         1575.  sasa  fehlt. 


DIE  GUTE  FRAU.  439 

si  sprach    ovve,  ez  ist  din  spol.  1580 

warumbc  hilstu  daz  mich? 

ja  weistu  wol,  est  biilich 

daz  ich  läze  unde  tuo 

swä  diu  wille   stände  zuo.' 

si  berieten  sich  zehant  1585 

daz  si  bürge  unde  lant 

liezen  ganzliche  ligen 

und  sich  alles  des  verzigen 

daz  in  nütze  wa're. 

durch  ir  schepfa're  1590 

si  hielten  an  daz  wort  sich 

daz  gol  sprichet,  'swer  sich  durch  mich 

nideret  üf  der  erde, 

der  kamt  ze  hohem  werde: 

in  mines  vater  tröue  1595 

Ireit  er  iemer  kröne/ 
.    nach  dem  tröste  was  iu  gäch. 

iesä  schiere  dar  nach, 

<lö  diu  liute  släfen  kämen, 

dürftige  gwant  si  an  sich  nämen.  1600 

dö  die  liute  sliefen, 

si  strichen  unde  liefen 

iu  ein  unküude. 

e  daz  ieman  bevüude, 

dö  warens  in  dem  lande  1605 

Vt  .»i  da  si  nieman  erkande. 

dö  sich  verwandelte  ir  gewanl. 

verwandelt  sich  ouch  zehant 

ir  här  und  ouch  ir  varwe : 

1610 
;.'r:i  gestellet  ze  wäre 

innen  einem  järe, 

swer  si  da  vor  hete  gesehen, 

1581.  dez         1582.   es  ist       1583.  tüg        1584.  .stand       1587.  gancz 
1592.  swcr]  wen      1599.  komc      1600.  nonin      1603.  vnkunde      1604.  E 
das  CS  Jenen  bestünde  1605.  waren  sy  von  d.  I.         1606.   Do 

1610.  es  fehlt  etwa  si  wurden  so  begarwr        1612(zzl955)  innen]  in- 
wendig Jn  ... 


440  DIE  GUTE  FRAU. 

der  enhete  niemer  gejehen, 
würdens  hundert  jär  alt,  1615 

daz  si  iemer  wiirdeo  so  gestalt. 
gemaches  wart  in  schiere  buoz. 
vil  manegen  ungüetlichen  gruoz 
si  vil  dicke  enipfiengen : 
-  .  so  si  nach  der  spise  giengen,  1620 

dö  sprächen  de  alten  und  diu  kinl 
swä  so  starke  liute  sint, 
die  solten  dienen  umbe  brot : 
<^:f.  I  wir  heten  mit  den  michel  not 

die  es  niht  gedienen  künden.  1625 

ja  wsen  ich,  si  sünden, 
swer  so  starken  liuten  git.' 
des  vreüten  si  sich  zaller  zit : 
-V,  i  si  dulten  gerne  disen  haz. 

man  gap  in  ie  doch  eteswaz,  1630 

ez  wa.'re  dort  oder  hie. 

swä  der  wint  her  gie, 

da  wart  ir  roc  hin  gewant. 

ir  vesten  bürge  unde  lant 

wurden  den  diez  haben  solten,    .•     •  1635 

dö  sis  niht  mer  enwolten 

disiu  vrouwe  gienc  mit  ir  man 

unz  si  zwei  sünelin  gewan.         .. :; 

daz  wären  arbeite  genuoc, 

do  si  der  kinde  ietwederez  truoc.  1640 

daz  si  zer  grozen  arbeit  m  u 

deheiner  slahte  gewarheit 

mohte  hän,   wä  si  belibe, 

so  si  ir  not  dar  zuo  tribe. 

so  gevuocte  sich  ie  ir  gemach  1645 

daz  si  gewan  daz  obedach. 

der  man  ir  daune  da  pflac        .     •:  •  ^    . 

1614.   ninner  1615.  Waren  sy  worden  1621.   sprachent  die  allfi 

vnd  d.  k.  1624.  bettend  1625.  kunuen  1626.  yd  fehlt 

Wenn  1628.  frowtü  sich  1634.   feslin  1636.  sy  es 

1637.   diu?  1639.  Daz  maicn  arbait  j,'.  1640.   dö]  Daz 

1642.  Schlacht  warhait         1646.  obertach         1647.  da]  dar 


DIE  GÜTE  FRAU.  441 

die  wile  daz  si  da  lac. 

swenne  si  ze  kirchen  gienc, 

zwo  jtmehte  si  eiipfienc.  1650 

daz  was  ein  swaere  werc, 

und  daz  si  lal  unde  berc 

der  kinde  eiuez  muoste  tragen, 

wä  si  durch  got  iht  möhte  bejagen. 

Do  wart  ir  eines  tages  w6,  1655 

daz  si  enmohte  niht  me 
der  kinde  gesougen  noch  tragen, 
do  wart  der  man  ir  zweier  wagen, 
er  wart  wagen  unde  rint, 

unz  er  die  muoter  und  daz  kint  1660 

brähte  sunder  twäle 
zuo  einem  spitale 
in  eine  harte  schoene  stat. 
der  man  ir  dar  inne  bat 

swaz  er  ir  erwerben  künde.  1665 

si  lac  da  so  lange  stunde 
unz  ir  elter  kint  wart  so  groz 
daz  ez  siner  krefte  genöz 
und  daz  ez  mit  dem  vater  lief, 
so  er  umbez  brot  rief.  '  1670 

daz  ander  daz  Avas  deine : 
daz  sougle  diu  vil  reine 
mit  milch  uz  einem  hörne, 
ez  z6ch  diu  wol  geborne 

unz  ez  der  milch  wol  enbar  1675 

und  im  daz  ezzen  niht  enwar. 
dö  wartez  in  einem  jare 
wol  so  tiure  ze  wäre 
daz  ein  man  az  mit  gewalt 
ein  brot  daz  einen  schillinc  galt.  1680 

dö  betelete  der  guote  >, 

unz  ez  die  liulc  muote. 


1648.   dazj  da  1049.  Wenn  sy  k.  g.,  tta  fehlt  ze.     vielleicht  do  si 

ze  k.  g.  1650.   zw(»  schwäre  ainächl  1654.   Wo  sy  durcht  iclil 

mocht  b.  1662.  seinem  1670.  vinb  dz  1677.   aine 

1680.  ain  seh. 


442  DIE  GÜTE  FRAU. 

dö  ez  die  liute  verdroz, 

dö  kam  vil  dicke  sin  schoz 

zer  herberge  leere  1685 

swie  not  in  spise  wsere. 

daz  was  ein  j.Tmerlichiu  clage. 

si  wären  dicke  zwene  tage 

daz  si  brötes  nie  enbizzen. 

nn  enmöhte  niemen  wizzen  1690 

wie  den  vil  getriuwen 

wip  und  kint  begunde  riuwen. 

dö  sprach  die  vrouwe  'nu  ist  zil, 

Sit  daz  uns  niemen  niht  git, 
'     'f  daz  wir  sehen  wie  wir  werben  1695 

e  daz  wir  gar  verderben. 

ganc  warte  ob  iener  hie  bi 

in  der  stat  ein  vrouwe  si 

diu  dir  umbe  mich  iht  gebe  : 
tj:  der  diene  ich  die  wile  ich  lebe.  1700 

sage  ir,  daz  si  mich  hol : 

ja  gediene  ich  harte  wol,        >    n    süji 

genise  ich,  mine  spise. 

ich  bin  von  werke  wise : 
'.'•i  mit  drihen  und  mit  spelten  3  ii-.  1705 

kan  ich  ez  wol  vergelten, 

ob  si  min  eine  wile  enbirt, 

uuz  mir  der  lip  wider  wirt.  \ui 

ob  ich  daz  niht  vinden  kan, 
.'■''  so  bistu  noch  ein  junger  man:  1710 

ganc  ner  dich  und  diu  kiudelin ;    iiri 

wir  sterben,  suln  wir  sament  sin. 

und  la  daz  varn,  sterbe  ich, 

daz  ist  bezzer,  danne  ir  driu  durch  mich 

verdürbet  unde  ich  Isege  tot. 

daz  was  ein  angestlichiu  not, 

IG'JO.  enin(»chl  niemr^l  1G94.  nicmet  nücz  git  1705.  Mit  schin:  drihe, 
ein  wci'kzeiig  ztim  würken,  besonders  von  borten,  zusa7nmen  mit  speltf 
fro/fr.  Tit.  91,4.  Gott/r.  Trist.  6559,  allein  /rolfr.  Tit.  137,  2. 
über  spcltc  s.   IFh.   Grimm  zur  gold.  schm.  350.  1711.  vnd  dinc 

kind  (:  sin)         1712.   söUii  wir  samS  s.  1715.   leg  • -^ 


DIE  GUTE  FRAU. 


443 


diu  got  erbarmen  solte^ 
ob  ia  iht  erbarmen  wolle. 

Do  sprach  der  triuwen  riclic 
du  redest  lierlecliche, 
und  solde  ich   dich  danne  län, 
ob  ich  enwec  wolle  gän. 
ich  wil  benamen  hie  besehen 
waz  uns  sament  süle  geschehen.' 
do  sprach  die  vrouwe  wider  in 
'du  bist  betaue  ane  sin., 
du  mahl  mit  dirre  schulde 
Verliesen  gotes  hulde 
an  mir  und  an  den  kinden, 
wiltu  niht  erwinden. 
der  hunger  tuol  uns  vil  not, 
diu  kint  sinl  nach  vor  zadele  tot, 
wan  si  weinent  ie  genote 
vil  lüte  nach  dem  brote.' 
dise  rede  Ireip  si  ie 
unz  daz  er  sinen  wec  gie. 
er  gie  so  lange  unz  er  vant 
eine  vrouwen,  diu  zehant 

'. v~)  mit  im  gie  da  si  lac  ;-  «  , 

kindes  unde  unrates  pflac.  .r 

dö   si  ir  schoenen  lip  ersach, 
do  erbarmtez  si,  unde  sprach 
'ez  was  ein  süberlichez  wip. 

>>r't  gil  ir  got  wider  den  lip, 

daz  er  vil  lihte  niht  entuol, 
si  wirt  mir  nütze  unde  guot. 
dö  sprach  si  zuo  ir  manne 
guot  man,  well  ir  mir  danne 

-  daz  guote  wip  ze  koufen  geben, 

daz  si  mir  allez  ir  leben  I 

diene,  obe  si  genese, 
und  iemer  mer  min  eigen  wese, 

1720.   liorleHclich  172:{.   hie  fehlt.  1724.  siill 

der         1734.  lüU         1737.  lange]  laucz        1739.  .lo 
sy         1745.  villiclil  en  tut,  o/me  niht         1750.  alz 


1720 


1725 


1730 


1735 


1740 


1745 


1750 


1727.  dirre] 
1742.  erbarmt 
1751.  Dienen 


444  DIE  GUTE  FRAU. 

(larumbe  gib  ich  iu  zwei  pfunt. 

do  gedäht  diu  sieche  zestunt 

'herre,  wan  wa^r  daz  geschehen!'  1755 

dö  moht  man  grozen  järaer  sehen, 

do  der  gnaden  bestroufte 

sin  wip  durch  not  verkoufte. 

er  gap  si  als  er  niohte, 

.     1760 

der  spise  zeniberne : 

siniu  kint  diu  äzen  gerne. 

do  wart  michel  schrien, 

do  er  die  edelen  vrien 

der  vrouwen  vür  eigen  gap.  1705 

'''.A  der  man  der  suochte  sinen  stap, 

da  mit  er  ref  unde  wagen 

samet  häte  getragen. 

sin  leit  begund  er  gote  clagen. 

diu  vrouwe  hiez  si  hin  tragen  1770 

' '•  '  heim  in  ir  gewalt 

als  schiere  dö  si  im  vergalt.  ;a-    ^^'■ 

dö  er  die  pfenningeenpfie, 

diu  vrouwe  stricte  sim  hie 

in  einen  zendäl,  der  was  röt:  1775 

ir  manne  si  den  dar  bot. 

mit  jamer  und  mit  leide 

schieden  si  sich  beide.  -  -        < 

er  bat  ir  got  vil  dicke  pflegen, 

ouch  bevalch  si  in  in  gotes  segen.  1780 

siniu  kint  truoc  er  enwec  ^' 

und  kam  gegangn  an  einen  stec. 

daz  wazzer  wuohs  unde  döz 

daz  ez  üz  an  daz  laut  vlöz. 

er  sazt  der  kinde  cinez  nider  1785 

und  woltez  hau  geholt  wider 

1755.  wenn       1757.  bestrafRe       1758.  verko'ffte       1760.  es  fehlt  wohl 
wand  in   lenger  nilit  cntolile  1764.    dö  er]  Da         1765.    Der  frowii 

sich  für  1767.  repp  :  übe}-  ref  s.  Graff  i,  1154.    Schmeller  3,  61. 

1774.  diu]  sin?         1775.  zendat         1776.  ir  mä  sy  dar  b.,  ohne  den 
1781.  kinl/e/i//.       hinweg       1782.  ain        1783.  dosst        1786.  wolcz 


DIE  GÜTE  FRAU.  445 

und  nani  daz  ander  üf  den  riigge 

linde  triioc  ez  über  die  Lrügge. 

do  erz  brähte  an  daz  lant, 

dö  sazle  erz  nider  sä  zehanl  1790 

und  wolle  jenez  geholt  hän 

da  er  ez  hate  verlän. 

do  der  genadenlöse  man 

enmitten  üf  die  brügge  kan, 

do  truoc  daz  wazzer  enwec  1795 

beidiu  man  unde  stec. 

vil  küme  gchienc  er  dar  an. 

dö  vlöz  der  stec  und  der  man 

in  einer  kurzen  wile 

mer  danne  ein  halbe  mile.  1800 

dö  treip  inz  wazzer  ze  Stade. 

er  geruole  Avcnec  nach  dem  bade : 

er  gähte  wider  zen  kinden 

und  wände  si  da  vinden 
^i  da  er  si  haite  verlan.  1805 

do  verlos  er  arbeit  unde  wan. 

Nu  het  der  bischof  von  Riems  ' 

und  der  gräve  von  Urliens 

ein  gesprseche  geleit 
;.  '\  vdä  man  über  die  brügge  reit.  1810 

dö  diu  brügge  was  zerbrochen 

dö  enwart  da  niht  gesprochen, 

wan  gruoz  gegen  gruoze : 

daz  machele  ir  unmuoze. 
'    '' ,  ir  ietwcder  nam  zehant  1815 

daz  kindelin  daz  er  vant. 

daz  wazzer  hiez  diu  Seine. 

hin  über  ruolt  der  eine 

'ich  han  ein  kint  vunden  hie.' 

der  ander  in  da  wizzcn  lie  .        1820 

daz  er  eincz  ouch  het  vunden. 

1787.  Ruggfi  1788.  brügge,  ebenso  1794.   1810.  1811.         1797.  ge- 

hängt 1801.  in  dz  1803.  Er  gedacht  w.  zun  k.  1813.  grus 

g.  grus  1814.   ir]  Jn  1817.   hie  der  sein:   vcv'^l.  2957. 

1819.  ain  schön  kind         1821  —  1830  stehen  mit  geringer  abwcichttng 


ViC,  DIE  GUTE  FRAU. 

si  ritea  dan  ze  stunden, 
diu  gotes  gnade  da  erschein 
an  disen  erbelosen  zwein, 

daz  got  ielwederem  bescherte  1825 

den  der  ez  zöch  uude  nerte. 
~  .  dö  der  gnadelöse  man 

hin  wider  zuo  der  brügge  kan, 
daz  wazzer  harte  verre  gie 

da  vür  da  er  diu  kint  lie.  1830 

dö  däht  er  'ez  hat  si  genomen : 
war  w«rens  anders  komen?' 
zuo  einem  boume  er  gesaz 
miiede  unde  harte  naz. 
t'ij/'i  gp  2Öch  ab  siniu  cleider  1835 

(diu  wären  boese  leider) 
und  hanctes  an  die  este. 
sin  jämer  der  was  veste. 
üf  huop  der  eilende 
■  '  gen  gote  sine  hende,  1840 

Mu  gaebe  mir  ein  schoeue  wip, 
dar  zuo  kint  und  gesunden  lip : 
der  haste  ouch  äne  mich  getan. 
Sit  ich  nu  noch  den  lip  han, 
der  biieze  dir  die  wil  er  wer.  1845 

deheiner  vreude  ich  mer  beger.' 
unsern  herren  er  an  rief, 
unz  er  in  den  sorgen  entslief. 
uf  den  boum  koni  ein  ar: 

der  wart  dort  nidene  gewar  1850 

wa  siner  pfenninge  sac 
rot  neben  im  lac. 
der  hunger  in  des  betwanc 
daz  er  sich  schiere  dar  swanc       ;  ^ 


zweimal  hinter  einander.  1822.  <liin]  sa  beide  mal.  182G.  Dem 

beide  mal  1828.  zu  der  briig  das  erste  mal,   zu  bürg  das  andere. 

1829.  veri-  gie  das  erste  mal,    vergie   das  andere.  1830.    Dauor 

beide  mal.  1832.  wärent  1841.  Er  sprach  her*    du  gäbt 

1843.  bastu         1845.   Der  biiTs  dir  die  weit  erwer         1850.  dort 
1853.  des  fehlt. 


DIE  GÜTE  FRAU.  447 

und  zuctez,  wan  im  was  gtich.  1855 

der  man  spranc  uf  und  lief  im  nach, 

[er  sprach]  Mierre  vater  unde  geist 

und  du,  heiliger  sun,  wol  weist 

min  groze  widerniüetc. 

nu  tuoz  durch  dine  güete,  (860 

getroest  mich  dirre  leide,  _ 

so  ich  von  der  werlde  scheide. 

an  zöch  er  sin  gewant,  ' 

mit  jamer  rumele  er  daz  lant. 

dö  die  vögele  wurden  gwar  1865 

daz  geladen  vuor  der  ar, 

do  begunden  in  an  schrien 

kreien  unde  wien. 

si  triben  in  iimbc  als  ein  rat         i  '' 

unz  hin  gegen  der  selben  slal  1870 

da  disiu  sieche  vrouwe  was. 
'  i  durch  bäc  si  her  üz  kras . 

si  sach  die  vogcle  mit  dem  arn 

harte  sere  umbe   varn. 

in  sliez  ein  vogel  an  den  nac,       ^  1875 

daz  im  pfenninge  nnde  sac 
'  enpfielcn.  do  siz  ane  sach, 

do  huop  siz  üf  unde  sprach 

'öwe  vil  armer  miiedinc, 

war  sint  nu  komen  diniu  dinc?  1880 

ich  waen  du  bist  von  hunger  tot, 
^^  •  daz  dich  die  vogele  durch  ir  not 

ga3zen  und  zerlrüegen, 

wie  mohte  sich  daz  vüegen?     '       * 

ich  wsen  ez  sich  gevüegct  hat  1885 

daz  min  niemer  wirt  rat. 
-'  '  nu  miiezen  vasten  miniu  kint, 

1859.  widermüll  18G0.   liiii  es  d.   din  gut  18G1.  dil'z  laide 

1865.  gewar  1868.    kräyen  :  vergl.  Grajf  i,  bSl .  1872.    balck 

—  kraifz.   krcsen,  re;;erc,  vc7'gl.  3812.   Gi^aJ'  A,  6lij.         1874.   vinblai-n 
1875.  sliez]  schier  dem  nag  1876.    Dar  Jim  pfeiiing 

1877.   1878.  .sy  es  1879.    owe]  0  1880.  Wo  —  kind 

1883.  Gassen  vnd  zerlrügri         1884.  möchl         1887.  müssend 


448  DIE  GÜTE  FRAU. 

diu  noch  in  den  jären  sint 

daz  ich  si  solle  bewarn. 

wie  hän  ich  arme  so  gevarn?  1890 

wseren  wir  doch  sament  beliben, 

het  ich  si  niht  von  mir  vertriben, 

stürben  si  doch  danne, 

so  enweere  ich  niht  ze  banne.' 

Do  si  geweinete  genuoc  1895 

und  sich  zen  brüsten  vil  gesluoc 

mit  jämer  und  mit  riuwen, 
-/.  do  enhalf  si  niht  ir  bliuwen 

wan  daz  ir  deste  wirs  was. 

daz  disiu  vrouwe  genas,  1900 

daz  was  groz  wunder.  i 

si  gedähte  hier  under 

'nu  weiz  ich  doch  wol  daz  wir  hän 

an  got  vil  verre  uns  verlän. 

den  erkenne  ich  wol  so  riebe  1905 

daz  ich  billiche 

dirre  clage  enbaire  :  t     .i 

der  si  ouch  schirmsere 

über  mich  und  über  in. 

er  weiz  wol  wes  wir  dürftec  sin:  1910 

des  welle  er  uns  beraten.'  .     . 

in  eine  kemenäten, 
•/  .  diu  ir  sunder  was  verlän,  r,  " 

da  sir  gemach  solt  inne  hän, 

gienc  diu  vrouwe  zehant.  1915 

ir  wart  von  gote  ein  trost  gesanl, 

daz  si  deheiner  sorgen  pflac. 

si  nam  pfenninge  unde  sac 

und  leite  si  gehalten. 

si  sprach  'got  müeze  walten        ;  ,  '  1920 

mins  mannes  zuo  den  kinden. 

der  Simeon  dem  blinden  ^r.    i::...   ...  ■; 

siniu  ougen  wider  gap 

1888.   dem  Jar  1894.  zc  banne,  in  botmiifsigkcit.  1896.  zu  den 

1903.   herunder         1907.   Der  cl.  1914.  Jun  soll  hau  1922.  Sy- 

ineone  den  plinden 


DIE  GÜTE  FRAU.  449 

und  der  die  vrouwen  Räap 

getroste  ze  Jericho,  1925 

der  getroesle  uns  also.' 
disiu  vrouwe  unde  ir  kint, 
diu  häten  gemach  sint: 
ir  sailiger  man  leit 

kumbcr  unde  arbeit.  1930 

daz  künde  nieman  bewarn, 
er  muose  tuon  unde  varn 
als  ein  genädelöser. 
ze  wiuter  ervroser, 

ze  sumer  verbran  im  diu  hut.  1935 

schiere  wart  der  gotes  trul 
gestalt  üz  ungersete, 
.    ob  in  sin  wip  hajte 
vor  ir  hin  gesehen  gan, 

sine  möht  es  nihl  erkennet  hän.  1940 

dö  wart  ab  ir  vil  wol  gepflegen. 
dö  si  ir  suht  het  üz  gelegen, 
do  gediente  si  vil  wol  ir  solt. 
man  koufte  ir  silber  unde  golt. 
da  mite  worhtes  an  der  ram  1945 

borten  und  dar  nach  alsam  ' 

gürtel  unde  schappel  ' 

breit  unde  sinewel, 
daz  man  nie  spadier  wcrc  gesach.    - 
ir  vrouwen  lieber  nie  geschach       ^        '         1950 
dan  daz  si  si  brähte  hein. 
si  gap  si  ir  tohtern  zwein 
ze  einer  meisterinne.  : 

die  brähte  si  ze  sinne 

innen  einem  jare  1955 

.  •  also  wol  ze  wäre 

daz  in  alle  die  jähen 

1934.  rab         1930.  Koiucr         193().  gotesj  grolz  1937.  Gestelt 

von?  1938.  wis  1939.  ir]  in  1940.  inöchlz  nit 

1941.  aber  1943.  Jren  1945.  worchl  sy  an  d.  kam 

1949.  schinech*         1950.  Der  frown         1951.  haiia         1955.  Jnwendig 

1956.  wol  xweimal.         1957/.  =  1975/.  vet'i-L  1251/ 

Z.  F.  D.  A.     II.  29 


460  DIE  GUTE  FRAU, 

die  si  ie  gesähen, 

ir  leben  wwr  ein  wünne, 

üz  allem  ir  künne.  i960 

also  waren  si  volkomen, 

si  möht  ein  keiser  han  genoincn. 

Diu  vroiiwe  ouch  des  wol  genoz 
daz  si  ir  lere  nilit  verdroz. 

ez  muosen  ie  geliche  sin  1965 

ir  raentel  unde  ir  röckelin. 
do  si  ir  ungeniach  verlie 
und  wider  ze  gemache  vie, 
do  wart  si  schoene,  reht  als  e, 
und  er  wart  niuwan  wunt  ie  mö.  1970 

schiere  kam  ez  üf  die  vart 
daz  nie  in  dem  lande  wart 
kein  vrouwe  als  wile  ma-re 
als  disiu  vrouwe  erbaere : 

wan  ir  alle  die  jähen  1975 

die  si  ie  gesähen, 
s wannen  si  ka^me  in  daz  lant, 
zir  wser  ein  riebe  wol  bewant. 
disiu  stat  hiez  Treis 

und  was  des  gräven  von  Bleis.  1980 

do  der  diu  nnere  vernan, 
do  sante  er  nach  dem  koufuian 
und  vrägete  in  der  ma;re,  '    '   ^ 

ob  ez  also  wa^re 

als  im  w*re  geseit.  1985 

do  verjach  er  im  der  wärheit. 
er  sprach  'so  sollu  mir  si  geben, 
all  die  wil  ich  hän  daz  leben  ;■ 

so  wis  miner  sliure  vri,  ^  -r 

swie  not  mir  pfenninge  si.'  1990 

dö  er  im  die  sliure  lie, 

I'JCiO.  Jrem  l'J62.   si]  Jedetwed  erc  1964.  Dz  sy  in  ir  1er 

1965.  Es  inufs  iegliche  s.  1970.    nit  wunder  e  nie.     die  verbefse- 

rujig  ist  zweifelhaft.  1973.  mere  1974.  erbere  1977.  Wanna 
sy  kein  1978.  .Ii-  1979.  Die  slatt  1980.  der  1983.  fragt  ir 
19S6.  der]  die         1987.  ü  fehlt.         1989.  bis 


DIE  GUTE  FRAU.  451 

zehant  gap  er  im  sie. 

dö  hiez  si  der  gräve  holn. 

dö  muost  si  dulden  unde  doin 

swaz  si  mit  ir  scimofen.  1995 

do  begund  si  sfere  wuofen, 

überlüt  und  in  ir  muote. 

si  sprach  'got  der  guote, 

der  kume  mir  ze  tröste, 

der  oucli  Sussanen  erlöste  2000 

von  grözen  werltschanden. 

ich  stän  ouch  in  den  handen  ^ 

vil  sere  gebunden : 

ich  niuoz  in  kurzen  stunden 

Verliesen  sele  und  öre.  2005 

swes  gerte  ich  arme  mere, 

wan  WKr  ich  tot  bi  minem  man, 

den  ich  vil  erliche  nan?' 

dö  si  dem  gräven  kam  da  hein 

und  also  rehte  schoene  erschein,  2010 

ir  minne  in  des  betwanc 

daz  in  der  tac  duhte  lanc. 

dö  der  ta&  da  verswant, 

si  giengen  släfen  zehant.  .     i 

dö  er  lac  bi  siner  brut,  2015 

do  entorste  er  ir  vvize  hüt 

niender  gerüeren  häres  gröz, 

swä  si  iender  schein  blöz. 

ir  huolc  ein  kamereere 

dem  niht  ze  vil  wa'ire,  ■  2020 

ob  er  der  helle  abgründc 

und  der  erde  volmiinde 

uf  in  die  lüfte  hiiebe  n 

und  die  selben  grücbe 

dem  lulle  machte  gelich  :  2025 

daz  enweer  im  niht  unmügelich. 

1993.  si  fehlt.         1996.  ruffen  1997.   in   ir]  .Irn  2000.  sussanaz 

2002.  banden?         2009.  dahin         2010.  schon  erschin  2017.   Niert 

2018.  Jencrt  schin  ph.s  2021.  abgrundo  2022.  itflumüde 

2023.  hübe         2024.  grübe  .  , 

29* 


452  DIE  GUTE  FRAU. 

dem  bevalch  si  ir  getriuwer  mau, 
do  er  ir  durch  hungers  not  entran. 
do  diz  der  grave  gesach, 

daz  wunder  daz  an  im  geschach,  2030 

daz  er  wol  wiben  tohte, 
und  mit  ir  niht  eumohte 
geslälen  als  er  e  pflac, 
do  schämte  er  sich  unde  erschrac. 
er  sprach  also  in  siner  schäme  2035 

'reine  guot  wibes  name, 
bistu  maget  aide  wip, 
daz  mir  din  süberlicher  lip 
also  ist  vor  beslozzen? 

ich  hän  din  niht  genozzen.  2040 

wan  daz  ich  bin  ervseret 
und  harte  an  dir  beswseret. 
si  daz  von  zouber  gewesen, 
so  sage  mir  ob  ich  müge  genesen, 
ich  meine  dich  so  sere  2045 

daz  ich  niemer  mere 
von  dir  niht  gewenken  kan. 
'  ich  si  din  geselle  ode  din  man, 

wir  müezen  iemer  sament  sin. 
du  muost  heizen  graivin,  2050 

so  ich  grave  bin  genant.' 
mit  vollen  ougen  sprach  zehant 
disiu  vrouwe  schone 
'herre,  got  der  lone 

in  des  guoten  willen.  ;  '  2055 

ir  mugct  an  mir  gestillen 
iuwer  siinde  ein  michel  teil 
und  ouch  gemeren  michel  heil, 
ich  bin  ein  wip  und  niht  ein  magt. 
als  ir  mir  da  hat  gesagt,  2060 

daz  enliän  ich  zware  niht  getan, 
weit  ir,  ich  wil  iuch  wizzen  lan 

2027.  Jre  gctiiwü:  s.  1779.  2033.  c  fehlt.  2037.  als 

2041.  erfercl         2043.  Sid         2049.  müssent         sin]  din         2051.  gc- 
Damt         2052.  sprach  sy  z.         2055.  Euvch         2062.   Woll 


DIE  GÜTE  FRAU.  453 

und  rclit  iif  mine  triuwe  sagn, 

vvaz  Wunders  mich  her  hat  getragn.' 

Do  sprach  der  griive  zuo  ir  2065 

liebe  vrovvc,  daz  sage  mir: 

ich  kan  ez  harte   wol  vertragen. 

du  kanst  mir  sölhes  uiht   gesagen 

da  von  ich  din  welle  enbern. 

ich  wil  dich  alles  des  geweru  2070 

des  du  gerst  ane  mich, 

daz  du  min  erbarmest  dich.' 

des  was  diu  vrouwe  vil  vrö : 

also  sagte  si  im  dö, 

min  valer  hiez  Ruopert,  2075 

der  was  rieh  unde  wert. 

er  was  von  ßarriä  genant. 

er  starp  und  erbete  ich  sin  laut. 

do  ich  wuohs  als  ich  hiute  bin, 

do  kerte  ein  herre  sinen  sin  2080 

daz  er  mich  gerne  wolte  han. 

do  het  ich  keiner  slahte  wän 

daz  ich  iemer  wurde  mannes   wip. 

durch  mich  verlos  er  sinen  lip. 

im  täten  mine  man  den  tot.  2085 

!•;  daz  tel  in  michel  not. 

er  reit  mit  her  üf  mich  : 

dö  muosten  si  wern  sich:         ., 

si  sluogn  in  under  siner  schar.' 

diu  vrouwe  sagte  im  rehte  gar  2090 

,  ';!'  von  aller  ir  geschihte, 

und  doch  niht  wan  die  slihte. 

do  sim  ez  bäte  geseit, 

do  erkande  er  wol  die  wärheit:       < 

ez  was  im  reht  alsam  gesagt.  2095 

er  bat  ir  ouch  do  si  was  magt : 

2063.  mine]  eüver  2064.  wunder         2068.  sölUchs         2009.  woll 

2070.  allez  dez  2071.  Das  2072.  mir  2073.  Das  die,  ohne 

was  2075.  rupperch  2077.  parria  2079.  gewuchs 

2080.  sein  sin         2083.  mans         2084.  verlor  er  sein  1.  2086.  Jm 

2089.  schlugen 


454  DIE  GUTE  FRAU. 

nu  ist  si  im  dar  heim  komen. 
was  dann?  er  blibt  ir  äne  vromen. 
daz  man  da  heizet  bi  gelegen, 
des  enmohl  er  niht  mit  ir  pflegen,  2100 

und  was  im  doch  äne  kip 
lieber  dau  sin  selbes  lip. 
do  disiu  rede  also  ergienc 
und  der  tac  an  gevienc, 

do  man  liuten  begunde,  2105 

üf  stuoudens  da  ze  stunde 
und  giengen  hin  zer  kirchen  sä. 
ze  eigen  gap  er  ir  da 
-■ '    ':  bürge,  laut,  und  diensstman, 

und  allez  daz  er  ie  gewan  2110 

gap  er  ir  ze  eigen  da. 

ze  messe  giengen  si  sä, 

unde  was  diu  vrouwe  dö 

in  ir  muote  harte  vrö 

daz  si  was  unbe wollen  2115 

und  doch  het  guotes  vollen. 

si  bete  man  nach  wäne 

und  was  doch  mannes  äne, 

als  ich  iuch  wil  bescheiden. 

diu  liebe  gap  in  beiden  2120 

so  groze  vreude  mit  kraft  :    .    {  . 

daz  sich  ir  geselleschaft  ■,:    in' 

möhte  wol  geliehen  .:      -:     - 

den  die  tägelichen  :  i!> 

sament  nach  kinden  rungen,  2125 

als  noch  tuont  die  jungen. 

der  gräve  was  so  vrö  nie, 

unde  si  niht  des  erlie 

swä  von  si  al  der  erden 

möhte  getiuret  werden.  2130 

diz  was  ir  unmuoze : 

mit  gäbe  und  mit  gruoze 

2098.  plibt  2100.  Dz  2106.  stund  sy  2107.  kilchen 

2108.  ir  fehlt.  2115.    vnbewallen  2116.    gutz  vallen 

2118.  mans        2120.  liebin 


DIE  GUTE  FRAU.  455 

künde  si  die  liute  oilDiieu. 

si  schuof  mit  schoenen  sionen 

daz  ir  des  grävea  mäge  unt  man  2135 

waren  baz  gehörsan 

dau  si  im  selben  wa3reu. 

der  tugenl  kamera^rcn 

mit  aller  hande  lügende 

*  2140 

lebten  schöne  und  äue  baz  : 

ez  wart  nie  zwein  lieben  baz. 

do  scbiet  der  tot  si  mit  gewalt, 

und  starp  der  gräve  Diebalt 

der  vrouwen  al  ze  dräte,  2145 

den  si  geerbet  bäte 

vor  allen  sinen  mägen, 

wan  si  sament  lagen. 

swer  ze  Fraukriche  ist  komen, 

der  weiz  ez  unde  hatz  vernouien,  2150 

da  enist  kein  scbidunge  an, 

da  erbt  daz  wip  als  der  man. 

als  erbte  oucli  si  den  gräven  guol. 
diu  reine  kiusclie  wol  gemuot 
diu  saz  in  ir  lande  2155 

mit  eren  ane  schände, 
schadte  ir  iht,  daz   tct  daz 
daz  si  hinder  sich  baz 
gedahte  danne  vür  sich  : 

daz  wart  genuoc  wunderlich.  2160 

daz  bescheide  ich  iu  so  ich  beste  kan. 
in  ir  herzen  sach  si  an 
waz  ir  ze  leide  was  geschehen 
und  enkunde  daz  niht  ersehen 
daz  ir  künflec  wu^re.  2165 

daz  was  ir  meiste  sw*re. 
Do  disiu  rede  also  ergie 
als  ich  iu  han  gesaget  hie, 

2137.  selber  2138.  kamer  creii  2140.  Sv  do  hegunde  :  ?  2143.  Do 
sy  der  tod  mit  gwalt  2151.  Das  enisl  2153.  Also  2154.  künseh 
2161.   uveh         2162.   sy  dari 


456  DIE  GÜTE  FRAU. 

d6  was  vil  lasterliche 

dem  künge  von  Frankriche  2170 

sin  wip  diu  künegin  genomen, 
dö  sim  dar  heim  solle  komen, 
von  Arragon  diu  künegin. 
do  wold  er  äne  wip  sin, 

unz  daz  er  si  mit  banne  2175 

gewünne  von  ir  manne 
an  dem  selben  male, 
von  dem  von  Portigäle. 
mit  im  was  si  da  hein  gevarn. 
dö  was  diu  kristenheit  als  am  2180 

daz  man  des  bäbestes  ban 
gar  deine  war  nan. 
do  diu  künegin  wart  verlorn, 
dö  was  den  landesherren  zorn 
daz  er  niht  anders  wibes  nan.  2185 

im  rieten  mäge  unde  man 
daz  er  ein  ander  wip  na^me 
und  erben  mit  ir  bekseme. 
nu  hat  diu  minne  einen  sit, 

dem  volget  kein  staite  mit:  2190 

■'^l^'  swa  sie  zwei  gelieben  vindet 

und  diu  zesamene  bindet, 
werdent  diu  gescbeiden, 
so  ratet  si  in  beiden, 

daz  vür  ietwederes  swwre  2195 

niht  so  guotes  wa^re 
noch  sich  baz  ze  tröste  stelle 
dan  ein  ander  geselle, 
als  twanc  si  ouch  den  künec  guot 
daz  er  verkerte  sinen  muot.  2200 

er  gedähte  in  sinem  sinne 
von  Bleis  diu  graevinne 
diu  ist  rieh  unde  wert, 
ob  ir  min  liut  ze  vrouwen  gert, 

2172.  sy  im  2173.  Ar'ogoni  2178.  portagale  2179.  dahaiii 

kome  gefarfi         2185.  wib         2189.  hett  d.  m.  ainer         3191.  Wo  s. 
z.   geliebt  viridt         2194.  ratlend         2199.    also         2202.  Beieis 


DIE  GUTE  FRAU.  457 

gevellel  si  den  allen  2205 

si  nuioz  ouch  mir  gevallen.' 

er  sprach  an  sinem  rate, 

da  er  die  vürsten  häte, 

ich  weiz  in  minem  lande 

ein  vrowen,  ob  ich  si  nande,  2210 

diu  ist  als  erbsere, 

ob  ein  künec  noch  richer  wsere, 

dannoch  vuogte  ez  sich  so, 

er  niöht  ir  iemer  wesen  vrö.' 

si  sprächen  'herr,  wer  mac  diu  sin?'  2215 

■^ez  ist  von  Bleis  diu  grajvin. 

diu  ist  mir  so  verma>ret 

daz  ich  niemer  wurde  beswaTet 

von  ir  so  gröz  als  umbe  ein  här. 

wizzet  rehte  vür  war,  2220 

die  staete  na:'nie  ich  vür  ein  lant/ 

si  sprächen  alle  zehant 

'herre,  ir  hat  wol  gedäht: 

schaffet  daz  ez  volbräht 

nach  iuwern  eren  werde.  v  2225 

ez  enlebt  üf  al  der  erde 

dehein  wip  so  volkonien 

als  wir  von  ir  haben  vernomen. 

si  zimet  uns  wol  ze  küneginne.' 

'so  schallet  daz  ich  si  gewinne.'  2230 

si  sprächen  alle  geliche,  •*»■ 

beide  arm  und  riebe, 

'der  abbt  von  sant  Dönise, 

der  ist  biderbe  und  wise,  li- 

den  sult  ir  zuo  ir  senden  dar  2235 

der  si  gespreche  und  iu  ervar 

ob  ir  muot  dar  zuo  stß : 

ir  nemet  si  gerne  zuo  der  6.     i 

ir  sult  ir  ouch  enbieten 

2205.  gcuallct  2213.   fugt  2210.  Beieis         2219.  also 

2221.  Stätte:  vielleicht  süeze?  selbe?  2223.    habent         222(5.  aller 

erd         2230.   Er  sprach  so  2233.  Denise]  nise.  ebenso  2628.  nisten 

2660.         2235.  sond 


458  DIE  GUTE  FRAU. 

daz  iu  die  vürsten  rieten,  2240 

und  die  herrn  von  iuwerm  riebe 

alle  gemeinliche 

mit  rate  an  iuch  ksemen, 

und  si  gern  ze  vrouwen  nwmeu. 

so  ist  si  so  wise  und  so  guot  2245 

daz  si  ez  wairlichen  tuot.' 

der  abbet  der  was  da  zehant, 

der  wart  schiere  dar  gesant, 

nach  der  vürsten  rate. 

in  schuof  der  künec  dräte  2250 

zer  vrouwen  nach  der  vürsten  bete. 

der  abbet  daz  vil  gerne  tele. 

er  vuor  ie  sä  zehant 

da  er  die  grajvinne  vant 
'•*;•■.  und  sagte  ir  disiu  maere,  2255 

daz  der  künec  wsere 

mit  den  vürsten  allen 

an  den  rat  gevallen 

daz  des  landes  kröne  -. 

'./:':  so  wol  noch  so  schone  2260 

niender  wsere  bewant. 

nu  hänt  si  mich  her  ziu  gesant 

darumb  ob  ir  si  wellet  tragn. 

\Touwe,  nu  solt  ir  mir  sagn 

ob  iuwer  muot  dar  zuo  stät.  2265 

wan  elicher  hirät 

der  enwirt  noch  enwart  nie,  ? 

got  unser  herre  vüege  in  ie.  >  r 

die  vürstu  üz  unserm  riebe 
.;.  alle  gemeinliche  2270 

hänt  iuch  zuo  der  kröne  erkorn.  *  -V- 
die  hänt  ein  vrouwen  verlorn  i  lo 
der  in  got  niht  wolte  gunnen.      •'■  -• 

2240.  ui'ch  2241.  herben  v.  eüveru  2242.  Als  2243.  Sy  mil 

rat  an  sy  komen  2244.    Vm  sy  frown  han  genomeii  2251.  Ze 

frowü  :  vielleicht  ze   verte?  2254.  grävin  2262.  zu  iw', 

2263.  wöllenl  2260.  hirat]  ee  Ilal  2267.  Den  2269.  für- 

slen  von 


DIE  GUTE  FRAU.  459 

diu  ist  dem  künge  entrunoen 

mit  einem  «    man.  2275 

dem  got  deheiner  sielden  gan, 

den  kan  er  wol  gedrücken, 

und  den  üf  gezücken 

den  er  ze  seiden  hat  erkorn. 

weit  ir,  ir  sit  dar  zuo  geborn  2280 

daz  ir  der  hoehsten  einiu  sit 

di  hiiite  lebent,  äne  strit/ 

swaz  er  gesprach  ie, 

diu  vrowe  geantwürte  im  nie 

6  er  gerette  und  gesweic.  2285 

dö  stuont  si  üf  unde  ncic 

dem  künge  alters  eine 

und  den  vürsten  gemeine 

und  dankete  in  vil  sere 

der  grözen  houbetere  2290 

der  si  gedäht  hseten  ir, 

si  sprach  'herr  mm,  nu  sult  ir  mir 

teidinges  gunnen. 

ich  enbin  niht  so  besunnen 

daz  ich  gesprechen  künn  dar  zuo  2295 

da  niich  als  es  mir  not  tuo. 

ich  sage  iu  morgen  miueu  muot/ 

daz  lobte  der  abbt  und  dühte  in  guot. 

Des  abbets  man  vil  wol  pflac. 
dö  diu  vrouwe  an  ir  gebete  lac,  2300 

dö  knietes  üf  den  esterich. 
si  sprach  'herr  got,  ich  liez  durch  dich 
michel  ere  und  gewalt: 
dö  gulte  du  mir  zwivalt. 

wiltu  mir  ouch  mere  geben,  2305 

so  laz  mich  niemer  daz  geleben       ;^,  ■ 
daz  mich  dehein  ere 
von  dinen  gnaden  köre.' 

2:275.  Mit  ainem  seins  maus  man  2276.  seldan  2282.  Die  hiitl 

lebt  2285.  geschwig  2286.  Do  stund  er  uff  vn  schryg 

2288.  U.  d.  fdrstn  allen  g.  2290.    hoppt  ere  2293.    Tädlngs 

günnf-         2294.  besinne         2300.  Jnn         2301.  kniet  sy 


460 


DIE  GUTE  FRAU. 


si  weinete  unde  clagte 

vil  nach  unz  ez  tagte.  2310 

in  den  sorgen  si  entslief. 

ein  stimme  ir  in  daz  öre  rief 

'es  enraac  dehein  rät  sin, 

du  muost  werden  kiinegin 

da  ze  Frankriche  2315 

und  dar  nach  ewecliche 

ze  himele  tragen  kröne : 

daz  git  dir  got  ze  lone.' 

dö  diu  vrouwe  erwachte 

und  si  sich  üf  gemachte,  2320 

niht  lenger  si  sich  werte, 

si  dähte  zuo  der  verte. 

do  man  des  morgens  gaz, 

der  abbet  zuo  der  vrouwen  saz, 

er  sprach  'vrowe,  lät  werden  schin  2325 

daz  ir  sit  und  müezet  sin 

der  hoehsten  wibe  eine. 

weit  ir,  als  ich  ez  meine,  i 

den  kiinec  loben  ze  manne, 

so  muget  ir  imer  danne  2330 

mit  vreuden  leben  und  alten 

und  grozer  eren  walten, 

als  ein  küneginue  sol.'  ^ 

si  sprach  'herr  min,  nu  tuet  so  wol 

(min  gesinde  deist  enbizzen),  2335 

lät  irz  die  herren  wizzen, 

so  gespriche  ouch  ich  si  danne.  '       • 

sw'elch  vrouwe  ze  manne 

gäbet,  tuot  siz  äne  rät,  .- 

ob  ir  danne  missegät,  ■^^■^■•*'  2340 

so  muoz  siz  eine  slizen.  ••'    •'<• 

wem  solt  siz  danne  wizen?'  "^'' 


2309.  clagt  2310.  tagt  2310.  ewenclich  2326.  sind 

2328.  Wölt  2329.  Dem  küng  leben  2330.   So  mugent  Ji 

ymer  d.  2333.   küngin  2335.  dz  ist  2336.  irz]  ir 

2338.  Welche  2339.  Gaben  2341.  sy  es  ainig  scblissen 

2342.  Wann  s.  sy  es 


Jn 


DIE  GÜTE  FRAU.  461 

Der  abbet  nam  dö  alle 
die  wisen  vome  schalle 

und  sagte  in  dise  rede  dö.  2345 

des  wärens  alle  samet  vro. 
do  sacb  man  von  in  allen 
michel  vuozvallen 
vür  die  vrouwen  da  si  saz. 
si  sprach  'stät  üf,  waz  hilfet  daz  2350 

daz  man  so  nider  vellet? 
redet  sus  waz  ir  wellet.' 
si  sprächen  alle  gemeine 
vrouwe  edel  und  reine, 

tuot  des  iuch  der  abbet  bite :  2355 

da  sin  wir  alle  mite 
gezieret  und  geeret, 
und  unser  heil  gemerel.' 
diu  vrouwe  wisliche  tet 

und  volbrahte  ir  gebet.  2360 

er  horte  gar  dar  an. 
si  sprach  ze  berren  und  ze  man 
ich  lobe  en  künec,  swie  ez  mir  gat. 
lät  beeren  mich  der  vürsten  rät, 
wie  si  wellen  deich  gevar.  ,,^  ,;  2375 

wellent  si  her  od  sol  ich  dar? 
daz  sol  allcz  sin  getan  : 
ich  wil  mich  genzliche  län 
üf  ir  triuwe  und  üf  ir  eit.' 

der  abbet  vroeliche  reit  2370 

mit  endehafter  widersage 
und  kam  an  dem  sibenden  tage 
da  er  den  künec  mit  disem  ma;re 
schiet  von  aller  siner  swsere. 
er  sprach  zen  selben  stunden  2375 

herre,  ich  hän  funden 
daz  beste  wip  deich  ie  gesach. 

