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B^H
Zeitschrift
für
die Kunde des Morgenlandes,
herausgegeben
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Dr. Cliristian liassen^
brJcatlielieB ProfeSMr der Altindiscken Sprache and Litteratur aa der Rheiaiaek«*
Friedrich- Wilhelma-Unirersitit , ausw&rtigem Mitflieda der Köaiglirh Baieriachea
Akademie der Wissenschaften, der Asiatischen Gesellschaften zu Pari*, London,
Caicutta, Batavia und Boston, der Königlich Norwcsiachen GeaeUschaft dar Wis»«n-
•chaften au Urontheim und der ethnologischen Gesellschaft su Pari«, Cerrea|ioDdeBtea
der Königlich ITraDxösischea Akademis der Insckrifiea uad acköaea Wiaaeaarhifua.
-»-»^^MOtC****-
Fünfler Band.
Mit zwei lithographirten Tafelu
H. B. KOEXIG.
1844.
95
^^^Atp.
1014 112
♦
Verzeichnis^ der IHitarbeiter*
Herr Dr. O. Böhtlingk in Petersburg.
,j Professor Dr. H. Brockhaus in Leipzig.
„ * „ „ H. V. Ewald in Tübingen.
yy „ ,y H. L. Fleischer in Leipzig,
j, Regierungsrath Dr. H. C. v. d. G a b cl e n t z in Altenbnrg.
„ Professor Dr. J. Gildemeister in Bonn.
„ Director Dr. G. F. Grotefend in Hannover.
„ Professor Dr. Hupfeld in Halle.
„ j, ,j J. G. L. Kosegarten in Greifswald.
3, Dr. Ad albert Kuhn in Berlin.
„ Professor Dr. Ch. Lassen in Bonn.
yf ,y ^; J. Müller in München.
j> • }, jy C. F. Neumann in München.
j, • „ „ A. F. Pott in Halle.
« * ff „ E. Rüdiger in Halle.
9, f, „ T. Roorda in Delft.
„ Geh.-Regierungsrath Prof. Dr. F. Rücke rt in Berlin.
„ Professor Dr. A. W. von Schlegel in Bonn.
}f ff jj A. Stenzler in Breslau.
ff Professor „ Wüstenfeld in Göttingen.
^.
Inhalt des fünften Bandes.
Seite
I. Die Religion und der Staat der Sikh. Von C.
F. Neumann 1
n. Uebcr einige Syrische Gedichte des Gregorius
Barhebräus. Von P. Zingerle 49
IIL Kurdische Studien von E. Roediger und A. F.
Pott. III. Naturgeschichtliches aus der Kur-
dischen und andern Sprachen Westasiens (Fort-
setzung von Bd. IV. S. 280.). Von A. F. Pott. 57
IV. E, Quatremere Ueber Phoeuicische Inschriften.
In abgekürzter Ucbersetzuiig von J. Gildemeister. 84
V. Erklärung seltener biblischer Wörter von Saa-
dias Gaon. Von Leopold Dukes 115
VI. Die 3Ioslemischen Schriftsteller über die Theorie
der Musik. Von /. G. L. Kosegarten 137
VII. lieber die Aethiopischcn Handschriften zu Tü-
bingen. Von H. r. Ewald. 164
VIII. Ueber den Titel des Masüdischen Werks ^ij^
w^5>L>wl Von J. GUdemeister 202
IX. Ueber eine in Aden neu entdeckte Hiuijaritische
Inschrift. Von H. v. Eicald. 205
X. Himjaristische Alphabete und Verwaudtes. Von
J. Gildemeister 211
XI. Bemerkung zu einer Miftheilung des Megasthe-
nes in Bezug auf Indische Geschichte. Von Th.
Benfey 218
XII. Bemerkungen über dieselbe Stelle des Mega-
sthencs. Von Chr. Lassen 232
XIII. Zur Theorie des ^loka. Von J. Gildemeister. . 260
XIV. Aus Dscharni's Diwau. Von F. Rückert. . . 281
ISeite
iXV. Untersuchungen über die ethnographische Stel-
lung der Völker im Westen Indiens (Fortsetzg.
von Bd. IV. S. 488.). Von Chr. Lassen. . . 337
XVI. lieber die Saho-Sprache in Aethiopien. Von H.
V. Ewald. 410
XVII. Von morgenländischen Sprachvergleichungen in
Deutschland. Von demselben. ...... 425
Uebersichten und Beurtheiluugen:
1. lieber das Puschtu oder die Sprache der Afgha-
nen von Bernh. Dorn, — Ein erster Vorsuch
über den Accent im Sanscrit von Otto Boethlingk.
Von H. V. Ewald. 435
2. The Journal of the Asiatic Society of Bengal.
Vol VII. Vol. VIII. Vol. IX, I— VI. Von Chr,
Lassen 444
3. Die Götter Syriens, von F.Nork. Von G. . 470
4. The Dabistan, or school of manners, translated
j. by David SheUj aud Anthony Troyer. Von Chr.
?i« Lassen 473
Zusätze^ und Terbesseriinseu.
Bd. IV, S. 372, letzte Z. lies Bu Wolke, K'ätaka.
» — ]» 373j z. 18 lies dahin für dahier.
9 — » 375, Z. 6 lies önf^ als ein besonderes Wort getrennt.
9 — » 479 flgd. sind folgende Berichtigungen, zum Theil nach
Ouseley's damals nicht zugänglicher Oriental
Geography, nachzutragen :
» — » 479, Z. 1 statt Kohistan bis Ghänem 1. Kohistan de*
Abu Ghänem.
» — » 479, Z. 18 statt aber 1. oben.
» ■ — » 480, Z. 15 statt sieben I. sieben Bergen.
» — » 482, Z. 15 und 18 statt bei ihnen u-ird nicht zum Gebet
gerufen 1. Niemand belästigt sie ; aus derOr.
Geogr. ergiebt sich, dass ^^Lu nicht ^jLo
zu lesen ist, sondern ^jLaj^ obgleich in dem
Bfts. das v_j sonst einen Punkt zu haben pflegt
» — » 482, Z. 17 statt so sind es — Baluk' 1. so sind es frucht-
bare Berge, auf denen die Bäume kalter Ge-
genden wachsen und Schnee (_^^', nicht
^_^) fällt.
Bd. Y, S. 18rt, Z. 6 von unten lies egziabchaer,
» — » 190, Note 3) lies eben für oben.
» — » 191, Z. 18 lies enttäuscht für getäuscht.
» — » — letzte Zeile lies Vogris für Vagris.
» — » 195, Note 1) Z. 4. fehlt das Wort Aera hinter Aetkiopische.
» — » 206, Z. 23 f. streiche das erste darauf.
» — » 207, Z. 9 von unten lies letzterem.
» — » 26b', Z. 20 ist zu den Worten: * ausschliessen mussm fol-
gende Note weggeblieben: *) Dies zeigt sich
auch in dem Gebrauch ungewöhnlicherer For-
men, z. B. MB in, 15663: vedivilagnamadh-
yeva, wofür sonst Immer das auch in deuLezi-
cis allein aufgeführte vedi vorkommt.
» — » 337, Z. 1 statt V. 1. XV.
%
y
Die Religion uud der Staat der ISikh.
Unter allen clvilisirten Völkern und zu allen Zeiten
gibt es eine kleine Anzahl Menschen, welche mit dem Un-
verstände und der Verdorbenheit der Massen Mitleiden he-
gen und sie zu einem bessern glücklichern Leben erziehen
möchten. Diese Wackern suchen, wenn dem Willen die
Kraft nicht mangelt, vor Allem die schlau ersonnenen oder
in der Zeit zufällig entstandenen Religionszwiste zu be-
seitigen und dann auf den Fundamenten der Selbstbe-
herrschung, der Tugend und Gerechtigkeit, in dem gött-
lichen Ideale verherrUcht, die ganze menschliche Gesell-
schaft von neuem aufzubauen ; damit alle denkenden Wesen
mit einander befreundet und Ruhe und Glückseligkeit
heimisch würden auf Erden. Ein Mann dieser höhern Ge-
sinnung war Nauak, der weise menschlich gesinnte Leh-
rer der Sikh. Gleich wie Schakia, der Stifter des Bnd-
dhaismus, der älteste bekannte Reformator des Brahmanen-
thums, war auch Nanak der Kriegerkaste entsprossen.
Die Kschatrias stehen nämlich der Geistlichen und Ge-
lehrtenkaste am nächsten; ihnen sind, die Vedas ausge-
nommen, alle andern Mittel der Geistesbildung, nament-
lich die zwei grossen Dichtwerke der Nation, Ramayana
V. i
und Mahabharata^ geöffnet. Sie sind deshalb eher im
Stande^ durch das dicke Truggewebe der Priesterzunft
zu schauen und sich eine reinere menschliche Fühlweise
zu erwerben. Nicht so die übrigen Glieder des Hindu-
staates 5 ihnen sind alle Bildungswege abgesperrt ; sie
sollten ewig Kinder bleiben^ damit sie leichter am Gän-
gelbande geführt werden könnten»
Nanak, von seinen Anhängern Baba und Guru, Vater
und Lehrer, wohl auch Nirinkary der Allgegenwärtige ge-
nannt^ ward in dem Dorfe Talwandi^ jetzt Rayapur an
dem Ufer des Bayah oder Hyphasis, des Distriktes Bhatti
im Kreise Lahor^ geboren; er war der einzige Sohn sei-
nes Vaters Kalu^ welcher gemeinhin nur in Verbindung
mit dem Namen seines Klans genannt wird^ Kalu AVerdi.
Schon in frühen Jahren zeigte der Jüngling eine Nei-
gung, dem gewöhnlichen Leben zu entsagen und sich der
Welt des Geistes und der Reinheit zu widmen, was sei-
nem den äussern Dingen ergebenen und sie allein schätzen-
den Vater höchst unangenehm war. Vergebens waren alle
Versuche, den^ in seinem Sinne, ungerathenen Sohn zu ei-
nem weltlichen Geschäfte, zu den Freuden des Gewinnstes
und des Reichthums zu verlocken; der einfältige fromme
Nanak verstand sich nicht hierauf. Mit dem Gelde, das
zum Salzhandel bestimmt war, ernährte er die halbver-
hungerten Fakir, und glaubte so das allerbeste Geschäft
gemacht zu haben. Der Gewinn dieser Welt, sprach er
zu dem erzürnten Vater, ist vorübergehend und werthlos ;
ich habe die Armen gespeist, ich habe für dich ein Ver-
dienst eingesammelt, das ewig dauern wird. Kalu Werdi
fügte sich endlich, auf Zureden des Ray*} oder Dorf-
schulzen Bolar, und überliess den Sohn seinem unwider-
1) Ray bezeichnet einen niedrigem Grad als Radsciiah.
stehlichen Hange oder Schicksale. Nanak begab sich nun^
in Beo-leitung eines treuen Dieners und eines Musikanten
auf Reisen ; er besuchte alle heiligen Orte, alle berühm-
ten Tempel Indiens und hatte hier, wie die Legende be-
richtet, mit Jogi und Fakir, die durch wundervolle Ka-
steiungen sich zu Herrn der Naturkrafle emporschwan-
gen, viele Kämpfe zu bestehen. Nanak sey aber nicht
bloss selbst allen ihren dämonischen Zauberkünsten glück-
lich entgangen, sondern habe es auch verstanden, seine
unvorsichtigen Begleiter, welche nicht selten an den Ge-
fährten des Don Quixote erinnern, ihien mannichfachen
Schlingen zu entziehen. Herrschaft, Reichthura und Frauen«
reiz, nichts vermochte den mit sich selbst klaren Lehrer
von seinem grossen Vorhaben: die in Sekten und Reli-
gionen zerfallene Menschheit zur Einheit Gottes zu sam-
meln und aufzurichten, abzubringen.
Von den Indischen Wallfahrten ging Xanak nach Mekka
und Medina, wo er mit HeiHgen und Gelehrten des Islam
vielfach verkehrte und die Einheit und Allgemeinheit Gottes
. allenthalben predigte. Jetzt sprach er es offen aus : er
sey gekommen, eme Aussöhnung des Islam mit dem Brah-
manismus zu bewirken, was die Schechs und Mulla, das
grösste Wunder das seine Lebensbeschrciber uns berich-
ten, wohlgefällig angehört hätten. Nanak, heisst es, sey
auf diesen Reisen auch mit dem Padischah Baber bekannt
geworden, welchem er seine monotheistische Lehre mit
Festigkeit und Entschlossenheit verkündete ; sie habe dem
hochbegabten Fürsten so gefallen, dass er den Lehrer
bat, bei ihm zu bleiben, und reichlich für ihn soro-en wollte.
Ist diese ganze Erzählung nicht erfunden, so ist doch
so viel gewiss: der Guru der Sikh hatte keinen beson-
dern Eindruck auf den Eroberer Hmdostans her\-orge-
bracht. Baber berichtet üi seinen Denkwürdigkeiten über
die unbedeutendsten Kleinigkeiten^ erwähnt aber des be-
rühmten Nanak mit keinem Worte. Viel wahrscheinlicher
ist die Angabe^ Nanak habe mit Dschnyani Kabir ')^ dem
Stifter einer berühmten monotheistischen Sekte Indiens^ viel-
fach verkehrt und seinen Schriften Manches entnommen.
Es sind jedoch die Lehren dieser und aller andern Frei-
denker dem Wesen nach dieselben. Die äusserlichen Ce-
remonien der Religionen^ sagt Kabir und seine Genossen^
sind gleichgültig ; wer in der Welt lebt^ richte sich nach
ihnen ; diejenigen aber^ welche der Welt entsagen, mögen
ihre Gedanken bloss dem einen höchsten Wesen zuwen-
den^ ihm Lieder singen und sich alles eiteln Prunkes des
äusserlichen Gottesdienstes enthalten. Wer da weiss was
Leben ist^ fügt der erhabene Lehrer hinzu^ der wird das
seinige benutzen ; nicht zum zweiten Mal wird er es er-
halten. Wer die Menschen kennt^ wird nach seiner eige-
nen Kraft und Einsicht leben; nicht von Andern wird er
es erbitten^ sondern das eigene Wasser selbst sich holen.
Wenn Wahrheit in der Seele brennt, so vernichtet sie
alle weltlichen Sorgen. Es haben die Lehrer des Ostens
und des Westens ihr Leben in Forschungen verzehrt.
1) Dschnyani Kabir bedeutet der Weise, der Höchste; es ist dies
wahrscheinlich blos ein Titel dieses berühmten Sektenstiflers.