2346.  D.  warent  sy  allsamt       2349.  do        2350.  stand       2352.  sunst 

2353.  sprachenl         2355.  Tund  dz  uvch  der  alt  pit         2359.  wifzlich 

2361.  unverständlich.        2363.  en]  an        2368.  han        2373.  Do 

2377.  dz  ich 


462 


DIE  GUTE  FRAU. 

und  als  ich  si  von  iu  gesprach 

und  von  den  vürsten  die  hie  sint, 

dö  was  ez  allez  sam  ein  wint  2380 

swaz  ich  von  zühten  hän  vernomcn. 

ist  iender  üf  die  erde  komen 

von  himele  wibes  bilde, 

daz  ist  diu  vrouwe  milde. 

iu  enbiut  unser  kiinegin,  2385 

si  welle  iu  undertanec  sin : 

swie  ir  gebietet,  daz  si  reht. 

nu  kieset  selbe  unde  seht 

wie  man  si  mit  eren  hol : 

daz  vüeget  sich  ir  namen  wol/  2390 

Der  künec  sante  schiere 
nach  ir  vürsten  viere, 
dö  er  si  dar  bereite 
ze  Paris  err  erbeite. 

dar  kömens  über  vierzehn  naht.  2395 

gfen  der  vrouwen  was  gemacht 
ein  gestüele  iierlich. 
der  künec  der  bereite  sich 
zuo  den  hohziten. 

man  sach  die  vrouwen  riten  2400 

gar  schöne  gen  der  stat. 
der  künec  die  pfafFen  bat 
daz  si  gen  der  vrouwen  giengen 


dö  kämen  zuo  dem  tuorae  •   *  ''  2405 

mit  ir  heiltuome 

all  die  preläten. 

swaz  si  gezierde  häten, 

diu  wart  genzliche  erwegt 

und  die  sträzen  umbelegt  2410 

schöne  und  ouch  behangen. 

si  wart  vil  wol  enpfangen. 

2378.  iuv'ch  2380.  samt  2384.  milte  2385.  Wenn  bütt  2390.  Jrem 
2391.  kein  absatz.  2392.  N.  ir  der  f.  v.  2394.  er  Jr  2395.  Dar 
komen  sy  über  xiiij  nacht  2399.  dem  2402.  bait  2404.  es 

fehlt  etwa  und  si  werdecliche  enpfiengen      2405.  kam      2410.  vjub  legt 


DIE  GÜTE  FRAU.  463 

dö  der  antfanc  ergie, 

der  künec  si  an  der  stunde  enpfie. 

ze  rehte  er  si  koufte.  2415 

von  diseoi  brutloufte 

Seite  ich  iu  vil,  wolte  ich, 

wan  er  was  harte  grozlich. 

nu  solde  man  ouch  ezzen  gäo. 

da  enwart  niht  verlän,  2420 

man  gsebe  in  alles  des  die  kraft 

daz  man  da  heizet  Wirtschaft. 

do  man  daz  ezzen  verlie 

und  diu  naht  au  vie. 

do  was  ouch  slafennes  zit:  2425 

daz  liez  der  künec  äne  nit. 

dö  der  tac  do  verswant, 

si  giengen  släfen  zehant. 

dö  lac  diu  vrouwe  riche 

vil  harte  güetliche  2430 

bi  einer  küneginne  man 

diu  mit  dem  von  Portigale  entran. 

diu  selbe  vrouwe  bi  ir  het 

einen  meisler  von  Tölet 

der  von  nigromanzie  las  2435 

und  des  listes  gar  ein  meister  was. 

der  schreip  ein  karacteres 

und  half  der  küneginne  des  ■' 

daz  si  dem  künge  getan  hate, 

daz  im  alle  sin  arzäte  2440 

niht  gehelfen  künden, 

daz  er  ze  keinen  stunden 

mohte  mit  den  wiben 

mannes  werc  Iriben. 

swie  leit  und  swie  swsere  2445 

daz  dem  künege  wsere 

und  swie  nach  ez  sinen  hferren  gie, 

2413.  anfang  2421.  Wann  geb  in  allez  dez.    mit  dieser  nnd  der  ' 

folgende?!  seile  vergl.  2737/.         2425.  schlaffetz         2427/. —2013/. 
.2428.  giengent        2431.  künigine  2434.  Talet        2438.  küngin 

2439.  hal        2440.  arczat        2447.  sinem  herzen?  doch  t^ergl.  2188. 


464  DIE  GUTE  FRAU. 

diu  vrouwe  ez  äne  clage  lie. 
nu  sliefens  beidiu  vaste, 

der  wirt  bi  dem  gaste.  2450 

dö  der  tac  durch  daz  tach 
beide  lühte  unde  brach, 
do  erwachten  sie  beide, 
der  künec  lac  in  leide  : 

zuo  der  küuegin  er  sprach  2455 

'ez  ist  wol  ein  jär  daz  mir  geschach 
daz  ich  dir  niht  entuon  kan 
als  einem  wibe  sol  ein  man. 
nu  soltu  mich  geniezen  lan 
daz  ich  dich  da  vür  erkorn  hän:  2460 

solz  iemer  werden  übersehen, 
■u  daz  muoz  von  diner  tugent  geschehen.' 

.   des  was  diu  vrouwe  vil  vro : 
also  antwiirte  si  im  dö 
j;.  'herre,  ir  miiget  die  rede  län.  2465 

got  hat  vil  wol  an  mir  getan 
und  w^rliche  erzeiget  hie 
daz  in  sin  gnade  nie  verlie 
noch  niemer  mere  verlät, 
,  j  der  rehte  statte  an  im  bestät.  2470 

als  hat  er  ouch  an  mir  getan. 
ir  sult  daz  vil  gewis  han 
daz  ich  in  bin  statte  unde  guot : 
got  gebiete  iu,  daz  ir  mir  wol  tuot. 
ich  läze  diz  wol  äne  haz :  2475 

mir  geschach  an  keime  dinge  baz: 
ich  sol  es  äne  clage  sin.' 
der  künec  sprach  zer  künegin 
'ich  wil  dichs  ouch  ergetzen 
und  wil  dir  daz  reht  setzen,  2480 

so  du  morne  wirst  gewihet, 
ob  dir  got  her  näcli  Übet     t     ,  ///  (,.•; 

2449.  schlieffend  sy  2453.  sy  2460.  darfiir :  vielleicht  da  zuo  ? 

2465.  Sy  sprach  h.  2467.  wellichen  erzaig  2469.    mere  fehlt. 

2470.    staete]  stat         2476.  nie  an  kaim        2479.   dich  es        2480.  wil 
ist  vielleicht  zu  streichen.         2481.  gewicht         2482.   Hehl 


DIE  GÜTE  FRAU. 


465 


2495 
2500 


einn  andern  man  unde  kint, 
daz  die  iemer  riclie  sint.' 

uu  geschach  daz  selten  ie  2485 

an  zwein  lieben  alse  hie, 
daz  des  einen  herzeswsere 
des  andern  vreude  wsere. 
da  von  der  künec  sware  truoc, 
da  von  gewan  si  vreude  genuoc  2490 

und  was  es  innecliche  geil, 
si  dülite  daz  ein  guot  heil 
daz  si  got  der  guote 
vor  schänden  Lehuote. 
do  der  künec  also  trütc 
und  man  zer  messe  lüte, 
man  entsloz  die  kemenäten. 
dar  kömen  die  da  häten 
Leslozzen  kröne  und  gewant 
da  mit  daz  riche  und  daz  laut 
harte  wol  gezieret  was. 
manec  saphir  und  ballas 
und  rubin  dar  an  lac, 
der  rehte  liebte  als  der  tac 

von  dem  golde  lühle.  2505 

die  künegin  beduhte^ 
do  manz  ir  an  hate  geleit, 
ez  wair  ein  wol  stende  cleit, 
als  ez  von  rehte  solde.  ■  ' 

•■■<'-  dö  schatte  dem  golde  2510 

ir  reiniu  wibes  varvve : 
diu  het  ez  begarwc  .      i    . 

vil  nach  verswachet, 
swie  schöne  ez  was  gemachet. 
■'  dö  saz  diu  küneginne  '  2515 

gckrocnet  dar  inne 
unz  daz  der  künec  gekroenet  wart. 

2483.  AiQ  2485.  seltan  2487.   Dz  das  ain  hercz  schwär 

2491.  Jnnerlich  2495.  rüwte  2490.  lutte  2502.   pallas 

2504.  lichte]  lucht       2508.  wol  ain  stend       2509.  solle       2510.  schat- 
tet den         2511.  raiue         2514.  schön 

Z.  F.  D.  A.  11.  30 


466 


DIE  GUTE  FRAU. 


si  beidiu  giengen  en  gegenvarl 

über  den  hof  schone. 

lant  unde  kröne  'iö'iO 

gap  er  ir  zeigen  ieuier  nie 

und  nam  die  vrowen  ze  siiier  e. 

diu  gäbe  beleip  skele  : 

swie  sis  nilit  gedienet  baete, 

so  beleip  si  doch  sirele  da.  2525 

ze  messe  giengeu  si  iesa. 

do  die  messe  wart  gesungen 

und  daz  volc  was  üz  gedrungen, 

do  gienc  der  küncc  enbizen. 
i-  man  sach  der  vrouwen  giizen  2530 

bi  dem  här  daz  öre 

als  den  sne  bi  einem  niore. 

der  hof  was  von  gewandc 

gezieret  maneger  bände, 
,,    ■  wiz  blä  gel  griieue  brün  rot,  2535' 

als  der  künec  dö  gebot. 

do  geschach  in  alse  noch  geschiht 

swä  man  grözeu  höf  sihl, 

so  der  zergat  so  ist  alz  ein  troum. 
,   ,'  man  sibt  ze  meien  manegen  bouiu     .  2540 

schöne  stän  geloubet : 

so  si  dan  der  winter  roubet, 

so  staut  si  dürre  unde  blöz. 

ez  enwart  nie  ere  als  groz, 

si  zergange  genzliche,  >,    '  2545 

wan  ere  in  gotes  riebe. 

Nu  lazen  wir  die  rede  sin.  t 

der  künec  und  diu  künegin 

diu  lebeten  schöne  ane  not:  ■.,.. 

öwe,   dö  schiet  si  der  tot.  2550 

e  daz  ez   volle  wart  ein  jar, 

dö  starp  der  künec,  daz  ist  war, 

und  liez  die  küneginne 

2518.  g.  zegegfi  vart  2521.  me]  ic  2524.  sy  es.  da  sie  nur  sc/iein- 
har  sein  weih  war.  2532.  ainc  iiiorc  2540. 1\I.  sieb  zemaycn  mengfi  boin 
2544.  erd         2547.   kein  absalz.         2549.  lebotn .        2551.  voll  ward 


DIE  GUTE  FRAU.  467 

an  vil  grozeni  gwinue. 

si  hete  lant  unde  schaz  2555 

und  beleip  äne  widersaz. 
nu  slAt  Frankriche 
des  einen  lierliche, 
da  sint  zwelf  genoze, 

daz  sint  viirsten  groze,  2560 

den  mac  der  künec  niht  verzihen, 
er  miioz  in  daz  reht  lihen 
mit  vanen  und  mit  banden, 
ze  raten  sinen  landen. 

und  koment  die  zwelfe  über  ein,  2565 

so  bat  der  künec  reht  debein : 
er  muoz  in  werden  undertän 
-   .        ald  aber  in  daz  riebe  län. 

die  zwelve  wollen  nibt  enbern, 
si  niücst  diu  künegin  gewern  2570 

eins  mannes  der  in  tobte 
und  si  beschirmen  möbte. 
diu  süeze  äne  gallen 
sprach  zuo  den  vürsten  allen 
'wenn  ich   des  küneges  jarzit  2575 

begän  und  ir  bie  hi  mir  sit, 
so  bin  ich  iu  so  geborsan 
umbe  einen  andern  man, 
swie  ir  muotet,   daz  ergät. 

iwer  gebot  und  iuwern  rät  2580 

ich  iemer  beballen  sol. 
ir  bat  gehandelt  mich  so  wol  i 

daz  ich  ez  iemer  dienen  wil 
unz  an  mines  endes  zil.' 
,  beide  ir  rede  unde  ir  muot  2585 

die  vürslen  alle  düble  guot, 
und  volgcten  es  der  vrowen  da. 
urloup  nämen  sie  ie  sä 

2554.    grossen  gewinne  2559.    gnossen             2560.  grossen 

2504.  ze  raten]  Rat  ze  2569.  absatz.          woltend  2570.  musst 

2571.  mans  —  tochte  2572.  mochte          2578.  ain  2579.  er  gal 
2580.  Eiiver  —  eüver  r. 

30* 


468  DIE  GUTE  FRAU. 

und  vuoren  heim  zc  lande 

iinz   daz  si  nach  in  sande.  2590 

diu  künegin  da  heime  beleip. 

daz  jar  si  also  vertreip 

mit  almuosen  und  gebete. 

mit  guoter  andalit  si  daz  tele, 

daz  ir  got  des  gnnde  2505 

daz  ir  zer  selben  stunde 

ir  man  wider  kreme, 

ald  aber  von  im  verneerae 

ob  er  lebte  aide  wa;re  tot. 
'■'  daz  was  ir  aller  groeste  not  2600 

daz  si  mohte   wizzen  niet, 

Sit  daz  er  6rste  von  ir  schiet,  - 

ob  er  lebte  und  diu  kindelin  : 

da  mit  muoste  si  beswierel  sin. 
'■' '  -  doch  het  si  eines  gedaht:  2605 

so  daz  jar  waer  volbrähl, 

ob  er  dan  niht  wider  ka'ine, 

daz  si  einen  andern  man  na'me, 
e  daz  iemer  wurde  getan 
''•}'  •'  so  wolte  si  e  varn  län  2610 

beidiu  kröne  unde  laut: 
des  bewac  si  sich  zehant. 
also  dö  diu  stunde 

nahen  begnnde,  ''• 

als  der  künec  da  verschiel,  ■" .  2615 

dö  sumte  sich  diu  vrouwe  niet, 
ir  boten  si  wite  sande 
zen  herren  vome  lande,  -       >    : 

daz  si  ktemen  äne  strit,  ■ 

daz  man  des  küneges  jarzit        •     '    ' '  2620 

begienge  nach  gewonheit. 
manec  böte  nach  den  armen   reit, 
da  si  horte  sagen  ma're 

2589.  fürten  2592.   also]  vielleicht:  Mcz'^.  2593.  mit  gebet 

2595.   Atsfvhll.  2001.   nit  2603.  leblin  2608.  E  das  sy  dafi 

ain         2612.  bezwang        2616.  Do  sompt  —  nit         2621.   Begingin 
2622.  dem  Arme  ■•i. 


DIE  GUTE  FRAU.  469 

daz  ir  aller  meiste  waere, 

in  den  spitäl  si  enbol,  2625 

swera  da  ihtes  wwre  nol 
von  gewande  und  von  spise, 
der  seid  ze  sant  Denise 
ze  des  kiineges  järzite  komen. 
dö  si  daz  halten  vernomen,  2630 

malates  unde  siechen 
begunden  dar  kriechen 
an  zal  und  aue  ahle. 
diu  künegin  geahte 

harte  wenec  üf  den  schaden  :  2635 

si  hiez  vil  balde  üf  laden 
raanegen  karren  unde  wagen, 
swaz  die  mohten  getragen, 
Jaz  man  der  armen  diete 

cleider  drabe  schricte.  2640 

des  hat  si  alles  war  geuomen. 
M:.:    ■        dar  zuo  wären  ir  ouch  komen 
da  bi  üz  einer  zelle 
zwelf  bärtinge  snelle, 

daz  si  in  diu  cleider  mtezen  2645 

und  ir  pfUcgcii,   so  si  sezen.   .        .     ' 
dö  si  der  armen  ähte 
also  ze  ende  brähle 
daz  ez  gole  wol  mohte  liehen, 
do  schuof  man  den  riehen  2650 

guoter  spise  genuoc. 
>     :•_  man  vuorte  dar  unde  Iruoc  " 

swaz  ie  gevlouc  oder  gevloz. 
dö  was  diu  Wirtschaft  so  groz  ' 

daz  die  armen   gäzen  2655 

nocii  mcre,  da  si  säzen,      '  •     ' 

2028.  Dciiisc]  iiise  2029.  Zuo  des  2030.  betten  2031.  Ma- 

let/,: malates  i^cimt  a«/ widerrates   Ulr.   Tr.  2161.  2634.    gedacht 

2638.  traga  2610.  darab         2642.  warent         2644.  bärtine,  laieii- 

hruder.  vergl.  Schmeller  1,  203.         2645.   der  cl.  messe         2646.  plle- 
gin  so  sy  ässe         2653.  gpflog         2654.  Ritterschaft  groTs.  ohne  so 
2655.  Daz  sy  die        2656.  sässen 


470  DIE  GÜTE  FRAU. 

dau  si  iemer  getaeten, 
ob  si  ez  gekoufet  hseten. 

Do  der  groze  järtac 
ze  sant  Deuise  gelac,  2660 

als  man  den  künec  da  begruop 
und  man  die  messe  ane  huop 
die  der  abbet  selbe  sanc, 
do  was  da  gröz  gedranc : 

des  enmohte  kein  rät  gesin.  2665 

ie  doch  beleip  diu  künegin 
an  vil  guotera  ruome  hie, 
.  i-    ?  do  si  ze  opfer  gie 

mit  zweiuzic  bisanden. 

mit  snewizen  banden  2670 

si  si  an  die  stole  bot. 

dö  was  ein  diirftege  durch  sin  not 

gedrungen  zuo  der  künegin, 

'gebt  mir  ein  gäbe,  vrouwe  min, 

daz  des  küneges  sele  -  2675 

von  sante  Michahele 

hiute  gecondwieret  si.' 

si  gap  im  zwene  oder  dri  • 

ald  aber  lihte  viere. 

da  gegen  greif  er  schiere.  2680 

als  er  die  haut  bot  dar, 

do  wart  diu  künegin  gewar 

eins  krumben  vingers  an  der  hanl 

den  si  selbe  heilte  unde  baut, 

do  er  im  ab  geslagen  wart    -  ■  i  2685 

ze  ritterschaft  an  einer  vart. 

do  erschrac  si  unde  sach  in  an : 

si  erkand  in  wol,  ez  was  ir  man. 

dö  wart  si  vor  vreuden  rot: 

ir  groziu  zuht  ir  daz  gebot  2690 

daz  si  vil  lüte  niht  erschre. 

däne  tweltc  si  niht  me, 

2657.  getelten  2658.  koufft  hellen  2660.  Denise]  nisten 

2666.  plib  2672.  dürftig  2671.    ain  gab  sprach  er  frow 

2677.  geanliwürt         2691.  si /e/(/^.         erschrai  2692,  Danne  wolle 


DIK  GÜTE  FRAU.  471 

diu  siieze  und  diu  sliL-le : 

si  vienc  in  bi  der  waete 

und  zöch  in  vroelichen  dan,  2695 

iinz  ir  ein  kameraire  kan, 

zuo  dem  si  lieplichen  sprach 

sclial  mir  dem  armen  guot  gemach  : 

im  geschiht  genadc  von  mir  hie.' 

der  arme  vroelichen  gic  2700 

da  sin  wol  gepflegen  wart. 

kleine  was  sin  hochvarl. 

<ld  diu  messe  wart  gesungen, 

daz  daz  volc  was  üz  gedrungen, 

do  knietes  üf  den  estcrich,  2705 

si  sprach  'herr  got,  du  hast  durch  mich 

ein  michel  wunder  getan, 

daz  ich  minen  man  vunden   hän, 

von  dem  ich  jämmerliche  schiet. 

nu  hilf  mir  daz  ich  dirre  diet  2710 

noch  hiute  bewaere 

diz  wunderliche  mamre.'  . ' 

Si  vragte  wä  w«re 

ir  oberster  kameramre. 

«r  wart  ir  schiere  gewunnen  dar.  2715 

si  sprach  '\[  balde  uude  var, 

schal"  mir  dem  armen  ein  bat 

und  kom  du  selbe  in  die  stat 

und  gewin  mir  im  bezite 
w  vome  besten  samite  2720 

cieider  diu  im  reht  sin 

und  wol  geviilt  mit  hermelin, 

und  si  daz  bereit  vor  none, 

4laz  ich  dir  es  iemer  löne.'  .,■;,! 

*•  ■  daz  ergie  vil  bereite  2725 

als  si  üf  leite. 

si  schuof  dar  mit  guotem  liste, 

2090.   Vncz  er  Jn  ain  kamer  kam  2698.  disem  :   vergl.  2717. 

2701.  Do  nü  sein  2705  =  2301.  kniivel  sy  2710.  diser 

2719 ir.  vergl.  Lackm.  zu  den  Nib.   1113,  3.  2721.  sind 

2723.   Viid  dz  berait  sey  2725.  braite  i     i      ■ 


472  DIE  GÜTE  FRAU. 

daz  ez  liitzel  iemen  wiste, 

schuohe  und  linin  gewant, 

und  gienc  si  selbe  zehant  2730 

hin  üz  zuo  ir  gesten. 

dö  satzle  man  die  besten 

und  die  andern  alle  dar  nach. 

do  was  den  truhssezen  gäch, 

si  truogn  in  vür  daz  ezzen.  2735 

desn  wart  niht  vergezzen, 

man  gap  in  alles  des  die  kraft 

daz  man  da  heizet  Wirtschaft. 

dö  si  alle  gäzen 
f.!'.-  und  dar  nach  gesäzen,  2740 

si  schuofen  daz  man  üz  treip 

daz  gesinde  und  niemen  da  beleip 

wan  diu  künghi  alters  eine 

und  die  vürsten  alle  gemeine. 

si  sprachen  'vrouwe,  nu  ist  zit,  2745 

die  wil  ir  also  müezec  sit, 

werbet  als  wir  iuch  bäten  e, 

daz  iuwer  lant  mit  vride  ste, 

des  ein  vrouwe  niht  gepflegen  kan.  -^ 
«      v  kieset  selbe  einen  man.  2750 

swen  ir  weit,  der  ist  uns  guot.' 

do  sprach  diu  vrouwe  wol  gemuot     .. 

die  mich  es  hinte  baten,  \. 

wolten  mir  die  raten,  i, 

so  verswigete  ich  si  niht,  >  2755 

in  seit  in  alle  mine  geschiht.' 

si  sprächen  alle  gemeine  ;.   -.s 

'saget  uns,  vrouwe  reine:  .    .ü, 

iuwer  not  ist  uuser  leit.' 

des  buten  si  alle  ir  eit.  2760 

hie  mit  diu  künegin  ane  vie, 

die  vürsten  si  dö  wizzen  lie 

beide  ir  namen  unde  ir  lant 

2728.  yemant         2729.  Schuch         2731.  Jren         2736.   Denen  ward 
2737.  allen         2742.  niemat        2749.  Dz         2751.  vvält        2753.  hür 
2756.  in  =  ichne]  Jr         2762.  wisse 


DIE  GÜTE  FRAU.  473 

uud  wie  ir  vater  was  genant, 

daz  er  grave  Ruopreht  hiez.  2765 

dar  nach  si  si  wizzen  liez 

wie  si  ir  eigen  lanl  lie 

und  durch  got  da  von  gie 

und  ilf  der  straze  bi  ir  man 

zwcne  schoene  siine  gewau  2770 

und  wie  sie  der  hunger  schiel. 

dar  nach  verswigte  sie  niet 

wie  si  des  gräven  laut  gewan, 

daz  er  doch  nie  wart  ir  man. 

si  sprach  'ich  muoz  iu  mer  verjehen.  2775 

ein  wunder  ist  an  mir  geschehen : 

min  man  der  ist  her  wider  komen.'  . 

do  si  daz   häten  vernomen, 

si  sprächen  alle  gcliche, 

beide  arme  und  riebe,  2780 

'den  bat  uns  got  her  gesant 

ze  einem  künege  in  daz  laut.' 
Si  waren  alle  samet  vrö 

unde  vreuten  sich  do  ,: 

daz  in  so  liebe  was  geschehen  2785 

daz  si  die  vrouwen  sollen  sehen        1 

und  oueh  ir  vil  lieben  man.        ,,       ,'. 

si  komen  alle  samet  dar  an, 
'  er  wa^re  wol  wert  der  kröne. 

./  X  si  sprach  'so  bring  ich  in  ze  löne.'  2790 

der  arme  in  dem  bade  beleip 

unz  man  daz  hör  von  im  treip : 

daz  schoenete  in  vil  deine. 

im  bedahtc  sin  gebeine 
iw  .  ein  hilt  swarz  als  ein  ran:  2795 

daz  was  vil  rehte  getan    ; 

gevar  nach  der  aschcn.  ii 

in  half  vil  deine  ir  waschen, 

2765.  rüppercht  2770.  sun  2773.  sy  nie  2775.  eüvcli 

2778.  hettcn  2783.  allsamet  2784.  Frown  vnd  fi-üad  frowtü  sich  do. 
frauen  sind  nicht  zugegen.  2785.  lieb  2787.  Jren  2788.  allsamt 
2792.  har.         2794.  Jn  beduciil         2797.  eschen         2798.  waschen 


474  DIE  GUTE  FRAU. 

wau  (laz  ez  in  gelroste 

(laz  in  got  dervon  erlöste.  2800 

er  was  zeu  brüsten  durcliflach : 

an  sinem  libe  man  vvol  sach 

(laz  in  vil  manege  puntc 

mit  speren  und  stieben  wunte : 

ouch  sacb  man  oberbalp  der  bra  2805 

daz  im  die  ringe  wa  unt  \va 

inz  houbet  waren  geslagen. 

dö  im  daz  hör  was  ab  getwagen 

dö  jach  der  kamera;re 
'  '  daz  ez  ze  wäre  wäre  2810 

da  vor  ein  ritter  gewesen, 

swie  küme  er  kaime  dar  gekresen. 

als  er  getruckente  gar, 

zehant  brähte  man  im  dar 
^^■'   ^^  ein  hemede  und  eine  niderwät:  2815 

daz  was  gar  wol  genät 

mit  harte  wizer  varwe. 

man  zoch  dar  in  begarwe 

einen  gürtel  harte  wa'he, 
(  swer  in  noch  hiute  saehe,  2820 

der  möht  in  gerne  schouwen. 

in  worbten  juncvrouwen 

er  sprach  'durch  got,   waz  so!  daz  sin? 
♦  '     ■  ■ 

i'  '  weit  ir  mir  geben  rehte  wät,  -  2825 

so  gebt  mir  diu  mir  rehte  slat, 

minen  alten  roc  und  niinen  sac  : 

diu  sint  nu   vil  manegen  tac 

min  wät  und  min  geverte.'  ' 

:  swie  lange  er  sich  werte,  2830 

si  zugen  im  an  daz  selbe  cleit. 
des  schämte  er  sich,  und  was  im  leit. 

28Ü0.  got  fehlt.  3803.  puiicle  2804.  vnd  mit  stiehcu  2806.  wa 
unt  wa]  vergl.  Goltfr.  Tr.  C53.  2807.  Jn  das  lioppt  2808.  Dz  Jin  dz 
har  was  ab  geczwagen  2809.  Do  Jachen  die:  vcrgl.  2714.  2810.  ze 
Avai-e]  war  2812.  gekrisen  2815.  Ain  wifs  hemd  2822.  vorchten 
2824.  etwa  her  l^^iimcrajre,  ir  spotct  min.  2827.  Min  —  min  s. 


DIE  GÜTE  FRAU.  475 

si  zugen  im  an  vil  dräle 

zwo  hosen  von  scharlute, 

dar  nach  daz  hermine  gewaut,  2835 

daz  man  uiender  an  im  vant 

daz  im  iht  arges  würre. 

do  sprach  der  arme  dürre 

'vvan  lät  ir  hiute  durch  got 

mit  mir  den  ungeviiegen  spot?  2840 

ir  möhtets  wol  vergezzen. 

weit  ir  iuwer  cleider  mezzen, 

so  mezzet  si  an  etesweme 

den  iuwers  Schimpfes  gezeme: 

ich  mag  es  niht  erliden.'  2845 

von  golde  und  ouch  von  siden 

sand  im  sin  wip  diu  künegin  J-. 

einen  wachen  gürtel  dar  in 

und  cnhöt  im  diu  mtere  i< 

daz  si  da  vrouwe  waire  2850 

worden  in  dem  lande 

an  sünde  und  äne  schände, 

als  ez  got  gevüegen  wolte. 

do  miiest  er  unde  solle 

von  allem  rehten  küuec  sin.  2855 

do  nam  in  besunder 
der  rede  michcl  wunder, 
ob  daz  selbe  mwre 
"r  .'  w'ar  ald  erlogen  wa^re.  2860 

er  gediihte  in  sinem  muote 
'ja  herre  got  der  guote, 
ist  daz  wunder  hie  geschehen,        .    i 
so  mac  man  endelichen  sehen 
•  '     ^  daz  du  ein  wunderajre  bist  2865 

über  allcz  daz  der  ist.' 
do  lute  man  die  none. 

283G.  Do  mü  nicaert  au  vaiul         2837.    iclilz  args  wurde         2838.  diir 
2839.  hiute]  herte:  herreu?  2841.  niöchtend  es  2844.   schimpf 

gezäm  2848.  ein  glirtcl  ist  schon    2819  erwähnt.  2853.   Higfen 

2854.  luust        2858.  mich         2866.  alle 


476  DIE  GÜTE  FRAU. 

über  hof  giengen  schone 

die  viirslen  vür  die  künegiii 

uad  die  andern  alle  mit  in.  2870 

do  si  zesamne  kämen 

und  die  herren  genämen 

iegelicher  sine  slat, 

diu  künegin  einn  viirslen  bat 

ir  wort  da  betiuten  '2875 

durch  got  den  landes  liuteu. 

si  sprach  als  ez  ir  wol  gezam. 

dö  daz  lantliut  vernam 

diz  wunderliche  mare 
•  i-'  %  rehte,  wer  si  wffire,  .  2880 

des  wärens  alle  samet  vrö. 
^    also  jähen  si  ir  dö, 

da  wa^re  geschehen  wunder  an. 

dö  gienc  si  unde  holte  ir  mau. 
.     '  Dö  si  kam  daz  si  in  sach,  2885 

'  si  vienc  in  zuo  ir   unde  sprach 

'wis  willekomen,  lieber  man.      •       .!■; 

Sit  mir  got  der  swlden  gan, 

daz  dich  min  ougen  haut  gesehen, 

.  2890 

ez  ensi  nu  allez  sament  guot.' 

sich  vreute  sere  ir  beider  muot         > . 

daz  in  so  liebe  Avas  geschehen  i'.' 

daz  si  einander  solten  sehen 
'  lebendec  üf  der  erde  hie.  2895 

bi  der  hanl  si  in  vie  -  ■    ;         ■■ 

und  zöch  in  vroeliche  dan 

zen  viirsten,   ir  vil  lieben  man,         >- 
-    die  ouch  engegen  im  giengen:    ■.  ■■  ■ 

nach  eren  si  in  enpfiengen.  2900 

dö  si  in  brähte  her  vür, 

si  bat  die  vürslen  an  der  kür,  i 

daz  si  im  wahren  undertän. 

2878.   Do  dz  die  lands  lüt  vcrnamen  2881.    Dez  waren  sy  allsaml 

2883.  Do  wer      2884.  Jrn      2887.  Bis       2888.  kan      2890.  etwa  so  kund 
ich  anders  nihi  jehen,       2894.  ain  andren      2902.  Sy  b.  der  f.  der  chur. 


DIE  GUTE  FRAU.  477 

des  si  si  gebat,  daz  wart  getan : 

si  waren  im  gehörsan,  2905 

beide  mage  unde  man. 

zir  manne  sprach  diu  künegin 

'iierre,  war  sint  komen  diu  kindelin?" 

'daz  wil  ich  dir  vil  rehle  sagen. 

ich  brähtes  beidiu  getragen  2910 

an  ein  wazzer,  daz  was  breit. 

ich  schiet  si  durch  gewarheit 

und  truoc  si  besunder. 

nu  hoere  raichcl  wunder, 

wie  sich  min  leit  merte.  2915 

do  ich  wider  kerte 

und  jenez  geholt  wolte  hau 

da  ich  ez  bäte  verlän,  i- 

do  drucle  des  wazzers  last 

die  starken  brügge  daz  si  brast.  2920 

do  leit  ich  ungeverte, 

wan  daz  mir  got  bescherte 

einen  boum,   da  ich  an  beleip 

unz  er  mich  ze  Stade  treip.  i-*;, 

als  ich  kam  an  daz  laut,  2925 

do  gahte  ich  widere  zehant  - 

da  diu  brügge  nider  gie  •  - 

und  da  ich  miniu  kint  lie. 

do  cnweste  ich  war  si  waren  komen : 

ob  si  daz  wazzer  het  genomen,  2930 

daz  was  mir  leider  unerkant. 

do   saz  ich  zehant 

zuo  einem  bounic  riuwevar 

min  gewant  daz  nam  ich  gar 

und  hanctez  an  die  cste.  i  2935 

min  janier  der  was  vestc.    '     ' 

unsern  herren  got  ich  ane  rief, 

unz  ich  in  den  sorgen  enlslief. 

oAne  an  2904.  Was  2910.  Ich  bracht  sy         2917/.  =   1791/. 

2918.   helt  2923.  Ain  pom  do  2926.  gedacht:  vergl.   1803. 

2928.  do        2929.  enwusst        2933.  ruw  var         2935/  =  1837/ 
2937  —  42  =  1847  —  52.         2937.  hcrrgol 


478  DIE  GUTE  FRAU. 

uf  den  boum  kam  ein  ar 

und  wart  dort  uidene  gewar  2940 

wä  miner  pfenninge  sac 

rot  neben  mir  lac, 

die  mir  da  wurden  von  dir. 

sich,  vrouwe,  die  nam  er  mir 

und  vuorles  ich  enweiz  war.'  2945 

'nu  sich,  do  brahte  er  si  gar 

zeim  boumgarten  da  ich  was 
■    und  warf  si  vür  mich  üf  daz  gras:' 

so  sprach  diu  vrouwe  wol  gemuot. 
:    ..  'sit  uns  got  diz  deine  guot  2950 

also  wider  hat  gegeben, 

do  sulnt  ouch  diu  kint  leben. 

des  ich  im  getriuwe  verre 

daz  in  niht  enwerre.' 
■■■'■'"'  do  sprach  ein  gräve  zehant  2955 

'ez  sint  wol  vier  jär  daz  ich  vant 

bi  der  Seine  ein  schcene  kint: 

daz  hän  ich  wol  behalten  sint.  ... 

ouch  weiz  ich   wol,  do  vander 

der  bischof  daz  ander.  2960 

diu  sint  beide  samet  hie.' 

nach  den  kinden  man  do  gie. 

unde  brähtes  her  ze  hove. 

dem  graven   und  dem  bischove 

dem  wart  vil  nähe  gedrungen.  2905 

so  vil  gevröut  und  gesungen 

vor  noch  sit  nie  wart 

dö  diu  vrowe  zesamne  gewan 

beidiu  ir  kint  unde  ir  man,  2970 

vor  vreuden  stuont  die  schcene  vrouwe 

als  der  rose  in  dem  touwe 

2940.  (lert  nidnen         2945.  ich  waiss  nit  war         2947.  .Tn  aine  bomg. 
(lo         2948.  Warir  {ohne  und)  sieh  mich  für  dz  gras         2949.  Do 
2952.  sollen  2954.  Dz  ich   nit  enwere  2957.  Sy  der  sein 

2959.  vander  z=  vant  ir.       2960.   der  ander       29G3.  brachtz       29G8.  es 
fehlt  etwa  danue  an  dirre  selben  vart.  , 


DIE  GÜTE  FRAU.  47t) 

stet  vil  schöne  gebluot 

und  siniii  löiiber  üf  tuot, 

diu  beide    wiz  siiil  unde  rot.  2975 

ir  was  deheiner  varwe  not. 

dö  schein  ab  er  riuwevar: 

daz  machte,  sin  was  deine  war 

geuoraen  in  vier  jären, 

Sit  si  gescheiden  wären.  2980 

In  der  selben  stunde 
sprach  mit  süezem  munde 
von  wibes  namcn  daz  höhe  zil 
'swer  mir  daz  niht  gelouben  wil 
daz  diu  rede  also  si,  2985 

so  lit  min  lanl  hie  nahe  hi 
da  von  ich  hie  vor  gie 
und  ez  durch  got  varn  lie  : 
daz  liut  bring  ich  ze  schine. 
ouch  ligent  in  minem  schrine  2990 

die  selben  pfenninge 
dar  umbc  ich  mit  gedinge 
miner  vrouwen  wart  gegeben.     _     ■: 
ouch  hat  si  selbe  noch  daz  leben, 
da  mit  ich  ez  erziuge  wol,  2995 

obe  ich  ez   luon  sol.' 

do  sprach  elliu  diu  diet  : 

'vrouwe,  ir  bedürfets  niet. 
wir  wizzen  wol  die  warheil 

daz  ir  uns  niht  hat  missescil.'  3000 

zen  vürsten  sprach  diu  kiiuegiu 
'ich  bevilhe  iu  diu  kinl  min 
iif  iuwer  Iriuvve  und  miiien   man, 
so  ich  allerbeste  kau, 

daz  ir  in  sil  ze  aller  zit  'M)06 

reht  als  ir  mir  gewesen  sit, 
Sit  daz  ich  iuwer  vrouwe  hiez 

2973.  Statt  uil  schön  geplüt          2976.  Ja  2977.  aber  Jr  rüvo  varb 

2978.  sy  was  cl.  var            2986.  nach  2989.  Die  lütt  br.   ich  her 

z«!schine          2993.  gebfi          2995.   erzüpil  2997.   alle         2998.  be- 
dürüent  nit         3003.  min 


480  DIE  GUTE  FRAU. 

und  mir  der  künec  sin  lant  liez. 

got  weiz  wol,  ich  gewan  nie  man 

wan  disen  den  ir  sehet  an.'  3010 

die  vürsten  dar  giengen, 

von  dem  künege  si  enpfieugen 

beidiu  bürge  unde  lant. 

dar  nach  swuorens  im  zehant 

vil  zühteclichen  hulde.  3015 

Aal  schone  er  daz  verdulde 

unz  daz   si  im  geswuoren 

und  rehte  dan  vuoreu. 
Der  ditze  riche  gewan, 

der  was  geheizen  Karelman.  3020 

do  was  der  küneginne  name 

niht  anders  wan  La  bone  dame. 

dö  hiezen  ir  kindelin 

Karle  unde  Pippin. 
■> '•  Pippin  der  was  deine:  3025 

daz  machte  daz  eine 

daz  sin  diu  muoter  niht  wol  pflac, 

do  si  in  dem  spitäle  lac 

und  in  diu  wol  geborne 
'  ;  sougte  üz  dem  hörne.  3030 

der  merre  der  hiez  Karle: 
.  '■  der  wart  künec  ze  Arie. 

Sit  gewan  der  künec  Pippin 

daz  lant  da  wir  hie  inne  sin, 
'■■  '  und  der  biderbe  Karle  uns  mähte  3035 

die  herliclien  pfahte.  *•■ 

des  suln  im  iemer  danken 

die  Swäbe  und  diu  Franken 

daz  er  si  vor  aller  diet  ''-■•  '  ' 

an  ir  rehte  üz  schiet.  3040 

sit  gewan  der  selbe  gotes  trat 

ein  tohter,  diu  hiez  Gerdrüt. 

3010.  den]  diu         3014.  sy  im         3015.  züchtenclichen         3018.  dan] 

mit  Jm  3019.  Wer  dis  3022.  labonedaue  3031.    mcrer 

3035.   Karlin  der  vns  macht  3036.   pfahte]  ach         3037.  sollen 

3038.  An  der  sehen  die  swabn  vä  die  frankfi         3041.  got 


DIE  GUTE  FRAU.  481 

diu  heilige  vrouwe 

diu  lit  ze  Haspelgouwe, 

des  edelen  wibes  wünne,  3045 

von  der  diz  reine  künne 

von  aller  erste  känieu. 

in  gotes  namen  amen. 

Des  bite  ich  sünda^re. 
nu  hän  ich  ditze  ma?re  3050 

voUebräht  an  die  stat 
als  mich  der  margräve  bat. 
nu  w'ü  ichz  heizen  schriben 
ze  eren  guoten  wiben, 

daz  si  merken  unde  schouwen  3055 

bi  dirre  guoten  vrouwen 
daz  niemer  wibe  missegät 
diu  Iriuwe  gen  ir  manne  hat. 

3045.  scheint  verderbt.  3046.  dis  reme  komc         3047y.  Von  aller 

erst  Jn   gotz  nameii  Aincn,   ohne  kamen,    der  plural  des   verbums   bei 
dem  singulare  des  nomcns  wie  890^.  3049.  Djs  3050.  (lifz 

fFolf,  dafs  Schotlky.        3051.  Volbracht        3056.  diser         3058.  Jreni 
man  hat  Amen.  '.»'A' 


Em  MÄRCHEN  AUS  DER  ORERLAUSITZ. 

Es  war  einmal  ein  schönes  mädchen,  das  hiel's  Helene, 
ihre  mutter  war  früh  gestorben,  und  die  Stiefmutter  die  sie 
bekommen  hatte  that  ihr  alles  gebraunte  herzeleid  an.  Helene 
gab  sich  alle  mühe  ihre  liebe  zu  gewinnen,  sie  verrichtete 
die  schweren  arbeiten  die  ihr  auferlegt  wurden  fleifsig  und 
uuvcrdrol'sen,  aber  die  böse  Stiefmutter  blieb  in  ihrem  har- 
ten herzen  ungerührt  und  verlangte  immer  mehr  von  ihr. 
denn  weil  Helene  so  emsig  und  unermüdlich  war  dafs  sie 
immer  bei  Zeiten  mit  ihrer  arbeit  fertig  wurde,  so  glaubte 
sie,  was  sie  ihr  auferlegt  habe  sei  noch  zu  leicht  und  zu 
gering  gewesen  und  sann  auf  neue  aufgaben,  eines  males 
verlangte  sie  von  ihr,  sie  sollte  zwölf  pfund  federn  in  einem 
tage  abschieifsen,  und  drohte  ihr  mit  harten  sti'afen,  wenn 
sie  abends  heim  käme  und  die  arbeit  nicht  gethan  fände. 
Z.  F.  D.  A.  II.  31 


482  EIN  MÄRCHEN. 

Die  arme  Helene  setzte  sich  mit  angst  und  thräneu  zu 
ihrer  arbeit  und  konnte  vor  kummer  kaum  einen  anfang  ma- 
chen, wenn  sie  aber  endlich  schon  ein  häufchen  geschlilse- 
ner  federn  vor  sich  liegen  liatte,  da  muste  sie  wieder  an  ihre 
noth  denken  und  bitterlich  weinen,  und  dann  stoben  von  ih- 
rem seufzen  die  federn  aus  einander,  so  gieng  es  ihr  immer 
wieder  und  ihre  angst  stieg  aufs  höchste,  sie  bedeckte  ihr 
gesichl  mit  beiden  bänden,  bückte  sich  über  den  tisch,  und 
rief  weinend  aus  'ach  ist  denn  niemand  auf  gottes  erdboden 
der  sich  meiner  erbarme?'  da  antwortete  auf  einmal  eine 
sanfte  stimme  'tröste  dich,  mein  kind :  ich  bin  gekommen  dir 
zu  helfen.'  erschrocken  sah  Helene  auf  und  erblickte  eine 
fee,  die  freundlich  fragte  'was  weinst  du  so?'  Helene  hatte 
lange  kein  freundliches  wort  gehört,  sie  fafste  vertrauen  und 
erzählte  was  ihr  für  eine  arbeit  aufgegeben  sei  und  dafs  sie 
damit  unmöglich  zur  bestimmten  zeit  fertig  werden  könne, 
sei  ohne  sorgen,  mein  kind'  sprach  darauf  die  freundliche 
fee,  'lege  dich  ruhig  schlafen ;  unterdessen  will  ich  deine  ar- 
beit verrichten.'  Helene  legte  sich  zur  ruhe  und  unter  den 
bänden  der  fee  flogen  die  federn  fast  von  den  kielen,  so  dafs 
die  arbeit  lange  vor  der  gesetzten  zeit  fertig  war.  darauf 
weckte  die  fee  Helenen,  die  allen  kummer  verschlafen  hatte, 
und  verschwand,  als  diese  ihr  danken  wollte,  am  abend  kam 
die  böse  Stiefmutter  nach  hause,  wie  erstaunte  sie,  als  sie 
Helenen  neben  der  fertigen  arbeit  ruhig  sitzend  fand,  sie 
lobte  zwar  ihren  fleifs,  dachte  aber  bei  sich  auf  neue  und 
noch  schwerere  arbeiten. 

Am  andern  tage  befahl  sie  Helenen  einen  grofsen  teich 
der  in  der  nähe  lag  mit  einem  lölfel  auszuschöpfen,  und  der 
lölfel  den  sie  ihr  dazu  gab  war  durchlöchert.  Helene  machte 
sich  an  ihre  arbeit,  aber  bald  sah  sie  ein  dafs  es  unmöglich 
war  das  gebot  ihrer  Stiefmutter  zu  erfüllen,  voll  unnuit  und 
angst  wollte  sie  eben  den  löfl'el  von  sich  Averfen,  als  plötzlich 
die  gute  fee  vor  ihr  stand  und  sie  freundlich  fragte  warum 
sie  so  betrübt  sei.  als  Helene  ihr  von  dem  geböte  ihrer 
Stiefmutter  erzählt  hatte,  sprach  sie  'verlafs  dich  auf  mich  : 
ich  will  deine  arbeit  für  dich  verrichten,  lege  dich  unter- 
dessen nur  ruhig  schlafen.'  Helene  war  getröstet  und  legte 
sich  zur  ruhe,  aber  bald  ward  sie  von  der  fee  leise  geweckt 


EIN  MÄRCHEN.  483 

imd  erblickte  das  vollbrachte  werk,  voller  freuden  eilte  sie 
zu  ihrer  sliefimilter  und  hoffte,  ihr  herz  werde  sich  nun  end- 
lich erweichen,  aber  diese  ärgerte  sich  darüber  dafs  ihre 
tücke  so  wunderbar  vereitelt  worden  war  und  sann  auf  noch 
schwierigere  aufgaben. 

Als  es  morgen  geworden  war  befahl  sie  Helenen  bis 
zum  abende  ein  schönes  schlofs  zu  bauen  das  sogleich  be- 
zogen werden  könne  und  an  dem  nichts  fehle,  weder  küche 
noch  keller  noch  irgend  etwas.  Helene  setzte  sich  nieder- 
geschlagen auf  den  felsen  der  ihr  angewiesen  war  und  trö- 
stete sich  nur  mit  der  hoffnung  dafs  ihr  die  gute  fee  auch 
diesmal  aus  ihrer  noth  helfen  werde,  so  geschah  es  auch : 
die  fee  erschien,  versprach  das  schlofs  zu  bauen,  und  schickte 
Helenen  wieder  zur  ruhe,  auf  das  wort  der  fee  erhoben  sich 
felsen  und  steine  und  fügten  sich  in  einander,  so  dafs  bald 
ein  prächtiges  schlofs  da  stand,  vor  abend  war  auch  inwen- 
dig alles  fertig  und  in  vollem  glänze,  wie  dankbar  und  freu- 
dig war  Helene,  als  sie  die  schwere  aufgäbe  ohne  ihr  zu- 
thun  erfüllt  sah.  aber  die  Stiefmutter  freute  sich  nicht,  son- 
dern gieng  spürend  durch  das  ganze  schlofs  von  oben  bis 
unten,  ob  sie  nicht  irgend  einen  fehler  fände  wegen  dessen 
sie  Helenen  strafen  könnte,  endlich  wollte  sie  auch  den 
keller  be trachten,  aber  in  dem  augeublicke  wo  sie  die  fall- 
thür  erhoben  halte  und  hinabsteigen  wollte  schlug  die  schwere 
thür  plötzlich  zurück,  so  dafs  die  böse  Stiefmutter  die  treppe 
hinabstürzte  und  sich  zu  tode  fiel. 

Nun  war  Helene  selber  herrin  des  schlofses  und  lebte 
in  ruhe  und  frieden,  bald  kamen  viele  freier  die  von  ihrer 
grofsen  Schönheit  gehört  hatten,  unter  ihnen  war  auch  ein 
königssohn  mit  namen  Lassmann,  und  dieser  erwarb  sich  die 
liebe  der  schönen  Helene,  eines  tages  safsen  beide  vertrau- 
lich vor  dem  schlofse  unter  einer  hohen  linde  beisammen  und 
Lassmann  sagte  Helenen  dafs  er  von  ihr  zu  seinen  altern 
reisen  müfse,  um  ihre  einwilligung  zu  seiner  heirat  sich  zu 
holen,  und  bat  sie  unter  der  linde  seiner  zu  warten :  sobald 
als  möglich  schwor  er  ihr  zurückzukehren.  Helene  küsste 
ihn  beim  abschiede  auf  den  linken  backen  und  bat  ihn  so 
lange    er  von  ihr  entfernt  sein  werde  sich  von  niemand  auf 

31* 


484  EIN  MÄHCHEN. 

diesen    backen  küssen  zu  lafsen.     unter   der   linde  wolle  sie 
ihn  erwarten. 