Malcolm, Sketch of the Sikhs iin dem eilfteu Band der Äst atic
ResearcheSf auch besonders gedruckt London 1812, wonach wir
cltiren, 145) sagt irrthümlich, Kabir wäre ein Sufi gewesen und
hätte zu den Zeiten des Schir Schah, welcher Humaiun vertrieb
und von 1540 — 1554 regierte, gelebt. Wenn überhaupt ein Mann
dieses Namens jemals gelebt hat, und wer möchte dies, sobald
man auf Indische, Göttliches und Menschliches vermischende
Erzählungen fussen muss, mit Sicherheit behaupten, so lebteer
unter Sekander Lodi (1488—1517) und war dann der Zeitge-
nosse Nanak^s. Wilson, Religious iSects of the Hindus, in den
Asiat. Res. XVI. 53—56.
Wie oft habe ich nicht über das menschliche Geschlecht
geweint^ und Niemand hat mit mir geweint. Wer mein
Wort versteht , wird theihiehmen an meinem Leid ; er
wird mein Genosse werden und ebenfalls Thränen ver-
giessen *).
Nanak würde^ so wenig wie Kabir und alle diejenigen,
welche sehr hohe Begriffe von der 3Ienschheit hegen und
diesen gemäss Anforderungen an sie stellen, ein« aus-
serliche Religionsgesellschaft gegründet haben, wenn er
nicht Schüler und Nachfolger gehabt hätte, verständigern
oder gemeinern Sinnes, die die Welt kannten und betro-
gen. 3Ian mag mit Kabir hierüber klagen und weinen ;
man wird sich aber am Ende gestehen müssen, dass
Sklavenseelen, welche der Tugend unfähig, auch der
Freiheit unwürdig sind und betrogen werden müssen. Na-
nak selbst wies als einfacher menschlicher Lehrer, nicht
als Gesandter des Höchsten, nicht als göttliche Emana-
tion, den Muselman wie den Hindu auf die Einheit Got-
tes hin ; er glaubte, es sey hinreichend einen Gott zu
erkennen, sich die würdigsten Begriffe von ihm zu machen
und nach diesen alle unsere Handlungren und Gedanken
einzurichten^).' Nanak hat niemals die Wunderkraft in Au-
1) Wn-sON a. a. 0. 67. 70. Es ist dies ein Auszug aus den höchst
merkwürdigen Sachis, die Kabir zugeschrieben werden. Muham-
medaner behaupten, Nanak habe seine Weisheit einem Sind Hu-
sain zu verdanken. Siyar ul Mutakherin d. h. Darstellung der
neuesten Zeit. By Mir Gholam Hussein Khan. Revised by
BRiees. London 1833. I. 110.
2) Dies ist der Inbegriff aller natürlichen Religionen. Lessing, über
die Entstehung der geoffenbarten Religion, in den Sämmtlichea
Werken, Berlin 1835, \111. 185. Die Religion innerhalb der
Gränzen der blossen Vernunft. Vorgestellt von Immanuel Kant.
Königsberg 1794. Lessing und Kant stehen auf derselben Stufe,
auf Welcher bereits Kabir und Nanak standen.
Spruch genommen. Ganz anders seine Sikh^ seine Schü-
ler; sie haben auch ihren Lehrer^ damit er den andern
Propheten und Religionsstiftern nicht nachstehe^ für einen
Avatar oder Gottmenschen ausgegeben und ihm viele
Thaten und Reden angedichtet. Nach der Ansicht der
Weisen Hindostans schreiten nämlich alle die geistigen
wie .die physischen Kräfte stufenweise zu einer gewissen
Höhe empor und sinken dann in derselben Weise wieder
hinab; bis Geist und Körper ganz verkrüppeln und dem
Untergänge zueilen. Ist es so weit gekommen, dann er-
scheint Vischnu der Erhalter und Erretter des Weltalls,
in Menschengestalt; um die gesunkeneu Wesen wieder zu
sich emporzurichten. Solch ein verkörperter Vischnu ist
Nanak den Sikh ; in diesem Sinne ward das Evangelium
des Lehrers nach seinem Tode von den Aposteln seines
Glaubens bearbeitet und gedeutet. Man liest nun in den
Büchern des N^anak und seiner nächsten Nachfolger, gleich-
wie in den andern heiligen Schriften der verschiedenen
Religionsgenossen; eine Menge hochfahrender Prophezei-
ungen und Wundergeschichten, aus welchen wir zur Be-
zeichnung der Denk- und Vorstellungsweise dieser Jünger
einige Bruchstücke mittheilen wollen.
Siehe, am Ende der Zeiten, so lautet das göttliche
Wort der Sihk, wird Zwiespalt in der Welt entstehen,
die Sünde wird siegen und das Weltall von Grund aus ver-
derbt werden. Ein Volk wird gegen das aiulere kämpfen
und sie werden, wie Bambusstäbe hart an einander ge-
rieben, sich gegenseitig zu Asche verbrennen. Die Vedas
werden missachtet, denn man wird sie nicht verstehen;
es wird die Finsterniss der Unwissenheit über das Herz
der Menschen sich lagern. Jeder wird seinen eigenen Weg
.gehen ; der Eine betet den Mond an, der Andere die Sonne ;
diese wenden sich zur Erde, zum Himmel, zur Luft, zum
Wasser und zum Feuer, während jene den Höllenrichter
verehren. Irrthum und Wahn, eitle Sinnenlust und thörichte
Kasteiunsfen reichen sich die Hände. Und so entstanden
aus einem wahren Urgebilde eine Menge schlechter, wider-
wärtiger Weisen. Und siehe, des Uebels war noch kein
Ende. Der Freund Gottes, Muhammed, erschien, rief zwei
und siebzig neue Sekten ins Daseyn und verbreitete Krieg
und Zwiespalt über einen grossen Theil der Erde. Die
Tempel wurden niedergerissen und auf ihren Trümmern
Moscheen errichtet ; Kühe und alle hülflosen Wesen wur-
den ohne Erbarmen geschlachtet und die im Sinne der
Moslem Ungläubigen, Hindu und Armenier, Griechen und
Abyssinier als Feinde verfolgt. So machte das Laster sich
weit und breit im Weltall.
Jetzt erhob die unterdrückte Tugend ihren Klageruf
zu dem Throne des Allmächtigen; er schuf Nanak, um
die ausgeartete verworfene Welt zu erleuchten und zu er-
neuen. Der heilige Mann verkündete Gott den Höchsten
aller Wesen hienieden und tränkte mit dem Nektar, der
seine Füsse gewaschen, die durstigen Jünger'). Wahr-
heit, Tugend und Gerechtigkeit erhielten ihre frühere Kraft
wieder ; die vier Kasten wurden zu einem Volke umge-
bildet und eine einzige Weise der Gottesverehrung ein-
geführt ; das unvernünftige kindische Spiel, vor den Füs-
sen der Götzenbilder den Kopf zu bücken, ward abge-
schafft und die in Laster versunkene Welt zur Reinheit
erhoben.
Als Nanak seine Reisen vollendet hatte, fährt die
biblische Geschichte der Sikh fort, stieg er zum Sumeru,
1) Dies bezieht sich auf dieEiaweihuiigsceremomeii der Sikh. Siehe
weiter unteB.
8
dem Indischen Olympus, empor, wo er von allen Weisen
und Heiligen begrüsst wurde. Jeder wünschte, Nanak
möge sich zu der Gottesverehrung in seinem Sinne be-
kehren. Da erscholl plötzlich die göttUche Stimme in der
Versammlung und sprach : Nanak soll eine eigene Re-
ligion stiften, und sein Name werde der Freudenruf des
Kali Juga, des verderbten Zeitalters. Von dem Himmel
auf Erden zurückgekehrt, verkündete der Allgegenwärtige
dem Hindu wie dem Muselman, dass sie beide ohne wahre
Frömmigkeit nicht bestehen werden vor dem Throne der
Allmacht, dass ihre Gebete nicht erhört werden und dass
der Satan, all des religiösen Formelwesens ungeachtet,
das Erdenrund beherrsche. Nanak ward vom Himmel ge-
sandt, der Menschheit eine Schrift mitzutheilen, worin die
verschiedenen Namen Gottes in einem, in dem Namen
Gottes des Herrn, sich vereinigen ; wer anders ihn nennt,
der fällt der List des Teufels anheim, dessen Füsse wer-
den mit den Ketten der Sünde und des Elends gebunden.
Moslem, spricht der Guru, Moslem, ihr habt die Tempel
zerstört und die heiligen Schriften der Hindu verbrannt;
ihr habt in Blau euch gekleidet und liebt es, dass euer
Ruf von Haus zu Haus verkündet werde. Ich aber, der
ich die ganze Welt gesehen habe, weiss, dass der Hindu
von Hass erfüllt ist gegen euch und eure Moscheen. Ich
bin von dem Herrn gesandt, die widersprechenden Glau-
benssatzungen zu vereinigen ; desshalb beschwöre ich euch,
leset diese heilige Schrift und eure eigene. Das Lesen
ist aber ohne Gehalt, wenn man der Lehre nicht gehorcht ;
denn Gott hat gesagt, es wird Niemand ohne gute Werke
selig werden. Der Allmächtige wird nicht fragen, zu wel-
chem Volke, zu welchem Glauben gehörst du; sondern
er wird fragen, was hast du gcthan ? So vernehmt denn,
dass die Zwistigkcitcu zwischen Muselman und Hindu
eben so ungerecht als gottlos sind. Hundert tausend Mu-
hammede^ eine Million Brahmas , Vischnus und hundert
tausend Ramas stehen vor dem Throne des Allerhöchsten ;
sie alle werden untergehen, Gott allein ist unsterblich.
Menschen^ in dem Lobe Gottes vereinigt, wie schämt
ihr euch nicht, euch gegenseitig anzufeinden I Es zeigt
dies deutlich, dass ihr vom Bösen beherrscht seyd. Der
allein ist der wahre Hindu, dessen Her^ gerecht ist; der
allein ist der wahre Muselman, dessen Leben rein ist.
Eines Tags, erzählt einer der Apostel, hörte Nanak
eine Stimme vom Himmel herab, die rief: Nanak^ komm
herbei! Wie hätte ich Macht, antwortete der Baba, in
deiner Gegenwart aufrecht zu stehen! So schUesse die
Augen, erschallte die Stimme ^). Gott trug ihm nun auf,
sein Sendbote zu werden auf Erden ; Nanak hielt sich
aber dieses heiligen^ schwierigen Amtes unwürdig. Wohlan,
sprach Gott, ich selbst will dein Lehrer seyn, damit du
der ganzen Menschheit Lehrer werdest. Mich zu lereh-
ren, allgemeine Menschenliebe und Reinlichkeit'-, dies sind
die drei Gebote, die deine Jünger befolgen sollen. Sie
sollen die Welt nicht verlassen , sondern darin leben,
zum Heile aller Wesen ; denn meinen Athem habe ich
allen eingeblasen. Was ich bin, bist auch du, zwischen
uns waltet kein Unterschied ^). Wa Guru, Heil dem Leh-
rer, erscholl es jetzt aus dem Munde der Gottheit, und
Nanak erschien, Licht und Freiheit auf Erden zu ver-
breiten.
Keine Religion verdient mehr den Namen Religion
des Friedetis, als die des Nanak. Waffen lege an, sagt
der treffliche Mann, aber solche, die Niemand Schaden
1) Mau erkennt leicht die NachaliinuDg. Zweites Buch Mose Kap.3.
8) Das heisst, keine Einsiedler oder Mouche werden.
10
bringen 5 Vernunft sei dein Panzerhemd^ wandle die Feinde
in Freunde^ Gottes Wort sey deine einzige Waffe^ denn
wie wundervoll sind nicht die Pforten^ ist nicht der Pal-
last^ worin die Gottheit thront und Alles regiert. Unzäh-
lig sind die Stimmen^ die sie preisen ; Luft^ Wasser und
Feuer; Isvara, Brahma und alle andere Gottheiten; die
Propheten, Weisen und Einsiedler^ alle preisen dich ! Es
ist der Herr der Wahrheit^ der Wahre und wahrhaft
Gerechte. Er ist und war^ er geht vorüber und geht
nicht vorüber^ er erhält Alles^ das erhalten wird. In die-
ser Weise geht es noch lange fort in dem Adi Granth ').
Nanak müht sich vergebens ab^, gleichwie so viele an-
dere treffliche Männer aller Zeiten und Völker^ das Un-
aussprechliche auszusprechen^ das Unbegreifliche begreif-
lich zu machen. In dem Sinne dieses Deismus oder Ide-
alismus ward auch der äusserliche Gottesdienst, dessen
man nun einmal nicht ganz entbehren konnte, eingerich-
tet. Die ursprünglichen Tempel der Sikh sind einfache
schmucklose Gebäude, aus welchen jede Abbildung der
Gottheit verbannt war. Der Gottesdienst dieser östHchen
ReHgionsgesellschaft ist so äusserst prunklos, dass er
sich der Weise der Englischen Unitarier nähert. Es wer-
den Lieder gesungen zum Lobe des Höchsten, zum Lobe
des Lehrers der Milde und des Erbarmers ; alsdann wird
die heilige Schrift in der Gemeinde herumgereicht und ihr
Geld, Blumen und Früchte geopfert. Diese Gegenstände
sind das Eigenthum des Priesters, welcher zufallig den
Gottesdienst leitet ; am Ende theilt er dafür allerlei ge-
1) Die einzelnen Abtlieilungen des Adi Granth heissen Pidi, Trep-
pen, denn sie füliren zur Erkenntniss des Waliren. Malcolm
169. Der Sikh Geistliche, auf welchen Malcolm sich häufig be-
ruft, Mar nach Wii-sON (Asiat. Researches XVU, 237.) ein Mann,
der alles Vertrauen verdiente.
m 11
weihte Süssigkeiten unter die Mitglieder der Gemeinde
aus, wie dies auch bei den Sekten der Vaischnavas
Sitte ist, zu welchen die Sikh gehören *).
Solch eine einfache und nüchterne, jeden Sinnen-
reiz verschmähende, jedes phantastische Gebilde aus-
schliessende theologische Lehre durfte nur auf wenige
Sikh oder Jünger '^} rechnen. Auch war in der That das
Häuflein sehr klein, als Nanak, zu Kirtipur an den Uf^rn
des Rawi, seine körperliche Hülle abstreifte und, wie Mo-
ses, seinen Lieblingsdiener Lehana zu seinem Angad oder
Stellvertreter ernannte. Er hatte keinen seiner Söhne und
übrigen Verwandten hiezu würdig befunden. Dies war auch
der Fall bei dem Tode des Angad (1552), welcher eben-
falls die beiden Söhne überging und seinen treuen Diener,
den Kschatria Amera Das zum Lehrer der kleinen Gemein-
de einsetzte. Ihm folgte (1574) sein Schwiegersohn
Rain Das, der die alte Stadt Tschak zum heiligen Platz
der Sikh erhob und sie auch, nach seinem Namen, Ram-
daspur nannte. Nach einem berühmten Wasserbehälter,
welchen der Guru hier graben liess, ward der Ort Amri-
ta Saras, später in Amritsir zusammengezogen, das ist
Behälter der Unsterblichkeit, genannt "*). Amritsir ward in
der Folgezeit ein heiliger Wallfahrtsort fiir alle Hindu und
1) Wilson, Asiat. Research. XVll. 233. 239., wo einige Kirchen-
lieder nütgetheilt sind, die aber weder in ästhetisclier noch in
wissenschaftlicher Beziehung von Werth sind.
2> Das Sanskritwort Sikscha, Jünger, lautet in dem Dialekte des
Fünfflussgebietes Sikh, woher die Anhänger Nanak-s den Namen
erhielten. ' '
.33 Saras heiast in mehreren Indischen, aus dem Sanskrit stammen-
den Dialekten, Wasserbehälter und Amrita, Unsterblichkeit. Die
Uebersetzuug Brunnen der Unsterblichkeit bei Ui'kgsl iKasch-
mir tittd das Reich der Sikh. 111. 400.) ist ungenau.
12
erhob sich dadurch zu einer bedeutenden reichen Handels-
stadt. Es herrscht hier ein regeres Treiben, als sonst
irgendwo im Pendschab ; die Läden prangen mit allen
Waaren Hindostans. Das heilige spiegelklare Wasser-
becken, eine grosse Seltenheit in diesem Land^ bildet ein
Viereck von ungefähr hundertfünfzig Schritten im Umfange
und erhält wahrscheinUch von lebendigem Quellwasser
seine Nahrung, In der Mitte des Beckens erhebt sich ein
prachtvoller Tempel des Hari oder Vischnu^ der mit ei-
nem kunstreich gearbeiteten goldenen Dach gedeckt ist;
eine grosse goldene Thüre führt in das Innere^ welches
nach allen Seiten mit Marmor ausgelegt ist. Von Wes-
ten her führt eine Brücke zum Tempel, in dem der erste
Guru der Sikh thront^ wo er dem gläubigen Volke und
den Neugierigen für Geld und andere Geschenke den Se-
gen spendet. Es müssen die Waschungen zuvor in an-
dern Richtungen vorgenommen werden , ehe die Pilger
zur heiligsten Seite ^ g^g^^^ Osten, zugelassen werden.
Ringsum des Wasserbehälters sind Tempel und Wohnun-
gen für Guru und Fakir ; auch wird ein kleines leeres
Gebäude gezeigt, wo Ram Das sein ganzes Leben verweilt
haben soll *). Der Sohn und Nachfolger des Ram Das,
Ardschun Mal oder auch bloss Ardschun genannt, hat
die Schriften seiner Vorfahren in einem Buche verzeich-
net, das gemeinhhi, um es von dem Werke des zehnten
Lehrers, Govind, zu unterscheiden, Adi Granth, erstes
Buch, genannt wird.
Das Adi Granth ist in Versen gesclirieben, besteht
1) HuKORi., Kaschmir. 111. 404. Der Baron zahlte den Segen des
Sikhpabstes mit einem (Sack Rupien; dafür ward er aber auch
Maharudschah Lord Baron Hügel 8ahib Bahadur titulirt. Auch
Burnes ha4 eich hier einen Segen geholt. Travels 1. Ifil.
m 13
aus zweiundneunzig Abschnitten und enthält die Schriften der
ersten fünf Lehrer mit den Erläuterungen und Zusätzen des
sechsten Ardschun Mal. Später wurden noch andere Schrif-
ten der Vaischnav as dieser ersten heiligen Schrift der Sikli
hinzugefügt '). Die Jünger des Nanak organisirten sich
nun durch das Adi Granth förmüch zu einer eigenen reli-
giösen Sekte, welche die Vedas wie den Koran verwarf
und deshalb die Feindschaft der Hindu und Moslem in glei-
chem Grade erregte. Ardschun (1606) ward ein Opfer die-
ses gemeinschaftlichen Religionseifers, und sein Sohn Har
Govind vertauschte deshalb das Wort Gottes mit dem
Schwerte, um an den Mördern sehies Vaters Rache zu
nehmen. Die friedliche pliilosophische Gemeinde des Na-
nak wurde jetzt in eine Rotte wilder Krieger, in eine
tollkühne Räuberbande umgeschaflfen, welche weder Er-
barmen übte noch Erbarmen fand bei seinen glaubenstol-
len Gegnern. Zwei Schwerter, schrie der erste kriege-
rische Guru seinen Jüngern zu, zwei Schwerter trage
ich im Gürtel ; das eine diene zur Rache meines erraor-
deten Vaters, das andere zur Vernichtung der Wunder
Muhammeds. Damit seine Anhänger desto kräftiger wür-
den, gestattete ihnen der Guru alle Fleischspeisen, die
Nanak verboten hatte; nur des Kuhfleisches sollten sie
sich enthalten. Die Thaten Har Govind's und seiner Nach-
folger Har Ray, Har Krischna und Tegh Bahadur, bis auf
Guru Govind, den Sohn des letzten *}, erheben sich aber
1) aL\LC0LM 31. Wilson 238.
2) Auf Har Gowind, dessen Todesjahr 1 644 angesetzt wird, folgte
sein Enkel Har Ray, der im Jahr 1661 starb, und diesem Har
Krischna bis 1664. Nun entstand ein Streit über die Nachfolge
zwischen Ram Ray, dem Sohne des verstorbenen Guru, und
Tegh Bahadur, dem dritten Sohne Har Gowind's. Tegh Bahadur
erhielt den Beifall derSikh, ward aber im Jahre 1675 von Patna,
14
nicht über die in den Östlichen Ländern gewöhnlichen
Meutereien und Raubzüge; sie sind spurlos vorüberge-
gangen und der Beachtung umverth. Anders gestalten
sich aber die Verhältnisse nach dem Tode des Tegh Ba-
hadur (1675)^ der auf Befehl des fanatischen Orangseb
hingerichtet wurde. Das Oberhaupt der Religion ward
auch nicht einmal zum Scheine eines Verbrechens beschul-
digt, sondern geradezu als Ketzer angeklagt und ermor-
det. Dieser glaubenstolle Despotismus empörte auch das
ruhigste Gemüth unter den Jüngern und rief zur uner-
bittlichen Rache auf. Es ist der höhere Mensch zur
religiösen und politischen Freiheit geboren^ wird er die-
ser^ alles Andere weit überwiegenden Güter beraubt, so
tritt er in den Naturzustand zurück ; er erklärt der Ge-
sellschaft , die seine angebornen Rechte verhöhnt , den
Krieg : Mord und Rebellion werden Pflicht.
Thoren sind wir^ eitle Thoren^ so sprach der jugend-
liche Govind zu seinen Genossen^ wenn wir jetzt noch
dem verfolgungssüchtigen Muselman vertrauen. Was uns
in Güte versagt wird^ das soU^ das muss das Schwert uns
erringen. Behalten wir die Frömmigkeit für uns und keh-
ren den Stahl gegen «tinsere Feinde. Diese Rede machte
Eindruck auf die tapfern verfolgten Genossen. Wie den
alten Skythen^ so ward auch den Sikh Eisen und Staiil
von nun an eine Gottheit^ zu der sie sich im Gebete
richteten, und dies um so lieber, da mancher tapfere
Mann hoffen mochte, im Kampfe gegen seine Verfolger
sich Hab und Gut und selbst eine Herrschaft zu errin-
gen. Wer weiss nicht, wie vielen Vorschub weltliche
wo er wohnte und wo sich eine Kapelle des Sikh-Gottesdion-
stes befand, nach Delhi gebracht und daselbst ohne alles Recht
und Gesetz öffentlich enthauptet.
15
Vortheile, sinnliche Genüsse allenthalben und zu allen
Zeiten dem Religionseifer leisten. Nanak wollte das In-
dische Kastenwesen und den Religionsunterschied über-
haupt abschaffen ; alle Menschen sollten in der Anbetung
des höchsten Wesens vereinigt werden. Govind baute
fort auf diesem breiten Ftmdamente. Die niedrigsten Glie-
der der untersten Kaste ^ hiess es, seyen gleich den
Brahmanen und Kschatria; die Nation möge zu einem
einzigen Körper zusammenwachsen^ damit sie desto mehr^
desto eher im Stande sey^ das verhasste Joch des Islam
abzuschütteln. Govind fühlte^ dass^ um so grosses zu
vollbringen^ um so tief gewurzelte Vorurtheile auszu-
rotten^ menschliches Zureden^ Vernunft allein nicht aus-
reiche. Er wagte es deshalb^ nach dem Muster vieler
seiner Vorgänger^ eine Prophetenrolle zu spielen. AVas
menschUche Kraft und menschliche Einsicht auf den Men-
schen nicht vermag, das soll im Namen der Gottheit zu
Staude kommen.
Das höchste Wesen, erzählt Govind in dem Buche
des zehnten Herrschers ^) , befahl mir in dem Kali Juga
zu erscheinen. Ich für meinen Theil wäre lieber unge-
boren und in dem Anschauen der Allmacht versunken ge-
bheben. Es sprach aber Gott : Ich habe dich zu meinem
Sohn erkoren^ dartlit du die vollkommene Religion den
Menschen offenbarest. Tritt hinaus in die Welt, erhebe
die Tugend und verfolge das Laster. Was nun der Höchste
zu mir spricht^ das verkünde ich den Menschen ; ich bin
der wahre Knecht Gottes ; daran zweifelt nicht : darum
1) Desima Padischahka Granth. Dieses Buch wird von den Sikh
für eben so heilig gehalten, wie das Adi Granth selbst. Die Cte-
schichte des Guru Gowind nach niuhammedanlschen Quellen, in
dem Siyar ul Mutakherin. I. 113, stimmt in den wesentlichen
Punkten mit den Angaben der Sikh zusammen.
16
werde ich sprechen und den Mund nicht verschliessen.
Ich spreche nicht eines Menschen Wort, sondern das Wort
Gottes ;' ich kleide mich nicht nach der Norm eines Ir-
dischen, sondern folge der Vorschrift des Höchste n ; ich
bete keine Steine an und ahme die Religionsgebräuche
der Welt nicht nach. Ich spreche den gränzenlosen Na-
men aus und habe mich zum höchsten Wesen emporge-
schwungen. Jeder der frühern Avatar hat eine besondere
Religion gestiftet ; aber sie erkannten nicht das höchste
Wesen, sie erkannten nicht die wahren Grundsätze der Tu-
gend und Gerechtigkeit. Alle frühere Lehren sind unnütze ;
diese meine Lehre präge dir tief in die Seele ein : in kei-
ner andern Lehre wird es dir Wohlergehen, die meine nur
erfasse mit ganzem Herzen. Siehe, als ich bereits die
Worte des Höchsten einige Zeit in dieser Weise verkün-
det hatte, da erschien mir Durga Bhavani *), die Göttin
des kriegerischen Muthes, in einem Traumgesichte, von
wundervollem Glänze umstrahlt. Sie hielt ein strahlen-
des Schwert in ihren Händen, reichte es mir hin und
sprach: Erobere die Länder der Muslim; es sollen viele
derselben durch dieses Schwert erschlagen werden. Hier-
auf erwachte ich und rief begeistert aus: dieser Stahl
diene mir und meinen Jüngern zum Schutze, denn in sei-
nem Glänze strahlt mir immer die 4ttajestät der Göttin
entgegen. Drum sollt ihr immer Stahl ^) an euch tragen;
1) Durga Bhawant ist eloe der Frauen des Kerstörenden Princips,
Siva.
8) Viele rolle kriegerisclie Völker liaben bekanntlich Ihren Waffen
göttliche Verehrung erwiesen; wie noch heutigen Tags die Kal-
mücken zu thun pflegen. Vallas, Sammlungen über die Munffo-
tischen Völker II. 218. Olcg und seine Begleiter schwuren, wie
Nestor sagt (Schloezkr, 111. 887), nach Russischem Brauch, bei
Ihren Waffen.
17
heili»- sey euch der Stahl : der Schutz des Allstahles ')
komme über euch. Ihr sollt nicht mehr Sikh, Jünger,
sondern Singh, Löwen, heissen^). Wo immer ihr einem
Muselman begegnet, erschlagt ihn, ihr habt das Recht da-
zu, wo immer ihr einem Hindu begegnet, prügelt ihn durch,
beraubt ihn seines Gutes und theilt es unter euch ; ihr
habt das Recht dazu. Die Länder zu verderben, wo der
Muselman herrscht, sey euer Sinnen, sey euer Trachten.
Auch in den äusserlichen Einrichtungen traf Guru
Govind mancherlei Veränderungen. Da der Unterschied
alles Kastenwesens aufgehoben war und auch der Gerinsr-
ste als Proselyt angenommen ward, so fanden sich na-
türlich viele Mitglieder der untern Kasten ein, welche
froh waren aus der furchtbaren Sclaverei des Brahmanen-
thums errettet zu werden. Es ward nun eine eigene
schmutzige Einweihungsceremonie angeordnet, um in die
Chalsa oder Kirche der Sikh aufgenommen zu werden;
es sollte dadurch symbolisch die unbedingte Gleichheit
aller Älitglieder der Kirchengemeinde angedeutet werden.
Man lehrte zuerst den Convertiten seine Pflichten, ^''on
nun an, heisst es, rausst du ein Krieger werden mit Leib
und Seele; die Kirche zu vertheidigen und ihre Feinde
zu vernichten sey künftig deine einzige Richtschnur. Kopf-
und Barthaar lass waclisen ; in Blau kleide dich von Kopf
zu Fuss; Stahl musst du immer bei dir traaren, in die-
ser oder jener Form. Ist dies geschehen, so wird der
Neubekehrte der Kirchengemeinde, welche, aus Nachah-
mung des Pandschayat, des Indischen Schöppengerichtes,
wenigstens aus fünf Personen bestehen muss, vorgestellt
und erhält aus der Hand des Guru fünferlei Waffen: ein
1) Serv loh.
8) Früher führten bloss die krieo;erischen Radschputen diese Kh-
renbenennung.
V. 2
18
Schwert^ Bogen und Pfeil^ einen Dolch, einen Spiess und
eine Flinte. Der Diakon wendet sich nun zu ihm und
spricht die Worte : ,,Dieser hier ist dein heiliger Lehrer,
und du bist sein Jünger/^ Es wird dann, während der
Gemeinde einige Abschnitte des ersten Buches und des
Buches des zehnten Herrschers vorgelesen werden,
Zucker und Wasser in ein Gefäss gethan und mit einem
Dolche umgerührt. Ist dies zu Ende, so ruft die ganze
Gemeinde : Heil der Kirche des Lehrers ! Heil und Sieg
dem Lehrer ! Heil ! — eine Litanei, die fünfmal wieder-
holt wird. Der Neubekehrte und der Lehrer waschen
sich in der Zwischenzeit mit dem Zuckerwasser die Füsse
und murmeln ein Gebet in wohlklingenden Versen, zum
Lobe des alleinigen Gottes, das mit folgender Strophe
beginnt: Allenthalben bin ich gewesen, habe mancherlei
Gattungen der Frommen gesehen, Jogi und Jati, heilige
Kasteiungen übende Männer, in Anschauung der Gottheit
versunkene Männer, nach den verschiedensten Weisen und
Sitten. Alle Länder habe ich bereist, aber das walirhaft
Götthche nirgendwo gefunden. Ist das Gebet zu Ende,
dann trinken Beide, Lehrer und Jünger, das schmutzige
Fusswasser, während die Gemeinde mit überlauter Stim-
me einfällt: Heil der Kirche des Lehrers! Heil und Sieg
dem Lehrer! Heil! Hiemit ist das Pahal oder die Ein-
weihungsceremonie zu Binde*).