Helene  baute  felsenfest  auf  Lassmanns  treue  und  safs 
ganzer  drei  tage  lang'  vom  morgen  bis  zum  abende  unter  der 
linde,  als  aber  ihr  bräutigam  immer  noch  nicht  kam,  gerieth 
sie  in  schwere  sorge  und  beschlofs  sich  auf  den  weg  zu  ma- 
chen und  ihn  zu  suchen,  sie  nahm  von  ihrem  schmucke  so 
viel  sie  konnte,  auch  von  ihren  kleidern  nahm  sie  drei  der 
schönsten,  eins  mit  Sternen,  das  andere  mit  monden,  das 
dritte  mit  lauter  sonnen  von  reinem  golde  gestickt,  weit 
und  breit  wanderte  sie  durch  die  weit,  aber  nirgend  gerieth 
sie  auf  eine  spur  ihres  bräutigams.  am  ende  verzweifelte 
sie  ihn  zu  finden  und  gab  ihr  suchen  auf,  aber  nach  ihrem 
schlofse  wollte  sie  doch  nicht  heimkehren,  weil  ihr  dort  ohne 
ihren  bräuligam  alles  öde  und  verlafsen  vorkommen  muste: 
lieber  wollte  sie  in  der  fremde  bleiben,  sie  vermietete  sich 
bei  einem  bauer  als  hiriin  und  vergrub  ihren  schmuck  und 
ihre  schönen  kleider  an  einem  verborgenen  orte. 

So  lebte  sie  nun  als  Iiirtiu  und  hütete  ihre  herde  indem 
sie  an  ihren  bräutigam  dachte,  sie  gewöhnte  ein  kälbchen 
von  der  herdc  an  sich  und  halte  an  ihm  ihre  freude,  fütterte 
es  aus  ihrer  band  und  richtcle  es  ab  vor  ihr  nieder  zu  knieen 
wenn  sie  zu  ihm  sprach 

'kälbchen,  knie  nieder 

und  vergifs  deiner  ehre  nicht,  wie  der 
""'  prinz  Lassmann  die  arme  Helene  vergafs, 

als  sie  uuler  der  grünen  linde  safs.' 
^ach  einigen  Jahren,  die  sie  so  verlebte,  hörte  sie,  die 
tochter  des  königs  in  dem  lande  wo  sie  jetzt  wohnte  werde 
ein  königssohn  mit  namen  Lassmanu  heiraten,  darüber  freu- 
ten sich  alle  leute,  aber  Helenen  überfiel  ein  noch  viel  grö- 
fserer  schmerz  als  sie  bisher  erlitten  hatte,  denn  sie  hatte 
immer  noch  auf  Lassmanns  Irene  vertraut,  nun  traf  es  sich 
dafs  der  weg  zur  königsstadt  nicht  weit  von  dem  dorfe  vor- 
bei gieng  wo  Helene  sich  als  hirtin  verdungen  hatte,  und 
so  geschah  es  oftmals,  wenn  sie  traurig  ihre  herde  hütete, 
dafs  Lassmann  an  ihr  vorüber  ritt  ohne  sie  zu  beachten,  in- 
dem er  ganz  in  gedanken  an  seine  braut  versenkt  war.  da 
licl    CS  Helenen    ein    sein  herz  auf  die  probe  zu  stellen  und 


EllN  MARCHEiN.  485 

zu  versuchen  ob  es   nicht  möglich  sei  ihn  wieder  an  sie  zu 
erinnern,     nicht    hinge  darauf  kam  Lassmann  wieder  einmal 
vorüber:  da  sprach  Helene  zu  ihrem  kälbchen 
'kälbchen,  knie  nieder 
und  vcrgil's  deiner  ehre  nicht,  Avie  der 
prinz   Lassmanii  die  arme  Helene  vergal's, 
als  sie  unter  der  grünen  linde  sal's.' 
als  Lassmann  ihre  stimme  horte,  da  war  es  ihm  als  solle  er 
sich    auf  etwas    besinnen,    aber    hell  wurde  ihm  nichts,  und 
deutlich    hatte    er   auch  in'cht  die  worte  vernommen,  da  He- 
lene nur  leise  und  mit  zitternder  stimme  geredet  hatte,     so 
war  auch  ihr  herz  viel  zu  bewegt  gewesen  als  dafs  sie  hätte 
acht  geben  können  welchen  eindruck  ihre  worte  machten,  und 
als  sie  sich  fafste,  war  Lassmann  schon  wieder  weit  von  ihr. 
doch  sah  sie  noch  wie  er  langsam  und  nachdenklich  ritt,  und 
deshalb  gab   sie  sich  noch  nicht  ganz  verloren. 

In  diesen  tagen  sollte  in  der  köuigsstadt  mehrere  näclite 
hindurch  ein  grofses  fest  gegeben  werden,  darauf  setzte  sie 
ihre  hoffnung  und  beschlofs  dort  ihren  bräutigam  aufzusu- 
chen, als  es  abend  war  machte  sie  sich  heimlich  auf,  gieng 
zu  ihrem  verstecke  und  legte  das  kleid  das  mit  goldenen 
sonnen  geziert  war  und  ihr  geschmeide  an,  und  ihre  schö- 
nen haare,  die  sie  bisher  unter  einem  tuche  verborgen  hatte, 
gab  sie  nun  frei,  so  geschmückt  gieng  sie  in  die  Stadt  zum 
feste,  als  sie  eintrat,  da  wandten  sich  aller  äugen  auf  sie, 
alles  verwunderte  sich  über  ihre  Schönheit,  aber  niemand 
wüste  wer  sie  war.  auch  Lassmann  war  von  ihrer  Schön- 
heit wie  bezaubert,  ohne  zu  ahnen  dafs  er  einst  mit  diesem  niäd- 
chen  ein  herz  und  eine  seele  gewesen  war,  bis  zum  morgen  wich 
er  nicht  von  ihrer  seile  und  nur  mit  mühe  konnte  sie  in  dem 
gedränge  ihm  entkommen  als  es  zeit  war  heim  zu  kehren. 
Lassmann  suchte  sie  überall  und  erwartete  sehnlich  die  näch- 
ste nacht,  wo  sie  versprochen  hatte  sich  wieder  cinzuiinden. 
am  andern  abendc  begab  sich  die  schöne  Helene  wiederum 
so  zeitig  als  sie  konnte  auf  den  weg.  diesmal  hatte  sie  das 
gewand  an  das  mit  lauter  silbernen  monden  geziert  war  und 
einen  silbernen  halbmond  trug  sie  über  ihrer  stirue.  Lass- 
mann war  froh  sie  wieder  zu  sehen,  sie  schien  ihm  noch 
viel  schöner  zu  sein  als  gestern  und  die  ganze  nacht  tanzte 


486  ELN  xVlÄRCHEN. 

er  allein  mit  ihr.  als  er  sie  aber  nach  ihrem  naraen  fragte, 
antwortete  sie,  sie  dürfe  ihn  nicht  nennen  wenn  er  nicht  er- 
schrecken solle,  darauf  bat  er  sie  inständig  den  nächsten 
abend  wieder  zu  kommen,  und  dies  versprach  sie  ihm.  am 
dritten  abend  war  Lassmann  vor  Ungeduld  frühzeitig  in  dem 
saale  und  verwandte  kein  äuge  von  der  thür.  endlich  kam 
Helene  in  einem  gewande  das  mit  lauter  goldenen  und  sil- 
bernen Sternen  gestickt  war  und  von  einem  Sternengürtel 
festgehalten  wurde;  ein  sternenbaud  hatte  sie  um  ihre  haare 
geschlungen.  Lassmann  war  noch  mehr  als  zuvor  von  ihr 
entzückt  und  drang  in  sie  mit  bitten  sich  ihm  endlich  zu  er- 
kennen zu  geben,  da  küsste  Helene  ihn  schweigend  auf  den 
linken  backen,  und  nun  erkannte  Lassmann  sie  auf  einmal 
wieder  und  bat  voll  reue  um  ihre  Verzeihung,  und  Helene, 
froh  ihn  wiedergewonnen  zu  haben,  liefs  ihn  nicht  lange 
darauf  warten. 


G  R  E  G  O  R  I  U  S. 

U7iter  mehreren  meist  auch  sonst  bekannteji  lateinischen 
gedickten  die  in  eine  handschrifi  der  königlichen  bibliothek 
zu  München  {cod.  Aug.  s.  Vir.  113.  4°.  papier)  von  einer 
hand  des  14w  jh.  zusammengetragen  sind  ist  eines  (hl.  43* 
—  52*')  das  in  453  hexametern  die  sage  von  Gregorius  auf 
dem  steine  erzählt,  wer  die  gemütliche  deutsche  behand- 
lung  desselben  Stoffes  durch  Hartmann  von  Aue  kennt  wird 
sie  gern  mit  dieser  lateinischen  vergleichen,  die  loeniger  als 
eine  andere,  von  welcher  H.  Leo  in  de?i  blättern  Jiir  lite- 
rarische Unterhaltung  für  1837  s.  1431  und  danach  Jac. 
Grimm  in  der  vorrede  zu  den  lat.  ged.  des  10«  und  \\7i 
jahrh.  s.  xlv/.  ein  bruchstück  mitgetheilt  hat,  für  eine  nach- 
bildung  derselben  zu  halten  sein  dürfte,  da  sich  die  haupt- 
momente  dieser  christlichfrommen  sage  auch  in  älteren  des 
germanischen  nordens  ßnden  und  vielleicht  ebendaher  ent- 
lehnt sind,  so  wird  dieselbe,  ob  auch  in  lateinischem  ge- 
wande, eine  stelle  unter  deutschen  alterthUmern  in  anspruch 
nehmen  dürfen,  gesteht  man  ihr,  auch  als  lateinischer  dich- 
tung,    ein  gewisses  verdienst  zu,   so    wird  ihre   bekannt?na- 


GREGORIÜS.  487 

chung  aus  einer  ziemlich  fehlerhaften  ahsckrift,  an  der  hier 
nur  das  verhefserlichste  verbefsert  ist,*  vielleicht  veranla- 
fsung'  sein  dafs  auch  noch  lesbarere  und.  richtigere  texte 
atis  tageslicht  gezogefi  werden.  J.  A.  SCHMELLER. 

*  ich  habe  mir  erlaubt  vcrmtitimgen,    so  viele  mir  einfielen,    hin- 
zu zu  fügen,     sie  sind  mit  H  bezeichnet.     Haupt. 

Gratia  potentis,  quae  cunctarum  moderatur 

/?erum  processiis,  quae  regem  misit  ab  arce 

jE'xcelsi  solii  miseris  succurrere,  sanctos 

Gratuilis  ditare  donis,  relevare  iacentes, 

Oppressos  homiues  extollere,  viiicula  vinctis  5 

/fumpere,  peccata  dimittere,   crimina  mundi 

/ustitia  delere  siia,  dignetur  adesse, 

Ui  valeam  vitam  cuiusdam  scribere  metro 

iSancti,  qui  possit  speculuin  peccantibus  esse. 

Postquam  praecipiti  ceciderunt  omnia  casu,  10 

^xpulsis  primis  de  sede  parentibus  alma, 

Coeperunt  homiaes  ia  terra  inultiplicari, 

Crimina  creverunt  populo  crescente,  nee  uUus 

^Iterius  portabat  onus,  sed  lege  relicta 

Totus  erat  mundus  confusus,  venit  Olympo  15 

Omnipotens,  ut  ferret  opera,  solusque  valebat 

ßeddere  quod  periit  et  solus  cuncta  redemit. 

Kex  recto  ritu  regende  regna  tenebat. 
Nobilis  huic  dederat  prolem  natura  geraellam, 
Natum  cum  nata.  probus  bic  fuit,  illa  decora.  20 

Tempus  edax  longusque  dies  scniumquc  molestaus 
Regem  cogebat  morli  sua  solvere  iura. 
Convocat  hie  proceres.  veniunt.    praesentibus  illis 
Nato  commiltitur  regnum,   natam  quoque  nato 
Commitlit,  sed  committit  nimium,  meliusque  25 

Non  commisisset.  manet  inviolabile  fatum. 
Sed  quoniam,  sicut  testalur  Naso  poela, 

1  —  17.  ob  das  acrosticiüsche  Gregorius  poccator  auf  jenen,  den  doch 
das  gedieht  als  einen  heiligen  verherrlichen  will,  oder  etwa  auf  den 
dichter  gehtif  1.  pollentis?  //.  i.  /.  bonis  //.  24.   /.   coui- 

miltit  H.         27.  Naso]  her.  2,  85.  '! 


488  GREGORIUS. 

Exitus  acta  probat  et  finis  cuncta  coronat,- 
Qui  mala  commisit,  conclusit  fine  beata. 
Rex  moritur,  sed  non  penilus,  quia  filius  eius  30 

In  regno  regnat  et  rede  regna  gubernat. 
Cuncta  regendo  bene,  se  non  regit,  immo  ruinam 
In  se  convertit,  dum  non  ut  frater  auiavit 
Germanam.   dilexit  eam,  dilectio  crevit, 
Ut  Byblis  fratrem  dilexit,  3Iyrrha  parentem.  35 

Hanc  muUi  petiere  proci:    procul  ipse  procorum 
Esse  iubet  turbam,  quoniam  procus  improbus  ipse 
Vult  optatque  sibi  soli  quam  non  cupit  ulli. 
Ergo  iocos  fingit,  dat  basia,   brachia  stringit, 
Aggreditur,  sie  transgreditur  commissa,  querelas         40 
Exequitur,  solatur  eam  quocumque  vovendo. 
Et  licet  ambo  scelus  hoc  velint  dissimulare, 
Non  tameu  id  celat  uterus,  loquiturque  pudorem, 
Voce  carens,  parlu  turgens.  iamiam  manifesta 
Crimina  sunt  utero,  ne  factum  fama  loquatur,  45 

Rex  quodam  conclusit  eam.  fuit  unus  in  eius 
Regno  vir  prudens,  qui  regi  iam  tumulato 
Consulerat,  cuius  sapieutia  vicerat  onmes 
lUius  regni  sapientes.  hunc  vocat,  illi 
Factum  denudat  humilis.  consultor  ad  isla  50 

Vir  prudens  stupuit,  relevat,  solatur,  et  illi 
Consilium  spondet  dicens  celare  pudorem. 
'Hunc  ego  celabo,  quoniam  mihi  provida  coniunx, 
Auxilio  cuius  sie  facta  premam,  quod  in  omni 
Nemo  sciat  regno  praeter  nos.  esse  paratus  55 

Ad  mea  verba  velis.'  se  totum  subiicit  illi 
Rex  humilis,  proceres  vocat,  coram  quibus  illi 
Regnum  committit  prudenti:  nam  cruce  meutern 
Et  vcstem  signat,  dicens  se  velle  sepulchrum 
,,<,'    Visere  pro  voto  domiui.  benedixit  et  ivit.  60 

Istud  consilium  sapiens  suggesserat  illi. 
Quid  moror?  hie  moritur,  seu  couscia  praecipitavit 
Mens  vitam  summa  dies,  angustia  mentis 
Saepe  dies  hominis  prorupto  tempore  rupit. 

33.  ^y.  fehlt.  42.  /.  vellent  //.  /i8.  e*  steht  vinccrat  .57.  / 

proceresque  //.  63.  seu  summa  d.?  //. 


GREGORIÜS.  489 

Vir  prudcüs  regnum  moderalur,  femina  cuius  65 

Factum  sie  celat  quod   nuUi  fama  revelal, 

Diccns  quod  niilliis  rej^inam  cernerc  possit 

Donec  rex  reditmn  faciet,  vel  forte  per  annnm 

Hanc  servare  velit,   ne  fiat  causa  doloris, 

Si  procus  hanc  vel  si  velit  ipsa  procari.  70 

Tempus  adest  partus,  puerum  parit  et  pariendo 

Elficitur  mäter :  amitam  tarnen  esse  fatetur 

Se :   si  vixisset  pater  eins,  avunculus  esset. 

Vir  prudens  puerum  toUit  capsaque  recondit, 

Purpuren  pauno  circumvolvit,  mediamque  75 

Particulam  panni  mater  linquit,  et  superaddit 

Viginti  marcas  auri,  tabulisque  nota\it 

Quod  puer  gentilis  adhuc  quoque  rex  pater  eins 

Reginaque  mater,  celatum  non  negat  ortum, 

Et  rogat  in  tabulis,  si  forte  pepercerit  illi  80 

Sors,  si  quis  fuerit  pueri  tabulaeque  repertor, 

Aurum  toUat,  alat  puerum,  baptizel  eundem. 

His  actis  tabulam  claudit,  linit  intus  et  extra 

Glutine,  ue  possit  liumor  fluetinus  obesse, 

In  mare  mittit  eam,  procul  hanc  rapuere  procellae.     85 

0  puer  infelix,  miser  et  miserabilis,  heu! 

En  alter  Moyses  repetit  cum  piscibus  undas. 

0  fatum  dirum,  cur  non  dampnare  vereris 

Tam  parvum  puerum,  sie  innocuum  sine  noxa, 

Qui  uil  deliquil,  nisi  quod  genuere  parentes  90 

Incesti  ?  sed  nos  numquid  peccata  parenlum 

Sic  omnes  fuimus  ?  sed  et  excusabile  fatum 

Se  faceret,   si  fata  forent.   sed  lata  relinquo, 

Ad  creatorem  revertor.   qui  mare  fecit,  '" 

Qui  mare  calcavit,  puerum  servavit  in  unda.  95 

Est  locus  ad  littus  maris  :  illic  regula  quondam 

CoUegit  domino  famulantes.   hie  veniam  det 

Lector  produci  Gregorium  aul  breviari. 

70.  haue  aliquis?  Si  poscal  procus  hanc?  Si  procus  hanc  poscal?  //. 
76.  /.  malri  linquil,  superaddit  //.  78/.  Quod  gcnlilis  adhuc  (juodquc 
esset  rex  pater  cius,  Ref^iiia  inalcr,  cclalum?  die  prosodie  rcginä  ii'ic 
z.  b.  207.  H.  83.  tabulam]  capsaiii  ?  //.  80.  /.  ohen   //. 

91.  sed]  scu?  //.         1)2.  /.  iuimus  //.  '.»i,  /.  Adquc  //.  '<■ 


490  GREGORIUS. 

Hoc  nomeii  fuit  abbalis.  isti  pueroque 
Nomeo  erit  idem  cum  baptizabitur  ergo.  100 

Sed  quocumque  veliat  luetro  ponatur  ubique. 
Suppleat  interdum  totum  monosyllaba  nomen, 
Ut  si  dicam  Gre,  vel  sie  dissyllaba,  Grego, 
Vel  Irisyllaba  sie,   Gregori  Gregoriusque, 
Vel  Gregorius.  occufril  saepius  illud  105 

Nomen:  propterea  veniam  de  nomine  quaero. 
Ad  seriem  redeo.  fratres  Gregorius  abbas 
Rexit,  direxit,  correxit,  corpore,  mente. 
Festa  dies  aderat  et  pisces  meusa  petebat. 
Defuerant.  claustrum  abbas  pro  piscibus  exit  110 

Et  piscatores  iubet  ut  sua  retia  laxent. 
Res  nova:  qui  pisces  cupiunt,  puerum  capuerunt. 
Ignorant  quid  sit.  cogenlibus  ergo  procellis 
Adpeliunt,  sed  vix  in  navem  retia  ducunt. 
Spes  trahit  abbatem.  propinquat  et  speculatur,  115 

Sed  quod  rete  ferat,  nihil  invenit.  ergo  bacillo 
Retia  dimovit.  piscatores  mala  verba 
Danl  illi,  'numquid  fures  sumus,  ut  tibi  pisces 
Furemur?  te  propterea  sie  retia  nostra 
Volvere  non  deeuit.'  abbas  recedit.  iecti  120 

Vagitus  pueri  resonat  sub  retibus.  abbas 
Audit,  miratur,  latitat,  reperit,  reseratur, 
Et  puer  et  tabulae  pariter  cernuntur  et  aurum. 
;ij;    Abbas  scripta  videt,  reseiseit  singula  signa. 

Tunc,  quia  discretus,  piscatori  dedit  auri  125 

Tres  mareas,  puerum  committens,  toUat  ut  ipsum, 
Praeeipiens  ut  eum  baplizari  roget,  ut  se, 
Conipater  ut  fiat,    rogat.  isla  facit  sapienter. 
Piscator  puerum  recipit,   ut  lilius  eins 
Si  fuerit,  eum  baplizari  facit,  abbas  130 

Compater   efficitur  pueri  Gregorius,  illum 
Aequivocum  facit  esse  suum.   fratres  tarnen  illud 
Aegra  mente  ferunt.  abbas  obpescuit  omnes. 
Ecce  puer  erescit  tarn  corpore  quam  probitale. 

101.  vclim?  //.  105.   occun-it  iiain  {odo'  quod)  s.   i.  ?  //. 

112.  rapueruiil?  //.  120.  iecli]  ?  12i.  es  steht  rediscil 

128.  /.   ropel  //.  KM),  illum?  et  cum?  //. 


GHEGORIUS.  491 

Cum  pueris  liidil  quasi  gernianus  eoruui.  135 

Quod  sit  adoptivus  nescit  puer,  al  tarnen  iutus 
Hunc  natura  docet  quod  voluit  degencr  esse.    . 
Cum  pueris  ludens   (seu  casu  laeserit  illum, 
Luden tem  laesit)  dum  quodam  tempore  ludit, 
OlFendit  forte  puerum,  quem  nomine  fratris  1 40 

Esse  fratrem   putat.   laesus  puer  ad  genitricem 
Accusat  Grego.  mulier  commota  novercam 
Induit  et  nescit  se  simulare  novercam, 
Quamvis  non  voluit,  verbis  exprimit  iram. 
Spurius  ille  puer  nupcr  defluxus  in  undis,  145 

Quem  mare  reiecit,  quem  vix  haec  terra  recepit, 
Insultat  nostris  pueris  et  verbere  saevit. 
Prob  puer  hie  etiam  noslram  pervenit  ad  aedem : 
Sit  procul  a  nobis  et  sit  maledictus  et  expers, 
Exul,  inops  vivat,  aliena  limina  lustret.'  150 

His  aderat  verbis  Gregorius,  at  tarnen  illum 
Nescivit  mulier.  puer  hie  tristatur  et  omnem 
Infra  se  celat  gemitum  iiullique  revelat 
Probra,  sed  extremae  mandat  muliebria  cellae. 
Tempus  adest  quo  adesse  debet  scolae  puer.  illum    155 
Compater  apponit  studio :  discit  puer  et  sie 
Imbutus  Musis,  et  quem  neglexerat  ortus, 
Ingenio  fortuna  beat.  procedit  ad   annos 
Sic  iuvenis  nimis   hunc  nimio  stimulante  dolore. 
Laetitiam  simulare  negat,  sed  trislis  in  omni  160 

Facto  fit.  quid  agat,  dubitat.  considerat  illud 
Abbas  discretus,  quaerens  quae  causa  sit  illi 
Tristitiae,  vix  extorquens.   illi  probra  Grego 
Narrat  feminea.  paler  inquit  'quid  placet  inde. 
Hoc  totum  faciam.'  Grego  dixit  'volo  miles  165 

Esse,  pater,  mihi  cum  dominus  dabit  unde.  sed  hoc  scis 
In  domino  confido  Jesu:  sj)eranlibus  in  se 
Semper  adest.'  dominus  abbas  dixit  'bene  dicis. 
Da  domino  laudes,  quia  dives  es:'  dederatque 
Inventum  aurum,  superaddens  foenora  multa.  170 

135.   /.  quasi  sil  //.  \',\7.  <iii(k1   iiolil  ?  //.  143.  /.  sc  dissimu- 

l.ire  //.  144.   et  verbis?  //.  150.  /.  alicnaque  //.  153.  /.   In- 

tra  //.  157.  /.   Iinbuilur  //.  IGO.  mihi  Jehlt.  Iti7.  fido?  ff. 


492  GREGORIUS. 

Mililal  ergo  Grego,  crescens  niulta  probilale, 
Adiiingitque  sibi  socios.  abbas  pater  inquil 
'El  modo  quid  Facies?'  Gre  dixit  'non  requiescaii» 
Doncc  percipiaui  qiiae  mibi  sit  terra,  quis  ortus, 
Quis  pater  et  mater,  vel  quae  cognalio,  vel  quac      175 
3Ie  fortuna  regat.'  tabiilas  buic  protiilit  abbas, 
Quae  genus  illius  memori  scripto  retiuebaut, 
Quas  prius  ille  senex  parvae  coniunxerat  arcbae. 
Quando  conclusit,  grates  Gre  multiplicavit. 
Ex  hiiic  eximius  proGciscitur  et  loca  quaeril,  180 

Quae  sibi  sit  patria  se  noscere  quaerit,  et  ubi 
lani  reperit  loca  mulla  uialrera  mirabilis  ecce 
Occurrit  casus,  casu  pervenil  ad  illani 
Urbem  quam  mater  sua  rexit  solaque  mansit 
Sub  ditione  sua:  dux  quidam  cetera  bello  185 

Caslra  tulit,  vix  haec  iu  castroque  mansit. 
Ingreditur  castrum,  movet  hunc  iniuria  matris. 
Quam   matrem  uescit,  regiuae  coudolet,  armis 
Succinctus  pro  iustilia  iubet  citius  omnes 
Armari  senes,  ut  se  comitentur  in  armis.  190 

Ista  iubet  cives,  ut  ei  succurrerc  totis 
Viribus  insistant.   et  eo  iam  produce  fiunt 
Audaces,  acies  acuuntur  et  arma  parantur. 
Ecce  repentiua  feslinat  l'ama  venire 
Dux  castrum  ducis  bosles.   iam  vulgus  adesse  195 

OD    Indicat.  occurrit  illis  Gregorius,  hostes 
Impugnät,  vastat,  confundit,  cetera  turba 
Plus  audet  quia  sie  audere  nitet,  probitasque 
Civibus  excrevit  audentis   de  probilale. 
Hostes  consternunl,  quia  consternuntur  et  ipse         200 
Dux  fugit.  binc  cives  cilantur  proque  triumpbo 
Victima  digna  dalur,  quaerit  regina  quis  iste 
Sit  miles  per  quem  virtus  sie  crevit,  et  omnes 
Ignorant  laudantque  virum  et  ipsum 

174.  /.  Uli  Sil  oder  sil  mihi   //.  ISÜ.   f.v  slelil  cxiinius  prollcitur 

181.   Sil  fefiU.  l.  ul)i(|ui'  //.  182.   matrem]?  18G.   vix  liuec 

in  boc  casli'oquc  rcmaiisil?  //.  187.   es  steht:  luovoiil  liuc 

189.  /.   ociii.s  //.        190.  si'iicsj  cives?  //.  195.  K.\  caslro  ducis?  // 

'iOI.   /.   laelanlur  //.         '204.   m  fclill  etwas. 


GREGORIUS.  493 

l[)sa  vidcre  ciipit,  ([uoniani  Grogorius  illi  205 

Mulla  traiismiscral  cl  niisit  vice  versa 

nii  regiiia  sna  munera.  dicitur  illi 

Ante  fores  templi,   cum  forsan  lempla  subibit, 

fpsa  viruni  spcctare  potes,  iam  templa  palebuiit/ 

Stal  Grego  ante  fores,  quem  regia  purpura  vestit     210 

Qua  puerum  mater  involverat  et  paler  abbas 

Hiuc  vestes  illi  formavit.   suspicionem 

Maler  habet,  sed  diüidit  quod  filius  eius 

Vivat  adhnc,   l'aio  ponlo  piscique  relictus. 

Grates  illa  referl  de  laclis,  munera  praebel.  215 

Argentum,  vestes,  aurum  quoque  respuit  ille, 

Ut  dives,  quoniam  rerum  sibi  copia  fluxit. 

Dux  bellum  renovat,  rursus  iit  maior  in  armis, 

Urbem  circnmdat.  Gregorius  associalus 

Civibus  bosliles  insultat,  macte  retuudit,  220 

Hostes  coaf'undit,  necat  hos,  fugat  hos,  capit  illos. 

Ut  lupus  ovibus,  ursus  capris,  ut  leo  dammis, 

Buteus  asper  aquis  velut  accipiterqiie  columbis, 

Est  ense  manu  vel  sie  Gregorius  et  inmitis. 

Qui  possunt  fugere  fugiunt,   reliqui  capiuntur  225 

Aut  occiduntur,  dux  sie  confunditur  ut  iam 

Vires  non  ausit  rursus  hello  rcnovare. 

Omnes  conveniunt,  gralulantur,   Gregoriusque 

Iq  Caput  eligitur  pro  hello,  profugi  ducis 

Cives  invadunt  reginae  castra,  requirunl  230 

ümnia  vixque  duci  domus  vita  relinquitur,  in  qua 

Delateat.  pacem  rogat,  vix  obtinet  illam. 

Turba  coit  procerum,  reginae  suggerit  ut  se 

Coniungat  viro   quia  regniim  rege  carerc  ' 

Non  decet.  illa  rel'ert   vellem  sine  coniugc  vitam      235 

Ducere,  sed  quia  suadetis  nie  nubere  viro, 

Parebo  verbo,  vos  tarnen  quacrile  regem 

Qui  vobis  placeat  et  me  tegat/  petit  illam 

3Ü5.  Mulla  traiisniisil  el  traiisiuisit?  //.  ^-.v  steht  wtrsa  vice  223.  aquis, 
denßscficn  im  luaj'ser?  II.  224.  Erisc  manuque  vclox  Grcj;orius  est  ini- 
micis.  //.  229.  profugi  ducis]  jn-ol'ugieiilis,  mil  einer  im  mittelaltcr  nicht 
seltenen  mefsitn-^?  II.  231.   /.   doiuus  nna  r.  //.         232-  /.   at  vix  //. 

233.  es  sieht  sugeruut  237.  vos  lautuin?  //.  238.  /.  adpolii  //. 


494  GREGORIUS. 

Nunc  hie  nunc  ille  et  rex  sperat  quilibet  esse. 
Protrahit  illa  nioram,  quia  vellet  vivere  casta.  240 

Fata  negant.  proceres  reginae  consilium  dant, 
Ut  se  coniungat  equiti  per  quem  sua  castra 
Perdita  restitui  sibi  viderat.  annuit  illa, 
Consilium  se'quilur,  natum  nubit,  quia  nescit 
Esse  suum  natum.  melius  non  nata  fuisset,  245 

Si  deus  omnipotens  fieri  non  consuluisset. 
Gregorius  regnat,  scelus  ignorat  tamen  illud. 
Conscia  mens  mordet,  tabularum  scripta  relegit. 
Nam  solus  saepe  cubile  clausit  ubique 
Questus  singultus  gemitus  et  verbera  plangit  250 

Et  lacrimas  multas  efFudit.  noverat  illud 
Unica  reginae  famulans  ancilla  fidelis 
Reginaeque  refert.  rogat  hanc  regina,  ut  ipsa 
Insidias  ponat,  vasculo  labulasque  repostas 
Ciam  rapiat.  cameram  claudit  clavemque  reponit.       255 
Illa  videns  tabulam  rem  seit  tabulasque  relegit, 
Cum  gemitu  lecto  se  ponit,  raox  revocare 
Venatu  regem  facit.  hie  redit.  "et  mihi  quid  nunc 
Tarn  subito  mandas,  venatio  noslra  valebat 
Si  me  forte  duas  absentareve  dies  tres  ?'  260 

Illa  gemens  longa  trahit  suspiria,  dixit 
'Heu  misera,  quid  agam,  cum  me  dominus  genitriceni 
Esse  tuam  voluit  ?  ulinam  genitrix  tua  tantum 
'  ;     Et  iam  non  coniux !  proh,  sum  tua  mater  et  uxor. 

Vellem  non  esse,  vellem  non  nata  fuisse,  265 

Ne  fierem  mater.  vehemens  dilectio  qua  me 
Frater  dilexit  male  dilexit.  frater 
Qui  nieus,  est  tuus  ille  pater:  tua  sum  modo  mater 
-;     Et  coniux,  amilamque  vocas  cui  nomina  tot  sunt 

Confusi  generis  voluit  natum  tumulare.  270 

Heu  quot  quaeque  mihi  sunt  nomina!  nescio  quo  sim 
.    Nomine  diceuda :  sum  mater  et  uxor 
Sum  socrus  ac  amita,  sum  neptis,  filia,  pellex: 

244.  /.  nato         246.  ex  steht  consiluisset        2i9.    Nam  solus  se  saepe 
cubili  clausit  ibique  //.  250.  planxit?    //.  253.  reginaque,  ut 

ipsi?  //.  254.  /.  vasclo  //.  2()1.  /.  traxil  //.  267.  Frater 

dilexit,  dilexit  me  male,  frater?  //.         270.  ?      272-  eadem  sum?  //. 


GHEGORIÜS.  495 

Quo  potius  dicar?  socer  est  genitor  mihi:  socnis 
Sum  patriquc  filia  sive  geuitorquc  nepotem  275 

Tiniens  appellat :  avus  tuus  ipse  sororera 
Fraler  me  dicit:   pellex  siini  facta  diiorum :: 
Est  tuus  ipse  pater  tibi  factus  avunculus  et  me 
Sic  amitam  tuam  esse  facit,  sum  tua  mater. 
Altera  describi  possunt  problemata  Sphingis.  280 

Sic  de  Lot  legitur  idem  de  quo  scriptum  rcperitur 
'Est  avus  ipse  pater  pueri,  sator  quoque  maler, 
Estque  noverca  sibi  matertera,   sie  soror  illi.' 
Numquid  de  stirpe  sum  Laii?  credo  quod  alter 
Oedipus  tu  sis,  cgo  sum  locasta  vel  ipsa  285 

lafelix  3Iyrrha  vel  ßyblis  adultera  fratris 
Vel  si  Vera  loquor  possum  iuiianaque  dici. 
Nominibus  tantis  ex  omni  parte  relictis 
Esse  volo  mater,  tu  tamen  consule  matri/ 
Sic  queritur  dubia  tristis  regina,  sed  ante  290 

Quaesierat  genus  ipsius  dicens  'scire  volo 
Quae  stirps,   an  sis  mihi  compar  nobilitate/ 
Grego  respondit  'scio  quod  sum  nobilis  et  me 
Rex  e  regina  genuerit.    solicitari 

Non  debes  inde.'   mater  tabulas  sibi  dedit  et  inquit  295 
'Vera  refers.'    visis  tabulis  Gre  vix  valet  inde 
Ad  coelos  oculos  attollere,  sed  gemebundus 
Ip'sum  solatus  et  tristis  talia  fatur, 
'0  deus,  0  domini  lesu  sanctissima  mater, 
Quid  res  ipsa  notat,  non  est  audacia  ullis  300 

Temporibus  visa  vel  talis  confusio  rerum. 
Post  chaos  explicitum,  post  |)rimula  mundi 
Tale  nefas  quis  percepit,  quae  pagina  scripta 
Exposuit,  penna  conscripsit,  penna  paravit? 
Sed  pius  ipse  deus,  fons  tolius  bonitatis,  305 

Qui  facit  omne  bonum,  mala  pcrmittens,  meliora 

275.  ?         276.  avus  et  tuus?  //.  279.  Sic  amitam  facit  esse  tuam, 

cum  sim  tua  mater?  //.  281.  idem  zu  tilgen.  IL  282.    sator] 

soror  est?  //.  285.  es  steht  locusta  28G.  es  steht  l)elis 

288.  iunaiiaque]?         289.  tu  tan  tum?  //,  291.  /.  volo  scire  //. 

292.  L  Quae  sit  stirps  //.  294.  /.  Rex  et  regiua  geuuerunt//.  295.  inde] 
hinc?  11.  3Ü0.  /.  Quod,  und  vielleicht,  nach  deutscher  weise,  nnWis  II. 
301.  vel]  /.  aut  //.         302.  post  primaque  iiiilia?  //. 


496  GREGORIÜS. 

Pravis  eliciens,   de  petra  mclla  propinans, 

De  nigris  corvis  faciens  pro  velle  columbas, 

Qui  dixit  Veni  nou  iustos  ut  renovarem, 

Sed  peccatores  se  corpore  posse  fatentes  310 

Promptus  suscipere,  nobis  dignetur  adesse, 

Qui  Petrum  flentem,  Matthaeum  lucra  petentem, 

Disraam  pendeiitem,  Mariam  sanclanique  gementem 

Vidit,  suscepit,  audivit,  sauctificavit, 

Vitam  det  nobis  per  tot  tempora  continuare  315 

Ut  digne  nostriim  possiiniis  flere  reatum. 

In  regno  maneas  et  clam  lua  crimina  plangas: 

Exul  ero,  quaerain  locum  plorantibus  aptum.' 

Regnum  dimittit  baculumque  rapit,  procul  hiuc  it, 

Commoda  postponit,   veniam  petit  et  loca  quaerit       320 

In  quibus  ipse  suas  possit  deplangere  noxas. 

Dum  loca  sie  multa  perlransit,  venil  ad  aedem 

Cuiusdam  duri  piscatoris.  rogat  illura 

Hospitium  nocle.  piscator  durus  et  asper 

Corripit  miserum  verbis,    obstuua  quid  optas?  325 

Unde  venis?  quid  vis?  quo  tendis?  pondera  ferre 

Deberes  polius  quam  sie  discurrere.  longe 

Sit  tibi  nostra  douius.  latronem  te  puto :  velles 

Nobis  occisis  res  nostras  tollere  nocte.' 

Gregorius  supplex  lacrimis  ita  dixit  obortis,  330 

'Eya,  mi  domine,  non  est  ita,  loca  quaeram 

In  quibus  acta  luam  mea  crimina,  namque  miser  sum 

{)(l  Peccator,  veniam  peto,  mihi  gratia  tameu 
Hospitii  detur  per  noctem:  cras  eo  mane 
Quo  me  cumque  deus  duxerit  et  loca  quaeram  335 

Quae  de  commisso  me  purgent  crimine.'   sponsa 
Ilospitis  hinc  pelil  ut  miser  ille  quiescat. 

<-r.    'Sed  peccatorum  si  forsan  mole  gravaris, 

Si  me  cras  sequeris,  si  vis  commissa  delere, 

Ad  loca  te   ducam  quae  te  cito  sanctiücabunt/  340 

310.  ?  315.  per  lempoia  oder  tot  tempora  o/ine  per  //. 

318.  /.  quaeramque  //.  332.  xenil  Je /ilt.         325.  /.  Corripuit  H. 

obsluua  in  den  mittleren   hnchstaben  undeutlich,     o  sciirra  ?   H. 

330.  es  steht  lacrimas  und  abortus.         331.  /.  sed  loca  H.        334.  ve- 

niaiuque  —  lanlum?  //.  335.   /.  direxerit  H.         337.   Hospilis  hiac 

noctem  petit?  //. 


GREGORIUS.  497 

Gregorius  laetalur  in  his,  grates  agit,  intrat 

Porcorum  slabula,  sufFragia  paucula  sensit 

A  piscatore.  sol  occidit  et  oritur  sol. 

Piscator  more  mane  consurgit  in  undas, 

Ut  victum  quaerat,  clamans  'cur  non  venit  ille  345 

Peccatorum  sero  volens  sanctissimus  esse?' 

Femina  Gregorium  vocat,  'o  miser,  cito !  navem 

Vir  mens  intravit.'  mox  ille  sopore  relicto 

Evigilat,  tabulis  oblatis  ad  niare  currit. 

Hunc  ratis  accepit,  piscator  transvehit  ipsum,  350 

In  riipera  ponit,  ubi  pauca  gramina  tantum, 

Et  riueis  fluxit  remis,  nulluni  quoque  lignum, 

Nee  pira  nee  poma  creverunt,    sed  neque  mora 

Ulla  fuit  causa  cur  rupem  viserit  illam 

Nullus  homo,  quoniam  fuit  locus  sine  fructu.  355 

Illic  piscator  Gregorium  compede  vinctum 

Emittit,  clavem  quoque  compedis  in  mare  iecit, 

Dicens  'haec  clavis  fuerit  si  quando  reperta, 

De  sceleris  venia  sit  tibi  liducia  certa.' 

Hacque  iacens  rupe  planxit  Gregorius  aunos  360 

Quatuor  atque  decem.  dominus,  qui  pavit  Heliam, 

Qui  pavit  Moysen,  illum  pavit  sine  pane. 

Hie  piscator  abit.  denis  cum  quatuor  annis 

Non  seniel  in  meutern  subiit  Gregorius  illi. 

Finito  dicto  iam  tempore  Roma  carere  365 

Incepil  propter  papam  nee  possunt  habere. 

Roma  facit  vota  pro  sanclo  patre.  revelat 

Uni  devoto  deus,   pro  patre  pelatur 

Qui  sedet  in  rupe  Gregorius.   omnibus  ista 

Visio  complacuit.   famuli  mittuntur  ubique  370 

Ut  sanctum  quacrant.  lustranlur  singula  missi 

Ac  illac  islac  quacrunt  de  nomine,  tandem 

Ad  piscatorem  dictum  veniunt  duo,  quaerunt. 

Tempore  iam  longo  si  quemquam  rupe  sedcntem 

343.  et]  /.  atque  //.       347.  o  miser,  o  cito?  II.       349.  vielleicht  oblitis, 
wenn  der  (lichter  dann  vei-gej'sen  hat  das  wunder  von  der  schriftlos  ge- 
wordenen ziirückgelafaenen  taj'el  tu  erzählen.  II.         351.  paucula?  //. 
352.  Et  nullus  fl,  rivus  ?  //.         355.  /.  Uilus  —  fuit  ille  locus  s.  fr.  H. 
359.  /.  tibi  sit  //.  360.    es  steht  Gregorius  planxit         366.  papam, 

possunt  nee  habere?  //.         368.  /.   ut  pro  H. 

Z.  F.  D.  A.    II.  32 


498  GREGORIÜS. 

Noveril,  ignolum  sibi  dicit:  'sed  tarnen  olini,  375 

Vix  raemiui,  quidam  fuit  hie  peccator,  eumque 
In  solo  posui  deserto.  sed  tarnen  illum 
Post  haec  non  vidi :  non  credo  vivere.'  'ducas' 
Tunc  clamant  illi  'nos  ad  rupem,  videamus 
Ul  saltem  rupem,  licet  hunc  non  inveniamus.'  380 

Annuit  his  hospes,  missos  traducit,  euntque 
Ad  rupem.  sedet  ecce  miser  quasi  Spiritus,   illum 
Vix  vivum  credunl,  rapiunt,  gaudendo  reducunt. 
Aspectus  pallor  eins  erat,  crura  minuta, 
Inplicitus  crinis,  caro  vix  caro,  sobrius  artus.  385 

Ista  probant  illum  signacula  iam  fore  sanctum. 
Vinctum  deducunt  gaudentes.  unus  eorum 
In  mare  rete  iecit,  missum  quoque  tempus  edendi 
Iam  fuit,  ut  pisces  aliquos  deprenderc  possent. 
Ad  mensam  rete  missum  iure  capiturque  390 

Lucius  eximius.  gaudet,  exenteral  illum 
Unus,  in  hoc  clavem  reperit.   piscator  ul  ipsam 
Aspexit  clavem,  clamat,  sicut  adiuvet  ipsum 
Iam  deus,  'hanc  clavem  manus  haec  proiecit  in  undas. 
Compedis  est  huius  haec  clavis.'  compede  rapta         395 
Absolatum  vinctum  cuncti  stupuere  videntes. 
Hinc  repetunt  Romam.  Romanis  nuntia  fama 
Dicil  adesse  virum.  cuncti  carpunt  iter,  illum 
Suscipiunt,  papam  statuunt,  sanctum  venerantur. 
Pater  papa  patrum  parcit  peccanlibus  et  se  400 

Exemplum  statuit  poenae  venientibus  ad  se, 
Dat  veniam  cunctis  miseris  peccanlibus,  in  se 
Cognoscit  quae  quisquis  possit,  quod  misereri 
,,         Nil  credit  esse  maius,  sine  quo  nil  posse  mereri 

Vel  sanctum  credit,   a  papa  nemo  recedit  405 

Quin  hunc  propitium  per  totum  praedicet  orbem. 
Fama  volat,   plane  quod  tam  mitis  miserator 
Non  fuit  Romae,  qui  sie  sciret  misereri 
Simplicibus  miseris,  veniam  peteutibus  acgris. 

384.  /.  A.  pallor  erat  eius  //.         388.  /.  iacit  //.  393.  /.  sicut  lu- 

vet oder  sie  adiuvet  //,       395y.  vielleicht  compede  rupta  Absolvit  viu- 
cturn  :  //.         400.  /.  Papa  pater  palruin  //.  404.  esse  zu  tilgen  //. 

408.  /.  fuerit  //.         400.   /.  veniainque  //. 


GREGORIUS.  499 

Papae  faina  volat,  niatris  pcn^enit  ad  aures  410 

Ipsius  papae.  venit  spes.  haec  trahit  ipsani 
Ad  papam,  cum  ignorat  quod  filius  eius 
Sit  Uoinae  papa.  rcjjnum  disponit  iterque 
Ipsa  rapil  Romaui.  quo  dum  pervenit,  ad  aulam 
Feslinat  propere,  pedibus  provolvitur  eius.  415 

Papam  noii  iioscit,  veniam  poscit.   stupet  ille, 
Mirando  malrem  coepit  cognoscere,  papa 
Dissimulat  matrem,  maier  supplex.  'crimen    inquit 
Si  quod  liabes,  doraina,  die,  ut  iustificeris. 
Si  peccata  deles,   si  vis  dimittere  crimen,  420 

Omnipotens  tibi  dat  coeli  contingere  limen. 
Nunquam  peccator  tautus  fuit,  ut  miserator 
Non  esset  dominus,  crimen  deleret  ut  eius 
Qui  puro  corde  sibi  viveret  et  sine  sorde.' 
Mater  spe  veniae  concepta  de  pietate  425 

Papae  propitii  suspirat  pectore  toto 
Ac  exponit  ei   tolum  cursuni  seriei, 
Quem  non  ignorat,  quoniam  seit  sicut  et  ipsa. 
Ad  gemitum  cordis  confessio  iungitur  oris. 
Corde  delens,  palmis  plaugens,  oculis  lacrimando       430 
Ostendit  vere  se  velle  commissa  delere. 
Papa  videns  matrem  tantum  commissa  gementem 
Solatur  verbis  et  ei  delicta  remissa 
A  domino  dicit.   tenet  baue  quasi  sit  peregrina, 
Vel  plus  poeniteat  non  cognita.  nomine  tandem         435 
Appellat  matrem.    mater  stupet  et  sua  proles 
Quod  sie  non  credit,   tarnen  bunc  accedit  et  inquit 
'Si  meus  es  natus,  si  sum  tua  mater,  idemque 
Miror  et  admiror  quod  te  Fortuna  reservet, 
0  fili,  si  lilius  es.  mirabilis  ipse  440 

Dicitur  esse  deus  :  quis  posset  scribere  vel  quis 
Posset  narrare  quae  tanta  deus  benediclus 
Nobiscum  Iccit  ac  in  nobis  est  operatus?' 
Papa  suum  casum  matri  per  singula  narrat. 
Ambo  deum  laudant,  ambo  domino  benedicunt :          445 

ill.  es  steht  hanc  tmUil  ipsa     412.  cum]  quoniam  ? //.     418.?     419.  mi- 
hi die?  //.       420.  /.  doles  //.       430.  /.  dolens  H.       431.  admissa  ?  //. 
437.  /.  Sit  //.         438.  /.   ilemquc  //.         443.  /.  facit  N. 

32* 


500  GREGORIUS. 

Haec  satis  est  Ulis,  concordant  vota  duorum 
lu  laudem  domini,  grates  persolvere  summas 
Ambo  Student,  verba  vix  inveuiunt  quibus  illum 
Laudent  quem  coeli  laudant,    quem  laudat  abyssus, 
Quem  terra  laudat  et  quem  cuncta  benedicunt.  450 

lila  vale  dicit  puero,   puer  hanc  benedicit, 
Papa  regit  Romam  patriamque  petit  sua  mater, 
Mater  salvatur,  Gregorius  almificatur. 