Gott allein, sagte der Guru zu seinen Genossen, ist
der Herr seiner Kirche; sie bedarf keines sterbUchen
Menschen. Ich bin jetzt euer Führer und werde auch
nach meinem Tode es bleiben. Leset das Buch und rich-
1) Malcoi-m 180. folg. Phinsep Origin of the Sikh Power in the
Pu nj ab. Ciilcutta. 1834. 217. G. Foicstkb, Beise von Bengalen
nach England. Deutsch von Meiners. Zürich 1796. I. 296.
19
tet euch nach seinen Vorschriften 5 wer der Kirche treu
ergeben ist, dem werde ich immer beistehen. In diesem
theokratischen Sinn hat Govind seine Kirche, seinen Staat
geordnet ; es sollten die Singh eine föderative Repnbük
bilden, an deren Spitze ein Richter oder Herzog ge-
stellt wird, um den« Staat nach aussen hin zu vertreten
und zu schützen. Der Richter steht aber unter der Kir-
che, handelt bloss in ihrem Geiste und ist ihr verant-
wortlich. Jede Gaugemeinde steht unter einem eigenen,
von dem Gau gewählten Grafen, dessen Amt es ist, den
Heerbann anzuführen und im Frieden die Beschlüsse der
Genossenschaft zu vollziehen. Bei ^\-ichtigen, alle Bür-
ger oder Glaubensgenossen betreffenden Angelegenheiten
werden die Häupter der Gaugemeinden zu einer Versamm-
lung nach Ainrit«ir be^chieden, welche Guntmaia '), Ver-
sammlung des Lehrers, genannt wird 5 denn der Lehrer
oder heilige Geist spricht und handelt hier durch seine
versammelte Kirche. Die Häuptlinge, welche allein die
ganze Kirche repräseutiren, werden durch eiue von Go-
vind angeordnete Klasse kriegerischer Geistlichen, Akali
oder die Unsterblichen genaimt, zu der aUgemeinen Syn-
ode beschieden. Die Akali sind die Wächter der Kirche
und des Gesetzes; sie sind die Sittenrichter über die
Häuptlmge und alle Genossen der Gaugemeinden. Ihrer
heUigen geistlichen Macht ist Alles unterworfen ; des-
halb sind sie auch allgemein gefürchtet. Selbst der3Ia-
haradschah Ranadschit Singh war gezwungen oder hielt es
für staatsklug, in der höchsten Blüthe semer Macht, von die-
sem übermüthigen Tempelorden mancherlei Unbilde zu er-
1) Das Indische Wort mala ist nach seinem Urspnuige und seiner
Bedeuti«. mit dem Germanischen mote, in Wittenagemote, und
dem hej^en Englischen meetitig Terwaadt. (A. d. V. Es ist wohl
eher das Sanskritwort matha, Sitz der Lehrer einer Secte. A.d.H.)
20
tragen. Sie ziehen^ bis an die Zähne bewaffnet^ in grossen
Banden im Lande herum;, rauben^ morden und trei-
ben allerlei Unfug im Namen des unsterblichen Guru.
So ehemals^ und so heutigen Tags noch. Man sieht sie
in einzelnen Häuflein im Fünfflussgebiete herumziehen,
in jeder Hand ein blosses Schwert^ %5wei an beiden Sei-
ten^ auf dem Rücken eine Flinte^ an den Armen drei oder
vier an den Rändern scharf geschliffene Stahlringc, wel-
che sie^ wie behauptet wird; mit solcher Sicherheit zu
schleudern wissen, dass sie ihrem Gegner damit, auf
sechszig bis achtzig Schritt^ ein GUed vom Leibe abhauen
können^). Jeder Sikh oder Singh ohne Ausnahme kann
in diesen ; so wie in die andern geisthchen Orden^ de-
ren mehrere im Pendschab sind, aufgenommen werden.
Während eines Gurumata sollen alle Fehden aufhö-
ren, alle Leidenschaften schweigen und alle persönlichen
Bestrebungen der Häuptlinge auf die Seite gesetzt wer-
den. Nur das allgemeine Wohl, das Gedeihen der Kir-
che sey die Richtschnur , des Denkens und Handelns.
Haben die Häuptlinge um das Becken der UnsterbUch-
keit sich niedergelassen, so bringen die Akali das erste
Buch und das Buch des zelmten Lehrers Govind her-
bei; vor welchen die ganze Versammlung sich tief ver-
neigt und ausruft ; Heil der Kirche des Lehrers ! Heil
und Sieg dem Lehrer ! Heil ! Es werden dann^ nach ei-
ner Vorschrift Nanak's: zu essen und Andern zu essen
zu geben f Kuchen aus Weizenmehl ^ Butter und Zucker
der heiligen Schrift dargebracht und mit einem Tuche
bedeckt. Die Akali erheben sich und mit ihnen die
1) OsBOBNS, Court and Camp ofRunjeet Singh. L|g|k)n 1840. 143.
. folg. Die Seite 144 abgebildeten Akali sehen in tE| That furcht-
bar genug aus.
21
ganze Versammlung zu einem Gebete , das von Musik
begleitet wird. Ist dies zu Ende^ «o gemessen Alle ohne
Unterschied von den Kuchen^ um in dieser sjinbolischen
Weise die Einheit und Gleichheit aller Gläubigen zu be-
urkunden. Nach der Mahlzeit erheben sich dieAkaU neu-
erdings und rufen: Häuptlinge, das ist ein Giirttmata.
Hierauf erhebt sich die Versammlung nochmals zum Ge-
bete^ rückt ganz nahe an einander ^ und der Xachbar
spricht zum Xaclibar mit lauter Stimme : Das heilige
Buch ist unter uns, lass uns schwuren, allen innern Zwist
zu vergessen und einig zu seyn im Geiste. Dieser Augen-
blick religiöser Begeisterung wird von der leitenden
Priesterschaft benutzt^ alle Feindseligkeiten auszugleichen
und die Gedanken der Versanunlung bloss auf das all-
gemeine Wohl der Kirche und des Staates zu richten.
Die Gegenstände, worüber die Sirdar zu Rathe sitzen,
werden von einem eigens hiezu ernannten MitgUede der
Versammlung vorgelesen. Die Beschlüsse eines Guru-
mata sind für alle Sikh verbindlich ; wer ihnen wider-
strebt, wird aus der Kirche gestossen und hat wahr-
scheinlich auch das Leben verwirkt. Die erste heilige
Synode der Singh ward von Govind selbst zusammen-
gerufen und geleitet.
Niemand ist verpflichtet, bei der Gaugenossenschaft,
wozu er ursprünglich gehört , zu bleiben, er kann sie,
wenn ihm der Häuptling oder irgend etwas in der Mark
missfallt, verlassen und sich in einer andern niederlassen.
Dies Bewusstsein gibt dem gemeinsten Sikh ein Gefühl
von Freiheit und Selbständigkeit, wie es sich selten
in der übrigen kleinmüthigen Bevölkerung Hindostans *)
1) Kant hat vortrefflich die Gnmde entwickelt, warum der Hin-
duismus die Bevölkerung kleinmüthig macht. Die Bellgion in-
21t
findet. Andererseits bildet das Recht der Freizügigkeit eine
sichere Schranke gegen ein grausames Willkürregiment
von Seiten der Häuptlinge. Will der Sirdar seine Unter-
gebenen nicht verlieren^ so muss er sie freundlich und
menschlich behandeln. Deshalb hat der freie Landmann
wie der Pächter nirgendwo in Indien ein besseres Loos^
als im Fünfflussgebiete. Der letztere soll zwar gesetzlich
die Hälfte des rohen Ertrags an den Grundherrn als Ab-
gabe entrichten 5 dieser begnügt sich aber gewöhnlich mit
einem viel geringern Zins. Nur die Unterthanen muham-
medanischen Glaubens werden furchtbar gedrückt; sie
dürfen weder laut beten noch Rindfleisch essen ; sie dür-
fen keine Processionen halten und sich nur selten in den
wenigen Moscheen des Landes versammeln. So tief hat
während der langen blutigen Religionskämpfe der Wider-
wille der Sikh gegen alles Muhammedanische Wurzel ge-
schlagen^ das s sie selbst einen Widerwillen gegen die Per-
sische und Arabische Sprache haben ^ weil sie wähnen^
diese Idiome hängen mit dem Islam zusammen'). Des-
halb hasst auch dfer Muselman den herrschenden Sikh auf
den Tod und mordet» ihn unbarmherzig^ wenn es im Ge-
heimen geschehen kann'^}.
Zwistigkeiten über geringfügige Gegenstände werden
durch ein Dorf- oder Schoppen-Gericht, das, nach alter
Indischer Sitte^ wenigstens aus fünf Personen bestehen
muss und deshalb Pantschayat genannt wird, entschie-
den. Wichtigere Gegenstände werden vor eine Gau- oder
Pürstenversammlung gebracht und nach dem herkömm-
□erhalb der Gränzen der blossen Vernunft. Zweite vermehrte
Auflage. Königsberg. 1794. 284.
l) MvRRAY, in Phinsbp's Origin of tke Sikh power. 191.
8) WooD,Jo«r/jfy to thesource of the riverOxus.London 1841,84.
23
liehen Gewohnheitsrechte der Hindu entschieden. Es ist
aber dieses Gewohnheitsrecht nirgendwo verzeichnet^ son-
dern bloss im treuen Gedächtniss der Aeltermänner auf-
bewahrt. Jeder muss sich ohne Ausnahme diesen Ge-
meindegerichten unterwerfen. Die Dorf- und Gau-Genossen
leisten sich gegenseitige Hülfe, um gestohlenes Gut wie-
der zu erlangen ; der Dieb wird nach dem Gutdünken des
Beschädigten und nach dem AVerthe des gestohlenen Ge-
genstandes gezüchtigt ; doch kann eines Raubes wegen
Niemand mit dem Tode bestraft werden. Der Mord wird
aber von der zur Rache verbundenen Verwandtschaft nur
mit Blut gesühnt ; es muss in diesem Falle Gleiches mit
Gleichem vergolten werden. Der Angeschuldigte kann
aber auf ein Gottesurtheil sich berufen ; er kaim zur Probe
der Unschuld seine Finger in siedendes Oel stecken oder
mit blosser Hand eine glühende Pflugschaar eine Strecke
weit tragen. Kommt er unbeschädigt durch, so ist seine
Unschuld über allen Zweifel erhaben. Ein einsichtsvoller
Geistlicher der Sikh, der mehrere Jahre in Calcutta lebte,
sprach mit Begeisterung von dem Verwallungs-und Ge-
richtswesen seiner Glaubensgenossen. Hier, pflegte er
zu den Engländern zu sagen, wird dem Beleidigten schnell
zu seinem Rechte verhelfen, während ihr, durch wun-
derliche kostspielige Formen, durch langwierige und är-
gerliche Schreibereien hingehalten, kein Ende zu finden
wisst. Unser Gerichtswesen ist für edle freisinnige Men-
schen eingerichtet, das eure für gemeine verschmitzte
Schurken *). Diese republikanischen Einrichtungen waren
für eine Genossenschaft, welche, wie die alten Römer,
bloss aus Kriegern und Ackerbauern besteht, vortreflFlich
1) Malcolm 188. Murkav a.a.O. 193. Die Klagen über das lang-
wierige kostspielige Englische Gerichtsverfahren sind allgemein
in Indien.
24
geeignet. Sie wurden aber bald^ sowohl durch die Herrsch-
sucht der Grossen wie durch die Zügellosigkeit der
Massen, untergraben. Man findet heutigen Tags nur ge-
ringe Reste der Weise des ehemaUgen Gemeindewesens
im Fünfflussgebiete.
Als nun der junge Guru , durch diese und andere
Einrichtungen^ welche sämnitlich aus dem Gefühle her-
vorgingen^ die zersplitterten Hindu zu einer einzigen Na-
tion umzuschaflFen^ die im Stande wäre die Fremden aus
Hindostan zu vertreiben: als Govind eine tapfere^ auf
Leben und Tod kämpfende Kriegerschaar zusammenge-
bracht hatte, trat er dem Padischah Orangseb und seinen
fanatischen Statthaltern offen und kräftig entgegen. Ihr
macht, so soll er dem Fürsten zu Delhi geschrieben ha-
ben, aus Hindu Äluselman ; dies ist durch eure Religion
erlaubt. Den Hindu war bis jetzt, durch götzendieneri-
sche Brahmanen überlistet, die Aufnahme neuer Gläubi-
gen nicht gestattet *) ; ich habe aber den reinen Glau-
ben der Altvordern wieder aufgerichtet, — ich werde aus
Muselman Hindu machen. Sieh dich vor in deiner er-
träumten Sicherheit, ich werde den Sperling lehren, den
stolzen Adler zu Boden zu schlagen^). Govuid war un-
ermüdlich in den Kämpfen gegen die Muselman ; doch
konnte er sein Ziel nicht erreichen. Der Guru, sagen
seine Jünger, prlanzte den Baum ; er sollte aber, gleich-
wie viele andere Propheten, die reife Frucht nicht ge-
messen. Seine wiederholten Kämpfe hat Govind selbst,
in dem Buche des zehnten Lehrers, auf eine Weise be-
1) Es werden bekanntlich int Brnbrnanismus keine Proselyten an-
geuummeu; wie wäre dies auch bei einer Kasteneintheilung
möglich V
2) Malcolm 74. Unter dem Sperling sind die verachteten Kasten
zu verstehen.
schrieben, die an die ergreifenden Heldenlieder Ossians
erinnert^ an die jungen Krieger, die dieser besungen,
„den Vätern gleich an Ruhm/* Govind spricht nicht
bloss von sich ; er lässt auch seinen Genossen vollkom-
mene Gerechtigkeit widerfahren. Wie ein die Wälder
verzehrender Flammenstrom stürzten sie sich auf ihre
Gegner; siehe, wie Kripal wüthet, wie er seine Keule
schwingt und dem hochmüthioren Chan den Schädel ent-
zweischläfft. Gleich wie Krischna ein irden Gefäss mit
Butter zertrümmert, so leicht, spricht der begeisterte Guru,
erschlug er den Häuptling, verspritzte sein Blut und zer-
streute seine Gliedmassen im offnen Felde. Xand Chan
ward von furchtbarer Wuth ergriffen ; mit Gewalt schleu-
derte er den Speer und schwang den Degen. Der De-
gen zersplitterte, da zog er den Dolch, um die Ehre des
Stammes der Sondi zu wahren. Und siehe, mein mütter-
licher Onkel Kripal kam nochmals herbei und vollbrachte
nochmals Kriegerthaten, würdig eines ächten Kschatria.