446.  /.  Nee  H. 

ZUR   LEX   SALICA. 

1 
DIE   MALBERGISCHE  GLOSSE  DER  LEX  SALICA.* 

1.    allgemeines,    einleitendes. 

Wenn  nicht  in  Wales  bis  auf  den  heutigen  tag  sich  ein 
rest  der  alten  britischen  spräche  gehalten  hätte,  würden  wir 
kaum  eine  ahnung  davon  haben  dafs  sie  auch  noch  in  den 
letzten  zeiten  der  römerherrschaft  in  Britannien,  und  nicht 
das  lateinische,  die  herrschende  spräche  gewesen.  —  ein 
ganz  ähnliches  Verhältnis  aber  mufs  in  Nord-,  namentlich  in 
Nordostfrankreich  stattgefunden  haben ;  wenn  man  auch  in  den 
Städten  lateinisch  sprach,  das  landvolk  war  gallisch  geblieben 
und  bei  keltischer  rede,  das  sieht  man  deutlich  an  der  ganz 
unterschiedenen  buchstabenbehandlung  lateinischer  worte  im 
nordfranzösischen,  s.  g.  normandischen,  dialectc  im  vergleich 
mit  der  buchstabenbehandlung  lateinischer  worte  in  den  süd- 
franzüsischen  dialecten.  in  Nordfrankreich  kommen  nicht  so- 
wohl regelmäfsige  lautverscliiebungen  innerhalb  derselben  con- 
sonantenreihen,  als  vielmehr  consonantenmortificationen  und 
consonauteneclipsen  vor,  wie  sie  die  gälische  spräche  in  ihren 
beiden  innig  verwandten,  fast  nur  in  eigenheiten  der  aussprä- 
che, aber  in  sehr  wenigen  lexicalischen  und  grammatischen 
eigenheilen  sich  scheidenden  dialecten  kennt. 

'  [statt  handschriftlicher  miltheilung  an  freunde  und  befreundete, 
von  dr  11.  Leo.  nur  in  fünf  und  zwanzig  exeinplaren  abgedruckt.  Halle 
1842.     viit  erlaitbnis  des  verfafsers  hier  tviederholt.^ 


ZUR  LEX  SALICA.  501 

Während  die  keltischen  dialecte  des  nordwestlichen  Frank- 
reichs sich  denen  in  Wales  und  Cornwallis  innig  anschliefsen, 
schon  weil  diese  nordwestlichen  gegenden  Galliens  in  den 
letzten  zeiten  des  Rönierreiches  durch  Briten  aus  England,  die 
vor  den  Sachsen  wichen,  sehr  bedeutende  Zuwanderung  erfah- 
ren haben,  miifsen  wir  dagegen  die  sprachverwandten  der 
nordöstlichen  Gallier  in  Irland  suchen,  wo  noch  eine  reihe 
alter  traditionen  von  ein  Wanderungen  und  colonisationen  re- 
den die  durch  Belgier  statt  gehabt  hätten,  wir  wollen  hier 
den  historischen  werth  dieser  traditionen  auf  sich  beruhen  la- 
fsen,  können  aber  nicht  umhin  zu  bemerken  dafs  irländische 
Sprachforscher  schon  längst  darauf  aufmerksam  gemacht  ha- 
ben dafs  eine  reihe  von  rechtsausdrücken  die  sich  im  mit- 
telalter  in  latinisierten  formen  von  Frankreich  und  von  Bel- 
gien her  über  Europa  ausgebreitet  haben  eine  gälische  ety- 
mologie  beweisen,  ich  selbst  habe  mich,  wie  viele  andere, 
früher  abgemüht  diese  ausdrücke  auf  deutsche  wurzeln  zu- 
rückzuführen, weil  ich,  wie  fast  alle  meine  gelehrten  lan- 
desgenofsen,  mit  der  gälischen  spräche  völlig  unbekannt  war. 
Diefenbachs  Celtica  haben  mich  zuerst  aufmerksam  gemacht 
auf  das  licht  was  bei  den  Galen  zu  finden  sei,  und  so  mufs 
ich  ihm  jetzt,  nachdem  ich  mir  die  mühe  genommen  das  gä- 
lische etwas  näher  kennen  zu  lernen,  ganz  beistimmen,  wenn 
er  z.  b.  vassus,  imsallus  aus  keltischen  wurzeln  ableitet: 
uis  und  uais  heifst  ursprünglich  ein  f/if'mstetiali's,  dann  ab- 
geleitet nohilis;  uasal  ist  eine  abgeleitete  form  von  uais, 
hat  aber  dieselbe  bedeutung  wie  uais.  —  ich  verfolge  hier 
den  gegenständ  nicht  weiter,  da  es  mir  zunächst  nur  auf 
eine  kurze  notiz  an  freunde  und  befreundete  ankommt,  de- 
nen ich  mittheilen  wollte  dafs  ich  entdeckt,  die  malbergische 
glosse  sei  ganz  und  gar  in  einem  keltischen  dialecte  geschrie- 
ben, der  sich  zum  gälischen  etwa  so  verhält  wie  althoch- 
deutsch zu  mittelhochdeutsch ;  ich  muste  zu  diesem  ende  blofs 
ganz  kurz  die  hauptgründe  berühren  weshalb  eine  solche  er- 
scheinung  nicht  von  vorn  herein  zu  den  unglaublichen  din- 
gen zu  rechnen  sei. 

Das  wort  malherg.  selbst  erklärt  sich  mit  hilfc  des  gä- 
lischen vollkommen,  denn  mol  heifst  eine  Versammlung,  ein 
Haufe,  und  heargnadh  heifst  die  landessprache  jeder  gegend, 


502  ZUR  LEX  SALICA. 

—  malberg.  ist  also  die  abkürzung  eines  keltischen  Wortes, 
welches  Die  landessprache  des  haufens,  welcher  den  gerichts- 
umstand  in  gewissen  gegenden  bildete,  war.  im  tit.  xlx  de 
incendiis  §  1  des  heroldischen  oder  Fuldaer  codex  heifst  es, 
nachdem  von  einer  angelegten  feuersbrunst  und  den  dem  da- 
mit intendierten  verderben  entronnenen  die  rede  war,  per 
mnlberg.  seulandevevas.  das  letzte  wort  werden  wir  unten 
im  2n  abschnitt  behandeln  und  erklären,  wir  führen  die  stelle 
hier  nur  wegen  des  per  an,  welches  offenbar  andeutet  dals 
hier  von  einer  anderen  spräche  die  rede  ist  durch  welche 
die  Sache  ausgedrückt  werden  soll,  es  mufs  aber  diese  sprä- 
che neben  der  fränkischen  und  lateinischen  in  derselben  ge- 
gend  gesprochen  worden  sein  wo  das  salische  gesetz,  wenn 
nicht  zuerst  abgefafst,  doch  frühzeitig  mit  Zusätzen  verse- 
hen ward,  denn  eine  reihe  dieser  malb.  spräche  angehörige 
Worte  haben  in  latinisierten  formen  eingang  gefunden  in  den 
text  des  gesetzes ;  z.  b.  in  dem  tit.  de  corp.  expoliat.  so 
werden  wir  auch  als  hieher  gehörig  unten  im  3n  abschnitte 
das  wort  argutarhis  kennen  lernen,  ich  führe  hier  sofort 
noch  ein  paar  an.  in  tit.  ii  de  furtis  porcorum  §  14  heifst 
es  si  quis  porcellum  tertussum  usque  ad.  atinicolatum  fura- 
verit,  dazu  die  glosse  drace- ehalt,  aber  vorher  §  5  si  quis 
porcellum  Juraverit  qui  sine  matre  vivei'e  possit,  und  dazu 
die  glosse  yrnuis  fith  sive  thertestin.  dieses  thertesun  ist 
offenbar  das  malbergische  thema  was  in  tertussiis  als  latini- 
sierte Variation  erscheint,  und  wir  haben  drei  synonymen 
für  die  eine  sache,  ymnis-fith,  thertesun,  drace -ehalt,  be- 
trachten wir  diese  in  ihrem  Verhältnisse  zu  gälischen  Wor- 
ten, der  letzte  theil  von  ymnis-fith  entspricht  dem  gälischen 
fithean  das  schwein,  denn  die  endung  -ean  ist  nur  diminu- 
tivform;  der  erste  theil  entspricht  dem  gälischen  ioinain;  als 
verbum  bedeutet  dies  Eine  herde  austreiben,  eine  herde  hü- 
ten ;  als  substantivum  Die  ausgetriebene ,  gehütete  herde 
selbst:  — ymnis-fith  ist  ein  schwein  was  ausgetrieben  wird, 
oder  was  zur  ausgetriebenen  herde  gehört,  ein  treiberschwein, 
ein  hcrdcschwein.  das  wort  thertesun  hängt  zusammen  mit 
dem  verbum  taii'thaim  wachsen ;  porcellus  tertussus  ist  also 
ein  schon  herangewaciisencs  schwein,  was  nicht  mehr  mit 
der  sau  geht,  kein  milchschwein  mehr  ist.     für  drace -ehalt 


ZUR  LEX  SALICA.  503 

lindet  sich  im  Münchner  codex  die  Variante  dränge — ;  die- 
ser erste  theil  des  Wortes  hängt  zusammen  mit  dem  gälischcn 
dragh  trennen,  abnehmen  von  etwas;  der  zweite  theii  ist 
das  jetzige  gälische  coiUeadh  oder  cailleadh  das  Schwein, 
in  speeie  die  sau  (diese  speciellerc  bedeutung  hat  das  wort 
in  Irland,  woraus  sich  die  lalsciie  ableitung  Armstrongs  von 
caille  der  testikel,  cailleadh  ein  geschnittenes  schwein,  er- 
gibt);  draee- ehalt  ist  also  ein  von  der  muttersau  getrenn- 
tes schwein.  dafs  ehalt  würklich  in  dieser  Verbindung  (denn 
in  sonisehalt  hat  es  anderen  Ursprung  und  andere  bedeutung) 
eine  sau  bezeichne  beweisen  §  6  und  §  7;  in  jenem,  wo  von 
einer  getödteten  sau  die  rede  ist ,  steht  die  glosse  vara- 
chalt,  in  diesem,  wo  von  einer  scrofa  furata  die  rede  ist, 
die  ^o&SQ  Jbeiehalt :  —  vara  \si '^ÄWsdi  rnharbh  (spr.  loarw) 
d.  i.  todt;  _/o«  ist  gälisch  yb^/<  d.  i.  raub.  —  ein  anderes 
beispiel  ist  tit.  lxiv  de  Haroioeno,  wo  dasselbe  worl  in  der 
malbergischen  glosse  des  §  2  charoweno  geschrieben  wird; 
es  ist  abzutheilen  cha  -  rowe?io  von  gabh  (spr.  gah)  und 
robamn  (spr.  robänj)  der  raub ;  cha  -  roweno  ist  Raub- 
nahme. 

Das  bisherige  kreuz  aller  ausleger  der  malbergischen 
glosse,  leodardi  und  leudi,  erläutert  sich  durch  das  gälische 
sehr  einfach :  das  verbum  leadram  drückt  jede  widerrechtli- 
che behandlung,  rechtsverletzung  gegen  einen  anderen  aus, 
von  der  blofsen  moralischen  mishandlung,  der  Verhöhnung, 
bis  zur  ärgsten  physischen  mishandlung,  bis  zur  massacre ; 
jede  solche  rechtsverletzung  heilst  leadaivt  oder  leod^  die 
beiden  wörler  sind  synonym  und  Ifodardi  und  leudi  sind  die 
correspondierenden  malbergischen  formen  derselben.  t 

In  tit.  XXXVII  de  sepibus  §  4  ist  die  rede  davon  dafs  je- 
mand eine  gestohlene  sache  auf  einem  anderen  gehöfte  ohne 
wifsen  des  besilzers  des  letzteren  verbirgt,  und  von  der 
strafe  dessen  qui  hoc  misei'at ;  dazu  die  glosse  Jer  ihebero 
d.  i.  gälisch /mr  a  tabhairt  von  fear  (spr.  Jer)  der  mann, 
und  thabeiriin  oder  tabeirim  geben,  bringen,  —  der  bringende 
mann. 

In  til.  xxxui  de  eoueitiis  wird  §  1  cinitus  durch  die 
malbergische  glosse  quinluo  erklärt;  im  gälischen  heifst  coint 
das  weib.     §  2   ist  zu  dem  Schimpfwort  meretrix  die  glosse 


504  ZUR  LEX  SALICA. 

extrabo;  —  im  gälischen  heifst  strahaid  die  hure  und  ex- 
traho  ist  wie  tit.  ix  des  Wolfenb.  codex  §  5  excuto  für  scuto 
(d.  i.   gälisch  sgud  heraushauen). 

Doch   wir   brauchen   nur  eine  reihe  glossen  durchzuge- 
hen um  uns  zu  überzeugen  wie  fast  alle  Wörter  der  malber- 
gischen  glosse  sich  im  gälischen    wiederfinden,    z,  b.    tit.  \\\ 
de  furtis  animalium  hat  zu  vitulus  lacta/is  die  glosse  pedero 
oder   iüi   Pariser    codex  podor ^    im    gälischen   ist   das  wort 
baothair,    was    eigentlich    Dumm,    kalbig,    bedeutet    und   ad- 
jectivum  ist,  auch  gäng    und  gäbe  theils  um  einen  kalbigen, 
jungen   menschen,    theils   um  ein  kalb  selbst  zu  bezeichnen, 
der   paragraph  2    hat   zu   anniculum  animal  die  glosse    och- 
saiora,    und    §  11    zu    bos   die    glosse    ohseno ;   im  gälischen 
heifst   agh   (spr.  öch  oder  öh)   das  rind;    ochsaiora  ist  agh 
searr   ein  kalbiges  rind,     rindskalb,    denn  seai^j^  heifst  jedes 
junge  thier  unter  drei  jähren;    ohseno  ist  agh  seine  ein  äl- 
teres   rind,    denn   seine  heifst  Alter,     in  §  5  steht  mala  als 
erklärung  zu  i'ffcc«  j-  das  gälische  maol  heifst  eigentlich  Kahl ; 
dann  in  beziehung  auf  rindvieh  Hornlos ;  bo  mhaol  die  horn- 
lose kuh ;  —    allein   maol  wird   auch  allein  zu  bezeichnung 
der  kuh  gebraucht,    da   racen    mit   hornlosen   kühen  auf  den 
britischen  inseln  häufig  sind;    sie  waren  aber  auch  im  alten 
Deutschland,  also  wohl  auch  in  den  salfränkischen  gegenden, 
gewöhnlich,  wie  Tacitus  sagt  ne  ai'mentis  quidem  suus  honor 
aut  gloria  J'rontis.     in  paragraph  4    steht  zu  vacca  cum  vi- 
iulo  die  glosse  zymis  pedero  malia  ,•  das  letzte  wort  ist  of- 
fenbar dasselbe  mit  mala   die    kuh ;    pedero,    haben  wir  ge- 
sehen, heifst  das  kalb ;  so  mufs  also  zymis  heifsen  Mit  dem 
oder  mit  seinem  —  nämlich  kalbe  die  kuh  ;   nun  heifst  soimh 
oder  saimh  gälisch  würklich  Gepaart,  verbunden,  zusammen ; 
das  scheint  dem  zym  zu  entsprechen;    isi  ist   nachdruckge- 
bendere  form  für  si,  d.  i.   ea,  bedeutet  also  eadcm.     da  nun 
alle  personalpronomina  übrigens  im  gälischen  in  nächster  be- 
ziehung zu  den  possessivpronomen  stehen,  ist  es  leicht  mög- 
lich   dafs    sonst  statt   des  jetzt    für   beide    geschlechter   und 
auch  im  plural  gebrauchten  possessivpronomen  a  (sein,  ihr), 
verschiedene  pronomina  vorhanden  waren  nach  den  verschie- 
denen geschlechlern,    und   das  is  das  possessivpronomen  der 
dritten  weiblichen  person  (suus,  sua,  suum  in  beziehung  auf 


ZUR  LEX  SALICA.  505 

weibliche  gegenstände,  deutsches  Ihr),  oder  aber  der  geni- 
tiv  der  dritten  persou  (also  emsde/n)  war,  und  zj/7n  ts  pe- 
dero  malia  bedeutet  Mit  ihrem  kalbe  die  kuh.  —  dieselbe 
glosse  findet  sich  zwar  auch  §  3  zu  ganz  andern  Worten, 
ist  aber  hier  olFenbar  durch  versehen  des  Schreibers  herein- 
gekommen, der  nach  furaverit  in  dem  übrigens  gleichlau- 
tenden 4n  Paragraphen  zu  schreiben  fortfuhr  und  also  auch 
die  nach  §  3  gar  nicht  gehörige  glosse  aufnahm,  bimus  tau- 
rus  hat  bei  sich  die  glosse  traslo,  d.  i.  gälisch  treas  laogh 
(spr.   tras  lüh),  starkes  kalb. 

2.      zur    deutschen    tlilersage. 

Ich  habe  oben  darzulegen  gesucht  dafs  die  malbergische 
glosse  der  lex  salica  Wörter  einer  keltischen,  der  gälischen 
sehr  verwandten,  mundart  enthalte,  auf  diese  darlegungen 
gestützt  gehe  ich  zu  einem  bestimmten  theile  der  lex  salica 
der  für  unsere  thiersage  Wichtigkeit  hat,  zu  tit.  vii  de  fur- 
tis  avium  über,  ich  mufs  dabei  vorausschicken  dafs  die  gä- 
lische  spräche  zu  bezeichnung  der  thiere  eine  menge  bildli- 
cher ausdrücke  hat;  so  heilst  z.  b.  der  wolf  nicht  blofs 
Wilder  hund  {madhradh  alla,  cu  alluidh),  sondern  auch 
Sohn  des  landcs  ()/i(ic-tire)  -,  und  fuchs,  bär,  hirsch  u.  s.  w. 
haben  zehnerlei  namen,  namen  die  zum  theil  poetische  bil- 
der  enthalten,  wie  z.  b.  der  name  des  fuchses  (rod-7nm/i), 
welcher  einen  wegekundigen  oder  Wegweiser  bedeutet,  ein 
anerbieten,  geschenk,  und  ein  reh  werden  zuweilen  durch 
dasselbe  wort  bezeichnet,  earb.  der  bär  iieifst  magh- 
ghah1iuin?i,  d.   i.  kalb  der  ebene. 

Solche  poetische  namen  der  thiere  begegnen  uns  nun 
auch  in  dem  bezeichneten  tit.  der  lex  salica.  schon  ort- 
J'ocio,  offenbar  dasselbe  mit  dem  gälischen  wortc  ord-ßack 
streitbarer  vogel,  ist  poelisch  genug;  ebenso  das  in  der  lex 
salica  synonym  dazu  gesetzte  weiano  (oder  in  anderer  les- 
art  veganus),  denn  es  ist  zusammengesetzt  aus  Wörtern  die 
den  gälischen  baighe  der  streit,  kämpf  (in  vielen  Wortver- 
bindungen geschrieben  bJiaighc,  spr.  wojc)  und  ean  der  vo- 
gel, entsprechen,  und  bedeutet  also  auch  Kampf-vogel,  streit- 
barer vogel.     noch  poetischer  aber  sind  die  namen  der  haus- 


506  ZUR  LEX  SALICA. 

vögel :  die  henne  heilst  solampinam^  offenbar  aus  Wörtern 
welche  den  gälischen  sallan  (der  gesang)  und  hinn  (laut, 
schrill,  hell)  entsprechen ;  es  bedeutet  einen  lautrufenden 
vogel  und  ist  dasselbe  mit  dem  Chantecler  der  thiersage. 
der  bahn  heifst  chanaswido,  offenbar  aus  Wörtern  zusammen- 
gesetzt die  den  gälischen  caii  und  svicid  entsprechen,  denn 
die  gälischen  mundarten  haben  kein  w,  sondern  dieser  laut 
ist  überall  ein  mortificiertes  b  oder  mortificiertes  vi;  die 
mortincation  aber  (im  ursprünglichen  aiphabet  durch  einen 
puuct  über  dem  buchstaben,  bei  dem  gebrauch  der  lateini- 
schen buchstaben  durch  zugesetztes  h,  also  durch  hh  oder 
mh  ausgedrückt)  ist  theils  grammatisches  bildungsmittel,  theils 
bei  einzelnen  Worten  mundartliche  eigenheit,  w^ie  hier,  wo 
offenbar  bei  den  belgischen  Kelten  smheid  (spr.  swed  oder 
siüid)  für  gälisches  s?/ieid  galt,  das  wort  can  bedeutet  sin- 
gen, smeid  das  blinzeln,  winken  des  auges ;  chanaswido  be- 
deutet also  ein  thier  welches  die  äugen  zudrückt,  mit  den 
äugen  blinzelt,  wenn  es  singt;  das  ist  wieder  genau  der 
ChantecUn  der  thiersage.  bedenkt  man  nun  dafs  die  deut- 
sche thiersage  in  der  gestalt  wie  wir  sie  kennen  ihre  älte- 
ste heimat  gerade  auch  in  jenen  gegenden  hat  die  als  die 
heimat  der  malbergischen  glosse  der  lex  salica  zu  bezeich- 
nen sind,  so  ist  klar  dafs  wir  in  einigen  der  thiernamen  der- 
selben alte  keltische   einflüfse  anzuerkennen  haben. 

Stünden  sotampinam  und  chafiaswido  allein,  so  könnte 
man  noch  einen  zweifei  haben  ob  überhaupt  solche  art  aus- 
legung  und  deutung  der  namen  zuläfsig  sei;  allein  sundelino 
welches  anserem  auf  anatam  bezeichnet,  also  einen  Schwimm- 
vogel im  allgemeinen  zu  bezeichnen  scheint,  ist  ganz  ähnli- 
chen Charakters ;  denn  der  erste  theil  des  wortes  ist  offenbar 
verwandt  den  gälischen  worten  siinnd  freude,  lust,  sunnda 
keck,  lustig,  und  sunndach  fröhlich ;  der  zweite  theil  aber 
dem  gälischen  worte  Htm,  welches  jedes  stehende  wafser, 
eine  pfütze,  einen  teich,  einen  see  bezeichnet ;  —  sundelino 
ist  der  auf  stehendem  wafser  muntere,  lustige,  fröliche  vo- 
gel. in  dieselbe  klasse  von  bezeichnungen  gehört  der  name 
des  Sperbers,  sifceli?i,  denn  er  ist  verwandt  dem  gälischen 
präfixum  so  oder  soi,  welches  mit  dem  worte  vor  welches 
es  tritt   den  begriff  der  tüchligkeil,    geschicklichkeit   verbin- 


ZUR  LEX  SALICA.  507 

(let,  und  dem  worte  ciall  oder  ccill  der  sinn,    verstand;  — 
sucelin  ist  ein  vogel  der  tüchtige  sinne  hat,  der  kluge  vogel. 

Dafs  sich  in  dem  Pariser  codex  zu  dem  worte  weiano, 
oder  wie  es  in  diesem  codex  lautet  vcganus  (in  §  3),  und 
im  Fuldacr  codex  zu  den  Worten  ortjocia  (für  ortfocio)  sive 
tvciano  in  jenem  antcte,  in  diesem  jiayidctc  findet,  hat  eine 
andere  bewandtnis.  dieser  zusatz  findet  sich  noch  häufiger 
in  der  lex  salica ;  vergleichen  wir  einige  der  stellen,  so  wird 
uns  sofort  die  bedeutung  derselben  entgegentreien,  und  mit 
der  bedeutung  zugleich  haben  wir  auch  die  gälischen  worte 
augenblicklich  gefunden  denen  sie  entsprechen. 

Tit.  IX  de  furtis  apium  §  1 .  si  quis  apem  de  intro  clavem 

furaverit  —  malb.  gl.  antidio  elechdrdis. 
Tit.  VII    de  furtis  avium   §  3.  si  quis  accipitrem  de  intro 

clavem  repositum  furaverit  —   malb.  gl.    ortfocla   sive 

iceiano  pandete  {ah  cod.  antete). 
Tit.  XII  de  furtis  ingenuorum  vel  offrncturis  §  3.   si  vero 

ingenuiis  de  intus  casa  furaverit  etc.  —  malb.  gl.  an- 
tidio. 
Tit.  xn  de  furtis  ingenuorum  vol  ejfracturis  §.5.  si  vero 

ingenuus  clavem  effregerit et  per  furtum  aliquid 

tulerit  etc.  —  malb.  gl.  antidio. 
Aus  diesen  vier  stellen  schon  gehl  hervor  dafs  antete 
oder  a?idete  oder  antidio  bezeichnen  dafs  etwas  im  inneren 
eines  hauses  oder  bedeckten  raunics,  innerhalb  eines  ver- 
schlufses,  statt  gefunden  hat.  nun  sind  die  gälischen  mund- 
arten  zu  bezeichnung  oft  ganz  einfacher  dinge  zu  wunder- 
lichen Umschreibungen  genöthigl,  und  Innerhalb  läfst  sich  gar 
nicht  ausdrücken  als  durch  eine  redensart  welche  wörtlich 
heifst  Auf  der  seile  im  hause,  an  taobh  s  tigh  (spr.  a?i  thö 
s  thih); —  das  einzeln  stehende  .y  in  dieser  redensart  ist  rest 
von  an7is ;  wahrscheinlich  sagten  die  belgischen  Kellen  in 
diesem  falle  aber  nicht  Auf  der  seile  im  hause,  sondern  blol's 
Auf  der  seile  des  hauses;  das  wäre  an  taobh  tighe  oder  aus- 
gesprochen an  ikü  lhih;~  das  ist  unser  antele,  andete  oder 
antidio.  eine  parallele  dazu  bildet  die  malb.  gl.  zu  tit.  x 
de  damno  in  messe  u.  s.  w.  §  5.  da  heifst  es  si  alicuius 
porci  aul  quodlibel  pccus,  pastorc  illud  cuslodiente,  in  mes- 
sem  alienam  cucurrerit,  et  ipso  neganle  si  ci  fucrit  adpro- 


508  ZUR  LEX  SALICA. 

bntum  u.  s.  w.:  hiezu  die  glosse  leodardi  (gäl.  leadnirt,  d.  h. 
es  wird  ein  solches  falsches  leugnen  der  Ihalsache,  wie  in 
allen  ähnlichen  fällen,  unter  die  klasse  der  frevel  gesetzt 
welche  als  leodardi  bezeichnet  werden)  sive  ande  sitto ;  — 
hier  ist  ande  wieder  an  taobh;  das  wort  sitto  aber  entspricht 
dem  gälischen  sidhite  (spr.  sijite)  d.  i.  bewiesen;  ande  sitto 
heifst  An  der  seile  des  bewiesenen,  oder  Im  fall  es  bewie- 
sen ist. 

Anders  dagegen  verhält  es  sich  mit  andehau  oder  an- 
deba  (tit.  xix  de  incetidiis  §  1),  denn  dies  compositum  ist 
abzutheilen  an-debaii,  an-deba*.  der  erste  theil  des  Wor- 
tes ist  identisch  mit  dem  praef.  intens,  an;  der  zweite  ist 
deobhadh  (spr.  deivo)  die  Zerstörung  ;  und  das  ganze  bedeu- 
tet Arge  Zerstörung,  Verwüstung,  dafs  diese  erklärung  rich- 
tig ist  beweisen  eine  reihe  ähnlicher  worte  in  demselben  ti- 
tel,  z.  b.  §8  leos-deba,  verwandt  mit  lias  der  stall,  der 
viehstall,  besonders  für  kälber,  lämmer  u.  s.  w.,  und  mit  dem- 
selben deobhadh;  leos-deba  ist  also  Stall -Zerstörung,  und 
eben  davon  ist  in  dem  betreffenden  paragraphen  die  rede,  in 
demselben  paragraphen,  so  wie  in  dem  vorhergehenden, 
kommt  die  glosse  sal-  deba  vor,  deren  erster  theil  mit  sealbh 
besitzthum,  herde,  habe,  zusammenhängt;  Ä«/f/eÄff  ist  Zerstö- 
rung des  bewahrten  vorrathes,  und  eben  davon,  von  der  Zer- 
störung der  körn-  und  gelraidescheuern,  der  heuscheuern 
und  gctraidefeimen,  ist  in  den  betreffenden  stellen  die  rede, 
endlich  kommt  in  demselben  tit.  §  1  —  aber  aufserdem  an 
vielen  steilen,  z.  b.  tit.  xx  §  l  tit.  xxi  §  1 —  die  glosse  vor 
seul-andevera,  seul-andevevas,  seul-andovevas.  in  allen  die- 
sen stellen  ist  von  intendiertem  verderben  die  rede;  das  eine 
mal  ist  es  eine  feueranlegung,  deren  verderben  aber  leute 
entrinnen  :  das  andre  mal  ein  mordlicher  anfall,  wo  aber  der 
todeshieb  nicht  trifft;  das  dritte  mal  die  anklage  eines  un- 
schuldigen abwesenden  vor  dem  könige  (also  in  einer  sache, 
die  an  leben,  freilicit  oder  ehre  geht),  wo  aber  die  falsch- 
hcit  der  klage  sich  erweist,  der  Wolfenbültler  codex  hat 
dasselbe  wort  auch  zu  tit.  xviii  de  inaleßciis  §  2,  wo  davon 
die  rede   ist   dafs  einer  einen   anderen  durch  ein  maleßcium 

'  dafs  die  abthcilung  so  richtig  ist  beweist  die  glosse  zu  tit.  x\ 
§  !    des  Pariser  codex,  wo  hloPs  dcha  stellt. 


ZUR  LEX  SALICA.  m) 

verderben  will,  der  dadurch  bedrohte  aber  davon  kommt, 
hier  ist  das  wort  geschrieben  sel-andoeffa.  überall  also  in- 
tendierte Vernichtung ;  und  diefs  a/ideveva,  andovevas,  an- 
doeffa  ist  nichts  als  andeha,  was  wir  schon  kennen,  und  hängt 
mit  deobhadh  Vernichtung,  Zerstörung,  zusammen,  der  erste 
theil  des  Wortes  aber,  seid  oder  sei,  ist  verwandt  mit  seolaim 
anordnen,  veranstalten,  lenken,  intendieren,  dasselbe  worl 
begegnet  in  derselben  bedeutung,  Intendiertes  verderben, 
auch  in  tit.  xxxi  de  elocationibas  §  2  wenn  einer  einen  men- 
schen durch  einen  andern  wegfangen  lafscn  will ;  §  4  wenn 
einer  einen  menschen  durch  einen  anderen  tödten  lafsen  will. 
Ich  denke,  es  wird  dies  einstweilen  hinreichen  zu  be- 
weisen, wie  vollständig  sich  die  malb.  glosse  zu  tit.  vii  de 
furtis  avium  mit  hilfe  des  gälischen  nach  allen  Seiten  erklä- 
ren läfst,  und  der  gewinn  den  diese  glosse  für  die  deutsche 
thiersage  gewährt,  wird,  wenn  auch  klein,  doch  nicht  zu  ver- 
achten sein. 

3.      nachträgliche    ei  nzel  nhe  iten. 

Die  Überzeugung  dafs  meine  entdeckung,  die  malbergr- 
sehe  glosse  sei  in  einem  dem  gälischen  verwandten  kelti- 
schen dialecte  geschrieben,  richtig  sei,  anderen  mitzutheilen, 
wird  wohl  am  geeignetsten  sein,  den  theil  der  glosse  zu  be- 
sprechen der  die  entdeckung  herbeiführte,  es  ist  tit.  xvin 
de  homicidiis  parvulorum  §  2.  si  vcro  fuerum  criniium.  sine 
consilio  aut  voluntate  parcntum  tolondcrit  (malb.  schiiisara 
chy^ogino).  diese  beiden  worte  der  glosse  fielen  mir  auf;  es 
war  mir  lächerlich  dafs  sie  so  gälisch  klangen  ;  als  ich  sie 
näher  besah  und  nicht  blos  gälischen  klang,  sondern  auch 
ganz  gälischc  bedeutung  fand,  erschrak  ich  fast  vor  erstau- 
nen :  siosar  heifst  die  schere,  gi'og  heifst  das  haupUiaar. 
nimmt  man  an  dafs  dem  substantivum  siosar  (spr.  schiosar) 
früher  ein  zeitwort  siosaraim  ich  schere,  ich  schneide  ab, 
entsprach,  so  hiefsc  sinsaradli  (spr.  schiusai'o)  das  abschnei- 
den; und  wir  brauchen  über  den  werten  der  glosse  nur  den 
punct  über  dem  i  zu  translocieren  und  statt  schuisara  viel- 
mehr sehiusara  clwogi/io  zu  lesen,  so  haben  wir  einen  al- 
terthümlichen,    aber   vollkommen   gälischen  ausdruck  für  Ab- 


510  ZUR  LEX  SALICA. 

schneiden  des  haupthaares ;  denn  dafs  die  alten  keltischen 
mundarten  vollere,  besonders  vocalischere  bildungssilben  ge- 
habt haben  ist  aus  den  aus  dem  alterthum  bewahrten  orts-  und 
Personennamen  schon  klar,  ein  genitiv  chrogino  für  jetzi- 
ges groig  kann  also  nichts  auffallendes  haben ;  schon  des- 
halb nicht  weil  die  irländische  und  hochschottische  spräche 
nicht  allein  dem  Schicksal  ganz  entgangen  sein  kann,  was 
seit  abfafsung  der  malbergischen  glosse  alle  anderen  euro- 
päischen sprachen  mehr  oder  weniger  gehabt  haben,  ihre  vol- 
len, vocalischen  formen  zu  verlieren,  sie  einschrumpfen  zu 
sehen,  das  abschneiden  des  haupthaares  in  beziehung  auf 
eine  puella  wird  §  3  genannt  theoctklia^  dies  hängt  im  er- 
sten theile  zusammen  mit  diotheach  oder  ditheach  (spr.  dio- 
hach  oder  dihach)  d.  i.  carens,  indigens,  wovon  das  ver- 
bum  diothachahn  oder  dithachaim,  indigentcm  reddere,  ca- 
rentem  reddere,  jyrivare.  den  zweiten  theil  des  composi- 
tums,  sei  er  nun  tidia  oder  idia,  w^eifs  ich  zur  zeit  nicht  zu 
erklären;  vielleicht  hängt  er  mit  tiddhle  (glänzend,  liebrei- 
zend, angenehm)  zusammen,  und  theoc-tidia  bedeutet  Raub 
des  (locken-)glanzes,  des  liebreizes, 

Ein  wort  welches  zeither  alle  ausleger  aufserordentlich 
geplagt  hat  ist  vialacina.  die  auslegung  dieses  Wortes  ist 
aber  höchst  einfach,  sobald  wir  festhalten,  was  ohnehin  die 
übrigen  glossen  bekräftigen,  dafs  in  der  malbergischen  glosse 
das  c  nie  den  laut  z-^  sondern  (wie  in  der  angelsächsischen 
und  gälischen  schrift)  immer  den  laut  k  hat.  vialacina  ist 
dann  dasselbe  wort  mit  dem  gälischen  bcalach,  was  in  der 
aspirierten,  häufig  in  der  rede  eintretenden,  form  bhealach 
(spr.  wealach)  noch  fast  ganz  so  lautet  wie  vialacina,  nur 
dafs  auch  hier  eine  vollere  eudung,  und  wie  es  (nach  der 
analogie  von  chrogino)  scheint,  eine  genitivendung  das  wort 
schliefst,  bealach  heifsl  jedes  defile,  jede  enge  passage, 
Schlucht,  hohlvveg,  dann  aber  (und  dies  am  allgemeinsten) 
überhaupt  strafse,  weg.  die  stellen  wo  das  wort  begegnet 
sind  folgende. 

Tit.  XVI  et  XVII  de  super cenüs  et  expoliationibus.  §  4. 
si  quis  hominem,  qui  alieubi  migrare  disponit  et  deri- 
gere  habet  praeceptuni  regis,  et  si  aliunde  icrit  in 
mallum  publicum,    et   aliquis  extra  ordinationem  regis 


ZUR  LEX  SALICA.  511 

restare  cum  facil  aut  adsalire  praesumserit ;  —  hiezu 
die  raalb.  glosse :  alac  facis  vialacina^  d.  i.  ealc,    ma- 
litiosus ;  fogh  der  raub,  der  Überfall;    '*  in  (präp.  die 
den  genitiv  regiert) ;    und  bealach  der  weg,  die  stralse. 
es   ist  also   zu  schreiben  alac  faci*    '*   vialacina   und 
zu   übersetzen   Böswilliger  anfall  auf  der  strafse. 
Tit.  XXXIV  de  vialacina  §  2.    si  vero  mulierem  ingenuam 
de  via  sua  ortaverit  aut  impinxerit  —  und  dazu  malb. 
glosse   urhi  \s  vialacina,  —   ferner   §  4.  si  quis  viam, 
quac  ad  farinarium  ducit,  clauserit  —  und  dazu  malb. 
glosse    urhi   's   vialacina,    d.    i.    urhhaidh    (spr.    urwe) 
bewachung,    bewahrung,  haft ,     's  in ,    und  bealach   die 
strafse:  haft,  arrest  auf  der  strafse.    dieselbe  glosse  ist 
(ohne   zweifei  durch    blofses   versehen    des    Schreibers) 
auch  in  tit.  xxv  de  furtis  in  rnolino  commissis  §  2  her- 
eingekommen,   die  Wiederholung  des  Wortes  farinarium 
mochte  den  unkundigen  dazu  veranlafsen. 
Ein  wort  welches    ohne   zweifei   auch    sehr  dazu  beige- 
tragen   hat   die    malb.    glosse    für  der  deutschen  spräche  an- 
gehörig  zu  betrachten    ist   tit.  iv   de  furtis   ovium   §  1    das 
wort  le?n  zu  ag/ius  lactans;  —  allein  das  wort  ist  auch  kel- 
tisch,   ja   wahrscheinlich    den  Deutschen    erst  von  den  Kel- 
ten zugekommen,  denn  im  deutschen  ist  das  wort  lamm  ein 
völlig  verwaistes,**  im  keltischen  hat  es  noch  lebendige,  or- 
ganische Verbindung,  nämlich  luim  oder  leim  oder  laiui  heifst 
in  verschiedenen  gälischen  mundarten  Die  milch  ,  und  luim- 
han,  leimhan  oder  laimhan  Das  lamm,   es  ist  als  wenn  wir 
im  deutschen   sagen   wollten    Milcherchen,    denn  die  endung 
an  giebt  deminutivbedeutung.     zu  tit.  v  de  furtis  caprarum 
§  1    hat   die   malb.    glosse    ebenfalls    das    wort  lamp  zur  bc- 
zeichnung    einer   ziege.     hier   hängt  das  wort  offenbar  nicht 

'  J'aci  oder  foei  ist  die  alte  form,  wie  wir  aus  foci- ehalt,  d.  i. 
schweineraub,  sahen. 

"  gauz  Uhiilieii  verhält  es  sieh  mit  dem  deutsehen  werte  Stute,  in 
unserer  spraehe  steht  es  verwaist  da ,  im  gälischen  in  organischer  le- 
bendigkeit:  A7e?/rf  heifst  Schnell  laufen,  rennen;  steudach  schnell;  und 
steud  oder  componiert  xtcud-eack  ein  rennpferd.  dafs  es  im  deutschen 
für  das  weibliche  pferd  vorzugsweise  gebraucht  wird  mag  daher  kom- 
men dafs  die  alten  Deutschen,  gleich  den  Arabern,  die  sluten  fiir  schnel- 
lere läufer  hielten. 


512  ZUR  LEX  SALICA. 

mit  dem  subst.  leim  (spr.  lern  die  milch),  sondern  mit  dem 
verbum  lehn  oder  leum  (spr.  löm)  zusammen,  d.  i.  springen, 
hüpfen,  und  ist  eine  poetischere  bezeichnung  der  ziege,  Der 
Springer,  die  Springerin,  am  rande  des  cod.  Fuld.  fanden 
sich  die  synonymen  afrcs  sive  lamp-hebros  vel  pectis.  hier 
mufs  man  sich  erinnern  dafs  das  gewöhnliche  gälische  wort 
zu  bezeichnung  der  ziege  gahhar  (spr.  gawar)  ist,  welches 
mit  dem  angelsächsischen  häfer  und  lateinischen  capra  iden- 
tisch ist.  in  der  mundart  der  malb.  glosse  erscheint  nun  die 
anlautende  gutturale  geschwächt,  die  inlautende  labiale  ver- 
stärkt, so  dafs  aus  gabhar,  hebros  und  in  wahrscheinlich 
anderer  mundart  aß'es  geworden  ist ;  lamp  -  hebros  ist  spring- 
bock, springziege.  das  wort  pectis  scheint  verschrieben  oder 
verlesen;  wahrscheinlich  war  eine  s.  g.  angelsächsische 
Schrift  in  dem  codex  von  welchem  der  Fuldaer  abgeschrie- 
ben war  oder  in  diesem  selbst  gebraucht;  in  diesen  schrift- 
zügen  sind  c  und  t  so  ähnlich  dafs  sie  hundert  Verwechse- 
lungen erleiden,  und  so  ist  pectis  für  jjeccis  geschrieben  oder 
gelesen,  die  Galen  haben  zur  bezeichnung  der  ziege  näm- 
lich auch  das  wort  poc,  in  obliquen  casus  und  ableitung  7?o/c 
oder  pnic,  z.  b.  das  zicklein  sowohl  als  das  junge  reh  hei- 
fsen  puicean  und  puichiu.  dieses  puic  (spr.  byc)  scheint  in 
peccis  zu  suchen  zu  sein. 

In  tit.  VI  de  furtis  camrni  heifst  es  §  2  der  lex  sal. 
emendata  si  quis  —  veltrem  leporarium,  qui  et  argutarii/s 
dicitU7\  furatus  fuerit  vel  occiderit.  diesem  paragraphen 
entspricht  im  Fuld.  cod.  §  4  si  vero  argutario  furaverit,  da- 
zu die  malb.  gl.  chimno  vatio,  oder  im  Pariser  cod.  chuna 
bana.  offenbar  hatte  die  windspielrace  welche  zum  hascn- 
hetzen  gebraucht  ward  eine  silbergraue  färbe;  denn  ckuna 
hana  oder  chunno  vano  bedeutet  einen  weifsen  hund,  von 
cü  (in  den  obliquen  casus  noch  jetzt  cui?i)  der  hund  *;  und 
bän  oder  bäin  weifs,  in  den  aspirierten  fällen  bhÜ7i  (spr. 
wan).  dadurch  erklärt  sich  auch  das  lateinische  wort  ar- 
gutarius,    welches  offenbar  ein  keltisches,    in  Gallien  latini- 

offenbar  ist  das  n  was  die  ohliqueu  casus  haben  ursprünglich 
auch  am  noiniuativ  gewesen,  und  dieser  lautete  curt,  dem  xvojv,  canis, 
hund,  entsprechend. 


ZUR  LEX  SALICA.  513 

sierles  ist  und  mit  gälischem  airgiod,  d.  i.  silber,  zusam- 
menhängl  und  silbergrau  bedeutet. 

Derselbe  tu.  vi  de  furtis  canum  gibt  uns  noch  zu  ei- 
nigen anderen  interessanten  bemerkungen  veranlafsung.  der 
§  3  nämlich  hat  zu  caneiii  qui  ligameyi  noverit  die  glosse 
theophano,  d.  i.  von  teud  der  strick,  und  fan  bleiben,  aus- 
harren :  der  am  stricke  bleibende,  am  rande  steht  rcppo- 
phano,  von  rop  (in  cas.  obl.  j^oip)  der  strick,  nn^Jan: 
der  am  stricke  bleibende,  merkwürdiger  noch  ist  die  glosse 
zu  §  2  si  quis  seg-usium  magistrum  canem  furttverit  (malb. 
tro-widowano  tuene  chunne)  und  am  rande  ti^oci  withier 
cunni.  wir  können  diese  glossen  nur  erklären,  indem  wir 
tit.  XXXVI  de  vetiatio?nbus  hinzunehmen,  hier  findet  sich  §  3 
zu  erläuterung  der  textworte  welche  einen  hirsch  angehen 
qui  ad  venationcvi  faciendam  mansuetus  factus  est,  die  glosse 
trowandio,  im  VVolfenbiiltler  codex  trovisido;  §  4  zu  einem 
ccrvus  alias  domesiicus  qui  in  venatione  adhuc  non  fuisset 
die  glosse  trowidio  cham  stala  *  und  im  Wolfenbüttler  codex 
Avieder  trowisido ;  am  rande  aber  tvowido;  endlich  §  5  si 
quis  cervum  lasswn,  quem  alterius  cajies  movenml  et  adlas- 
saverunt,  involaveril  aut  celaverit,  wieder  hiezu  die  glosse 
trochwido. 

Es  ist  deutlich,  die  reinste  Schreibart  ist  trocwido  oder 
trochwido;  die  Schreibart  tro-wido  mag  mundartliche  Ver- 
schiedenheit oder  nachläfsigkeit  des  Schreibers  enthalten  ;  tro- 
vandio  und  trovisido  sind  Schreibfehler  eines  unkundigen, 
denn  wid  ist  genau  das  gälische  j^ö^/ä  (der  hirsch,  das  wild, 
wildpret  überhaupt)  in  seiner  aspirierten  form  fkiadh  (jetzt 
wich  ausgesprochen,  früher  wohl  wied"),  der  erste  iheil  des 
compositi  troc-,  troch-,  tro-  aber  ist  einfach  das  adjectivum 
dorch,  doirch,  dunkel**,  was  sich  mit  der  übertragenen  be- 

chaui  ist  (las  iriscli-gälisclie  gan,  scliollisch -gälische  <^nn,  d.  h. 
ohne  ;  und  stala  das  gälisch«;  stalac  (ider  stalc,  welches  jede  listige 
jagd  hezeiciinel,  das  jagen  mit  dem  schieTspferd,  das  Vogelfängen  mit 
dem  netz,  das  lischeii  mit  der  angel;  daher  z.  h.  stalcar  der  vogel- 
Tänger.  cham  stala  heilst  Ohne  jagd,  qui  in  vcnationc  adhuc  non 
fuisset. 

"  verwandt  mit  dem  vvorte  scheint  auch  dearg  braunrolh,  welches 
Wort  geradezu  zu  bezeichnung  eines  hirsches  (der  braunrothe)  gebraucht 
wird. 

Z.  F.   D.  A.  II.  33 


514  ZUR  LEX  SALICA. 

(leulung  Schlecht,  übel,  auch  im  gälischen  in  der  Umsetzung 
droch,  droich  zeigt;  droch-fhiadli  (spr.  droch-ivieh)  be- 
deutet also  ein  dunkel-wild  (wie  wir  sagen,  roth-wild),  be- 
deutet einen  hirsch  :  die  randbemerkung  froct-withier  cu/ini 
ist  also  hirsch -hund,  Jagdhund  auf  hirsche,  die  glosse  (ro- 
ividowano  tuetie  ckunnc  bezeichnet  einen  Suchhund ,  denn 
tuinidhc  (spr.  tuinije)  bezeichnet  das  lager  des  wildes ;  das 
worl  kömmt  von  iuin  welches  im  allgemeinen  Aufenlhaltsorl 
bezeichnet,  leicht  aber  in  der  älteren  mundart  auch  schon 
die  specielle  bedeutung  haben  konnte  die  im  heuligen  gäli- 
schen das  abgeleitete  tuinidhe  hat;  trowidowano  scheint  ein 
von  trowido  abgeleitetes  adjeclivum  oder  diminutivum  zu 
sein:  trowidoivatio  tuenc  ist  ohne  zweifei  das  hirschlager, 
und  iroividowa/io  tuene  chnnne  ein  hirschlager- hund,  ein 
Suchhund. 

Diese  bemerkungen  mögen  einstweilen  hinreichen  die 
entdeckung,  dafs  wir  in  der  malbergisclien  glosse  reste  einer 
alten  keltischen  mundart  die  zur  Römerzeil  und  in  der  er- 
sten Frankenzeit  in  Nordfrankreich  und  Belgien  gesprochen 
ward  zu  sehen  haben,  zu  beweisen,  ungeachtet  ich  schon 
fast  über  alle  anderen  einzelnen  glossen  in  ähnlicher  weise 
auskunft  zu  geben  im  stände  bin,  beschränke  ich  mich  doch 
fürs  erste  auf  obiges ;  ein  weiteres  tieferes  eindringen  in  die 
geschichte  und  den  jetzigen  bestand  der  keltischen  sprachen 
wird  mich  hoffentlich  in  nicht  zu  langer  zeit  in  den  stand 
setzen  die  entdeckung  weiter  zu  verfolgen,  und  (was  vor 
allem  noth  ihut)  das  laulliche  und  grammatische  Verhältnis 
der  malbergischen  glosse  zum  gälischen  bestimmter  festzu- 
stellen, historische  ergebnisse  schliefsen  sich  diesen  sprach- 
lichen Untersuchungen  unwillkürlich  an,  denn  es  geht  deut- 
lich aus  der  beschaffenhcit  der  glosse  in  den  verschiedenen 
handschriften  hervor  dafs  die  abweichenden  worte  der  ver- 
schiedenen handschriften  synonymen  sind,  woraus  sich  also 
ergibt  dafs  die  spräche  noch  in  frischem  reichthume  lebte, 
als  diese  glossen  aufgezeichnet  wurden,  ferner  die  aufnähme 
so  vieler  keltischer  worle  in  den  lateinischen  text  selbst, 
namentlich  bei  Standesbestimmungen  und  bei  grabheiligthü- 
mern,  beweist  dafs  das  gesetz  nur  in  einem  locale  zu  stände 
gekommen  sein  kann,  wo  Franken  und  Kelten  schon  längere 


ZUU  LEX  SALICA.  515 

zeit  vermischt  lebten,  auch  der  name  des  Saliers  selbst, 
Francus  Sah'gus  oder  Francus  Salccus,  erhält  nun  endlich 
eine  auf'klärung,  denn  dies  Sa/igus  oder  Salecus  entspricht 
einem  keltischen  adjectivum  welches  marinus  (von  sal  das 
meer)  bedeutet,  die  Franci  Saleci  oder  Salici  sind  also 
Frauci  marini,  meeranwohnende  Franken,  im  gegensatze  der 
im  binnenlande  wohnenden,  rifländischen  Franken,  der  alte 
name  der  Moriner  (von  inoir  oder  muii'  die  see)  ist  so  auf 
die  Franken  die  sich  in  den  niederländischen  küstenland- 
schaftcn  zwischen  Maas  meer  und  kohlenwalde  festsetzten 
gewissermafsen  übergegangen,  wenigstens  in  einem  synony- 
men ausdrucke  wiederholt  und  auf  die  Franken  übertragen, 
auch  Dispargum  wird  nun  wohl  ein  ursprünglich  keltischer 
Ortsname  sein,  Dise-barg,  der  glühende  häufe,  die  rothe 
aufschüttung,  die  rolhe  schanze. 


VORLÄUFIGE    BEMERKUNGEN    ZUR   GRAMMATIK 
DER  MALBERGISCHEN  SPRACHE.* 

1,      ab   (oder  ob)^    zeichen   des   infinitivs   in   der 
nialbergischen  glosse. 

Die  gälische  grammatik  führt  ihre  verba  auf  entweder 
nach  der  ersten  person  des  präsens  im  indicativ  welche  auf 
im  ausgeht,  z.  b.  rnealaim  ich  betrüge,  oder,  und  dies  ist 
ohne  zweifei  das  richtigere,  nach  dem  imperativ,  z.  b.  vteall 
betrüge  du.  das  letztere  ist  das  richtigere  weil  der  impe- 
rativ den  stamm  des  Zeitwortes  rein  darstellt,  in  den  Wör- 
terbüchern pflegt  zu  dieser  ersten  präscntis  oder  zu  diesem 
imperativ  dann  das  erklärende  englische  oder  lateinische  Zeit- 
wort im  infinitiv  gesetzt  zu  werden,  und  das  ist,  da  wir  ge- 
wohnt sind  die  verba  so  zu  bezeichnen,  für  uns  ebenfalls 
das  passtMulsle  und  hat  nichts  störendes  für  den  der  das  sach- 
verhältnis  kennt,  den  gälischen  infinitiv  anzuführen  hat  be- 
denken, da  er  durch  aspiralion  des  anlautenden  consonanten 
sehr  oft   eine   vom  vcrbalstamm   etwas   abweichende  bilduug 

'  [Halle  1842.     in  25  cxemplaren  gedruckt.] 

33* 


516  ZUR  LEX  SALICA. 

hal;  er  besieht  nämlich  aus  derselben  form  die  auch  zur  bil- 
dung  der  participia  des  aclivs  gebraucht  wird  und  unterschei- 
det sich  von  diesen  nur  durch  die  verschiedenen  vor  die 
form  gesetzten  parlikeln:  ag^  mealadh  heifst  Betrügend,  iar 
mhealadh  heifst  Betrogen  habend,  do  mhcaladh  oder  a  mhea- 
ladh  aber  heifst  Betrügen. 

Nun  ist  ganz  deutlich,  auch  die  malbergische  glosse  be- 
zeichnet ihre  infinitive,  wo  deren  vorkommen,  durch  eine  sol- 
che vorgesetzte  partikel,  bildet  also  (mit  ausnähme  der  aspi- 
ration  oder  mortification,  die  ohne  zweifei  in  der  malbergi- 
schen  spräche  geringere  ausdehnung  hatte  als  im  gälischen) 
den  intiuitiv  ganz  dem  gälischen  analog,  wie  sofort  beispiele 
zeigen  werden,  gleich  die  erste  glosse  ist  ein  Infinitiv : 
tit.  I  de  manire  §  2  findet  sich  in  der  Wolfenbüttler  hand- 
shrift  zu  dem  latinisierten  viallare  (von  inol  die  Versamm- 
lung; versammeln,  zur  Versammlung  aufbieten)  die  glosse  ah 
iena.  ah  ist  infinitivzeichen ;  tena  ist  dasselbe  mit,  oder 
vielmehr  der  einfachere  stamm  zu  dem  schottischen  teanail, 
irländischen  tional,  tionadh,  versammeln,  zur  Versammlung 
aufbieten,  englisch  summo?i  (wälsch  dyiinau  spr.  deönaii  ver- 
einigen).* eine  ähnliche  infinitivische  glosse  haben  wir  tit.  xv 
de   eo    qui  uxoreni   tulerit  alienam   vivo   marito:    da   steht 

'  die  alle  irische  form  ist  teaina  (spr.  theiia)^  wie  man  aus  Fiechs 
lied  auf  den  heil.  Palricius  str.  24  sieht, 

Lassias  immidne  imhai 

Asan  teaina d  galastar. 

Er  leuchtete  (entbrannte)  lieblich  in  wohlwollen 

Wo  er  versammelte  schüler. 
O'Conors  Übersetzung  dieser  einfachen  stelle,  die  aus  nichtberiicksich- 
tigung  der  noch  im  schottischen  glilisch  vorhandenen  reste  der  alten 
spräche  und  aus  dem  bestreben  eine  Wiederholung  des  mosaischen  Wun- 
ders vom  feurigen  busche  in  des  Patricius  leben  zu  bringen  hervorge- 
gangen, enthält  die  wunderlichen  worte  exarsit  rubiis  in  quo  erat,  ibi 
iniscuerunt  colloqitiam .  doch  will  ich  mich  durch  diesen  tadel  nicht 
ähnlicher  sünde  schuldig  machen  als  andere  an  mir  früher  in  beziehung 
auf  nicht  ganz  richtig  behandelte  schwierige  alte  angelsächsische  ge- 
dichtstellen begangen  haben,  wo  alle  noch  schüler  sind  hat  jeder  dank- 
bar die  bemühungen  des  Vorgängers  anzuerkennen,  das  richtige  dersel- 
ben als  gewinn  einzutragen,  und  wo  er  auf  falsches  stöfst,  es  durch 
die  Schwierigkeit  des  gegenständes  zu  entschuldigen,  vor  allen  dingen 
aber  nicht   zu  vergefscn    dafs    ihm  des  Vorgängers  bemühungen  bis  auf 


ZUR  LEX  SALICA.  517 

uämlich  in  §  1,  der  eiue  solche  ran-away-match  behan- 
delt, zu  den  lateinischen  worlen  si  quis  uxorem  alienam 
vivo  marito  tulerit  die  glosse  ahtica  oder  in  dem  Pariser 
codex  abteca  ;  die  Unsicherheit  zwischen  z' und  e  beim  stamin- 
vocal  deutet  schon  an  dafs  wir  ein  gälisches  ei  zu  suchen 
haben ;  nun  heifst  teich  (altcrthiimlich  miiste  der  zu  diesem 
stamm  gehörige  inßnitiv  a  theachadh  lauten)  auch  würklich 
Er  lief  davon,  he  mm  aivay :  es  ist  also  abzulhcilen  ab  teca. 
bretoiaisch  heilst  tccha  noch  Davonlaufen.  —  tit.  xliv  de 
homic.  ingen.  §  3  heifst  es  si  quis  komi/iem  in  puteum  aut 
in  vipida  iactaverit:  dazu  die  glosse  chalip  sub  dupio  oder 
im  Pariser  codex  challis  ob  duplio.  es  ist  beides  ein  wenig 
verderbt,  wenigstens  die  buchstabentheilung  des  ersteren;  es 
mufs  heifsen  chalips  üb  dupio,  und  itb  steht  falsch  für  ob; 
es  ist  nämlich  wieder  infinitivpartikel,  denn  dub  heifst  gä- 
lisch  Untertauchen;  also  malbergischer  infinitiv  ob  dupio; 
und  chalips  ist  ein  adverbium  welches  dem  gälischen  adje- 
ctiv  galba  (stark,   gewaltsam)  entspricht. 

Tit.  xLii  de  plagiatoribus  handelt  von  sklavenverfüh- 
ruugen,  auch  vom  sklavenstehlen ;  §  1  hat  zu  den  Worten 
si  quis  mancipia  aliena  soUicitaverit  die  glosse  theulasina 
oder  theolasina ;  dies  wort  ist  ein  compositum  und  entspricht 
dem  gälischen  dao  oder  daoi  (schlecht,  gemein,  verworfen) 
und  lasan  (die  entflammung,  die  leidenschafl).  statt  dieses 
Wortes,  wodurch  das  verlühren,  verlocken  der  sklaven  eines 
fremden  herrn  gebrandniarkt  wird,  hat  der  Wolfenbütller 
codex  einen  inlinitiv,  oh  sculte  d.  i.  sgoilt  abreifsen,  ab- 
splittern, abschlcifsen.  als  ein  absplittern  wird  es  bezeich- 
net, wenn  einer  einen  sklaven  zur  untreue  gegen  den  herrn 
verleitet. 

Wenn  anders  die  cndungen  richtig  behandelt  sind,  ha- 
ben wir  also  sehr  unter  sich  verschiedene  inlinitivendungen, 
tena,  tica^  dupio,  sculle ;  das  entspricht  auch  wieder  ganz 
der  gälischen  spräche,  in  welcher  allerdings  die  meisten, 
aber  keinesweges  alle  Infinitive  auf  adh  (spr.  o)  ausgehen, 
sondern   sich    bei    einzelnen    verbis    die  verschiedenartigsten 

einen  gewissen  grad  den  pfad  gebahnt  und  die  entdeckung  des  unrich- 
tigen darin  erst  erleichtert  haben,  ohne  O'Conor  wäre  mir  die  ganze 
Untersuchung  unmöglich. 


518  ZUR  LEX  SALICA. 

infinitivendungen  linden.  *  die  vorgesetzte  partikel  ist  es 
welche  sie  characterisiert. 

Dieselbe  verbalform  welche  den  infiniliv  und  die  parti- 
cipien  des  activs  hergibt  dient  (ohne  aspiration  des  anlauten- 
den consonanten,  wie  diese  ja  auch  beim  partic.  präsentis 
fehlt)  zugleich  als  Verbalsubstantiv :  mealadh  heifst  Das  be- 
trügen, solche  substantiva  verbalia  finden  sich  nun  auch  in 
menge  in  der  malbergischen  glosse  ;  sie  gehen  (grofsenlheils 
wie  der  infinitiv)  auf  a  oder  o  aus,  und  o  ist  auch  die  aus- 
spräche der  jetzigen  gälischen  silbe  adh,  wenn  sie  das  wort 
schliefst,  man  sieht  daraus  dafs  hier  dem  aspirierten  d  nie 
ein  würklich  vorhanden  gewesenes  </,  wie  in  anderen  fällen, 
entspricht,  sondern  dafs  dieses  adh  rein  eine  orthographi- 
sche figur  ist,  zu  bezeichnung  eines  lautes  den  man  sonst 
nicht  wohl  erreichen  konnte  (den  das  wälsche  auch  blofs  mit 
vocalen  schreibt) :  denn  das  o  welches  durch  adh  ausgedrückt 
wird  ist  nicht  rein,  sondern  zwischen  o  und  u  und  wird  hie 
und  da  als  u  ausgesprochen,  die  altirländische  spräche  noch 
schreibt  für  dieses  adh  zuweilen  blofs  a,  wie  z.  b.  den  in- 
finitiv consena  in  Fiechs  altem  liede  auf  den  heil.  Patricius 
(str.  14)  und  andere  beispiele  (wie  ardriaghla  für  ardriagh- 
ladh  in  v.  88  des  gedichtes  A  colcha  Albain  uile;  auch 
der  oben  angeführte  infinitiv  teaina,  den  ich  freilich  so  ge- 
schrieben nur  in  einer  note  gefunden  habe  und  der  also  in 
dieser  gestalt,  statt  teainadh,  auch  neuere  formation  sein 
könnte,  aber  dann  doch  voraussetzt  dafs  er  nach  anderen 
dem  autor  bekannten  ähnlichen  formen  gebildet  sein  mufs) 
aus  den   aller  ältesten   irländischen  Schriftstücken  beweisen. 

*  im  wälschen  ist  es  ganz  eben  so ;  primitive  substantiva  können 
in  ihrer  eignen  form  auch  als  verbalstämme  behandelt  werden,  z.  b. 
bod  das  wesen  und  bod  sein ;  diese  fälle  ausgenommen  werden  die  ver- 
balstämme aus  Substantiven  oder  adjectiven  so  gebildet  dafs  sie  einen 
vocalischen  verbalauslaut  als  infinitivzeicheu  erhalten,  z.  b.  car  der 
freund,  caru  lieben ;  dmvd  ein  depositum,  dodi  deponieren  ;  daivn  die 
gäbe,  rfowiV/M  begaben ;  e«M'g- der  lachs,  eoea  lachse  fischen,  lachsen  ;  — 
diese  vier  vocalausgänge  a,  i,  aw  und  u  bilden  alle  formell  abgelei- 
tete infinilive  (bis  auf  gewisse  ganz  specielle  bedeutung  habende  verba 
mit  consonantischen  ausgingen),  wie  wir  in  der  malb.  spräche  die  vo- 
calischen ausgänge  a,  e  und  io  sehen,  auch  im  wälschen  tritt  gern  ein 
partikelhafles  «  oder  y  vor  den  infiniliv,  doch  braucht  man  es  nicht 
zur  grammatischen  bezeichnung. 


ZUR  LEX  SALICA.  519 

Um  beispiele  solcher  verbalsubstantiva   aus  der  malber- 
gischen  glosse  zu  geben,   führen  wir  nur  folgende  an. 
diba,  (loba,  debau,  doeffa,    dei'cva,    die  Zerstörung;    gäl. 
diobhadh    und  deabhadh   (spr.   diüiro    und  deivo).     (die 
vielen  formen   des  Wortes    sind  wie   noch   im  brel.  zu- 
gleich ta?'/,  tarv,  taro,  terff\  ferr,  der  stier). 
brio-rodero    der   finger   welcher   beim  bogenspannen  zum 
pfcilhalten  dient  (quo  sagittatur) ;    gälisch    briogh  (spr. 
bri  oder    hn'o)    die   kraft,    hauplsubstanz ;    ruadharadh 
(spr.    ruajavo,     ehemals    wohl     ruadaro)   das    fechten; 
kraft,   hauptsubslanz   des   gefechtes   (oder  ist  der  letzte 
theil  des  Avortes  hier  participisch,  Mit  kraft  fechtend?). 
scuto,  eoocuto,  sehoto,    wenn  vieh  gepfändet  wird  und  je- 
mand unternimmt  es   dasselbe    aus  dem  pfändungsarrest 
eo'pellere    mit   excutere;   gälisch    sgudadh   das    heraus- 
hauen (excutcre),  von  sgiid  heraushauen. 
schuisära  (für  schiusära)^  indem  es  einem  supponierten  al- 
ten gälischen  siosaradh  eutspriclit,  gehört  ebenfalls  hie- 
her.  Das  abschneiden  mit  der  schere. 
murdoy    rnusido,    musedo,    mosedo,    raubüberfall ;    gälisch 
murtadh,  mortadh,    das  morden  (die  formen  mit  s  sind 
wahrscheinlich  verschrieben;    es   bliebe  sonst  keine  ab- 
leituug   übrig   als    von   mus^    d.  i.    nimis,    und    eadaich 
verslohlne  dinge  treiben,   was   docli   zu   gezwungen  er- 
scheint). 
meledeno  der  kleine  finger;  gälisch  meall  gut,    und  taoin- 
ncadh  das  lockenmachen,  kräuseln :  der  finger,  der  zum 
lockenmachen  gebraucht  wird  (ist  wohl  hier  entschieden 
participisch  Gut  locken  machend). 
minechhhio    der   kleine    finger;    gälisch  min  niedlich,    und 
glanadh  oder  glaineadh  das  reinigen,  das  sichschmuck- 
machen  (ist  wohl  auch  participisch.   Der  niedlich  schmük- 
kende). 
Vielleicht   nimmt   mancher  unserer   leser  an  crklärungen 
wie  die  der  Wörter  brio-rodho  (kraft  des  gefechtes),   viele- 
deno  (gut- locker),  mine-chUhw  (niedlich -schmücker),  als  an 
zu   gesuchten   künstlichen   Wendungen   anstofs;    gerade   aber 
diese  ausdrucksweisen  sind  ganz    in  kellischer  rede  gegrün- 
det,   die  überall  wo  sie   nachdrücklich,    solenn  oder  poetisch 


520  ZUR  LEX  SALICA. 

darstellen  will  zu  solchen  compositis  ihre  Zuflucht  nimmt, 
altgälisch  z.  b.  heifst  dal  oder  data  eine  Versammlung,  Ver- 
einigung, hrio-dal  (eigentlich  Kraft  der  Versammlung,  Sub- 
stanz der  Vereinigung)  heilst  aber  captatio  henevolentiae, 
Schmeichelei,  artigkeit;  /e//r  heifst  gras,  min-fhcur  (eigent- 
lich Niedliches  gras)  bedeutet  aber  die  binse.  in  älteren  wäl- 
schen  gedichten  nun  vollends  ist  dieser  art  Zusammensetzun- 
gen kein  ende,  man  findet  eine  kleine  Sammlung  von  bei- 
spielen  solcher  compositionen  in  Owens  grammatik  s.  27ff., 
und  diese  entfernt  die  sache  nicht  erschöpfende  Zusammen- 
stellung zählt  doch  170  beispiele.  viele  keltische  thierna- 
men  sind  so  gebildet. 


2.      der    malberg^ische    artikel  a,    o    oder  an ;    das 

malbergische  präteritum  durch  die  partlkel   de 

gebildet. 

Der  gälische  artikel  lautet  im  masculinum  an  oder  am, 
im  feminin  ati  oder  a"";  nämlich  die  form  w  tritt  vor  labialen 
ein,  die  form  «'  überall  vor  aspirierten  consonanten  (mit 
ausnähme  des  fh)  und  da  im  nominativ  nur  feminina  im  an- 
laute mortificiert  werden,  kann  auch  nur  im  feminin  die  form 
«*  als  nominativform  angegeben  werden. 

In  der  malbergischen  glosse  kommen  die  beiden  Wort- 
verbindungen vor,  ff  ba  zym  pedero  die  kuh  (oder  allge- 
meiner das  rind)  mit  einem  kalbe ,  und  o  ho  sino  das  äl- 
tere rind  (denn  ba  oder  ho  heifst  gälisch  das  rind,  gewöhn- 
lich specieller  die  kuh,  haothair  das  kalb  und  seine  älter; 
welches  letztere  Avort  in  oh  seno  d.  i,  agh  seine  nochmals 
begegnet  und  eben  in  dem  schwanken  des  vocals,  sejio,  sino, 
auf  gälischen  stammvocal  ei  deutet),  in  diesen  beiden  Wort- 
verbindungen ist  a  oder  o  deutlich  der  artikel. 

Das  wort  anhunerbo,  womit  das  gewaltsame  fortschaf- 
fen eines  pfluges  vom  acker  bezeichnet  wird,  scheint  eben- 
falls in  mehrere  Wörter  {an  hun  erho)  zu  zerlegen,  es  kommt 
öfter  vor  dafs  malbcrgisches  h  ein  gälisches  g  ersetzt,  wohl 
weil  doch  die  sonst  gewöhnliche  Schreibung  des  ch  für  gäli- 
sches g  in   manchen  fällen  eine   zu  starke  gutturale  audeu- 


ZUR  LEX  SALICA.  521 

lete,  oder  aus  uachläfsigkeit,  iodeni  eiu  c  vor  h  vorweisen 
ward,  so  z.  b.  hoc  her  (wahrscheinlich  verschrieben  für 
Jer,  oder  absichtlich  um  den  milderen  laut  des  mortilicierten 
f  in  fhear  auszudrücken)  jtaan  de  escrippas  d.  i.  gach  (jeder) 
fhear  (mann)  bami  (gesetz,  band,  gesetzlich  gebundenes, 
tetitum),  da  (partikel  welche  das  prüteritum  bezeichnet) 
sgj'iobas  (prüteritum*  von  srgr/'oö,  furchen,  pflügen),  —  die 
ganze  redensart  heilst  also  Jeder  mann  welcher**  gesetzlich 
gebundenes  (d.h.  anderem  gesetzlich  gehöriges)  pflügte;  und 
sie  findet  sich  im  Wolfenbütteler  codex  tu.  xxvi  de  furtis 
diversis  §  21  zu  den  lat.  Worten  si  quis  campo  alieno  ara- 
verit.  aufser  dem  dafs  wir  aus  dieser  redensart  sehen  dafs 
die  bildung  des  präteriti  im  malbergischen  der  im  gälischen 
ganz  analog  war  (nur  dafs  de  statt  da  steht,  wie  jedoch  zu- 
weilen auch  im  allen  irländischen  der  fall  ist,  z.  b.  die  form 
de  chaidh  in  dem  gedieht  Eirc  ogh  ims  ?ia  naoimh  v.  148 
und  de  iainic  v.  140.  ebenso  de  taiiiic  a  thiugbas,  es  kam 
sein  ende,  in  dem  fälschlich  Oissin  zugeschriebenen,  bereits 
im  14n  Jahrhundert  aufgezeichneten  gedichte  welches  O'Co- 
nor  (i,  1  s.  cxxiii)  aus  einer  bodleyanischen  handschrift 
herausgegeben  hat),  geht  daraus  auch  hervor  (indem  hoc  für 
gach   steht)    dafs   malb.    /*    für   gälisches  g   stehen  kann.**' 

'  diese  form  ist  freilich  nur  allirliindisch  ;  das  aber  ist  im  vorlie- 
genden falle  noch  beweisender,  die  graininaliker  geben  sie  bloPs  in  der 
ersten  person ;  die  zweite  hat  nach  ihnen  sgriühais,  die  dritte  sgriob 
(neuerdings  sgriohh),  allein  wahrscheinlich  hat  die  abschwächung  bei 
der  drillen  angefangen;  jetzt  lauten  alle  drei  personen  sgriobh  und 
werden  nur  durch  pronomina  unterschieden,  dafs  sie  wohl  auch  für 
die  drille  person  slalthafl  sein  kann  bewrist  Fiechs  altes  lied  auf  den 
heil.  Patricins  n"  14  (O'Conor  scr.  Ilio.  vol.  i  in  proleg.  s.  xcii),  wo  die 
form  pritchais  (er  predigte)  begegnet,  und  anderwärts  leghais,  lassais, 
ariais  u.  s.  w.  im  wälschen  ist  es  ganz  so,  viele  präterita  gehen  in 
erster  person  auf  ais,  in  dritter  auf  acs,  as,  es  aus. 

*'  mit  dem  relativum  ist  das  gälische  in  ähnlicher  Verlegenheit  wie 
unsere  ältesten  deutschen  mundarlen ;  die  s.  g.  relativen  pronomina 
sind  im  gründe  bloPse  pai'likeln  ;  oft  wird  die  rclation  durch  einen  be- 
sonderen modus  des  verbi  ausgedrückt;  zuweilen  wird  sie  nur  verstan- 
den wie  in  gewissen  fallen  im  englisclien. 

*  * "  bei  der  Schreibung  haroioeno  oder  haroeno  für  charowsno,  c/iae- 
roeno,  chereno  (raubnahme)  tritt  derselbe  fall  ein,  denn  das  wort  kommt 
von  gabli  (spr.  gah,  d.  i.  nehmen)  und  rohainn  d.  i.  raub,  im  wäl- 
schen stehen  meist  labialen  an  der  stelle  gälischer  gutturalen  ;  da  hcifsl 


522  ZUR  LEX  SALICA. 

einige  andere  beispiele  kommen  zu  hilfe.  nehmen  wir  nun 
dies  hz=i  g  an,  so  steht  hun  für  goht,  das  stolsen,  schla- 
gen ;  erbo  hängt  auf  jeden  fall  mit  ar  ackern  (wälsch  aru), 
arbhar  die  saat,  airbhrc  die  saat  (im  walschen  erw  das 
ackern  und  der  acker)  zusammen  und  mufs  entweder  einen 
pflüg,  einen  ackersmann,  oder  das  saatbestellen  bedeuten, 
denn  zu  den  Worten  an  hun  erbo  im  tit.  xxvii  der  herold. 
ausgäbe  de  furtis  ditersis  §  20  gehören  die  lateinischen  worte 
st  quis  vero  de  campo  alieno  aj^atniin  anteortavicrit  mit  ja- 
ctaverit;  also  bedeutet  die  glosse  entweder  Das  wegstofsen 
des  pfluges,  oiler  Das  wegstofsen  von  der  saatbestellung; 
auf  jeden  fall  scheint  an  der  artikel  zu  sein. 

3.      von   der  Formation  des   pliirals  der  nomina  in 
der  malbergischen  spräche. 

Wir  haben  einige  glossen  unter  den  malbergischen  wel- 
che offenbar  pluralformeu  darstellen,  einmal  haben  wir  auch 
den  Singular  dazu,  nämlich  bei  dem  worte  ehalt  (das  schwein, 
in  specie  die  sau),  den  singular  sicher  in  den  glossen  vara 
ehalt  (todtes  schwein),  drace  ehalt  (der  sau  entwöhntes 
schwein),  foci  ehalta  (raub  des  Schweines),  den  plural  in 
der  glosse  {tit.  ii  de  furtis  poreorum  §  10)  in  zym  i  sexa 
ehaltet  eepto  tua  septun  chunna.  diese  glosse  gehört  zu  den 
Worten  si  quis  tres  porcos  aut  amplius  furaverit  usque  ad 
sex  capita  denar.  mcccc  qui  Jaciunt  sol.  xxxv.  das  wort 
zym  (habe  ich  anderwärts  erwiesen*)  heifst  Zusammen,  mit. 
das  wort  is  mufs,  wie  ich  ebenfalls  dargethan  habe,  in  be- 
ziehung  auf  feminine  subjecte  suus,  sua,  suüm,  oder  viel- 
leicht ursprünglich  (da  im  gälischen  alle  pronomina  possessiva 
genitive  der  personalia  sind)  eiusdevi,  earundem  bedeutet  ha- 
ben, das  s  in  diesem  woi"te  is  gehört  aber  der  emphatischen 
form  an  {i-si  gülisch  eadeni,  dagegen  /  nur  ea).  das  ein- 
fache possessivum  lautete  also  wahrscheinlich  für  das  femi- 
nin i  im  singular,  und  wohl  auch  im  plural."  im  cornischen 

also  »las  malbergisclie  hör,  giilische  i^acli  (oder  allere  euch),  nun  pub 
uud  paivb. 

zeilscliriri   lür  deulselies  alterllium  2,  159. 
'        "  (loch    könnte    ohige    glosse    vielleicht    auch  zu  sdireiben  sein  in 


ZUR  LEX  SALICA.  523 

heifst  suus,  suo,  suum  für  den  singular  femininer  subjecte 
denen  etwas  angehört  einlach  /,  im  plural  gef,  aber  das  g 
ist  hier  keine  gutturale,  sondern  nur  leise  aspiration,  so  dal's 
also  auch  hier  (wie  bei  dem  gälischen  a  der  fall  ist)  Singu- 
lar und  plural  fast  gleich  lauten,  das  wort  in  bedeutet  wohl 
Bis  :  es  ist  das  um  so  wahrscheinlicher,  da  selbst  das  viel- 
fach durch  malbergismen  corrumpierte  latein  der  lex  salica 
das  wort  m  in  diesem  sinne  gebraucht,  z.  b.  im  Wolfenbut- 
teier codex  tit.  IV  de  ovibus  furatis  §  3,  wo  von  diebstählen 
in  beziehung  auf  vervices  die  rede  ist,  certe  si  in  (res  mit 
ampliiis  fin^averit  d.  h.  wenn  er  aber  bis  drei  oder  noch 
mehr  gestohlen  haben  sollte,  die  worte  in  zym  i  sejca  ehal- 
tet bedeuten  also  Bis  zusammen  deren  sechs  schweine.  — 
dieser  plural  ehaltet  kdiun  nichts  befremdendes  haben  bei  ei- 
ner keltischen  mundart  in  Gallien,  da  auch  noch  jetzt  im 
bretonischen  aufser  anderen  gerade  die  Wörter  welche  thiere 
bezeichnen  ihren  plural  auf  ez,  oz  oder  ed  bilden.*  wir  ha- 
ben also  den  singular  im  nom.  ehalt,  im  gen.  ehalta,  im 
acc.  wahrscheinlich  wie  im  gälischen  dem  nominativ  gleich, 
den  plural  im  nom.  und  auch  wohl  im  accusativ  ehaltet. 

Die  folgenden  worte  cepto  tua  septun  chiinna  beziehen 
sich  auf  den  betrag  der  bufse.  cepto  ist  gälisches  gabhta, 
das  heifst  eigentlich  Genommen,  dann  aber  Verpflichtet,  in 
anspruch  genommen  (ingaged).  septun  ist  gälisches  seach- 
duin,  nach  einem  feststehenden,  grammalisch  längst  zur  evi- 
denz  gebrachten  lautwechsel  dem  zu  folge  in  vielen  fällen 
das  gälische  an  die  stelle  des  /;  verwandter  dialecte  ein  c 
oder  ch  setzt;  seachduin  heilst  eine  siebent,  z.  b.  eine  sie^ 
beut  von  lagen,  eine  woche ;  dann  überhaupt  jede  siebent, 
das  wort  chunna  ist  gälisches  enignear'"'  d.  i.  fünf,  wie  eine 

Äy/M  is  sexa  ehaltet  u.  s.  w.,  iiulcin  nach  di-iii  klang  die  wiirti'r  ge- 
schrieben worden  wären  und  so  in  den  beiden  Wörtern  is  sexa  bei 
verschleifender  ausspräche  nur  das  eine  .9  getiinl  hätte. 

*  auch  im  wälschen  bilden  die  Wörter  welche  lebendige  wesen  be- 
zeichnen ihren  plural  gewöhnlich  auf  ed. 

"  ich  bemerke  hierbei  dafs  nn  (oder  ml,  denn  so  wird  in  altereu 
gälischen  Schriften  h«  unAählliche  mal  bezeichnet)  und  gn  oder  ///*  und 
ugh  in  fast  allen  keltischen  dialecteu  einander  sehr  nahe,  oft  zum  vor- 
wechseln  nahe  liegende  laute  bezeichnen,  für  welche  unser  deulsi^hes 
aiphabet,  da  die  deutschen  sprachen  die  laute  nicht  haben,  auch  keine 


524  ZUR  LEX  SALICA. 

andere  glosse  noch  deutlicher  beweist,  septun  chunna  sind 
Fünf  siebente,  also  fünf  und  dreifsig.  im  tit.  lxxx  werden 
die  bufssätze  erläutert,  bei  dieser  erläuterung  mufs  die  ein- 
heit  nach  welcher  gerechnet  wird  ein  halber  solidus  sein, 
denn  septun  chunna  (eigentlich  17^2  sol.)  wird  im  gericht 
für  17  sol.  gerechnet*,  und  thue  septen  chunna  (das  ist  das 
tua  septun  chutma  der  glosse  die  wir  eben  erläutern)  be- 
deutet Zwei  mal  fünf  siebente  halber  solidi,  also  35  ganze 
solidi;  sexan  chunna  (d.  i.  fünf  halbe  duzende  halber  solidi, 
fünf  sechsenle  halber  solidi)  sind  15  ganze  solidi.  ein  sol- 
ches halbes  duzend  (eine  sechsent)  scheint  auch  ivalt**  zu 
heifsen,  thue  walt  chunna  ist  die  doppelte  summe  von  sexan 
chunna.  —  genug,  die  worte  cepto  tua  septun  chutma  be- 
deuten entschieden  In  anspruch  genommen  zu  zweimal  fünf 
siebenten,  nämlich  halber  solidi  —  das  ist  zu  35  sol.,  wie 
der  lateinische  text  hat. 

Auch  analoges  mit  dem  bretonischen  plural  der  bezeich- 
nungen  der  thiere  auf  es  oder  oz  bietet  die  malbergische 
glosse.  zu  tit.  V  de  furtis  cafrarum  §  1  (welcher  lautet  si 
quis  capram  unarn,  duas  vel  tres  furaverit)  hat  die  herol- 
dische glosse  das  wort  lamp,  von  welchem  wahrscheinlich 
ist  dafs  es  eine  ziege  und  zwar  als  springendes  thier  be- 
zeichnet ;  denn  es  kommt  wohl  vom  gäl.  leum  (wälsch.  llam) 
springen,  indem  die  vocale  eu  und  ea  mundartlich  und  hie 
und  scheinbar  individuell  willkürlich  in  dem  stamme  einer 
menge  gälischer  Wörter  wechseln;  so  findet  sich  z.  b.  fast 
ebenso  oh  freumh  (die  wurzel)  geschrieben  als  freamh.  bei 
dem  worle  leum  ist  allerdings  jetzt  die  Schreibung  leam 
nicht  gewöhnlich,  aber  nur  um  die  Verwechselung  mit  der 
contrahierten  form  leum  (d.  h.  mit  mir)  zu  vermeiden,  am 
rande  nun  findet  sich  zu  dieser  glosse  lainp  noch  der  zusatz 
qfres  sive  lamphebros  vel  pectis.  nun  heifst  gäl.  gabhar 
(wälsch.  gavyr)  sonst  die  ziege;  da  ich  anderweitig  darge- 

bezeichnung  bielel.  das  polnische  alphabet  allenfalls  liefse  darch  n  und 
ng  näher  kommen  ;   doch   ist  das  ng  zu  hart,   nicht  glatt  genug. 

*  wahrscheinlich  ist  die  bezeichnung  eines  halben  solidus  in  der 
lat.   erklärung  nur  durch   nachläfsigkeit  eines  Schreibers  ausgefallen. 

**    dieses    iralt    ist    die    aspirierte    form    des  gälischen  halt  {bhalt) 
d.  h.  zusammcnfarsuog,  einfafsung,  rahmeu,  rand,  zahlbrel. 


ZUR  LEX  SALICA.  525 

than  habe  dafs  malbergischcs  h  oft  gälisches  g  ausdrückt, 
so  haben  wir  als  beuennung  der  ziege  ohnehin  habar  oder 
havar  zu  erwarten,  und  hcbros  scheint  nur  ein  plural  von 
habar,  was  vielleicht  auch  hebr  oder  habr  lautete ;  afres 
ist  mundartlich  verschieden  mit  mortificiertem  anlaut*;  ganz 
wie  das  wälsche  neben  gavyr  die  form  evyr  hat.  dafs  das 
gälische  bh,  wälsche  v,  hier  durch  b  und  /'  neben  einander 
ausgedrückt  ist  ist  nicht  zu  verwundern,  denn  keiner  von 
beiden  lateinischen  buchstaben  drückt  den  keltischen  laut  bh 
oder  V  aus,  der,  ungefähr  dem  englischen  v  gleich,  zwischen 
beiden  in  der  mitte  liegt,  pectis  ist  entschieden  für  peccis 
verlesen  oder  verschrieben,  was  bei  s.  g.  angelsächsischer 
Schrift  des  mittelalters  sehr  nahe  liegt,  wie  hebi^os  oder  ofres 
plural  ist  von  heb?'  oder  afr,  so  ist  peccis  plural  von  poc, 
welches  im  gälischen  in  den  abgeleiteten  casus  seinen  stamm- 
vocal  in  oi  oder  tii  wandelt  (also  poic  oder  puic),  welcher 
gälische  (scheinbare)  diphthong  oi  im  malbergischen  immer, 
und  ui  wenigstens  sehr  oft,  durch  e  dargestellt  wird,  hcbros, 
afres  und  peccis  sind  nun  offenbar  solche  plurale,  wie  sie 
die  Bretonen  bei  den  namen  der  thiere  bilden  auf  oz  oder 
es.  der  vocal  der  endung  wird  ein  kurzer,  halbverschluck- 
ter gewesen  sein,  wie  noch  zuweilen  in  den  flexionssilben 
im  gälischen  der  fall  ist.  jetzt  hat  sich  dafür  eine  bestimmte 
Orthographie  festgestellt ;  bei  dem  aufnehmen  des  Wortes  blofs 
durch  das  ohr  mochte  mau  zweifelhaft  sein  ob  man  os,  es 
oder  is  zu  schreiben  habe.*' 

dafs  die  Kelten  der  Roinerzeit  die  mortification  des  anlautenden 
consonanten  in  ihrer  spräche  halten,  sieht  man  deutlich  aus  dem  vor- 
kommen doppelter  formen  von  eigennanien  der  Völker,  von  denen  die 
eine  die  mortificierte  form  darstellt,  z.  b.  Suessones  und  Uessones, 
Tectosages  und  Aegosages  u.  s.  w. 

**  solche  Unsicherheit  des  vocals  in  der  endung  könnte  manchen 
befremden,  allein  es  lafsen  sich  aus  den  noch  lebenden,  sogar  zu  dem 
besitz  einer  literatur  gediehenen  keltischen  mundarten  unzähliiche  ana- 
logien  anführen,  statt  vieler  nur  eines:  die  endungen  der  In,  ;2n  und 
3n  pluralis  des  impcrfects  der  s.  g.  derivativen  verba  im  fälschen 
schreiben  die  einen  -etil  -ech  -ent;  die  anderen  -yin  -yck  -ynl;  die 
drillen  -om  ■  och  'Ont.  —  e  und  i  wechseln  in  denselben  endungen 
im  wülschen  häufig,  in  alten  gälischen  Schriften  ersetzen  sie  einander 
überhaupt,    wie  es  mit  e  und  y  im  wälschen  noch  jetzt  fast  ist. 


526  ZUR  LEX  SALICA. 

Indessen  so  allgemein  ^\ie  im  bretonischen  kann  die  er- 
scheinung  consonantischer  pluralbildiing  bei  den  bezeichniin- 
gen  der  thiere  im  malbergischen  nicht  gewesen  sein,  denn 
es  kommen  ganz  entschieden  auch  vocalische  pluralbildungen 
vor,  z.  b.  die  schon  früher  bei  einer  anderen  gelegenheit  * 
besprochenen  wörler  ßt  miha  chunna  (zwanzig  schweine  fünf) 
enthalten  den  plural  miha  schweine  (verwandt  dem  gälischen 
inuc  das  schwein,  viuic  in  obliquen  casus,  iniican  im  plu- 
ral).** einen  anderen  vocalischen  plural  bei  einer  thierbe- 
zeichnung  bietet  nur  scheinbar  die  Übersetzung  von  vervices 
in  der  glosse  der  heroldischen  ausgäbe  tit.  iv  de  furiis  ovium 
§  3,  welche  \?i\\iti  feisfecho  et  fetischefo.  das  letztere  worl 
halte  ich  für  verschrieben  statt  fetisfecho;  die  glosse  will 
offenbar  zwei  formen,  zwei  aussprachen  eines  und  desselben 
Wortes  geben;  liest  man  Jcisfecho  et  Jet/sfecho,  so  ist  auch 
offenbar  nur  dasselbe  wort  wiederholt,  einmal  mit  wahrge- 
nommener mortification  des  t,  das  anderemal  ohne  dieselbe, 
im  gälischen  heilst  Jeithis  sowohl  In  eine  herde  vereinigen, 
als  Eine  herde  hüten ;  daher  fets  die  Vereinigung,  Versamm- 
lung, herde ;  feitidhe  das  herdevieh ;  faich  aber  heilst  Das 
offene  feld,  die  wiese,  die  weide,  die  bedeutung  also  von 
feisfecho   sowohl  als   von  J'etisfecho   ist   Herde   des   feldes, 

'  Zeitschrift  für  deulsches  alterlhum  2,  163.  sollte  jemand  austoFs 
daran  nehmen  dafs  hier  zwar  in  gälischer  weise  das  Substantiv,  zu  dem 
die  zusammengesetzte  zahl  gehört,  zwischen  die  beiden  theile  der  zu- 
sammengesetzten zahl  (20  und  5)  gesetzt,  aber  die  gröfsere  zahl  und 
nicht,  wie  im  gälischen,  die  kleinere  vorangestellt  ist,  so  verweisen 
wir  ihn  auf  das  wälsche,  wo  diese  Stellung  wie  in  der  glosse  vor- 
kommt, in  zwei  stellen  eines  alten  gedichtes  findet  sich  sogar  im  gä- 
lischen diese  Stellung,  nämlich  v.  289  des  gedichtes  Eire  ogh  inis  na 
naoimh  liest  man  in  einer  handschrift  Fic/ic  air  cliiiig,  in  der  anderen 
Ficlie  as  cuig  i  jenes  bedeutet  Zwanzig  zu  fünf,  dies  Zwanzig  und  fünf, 
und  V.  347  desselben  gedichtes  steht  xl  ar  cett  tri,  Vierzig  zu  hun- 
dert und  drei. 

* '  das  entsprechende  wälsdie  wort  tnocli  sollte  im  plural  mych 
haben  ,  wenn  es  selbst  ein  reiner  Singular  wäre,  d.  h.  ein  einzelnes 
schwein  bezeichnete  ;  es  bezeichnet  aber  die  gattung  schwein,  und  hat 
keinen  numerus  (aufser  wenn  etwa  einmal  von  mehreren  schweinegat- 
tungen  die  rede  w  äre) ,  sondern  wenn  ein  einzelnes  schwein  bezeichnet 
werden  soll,  wird  die  diminutivform  gebraucht,  mochyn.  mycli  ist  der 
inall)ergischen  form  miha  nahe  genug. 


ZUR  LEX  SALICA.  527 

speciell  auf  scliafe  bezogen,  wahrscheinlich  halten  schon  die 
Kelten  ähnliche  Verwendung  der  ausdrücke  die  ursprünglich 
eine  menge  überhaupt  bezeichnen  für  bestimmte  gattungen 
von  gegenständen,  wie  wir  sie  auch  haben  in  Kudel  hirsche, 
schwärm  bienen,  flug  tauben,  volk  hühner,  karlel  genisen 
u.  s.  w.,  und  wie  ich  auderwärls*  gezeigt  habe  dafs  ruta 
die  herde  vorzugsweise  bei  ziegen  zu  bezeichnen  und  jede 
anzahl  von  mehr  als  drei  ziegen  zusammen  zu  heil'sen  scheint, 
so  mag  sich  /eis  oder  fctis  specieller  auf  schafe  beziehen 
und  jede  anzahl  von  mehr  als  drei  schafen  bezeichnen,  der 
W  olfenbüttler  codex  hat  auch  nachher  zu  §  5  um  eine  Schaf- 
herde zu  bezeichnen  einfach  das  worl  Jcto  und  der  Pariser 
codex  verschrieben  dafür  f'veto.  hier  ist  also  der  plural  nur 
scheinbar,  zu  bemerken  ist  hiebei  noch  dafs  wenn  felischejb 
nicht  verschrieben  sein  sollte  für  fetisfecho,  es  dann  nach 
andeutung  der  Pariser  (im  ersten  theile  des  Wortes  entschie- 
den verschriebenen)  handschrift  frettis  chaeto  (für  fetus- 
chaeto)  wenigstens  in  dem  zweiten  /'  verschrieben  oder  ver- 
lesen sein  mufs  für  J'efis-cheto  d.  i.  herde  schafe,  denn  catt/t 
ist  ein  gälisches  wort  welches  ursprünglich  milch,  milchrahm, 
dann  aber  zuweilen  auch  ein  schaf  bedeutet,  also  Jetis-cketo 
herde  der  milch,  oder  herde  der  schafe. 

4.      die    malberg-isclicn  Zahlwörter. 

Die  zahl  eins  kommt  in  der  glosse  dem  lateinischen  so 
gleichlautend  vor  dafs  man  sie  bis  jetzt  immer  für  das  la- 
teinische Zahlwort  gehalten  hat.  sie  lautet  wmm,  wie  noch 
jetzt  im  bretonischen  unun  (in  Vannes  uno/i),  und  im  wäl- 
schen  un,  im  gälischen  aon  und  eiin.  zwei  kommt  nicht 
vor,  sondern  nur  zweimal  oder  zweifach,  und  dies  licifst 
malbergisch  (in  tit.  ii)  tun  oder  (in  tit.  lxxx)  thiicwi',  thue, 
tJiu.  vielleicht  ist  die  cardinalzahl  dasselbe  wort,  drei  kommt 
nicht  vor;  vier  begegnet  wohl,  wovon  aber  weiter  unicn. 
dagegen  fünf  begegnet  oft;  immer  lautet  es  chiinna  (gälisch 
cuigncar).  eine  fünft  (anzahl  von  je  fiinfeii)  scheint  cunih 
zu  heifsen,  dem  Pariser  codex  {tit.  c)  zu  folge,  wofür  der 
heroldische  codex  (///.  lxxx)  sundc  verschrieben  oder  verlc- 
*  zcilschrilt  für  deutsches  allei'lhuiu  2,   103. 


528  ZUR  LEX  SALICA. 

sen  hat.  sechs  lautet  sexa  (die  sechsent  ^e^?««,«  wenigstens 
die  pluralform  ist  so),  wie  wir  anderwärts  erwiesen,  die 
siebent  lautet  septmi  oder  septeiii  also  sieben  wohl  septe. 
acht  kommt  in  tit.  lxxx  vor,  acto  (actotelus  chunde  oder 
acto  et  usunde,  beides  wohl  für  acto  tetus  cunde :  achtmal 
zehn  fünften,  nämlich  halber  solidi,  d.  i.  400  halbe  oder  200 
ganze  solidi).  die  neunt  heilst  we^  oder  ne  (theiiwe  net  chiinna, 
theive  ne  chunna  für  thueive  ne  chunna  d.  i.  zweimal  fünf 
neunten,  nämlich  halber  solidi  d.  i.  45  ganze  sol.);  dies  7iet 
oder  7ie  entspricht  ganz  dem  gälischen  two,  naoi  (spr.  nö) 
neun,  zehn  scheint  tetus  (was  vielleicht  für  tecus  verschrie- 
ben oder  verlesen  ist)  zu  heifsen  in  der  schon  angeführten 
glosse ;  einigermafsen  analog  ist  das  gälische  deich,  noch  nä- 
her das  bretonische  decg. 

Nun  erst  nachdem  wir  die  bedeutung  von  cunde  (die 
fünft)*  festgestellt,  können  wir  auch  von  der  vier  reden,  sie 
lautet  malbergisch  (dem  bretonischen  pyder  analog)  ßtter ; 
nämlich  die  glosse  ßtter  tius  chunde  oder  ßtter  nu  cunde 
scheint  verschrieben  für  ßtter  ticus  oder  ßtter  tecus  cunde 
d.  i.  viermal  zehn  fünften,  nämlich  halber  solidi  oder  100 
ganze. 