Der gewaltige Krieger, obgleich selber von einem Pfeile
getroffen, hat mit einem andern einen mächtigen Chan
vom Pferde zu Boden gestürzt. Wo die Schlacht am
stärksten war, wüthete der Kschatria Sahab Chand und
erschlug einen wilden Fürsten, einen Krieger aus Cho-
rasan. Nun kreischten die blutdürstigen Gespenster und
Geister nach Mord und Todtschlag ; das tolle Haupt der
Dämonen lachte laut auf vor Freude und traf die Vor-
bereitungen zu seinem schrecklichen Mahle, und die hung-
rigen Geier flogen hin und her, nach dem Raube gierig.
Als nun auch ich von einem Pfeile verwundet wurde, da
legte ich den Bogen an auf den Gegner und ein Gleiches
thaten alle Genossen. Ich zielte auf den jungen Helden
Hari Chand, einen ausgezeichneten Fürsten unter den hundert
Tausend der Radschah. Er fiel, und sein ganzes Heer, von
26
Bestürzung geschlagen^ wendete sich um und floh vom
Schlachtfelde. Durch die Gnade des Höchsten ward uns
der Sieg zu Theil^ und nun erschollen unsere Triumph-
gesänge. Alle Krieger waren erfreut, und wie Reger^ fie-
len die Reichthüiner auf uns hernieder*).
Govind focht, mit welchselndem Glücke, sein ganzes
Leben lang gegen die Moslem und ihren Padischah Orang-
seb. Zwei seiner Söhne wurden gefangen und auf grau-
same Weise hingerichtet, ein dritter fiel im Kampfe und
an seiner Seite eine grosse Menge der tapfersten Singh.
Der Guru nahm sich dieses so zu Herzen, dass er auf
kurze Zeit des Verstandes beraubt wurde. Er blieb aber
dem Vorsatze, sein Volk aus dem muhammedanischen Joche
zu befreien, unerschütterlich getreu und starb als ein
Märtyrer für die Freiheit seines Vaterlandes. Balladur
Schah, der Nachfolger des Orangseb, suchte den gewal-
tigen Krieger und sein unbeugsames Gefolge durch Milde
und Freundlichkeit zu gewinnen. Govind, so lautet we-
nigstens eine Angabe, erhielt im Dekkan ein kleines Le-
hen, konnte aber auch hier seinem Lebensplane, gegen
die Muselman zu kämpfen, nicht entsagen. Von dem Dolche
eines Afghanischen Kriegers getrofi'en, starb er (1708) zu
Nander, eine Stadt am Godaveriflusse, vier und zwanzig
Meilen von Haiderabad entfernt*^). Mit Recht sind die
1) Malcolm 54. G. Foksteh, Reise I. 392. Die NacIiricliteQ dieses
tüchtigen gewaadteu Reisendeu, dem Moorckoft und alle dieje-
nigen, welche nach ihm dieselben Länder besuchten, vollkommnc
Gerechtigkeit widerführen lassen, stimmen beinahe durchgängig
mit den Angaben Mulcohirs überein. Höchst lächerlich klin-
gen die Zurechtweisungen des Stubengelehrten und V'ielschrei-
bcrs Meiners, welcher Forster häufig belehrt, (z. B. II. 07), wie
er sich hätte benehmen sollen.
3) Nandcr, Hauplort des gleichnamigen Distriktes, liegt lOo 3< uördl.
f7
Sikh seines Lobes voll und stellen ihn auf eine Stufe mit
Nanak. Guru Govind^ sagt einer derselben, ist der zehnte
Avatar ; er war als Löwe geboren und zeigte sich als
Singh sein ganzes Leben lang: er vernichtete die ruch-
losen Türken *) und erhöhte den Namen des Herrn. In den
Schlachten konnte ihm Niemand widerstehen, weder die
Hadschah der Hindu noch die Chane der Muselman. Auf
Befehl des Ewigen hat der Guni die wahre Erkenntniss
unter den Menschen verbreitet und die Kirche eingerich-
tet. Govind gründete den Staat der Singh und hat da-
durch die ganze Welt mit Angst erfüllt. Die Tempel und
heiUgen Plätze, die Begräbnisse und Moscheen, sie alle
hat er veijjvüstet, vernichtet, er hat die Vedas und die
Puranas, die sechs Schastras ^^3 und den Kor^ verworfen ;
er hat das Gebet der Moslem abgeschafft und ihre Sul-
tane erschlagen; alle Sekten hat er verwirrt und ver-
nichtet. Als auf den Befehl des Guru Govind die Singh
zum Schwerte griffen, erzitterten die Türken , und die
Glaubensnomien Muhammeds ^^1lrden abgeschafft. Die
Trommel des Sieges rollte in der Welt, und Furcht und
Schrecken waren verschAvunden. So ward die dritte Re-
ligion gegründet und nahm tägUch zu an Macht').
ßr. 770 38' östl. L. von London. An dem Orte, wo Grovind
starb, ist ein Erziehuugsinstitut der Sikh errichtet, wo, wie
Heber erzählt, im Jahre 1818 dreihundert junge Leute erzogen
wurden.
1) Hier werden einmal ganz richtig die Beherrscher Hindostaas
Türken und nicht, wie gewöhnlich, Mongolen genannt.
2) So werden auch die sechs Angas oder Wissenschaften genannt ;
Aussprache; religiöse Handlungen; Grammatik; Poetik; Astro-
nomie und Auslegung der Vedas.
3) Malcolm 190. Die Sikh nennen ihre Religion, neben dem Isluiii
und Brahnianismus, gewöhnlich die dritte.
28
Guru Govind hatte keinen Sohn hinterlassen ; eine Pro-
phezeiung^ hatte überdies die vom heiligen Geiste be-
wegten und geleiteten Führer auf zehn beschränkt. Des-
halb w ard jetzt weder eine Versammlung der Gläubigen
zusammengerufen noch ein neuer Lehrer und Führer ge-
wählt. Gott allein, sagte ja der sterbende Guru, ist un-
mittelbar der Beschützer und Leiter seiner Kirche. Der
vieljährige Freund und Begleiter des verstorbenen Guru,
Banda mit Namen, hielt die junge Gemeinde zusammen ;
er forderte sie auf, die Verwirrungen, welche nach dem
Tode Orangseb's in Hindostan entstanden, zu benutzen und
wegen der erduldeten Drangsale, wegen der Ermordung
des Guru und seiner ganzen Famihe an ihren Verfolgern
Rache zu nehmen. Der Statthalter des Kreises Sirhind,
welcher die unmündigen Söhne Govind's hatte hinrichten
lassen, ward zuerst als Opfer auserkoren. Dieser Befehls-
haber und alle seine Truppen wurden, da kein Pardon
ertheilt wurde, bis auf den letzten niedergehauen; ein
gleiches Loos traf, nach der Einnahme Sirhind's, die un-
schuldigen Kinder und die Frauen eines andern muham-
medanischen Grossen. Den grössten Theil der Einwohner
der Stadt frass das unerbittliche Schwert dieser Wüthe-
riche ; alle öffentlichen Gebäude und Moscheen wurden
niedergerissen. Durch solch einen Erfolg begeistert, glaub-
ten die Sikh, von nun an könne ihrer Macht nichts mehr
widerstehen. In der That unterwarfen sie sich auch, wäh-
rend eines Zeitraums von wenigen Monaten, alles Land
zwischen dem Setledsch und der Dschumna, setzten selbst
über diesen Fluss und machten verwüstende Streifzüge
bis nach Mittelindien. Jede nur ersinnlichc Gräuelthat
ward gegen die Unterthanen des Padiächah Bahadur ver-
übt; wer sich nicht alsbald zu dem Glauben der Sikh be-
kennen und ihre Tracht amichmcn wollte, der ward ohne
alles Erbarmen eine Beute des Todes'). Balladur Schah
beeilte sich nun^ den Krieg mit den Maharatten und den
Radschputeuj den ihm sein Vater hinterlassen hatte^ vor
der Hand wenigstens durch einen Waffenstillstand zu en-
den*)^ um dann alle seine Streitkräfte gegen die Sikh
richten zu können (1709). Von der Niederlage, wel-
che die Sikh jetzt erlitten, erhoben sie sich aber wäh-
rend der Wirren, die nach dem Tode des Bahadur Schah
(1712) das grossmongolische Reich zerrütteten, schnell
zu neuer Macht empor. Dieser Fürst ist walirscheiulichj
wegen seiner Hinneigung zu den Schiiten^ von den Sun-
niten verffiflet worden. Bahadur war nämlich so unbe-
sonnen^ mit sunnitischen Geistlichen und Gelehrten reli-
giöse Zankgespräche zu halten und, wenn wir einem
Schiiten glauben dürfen, sie sämmtlich zu besiegen. Zu
welchen Verbrechen aber Sekteneifer und beleidigte Ei-
telkeit verleiten können, weiss Jeder, der die Begeben-
heiten der Weltgescliichte und die geheimen Falten des
menschhchen Herzens kennt ^).
Als der Padischah Ferochsir den Thron seiner Väter
bestieg (1713), waren die' Sikh die Herrn eines grossen
Theils der nordwestlichen Länder des grossmongolischen
Reiches. An ihrer Spitze stand der wilde Banda, welcher
darauf ausging, das volksthümliche Gemeinwesen des
1) TheSiyar ul Mutakherin^ 25 sagt mit Unrecht, Guru Govind
wäre damals noch am Leben gewesen und Schah Bahadur sey
selbst gegen ihn gezogen.
2) Gbant Duff, Histury ofthe Mahnrattas I. 43. Malcolm 79.
3) Eradet Chan bei Jox. Scott, Histury of Dekhan II, 64, Der
Schute, welchen Bahadur als Koranleser an einer Moschee an-
stellen wollte, ward von der Congregation der Hanefiten in
Stücke zerrissen. Siyar ul Mutakherin 27, wo diese letzten
Ereignisse im Leben Bahadur^s auf sehr anschauliche Weise er-
zählt werden.
30
Guru Govind aufzuheben und sich eine Krone zu er-
werben *). Anstatt des von Govind angeordneten Grusses
sollte man: Sieg der Religion! Sieg der Kirche! sagen.
Die blaue Kleidung so wie Fleischspeisen jeder Art wur-
den verboten^ dann auch andere Veränderungen vorge-
nommen^ ohne die Versammlung der Häuptlinge oder die
Akali darum zu befragen. Diese Unsterblichen, deren Ein-
fluss und Macht gebrochen werden sollte, waren natür-
lich solchen Neuerungen sehr entgegen; viele von ihnen
büssten ihre Beharrlichkeit bei den hergebrachten Ein-
richtungen mit dem Tode'). Die meisten Sikh fügten sich
aber, aus Furcht vor der unmenschlichen Grausamkeit
dieses Mannes, der neuen Ordnung. Die Aufmerksamkeit
des neuen Herrschers von Delhi ward alsbald auf das
Pendschab gerichtet. Lahor war von den Sikh eingenom-
men und der Statthalter ermordet worden. Der Komman-
dant in Kaschmir, ein tapferer Türkischer Häuptling aus
den Gegenden jenseits des Oxus, erhielt den Befehl, ein
neues Heer zu werben, um diesen Mord zu rächen und
das Land von den Sikh zu reinigen. Banda und seine
Schaaren wichen vor der Tapferkeit und der Uebermacht
der frischen, durch das Indische Klima noch nicht ver-
weichlichten Turanitruppen zurück ; ein grosser Theil der
Sikh, mit dem Anführer an der Spitze, flüchtete nach
einer nördlichen Bergfeste ^) und erduldete hier alle Drang-
sale des Hungers und des Durstes. Sie mussten sich end-
lich den Truppen des Padischah ergeben. Die abgema-
1°) Im Siyar ul Mutakherin 109 heisst es ausdrücklich, Banda
wollte sich eine Krone «rkumpfen.
2) Malcolm 83.
3) Malcolm nennt, 80, die Feste Loghad, hundert Englische Meilen
nordöstlich von Lahor gelegen; im Siyttr ul Mutakherin 117
heisst sie Gandaspur.
«I
gerten Gefangenen wurden^ nachdem ihnen Hände und
Füsse gebunden waren, enthauptet und in den nahen FIuss
geworfen. Nur die Anführer sparte man für einen Triumph-
zug auf; sie \vurden auf lahmen und schlechten Esebi
und Kameelen nach Delhi geführt. Bei ihrem Einzug in
die Hauptstadt setzte man Jedem eine papierne Kappe
auf, und eine Anzahl Köpfe der Genossen, auf Spiesse
gesteckt, ward vor ihnen hergetragen.
DieWuth des gemeinen feigen Haufens zu Delhi, der
von Glaubenshass und Kache beseelt war, kannte keine
Gränzen ; hätten sie nicht die Turanitruppen beschützt,
so wären die Sikh lebendig zerbissen worden. Auf Be-
fehl des Padischah wurden, in den Gängen des Basars,
täglich hundert der Gefangenen enthauptet ; kemer von
ihnen bekannte sich zum Islam , keiner flehte um sein
Leben. Die Singh stritten sich im Gegentheile um die
Ehre, wem zuerst die Seligkeit des Märtyrthums zu Theil
werden sollte. Endlich kam auch die Reihe an Banda.