Nun  nachdem  wir  die  ersten  zahlen,  unum,  tua  {thue), 
drei  fehlt,  ßtlir,  chunna,  seocn,  septe,  acto,  ne  (?iet),  tecus 
(tetus),  leidlich  festgestellt  haben,  können  wir  den  tit.  lxxx 
der  heroldischen  ausgäbe  oder  tit.  c  des  Pariser  codex  im 
zusammenhange  erläutern. 

'  solche  subslantivisciie  zahlausdrücke  sind  auch  ganz  altirliindi- 
sche  sitte ;  öfter  kommt  iu  den  allen  gedichten  statt  Zwei  (da)  vor 
Ein  paar  {dias),  statt  jNeun  (nao)  Eine  neunt  {naonmhar  und  naonar), 
statt  Acht  {oc/id)  Eine  acht  (orhtar)  u.  s.  w.  —  auch  die  rechnungs- 
art  ist  durchaus  gälisch,  und  iiöhere  zahlen  werden  sehr  häufig  nicht 
durch  additions-,  sondern  durch  multij)licationsausdrücke  bezeichnet, 
so  um  nur  einige  beispiele  sofort  anzuführen :  in  Eh'e  ogli  in/s  na 
naoimk  findet  sich  v.  299  die  zahl  ceathrar  ix  bhßchit  d.  i.  qiiatuor 
et  novics  viginfi,  4 -f  (9X20)  r=  184.  ebendaselbst  v.  279.  280  die 
angäbe  Da  blladhain  ier  s  in  vii  n  deich  0  ecc  Maelscchlainn  siiaich- 
nidli,  zwei  jähre  nach  diesem  und  siebenmal  zehn  (72),  vom  todeMael- 
sechlainns  des  hervorragenden,  ebendaselbst  v.  343  u.  344  in  einer 
Variante  Seacht  mbliadlina  seacht  moghad  oll  Jgi/s  ciiice  cell  gan 
iomrall,  sieben  der  jähre  sieben  male  zelin  und  fünf  hundert  ohne 
überlreibung  (d.  h.  nichts  darüber)  d.  h.  577. 


ZUR  LEX  SALICA.  529 

Der  kleinste  der  bufsansätze  welche  in  diesem  titel  mit 
malbergischen  Worten  erwähnt  werden  besteht  aus  6  halben 
solidis,  also,  da  nach  goldsolidis  zu  40  denaren  gerechnet 
wird,  aus  120  oder  einem  grolshundert  denaren.  es  scheint 
eine  ähnliche  reciinungseinheit  zu  sein  wie  man  z.  b.  ein 
schock  meifsnischer  groschen  sonst  anführte,  und  es  mul's 
dies  geldmafs  von  einem  grofshundert  denaren  eine  vielfach 
im  gebrauch  vorkommende  summe  gewesen  sein,  da  sich 
mehrfache  ausdrücke  dafür  finden,  sie  heifst  ivalt;  das  ist 
die  aspirierte  form  vom  gälischen  halt,  halt  bedeutet  einen 
rahmen;  auch  blofs  einen  rand*.  wahrscheinlich  waren  die 
zahlbretter  mit  ihren  rändern  so  rahmenartig  eingerichtet 
dafs  gerade  ein  grofshundert  denare  sich  hineinzählen  liefs, 
die  man  deshalb  einen  rahmen  geld  nannte,  auch  sejca  (sexan 
ist  wohl  pluralform)  wird  diese  summe  genannt,  weil  sie  aus 
6  halben  solidis  bestand,  endlich  kommt  auch  der  ausdruck 
vor  tlioa  lasthi  oder  tlioalasti.  offenbar  ist  hier  ein  Schreib- 
fehler der  öfter  begegnet  im  spiele,  dafs  nämlich,  wenn 
zwei  Wörter  zusammenstehen  deren  erstes  mit  demselben 
consonanten  auslautet  mit  dem  das  folgende  anlautet,  dieser 
consonant  nur  einfach  geschrieben  erscheint,  also  thoa  lasthi 
steht  für  thoal  lasthi.  thoal  ist  das  gälische  dual,  was  wie- 
der einen  rand,  einen  rahmen,  eine  einfafsung  bedeutet**; 
lasti  oder  lasthi  ist  das  gälische  last  oder  lasd  d.  h.  die  la- 

'  wälscli  heifst  das  wort  byliad  (in  leichter  form  vyliad)  die 
einfafsung,  einrahinung;  hylit  cinfafsen,  einrahmen  ;  hyl  (in  leichler 
form  vyl)  der  rand  ;  —  das  y  scheint  aber  ursprünglich  aus  a  her- 
vorgegangen, denn  a  lautet  oft  in  e  und  y  um,  wenn  dünne  vocale 
folgen ;  bal  (in  leichter  form  val)  heifst  jedes  hervorragende ;  ver- 
wandt \i\,  fal,  die  einfafsung  rund  herum,  fahl  die  hürde. 

verwandt  ist  das  wälschc  tiol  ringseingefafste  fläche,  in  specie 
der  eingefafste  hausplatz,  dit;  leichte  form  des  Wortes  ist  dwi,  die 
aspirierte  dliwl,  die  sanfte  tliwl.  in  allen  vier  formen  kann  das  wort, 
und  in  jeder  häufig,  am  wenigsten  liäulig  aber  ohne  zweifei  in  seiner 
absoluten  form  twl  vorkommen,  ich  Tühre  dies  an,  weil  auch  die  gä- 
lischen mundarten  in  ihren  mortilicationen  und  ellipsen,  endlich  (die 
älteren  gälischen  Schriften  häutiger,  die  neueren  fast  nur  bei  Wortzu- 
sammensetzungen) in  der  Verdoppelung  (d.  h.  ersänftigung)  der  anlau- 
tenden consonanten  eine  ganz  ähnliche  reihe  haben  wie  das  wälsche  in 
der  leichten,  aspirierten  und  sanften  form  der  initialen,  man  mufs  das 
bei  allen  keltischen  etymologicu  berücksichtigen. 

Z.  F.  D.  A.    II.  34 


520  ZUR  LEX  SALICA. 

düng,  Ihoalasti  ist  also  Rahmenladung,  die  einmalige  ladung 
des  zahlbrettes. 

Paragraph  1  des  erwähnten  titeis,  innim  thool  lasthi 
■=.  eine  zahlbretsladuug  =:  3  solidi  ist  also  klar. 

Paragraph  2,  sexan  chiinna  =  6X5  halbe  solidi  =15 
solidi  ist  ebenfalls  klar. 

Paragraph  3,  sepüm  chunna  =  7X5  halbe  solidi  ::=17V2 
solidi  ist  in  sofern  nicht  ganz  klar  als  der  text  nur  17  solidi 
erwähnt  und  den  halben  ausläfst.  es  könnte  gerichtsgebrauch 
gewesen  sein  in  diesem  falle  den  halben  solidus  nicht  mit 
zu  zählen ;  eher  glaube  ich  dafs  die  nachläfsigkeit  des  einen 
Schreibers  (denn  dieser  satz  kommt  nur  in  der  heroldischen 
ausgäbe  vor)  die  worte  et  dimidio  ausgelafsen  hat. 

Paragraph  4,  thuc  walt  chimna  =  2x6x5=  zweimal 
fünf  rahmen  =  2x6x5  halbe  solidi  =  30  solidi  ist  klar. 

Paragraph  5,  thue  septen  chimna  r=  2  X  7  X  5  = 
zweimal  35  halbe  solidi  =:  35  solidi  ist  einfach  und  klar. 

Paragraph  6,  thuewe  ?iet  chunna  =  2  X  9  X  5  =r 
zweimal  45  halbe  solidi  =:  45  solidi  ist  einfach  und  klar. 

Paragraph  7,  thoto  cunde  sitme  chunna  z=  25  X  5  halbe 
solidi  =:  62 '/2  solidi.  diese  glosse  ist  mir  nicht  ganz  erklär- 
bar; thoto  oder  (nach  dem  Pariser  codex)  thotho  scheint 
eine  bezeichnung  von  zwanzig  zu  sein,  zwar  bietet  tit.  ii 
§  1 1  für  zwanzig  den  ausdruck  fit,  welcher  dem  gälischen 
ßtche  entspricht ;  indess  wie  man  im  älteren  deutsch  zwei 
Worte  zu  bezeichnung  von  100  hatte,  nämlich  einhunt  und 
zehanzug,  so  kann  man  auch  im  malbcrgischen  zwei  worte 
für  zwanzig,  gehabt  haben,  nämlich  aufser  ^?  noch  tho-io 
welches  etwa  einem  Zweimalzehn  entspräche*,  cunde  (oder, 
wie  es  in  diesem  falle  bei  Herold  gesciirieben  ist,  condi)  ist 
die  fünft,  vielleicht  aber,  wie  im  gälischen  sowohl  cuignear 
als  cuig  fünf  bezeichnen,  auch  eine  zweite  form  für  fünf 
wie  sie  bei  zusammengesetzten  zahlen  gebraucht  werden 
mochte ;   also    thoto  cunde  wäre   20  +  5  =  25.     das  chunna 

'  gerade  so  ist  es  im  alten  irlündischrii,  wo  neben  fiche,  Jitche, 
ßchet,  fiticfed,  ßchead  (zwanzig)  nicht  blofs  der  ausdruck  da  deich 
(zweimal  zehn)  begegnet,  z.  b.  im  alten  gedieht  Eirc  ogh  i/t/'s  na  naoimh 
in  V.  45  Diarmaid  da  deich  da  b/iad/iai»,  Diarmad  zweimal  zehn  jähre 
u.  s.  w.,  sondern  auch  das  wort  dnchnt  zwanzig. 


ZUR  LEX  SALICA.  531 

am  ende  ist  seiner  bedeutung  nach  auch  klar,  was  bedeutet 
nun  abei'  sitme  oder,  wie  die  heroldische  ausgäbe  liest,  toeth? 
ist  hier  ein  Schreibfehler,  so  scheint  er  grofs  zu  sein,  ich 
weifs  keinen  rath  aulser  den  das  wälsche  gewährt,  wo  gwaith 
(wenn  es  angehängt  wird  blol's  tvailh)  so  viel  bedeutet  wie 
unser  deutsches  Mal  (z.  b.  unwaith  einmal,  ywaitli  hon 
diesmal),  nach  streng  regclmäfsigem  buchslabenMechsel  ent- 
spricht diesem  wälschen  worle  das  gälische  faoi  (z.  b.  J'aoi 
do  zweimal) ;  iveth  chunna  hiefse  also  fünfmal,  in  dem  worte 
siiine  könnte  aber  ein  flickwort  stecken,  wie  das  gälische 
tna  seoilh  wenn  so,  dann  (fünfundzwanzig  dann  fünfmal), 
oder  seadh  me  meine  ich,  schätze  ich,  wie  die  Nordameri- 
kancr  jetzt  1  g-ness  flickwörtlich  brauchen  (Tünf  und  zwanzig, 
taxiere  ich,  fünfmal). 

Paragraph  8,  fittei'  tecus  cunde  =  4x10x5  =  200 
halbe  solidi  zr:  100  solidi   ist  einfach  und  klar. 

Paragraph  9,  acto  tecus  cunde  i=.  8x10x5  =  400 
halbe  solidi  =  200  solidi   ist  einfach  und  klar. 

Von  den  beiden  folgenden  paragraphen  will  ich  zuerst 
den  eilften  zu  erklären  suchen,  er  lautet  Jitlertos  (wohl 
ßttertn  vierzig ,  wie  thoto  zwanzig  5  die  heroldische  ausgäbe 
balßllerno,  offenbar  verlesen  oder  verschrieben)  cmide  thue 
apta  (so  hat  die  Pariser;  die  heroldische  aptheo)  chunna. 
hierin  ist  einfach  erklärbar  40  X  5.  das  sind  aber  erst  200. 
die  ganze  summe  welche  herausgebracht  werden  mufs  be- 
trägt IGOO  halbe  solidi;  da  chunna  am  ende  steht,  wie  bei 
den  vorhergehenden  zahlen,  müfsen  also  die  dem  worte  chmma 
vorausgehenden  Zahlwörter  die  summe  320  geben,  welche 
5  mal  genommen  dann  die  1600  voll  machen,  da  Jiltcrto 
cunde  erst  200  sind,  so  müfsen  thue  apta  gleich  sein  120 ; 
da  wir  wifsen  dafs  Ihue  zwei  lieifst,  ist  also  apt  ein  aus- 
druck  der,  gleich  unserem  Schock,  CO  bezeichnet,  die  ganze 
glosse  ßtlerto  cunde  thue  apta  chunna  stellt  sich  also  so 
dar  (40  X  5)  -f  (2  X  (50)  X  5  =  IGÜO  halbe  solidi  oder 
800  ganze. 

Nun  ist  der  zehnte  paragraph  diesem  ganz  analog. 
tlirioto  (die  heroldische  ausgäbe  hat  llieiolJio,  das  Pariser  ma- 
nuscripl  iial  tlü'iolus:  beides  scheint  ihcihveise  verlesen  oder 
verschrieben ;    die    heroldische  Schreibung  mit  ausnähme  des 

34' 


532  ZUR  LEX  SALICA. 

c  für  r  die  richtigere)*  cunde  tertheo  chunna.  von  diesen 
•Wörtern  scheint  thrioto  dreifsig  zu  bedeuten  ;  thnoto  cunde, 
dreifsig  fünften,  sind  also  30  X  5  =  150.  da  bleiben  noch 
neunzig  übrig  welche  das  tertheo  ausdrücken  mufs.  wahr- 
scheinlich ist  es  ein  zusammengezogenes  wort  was  ursprüng- 
lich tei^  thrioto  (dreimal  dreifsig)  etwa  lautete,  wie  ja  auch 
jetzt  noch  das  gälische  und  bretonische  mit  den  zahlen  20 
bis  100  ein  wenig  in  unbequemer  ausdrucks weise  sind  und 
z.  b.  zehn  und  zwanzig  sagen  müfsen  um  30  auszudrücken, 
zweimal  zwanzig  um  40  u.  s.  w.  ,  viermal  zwanzig  (guntre- 
vingt)  um  80,  und  viermal  zwanzig  und  zehn  um  90  aus- 
zudrücken, da  ist  dreimal  dreifsig  noch  compendiös  dagegen, 
es  ist  wie  das  vulgäre  irische  wort  für  27,  nämlich  tri- 
naonmhar  (3x9).  dieser  ganze  zehnte  paragraph  der  glosse 
stellt  sich  also  nun  so  dar,  thrioto  cunde  tertheo  chunna 
=  (30  X  5  4-  90)  X  5  =  1200  halbe  solidi  =  600  solidi. 

Ich  denke  so  erklärt  sich  dieser  fast  ganz  in  malbergi- 
scher  spräche  abgefafste  titel  der  lex  salica  höchst  einfach 
und  der  jetzigen  gälischen  ausdrucksweise  von  zahlen  ganz 
analog,  die  Überschrift  incipiunt  chunnas,  d.  i.  hier  begin- 
nen die  fünfen,  ist  offenbar  gewählt  weil  mit  ausnähme  der 
ersten,  den  inhalt  des  zahlbrettes  angebenden  glosse,  alle 
folgenden  eine  verfünffach ung  eines  ansatzes  enthalten  und 
mit  dem  worle  chunna  schlicfsen ".  es  ist  übrigens  in  alten 
gälischen    aufzeichnungen  nicht  ohne  beispiel  dafs  unter  den 

*  ganz  ähnliche  formen  finden  sich  allg'älisch,  z.  b.  chaogad  fiinf- 
zig  (a  eolcha  Albain  iiile  v.  105,  und  das  eine  manuscr.  von  Eiris  ogh 
inis  na  naoinih  v.  16).  ebenso  cetlirachat  oder  cetrachat  vierzig  (die 
anderen  mss.  von  Eiris  ogh  inis  na  naoimh  v.  16).  diesen  formen  ge- 
mäfs  ist  auch  eine  alte  form  triad  dreifsig  zu  präsumieren,  malber- 
gisch  correspoudieren  dann  iriad  zr  thriuto,  cetlirachat  izz  fitterto, 
caogad  zn  chunto'f 

"  einigermafsen  etwas  analoges  findet  sieh  in  den  leges  JFaUice 
tit.  XLvm.  quot  modis  dicitur  duodcnarius  numerus  in  lege,  duode- 
cies  rcdduntur  nii  denarii  sine  elevationc  u.  s.  w.  an  den  wälschen 
gesetzen  ist  es  nicht  die  5,  sondern  3  und  4;  und  3  mal  3  (9);  und 
3  mal  4  (12);  und  4  mal  12 —  welche  alles  bestimmen,  auch  3  mal  3 
(9)  und  4  mal  4  (16).  das  zahlenprincip  ist  also  vorhanden  wie  im  sal. 
gesetz,  aber  es  sind  andere  grundzahlen  gewählt,  nur  in  bezug  auf 
frauenangclegenheilen  kommt  auch  die  5  vor,  fit.  xxvi.  triades  §  20 
Pimpl  riuei  gureic  (quinque  praecipua  uxoris)  u.s.  w.  und  bei  schuld- 


ZUR  LEX  SALICA.  533 

zahlen  die  fünf  (so  wie  in  gröfseren  summen  dann  die  zwan- 
zig und  das  hundert)  hervortritt,  so  wird  z.  1>.  die  zahl  acht 
öfter  durch  Drei  zu  fünf  zusammen  ausgedrückt:  tri bliadhm 
Ja  chttig  gau  roinn  (drei  jähre  zu  fünf  ohne  trennung)  heifst 
es  in  dem  alten  gälischen  gedieht  aus  dem  eilften  Jahrhun- 
dert welches  nach  seinen  anfangsworlen  a  eolcha  Albain 
uile  genannt  wird,  im  43n  verse.  neun  und  zwanzig  wird 
V.  17  des  alten  gedichtes  Eire  ogh  im's  na  naoimh  ausge- 
drückt durch  cethrar  cuicc  coicc  d.  i.  vier  und  fünfmal  fünf. — 
dies  gedieht  ist  aus  dem  12n  jh.,  heruft  sich  aher  auf  ältere 
historische  lieder  und  scheint  zuweilen  deren  text  aufzu- 
nehmen. 

zahlungeil    bestimmten    einige    die    frist  statt  nach  3  mal  3  tagen  nach 
3  mal  5  lagen,  tit.  lvii  de  furto  §  26. 

H.   LEO. 


DIE   ALTDEUTSCHE    STAMMSAGE  BEI  DEN 
SCHOTTEN. 

Jacob  Grimm  im  anhange  seiner  deutschen  mythologie 
XXVII  f.  theilt  in  einer  stelle  des  Nennius  und  in  der  eines 
unbekannten  compilators  Zeugnisse  mit  von  dem  fortleben  der 
alten  deutschen  bei  Tacitus  zuerst  sich  lindenden  stammsage 
von  einer  dreitheiluug  des  Volkes  nach  den  söhnen  des  Man- 
nus,  dem  Isco,  Ingo  und  Hermio.  diesen  späteren  stellen 
zufolge  hat  Escio  oder  Hisicio  (so  wird  Isco  genannt  5  die 
letztere  form,  die  sich  bei  Nennius  findet,  hat  schon  ein 
keltisches  vorgeschobenes  It)  vier  söhne,  Francus,  Romanns, 
Alamannus  und  Britus,  oder  es  stammen  von  ihm  ab  Franci, 
Romani,  Alamanni  et  Brietojies.  hier  wird  also  die  bcvölke- 
rung  Italiens,  Galliens  und  Britanniens  von  Isco  abgeleitet. 

Es  ist  bekannt  welches  sagengewirr  die  irische  und 
schottische  Urgeschichte  bildet,  die  üüfsigkeit  kellischer  laute 
hat  es  leicht  gemacht  irische  und  schottische  namen  etymo- 
logisch an  die  sprachen  und  namen  der  eutfcrnleslen  Völker 
anzuknüpfen,  und  wie  es  in  neuerer  zeit,  seit  England  in 
nächste  Verbindung  gekommen  ist  mit  Ostindien,  nicht  ge- 
fehlt hat  an  leuten  die  alte  indische  Überlieferungen  mit  gä- 
lischen  namen    und    stammsagen   in   Verbindung   zu   bringen 


534      DIE  ALTD.  STAMMSAGE  BEI  DEN  SCHOTTEN. 

gesucht  haben,  so  haben  im  mitlelalter  irische  und  schotti- 
sche mönche  nicht  blofs  den  Eber  der  israelitischen  Urge- 
schichte, sondern  auch  Phönicier,  Iberier,  Skythen  und  wer 
weifs  was  alles  der  landesgeschichte  der  britischen  inseln  in 
der  Urzeit  verknüpft,  man  wird  bei  diesen  versuchen  die 
Urzeit  zu  bevölkern  lebhaft  an  unser  deutsches  Sprichwort 
erinnert  Bei  nacht  sind  alle  kühe  schwarz. 

Interessant  mufs  es  uns  aber  sein  dafs  an  einen  schot- 
tischen mönch,  der  kurz  nach  der  mitte  des  eilften  Jahrhun- 
derts ein  gälisches  gedieht  verfafste  das  O'Conor  mittheilt  und 
das  nach  seinen  anfangsworten  A  eolcha  Albain  uile  ci- 
tiert  wird,  auch  unsere  deutsche  stammsage  gekommen  war 
und  dafs  er  sie,  gleich  Nennius,  mit  der  abkunft  britischer 
Völker  in  beziehung  setzt,  ich  gebe  die  beiden  hierher  ge- 
hörigen Strophen  zuerst  in  ihrem  gälischen  text  und  dann  in 
der  Übersetzung,  den  gälischen  text,  ungeachtet  sich  in 
Deutschland  nicht  viele  dafür  interessieren  werden,  füge  ich 
theils  der  urkundlichkeit  wegen  bei,  theils  weil  meine  Über- 
setzung an  zwei  stellen  von  O'Conor  abweicht,  der  hier  sehr 
nachläfsig  gewesen  zu  sein  scheint;  da  aber  O'Conor  als  Ir- 
länder  die  präsumtion  richtigeres  Verständnisses  für  sich  ha- 
ben könnte,  mufs  ich  doch  dafür  sorgen  dafs  sachverständige 
meine  Übersetzung  vollständig  controllieren  können. 

Strophe   2 
Albanus  do  ghab  ria  n  slogh, 
Mac  sein  oirdhairc  Isiocoi?i, 
Brathair  do  Britus  gan  brath; 
0  raitir  Alba  eathrach. 

Strophe   3 
Ro  ionnarb  a  bhrathair  bras 
Britus  tar  muir,  n  iocht  namhnas ; 
Ro  gabh  Briotus  Albaiti  ain 
Go  roinn  ßaghnach  Fothudain. 
die  Übersetzung  ist 

2 
Albanus  nahm  es  (nämlich  Albanien)  mit  seinem  heere^ 
Der  ältere  söhn  des  edeln  Isiocon, 
Bruder  (nämlich  war  er)  zu  Bntus  gewisslichi 
Von  ihm  loird  genannt  Alba  (Albanien)   das  schiff  reiche. 


DIE  ALTO.   STAiMMSAGE  BEI  DElN  SCHOTTEN.      535 


Es  cer trieb  xcine/i  b rüder  geicalltliiiiig 
Der  Briius  übern  mcer,  nicht  pietät  war  das ; 
Es  nahm  Britus  das  preiswürdige  Albanien 
Bis  zur  gcgo/id  des  wildprotreichen  Fothudanie/i. 
Hier  haben  wir  den  Isiocon  als  valer  des  Albanus  und  Bri- 
tus wie   bei  Nennius  den  Hisicio   als  vater   des  Alamannus 
und  Brutus,      offenbar   hat   sich   der  Schotte    der   deutschen 
Völkergenealogie,    in    welche    er   bereits  einen  Britus  einge- 
flochten  finden    mochte,     weiter   bemächtigt   und   den    Ala- 
ynannus  in  Albanus  verkehrt,    oder  sollten  hier  wiirklich  ur- 
alte   den  Germanen    und  Kelten   gemeinsame  Überlieferungen 
zu  gründe  liegen?     allein   die    lateinischen  namensendungen, 
Albanus,  Britus,  verralhen  eine  gelehrte    lateinische  quelle, 
und  der  name  Isiocon  (spr.  Isicon)  zeigt  dann  deutlich  dafs 
ihn  der  vcrfafser  nicht  nach  einer  nominativform  Isico,  son- 
dern nach  formen  anderer  casusflexionen,    Isiconis  u.  s.  w., 
gebildet  hat.  H.   LEO. 


DER   S^ELDEN   TOR. 

In  den  homerischen  dichlungen  gibt  die  menschliche  auf- 
fafsung  der  götter  jedem  derselben  sein  eigenes  haus  auf  ei- 
nem der  umwölkten  gipfel  des  Olympos,  und  die  personifi- 
cation  und  Vergöttlichung  der  träume  besteht  hauptsächlich 
darin  dafs  ihnen  thore  zugeschrieben  werden,  bald  eins  an 
dem  der  schlafende  ruht  (Od.  4,  809),  bald  zwei  aus  denen 
sie  selber  hervorgehen  (Od.  19,  562  ff.). 

Die  Vorstellung  von  gotteshäusern  ist,  wie  mehr  als  eine 
stelle  altnordischer  dichlungen  zeigt,  auch  der  deutschen  my- 
thologie  nicht  fremd  gewesen;  nur  hat  sich  der  poetische 
redegebrauch,  der  die"  Synekdoche  liebt,  nach  und  nach  an 
einen  ausdruck  dieser  art  festgeheftet  und  spricht  bei  götlli- 
chen  wcsen  und  göttlich  bewalteten  dingen  nicht  von  einem 
hause,  sondern  von  einem  thore  derselben,  von  dem  thore 
das  auch  sonsl  das  ganze  haus  symbolisch  vertritt  als  dessen 
geheiligter  ein-  und  ausgang  (rechtsalt.  174  ff.  726  ff.),  so 
heifst  die  Eider  ahd.  Egidora  Agadora,  alln.  Aegisdyr  d.  h. 


536  DER  SALDEN  TOR. 

thor  des  meeres-  und  schreckensgottes  (mythol-  174)*;  so 
kennen  nihd.  dichter  ein  thor  der  Minne  (vdH.  2,  157^), 
der  Liebe  (Ulr.  v.  d.  Türlin  Wilh.  cod.  pal.  98»),  des  To- 
des (ebenda  34")  **,  und  ein  allitterierender  reisesegen  wahr- 
scheinlich des  12n  jh.  (Diut.  2,  70)  nennt  neben  einander 
dis  sigidoi\  diz  selgidor  (lies  swldeioi'),  diz  ivägtdo?'  und 
ätz  ioäßndor'\. 

Der  Sivlde  toi\  dieser  eine  ausdruck  wiederholt  sich  be- 
sonders häufig,  von  Jacob  Grimm  ist  nachgewiesen  (myth. 
504  ff.)  in  wie  heidnisch  sinnlicher  weise  noch  das  ganze 
mittelalter  von  der  glückseligkeit  spricht,  wie  sie  da  schläft 
und  wacht  ff,  zürnt  und  lacht,  so  nun  hat  sie  auch  ein 
thor  (leseb.  1,  274,  25)  das  ihren  lieblingen  sich  öffnet,  den 
unbegünstigten  verschlofsen  ist,  und  ebenso  ein  thor  ihre 
böse  Schwester,  die  UnsKÜh :  Unscelde  si  mir  itf  getan ! 
Rabenschi.  57'\ 

Was  jedoch  nicht  zu  übersehen,  gewöhnlich  und  beinah 
überall  heifst  es  nicht  der  Swlde,  sondern  mit  anderer  en- 
dung  </er  swldeti  tor :  Walth.  20,  31.  Grootes  taschenb.  138 
(vom  j.  1402).  der  stehlen  für  Heinr.  v.  d.  Türlin  45.  160. 
vdHagen  1,  93\  der  sceldcn  porte  leseb.  1,  331,  36. 
diese  form  aber  ist  mehrfacher  auslegung  fähig,  entweder 
ist  da  Saide  ganz  als  weiblicher  eigenname  verstanden  und 
deshalb  schwach  flectiert  (wie  Unscelde  vdHagen  2,  209'), 
oder   es  ist  gen.  plur.  :    letzteres    dann  entweder  auf  grund 

*  die  Eider  ist  der  grenzflufs  zwischen  Sachsen  und  Dänen,  und 
als  hauptgottheiten  der  letzteren  werden  Juppiter  und  Neptun  genannt : 
Ermold.  Nigell.  3,  5  ff.  4,  451  ff.  eine  Urkunde  der  Karolingerzeit  im 
Staatsarchiv  von  Zürich  hat  am  Zürcher  see  einen  ort  namens  Agasül, 
wobei  in  betracht  kommt  dafs  Columban  und  Gallus  an  eben  diesem 
see  idola  lovis  et  Neptiuii  vorfanden   (mon.  Germ.  bist.  2,  61). 

'*  vergl.  die  thore  des  todes  und  der  finsternis  und  das  haus  des 
lichtes  Hiob  38,  17.  20. 

•}•  bislozin  si  dir  diz  wdgidor,  samt  si  dir  diz  wdßndor ;  in  einem 
andern  reisesegen  herre  got,  du  muozist  in  biscirmin  vor  wage  unde 
for  ivdßne  Diut.  2,  293. 

ff  swer  die  nu  solle  schoitwen,  des  swld  was  niht  enlsldfen  ülr. 
V.  d.  Türlin  46".  wcpnt  ir  das  min  swlde  tht  wache?  cod.  pal.  341, 
340*^.  gaiiziu  tvgent,  meines  teil:  da  wachet  schände  und  sldfet  heil 
Heinr.  v.  d.  Türlin  44.  vergl.  fortunam  eius  in  malis  tantitm  civili- 
bus  vigilasse  Amm.  Marc.   14,  10. 


DER  S.ELDEN  TOR.  537 

der  annähme  mehrerer  glückgöttinnen,  oder  indem  sa'lde  mit 
aufgebung  der  persönlichkeit  lediglich  abstract  genommen  und, 
wie  das  bei  abslracten  zu  geschehen  pflegt,  in  den  pluralis 
gesetzt  ist. 

Diese  dritte  auslegung,  nach  welcher  tor  beinahe  nur 
nocli  ein  ausdruck  ist  ohne  bestimmt  bewusten  sinn,  möchte 
wohl  den  Vorzug  verdienen,  denn  jedesfalls  hat  Hartmann 
die  mythische  grundanschauung  bereits  verloren,  wenn  er  golt 
selbst  als  pförtner  die  stelde/i  porte  verschliefscn  läl'st  (le- 
seb.  1,  331,  35),  und  nach  analogie  des  altgewohnten  thores 
der  glückseligkeit  wird  hin  und  wieder  auch  solchen  ab- 
slracten ein  thor  beigelegt  für  die  eine  einstmalige  personi- 
fication  zur  gottheit  nicht  wohl  anzunehmen  ist  * :  der  riuwc 
tor  Parz.  649,  8.  der  wünne  forte  vdH.  2,  125%  und  gar 
der  rittei-schefle  tor  Suchenw.  1,  14;  da  aber  begegnen  uns 
ganz  unzweifelhafte  plurale :  der  früuden  tor  vdH.  2,  157''. 
313'**. 

Dergleichen  ist  dann  eine  eben  so  unmythische,  nur  noch 
dichterische  Sinnlichkeit  der  darstellung  wie  das  sinkende 
haus  des  rechts  in  Aeschylus  Eumeniden  516  neben  den  tho- 
ren  der  träume  und  den  götterhäuseru  Homers. 

'  wie  eben  solche  nun  auch  schlafen  und  wachen  gleich  der  Saelde: 
vergl.  anm.  zu  Walth,  2,  172.  man  siht  ofte  wachen  unwize  und 
kunst  sldfen  Hcinr.  v.  d.  Tiirl.  4.  ir  güefe  und  ir  besc/icidenheit  ist 
leider  gar  gein  mir  entsldfen  vdH.  1,  66''.  niio  begitnd  mir  freude 
weken  gehügde  Ulr.  v.   d.  Tiirl.   Hü''. 

*'  vergl.    hl  werdem  man  so  wachent  wi'bcs  güete  vdll.   1,  343*. 

WILH.   WACKERNAGEL. 


IN  DEN  WALD  WÜNSCHEN. 

Zu  den  gedichten  Walthers  von  der  Vogelweide  welche 
die  kunst  der  ausleger  necken  gehört  besonders  der  an  Leo- 
pold von  Osterreich  gerichtete  spruch  bei  Lachmann  s.  35. 
so  viel  ist  klar,  der  herzog  hatte  Wallhern  in  den  wald  ge- 
wünscht, der  dichter  entgegnet  indem  er  mit  scherz  und 
Wortspiel  den  wünsch  zurückgibt,  die  hauptsachc  wird  nun 
sein  zu  erklären  was  sich  das  miltelaller  bei  einer  verwün- 


538  IN  DEN  WALD  WÜNSCHEN. 

scliuiig  in  den  wald  gedacht  habe,  zu  Walthers  zeiteii  viel- 
leicht nichts  recht  bestimmtes  mehr,  vielleicht  auch  mehrer- 
lei neben  einander,  ich  will  zur  ergänzung  und  weiteren 
begrüudung  dessen  worauf  bereits  der  commenlar  zu  Sim- 
rocks  Übersetzung  2,  168  hingewiesen  hat  die  mehrfachen 
bedeutungen  die  möglich  seien  zu  entwickeln  suchen. 

Ein  allüblicher  ausdruck  enthält  dieselben  alle  kurz  ver- 
einigt, dei'  wilde  iva/d,  eine  zugleich  ablautende  und  allitterie- 
reude  wortpaarung  wie  das  grüne  g7'as  und  wie  im  grie- 
chischen ovQuvbg  fv^vg,   ev(tvg  uqovqu. 

De?'  loilde  icald,  es  ist  das  aus  dem  munde  des  behag- 
lich eingehausten  und  gesitteten  menschenlebens  gesprochen. 

Denn  dem  unfruchtbaren  walde  steht  erstlich  das  feld, 
der  bestellte  acker  entgegen :  wie  denn  auch  Walther  sagt 
wünsche  mir  ze  velde  und  j\iht  ze  ivaldc.  wer  daher  jemand 
in  den  wald  wünschte,  der  wünschte  ihn  vom  segen  des 
menschlichen  fleifses  weg  in  die  von  menschenhand  noch  un- 
berührte, unangebaute  wildnis. 

Da  aber  mit  dem  ackerbau  der  feste  wohnsitz  verbun- 
den ist,  weshalb  bauen  (das  gr.  qveiv)  sowohl  vom  bepflan- 
zen des  ackers  als  dann  auch  vom  wohnen  und  vom  errich- 
ten der  Wohnung  gesagt  wird,  so  ergibt  sich  der  allitteiüe- 
rende  gegensatz  heim  und  holz-  (leseb.  1,  113,  21),  der 
wirtliche  wohnsitz  und  der  unwirtbare  wald,  und  die  Ver- 
wünschung in  letzteren  ist  eine  Verwünschung  fort  aus  dem 
verkehr  der  draufsen  angesefsenen  menschen,  deshalb  Wal- 
lher Id  uiich  bi  den  Hüten:  möglicher  weise  noch  ein  Wort- 
spiel mit  Liupolt,  eben  wie  der  wünsch  in  den  wald  eins 
mit  Walther. 

Sollten  fehler  und  häuser  an  die  stelle  des  wilden  wal- 
des  treten,  so  musle  man  diesen  zuvor  ausräuten.  das  war 
aber  die  arbeit  roher,  selbst  halbwilder  bauern,  so  dafs  die 
alli Iteration  hof  und  holz  den  gegensatz  von  bildung  und 
bildungslosigkeit,  von  hölischer  feinlieit  des  Verstandes  und 
der  sitte  und  bäurischer  Stumpfheit  und  unsitte  ausdrückt 
{swer  niht  enmerket  daz  er  siht,  er  enbezeri  sich  da  von 
niht:  im  mühte  sin  als  mwre  daz  er  da  ze  holze  wo're  so 
da  ze  hove  welsch,  gast  1,  2),  und  derjenige  den  ein  fürst 
in  den  wald   wünscht    damit   vom   hofc  weg  in  das  schwere 


IN  DEiN  WALD  WÜNSCHEN.  539 

leben  der  lürper  verwünscht  ist.  Walther  eiwiedert  ickn 
kan  niht  riuten. 

Erst  dann  ein  sitz  menschlicher  cultur  wenn  er  ver- 
schwindet, ist  der  wald  so  lange  er  steht  nur  die  heiniat 
des  wildes  :  der  mensch  betritt  ihn  nur  als  Jäger,  während 
er  im  kriege  mit  menschen,  auch  in  diesem  uufriedlichen 
verkehr  mit  seinesgleichen,  lieber  auf  freiem  felde  bleibt,  so 
aufgefafst  können  feld  joh  ivald  auch  krieg  und  jagd  bedeu- 
ten (Otfr.  1,1,  62),  und  der  in  den  wald  verwünschte  ist 
verwünscht  zu  den  thieren,  zu  den  hölzittgen,  wie  ein  alter 
euphemismus  den  >volf,  den  sciirecken  des  holzes,  nennt 
(Keinh.  lv). 

Aber  der  wald  ist  auch  das  reich  unheimlicher  wesen : 
wer  sich  da  verirrt,  den  schrecken  auch  ivalilsclwaten,  kolz- 
iveiblein,  icaldteufel  jeglicher  art,  oder  er  geräth  einem  men- 
schenfrefsenden  türsen  in  die  bände  (leseb.  1,  559.  vdHagen 
2,  331''),  und  es  laufen  da  aufser  den  Wolfen  auch  wehrwölfe. 
insofern  sich  nun  fluche  und  Verwünschungen  gern  zurück- 
beziehen auf  Vorstellungen  des  heidenthums,  möchte  der  ur- 
sprüngliche, wenn  schon  nicht  der  immer  und  allein  festge- 
haltene sinn  der  Verwünschung  in  den  wald  eine  Verwün- 
schung zu  allen  teufein  desselben  gewesen  sein*  oder  eine 
anfluchung  dämonischer  wolfsgestalt.  in  der  that  gibt  es  auch 
wenigstens  zwei  stellen  die  unzweifelhaft  nur  in  solcher 
weise  können  verstanden  werden,  eine  in  der  Crescenlia, 
wo  der  marschall,  nachdem  er  Cresccntien  eine  unholde  ge- 
scholten, noch  hinzusetzt  (kaiserchr.  cod.  pal.  73*^,  vergl. 
Kol.  cod.  s.  262)  du  soldcs  billecher  da  ce  holz-  varn"  dan 
die  megede  lue  (bei  hofe)  bewarcii,  und  eine  die  noch  dem 
15n  jh.  angehört,  in  der  Mörin  Hermanns  von  Sachsenheim 
(Worms  1539.  xvii"),  die  kihigin  sah  den  Eckart  an  Vnnd 
.sprach  '  herting,  geschiveig  der  xvortl  Lieff'eslu  i/m  jhenem 
wald  dort  Vnd  werst  einwolff,  das  acht  ich  klein!  'Gnad, 

'  vergl.  wie  Filiiner  der  Gothenkiiiiig  die  Aliorunen  (d.  h.  Ilalio- 
runen,  ahd.  helliriina)  in  die  wiidiiis  jagt,  wo  sie  mit  den  waidiniia- 
nern  sicli  vermischend  das  vnlk  der  Hunnen  erzeugen,  Jornand.  24. 

fahren  bezeichnet  auch  sonst  das  wild  unstäte  leben  dämoni- 
scher weiber:  hagliedissen  ende  varcnJe  vrouwen  hör.  belg.  1.  119. 
varende  wif  der  Wirbelwind  mylhol.  017. 


540  liN  DEN  WALD  WÜNSCHEN. 

fraw,  so  lieff  ich  wider  heyin  P^ml  wer  gleich  Eckart  als 
auch  vor!  'IVer  weyfs^  man  schlug  leicht  zu  das  thor 
Vnd  Hofs  dich  Schnecken  blenden  gon! 

WILH.  WACKERNAGEL. 


ZWÖLF   SCHWERTER  UND  NEUN  HERZEN. 

Eine  recension  des  Rosengartenliedes  legt  Siegfried,  dem 
könige  aus  Niederland,  zwölf  schwerler  bei,  er  vileret  zwelf 
swert,  einez  ist  Balmunc  genant.  Wilhelm  Grimm  (Roseng. 
s.  v)  ist  geneigt  die  worte  für  verderbt  zu  hallen  und  ver- 
mutet als  ursprüngliche  lesart  er  vilert  der  zwelf  swerte  einz, 
deist  Balrmmc  genant;  worin  dann  eine  beziehung  liegen 
würde  auf  eine  hie  und  da  anklingende  sage  von  zwölf  un- 
ter die  verschiedenen  beiden  ausgetheilten  elfenschwertern. 
gleicherraafsen  ist  ihm  wahrscheinlich  dafs  die  erzählung  des- 
selben und  noch  eines  andern  Rosengarlenlexles  von  zwei 
oder  drei  halsbergen,  die  Siegfried  angelhan  habe,  nur  auf 
einem  misversländnis  beruhe;  ein  älteres  lied  habe  von  dri- 
lichen  d.h.  dreifach  geflochtenen  halsbergen  gesprochen  (hel- 
dens.  s.  250.  Roseng.  s.  v). 

Ich  weils  jedoch  nicht  ob  diesen  Vermutungen  beizustim- 
men sei.  denn  die  rohere  kunst  (und  sicherlich  zeigt  sich 
im  Rosengarten  die  poesie  des  volkes  roh  und  verwildert 
genug)  scheut  sich  nicht  abstracte  eigenschaflsbegriffe  auch 
auf  die  abenteuerlichste  weise  sichtbar  zu  versinnlichen ; 
Inder  Slawen  Mongolen  dichten  und  bilden  vielhändige  viel- 
häuptige  gölter,  Griechenland  hat  seinen  dreiköpfigen  Cer- 
berus,  seinen  hunderläugigen  Argus,  der  scandinavische  nor- 
den das  achtbeinige  pferd  Odhins  und  riesen  mit  drei,  mit 
sechs,  mit  neunhundert  häuplern  (mythol.  s.  222  f.) :  warum 
nun  die  drei  halsberge,  die  zwölf  Schwerter  nicht  eben  der- 
gleichen vergröbernde  Symbole,  dieses  der  zwölffachen  manns- 
stärke,  welche  das  Nibelungenlied  336,  3  dem  beiden  in  der 
tarnkappe  ausdrücklich  zuschreibt,  jenes  der  unverwundbar- 
keil, die  sonst  minder  auffällig  durch  die  hornhaut  symboli- 
siert, aber  auch  so  immer  nur  symbolisiert  wird? 

Und  dies  um  so  mehr  als  die  dichtunsen  des  deutschen 


ZWÖLF  SCHWERTER  UND  NEUN  HERZEN.        54t 

wie  des  romanischen  miltelallers  sonst  noch  manches  der- 
selben, ja  noch  viel  roherer  art  enthalten,  der  drei  schwer- 
ler des  Ferabras  nicht  zu  erwähnen,  weil  zwei  davon  über 
den  Sattelbogen  des  rosses  gehängt  werden  (Fierabr.  s.  9)  : 
in  dem  gleichen  Rosengarten  wie  in  der  altschwedischen  Vil- 
kina-saga  hat  Heime  vier  eilenbogen  (heldens.  s.  257.  Ro- 
seng, s.  Lxxiv)  d.  h.  riesenhaft  langa  arma ;'  im  Reinardus 
kommen  widder  vor  mit  vier,  sechs,  acht  hörnern,  worauf 
der  dichter  schwerlich  durch  die  vielhörnigen  schafe  Islands 
geführt  worden  (Jac.  Grimm  Reinh.  s.  lxxii);  in  einem 
Volksmärchen  (n»  38)  fuchse  mit  zwei  bis  neun  schwänzen 
d.  h.  von  doppelter  bis  zu  neunfacher  fuchseslist;  und  einen 
menschen  von  aufserordenllichen  geistcsgaben  nannte  man 
ehemals  neunherzig,  der  übertraf  an  verstand  und  gemüt  die 
gewöhnlichen  menschen  wohl  um  das  neunfache,  von  Me- 
genze  lool  niunherzic  man  heifst  bei  Reinmar  von  Zweter 
(vdH.  2,  210'')  der  erzbischof  Siegfried  der  2e  von  Epstein; 
so  nimt  mich  wunder  daz  er  niunherzecUche  kan  geleben: 
mit  ebne  Übe  erz  allcz  luot" .  die  Adelnhauser  hs.  in  Zü- 
rich (altd.  bll.  1,  343)  deutet  n»  52  die  neun  herzen  auf 
neunerlei  geistliche  eigenschaflen.  ein  rehte  guot  mensche 
sol  kan  nivn  herze,  ein  herze  mit  allem  vride.  ein  behuetit 
hercc  mit  allem  vlize.  ein  linde  herze  daz  ein  iegelich  in- 
gesigel  wol  müge  enphahen  nach  sime  dinge,  ein  wit  herze 
da  himelrich  und  ertrieh  wol  inne  mügen  gestan.  ein  vf er- 
haben herze  ob  allen  zerganclichen  dingen,  ein  gebunden 
herze  mit  rehter  gehorsami.  ein  entluhtende  herze  mit  der 
gotlichen  ininne.  ein  gesament  herze,  mit  der  gotlichen  wis- 
heit.  ein  beslozzcn  herce  mit  der  heiligen  drivallikeit.  die 
spätere  zeit  hat  diesen  symbolischen  ausdruck  in  dem  ge- 
schlcchlsnamen  Neunherz  fesigehallcii  (ein  Job.  Neunherz, 
geb.  zu  Schmiedeberg  1(553,  gest.  zu  Hirschberg  1737,  ver- 
fafser  der  Evangel.  sabbaths-freude.  Zittau  1690.  12),  und 
zugleich  ihn  ganz  uusyinbolisch  auffafscnd  ein  grauscnhafles 
zaubcnnitlcl  daraus  abgeleitet,  'wer  von  neun  herzen  noch 
ungeborener  knaben  gegefsen,  konnte,  welchen  diebstahl  oder 

*  der  schlufs  dieses  Spruches  bedarf  noch  der  befscrung;  walir- 
schcinlich  daz  iiu'l  ich  dne  ziri'vcl  Idzcn.  im  ist  nach  creii  also  '^w 
daz  nie  ein  hiin^ergüic  bcr  so  nCtlec  wart  nach  süczes  lionegcs  ra'zcn. 


542         ZWÖLF  SCHWERTER  UND  NEUN  HERZEN. 

sonstiges  verbrechen  er  immer  begehen  mochte,  dabei  nicht 
ergriffen  werden,  und  wenn  er  dennoch  durch  einen  zufall 
in  die  gewalt  seiner  gegner  gerathen  sollte,  sich  unsichtbar 
machen  und  so  seinen  banden  sich  wieder  entziehen  Tettau 
und  Temme,  volkssagen  Preufsens  s.  266. 

WILHELM  WACKERNAGEL. 


THEILEN,    THEILEN    UND    WAHLEN, 
THEILEN   UND   KIESEN. 

1.  Die  letztwillige  Verfügung  jemandes  über  den  eintritt 
anderer  in  sein  eigenthum  wird  im  altdeutschen  mit  dem 
zeitworte  teilen  bezeichnet :  es  liegt  darin  beides  ausgedrückt, 
die  sonderung  des  gutes  in  seine  bestandtheile,  und  die  be- 
stimnuuig  der  einzelnen  personen  welchen  dieser  und  jener 
zufallen  solle.  Walth.  60,  34.  Reinm.  vdH.  1,  176\  die  frei- 
heit  solcher  Verfügungen  war  jedoch  in  mehr  als  einer  weise 
gesetzlich  beschränkt,  und  es  kamen  dieselben  immer  nur 
ausnahmsweise  vor.  der  regel  nach  war  es  den  erben  über- 
lafsen  mit  berücksichtigung  der  bestehenden  rechte  die  sache 
unter  sich  selbst  in  Ordnung  zu  bringen,  da  aber  waren 
verschiedene  verfahrungsarlen  möglich  und  gebräuchlich. 

2.  Das  erste  verfahren  zeigt  jene  beiden  seilen  der 
letztwilligen  Verfügung  in  geschickter  weise  unter  die  erben 
vertheilt;  zugleich  ist  es  ein  beispiel  für  die  characteristi- 
sche  neigung  des  altdeutschen  rechtes  das  justum  und  das 
aequum  mit  einander  zu  vereinbaren,  ich  meine  das  durch 
alle  Stämme,  durch  alle  Jahrhunderte  gehende  gesetz,  wo 
zwei  zu  einem  erbe  geboren  seien,  solle  der  ältere  theilen, 
der  jüngere  wählen,  der  ältere  die  erbschaftsmasse  in  zwei 
hälften  zerlegen,  und  dann  der  jüngere  zuerst  sich  erklären, 
welche  der  beiden  hallten  er  wolle,  sachsensp.  landr.  iii,  29. 
schwabensp.  landr.  26,  2.  237,  2  (andere  stellen  rechtsalt. 
s.  480).  damit  wird  sowohl  der  erstgeburt  ein  Vorrecht, 
dem  gereifleren  alter  ein  übergewicht  der  Verständigkeit,  als 
auch  dem  jüngeren  sein  gutes  anrecht,  eine  freie  willkür  des 
liiuns  und  lafsens  zugestanden,  hier  und  dort  aber  dem  über- 
greifenden eigennulze  würksam  vorgebeugt. 


THEILEN.  543 

Auf  diesem  gebrauche  des  iheilens  und  wälilens  beruht 
eine  sprichwörtliche  redensart  die  uns  bei  den  dichtem  des 
niitlelalters  häußg  begegnet :  von  einem  der  die  ganze  fülle 
des  gliickes  und  der  gewalt  in  bänden  hat  wird  gesagt,  er 
selbst,  er  allein  tiieile  und  wähle  zugleich.  Hartmann  büchl. 
2,  615  f.  vdH.1,94''.  127^  2,  78^  Ulr.  v.  Turh.  Wilh.  cod. 
guelf.  60''  so  uwidet  ir  hau  bcidiu  tJaz-  teilen  imd  daz  iveln. 
Dasselbe  verfahren,  nur  mit  einer  merkwürdigen  um- 
wendung  der  aequitas,  indem  der  jüngere  theilte,  der  ältere 
wählte,  kannten  auch  die  einwohner  von  Wales,  indessen 
die  britischen  rechtsgebräuche  berühren  sich  auch  in  ganz 
anderen  stücken  mit  denen  des  deutschen  Volkes,  und  hier 
möchte  sogar  eine  blofse  entlehnung  im  spiele  sein:  denn 
eben  jene  umwendung  war  auch  normannischer  grundsatz, 
rechtsalterth.  480.  das  aber  ist  auffallend,  dafs  einmal  auch 
die  Römer  davon  gewust  haben;  dafs  uns,  abweichend  von 
dem  ausgebildeten  recht  der  späteren  zeit,  welches  davon 
auch  nicht  die  leiseste  spur  mehr  übrig  hat,  doch  für  die 
sagenhaften  anfange  der  römischen  geschieh te  die  sitte  des 
theilens  und  wählens  deutlich  bezeugt  wird,  nämlich  in  der 
erzählung  von  Numitor  und  Amulius  bei  Plutarch  Rom.  3. 
Amulins,  also  auch  hier  der  jüngere  bruder,  iheilt,  als  einen 
theil  die  guter  und  schätze  des  hauses,  als  anderen  das  blofse 
königthum  vorlegend ;  Numitor,  der  ältere,  wählt,  und  zwar 
das  königthum.  welche  erzählung  Pompouius  Laelus,  oder 
wer  sonst  verfafser  des  dem  Aurelius  ^ictor  zugeschriebenen 
buches  de  origine  gentis  Rom.  sein  mag,  in  dem  einen  punkte 
aus  misverstand  oder  absieht  ändert  (cap.  19)  dafs  Numitor 
die  guter  gewählt  und  das  königthum  dem  nachgeborenen 
überlafsen  habe,  bei  üionysius  von  Hai.  1,76  ist  Numitor 
nicht  durch  iheilung  und  wähl,  sondern  schon  durch  die  erst- ■ 
gehurt  zur  thronfolge  berechtigt. 

3.  Zu  dem  Vorrechte  der  theilung  kam  in  dem  falle  wo 
es  angestorbenes  hcergewäte  (lodleibe)  betraf  noch  eine  wei- 
tere bevorzugung  des  älteren  erben :  er  nahm  das  schwert 
des  verstorbenen  zuvor  und  ward  damit  als  dessen  eigentli- 
cher nachfolger,  als  erster  schwerlmag,  als  neues  haupt  des 
hauses  und  vogt  der  unmündigen  miterben  bezeichnet:  sach- 
sensp.   landr.  i,  22.     schwabcnsp.  landr   26,   1.  3.     für  das 


544  THEILEN. 

übrige  galt  der  gewohnte  brauch  des  theilens  und  wählens, 
nach  umständen  auch  der  verloosung  (vergl.  4  5  Sachsenspie- 
gel und  Schwabenspiegel  sagen  minder  bestimmt  dat  andere 
delet  sc  gelike  under  sik):  hier  um  so  mehr  als  bei  der  un- 
gleichartigkeit  der  einzelnen  gegenstände  welche  das  heer- 
gewäte  ausmachten  ein  blofses  abzählen  und  vertheilen  der- 
selben unmöglich  war. 

Wo  also  ein  manu  von  ritters  art  (nur  ein  solcher  be- 
safs  heergewäte)  zwei  ebenbürtige  söhne  hinlerliefs,  theilte 
der  ältere  beider  erbe  und  heergewäte,  der  jüngere  wählte 
nur,  und  das  schwert  das  jener  zuvor  empfieng  durfte  wohl 
auch  als  lohn  seiner  mühwaltung  erscheinen. 

Hierdurch  erklärt  sich  ein  sonst  dunkler  und  nüifsiger 
zug  in  der  erzählung  aus  Siegfrieds  Jugend  die  im  Nibelun- 
genliede 89  ff.  Hagenen  in  den  mund  gelegt  und  theilweis  ab- 
weichend im  Dietleib  SO**  als  sorglicher  gedanke  Dietrichs 
vorgeführt  wird,  der  erzählung  w^ie  Siegfried  sein  wunder- 
bares schwert  und  durch  dieses  den  hört  und  die  tarukappe 
o^ewonuen  habe.  Siegfried  kommt  dazu  wie  die  beiden  kö- 
nigssöhne  Nibelung  und  Schilbung  ihr  anerstorbenes  erbe 
theilen  wollen  und,  mufs  man  ergänzen,  darüber  in  zwisl 
gerathen  sind,  weil  die  iheilung  des  älteren  den  jüngeren 
bruder  nicht  befriedigt,  sie  bitten  ihn  das  streitige  geschäfl 
zu  übernehmen,  und  geben  schon  im  voraus  im  ze  miete  daz 
Niblunges  swert.  aber  auch  er  kann  es  ihnen  nicht  zu  danke 
machen,  und  im  neu  erhobenen  hader  erschlägt  er  sie  mit 
der  kaum  empfangenen  waffe.  'man  begreift  nicht'  sagtWilh. 
Grimm  heldens.  s.  78  'warum  sie  ihm  das  schwert  Balmung 
voraus  zum  lohne  geben,  ehe  noch  die  theilung  geschehen 
ist.'  da  jedoch  Siegfried  mit  der  Übernahme  der  theilung  in 
ein  recht  eintritt  welches  sonst  dem  älteren  erben  zukommt, 
und  da  der  ältere  erbe  aus  dem  heergewäte  des  verstorbe- 
nen dessen  schwert  zuvor  erhält,  hier  aber  eine  verlafsen- 
Schaft  der  art  zu  theilen  ist  dafs  auch  heergewäte  dazu  ge- 
hört, die  verlafsenschaft  eines  edcln,  eines  königs,  so  ist  es 
nur  eine  nothwendige  folge  des  alten  rechtsgebrauches  dafs 
bei  dieser  erbtheilung  er  die  auszcichnung  und  den  lohn  des 
erstgeborenen,  schon  im  voraus  das  väterliche  schwert  em- 
pfange. 


THEILEN.  545 

4.  Die  Vorschrift  des  theilens  und  wählens  war  jedoch 
nicht  überall  durchzuführen :  die  zahl  der  erben  und  die  be- 
schaffenheit  der  erbstücke  konnten  auch  andere  verfahrungs- 
arten  nöthig  machen,  entweder  eine  freie  Verabredung  der 
erben,  wie  z.  b.  in  dem  französischen  märchen  vom  gestie- 
felten kater,  während  das  entsprechende  italiiinischc  (märchen 
3,  304)  mit  einer  letztwilligen  Verfügung  des  sterbenden  va- 
ters  beginnt;  oder  aber  das  lofs,  eine  Übergabe  der  thcilung 
und  vertheilung  in  gottes  hand.  dat  erve  schal  de  oldcste 
dehn,  de  juugeste  kesen;  is  er  aver  rner  den/i  twe,  so  de- 
le?i  sc  mit  gelote  rigisches  recht,  Oli'ichs  s.  140.  wd  zwene 
erbbi  krigen  umtne  teildte  erbis  oder  frigis  (sc.  eigens), 
mochten  die  nicht  mit  löschte  noch  mit  fr.untschaft  ubir  ein 
gelrage,  so  sal  der  eider e  teile,  he  si  knabe  oder  juncfrawe, 
man  oder  wib,  und  der  jüngere  kise  (also  nur  noch  ein  aus- 
kunftsmittel).  is  aber  der  er  bin  tne  denne  zivene,  so  stil- 
len sie  teile  iif  ein  glich  lös  Erfurter  stadtr.  (Walch 
beitr.  1)  19*. 

Der  Sache  nach  gleichbedeutend  mit  dem  lofse  ist  das 
angerufene  Schiedsgericht  eines  zufällig  hinzukommenden  un- 
parteiischen dritten,  wovon  uns  wenn  schon  nicht  die  rechls- 
bücher,  doch  wenigstens  dichtungen  des  Volkes  erzählen,  so 
das  92e  märchen  der  grimmschen  Sammlung,  so  auch  ein 
magyarisches  bei  Gaal  s.  166  ff.  und  ein  arabisches  der 
1001  nacht  bei  Habicht  10,  252  Jf. :  märchen  die  mit  dem 
vorher  erwähnten  jugendabcntcuer  Siegfrieds  mannigfach  über- 
einstimmen, zum  beispicl  auch  und  namentlich  darin  dafs  der 
streit  der  erben  gleiciifalls  guter  von  zauberhafter  würkung, 
wunschdinge  betrilft,  und  dafs  es  zuletzt  der  Schiedsrichter 
ist  der  im  besitze  derselben  bleibt:  aber  nicht  minder  grofs 
ist  die  abweichung:  es  handelt  sich  hier  nicht  um  tiicilung, 

'  bei  thcilung  von  ländfireien  ward  als  lofs  ein  seil  gebraucht: 
den  so  ^ehmot  wirt,  die  rnvgen  sprechen  'funes  ceciderunt  mihi  in 
praeclaris'  (ps.  16,  6).  die  gcbruodere  teilent  ir  erbe  hie  in  dirre  wcrlte 
eltewenne  mit  seilen :  da  denne  daz  seil  hine  gcvellct,  ez  si  ubcl  oder 
guot,  dd  muoz  ez  der  nomcn,  der  denne  wellen  sol  Diut.  2,  279.  viel- 
leicht aber  ist  das  nur  unitlare  auflafsung  und  Übertragung  der  ange- 
führten und  andrer  altteslanienllichcn  stellen  (vergl.  deuteron.  32,  9) : 
Notkcr  setzt  diesem  mosaischen  seile  als  theilungsgeräthschaft  seiner 
zeit  die  ruthc  entgegen,  und  zwar  als  mal's,  nicht  als  lofs,  ps.  77,  55. 
Z.  F.  D.  A.  II.  35 


546  THEILEN. 

sondern  um  verlheilung;  nicht  um  Zerlegung  der  erbschaft 
in  hälflen  oder  drittel,  damit  nachher  jeder  der  streitenden, 
und  der  jüngste  zuerst,  das  ihm  beliebige  auswählen  möge, 
sondern,  indem  die  wunschdinge  bereits  gelrennt  und  einan- 
der an  werlhe  gleich  vorliegen-,  nur  noch  um  Stellvertretung 
der  erben  in  der  streitigen  wähl,  auch  ist  der  sittliche  cha- 
racler  des  ausganges  hier  ein  anderer  als  dort  bei  Siegfried, 
der  Schiedsrichter  überlistet  die  streitenden  nur,  er  über- 
wältigt sie  nicht;  sie  verlieren  nur  die  gegenstände  ihres 
ihörichlen  zankes,  nicht  auch  das  leben,  wie  dort  die  Ni- 
belungssöhne,  durch  deren  ermordung  mit  eben  dem  Schwerte 
das  sie  selber  ihm  zutrauensvoll  gegeben  Siegfried  zuerst 
den  fluch  des  Verderbens  über  sich  herabruft. 

Durch  die  Verschiedenheit  des  ausganges  in  characteri- 
stischer  weise  noch  weiter  abweichend,  sonst  aber  auch  hie- 
her  gehörig  ist  die  sage  vom  wolf  der  sich  bereden  läfst  in 
einem  alten  rechtsstreite  zwischen  vier  widdern  den  Schieds- 
mann zu  machen:  da  ergehts  ihm  wie  überall ;  er  kommt  da- 
bei zu  schaden,  die  widder  stofsen  ihn  jämmerlich  zusam- 
men: Reinh.  lxxii:  vergl.  cclxxvi. 

5.  Die  rechtliche  praxis  des  mitfelalters  liefs  aber  auch 
da  theilcn  und  wählen  wo  es  keine  erbschaft,  sondern  an- 
dere dem  nur  analoge  verhältnifse  galt,  die  Görlitzer  glosse 
zum  sachsensp.  landr.  nr,  29  (Görl.  hs.  28)  besagt  ausdrück- 
lich hettin  IuIp  mit  einander  gesselleschaft  odir  bruderschaft 
odir  gcmeinschqft  anoime  dinge  do  siille  der  eldeste  teilin 
und  {der)  jüngste  kiesen. 

Die  märchen-  und  fabelpoesie,  in  welcher  auch  der  über- 
listende Schiedsrichter  zuweilen  da  auftritt  wo  die  streiten- 
den nicht  gerade  um  eine  erbschaft,  sondern  überhaupt  nur 
um  besitz  in  Zwiespalt  sind  (löwe  bär  und  fuchs  bei  Aesop 
Kor.  39,  das  deutsche  märchen  3, 225,  das  tatarische  ebda  172, 
das  persische  1001  tag  vdHagen  4,  3G3  f.),  macht  nicht 
minder  gebrauch  von  jener  freien  ausdehnung  des  theilens 
und  w  ählens ;  sie  fügt  nur  noch  eine  neue  freiheit  hinzu, 
denn  in  den  mannigfach  sich  gestaltenden  fabeln  von  der 
socielas  leonina,  dem  löwen  und  dessen  jagdgcsellen,  ist  die 
abschliefsende  wendung  jedesmal  ein  theilen  und  wählen, 
und  zwar,  wie  in  jener  sprichwörtlichen  redcnsart  der  mhd. 


THEILEN.  •  547 

dichter  (s.  2.)  beides  von  einer  und  derselben  band  ausge- 
übt, nur  kommen  dabei  nicht  die  verschiedenen  altcrsslufen 
in  betracht,  sondern  das  eine  mal  ist  es  die  überwältigende 
stärke  des  löwen  kraft  welcher  der  die  gemeinsame  beule 
theilt  und  alle  theile  dann  für  sich  selbst  erwählt  (Reinh, 
ccLxii,  vergl.  cclxxxv.  cccxii),  das  andere  mal  die  Weisheit 
des  gewarnten  fuchses  die  jenem  das  ganze  zuspricht  und 
für  sich   selber   höchstens   ein  kalbsfüfslein  erbittet  (Reinh. 

LXXVr.    CCLXll). 

So  tritt  uns  dieses  verfahren,  den  natürlichen  und  na- 
lurrechtlichen  motiven  gemäfs  aus  denen  es  hervorgegangen 
ist,  aller  orten  und  zu  den  verschiedensten  Zeiten  entgegen, 
bald  in  der,  bald  wieder  in  jener  anwenduug:  eigentlich 
rechtlichen  bestand  jedoch  und  grundsätzliche  einschränkung 
auf  ein  bestimmtes  rechtsverbältnis  hat  es  nur  bei  den  Deut- 
schen gefunden. 

6.  Verschieden  vom  theilen  und  wählen  ist  das  theilen 
und  kiesen,  hier  handelt  sichs  nicht  darum  wie  eine  und 
dieselbe  erbschaft  auf  dem  billigsten  wege  unter  zwei  gleich- 
berechtigte personen  könne  verlheilt  werden :  sondern  eine 
person  soll  sich  entscheiden,  welchem  von  zweien  ihr  schon 
gesondert  vorgelegten,  ihr  bereits  getheilten  dingen  sie  den 
Vorzug  gebe  um  dieses  dann  für  sich  zu  behalten,  der  un- 
terschied der  Synonyma  wählen  und  kiesen  ist  also  der,  dafs 
bei  jenem  mehr  ein  gegonsatz  der  subjecte,  bei  diesem  einer 
der  objecte  stattfindet;  was  ganz  zu  der  etymologie  beider 
stimmt:  Idesc/i  gehört  zum  gr.  yfunp,  lat.  giistare,  und  be- 
zeichnet eigentlich  ein  kostendes  prüfendes  urtheilen;  tvä/i- 
len  dagegen  zu  wol/e/i,  insofern  dies  ein  nicht- sollen,  eine 
freie  anders  woher  unabhängige  eulschliefsuug  ausdrückt. 

Stellen  wo  vom  ihcilcu  und  kiesen  oder,  jenes  unaus- 
gesprochen, nur  vom  kiesen  die  rede  ist,  sind  z.  b.  Walth. 
46,  27  (u'c'l/e/i  hieze  sicherlich  nur  des  Wohllautes  wegen 
statt  kiese?i  hiezc)  if.  vdll.  2,  208''.  I^lcken  ausf.  Lafsb.  131. 
Ottok.  336".  das  subst.  heilst  kär  Ollok.  559".  selbchur 
Diul.  1,  289.     minder  genau  mal  vdll.  1,  333". 

Das  theilen  und  kiesen  ist  eine  sache  zumeist  des  ge- 
sellschaftlichen Spiels  und  redespieles  (daher  auch  spil  teilen) 
und  es  beruht  auf  ihm  als  einer  dialectischen  formel  die  ganze 

35* 


548  TIIEILEN. 

dichtiingsart  der  tenzone  (prov.  jocx  partits,  partimens,  par- 
fia,  fr.  jeii  parli  oder  parturc).  rechtlicher  natur  ist  es 
nicht:  die  fälle  wo  dennoch  von  rechts  wegen  getheilt  und 
gekoren  wird  gehören  der  poesie  an.  es  sind  das  die  öfters 
wiederkehrenden  sagen  von  einem  jugendlichen  übelthäter 
dessen  gesinnung  durch  eine  vorgelegte  wähl  zwischen  werlh- 
voilen  und  werthlosen  oder  gar  schädlichen  gegenständen, 
wie  aber  ein  kind  sie  liebt,  auf  schuld  oder  Unschuld  geprüft 
wird  (märchen  2,  2e  auf!,  s.  vii  f.):  da  greift  jedesmal  eine 
höhere  band  ein,  zu  schneller  und  guter  entscheidung  lei- 
tend, und  es  bewährt  sich  'die  kindheit  der  gedanken,  die 
obst  für  gold  erkiest'  (Opitz). 

WILH.  WACKERNAGEL. 


VERLÖBNIS   UND   TRAUUNG. 

Es  ist  bekannt  wie  im  achten  Jahrhundert  der  Staat  mit 
der  kirche  übereinkam  die  rechtsgültigkeit  der  eben  fortan 
abhängig  zu  machen  von  der  mitwifsenschaft  und  dem  segen 
des  geistlichen,  und  zugleich  bekannt  wie  dennoch  das  ganze 
mittelalter  darüber  hingegangen  ist  bis  die  kirche  ihre  im 
Christen ihum  wohlbcgründeten  ansprüche  durchgesetzt  und  das 
Volk  sich  überall  gefügt  und  gewöhnt  hatte  das  rein  bürger- 
liche Verlöbnis  gegen  die  kirchliche  trauung  zu  vertauschen 
oder  doch  in  dieser  erst  den  rechten  vollen  abschlufs  des 
Verlöbnisses  anzuerkennen*,  ein  nothwendig  begleitendes  re- 
sultat  dieses  lang  andauernden  kampfes  zwischen  altem  recht 
und  neuem  gesetze  war  die  fortschreitende  schmälerung  der 
unkirchlichen  förmlichkeilen  durch  welche  nach  altdeutschem 
brauch  das  eheverlöbnis  befestigt  ward,  und  als  Vorbereitung 
des  gänzlichen  verschwindens  das  hinabsinken  derselben  auf 
die  niederen  stufen  des  Volkslebens,  wo  der  unterschied  zwi- 
schen ehe  und  concubinat  nur  ein  geringeres  mafs  practischer 
bedeutung  hatte,  günstige  umstände  haben  uns  eine  hinrei- 
chende  anzalil  von    Zeugnissen    und    dcnkmälern   aufbehalten 

'  wo  man  und  so  lange  man  von  li-auung  nichts  wustc,  bestand 
zwischen  veilöbnis  und  Vermählung  kein  rechtlicher  unterschied  ;  da- 
her hrut  auch  gcmahlin,  gemahelc  auch  braul  bedeutete. 


VERLÖBNIS  ÜIND  TRAUUNG.  549 

(He  wenigstens  vom  12n  jalnlmndcrl  an  bis  zum  15a  diesen 
slufengang  deutlich  vor  äugen  legen. 

Dem  12n  jahrh.  geliört  das  zuerst  von  3Iafsmann  (rhein. 
museum  f.  jurispr.  3,  281  ff.)  bekannt  gemachte  Formular  des 
eheverlöbnisses  freier  Schwaben  (leseb.  1,  189  f.),  eine  auf- 
zeichnung  erst  der  feierliciieu  reden  mit  welchen  der  Schwabe 
die  Schwäbin  des  mitbesitzes  all  seiner  guter  versichert, 
dann  der  Sinnbilder  welche  den  Übergang  der  braut  aus  der 
band  des  geborenen  vogles  in  die  des  ehelichen  bezeichnen ; 
jene  noch  in  alter  fülle,  altem  schmuck  der  poesie,  diese 
noch  theilweis  hindeutend  auf  den  altgermanischen  rechts- 
grund  der  ehe,  den  kauf  des  weibes.  demgemäfs  steht  auch 
der  bräutigam  redend  und  handelnd  im  Vordergründe,  nächst 
ihm  der  geborene  vogt  der  braut,  ihr  vater  oder  ihr  näch- 
ster verwandter  von  vatersseite :  ihr  selber  bleibt  an  dem 
ganzen  rechlsgeschäfte  nur  ein  ganz  passiver  antheil;  keine 
meidung  davon  dafs  sie  zuvor  um  ihr  jawort  befragt  worden, 
und  eben  so  wenig  ist  von  kirchlicher  einwilligung  und  ein- 
segnung  die  rede,  der  bräutigam  kauft  und  begabt  die  braut, 
so  enphuhet  er  si,  luide  habesimci  in  haec  munera  uxor 
accipitur. 

Im  13n  jahrh.  pflegen  die  höfischen  dichter,  wo  sie  von 
geschlofsenen  eben  erzählen,  zugleich  der  Irauung  durch 
priestershand  oder  doch  eines  vor  der  kirchengemeinde  ab- 
gelegten bekenntnisses  zu  gedenken,  aber  nicht  als  wären 
diese  benedictio,  diese  professio  unumgängliche  bedingungen, 
nur  weil  es  so  wohlanständig  sei  und  glückverheifsend  (Gottfr. 
Trist.  G26ir.).  die  volksmälsigen  dichter  dagegen  wifsen  nur 
von  einem  Verlöbnis  vor  zeugen  aus  dem  laienstaude  (Gudr. 
6593),  und  nunmehr  auch  von  einem  jawort  der  braut  (Nib. 
568.1622.  Gudr.  GGS-i);  nach  vollzogenem  beilager  gehen 
mann  und  weih  wohl  in  die  kirclie  (Nib.  594),  aber  es  scheint 
nicht  um  ihre  ehe  nachträglicji  segnen  zu  lafsen.  dieser  ge- 
gensatz  zeigt  uns  das  unkirchliche  Verlöbnis  als  altes,  jetzt 
schon  auf  das  niedere  volk,  und  auch  da  l)ereits  mit  einer 
concession  sich  einschränkendes  recht ;  die  kirchliche  trauung 
als  eine  neue  fremde  gesetzlichkeit,  der  einstweilen  die  hö- 
heren stände  anfangen  sich  zu  bequemen,  das  nun  übliche 
eheritual  des  volkes  wird  uns  in  dem  raeicr  Helmbrecht  aufs 


550  VERLÖBNIS  UND  TRAUUNG. 

anschaulichste  vorgeführt,  der  dichter  beschreibt  die  Vermäh- 
lung eines  räubers,  Lämmerschlind,  mit  Gottliuden,  einer 
bauerndirne  (1507  ff.). 

vf  stuont  ein  alter  grise; 

der  was  der  worte  ivise, 

der  künde  so  gctdniu  dinc. 

er  staltes  beide  in  einen  rinc. 

er  sprach  ze  Lemberslinde 

' loelt  ir  Gatelinde 

Glichen  nemen?  so  sprechet  Ja* 

'gerne  sprach  der  knabe  sä. 

er  vrcigte  in  aber  ander stunt. 

'gerne   sprach  des  knaben  munt. 

zem  dritten  male  er  do  sprach 

'nemt  ir  si  gerne?^  der  knabe  jach 

'so  rnir  sele  undc  lip, 

ich  nime  gerne  dize  wipl 

do  sprach  er  ze  Gotelinde 

'weit  ir  Lemberslinde 

gerne  nemen  zeinem  man?^ 

'ja,  herre,  ob  7nir  sin  got  gan.' 

'nemt  ir  in  gerne?^  sprach  aber  er. 

'gerne,  herre  l  gebt  mim  herV 

zem  dritten  male  'ivelt  im?' 

'gerne,  herre  1  nu  gebet  mirn^ 

do  gap  er  Gotelinde 

ze  wibe  Lemberslinde, 

U7id  gap  Lemberslinde 

ze  manne  Gotelinde. 

si  sungen  alle  an  der  stat. 

vf  den  vuoz  er  ir  trat. 
die  gegenwart  eines  copulierenden  priesters  wird  dabei  we- 
der von  den  hochzeitleuten  noch  von  dem  dichter  vermifst: 
aber  schon  beruht  auch  die  ganze  feierlichkeit  der  haudlung 
in  der  dreimaligen  frage  und  dem  trille  des  bräutigams  auf 
denfufs  der  braut,  dem  zeichen  der  besitzergreifung  und  der  an- 
getretenen herrschaft  (rechtsalt.  142.  Freiberger  stadtr.  189)*. 

wer  auf  den  rechten    fufs   eines  Zauberers  trilt,    in  den  geht  die 
Sehergabe  des  letzleren  über:     lieders.   1,  593. 


VERLÖBNIS  UND  TRAUUNG.  551 

Wie  iiiiii  im  14n  jalirhunderl?  aus  diesem  haben  wir 
in  dem  jjediclile  von  Melzcn  und  ßclzcn  hochzeil  (Diut.  2, 
78  ir.  lieders.  3,  399  ff),  dessen  iieiniat  in  Schwaben  zu  su- 
chen ist,  ein  seilcusliick  zu  jenem  abschnitt  des  österreichi- 
schen meiers  llelmbrecht,  und  da  lallt  es  dem  verfafser, 
nachdem  Metze  und  Betze  die  nur  noch  einmalige  frage  eines 
alten  bauern  vor  all  den  übrigen  bäurischen  hochzeitgästen 
bejaht  und  somit  den  ehesland  geschlol'sen  haben,  da  lallt  es 
ihm  bereits  auf  dal's  weder  schüler  noch  pfalFen  zugegen  ge- 
wesen seien. 

'nu  swiget,  all  unde  juncV 

sprach  der  wise  Nuodiinc. 

'Bez,  du  bist  ein  grad  man  ; 

wiltu  Mezeil  zuo  der  <1  hdn?' 

er  sprach  'ja,  loil  si  mich' 

Nuodmic  sprach  '31eze,  gich: 

willu  Bozen  hdn  zuo  der  e?' 

si  sweic.  er  vorschles  aber  me. 

'ja,  heizet  viicliz  min  muoter.' 

Nuodunc  spi'ach  'si  entuotder 

niht  dar  umbe:  gloube  mir.' 

also  nach  ir  beider  gir 

wart  in  diu  e  bcschafen 

an  schuoler  und  an  pfafen. 
sonst  gehl  es  in  allen  rechten  her,  und  es  ist  keine  vaga- 
bundenhochzeit :  Metze  bringt  ihrem  manne  sowohl  eine 
stattliche  milgift  zu,  als  auch  diese  von  Beizen  mit  schönen 
gegengaben  'widerleil'  wird  ;  von  symbolischer  überanlwor- 
lung  derselben  erzählt  jedoch  der  dichter  nichts,  vielleicht 
nur  weil  er  vorwärts  eilt,  was  aber  für  uns  hier  das  wich- 
tigste ist,  morgens  nach  dem  beilager  ziehen  Betze  und  Metze 
im  fröhlichen  gcleit  ihrer  hochzeitsgästc  zur  kirche  und  wer- 
den da  am  beschlufs  des  gottesdienstes  noch  einmal  priester- 
lich zusammcngegcben ,  wie  das  der  text  des  licdersaales 
s.  407  ausführlicher,  der  in  der  Diutisca  s.  81  kürzer  und 
mehr  andeutungsweise  berichtet. 

do  zogle  miinglich  df  dir  rart 

der  mit  ir  zuo  der  laichen  looll. 

man  vuortcs  als  man  billich  soll 


552  VERLÖBNIS  UND  TRAUUNG. 

höflich  unde  schöne : 

ei?thalp  tneier  Crone ; 

anderhalp  do  greif  si  an 

der  g-7'dwe  meier  Colmon. 

Diem  und  Liiigart  beide, 

den  was  der  hriitlouf  leide, , 

wan  si  Mexen  gespilen  ivdn; 

die  muosten  vor  ze  kilchen  gun. 

do  man  gesanc  und  allz  ergie, 

wan  gaps  zesameji,  als  nu  ie 

da  her  die  Hute  hänt  getan.  " 

die  briit  hiez  man  daz  paz  enphdn: 

daz  buoch  bot  ir  der  mesner. 
Während  somit  diese  dichterstellen  für  eben  dasselbe 
land,  wo  noch  im  12n  jahrh.  das  alte  volksrecht  der  Verlöb- 
nisse unverkümmert  galt,  nun  im  14n  die  priesterliche  trauung 
auch  eines  bäurischen  ehepaares  schon  als  rechtlich  befser, 
ja  als  nothwendig  neben  und  nach  dem  verlöbnis  anerkennen, 
und  zugleich  die  feierlichen  reden  bei  letzterem  nun  auf  das 
äufserste  mafs  zusammengeschmolzen  zeigen ,  nimmt  das 
wahrscheinlich  gleichzeitige  landrecht  von  Berg  die  alle  ge- 
wohnheit  der  laiencopulalion  selbst  noch  für  die  ritterschaft 
in  anspruch :  iva?i  ein  man  van  ridderschaft  ein  wyf  nemen 
wil,  mach  sie  zosamen  geven  ein  leyhe  vur  den  luyden  of- 
fenbairlich :  dat  wise?i  die  ridderschaft  ind  scheffen  van 
Upiaden,  dat  sye  ein  rechte  echtschaft  under  die  ridder- 
schaft ind  eine  aide  gewoenheit  Lacomblet  s.  95. 

Wir  besitzen  jedoch  aus  eben  dieser  zeit  und  gleich- 
falls vom  Niederrhein  noch  ein  anderes  und  ausführlicheres 
Zeugnis,  ein  ziemlich  umständliches  Verlobungsformular  nach 
kölnischem  rechtsgebrauch  (aus  einer  haudschrift  der  kölni- 
schen Statuten  milgetheilt  von  WallrafiF  in  der  samml.  von 
beitr.  z.  gesch.  d.  st.  Köln  1,  159  f.);  und  diese  gewährt 
in  der  hauptsache  wesentlich  dasselbe  resultat  als  jener  be- 
richt  über  die  bauernhochzeit  in  Schwaben,  es  lautet  aber 
dies  interessante  denkmal  folgendcrmafsen. 

der  (lichter  fingiert  um  seine  personen  wichtiger  zu  machen,  erst 
sie  hätten  die  sitle  der  kirchlichen  copulation  aufgebracht. 


VERLÖBNIS  UND  TRAUUNG.  553 

So   wer  irre  zive  zosamen  gevcn  sal  so  der  e,    de  sal 

dese  wort  sprechen,  de  hernä  stent. 
Item  Zorne  irsten  sal  he  vrdgen  den  man  'bistu  he,  dat  du 
Beilgen  {pf  loe  si  heist ;  den  namen  sal  man  nennen)  zö 
eimc  6ligen  loive  ind  z6  eime  bedgenössen'  havvn  wultT 
so  sal  der  brudegem  sagen  'ja  ich!  so  sal  he  de  brüt  vrd- 
gen mit  ii^me  7iamen  'bistu  he,  dat  du  Heinrich  {of  we  sich 
der  brüdegam  mempt)  haven  wult  z6  eime  mumber**  ind 
bedgenösse?i  ?  etc.  so  sal  si  sagen  'ja  ich.'  so  sal  der 
brüdgam  dan  den  rinc  nemen  ind  stechen  dan  den  rinc  der 
brüt  in  iren  vinger  neist  dem  kleinen  vinger\  etc.  dan 
sal  der  gene,  der  si  z6  hof  gift,  dat  siden  doch  mit  xij 
tomeschen  in  dat  doch  gebonden  nemen-];'];,  ind  sal  sagen 
'ich  bevelen  iich  z6  hof  up  frenzer  erden  mit  golde  ind  ge- 
steinen,  silver  ind  gold,  beide  nä  Franken  wise  ind  Sasse?i 
e  ];•]"];,  dat  ürre  gein  den  anderen  lassen  ensal  umb  lief  noch 
umb  leit  noch  um  gein  dinc  dat  got  an  eme  geschaffen  hat 

'  a\is.  gibeddcd,  in  der  inLd.  gencsis  g-ci/eZ/e;  Rollenbagcn  froschin. 
1,  9  (auch  in  männl.  form  von  einem  weihe)  schlafgescll. 
muntbor  muntporo  vormund  vogt. 

■{•  in  (lerne  fierden  scinent  ßngerlln  die  zieren,  dd  mite  der  man 
spulget  [spulget  d.  ynanl  sin  wib  viahilen  \mahilan'\  fundgr.  2,  14. 
ringe  als  zeichen  der  Vermählung,  öffentlicher  wie  heimlicher,  laPsen 
sich  bis  in  die  ältesten  zeiten  nachweisen  (rccbtsalterth.  177  f.  432): 
ist  somit  der  reipus  ri'pus,  hei  Franken  und  Langobarden  der  symbo- 
lische kaufpreis  der  braut  (rechtsalterth.  425  f.),  also  auch  des  rechtes 
ihr  den  brautring  anzustecken,  unser  hochd.  reij'f  mit  umgekehrter 
Übertragung  gebrauchen  wir  Schilling  fiir  schlag,  weil  unter  umstän- 
den eine  anzahl  gerichtlicher  schlage  mit  eben  so  viel  Schillingen  konnte 
abgekauft  werden. 

■{■f  dat  doch  wie  der  rinc:  also  bekannte,  altgewohnte  Symbole, 
die  zwölf  lorneschen  (kleine  silbermünzen  von  Tours,  tiironcnses,  toui'- 
nois)  die  der  zuhaufgebende  von  dem  bräutigam  empfängt,  und  die  her- 
nach im  namen  der  braut  an  die  armen  verschenkt  werden,  sind  der 
reipus  der  alten  Franken. 

-j-f  ■}■  Köln  liegt  auf  fränkischer  erde,  aber  so  dafs  Franken-  und  Sach- 
senrecbt  einander  dort  begegnen  :  daher  wird  beim  Verlöbnis  auf  bei- 
des geachtet,  aber  worin  ?  etwa  indem  die  braut  nach  fränkischer 
weise  mit  band  und  halm,  nach  sächsischer  mit  torve  inde  tvige  über- 
geben wird  (vergl.  rechtsalterth.  128.  431)?  nur  ist  dann  neben  dem 
tuch  mit  silhermünzen  in  der  band  des  verlobenden  eine  bestimmtere 
erwähnung  dieser  beiden  cbaracteristischen  Symbole  zu  vermifsen. 


554  VERLÖBNIS  UND  TRAUUNG. 

oder  geschaffen  mach  hissen  wanden  ^  dan  sal  der  gene, 
der  si  zösamen  gift,  dat  doch  dal  de  torneschen  in  hat 
ebne  gcven  de  it  der  brat  behalde :  de  sal  dan  dat  gell 
umb  got  geven  armen  luiden.  dan  sal  de  brütgem  der  brät 
schenken  üsse  eime  kopp,  ind  der  brüdgem  sal  irst  drinken, 
ind  der  brüt  dar  nd  schenken". 

Hier  mangelt  es  zwar  nicht  an  alterthümlichen  Worten 
und  Symbolen,  und  das  ganze  macht  den  eindruck  eines  bla- 
fseren  gegenbildes  zu  jenem  Schwabenverlöbnis  des  12n 
Jahrhunderts :  gleichwohl  ist  nicht  zu  verkennen  dafs  hier 
absichtlich  unentschieden  gelafsen  wird  wem  es  zustehe  braut 
und  bräutigam  zusammenzugeben,  ob  einem  priester,  ob  nach 
altem  gewohnheitsrecht  einem  weisen  laien :  mit  raura  geben- 
der weitläuftigkeit  heifst  es  wiederholentlich  nur  so  wer  irre 
zwc  zösamen  gevcn  sal  zö  der  e,  —  der  gene  der  si  ze  höf 
gift,  —  der  gene  der  si  zosamen  gift. 

So  ist  das  14e  Jahrhundert  auch  in  diesem  stücke  wie 
in  vielen  andern  der  entscheidende  Wendepunkt  zwischen  al- 
tem und  neuem  ;  im  15n  ward  der  sieg  des  kirchenrechtes 
vollendet  und  der  schlufs  der  ehe  als  eines  sacramentes  gänz- 
lich und  allein  den  bänden  der  geistlichkeit  überlaCsen.  wie 
aber  diese  nunmehr  bei  der  copulation  verfahren  sei,  wie  sie 
da  blofs  den  canonischen  Standpunkt  eingenommen  habe,  lehrt 
uns  eine  für  priester  bestimmte  anweisung  Ad  Copidandum^ 
die  sich  in  einer  breslauischen  papierhandschrift  (iv,  9.  8°. 
bl.  56)    erhalten  hat. 

Poslquam  vefieris  ad  locum  copulandi,  primo  interroga 
nomina  cor  um.  die  primo  ad  vir  um  '  Petir,  bis  tu  her  ka- 
nten ,  das  du  katherinain  will  nemen  czu  eyjiir  elichin 
frawen  T  post  responsionem  sui,  scilicet  viri,  Rouertc  te 
ad  virginem,  et  conclude  eadem  vcrba  dicens  ' katlierina, 
bistu  her  kamen,  das  du  will  petir  czu  eine  elichin  manne?^ 
Post  responsionem  Interroga  virum  de  periculis  instantibus, 

*  der  bei  allerlei  verlrägen  übliche  weinlrunk:  rechtsalterlh.  191. 
(vergl.  II.  3,  295  ff.),  das  ebenda  s.  441  aus  Gottfr.  Trist.  12642  ff. 
angeführte  trinken  frühmorgens  nach  dem  beilager  bezeichnet  der  dich- 
ter selbst  als  eine  vorzeitliche,  zugleich  wohl  auch  als  eine  fremde 
sille ;  in  dem  gedieht  von  einem  Übeln  weibe  2S  if.  werden  eier  in 
schmalz  und  brot  und  als  trunk  zum  efseu  auch  ein  becher  morafs 
vors  bell  gelragen,         •■    • 


VERLÖBNIS  UND  TRAUUNG.  555 

vtrum.  ipsc  habet  vxorcm,  rel  promiserit  altcri,  cl  de  pro- 
pinqiiitate  seil  amicicia.  st  non  dabit  responsioiie.m  quo  ad 
periculum,  tiinc  interroga  virginem  eadem  verba  similiter  quo 
ad  virum  fecisti ;  et  tiinc  publice  htterroga  omries  ci'rcumstan- 
tes  si  sciunt  depericulofuturo;  quod  dicunt  manifeste,  et.  postca 
tacea?it.  post  hoc  accipe  Manum  dexteram  viri  et  dextcram 
virginis,  et  coniunge  eas  adinvicejn,  et  die  ad  vir  um  illa  verba 
'Sprich  mir  noch,  petir.  Ich  petir  nevie  dich  kafherin  czu 
eynre  elichin  frawen,  vnde  globe  dir  des  rneync  trewe  dick 
czu  vorivesin.'  et  die  ad  virgine?n  'Sprich  rnir  noch.  Ich 
katherin  neme  dich  petir  czu  eyrne  elichin  manne,  vnde 
globe  dir  des  meyne  trewe  vnde  gehorsam  czu  leistin  bis 
an  meyn  eyide^  Et  audi  quod  verba  supra  dicta  non  mu- 
tant, quo  facto  die  secreto  modo  hec  verba  '  Quos  deus 
coniunxit  homo  non  separet^  et  die  'Ego  coniujigo  vos  in 
nomine  patris  et  filij  et  spiritus  sanctiJ  Et  sie  percute  cum 
supra  scapulas  etc.  recede. 

Also  doch  wenif^stens  ein  volkslhümlichcs  synibol,  ein 
schlag  auf  die  achsel  um  dem  gedächtnis  nachzuhelfen,  wie 
sonst  zu  gleichem  zwecke  maulschellen  gegeben  werden: 
rechtsalterth.  76.  144.  253. 

WILH.   WACKERNAGEL. 


F.    H.    TH. 

Beispiele  wo  im  deutschen  die  aspirierten  laute  der  ver- 
schiedenen Organe  auf  dieselbe  art  gegen  einander  vertauscht 
werden  wie  die  Sabiner  für  II,  die  Aeolier  und  Lateiner  für 
TH  die  labiale  F  gebrauchten  (z.  b.  fedus  für  haedus  ge?fs, 
veferc  für  vehere  tytiv  wegen,  fordeum  für  hordeum  ^(jtüri 
gerste,  fostis  für  hostis  gast;  qijo  ferus  für  t^'/;(j  tier,  fo- 
ris  für  -Ov^u  tor,  fumus  für  {)viioi  toum,  rufus  für  t^^qöq 
rulilus  rot";  wie  die  Spanier  seit  vier  bis  fünf  Jahrhunder- 
ten das  F  zahlreicher  lateinischer  grundworle  in  H  vcrwaii- 

*  F  für  II  zuweilen  auch  im  lalciiiisclien  :  verf?!.  x^.öot  iiclvns  {(elb 
und  flavus  J'ulvus,  -/oli]  galle  und  fei,  xiw  haurio  ifiej'scn  uud  Jodio 
fimdo;  uud  da  für  inlautendes  F  iin  lateinischen  lieber  B  gesetzt  wird, 
nun  auch  t(jvü(j6s  und  ruber,   ov&u(i  uterus  cuter  und  über. 


556  F.  H.  TH. 

delt  haben  (z.  b.  fiimus  in  humo :  vergl.  Diez  gr.  d.  roui. 
spr.  1,  184),  und  die  Rufseu  S  schreiben,  aber  (1>  (ßta) 
aussprechen*,  dergleichen  beispiele  finden  sich  auch  im  deut- 
schen gar  nicht  selten,  schleifen  und  schleichen,  taufen  und 
tauchen  sind  wesentlich  eins ;  wie  denn  auch  die  alamanui- 
sche  mundart  ein  von  schlicheti  hergeleitetes  faclitivum 
schleiken  hat  im  sinne  des  hochd.  schleifen  und  des  eigent- 
lich niederd.  schleppen,  das  niederl.  und  das  nhd.  haben  eine 
ganze  reihe  von  worten  mit  CHT  für  FT :  sacht  echt  be- 
schwichtigen Schlucht  gerächt  für  sanft  vhaft  swiften  schluft 
gejmfte*".  aus  dem  F  m  ßehen  fliehen,  welches  ursprüng- 
lich scheint  (vergl.  lat.  jüico  precor),  machen  die  Gothen 
ein  TH,  thlaihan  thliuhan.  ebenso  nQ^Treip,  frevel,  ags.fro- 
fer,  ahd.  fluobara  trost :  dagegen  goth.  thrafstjan  trösten- 
umgekehrt  ist  das  hochd.  F  in  finster  der  secundäre,  das  D 
d.  h.  TH  in  dinster  düster  der  eigentlich  gebührende  laut: 
vergl.  xdvM  tenebrae  du?ist.  H  für  TH  zeigt  das  goth.  ahma 
TTffVfiu,  verglichen  mit  urftö^  und  odcrn.  das  H  im  goth. 
auhns  tcXijupog  stimmt  zu  lat.  ignis  (vergl.  mythol.  359) : 
im  hochd.  heifst  es  ofen. 

Sonst  erscheint  dieser  Übergang  von  H  in  F  als  beson- 
dere eigenthümlichkeit  der  fränkischen,  vielleicht  auch  der 
langobardischen  mundart:  eine  handschrift  des  Gregorius  Tu- 
ronensis  auf  3Ionte  Cassino  gewährt  Flotharius  Flodouechus 
(Pertz,  archiv  5,  55);  ebenso  kommen  anderweitig /7or/o«/'- 
dus  und  Frodoaj'dus  vor,  und  in  den  Reali  di  Francia  Fiovo 
als  entstellung  von  Chlodoveus  ^  das  hochd.  hroch  rock  lau- 
tet im  latein.  der  fränkischen  klöslev  froccus  floccus ^  und 
wie  daher  noch  das  französische  froc,  so  wird  auch  flanc, 
ital.  fianco  auf  ein  hochd.  hlancha  als  ältere  form  für  lancha, 
weiche,  zurückzuführen  sein. 

Nach  diesen  vorläufigen  bcmerkungen  möchte  ich  bei  ei- 
nigen Worten,  deren  etymologie  von  interesse,  aber  ohne  die 

*  aulTalleiid  wie  umgekehrter  weise  der  gotliischo  buchstab  für  TH 
dem  griechischen  0  bald  ähnlich  ('/'),  bald  vollkommen  gleich  sieht. 
'  **  die  Wurzel  von  swij'ten  (oicpojv  aupXög  sibiliis)  zeigt  aber  auch 
sonst  im  deutschen  stäts  den  gaumenlaut,  swigcn  sweige  (die  zusam- 
mengeblasene herde)  swegald ;  sie  vereint  in  sich  die  begriife  hohl  bla- 
sen und  zischeln.  .        >.    ■.^.^.  ..■   , 


F.  H.  TH.  557 

annähme   solches   aspiratenwechsels   kaum  erreichbar  ist,    in 
etwas  länger  verweilen  dürfen. 

1.  Hermann  Müller  (die  marken  des  Vaterlandes  s.  97) 
belegt  afa  apa  als  nebenform  von  aha  ahva,  lat,  aqua;  sei- 
nen beispielen  ist  Ascapha  (geogr.  Rav.)  beizufügen,  und 
Schaffhausen  das  an  die  stelle  von  Ascapha  gebaut  w  erden : 
Schaffhausen  ist  dieselbe  aphärese  von  Aschaffhausen  wie 
Schafnahurgum  von  Aschafnahurgum  und  Falterbach  (Schmel- 
ler  1,  89)  von  Affalterbaeh.  zu  eben  diesem  afa  gehört 
auch  apfel  die  saftige  frucht,  Avie  pomum  zu  poto^  und  das 
einfacher  gebildete  schw.  masc.  äffe:  das  thier  wird  damit 
als  ein  über  see  gekommenes  bezeichnet;  also  ein  wort  wie 
meerkatse  meerschweinchen .  das  pferd,  auch  ein  überseei- 
sches thier,  nach  dem  mythischen  ausdruck  eine  Schöpfung 
Poseidons,  hat  seinen  pelasgischen  und  altsächs.  namen  von 
derselben  wurzel,  /'xxo?  (dorisch  für  Ynnog)  equus  ehti;  vergl. 
aequor,  aequus  wafserrecht,  ln^üg,  tx^i^vg  wafserläufer  (zu 
■&i(a  wie  fuOüg)   fisch. 