Man gab ihm den Sohn in die Haud und befahl dem Va-
ter, ihm eigenhändig die Gurgel entzweizuschneiden;
Banda gehorchte sogleich, ohne einen Laut von sich zu
geben. Jetzt ward ihm selbst mit glühenden Zangen das
Fleisch vom lebendigen Leibe gerissen, bis er unter den
furchtbarsten Qualen, die er mit der grössten Standhaf-
tigkeit ertrug, sein Leben geendet hatte. Banda's Gesicht
hatte einen angenehmen Ausdruck und zeugte von Ver-
stand und Einsicht; dies bewog einen Vertrauten des
Ferochsir, das Haupt der Sikh mit folgenden Worten an-
zureden: Es ist mir unbegreiflich, dass ein Mann, aus
dessen ganzem Wesen so viel Verstand und Scharfsinn
leuchtet und der auch in der That ausserordentliche Be-
weise seiner mannichfachen Fähigkeiten sreffeben hat: es
ist unbegreiflich, dass solch ein Mann sich so schreck-
32
lieh ruchlose Thaten zu Schulden kommen lassen konnte,
die ihm nothwendig, in dieser wie in jener Welt, zum
Verderben gereichen müssen. Banda soll, ohne das Ge-
sicht zu verändern, hierauf Folgendes erwidert haben:
Wenn die Menschen in dem Grade lasterhaft und schlecht
werden, dass Redlichkeit und Gerechtigkeit keinen Schutz
mehr finden auf Erden, dann erweckt die Gottheit ge-
wöhnlich solch eine Geissei, wie ich war, um die böse
Rotte zu verderben. Sind die Menschen gehörig bestraft,
dann wird ein anderer Mann bestellt, um den Züchtiger
zu züchtigen. So wenigstens lautet die Nachricht in den
freilich parteiischen Berichten der muhammedanischen Ge-
schichtschreiber *). Nach dieser grossen Niederlage, nach
der Hinrichtung ihres Häuptlings und ihrer vorzüglichsten
Anführer suchten und fanden die kleinen Häuflein der
entronnenen Sikh in den Alpenlandschaften und Schluchten
am südlichen Abhänge des Himalajagebirges eine sichere
Zuflucht. Sie standen wohl zu diesem Zwecke, um sich
einen Rückzug offen zu halten, schon seit längerer Zeit
mit den einheimischen Radschah dieser Gegenden in freund-
lichen Verbindungen. Die Singh erschienen zuerst wie-
derum im offenen Lande, während der Wirren, welche
nach dem Rückzuge Nadir Schah's in Hindostan sich er-
hoben ; wir finden sie als Räuber und Wegelagerer auf
ihrem alten Tummelplatze, im FünfFlussgebiete.
Die Lasten der Landbesitzer dieser Gegenden waren
nach dem Rückzuge Nadirs unerträglich; die unglück-
lichen Unterthanen des grossmongolischen Reiches sollten
1) Siyar ul Mutakherin 180. Scott, Dekkan II. 145. Es giebt eine
Sekte der Sikh, welche behauptet, Banda sey entkommen, dann
eines ruhijs^en Todes gestorben und habe seine zwei Söhne als
Lehrer der Kirche hinterlassen. Malcolm 82.
33
die ausgeleerten Staatskassen zu Delhi durch ihren Schweiss
wieder anfüllen ; man war unbarmherzig genug, ihnen^ die
ohnedies so viel gelitten hatten, noch zuzumuthen^ die
Beute und den Rauh des Eroberers zu ersetzen. Die Be-
wohner des Pendschab waren aber ärger gepeinigt als
die anderen Provinzen ; da sie vermöge des Friedens
Nadir gehörten, so verlangte man von ihnen, dass sie die
Summen erschwingen sollten, zu welchen 3Iuhammed Schah
sich verpflichtet hatte. Wird ihm die bürgerliche Gesell-
schaft unerträglich, so tritt der Bessere und Tüchtigere
hinaus, ergreift das Räuberhandwerk und wird der Feind
aller derjenigen, die sich der bestehenden T>Tannei fü-
gen, die durch Dulden oder Handeln sie unterstützen.
Es tritt der Mensch in den ursprünglichen Zustand vor
der Gründung der grossen Staatenvereine zurück und ist
vollkommen in seinem Rechte. So auch die Landbesitzer
aus dem Dschatstamme im Pendschab. Um sich von dem
sklavisch gehorchenden Volke und den muselmanischen
Herrn auch äusserüch zu trennen, schwangen sie die
Fahne des Guru Govind. Wah Gurudschiki Fateh, Heil
und Sieg den Ji'mgern des Guru, ward das Losungswort,
unter welchem sie sich schaarten und gegen ihre Tyran-
nen erhoben. Die Heiligkeit dieser Formel entschuldigte
Mord und Raub; in ihrem Namen konnte man jede
Schandthat begehen.
Die Bauern des Pendschab vertauschten jetzt die
Pflugschaar mit dem Schwerte. Rottenweise Hessen sie
sich, vermittelst der Einweihungsceremonie des Wasch-
trankes, unter die Fahnen des Guru Govind anwerben,
wählten dann ihre Hauptleute, fielen Dörfer und Städte
an, raubten und mordeten. Es waren dies anfängUch
Banden von zehn bis zwanzig Personen, in dem Hindi-
dialekte des Landes Dscharwi oder Stras§enräuber ge-
V. 3
34
nannt, welche ohne allen Zusammenhang unter sich selbst^
auf eigene Gefahr und zum eigenen Vortheil^ auf Beute
ausgingen, wovon allen Genossen gleiche Theile gereicht
wurden. Der Name eines kühnen glückHchen Anführers
ward bald^ wie dies zu geschehen pflegt^ auf einer grossen
Landstrecke bekannt; er hatte nun am meisten Zulauf;,
zu ihm zogen die grössten Waghälse, die wildesten
grausamsten Kerle. Der erste Raub ward gewöhnlich auf
gute Interessen angelegt : man schaffte sich damit bessere
Waffen ; man rüstete sich^ um grössere Züge unterneh-
men und reichere Beute machen zu können. Bald fühlte
die Bande sich kräftig genüge ganze kleine Distrikte zu
besetzen 5 hier wurden nun zum Trotze der Statthalter
von Lahor offene Lager, Dehras geheissen, aufgeschlagen,
aus welchen in der Folgezeit, wie aus denen der rö-
mischen Legionen, mehrere grössere Ortschaften und
Städte hervorgegangen sind. Wenn der Heerbann der Se-
mindare, wenn die ilmen an Anzahl überlegenen Reiter-
schaaren der Nawab sich versammelten und die Banden
umzingeln wollten, so liefen die Räuber eilends in den
verschiedensten Richtungen auseinander, zogen sich dann,
wie vorher verabredet, nach einem bestimmten Vereini-
gungsplatze zurück, in die Moorlande des Nordens oder
in die schwer zugänglichen Thäler der südlichen Abhänge
des Himalaja. War die Gefahr vorüber, hatte sich die
Landmiliz aufgelöst und waren die Truppen der Regie-
rung in ihre Garnisonen zurückgekehrt, dann brachen die
Sikh aus ihrem Verstecke hervor und begannen das Räu-
berhandwerk von neuem. So verfuhren sie auch, sobald
der Afghane Ahmed Schah das Fünfflussgebiet überzog;
nur einigemal waren die Jünger Govind's unvorsichtig
genüge sich von den Durani überraschen zu lassen, und
wurden daim schonungslos niodergcmotzelt. Eine Nieder-
35
läge unfern Lodianah (1762) ist unter dem Namen
Chalu Ohara oder das Blutbad berühmt; es sollen nach ei-
ner Angabe fünf und zwanzig, nach einer andern viel
wahrscheinlichem zwölf tausend Mann auf dem Platze
gebUeben seyn*).
Unter diesen Umständen erhoben sich die Vorfahren
des Ranadschit Singh schon ziemlich frühe zu überwie-
gender Macht. Von dem Bauersmann Disu, dem Urahn
der fürstlichen Familie des Pendschab, ist weiter nichts
bekannt^ als dass er ein Dschat war aus dem Sansi Klane
und drei Hufen Landes besass mit einem Brunnen darin ;
nach den Brunnen wird nämlich im Pendschab an den
Plätzen, wo die Flüsse zur Bewässerung nicht verwendet
werden können, der Besitz gerechnet*); dieser Bauer
wohnte in dem Dorfe Sukardschak^ in dem Distrikte
Mandschhi, zwischen dem Ravi und Bayah gelegen- Sein
Sohn Xodh Süigh freite um die Tochter eines benach-
barten Gutsbesitzers, Gulab geheissen^ welcher sich be-
reits zur Religion des Nanak bekannte. Der Uebertritt zu
dem Glauben der Familie der Braut war die Bedingung
der väterlichen Einwilligung ; der junge Bauersmann schlug
ein; er verkaufte sein Erbe, gürtete ein Schwert um die
Hüften^ nahm eine Fünte auf den Rücken^ setzte sich
aufs Pferd und ward Freibeuter in der Bande eines be-
rühmten Häuptlings. Kapur Singh. Nach dem Tode des
Nodh (1760) verschmähte es sein Sohn Tscharat Singh,
unter einem Hauptmann zu dienen ; er trennte sich von
der Bande und war glücklich genug, mit Hülfe seiner
1) Pbixskp, Origin of the Sikh Power. 24. 85.
2) HuKGEL, Kaschmir und das Reich der Siek. 111. 339. In dem Fünf-
iassgebiete hat der beste Boden ohne Wasser keinen Wertt,
bringt kerne Ernte, sondern nur nnbranchbares Gr«stnippe.
36
Brüder eine neue auf die Beine zu bringen^ die bald durch
Kühnheit und Glück einen grossen Ruf erlangte. Durch
den Einfluss der Familie seiner Frau erhielten die Räu-
ber in einem Dorfe unfern Lahor einen sichern Schlupf-
winkel, der vortrefflich gelegen war zu Raub- und Plün-
derungszügen gegen die reichen Bewohner der Kreishaupt-
stadt. Tscharat erhielt bald einen grossen Ruf und ausser-
ordentlichen Zulauf; die nächste Umgegend, selbst die
Strassen Lahor's wurden unsicher. Der Afghanische Statt-
halter musste sich endlich zu einem Kampfe mit den
verwegenen^ an Zahl täghch zunehmenden Banden ent-
schliessen. Seine eigenen Truppen dünkten ihn aber nicht
hinreichend zu diesem Unternehmen ; der Commandant von
Lahor entschloss sich nun in einer unglücklichen Stunde^
andere Sikhbanden in Sold zu nehmen, um sie gegen die
mächtigen Haufen des Tscharat zu führen. Sie gingen^
wie zu erwarten war^ mitten im Treffen zu ihren Brüdern
über; der Afghane musste sich glücklich schätzen^ auf
einem flüchtigen Pferd entrinnen und seine Schmach in-
nerhalb der Mauern Lahors verbergen zu können. Sein
ganzes Lager^ all sein Kriegsgeräthe fiel in die Hände
der treulosen Sikh (1761).
Was half es^ dass Ahmed im folgenden Jahre her-
beieilte und die Räuberhorden züchtigte^ dass er den
Tempel der Sikh zu Amritsir in die Liift sprengen und
den heiligen Wasserbehälter mit dem Blute und den Ein-
gewciden der heiligen Kühe verunreinigen liess^ — ein
furchtbares Verbrechen in den Auffcn der Jünger des Guru
Govind. Kaum dass die Nachricht erging^ der König der
Durani sey über den Indus zurückgekehrt^ so krochen
die Sikh aus ihren nördlichen Thalschluchten und Sumpf-
waldungcn hervor^ strömten haufenweise nach Amritsir
und hielten eine Volksversammlung, um sich über die Un-
^
ternehmungen, wie man an dem Feinde blutige Rache
nehmen könne^ zu berathen ; es hatte nämlich für den Au-
o-enblick die gemeinschaftliche Gefahr alle Bandenführer
vereinigt. Zuerst zogen die Räuberschaaren nach dem be-
nachbarten^ von Muhammedanern bewohnten Kasur. Der
Ort ward eingenommen und rein ausgeplündert. Durch den
Erfolg ermuthigt und durch die grosse Beule j die sie in
Kasur machten^ zu weiterem Raube angetrieben^ beschlossen
die Sikh ihre ganze Macht zu veremigen, sie sollen
damals bereits vierzig tausend Bewaffnete gezählt haben^
und Sirhind anzugreifen. Die Muselman A\Tirden geschla-
gen und der Befehlshaber dieses bedeutenden Platzes blieb
selbst im Treffen. Die Wuth der glaubenstollen Sikh gegen
diese wichtige volkreiche Stadt kannte keine Gränzen ; denn
hier wurden die Söhne^ hier ward einer Sage nach Guru
Govind selbst durch Wasir Chan^ den Statthalter Orang-
seb's^ zu Tode gemartert. Sie machten Sirhind zu einem
Schutthaufen und auch nicht ein Haus blieb unversehrt.
Sirhind ist heutigen Tags noch den Sikh ein verhasster
Ort. Einen Stein gegen diese verruchte Stadt zu werfen^
drei Ziegel von den Wällen abzubrechen und sie in die
benachbarten Flüsse Setledsch oder Dschamna zu schleu-
dern^ gilt für eine verdienstliche Handlung unter den Jün-
gern Govind's *).
Ahmed erschien neuerdings (1763), ohne aber gegen
die flüchtiffen Sikh etwas ausrichten zu können. In den
Ruinen Sirhind's hörte er von einem Aufstande zu Kan-
dahar ; er musste mitten im Sommer längs des westlichen
Ufers des Setledsch und der Wüste nach 3Iultan und von
da nach der Heimath eilen, um daselbst die Ruhe her-
1) Prixskp 86. Elphinstonb, Xrcount of the Kingdom of Cabuh
II. .358.
38
sustellen* Seine Durani; Balutscheii und üsbeg litten furcht-
bar, sowohl von der Hitze Indiens wie von der Kälte
Afghanistans, wo sich damals der Winter sehr früh ein-
gestellt hatte. Nur noch einmal zog der König nach Hin-
dostan (1767); aber auch diese Heerfahrt blieb erfolglos.
Wie Raben umschwärmten die Sikhreiter das nach der
Heimath zurückkehrende Heer der Durani, beunruhigten
bald diese bald jene Seite, plünderten das Gepäcke und
mordeten die Nachzügler. Hielt man Stand um sie zu
züchtigen, so waren sie in der Eile auf und davon. Dies
erregte solch einen Missmuth unter den Afghanen, dass
sie gradezu erklärten, in Indien würden sie nicht mehr
dienen. Ahmed musste also der Nothwendigkeit nachgeben
und die Sikh in den beiden Provinzen Lahor und Sirhind
gewälu-en lassen. Ihre Macht verbreitete sich nun in der
grössten Schnelle über diese Länder; Lahor ward ge-
nommen (1764) und unter vier Häuptlinge getheilt. Je-
der Sirdar suchte unter der allgemeinen Verwirrung, so
weit seine Macht reichte, Land an sich zu reissen. Die
zahlreichen Häuptlinge erkannten Niemand als Oberherrn ;
Niemand hatte das Recht sie zur Rechenschaft zu zie-
hen ; es waren auch, nachdem die ursprünglichen Einrich-
tungen im Laufe der Zeit ihre Geltung verloren, keine
allgemeinen Satzungen vorhanden, nach welchen eine
Herrschaft eingerichtet und ein bürgerliches Regiment ge-
führt werden konnte. Zu einem tüchtigen bewährten Häupt-
ling schlugen sich Verwandte, Freunde und Abenteurer,
welche säramtlich auf ein gleiches Ziel losgingen. Nicht
um die Gunst des Herzogs noch «m Sold diente und
gehorchte man dem Führer; gleiche Theilung alles Er-
worbenen, sey es liegende oder fahrende Habe, Menschen
und Vieh, sie wurden beide nur als Sache betrachtet, war
die stillschweigende Bedingung. Das eroberte Land gc-
hörte gleichmässig der ganzen .Genossenschaft, Misal ge- '-'
nanut; dem Herzog gebührte im Kriege die Anführung,
mid auch im Frieden hatte er, nicht durch ein Recht,
sondern durch seine Stellung und sein Ansehen bei der
Genossenschaft^ eüie Art schiedsrichterlicher Gewalt. Man
gehorchte ihm nur in so weit als es das eigene Interesse
oder in gefahrlichen Zeitläuften das Wohl des Ganzen er-
heischte. Jede Genossenschaft handelte übrigens in allen
vorkommenden Angelegenheiten, wie es ilir gut dünkte,
ohne nach dem Treiben der Andern zu fragen. Doch fan-
den beim Beginne des Sommers und Winters, im April
und Oktober, zu Amritsir Versammlungen aller Häupt-
linge und Gaugrafen statt, wo über die allgemeinen wich-
tigen Interessen des Volkes, wie über grössere gemein-
schaftliche Kriegszüge der streitenden Kirche, Dal genannt,
berathen und Beschluss gefasst \\'urde. Bei solchen feier-
lichen Gelegenheiten badete sich Jeder zuerst in dem hei-
ligen Weiher, ging dann zu der Gurumata und sprach,
wie Einsicht und Vortheil es geboten.
Das Haupt der Genossenschaft hatte die Verpflich-
tung, die Länder, Städte und Dörfer, je nach dem Ver-
dienste der Einzelnen und in Verhältniss zu den Rossen
und Summen, die er zur Bande mitbrachte, unter die
Gesellen zu vertheilen. Dem Anführer ward zuerst sein
Theil ausgeschieden, der natürüch den des gememen Freien
weit übertraf, und dann erst den Andern die Marken und
Aecker Landes angewiesen. Sie gehörten ihnen von nun
an als freies, keiner Abgabe unterworfenes Eigenthum^);
doch durfte Niemand sein Gut an einen fremden, zur
1) Dem Kundigen wird die Aehnlichkeit mit den Einrichtungen der
Deutschen Stänune, nachdem sie sich innerhalb der ehemaligen
Provinzen des Römischen Reiches niedergelassen hatt«n, nicht
entgehen. Gblmm, Deutsche Rechtsalterthümer 846.
40
Genossenschaft nicht gehörigen Mann verkaufen. Er konnte
aber^ wenn ihn die Noth dazu zwang, sein Loos ver-
setzen und bestimmen, wem und unter welchen Bedingun-
gen das Erbtheil zufallen solle. Stirbt ein Sikh, ohne einen
letzten Willen zu hinterlassen, so wird -mit dem Erbe
nach dem verschiedenen Gewohnheitsrechte in den ver-
schiedenen Klans verfahren. Bald wird alle liegende und
fahrende Habe gleichmässig unter die männlichen Nach-
kommenschaft vertheilt, nur dass der älteste Sohn ein
doppeltes Loos erhält 5 bald wird das Besitzthum in gleiche
Theile an die Mütter vertheilt, zum Besten ihrer Söhne ;
bald auch als Majorat betrachtet und ungetheilt dem äl-
testen Sohne überlassen. Es sind dann zum Unterhalte
der Jüngern Familienglieder eigene Landestheile ausge-
schieden. Stirbt ein Sikh, ohne männliche Sprossen zu
hhiterlassen, so erben die Wittwe oder Wittwen, der äl-
teste Bruder oder seine männliche Nachkommenschaft. Um
den Streitigkeiten über die Hinterlassenschaft so viel als
möglich vorzubeugen, wirft der männliche Erbe ein weisses
Kleid über die Wittwe oder Wittwen, steckt ihnen einen
Ring durch die Nase und sie werden jetzt als seine recht-
mässigen Frauen betrachtet*}. Sie müssen, so will es die
Landessitte, dieser Nothwendigkeit sich fügen und in den
Harem des neuen Besitzers wandern. Sind weder Söhne
noch Brüder und Neffen vorhanden, so theilen gewöhn-
lich die Wittwen unter sich nach gleichem Masse ; wie
es aber bei ihrem Tode gehalten wird, linden wir nir-
gendwo angegeben. Unter solchen Erbgesetzen ward das
Besitzthum nach und nach in viele Theile zersplittert;
die Gemeinen verarmten und verloren bald, einem mäch-
tigen Häuptling gegenüber, ilircn ganzen Einfluss, — ein
1) So auch bei den Afgluineu.
41
Umstand^ welcher viel zur schnellen Erhebung der Macht
des Tscharat Süigh und seiner Xaehkommen beigetragen
hat. Die wenigen bedeutenden Familien der Muhamroedaner
und Hindu^ welche sich unter der eisernen Herrschaft der
Sikh behaupten konnten^ verliessen deshalb die Anord-
nungen ihrer Gesetzgeber^ des Manu und Muhammed ; sie
haben besondere Erbgesetze entworfen, damit das Be-
sitzthum des Hauses beisammen bleibe und sie nicht aller
Macht ^ alles Einflusses in dem Gemeinwesen beraubt
würden').
Selbstwelir und Selbsthülfe war die Norm in allen
Streitigkeiten der Genossen untereinander; beide ^ der
Beleidigte wie der Beleidiger, forderten ihre Verwandt-
schaft, ihre Freunde und Mannen auf und es begann dann
eine Blutfehde, Gaha genannt, welche so lange dauer-
te, bis sich die Parteien zu einem Austrage oder Sühne
verstanden. Aus diesem Grunde \vurden alle Höfe mit
Gräben und Schanzen umgeben und selbst die Häuser
in den Städten, wie in den mittleren Jahrhunderten des
Westens, burgartig gebaut. Die unterworfenen Provin-
zialen sind ganz zu Knechten herabgesunken und dem
Willen ihres Herrn preisgegeben ; er mag Geldstrafen
über sie verhängen, sie einsperren und auf andere Weise
misshandeln, — der Provinziale kann bei Niemand klagen^
Niemand kann ihm helfen. In einem spätem Zeitraum der
staatlichen Entwicklung; des Sikhvolkes hatten die Sirdar
die Macht errungen, zur Sühne grober Verbrechen und
Vergehen Geldstrafen zu erheben, welche nach demReich-
thum des Schuldigen angesetzt wurden. Es ward und ist
dies heutigen Tags noch eine reiche Fmanzquelle für die
Häuptlinge und ihre habsüchtigen Beamten ; es werden zu
1) Pkinsep 33. 35, 19&— 801.
42
dem Endzwecke alle 3Iittel_, alle Peinigungen angewen-
det^ um wirkliche oder Scheinverbreclier zum Geständ-
niss zu bringen. Zahlen muss Alles, der Gewinnende
ein Geschenk; der Verlierende eine Strafe. Auch das
scheusslichste Verbrechen kann das erste Mal mit Geld
gesühnet werden; wiederholtes Blutvergiessen wird aber
mit dem Verluste der einen oder beiden Hände^ der Nase
und Ohren bestraft. Die Todestrafe kommt nur in äusserst
seltenen Fällen zur Anwendung. Das gestohlene Gut muss
die Gemeinde oder der Häuptling ersetzen ; wollen sie sich
nicht hiezu verstehen^ so wird ihnen zur Vergeltung das
Vieh fortgetrieben oder die Ernte weggenommen. Wenn
die Fussstapfen des gestohlenen Viehs zu den Gemarken
eines Dorfes nachgewiesen werden können ; so muss die
Gemeinde für das Gestohlene haften oder die Fussstapfen
jenseits ihrer Gränzen nachweisen. Wegen dieser Grän-
zen entstanden aber, nach der Niederlassung der Sikh im
Fünfflussgebiete ^ viele Streitigkeiten. Die früheren Eiu-
und Abtheilungen aus der Herrschaft des Padischah von
Delhi, die von den Kanundschis oder Normgebern be-
richtet werden, waren aufgehoben ; die Gemeinden suchten
bald dieses bald jenes Land an sich zu reissen^ und die
Zwistigkeiten über Marken^) und Almendi führten nicht
selten zu Mord und Todtschlag. Obgleich später allent-
halben Fünfmännergerichte '^) angeordnet wurden, um das
Recht zu finden, so gehören doch die Zwistigkeiten über
die Marken heutigen Tags noch zu den am häufigsten
vorkommenden').
1) Das Wort nämlich in dem Sinne des 6esanimt«igenthums einer 6e-
oossenschaft genommen. GaniM, Deutsche Hechlsaltert/i. 497.
8) Das Pantschayat, wie andere bürgerliche Gebräuche der Hindu,
findet sich auch bei den 8ikh.
3) PjuKPKP 34. 801,
43
Neben diesen gleich berechtigten Genossenschaften gab
es noch drei andere^ die aus den verschiedenen Verhält-
nissen der Häuptlinge^ welche bereits bestanden^ als sie
sich ursprünglich zusammenfanden^ hervorgingen oder aus
den Bedinffunsren, unter welchen einzelne Genossen auf-
genommen wurden. Häuptlinge geringer Macht schlössen
sich nicht selten an mächtige Misal an und erhielten zur
Belohnung ihrer Dienste, je nach dem Gutdünken der
Markgenossenschaft^ mehr oder weniger Hufen Landes.
Crefiel den Misaldar, wie diese Häuptlinge genannt werden^
die Verbindung nicht; so konnten sie ihr Besitzthum ver-
äussern und sich nach einem andern Gau begeben. Nicht
selten waren die Sirdar auch von einem mehr oder minder
zahlreichen Gefolge oder Gesinde umgeben_, das den Befeh-
len des Herrn unterworfen war. Die Ländereien, welche dem
Gefolge aus dem AUod des Herrn angewiesen wurden,
können aus diesem oder jenem Grunde wieder eingezo-
gen werden; doch ist es auch den Tabadar, so heisst dieser
Stand unter den Sikh, gestattet, dem Häuptling den Dienst
zu kündigen und zu gehen, wohin Vortheil oder Lust Um
zieht. Nicht selten verleiht der Sirdar kleine Theile seines
Besitzthums an arme Verwandte oder dürftige Glieder der
Genossenschaft, an Glücksritter oder Günstlinge, welche
dafür sich zu allerlei Dingen, namentlich zu Kriegsdien-
sten verpflichten müssen und deshalb Dschagirdar heissen.
Zieht der Häuptling zum Kampfe aus, so müssen sie auf-
sit^n, sich wohlgerüstet um ihn versammeln und auf
eigene Kosten dienen ; diese Lehen können zu jeder Zeit
wieder eingezogen werden. Die Markgenossenschaft hat
natürhch hiebei gar keine Stimme ; denn es handelt sich
ja bloss um das freie Eigenthum des Sirdars, welches er
nach Belieben verwerthen kano. Es stand übrigens einem
Jeden frei, einen Theil seines ächten Eigenthums für wohl-
44
thätige Zwecke^ an geistliche und Bildungsanstalten zu
vermachen ; die Hufen Landes gehörten dann diesen from-
men Stiftungen auf ewige Zeiten ; Niemand ist, unter
keinerlei Verwand^ befugt^ sie ihnen zu entreissen.
Zwölf Misal oder Markgenossenschaften waren jetzt
vorhanden, welche^ das dienende Gesinde nicht mitge-
rechnet^ siebzig tausend berittene Krieger liefern komiten.
Die gemeinschaftliche Gefahr hatte diese frechen Haufen^
welche auch dem ärgsten Verbrecher die Aufnahme ge-
statteten^ verbunden und bis jetzt von gegenseitigen blu-
tigen Fehden abgehalten. Als sich aber die Durani aus
dem Pendschab zurückzogen und das Schwert der Rache
nicht mehr über den Häuptern der Jünger Govind's schwebte^
fielen sie selbst über einander her und zerfleischten sich
gegenseitig. Es war des Rauhens^ Brennens und Mordens
kein Ende ; Gräuel auf Gräuel folgten in unendlicher
Reihe. Die Geschichte der Sikh dieser Zeiten bildet ein
würdiges Seitenstück zu dem verruchten Treiben der
Nachkommen des merowingischen Chlodowig. Unter den
zahlreichen Raubrittern ragten aber bald Tscharat Singh
und Maha Singh^ Vater und Sohn, hervor ; nicht weil sie
menschlicher, weil sie milder gewesen wären, als die an-
dern mord- und blutdürstigen Gesellen. Keineswegs. Un-
ter den Reiterschaaren der Sikh hatten solche Eigen-
schaften keinen Werth ; ja sie galten im Gegentheile für
schandbare weibische Schwäche. Tscharat Singh und Maha
Singh erhoben ihre Macht und ihren Namen durch grän-
zenlose Gewaltthätigkeiten; wo diese nicht ausreichten,
nahmen sie zu Hinterlist und Vorrath ihre Zuflucht. Solch
ein wildes gefahrvolles licben kommt selten zu hohem
Alter; Tscharat starb (1774) und hatte noch nicht die
fünfzig erreicht. Der Räuberhauptmaun konnte jetzt seiner
Familie, die aus zwei Söhnen und einer Tochter bestand,
45
eine Herrschaft hinterlassen, mit einem jährlichen Ertrage
von sechszig tausend Gulden schweren Geldes. Maha
Singh^ der älteste Sohn und Erbe, war damals bloss
zehn Jahre alt ; da hielten mehrere untergeordnete Häupt-
linge die Gelegenheit für günstig, sich mit den Ihrigen von
der Markgenossenschaft zu trennen, um selbständige Herr-
schaften zu gründen. Die Freunde des Maha Singh handelten
schnell und entscheidend ; bevor noch die Pläne dieser Sirdar
ganz reif waren, wurde einer derselben mit Heeresmacht
überzogen und als Verräther der Genossenschaft durch
den Verlust des Landbesitzes bestraft. Dies schreckte die
Andern ab und der Misal ward zusammengehalten.
Unter den Hindu verloben die Aeltern oder die näch-
sten Verwandten nicht selten Kinder von zwei bis drei
Jahren; die Sikh haben diese wie viele andere brahma-
nische Sitten beibehalten. Die Heirath wird in der er-
sten Zeit der Mannbarkeit, im eilften, zwölften oder drei-
zehnten Jahre geschlossen. Maha Singh war ebenfalls
von seinem Vater als Kind mit einem Mädchen des Dschind
Klanes verlobt worden; im zwölften Jahre geschah die
Vermählung auf dem östlichen Ufer des Setledsch, un-
ter dem Zuströmen einer Menge Häuptlinge des Sikh-
volkes. Zwei Jahre hernach (2 November 1780) ward
ihm der Sohn Ranadschit geboren. Die Pocken befielen
das Kind in so heftiger Weise, dass eine Zeit lang selbst
sein Leben in Gefahr schwebte; nur grosse Geschenke
an Brahmanen, an heilige Einsiedler und Kirchen, so glau-
ben die Aeltern, haben den Sohn vom Tode errettet. Aber
auch das inbrünstigste Gebet der Frommen war nicht im
Stande, das Augenlicht unversehrt zu erhalten. Rana-
dschit verlor ein Auge, und auf seinem Gesicht blieben
eine 3Ienge widerlicher Spuren dieser furchtbaren Krank-
heit zurück, die sich niemals verloren.