2.  Das  mittellal.  feodum  feudum  mufs,  wie  es  auf  ein 
eigenthümlich  deutsches  rechtsverhältnis  geht,  auch  einer  deut- 
schen Wurzel  entsprungen  sein  :  an  das  lat.  fidcs  oder  foe- 
dus  wird  niemand  mehr  im  ernste  denken,  aber  aus  wel- 
cher? aus  ßan  fijan,  als  erkriegtes  feindesgut?  und  dann 
vielleicht  eine  Umbildung  des  gotli.  fiathra  feindschaft?  dem 
widersprechen  die  laute  co  und  cu;  aus  ßands  ist  auch  kein 

feund  geworden,  oder,  worauf  die  Schreibung  yea^/c?«*-  (urk. 
von  1217  bei  DuCange)  führen  könnte,  eine  Zusammensetzung 
mit  aud  od  gut,  wie  alaudes  alodis  (rechtsaltcrth.  /i93.  950) 
und  wie  der  eigenname  Faidaudes  {faida  fehdc)  auf  einer 
römischen  Inschrift  zu  liasel- Angst  ?  dem  aber  widerspricht 
die  kürzung  yt'«.y,  die  iinmitlelbur  neben  unverkürztem  alode 
zu  lesen  (urk.  von  9G0  bei  DuCange)  und  das  zweite  F  der 
formen  f<'fß'offare^  das  mit  dem  D  von  aud  nicht  zu  ver- 
einigen ist.  alle  sciiwierigkcilen  heben  sich  so  wie  man  ß':o- 
dum  ßcofurn  ß'eus,  zunächst  ein  fränkisches  worl,  als  frän- 
kische ausspräche  des  goth.  thiulh,  und  dieses  subslanlivisch 
auffafst.  thiuths  gehört  mit  thiuda  zu  der  wurzel  ihius  die- 
ner,  thivi  dienerin,  ahd.  dionon  dienen :  thiuda  das  dem 
könig   dienende   volk,    ihiulhs    dienlich,    gut,    und  als  neutr. 


l 


1 


558  F.  H.  TH. 

subst.  wiederum  gut.  hier  noch  bestimmter  das  wofür,  wo- 
von man  dient,  diensfgut;  wie  denn  auch  servitiurn  im  sinne 
\on  feil  dum  gebraucht  wird,  gut  im  allgemeinen  bezeichnet 
es  in  dem  faderphius  oAe,v  faderphium  d.  h.  faderthiuth  des 
langobardischen  eherechtes. 

3.  Theodorich  der  grofse,  Autharis  der  Langobarden- 
könig und  unter  den  westgolhischen  zuerst  Reccaredus  leg- 
ten sich  den  namen  Flaviiis  bei.  vielleicht  dafs  sie  dies  nur 
den  byzantinischen  kaisern  nachahmten,  die  sich  Flavier 
nannten  seitdem  Constantinus  den  geschlechtsnamen  der  bei- 
den Vespasiane  gleichsam  als  kaiserlichen  titel  erneuert  hatte; 
vielleicht  aber  dafs  sie  zugleich  oder  auch  allein  ein  deut- 
sches wort  dabei  im  sinne  hatten,  das  goth.  thiaqvus  uttu- 
f.ög:  als  königlicher  beiname  entspräche  das  zunächst  dem 
clevicniissimus  und  dementia  im  titel  der  römischen  kaiser. 
auch  wir  sagen  jetzt  Jlau  mit  F,  und  schon  des  Arminius 
bruder  hiel's  Flavus,  ein  fränkischer  hausmeier  des  ßurgun- 
deni'eiches  (Fredegar  89)  Fluochatus. 

4.  Ulphilas  übersetzt  das  griechische  otuv^joüv  mit  hram- 
jan  (vergl.  gr.  y.ijenm'w^u,  ahd.  i'ama  stütze  rahm,  i^ctm  auf- 
gestecktes ziel) ;  die  lex  salica  hat  die  latinisierung  adhra- 
mire  oder  achramnire  im  sinne  von  befestigen,  bestätigen; 
dazu  in  einigen  hss.  (Diut.  1,  330)  die  Variante  adframire. 
dies  leitet  auf  die  richtige  erkläruug  der  mishandclten  fra- 
mea  der  Germanen :  es  ist  die  haftende  und  heftende,  mit 
unverändertem  H  ist  auch  Rhamis  hierher  zu  ziehen,  nach 
Strabo  7,  1  der  name  von  Scsithakos  gattin,  und  mit  dem 
lippenlaut  das  deminutivum  fvunca,  im  ags.  ein  wurfspiefs. 
alsdann  hat  das  volk  der  Franken  eben  wie  das  der  Sach- 
sen seinen  namen  von  einer  characteristischen  walle  em- 
pfangen. 

5.  Der  mittelalterliche  name  eines  waldes  und  eines  gaues 
in  Schwaben  ist  Virgun  Kirgunt;  Jacob  Grimm  stellt  es 
gr.  2,  175  treffend  zusammen  mit  dem  goth.  fairgiini  berg, 
und  eben  damit  mythol.  llGf.  die  nordischen  göltcrnamen 
Fiörgjjnn  und  Fiörgi/n  und  den  liltiiauischen  des  donner- 
gotlcs  Perkanas.  es  wird  erlaubt  sein  noch  weiter  zurück- 
zugehn  und  auch  die  Hercynia  silva,  von  der  die  Virgun 
nur  ein   iheil    und  Überrest   war,    und    die  gewiss  mehr  als 


F.  H.  TU.  559 

eine   dem   donnergott  geheiligte   statte  darbet,   mit  fairguni 
und  Pet'kunas  zu  verbinden. 

6.  Das  gotli.  mathl  ayoQo.  (mofhlei  XaXiä,  mathljan  A«- 
\hv)  nimmt  mit  der  späteren  zeit  drei  verschiedene  j^eslal- 
ten  an:  die  regelrechte  Umformung /««ö^rt/  behauptet  sich  ahd. 
nur  noch  in  eigennamen  wie  Madalger,  das  ags.  madhel 
oder  medhel  auch  in  zusammengesetzten  appellativen  (gr.  2, 
469) ;  sonst  heifsl  es  mahal  gerichtsstätte  gericht,  und  mit 
fränkischem  F  in  der  lex  salica  mqfolum  neben  mahalum 
(Diut.  1,  330).  dazu  kommt  noch  mit  assimilation  des  thl 
in  eben  diesem  rechlsbuche  und  anderswo  mallurn  jnnitarc 
so  wie  der  ortsname  Thiotmalli  Detmold,  während  mahal 
inahaljau  mahnUm  begreiflicher  weise  auch  in  mal  mdijnn 
mdlon  können  zusammengezogen  werden,  mit  diesen  so  ent- 
standenen Worten  sind  mal  fleck  Zeitpunkt  und  indlen  pin» 
gere,  die  schon  im  gothischen  einsilbig  mel  und  mrljan  lau-' 
ten,  unverwandt  und  wohl  zu  unterscheiden,  vergl.  rechlS' 
alterlh.  746. 

7.  Endlich  das  wort  ocJise,  goth.  aiihsus.  auch  hier 
scheint  mir  ein  aspiralen Wechsel  im  spiele  und  H  für  F  ein- 
getreten zu  sein,  des  lat.  ops  wegen,  das  ursprünglich  eben 
jenes  ihier  mufs  bezeichnet  haben,  denn  es  wird  erzählt, 
als  die  Sabeller  einen  heiligen  lenz  von  Jünglingen  in  die 
fremde  sandten,  sei  ein  theil  derselben  von  einem  spechle 
nach  Picenum,  ein  anderer  von  einem  stier  in  das  land  der 
Opiker,  der  häufe  der  späteren  Hirpincr  von  einem  wolfe 
geführt  worden  (Niebuhr  I,  103).  die  Picentiner  führte  ein 
picus,  die  flirpiner  ein  hh'pus  :  denn  so  ward  auf  samuitisch 
der  wolf  genannt;  demnach  kann  der  stier  an  der  spitze  des 
dritten  zuges  nur  ops  geheifsen  haben,  und  da  dieses  P  im 
lateinischen  unverändert  bleibt  (die  bedeulung  ändert  sich  wie 
von  pecit  in  2)cciüna),  während  sonst,  wo  im  oskisclicii  P 
für  C  oder  Q  steht,  die  Lateiner  den  gebührenden  laut  her- 
stellen (z.  b.  osk.  po,  lat.  que,  goth.  nh :  vergl.  Olfr.  3Iül- 
lers  Elrusker  1,  30  —  32),  so  hat  die  verlauscliuiig  des  lip- 
penlautes  gegen  den  kehllaut,  die  im  deutschen  auhsus  vor- 
liegt, eben  erst  im  deutschen,  erst  auf  der  stufe  der  aspira- 
tion    stattgefunden,     hier    aber    ist     der    wurzel    noch    ein 


560  F.  H.  TH. 

abieilendes  S  angehängt  worden,  was  gerade  bei  thiernamen 
besonders  häufig  vorkommt:  gr.  2,  275. 

WILH.  WACKERNAGEL. 


DREI   LÜGENMÄRCHEN. 

I 

fViencr  hs.  2705  (Hoffm.  w»  xxxiv)    bl.  145="  ^ 

Ez  ist  der  lügenaere 

so  rehte  lügebaere, 

daz  er  liuget  alle  zit 

und  daz  im  lüge  wol  ergit. 

er  liuget  naht,  er  liuget  tac,  5 

er  liuget  swaz  er  geliegen  mac; 

er  liuget  sinen  vater  an, 

siner  muoter  liuget  er  sam, 

er  liuget  siner  swester ; 

diu  lüge  ist  dannoch  vester  10 

die  er  sineni  bruoder  tuot. 

des  stet  ze  lügen  gar  sin  muot. 

er  liuget  her,  er  liuget  dar, 

er  liuget  stille  und  ofenbär. 

also  liuget  er  durch  daz  jär,  15 

daz  man  wirt  siner  lüge  gwar. 

e  daz  er  niht  enliege, 

er  lüge  e  daz  ein  stiege 

in  den  himel  reihte ; 

er  lüge  daz  ein  mucke  seihte,  20 

ez  tribe  wol  vier  mülrat. 

liegens  wirt  er  nimmer  sat, 

liegens  kan  er  ein  her, 

er  liuget  daz  daz  mer 

üz  trunke  ein  ämeiz,  25 

und  liuget  daz  er  einen  scheiz 

6.  die  hs.  gelivgen  wie  42  livgen,  22.  23.  41   livgens         24.  ^2.  fehlt 
ein  ivort. 


LüGEINMARCnEN.  561 

einen  so  grozen  lieze, 

der  einen  berc  nider  stieze. 

im  ist  so  rehte  wol  mit  lügen, 

er  lüge  e  daz  die  berge  flügen  30 

noch  sneller  denne  die  valken. 

er  kan  vil  gewaiken 

rehte  als  ein  lügevilz, 

er  liuget  daz  einer  siuren  milz 

si  groezer  denne  eins  husen.  35 

er  liuget,  mit  dem  musen 

vieng  er  einen  walvisch, 

und  leite  den  uf  sinen  tisch ; 

den  louc  er  drier  raste  lanc. 

Sit  im  an  der  lüge  gelanc,  40 

so  kan  er  liegens  harte  vil, 

so  niac  er  liegen  swaz  er  wil. 

dennoch  liuget  er  ofenbscre 

daz  er  vierzec  müraere 

fuorte  in  einer  nüze  häl  45 

(solher  lüge  kan  er  schal) 

unz  enmitten  üf  daz  mer; 

da  hiez  er  müren  durch  wer 

zvvene  turne  üf  ein' linden  blat; 

der  lügensere  mit  flize  bat  50 

daz  die  steine  wahren  märniel  rot, 

ob  er  koenie  in  dehein  not, 

daz  er  sich  dar  ufe  nern  solte,         ü>  '  : 

ob  im  iemen  schaden  wolte. 

der  selbe  lügewise  55 

der  liuget  daz  er  üz  ise 

ein  guot  fiuwer  mache, 

und  liuget  daz  ez  krache 

als  ein  praslelender  wile : 

da  ist  der  lüge  genuoc  mite.  60 

34.  siure  milbc         35.  hs.  ein         3r>.  den         38.  sinen  Ivge  tisch 
30.  (Irie  44.  movraere  45.   46   scheinen    verderbt.  52.  er] 

hs.  der  Ivgnaere  59.  60.  prastelvader  wit  :  mit.     von  isländischem 

eise,  so  hart  und  trocken  dafs  man  damit  heizen  kann,  erzählen  Adam 
V,  Bremen  und  das  hruchstück  einer  iveltbeschreibung  J'undgr.  2,  5. 
Z.   F.  D.  A.     Jl.  36 


562  LÜGENMÄRCHEN. 

der  selbe  lügewsehe 

der  Hiiget  daz  er  siehe 

üf  den  wölken  varn  einen  slilen 

mit  so  snelleclichen  silen, 

diu  geliche  als  er  flüge.  ß5 

er  louc  daz  in  ein  esel  züge, 

und  üf  dem  selben  sliten  reit 

siben  frouwen  wol  gekleit; 

die  fuorten  alle  kröne. 

dö  liefen  neben  in  schone  70 

zwelf  garzilne, 

die  bliesen  busüne ; 

die  horte  man  lüte  hellen. 

guldiner  schellen 

der  hienc  gnuoc  an  dem  sliten.  75 

dar  nach  tüsenl  rilter  riten 

mit  als  manigem  soume ; 

der  liigenajre  nam  des  goume 

daz  si  nach  dem  selben  sliten 

allez  üf  den  wölken  riten,  80 

und  wolten  da  mite  über  mer. 

also  liuget  er  äne  wer. 

er  liuget,  er  seehe"  üf  einer  wise 
iV  daz  ein  getwerc  unde  ein  rise, 

die  rungen  einen  halben  tac.  85 

dö  nam  daz  getwerc  einen  sac, 

da  stiez  ez  den  risen  in ; 

und  liuget,  ez  liefe  da  mite  hin 

siben  lange  raste, 

und  baut  in  zeinem  aste  90 

üf  ein  boum  wol  tüsent  kläfter  hoch. 

daz  getwerc  da  mite  dan  zöch 

und  lie  den  risen  hangen. 
t  da  was  diu  lüge  ergangen. 

er  liuget,  er  sa*he  üf  einem  wasen  95 

GG.  in  fehlt  in  der  hs.  71.  72.  73.  garzvne  bvsvne  Ivte.  ein  räth- 
sel  über  jähr  monate  ivochentaj^e  {vcvgl.  Reirun.  v.  Zw.  vdll.  2,  311''). 
wird  hier  als  lüge  missvcrstanden.  86.    hs,  da  91.  einen 

94.   oder  dö?  ;.   •   ,       n'.i.v   v  » 

.t>!   ' 


LUGENMARCHExX.  563 

slriten  einen  wilden  hascn 
hier  bricht  der  Schreiber  ab,   und  folgen  statt  des  übrigen 
SVa  leere  spalte. 

n 

Ein  ander  lacherlich  Lied. 
In  Frauwen  Lobs  Speteii  Thon. 

Liederbogen  in  8.  Basel  bei  Joh.  Schröter  1612  5  die  verse 
nicht  abgesetzt. 

Eue  ich  auff  Erd  geboren  was, 

vnd  eh  die  Mauter  mein  genafs, 

in  einem  Landt  da  hört  ich  das 

Ein  Esel,  Ku,  die  selben  spitzen  liesen. 

In  einem  alten  schüsselkorb,  5 

dem  waren  weib  vnd  kind  gestorb, 
das  klagt  sich  ein  seges  worb,  '"  '     • 

der  bracht  jm  gelt,  vnd  darzu  Kornzinsen. 

Dem  schüsselkorb  ward  wee  zu  einem  kinde, 
ein  hafenräfF  ward  gefatter  so  geschwinde,  10 

er  gbar  ein  stal  vol  gutler  feifster  Schaffe, 
del's  frewet  sich  ein  läre  tasch,  j 

ein  bettelsack  ein  maltzeu  fliisch, 
ein  ofengabel  in  der  äsch, 
die  kamen  dar  mit  jhren  gespiele  gloften.  15 

Das  was  ein  dryfufs  vnd  ein  rost, 
ein  kesselring  gab  jn  gut  trost, 
ein  hechel  ein  armbrost 
die  kamen  dar,  mit  eins  kr.lmers  Hütten. 

Elin  (Jumpeslfals  ließ"  mit  jn  dar,  20 

ein  spatz  einen  jungen  hund  gebar, 
defs  ward,  ein  Slorckennest  gewar, 
es  lieir  auch  dar,  in  eines  Münches  kulten. 

Sie  namen  rat  by  einem  alten  karren, 
wie  sie  allzeit  inn  freuden  selten  harren,  25 

ein  kunckel  vnd  ein  haspcl  wurden  gefatter, 
sie  safsen  alle  vmb  das  fewr, 

4.    lies    spitzten    linsen:    Hans  Sachs  Kcmiitn.    ausg.   1,    165    für    alle 
Kürtzweil  Linsen  spitzen  gleich  wie  ein  Kind  bei  einem  Jahr. 

36* 


564  LÜGENMÄRCHEN. 

nun  hörend  fürbafs  abenthewr, 

dazu  kam  ein  öde  scheur, 

ein  kiibel  malck  an  einen  dürren  gatter.  30 

Ich  stund  eine  kleine  weil  darbey, 
ein  lamer  erlieff  drey  Hasen  frey, 
ein  nackender  nam  jras  alle  drey, 
vnnd  stiefs  sie  in  den  busen  behende. 

Das  sah  ein  blinder  stumm  der  sprach,  35 

ein  Igel  einen  baren  stach, 
ein  katz  fieng  meufs  in  einem  bach, 
ein  kuchen  schlug  den  koch  wol  vmb  die  lenden. 

Defs  Irewen  sich  häfen  kel'sel  vnd  auch  pfanne, 
mit  freuden  dantzt  ein  alt  futer  wane,  40 

ein  kuh  gieng  auff  ein  seil  vber  ein  grabe, 
f.  ein  Esel  sprang  mit  freuden  embor, 

da  dantzt  dort  her  ein  grosse  Mor, 
ein  kalb  das   pfieff  hin  durch  ein  ror, 
ich  mein  nit  das,  kein  man  gesehen  habe. 


(H 


III 


Ein  kurtzweiligs  vnd  lächerlichs  Lied,  Vom  SchlaurafFen 
Landt,  welchs  das  allerbest  Landt  auff  Erden  ist,  etc. 
Im  Thon :  Wie  man  den  Lindenschmidt  singt.  Getruckt 
im  Jahr  1611. 

Der  Schrift  nach  z-u  urtheilen  von  Joh.  Schröter  in  Basel 
gedruckt i  die  zeilcn  nicht  abgesetzt. 

Nvn  höret  zu  vnd  schweiget  still, 
{,,■  vnd   höret  was  ich  euch  singen  will, 

von  einem  guten  Lande, 
es  blieb  mancher  daheimen  nit, 
wenn  jhm  das  wer  bekandte.  5 

Die  gegend  heist  Schlauraffen  Landt, 
ist  faulen  Leuten  wolbekandt, 
ligt  hinder  einem  Berge, 

6.  SchlaurafTe  aus  schlauderaffc  {Seh.  Braut  im  iiarrenschijf  schluder- 
affe)  wie  mundartlich  schlauren  aus  schlaudern  schlüdcru  nachläjsig 
arbeiten,  faulenx-eii. 


LÜGENMÄRCHEiN.  565 

derselb  ist  nichts  den  lauter  Dreck, 

wer  nein  will  niuls  die  zwerche.  10 

Sich  beissen  durch  den  Berg  hiuaul's, 
gaiilzer  drey  Meiin,  vnnd  wenn  er  nauls, 
kompt  rede  ichs  ohn  schaden, 
da  sein  alle  Häuser  gedeckt, 
mit  eytel  Eyerfladen.  15 

Welche  Magd  oder  Geselln, 
dil's  Lands  Ort  geniessen  wciUn, 
mögen  sich  dahin  verfügen, 
wenn  man  die  Dacher  brichet  ab 
haben  sie  Fladen  mit  genügen.  20 

Thür  vud  die  Wand  das  gantze  haufs, 
ist  gut  Leckkuchen  vberaul's, 
die  TrAm  mit  Schweinen  Braten, 
kaulll  einer  dort  ein  pfenning  werth, 
hie  gilts  einen  Ducaten.  25 

Vmb  jedes  haufs  so  ist  ein  zäun, 
geflochten  von  bratwürsten  braun, 
resch  gebraten  frisch  gesotten, 
es  mag  sie  essen  wer  da  will, 
sein  niemand  nicht  verbotten.  30 

All  Brunnen  voll  Malvasier  da  sein, 
rinnen  eim  selbst  ins  Maul  hinein, 
vnd  andere  süsse  Weine, 
vnd  wer  sie  gerne  trincken  thut, 
der  mach  sich  bald  hineine.  35 

Die  Fisch  wol  auff  dem  wasser  gähn, 
gebacken,  gebraten,  gesotten  schon, 
bey  dem  Gcstad  gar  nahen, 
vnd  gehen  auft"  das  Land  heraufs, 
lafsen  sich  gerne  fahen.  40 

Auch  fliegen  vmb  mochl  jhr  glauben, 
gebratne  Vogel,  Gänfs  und  Tauben, 
vnnd  wer  da  ist  so  faule, 
der  sie  da  wolte  fahen  nit, 

dem  fliegen  sie  selbs  ins  Maule.  45 

Die   Säw  all  Jahr  gar  wol  gerahten, 
17.    lies  An 


566  LÜGENMÄRCHEN. 

laufifen  herumb  vnnd  sein  gebraten, 

tragen  Messer  im  Rucken, 

damit  keiner  gesaumet  werd, 

das  jeder  schneid  ein  stücke.  50 

Die  Creutzkafs  wachsen  wie  die  stein, 
im  gantzen  Lande  grofs  und  klein, 
das  mag  ein  jeder  glauben, 
die  stein  sein  all  zu  essen  gut, 
sein  lauter  Karpffen  vnd  Tauben.  55 

Feilt  im  Sommer  ein  Wetter  ein, 
so  regnets  lauter  Honig  fein, 
alle  die  gerne  schlecken, 
die  lauffen  in  das  Land  hineyn, 
da  haben  sie  zu  lecken.  60 

Im  Winter  wenn  es  schneyen  thut, 
schueyt  es  lauter  Zucker  gut, 
gute  Rosin  vnd  Mandel, 
vnnd  wer  sie  gerne  essen  thut, 
der  hat  ein  guten  Handel.  65 

Auff  den  Thannen  wachsen  KarpfFen, 
wie  hie  zu  Landt  die  Thannzapffen, 
auff  Fiechten  wachsen  Schnitten, 
auch  thut  man  von  Birckenbäumen, 
gute  Speckkuchen  schütten.  70 

'  Auff  Weydenbäuraen  wechst  auch  frey, 

frisch  Semmel  vnd  Löffel  darbey, 
>  darunder  Milchbäch  fliessen, 

die  fallen  selbs  in  Milchbach  nein, 

das  jeder  kan  geniessen.  75 

Liederlichs  Gsind,  faul  Megd  und  Knecht, 
sein  in  das  Land  gar  eben  recht, 
wol  auff  Gretlein  vnd  Stoffel, 
macht  euch  zu  dem  3iilchbach  hinein, 
mit  ewerm  grossen  Löffel.  80 

Wer  Rolfs  hat  wird  ein  reicher  Meyer, 
sie  legen  grosse  Körb  voll  Eyer, 
gar  manchen  grossen  hauffen, 

55.  66.  lies  Krapffen 


LÜGENMÄRCHEN.  567 

tausendt  man  vmb  einen  pfennig  gibt, 

noch  will  sie  niemand  kaufen.  85 

Auls  Eseln  schütt  man  Feigen  gut, 
auch  wer  sechs  grosse  Gröltzer  thut, 
bekompt  sieben  batzen  zware, 
vnud  welcher  auch  nicht  gerne  zahlt, 
wenn  die  Schuldt  alt  wird  ein  Jahre.  90 

So  mufs  jhm  sein  Glaubiger  eben, 
noch  so  viel  Gelts  darzu  geben, 
solch  freyheit  hat  ein  jeder, 
vnd  welcher  da  sein  Gelt  verspielt, 
dem  gibt  mans  zwifach  wider.  95 

Ein  furtz  gilt  auch  von  jederman, 
ein  batzen  wer  nur  wol  fartzen  kan, 
darff  da  vmbsonst  nichts  ihone, 
vnd  der  ein  grosse  Lügen  thut, 
der  hat  all  mal  ein  Kronen.  100 

Hie  leuget  mancher  viel  vmbsonst, 
dort  helt  mans  für  die  beste  kunst, 
all  die  wol  können  liegen, 
die  auch  darvon  nit  werden  rot, 
thun  ins  Land  all  wol  tügen,  105 

Es  hat  grofs  Walde  in  dem  Land, 
darinnen  wächst  das  best  Gewandt, 
Rock,  Mäntel  vnd  auch  Schauben, 
Wammes  vnd  Hosen  auch  darbey, 
da  mag  jm  einer  raul's  klauben.  110 

Darzu  wächst  aufF  der  wilden  Heyden, 
Damasch t,  Sammet  vnd  genede  Seiden, 
darzu  gut  Englisch  Thuche, 
auff  den  Stauden  da  wachsen  auch  Hut, 
Stiöel  vnd  gute  Schuhe.  115 

Das  Land  hat  3Iärckt  vnd  freyheit  viel, 
und  der  sein  wcib  nicht  haben  will, 
mag  sie  vertauschen  eben, 
man  gibt  jm  eine  junge  darfür, 
vnd  gibt  jhm  gnug  darneben.  120 

Das  Land  hat  auch  ein  gute  gnad, 
es  hat  darinu  ein  warmes  Bad, 


568  LÜGENMÄRCHEN. 

das  ist  von  grosser  KrafFte, 
alte  LeQt  die  baden  darinu, 
die  werden  jung  geschaö'en.  125 

Welcher  ein  alte  Frawe  hat, 
der  schick  sie  auch  mit  in  das  Bad, 
sie  badet  kaum  drey  Tage, 
so  wird  daraufs  ein  Mäydiein  jung, 
vngfehr  bey  achtzehen  Jahren.  130 

Der  am  weitsten  schiest  von  dem  Ziel, 
der  gwint  das  best,  hie  seind  jr  viel, 
die  weit  neben  aufsschiessen, 
ziigen  sie  in  das  Land  hinein, 
da  würden  sies  geniessen.  135 

Im  Landt  ists   Geldt  zu  gewinnen  gut, 
sonderlich  wer  viel  schlaflen  thut, 
hat  von  der  stund  einen  batzen, 
da  kan  er  sein  Gelt  mit  schlaffen  verdienen, 
hie  mufs  er  sehr  drumb  kratzen.  140 

Welche  da  grosse  Trincker  seyn, 
haben  vmbsonst  den  besten  Wein, 
darzu  ein  guten  Lohne, 
von  jedem  Trunck  drey  batzen  bar, 
gibt  man  Frawen  vnd  Manne.  145 

Wer  gerne  arbeit  mit  der  band, 
dem  verbeut  man  das  gantze  Land, 
vnnd  der  nichts  guts  will  lernen, 
0  M  ,  der  das  böfs  thut,  vnnd  lest  das  gut, 

den  helt  man  in  hohen  Ehren.  150 

Wer  dolpisch  ist  vnd  gar  nichts  kan, 
der  ist  im  Land  ein  Edelman, 
vnd  der  nichts  kan  als  schlaffen, 
'iMj  essen,  trincken,  tantzen  vnnd  spielen, 

der  wird  zu  einem  Graffen.  155 

Wer  der  allerfeulst  wird  erkannt, 
ist  konig  vber  das  gantze  Landt, 
er  hat  ein  grols  einkommen, 
II.  i  dcis  Landes  art  vnd  eygenschal't, 

habt  jhr  also  vernommen,  ü   !  ii  •  160 

Der  sich  will  macheu  auff  die  Reifs, 


LÜGENMÄRCHEN.  569 

vnd  der  selber  den  weg  nicht  weils, 

der  mag  einen  Blinden  fragen, 

ein  Stumm  der  ist  auch  gut  darzu, 

thut  jhm  nicht  vnrecht  sagen.  165 

Solchs  ist  der  faulen  Zunfft  erdacht, 
weil  müssiggang  nie  guts  hat  bracht, 
darmit  zu  fexiern  v^nd  straffen, 
die  lieber  hunger  leiden  denn  arbeiten, 
das  maus  weifs  ins  Landt  Schlauralfen.  170 

ENDE. 
Nach  einer  andern,  vielfältig  abweichenden  rccension  ge- 
druckt in  den  altd.  hl.  1,  \^^ff.  unser  te.vt  hat  manches  vor- 
aus, z.  b.  69jf.  den  hübschen  zug  dafs  gerade  an  birken  und 
weiden,  an  den  bäumen  also  von  loelchen  man  sonst  ruthen 
schneidet,  hier  so  gute  dinge  umchsen  ivie  Speckkuchen  sem- 
mel  und  löjj'el  dazu,   und  die  milchbäche  darunter  hin  fliej'sen. 

WILH.  WACKERNAGEL. 


WAR   DIE    EIDE? 

Ich  bin  verschiedentlich  nach  dem  wortsinn  des  Spruchs  den 
ich  einer  schrifl  vorgesetzt  habe  gefragt  worden ;  so  wenig  ver- 
breitet ist  die  künde  unserer  alten  spräche  dafs  leser  an  der 
Partikel  tvar  auslofs  nahmen  denen  ein  homerisches  ttjJ  ver- 
ständlich gewesen  wäre,  mich  zieht  es  an  wahrzunehmen  wie 
nahe  in  solchen  ausbrüchcn  des  gefühls  die  griechische  poesic 
zu  der  deutschen  stimmt  und  das  menschliche  herz  von  selbst 
ewige  formcln  llndct.  war  si?it  die  eide  komen?  Nib.  562,  3 
wird  auch  Hol.  76,  12  ausgedrückt  ivnre  chomen  die  eide  di  si 
mir  swuoren?  bei  Homer  steht  das  futurum,  ttj)  Öt)  auvOiaiuo  re 
xui  'ö^jy-ia  ßrjGfrai  7]f.ui/ ;  II.  2,  339,  jenes  nfj  l'ßav  '6(jxiu;  wird 
aber  durch  nfi  i'ßav  fv/oykal ;  II.  8,  229  nachgewiesen,  ebenso 
nov  TOI,  uniilai;  II.  20,  83  und  noö  toi  utihIuI  ui'/ofTui;  II.  13, 
219  und  Titj  dl]  coc  fu'vog  o'txfTui ;  11.5,472;  wa/-  kamen  dine 
sinne?  Nib.  784,  1.  nicht  anders  bei  Äschylus  Choeph.  900 
nov  dt]  TU  lumoc  Ao^iou  fiuiiTtuf.(.uiu  r«  7ii'd6'j((i',f>i^(^,  itimcc  Ö 
ivü^natfiuiu;  JAC.    GllIi\lM. 


570 


AUS    STRASSBURG. 


Während  ich  der  zehnten  sttzung  des  ivifseiischaftlichen 
congresses  i'on  Frankreich  zu  Strqfsburg-  beiwohnte  theilte  mir 
herr  bibliothecar  und  professor  dr  Jung  in  cod.  Joh.  A.  148. 
4".  perg.  12  jh.  (bl.  l^  auszüge  aus  homilien  u.  s.  w.)  fol- 
gende anweisung  den  oslercyclus  zu  finden  7nit.  bl.  1*.  Wil 
dv  wizzin.  wie  vil  sie  vndVzwishen.  |  winnahten  vude  vaslvn. 
sonim  disi  zale.  |  AndSni  erstin  iäre.  sint  iiivn  wochin.  An- 
de  I  mi  andVn  iäre  sibin  wöchin.  Andme  driltin  ]  zehine. 
And*mi  vierd*n  iäre  nivn  wochin.  |  And*mi  fivnftin  sehsi.  And  mi 
sehstin  nivne.  |  And*mi  sibindin  ahtöwe.  And  mi  ahtod  n  iäre| 
einlive.  And*mi  nivnd*n  iare  nivn  wochin.  |  Andrai  zehind  n 
iäre  sibin  wochin.  And*mi  ein  |  liflin  iäre  cehin  wochin.  Andmi 
zwelftin  iäre  |  ahte  wochin.  And*nii  dricehind  n  iäre  sibine.| 
And*mi  vier  cehend^i  iäre  cehin  wochin.  An  |  demi  fivnf  ce- 
hend*n  iäre  ahtöwe.  And'mi  seh  [  cehind'n  iäre  sibine.  And  mi 
sibincehind^n  iäre  |  nivn  wochin.  Andmi  ahtcehind  n  iäre  ahle[ 
wochin.  And*mi  nivncehind'n  iäre  ahte  |  wochin.  Andmi  nivn- 
cehind*n  iäre  einlif  wo  j  chin.  Bihaltist  dv  die  zale.  dV  nivn- 
cehin  j  iäre.  so  ver  irrost  dv  niniir  zeware. 

Bei  diesem  anlafse  berichtige  ich  in  der  nachricht  über  die 
merkwürdige  Vorauer  hs.  {oben  s.  223jf.)  einige  unangeneh- 
me druckfehler.  s.  223  z.  18  lies  1158.  20  Aq.  5  v.  u. 
zweite  spalte  gotes  1  v.u.  iuh  {statt  ech)  s.  227 

z.  9  lies  1157  (?). 

Aus  wahrem  inneren  bedürfnisse  aber  benutze  ich  zugleich 
die  gelegenheit  zu  der  erklärung  dafs  nicht  nur  das  verdienst 
die  Vorauer  handschrift  gefunden  und  in  ihrem  werthe  er- 
kannt zu  haben  herrn  scripfor  Joseph  Diemer  an  der  k.  k. 
Universitätsbibliothek  Jetzt  zu  JHe7i  gebührt,  sondern  auch 
die  fast  durchgängig  wörtlich  von  mir  beibehaltene  Schilde- 
rung ihres  einzelnen  Inhaltes  in  jener  von  7nir  unterzeich?ie- 
ten  anzeige,  ich  fügte  nur  die  s.  223 — 225  gegebene  ge?iauere 
vergleichung  der  Heidelberger  u.  s.  tv.  hdschr.  der  kaiser- 
chronik  ein.  übrigens  war  ?iicht  dieses  der  grund  warum  ich 
meinen  namen  darunter  setzte,  sondern  ein  mit  der  art  wie 
mir  die  ganze  Schilderung  des  fundes  zu  handen  kam  eng  zu- 
sammenhängender, was  aber  beides  hier  nicht  räum  rauben 


AUS  STRASSBÜRG.  571 

soll,  den  ich,  aufser  der  hemerkung  dajs  die  ganze  erste  no- 
lis  über  den  erfreulichen  fand  ursprünglich  vorn  r^erjafser 
gar  nicht ßir  diese  wifsenschaftliche  Zeitschrift,  sonder'n  Jiir 
die  Augsburger  allgemeine  zeitung  bestimmt  war,  lieber  noch 
dazu  benutze  herrn  scriptor  Dicmer  schon  Jetzt  ßir  die  edle 
hereitwilligkeit  zu  danken  ynit  loelcher  er  mir  zur  endlich 
bevorsteheyiden  herausgäbe  der  kaiserchronik  den  Vorauer 
höchst  ivichtigen  text  bereits  weiter  hinein  so  sauber  als  sach- 
kundig- abgeschrieben  hat.  seiner  seit  darüber  das  nähere. 

H.  F.  MASS3L\JVN. 


NACHTIL4GE   UND    BERICHTIGUNGEN. 


zum  ersten  bände. 

s,  373  in  einer  niederdeutschen  Übersetzung  des  buches  liher  Alexandri 
M.  regis  Macedoniae  (s.  Droysen  gesch.  des  helienismus  1,  715) 
beifst  es  zu  den  Worten  in  tlirono  erant  imagvtcs  in  quibiis  crant 
scripti  versus  graecis  litevis  et  lafinis  nomina  omnium  provin- 
ciaritm  qiiac  serviebant  Alexandra  —  niyt  Grekscher,  Jodisc/irr  vnde 
Latinsclier  bokstauen.  das  gemahnt  an  Tacilus  Germania  3  tno- 
nmnentaque  et  tumulos  quosdam  graecis  literis  inscriptos,  wo  der 
codex  Neap.  (Farnesianus)  am  rande  momimta  in  cojinio  gertna- 
nie  getis  iscripta  litteris  liest.  H.  F.  MASSMANN. 

411  z.  13  V.  u.  —  416  z.  17  ist  später  aus  derselben  Miinchener  hs. 
gedruckt  erschienen  in  Kellers  ausgäbe  der  deutschen  gesta  Romanorum 
s.  155  ff.  eine  ältere  abfafsung  derselben  erzählung  steht  im  an- 
hange der  fabeln  aus  den  zeiten  der  minnesinger  (Zürich  1757) 
s.  255  ff. 

503  V.  12328.  eiden  ist  nicht  anzutasten,     ahd.  egida  die  egge. 

zum   zweiten  bände. 

s.  216  z.  4  V.  u.  ein  reagens  wurde  von  mir  nicht  angewendet]  zu  die- 
ser hemerkung  des  hn  professor  MaPsmann  fügt  herr  von  Karajan 
die  erklärung  dafs  noch  ehe  dies«;  bliilter  der  k.  k.  hofbibliothek 
übergeben  worden,  abt-r  nach  ihrem  abdrucke  in  der  frühliiigsgabe, 
von  einem  anderen  galläj)fellinctur  angewandt  worden  sei  und  dafs 
diese  bekanntlich  erst  nach  jähr  und  tag  ihre  rechte  würkung  zeige. 

232  z.  20  1.  ■&()iifJO!uai. 

269  ff.  die  starke  flexion  des  nomens  zeigt  in  erster  declination  kein 
i  aufser  dem  goth.  gen.  -is,  der  ahd.  schon  zu  -es,  alls.  sogar 
mitunter  zu  -as  geworden  ist;  man  wird  also  von  wec  nur  w'c'ges, 
kein  wiges  (goth.  vigis)  erwarten  dürfen,  aber  in  schwacher  form 
war  dem  gen.  und  dal.  ahd.  -in  geblieben,  wie  goth.  -ins  und  -in 
gelten  ;  hier  konnte  von  prro  Iti-po  konio  vo/o  ein  gen.  und  dat. 
piriji  kipin  kuinin  vulin  eintreten,  wofür  ich  keinen  beleg  kenne; 
bald  verdünnt  sich  auch  -inzu-en.  unorganisch  wird  das  t  der  flexion 
nicht  sein,   obgleich  ags.  -an  und  selbst  nltn.  -a  stattfir>.dcn,   da,  frei- 


572  NACHTRÄGE  UND  BERICHTIGUNGEN. 

lieh  nur  ausnahmsweise,  umlaut  des  a  durch  ahd.  -in  bewürkt  ist, 
wie  der  dat.  henin  gallo  lehrt,  für  den  jedoch  meistentheils  hanin 
vorkommt,  das  *  war  also  frühe  hier  seiner  kraft  herauht.  ganz  un- 
würksam  erscheint  das  schwache  weibliche  A  in  bezug  auf  i  und  u 
der  Wurzel ;  mau  findet  immer  cheld  cheliai,  sci'ltd  sceltiin,  hosci  lio- 
sün,  während  dasselbe  /1  (oder  mag  es  schon  verkürzt  u  sein)  altn. 
allgemein  a  in  ö  wandelt,  atmna  ömmu,  aska  üskii.  umgekehrt  ha- 
ben die  ahd.  Wörter  tild mamma,  pipa  tremor  überall  i  bewahrt,  d.h. 
auch  im  nom.  sg.  kein  h'  angenommen,  noch  besondere  aufmerksam- 
keit  verdient  das  -n  oder  -iu  der  ahd.  nom.  sg.  fem.  und  nom.  acc. 
pl.  neutr.;  denn  zwar  neben  k'e'rc'r  lioler  wird  nicht  kiriu  huliu  gebil- 
gebildet,  doch  neben  deser  allerdings  disiu  disii,  was  sich  wiederum 
der  ausnähme  ellii  elliu  von  alli'r  an  die  seite  setzen  läfst,  da  die  re- 
gel  smaler  smalii,  klater  klatu  weist,  nämlich  eUu  wäre  spur  eines 
alten  umlauts  des  a  durch  u  und  gliche  dem  altn.  '611,  das  sich  zu  al- 
ler allaz  verhielte  wie  disu  zu  deser  desaz.  JAC.   GRIMM. 

s.  300  z.  20  If.  ungeachtet  die  malbergische  glosse  im  Verhältnis  zu  den 
keltischen  noch  lebendigen  dialecten  die  lautstufe  des  gälischen  hält, 
dient  doch  in  vielen  fällen  das  wälsche  zu  ihrer  erklärung,  wie  ich, 
seit  ich  diese  niundart  in  den  bereich  meiner  Studien  gezogen,  deut- 
lich erkannt  habe,  die  erscheiuung  erläutert  sich  einfach  dadurch 
dafs  von  dem  alten  wortvorrathe  der  keltischen  sprachen  manche 
Wörter  im  gälischen  nicht,  aber  im  wälschen  gehaftet  haben,  dahin 
gehört  das  wälsche  maen  der  stein,  zwar  scheint  das  gälische  mein 
und  7nen  und  mian  (metall,  bergwerk,  mine)  damit  verwandt,  aber 
unmittelbar  hat  sich  das  wort  gälisch  nicht  gehalten,  dem  wälschen 
toi  decken,  überdecken,  überdachen,  wovon  toad  das  dach,  und 
toawl  (adj.)  dachartig,  abgeleitet  sind,  entspricht  nach  regelrechter 
lautverschiebung  gälisches  tiigh  (spr.  tliiij),  wofür  aber  tiibh  (spr. 
t/iuw)  gewöhnlicher  gebraucht  wird,  decken,  bedachen,  nun  finden 
sich  aus  diesen  wintern,  mit  der  nothweudig  eintretenden  Schwä- 
chung des  anlautenden  consonanlen  des  zweiten  wortes  zusammen- 
gesetzt, im  wälschen  noch  die  Wörter  viavndoad  steindecke,  stein- 
dach, und  macndoawl  steindachartig;  da  haben  wir  fast  buchstäblich 
das  malbergische  wort  mandoadu  und  das  latinisierte  mandualis,  die 
ich  früher  falsch  aus  niain  der  hügel,  und  dual  der  rand,  die  einfa- 
fsung  (hügeleinfafsung)  zu  erklären  suchte,  weil  ich  glaubte  nur  gäli- 
sche Wörter  zur  erklärung  herbeiziehen  zu  dürfen,  in  ähnlicher  weise 
greift  noch  vielfach  bei  erläuterung  der  malbergischen  glosse  der 
wälsche  dialect  unterstülzeud  ein.  so  brauchte  ich  weiter  oben  bei 
der  erklärung  der  glosse  traslo  (s.  160)  das  der  form  nach  schon  fer- 
ner liegende  gälische  laogh  (spr.  lö/i')  das  kalb,  während  das  wälsche 
geradezu  dasselbe  wort  /o,  das  kalb,  hat.  H.   LEO. 

373  z.  3  1.  der  geschäft  ze  lüne. 

383  z.  4  und  18.  herr  professor  Lachmann  macht  mich  darauf  aufmerk- 
sam dafs  er  gedähte  wie  er  Waten  und  w'is  vnllekömen  Wüte  mit 
einsilbigem  ffate  in  der  cäsur  sehr  anstöPsig  sei  (zu  den  Nib.  118,2), 
dagegen  untadelhaft  er  ddlile  wie  er  Uätvn  und  wiUekomen,  JVäte. 
t  also  wird  451,  3  (1805)  das  rechte  sein  sich  hete  her  JFäte  gcstimet 
nach  ze  lange  und  574,  2  (2296)  ist  den  enphalch  er  Waten,  er  znch 
daz  kindel/n  nicht  zu  verändern. 


573 


INHALT. 


Allerhand  zu  Gudrun,    von   Jacob  Grimm s.  1 

Sioza,    von  demselben -  5 

Buch  der  rügen,  herausgegeben  von  Th.  von  Karajan -  0 

Sand  Oswalds  leben,    herausgegeben  von  Franz  Pfeiirer -  92 

Biblische  geschichle,  von  Mafsraann -  130 

Einiges  zur  lex  salica,    von  H.  Leo -  158 

Chrenechruda,   von  demselben -  163 

Aurea  fabrica,    herausgegeben  von  H.   Leyser -  168 

Zu  Bertolts  Crane,    von  Wh.  Müller -  176 

Zum  Iwein -  187 

Zu  den  Merseburger  gediehten,    von  Jacob  Grimm -  188 

Crede  mihi,  von  demselben -  191 

Das  -er  örtlicher  appellative  unadjectivisch,    von  demselben....  -  191 

Frau  kein  wildes  thier,   von    demselben -  192 

Marienlied,    herausgegeben  von  Benecke -  193 

Gollhica  minora,    von    Mafsmann ••  -  199 

Erfurter  glossen,   herausgegeben  von  Waitz -  204 

Bonus,  herausgegeben  von  Haupt -  208 

Walthcr  und  Hildegunde,    herausgegeben  von  Mafsmann -  216 

Gedichte  des   12n  jh.  zu  Vorau  in  d.  Steiermark,  von  demselben  -  223 

Prediglbruchstück,    herausgegeben  von  Dietrich -  227 

Über  die  bedeutung  des  namens  Ziu,  \  on  A.   Kuhn -  231 

Über  die  geschichll.   gruudlage  des  gr.   Rudolf,  von  H.  v.  Syi)el  -  235 

Witege  mit  dem  slangen,  von  Wilhelm  Grimm -  248 

Schon  mehr  über  Phol,  von  Jacob  Grimm -  252 

Die  ungleichen  kindcr  Evas,    von  demselben -  257 

Über  Umlaut  und  brechung,    von  demselben -  268 

Vorausgeslcllte  gcnitive,   von   demselben -  275 

Beschreibung  einer  Zerbster  proccssion  vom  j.   1507,  herausge- 
geben von   Fr.  Sintenis -  276 

Zur  lev  Salica,  von   II.  Leo -  297 

Mittelniederliindisches  oslerspiel,    herausgeg.   v.  Julius   Zacher.  -  302 

Mittelniederländische  predigten,  herausgeg.  von  demselben -  350 

Ein  märchen  aus  der  Obcrlaositz,    von  Haupt -  358 

Laubacher  Barlaam -  361 

Buridan  und  die  königin  von  Frankreich,    von  H.  Leyser -  362 

Zu  Silvester,    von  Wilhelm  Grimm -  371 

Wate,    vou  Haupt -  380 


574  INHALT. 

Die  gute  frau,  herausgegeben  von  E.  Sommer s.  385 

Ein  märchen  aus  der  Oberlausitz,   von  Haupt -  481 

Gregorius,    herausgegeben  von  Schmeiler -  486 

Zur  lex  Salica,    von  H.  Leo -  500 

Die  altdeutsche  stammsage  bei  den  Schotten,  von  demselben...  -  533 

Der  saelden  tor,  von  Wilh.  Wackernagel -  535 

In  den  wald  wünschen,    von  demselben -  537 

Zwölf  Schwerter  und  neun  herzen,   von  demselben -  540 

Theilen,  theilen  und  wählen,  theilen  und  kiesen,  von  demselben  -  542 

Verlöbnis  und  Irauung,    von  demselben -  548 

F.  H.  TH,  von  demselben -  555 

Drei  lügenmärchen,    herausgegeben  von  demselben -  560 

War  die  eide  ?  von  Jacob  Grimm -  569 

Aus  Strafsburg,   von  Marsmann -  570 

Niichträge  und  berichtigungen -  571 


DRUCK  VON  BREITKOPF  UND  HÄRTEL  IN  LEIPZIG. 


PF       Zeitschrift  für  deutsches 
^^^        Altertum  und  deutsche 
^^         Literatur 


Bd.  2 


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