46
Um diese Zeit hatten die Bhangdschi^) Sikh^ die
mächtigste Genossenschaft des Volkes^ Multaii und Bha-
walpur eingenommen und in diesen reichen Städten nach
ihrer Weise furchtbar gehaust. Dies zog ihnen die Ra-
che der Durani auf den Hals. Timur kam eilends von
Kabul herbei (1781); die Räuber wagten es den Afgha-
nen in einer offnen Schlacht entgegenzutreten^ erlitten
aber solch eine furchtbare Niederlage^ dass die ganze
Genossenschaft auf einige Zeit gesprengt wurde ; sie
konnte sich von jetzt an nie mehr zur ehemaligen Stärke
emporschwingen. Ein grosser Theil derselben wendete
sich zu Maha Singh und die Macht dieses Häuptlings
ward dadurch sehr erweitert '^}. Noch mehr war dies der
Fall durch die Verlobung seines Solmes Ranadschit mit
Mehtab Kunwar, aus dem Hause der Ghanni^) Sirdars^
so wie durch den kräftigen Beistand, welchen Maha Singh
dem Ramgharia ^) Sirdar und dem Radschah des Gebirgs-
landes Kangra in einer Fehde mit ihren Nachbarn leistete.
Jetzt schon war Maha Singh der mächtigste Fürst des
ganzen Fünfflussgebietes; nach und nach ward es Sitte^
in allen Streitigkeiten^ wo die Selbsthülfe nicht ausreichte,
ilm zum Schiedsrichter der kämpfenden Parteien zu er-
nennen. Hiedurch entstand eine verhältnissmässige Ruhe
und Ordnung^ wie man sie seit vielen Jahrzehnten nicht
1) Die Genossenschaft hat ihrea Namen von dem häufigen Gebrauche
eines Rauschlrankes, aus den Blättern der Hanfpflanze bereitet,
Bhang genannt; sie war damals die mächtigste und konnte xeho
tausend Reiter ins Feld stellen.
8) Prixsbp 48. Elphinstonk, Cabtil 11. 359.
3) Der Ort Ghanni liegt östlich von Lahor; diese Genossenschaft
zählte drei tausend Heiter.
4) Ramgharia ist ebenfalls ein Ort östlich von Lahor; diese Ge-
nossenschaft zählte drei tausend Reiter.
47
wekannt hatte. Mit Freuden sah die Masse der Bevöl-
kerung emer dem allgemeinen Räuberwesen steurenden
Herrschaft entgegen *}.
Maha Smgh starb bereits im siebenundzwanzigsten
Jahre seines Alters (1 792) ; er vrird von seinen Lands-
leuten als ein Muster eines ächten vollkommenen Sir-
dars gepriesen. 3Iaha war tapfer und klug und steuerte
rasch auf das Ziel los, um Recht und Menschenleben
unbekümmert. In seinem siebzehnten Jahre kündigte er der
eignen Mutter den Gehorsam und Hess ihr nicht den ge-
ringsten Einfluss auf die Regierung. Später ermordete
sie der Sohn mit eigener Hand 5 er wollte sie in einem
Ijiebeshandel mit einem Brahmanen überrascht haben^ —
eine Gräuelthat^ welche dem Fürsten in den Augen sei-
ner verwilderten Landsleute nicht im Geringsten schadete.
Nach dem Tode dos Maha übernahm die Mutter Rana-
dschit's die Vormundschaft ihres jungen Sohnes, des ein-
zigen^ welchen der Sirdar hinterliess^ und die Regierung
des Landes ; sie ward hierin durch den ersten Beamten
des verstorbenen Fürsten^ Lachu Singh, unterstützt.
Von einer eigentlichen Erziehung Ranadschit'S war
keine Rede ; niemals lernte er irgend eine Sprache le-
sen oder schreiben. Wozu jugendliche Lust und Muth-
willen^ wozu die früherwachte Sinnlichkeit des südlichen
Landes und aufbrausende Leidenschaften ihn antrieben^
dies Alles ward ihm, vielleicht mit Absicht^ in vollem
Masse gestattet. Wahrscheinlich wünschten die Vor-
münder^ der Jüngling möge sich zu Grunde richten,
damit ihnen die Herrschaft bliebe. Das wilde Feuer des
Vaters floss in den Adern des Sohnes ; dem erhabenen
Muster des Maha ahmte Ranadschit nach; es ward nun
1) Prinskp 46.
48
jedes Verbrechen^ durch angebliche kindliche Pietät^ ge-
heiliget oder doch wenigstens* beschönigt. Auch hatte
der Jüngling an seinem Onkel Dal Singh einen würdigen
Rathgeber. Zuerst suchten sie die Vormünder aus dem
Wege zu räumen. Den ersten Minister Lachu sandte man
gegen einige aufrührerische Gutsherrn ; auf diesem Zuge
ward er, bei Gelegenheit eines Wortwechsels, der zu-
fällig entstand oder absichtlich hervorgerufen wurde^ er-
mordet. Der junge Ranadschit und sein Onkel geriethen
in Verdacht; sie hätten diese That veranlasst. Bald dar-
auf ward die Mutter des jungen Fürsten *), unter einem
ähnlichen Verwände^ welchen der Vater bei der seinigen
angewendet hatte^ vergiftet (1797). Jetzt war der jun-
ge Sirdar sein eigner Herr ; er athmete freier und suchte
auf der Bahn fortzuschreiten, die Vater und Grossvater
ihm vorgezeichnet hatten. Ranadschit verstand es, durch
Gewalt und Hinterlist, die republikanischen und aristo-
kratischen Einrichtungen seines Volkes zu brechen und
an deren Stelle eine unvernünftige Willkürherrschaft
zu errichten ; wie sie so häufig gefunden wird in der
Geschichte des Morgenlandes.
Carl Friedrich Neumann.
>♦©»«>-
1) Es' scheint dies eine Sitte der jungen Despoten. So heisst es !n
einem Bruchstüclce der Geschichte des Sallustius: Mithridates
extremu pucritia regnum ingressus, niatre veneno interfecta.
Doss JNero dasselbe that, ist bcliannt.
49
II.
Heber einige Syrische Oediclite
des
Ciresorlus Barliebraus.
Bereits vor mehreren Jahren schon erschienen einige
fnr Freunde der Syrischen Sprache nicht uninteressante
Blätter unter dem Titel: Ore^orü Barbebraei
carmina N^iaca — edidit Caesar a Lengerke.
Regiomonti Borussorum 1836. Die kleinen darin enthaltenen
Gedichte sind als Frühlingsliedchen und Nachahmungen
Persischer Dichtkunst nicht ganz ohne Verdienst ; mit den
Leistungen Herrn li e n g e r k e's aber bei ihrer Herausgabe
kann man wenig zufrieden seyn^ da sowohl der Text als
auch die Uebersetzung öfter sehr fehlerhaft ist.
Es wird zwar in irgend einer gelehrten Zeitschrift
wahrscheinlich schon über diese Arbeit gesprochen wor-
den sejTi ; da aber der Unterzeichnete in seinem Alpen-
winkel keine Beurtheilung noch kennen gelernt hat, hält
er es nicht für ganz überflüssig^ seine Bemerkungen über
dies Werklein bekannt zu machen, falls noch wirklich
keine Stimme darüber laut geworden wäre*). Fern von
1) Eine Recenjsion vonRosoieKR findet sich in derHallisdien ALZ.
1837. n. 70; beide Beurtheilungen, obgleich im Ganzen über-
einstimmend, haben ihr Eigenthümliches. Dem Herrn Verfasser
des obigen Aufsatzes ist es auch unbekannt eebUeben,dass 1837-
V. 4
50
jeder gelehrten Bibliothek kann ich übrigens Manches im
Texte nur aus wahrscheinlichen und leicht sich darbie-
tenden Conjecturen verbessern. Möge diese Arbeit als
ein kleines Scherflein zur Kunde des Morgenländischen mit
gütiger Nachsicht hingenommen werden.
Zuvörderst muss ich schon in der Vorrede von Hn. L.
ein paar Aeusserungen rügen. Der Herausgeber klagt
nämlich^ wie Eichhorn, Herder u. A.^ dass man bei Durch-
suchung der Syrischen Gedichte ,^ad vepres et du-
meta relegatus'^ scheine. Schon zweimal^ nämlich
in der Vorrede zu der (1833 bei Wagner in Innsbruck er-
schienenen) Heiligen Muse der Syrer^ und indem
Vorwort zu den (1840 bei Rauch in Innsbruck erschie-
nenen) Harfenklängen vom Libanon habe ich
mich gegen die aus Unkenntniss der bessern Syrischen
Gedichte entstandene ungerechte Verwerfung der Syri-
schen Poesie freimüthig und nachdrücklich erklärt, und
glaube bei Unbefangenen nicht ohne Erfolg die Ehre der
Syrischen Muse gerettet zu haben. Es Hessen sich in
der That aus dem h. Ephraem, den Ofßcieu der Maroni-
teuj den Märtyrerakten so viele Gedichte von wahrem
und grossem poetischen Werthe zusammenstellen^ dass
sie eine hübsche Chrestomathie abgäben^ für die ich schon
lange einen Verleger wünsche. Es fehlt den Syrern we-
der an lieblichen^ noch an erhabenen Gedichten^ weder an
feurigen lyrischen Ergüssen, noch an schönen Beschrei-
bungen.
Ferner kann ich mit Hu. L. nicht einverstanden seyn.
38 die Particulae II-IV der Carmina erschienen, jedoch wie es
scheint niclit. in den Huchhaiuicl gencbcn sind, von denen wc-
nigstens die /.weite einer gründlichen Kritik von Uobdigkr
H A L Z. Aug. 18.S8. 8. öSl-SS unterzogen ist.
51
wenn er diese Syrischen Gedichtlein für Nachahmungen
Arabischer Gedichte hält ; wer die Arabische und Per-
sische Poesie kennt , wird sie mit mir eher für Xachah-
mungen Persischer Dichtkunst ansehen^ die so gerne vom
Frühlmg; der Nachtigall und Rose singt.
Gehen wir nun zu den Gedichten selbst^ und zur
Beurtheilung des Textes und der Uebersetzung über.
Im 1. dieser Liedchen über den Lenz und die Rose
steht im 2. Verse voo*, nach L. rursus. Allein das
Metrum (das 12sylbige^ oder das 4sylbige, so dass 3
Verse in Einen verbunden sind) fordert noch eine Sylbe,
und so glaube ich^ man müsse ImSjcim lesen. Rursus
heisst im Syrischen vSoZ*
Das Gedicht heisst wörtUch übersetzt:
,^Sieh, der Nisan ist gekommen, und tröstet (and) be-
lebt die Betrübten^
Und mit Blumen kleidet er Berg und Feld in Herrlich-
keit.
Zur Hochzeit der Rose ruft und versanunelt er als Gäste
die Blumen,
Und dass aus dem Brautgemach der Bräutigam hervor-
gehe, bahnt er den Weg.^^
D. h. der Frühling bahnt der Rose den Weg. Rose
ist im Syrischen männlichen Geschlechtes, darUm wird sie
als Bräutigam eingeführt. Ganz falsch übersetzt v. L.
„Et qui ex thalamo egressus est, sponsus viam calcat.
Das ia^ im 2. V. muss in ]'ia^ verwandelt wer-
den, des Metrums wegen , wenn man uicht dem V» ei-
nen Vocal geben will.
Im 2. Gedicht muss im 1. V. das o des vorletzten
Wortes zu A^^] gesetzt und . ..q^ oAo^.| gelesen
werden. Das Wort Zoioj ist als Nebenwort gleich-
52
wie gebraucht. Anstatt des unbekannten l^v^oo) schlage
ich vor y ]rftCnvr> vexatloues^ oder jl^uoco impetus , in-
cursus zu lesen. Unbegreiflich ist^ dass v. L. übersetzte :
Imago sponsarum ornata est, anstatt: sponsarum
instar, ecce^ ornati sunt flores u. s. w.
Wörtlich übersetzt:
„Wie Bräute, sieh, sind geschmückt die Blumen des
Feldes ,
Und haben von den Angriffen des Sturms des Winters
Freiheit erlangt.
Sieh , gelöst ist die Zunge der Cicade, und mit Gesum-
me singt sie,
Und steigt auf den Stengel der Narzisse, und die Myrthe
flüstert der Rose zu.^^
Im 3. Ged. 1. V. muss das 2QiD? wieder adverbi-
aliter mit gleichwie übersetzt werden. L. wieder falsch :
Ecce rosae, imago sponsarum. Das ^ücu» kann
Blumen überhaupt bedeuten.
Das Liedchen lautet:
Sieh, die Blumen gehn wie Bräute aus den Brautge-
mächern
Geschmückt hervor und brüsten sich prangend in der
Schönheit der Farben.
Sieh sinnlos ward die Cicade aus Liebe der Blumen ,
Und singet wie ein Dichter der Rose zu mitten in den
Gärten.^^
Im 4. Gedicht ist meiner Ansicht nach im 1. V. das
,itmoti^] ,o zum Subjekt f^o zu beziehen; das >aAaa)jb
im 2. V. heisst, wenn ich nicht irre, hier „verstellt,
nicht ganz entfaltet, gleichsam heuchlerisch nur
zum Scheine,^^ welche Bedeutung es im Testamente
des h. Ephraem hat. Das a\L^\M »"» 3. V. ist die 1.
53
Person des 1. Aorists, nicht ein Hauptwort, wozuv. L.
es macht, und daher im Lexicon freilich nicht als sol-
ches zu finden. Das folgende JLgdj^A^ im nämlichen V.
ist passiv oder reflexiv und heisst: 'sich schamlos preis-
gebend, offen sich darstellend.
Somit heisst dies Gedicht wörthch verdeutscht :
,,Eine kleine Zeit^ da die Rose noch neu (frisch) war
(d. h. nicht ganz entfaltet ?),
Wollte sie sich verbergen und verstellter Weise mitten
im Garten bleiben.
Dann sah ich sie offen sich darstellen in den Schenken,
Und sich hingeben den Ausschweifenden, wie eine Buh-
lerin/^
Man vergleiche damit v. L. unrichtige Uebersetzung :
,,Tempus brevissimum quum fuisset, rosa
recens cupivit occulle morari in ornatu medio horti;
tunc faciem suam quum develaret in taberna, ani-
mam suam adiecit ad prodigos meretricis simillima.
Bei dem 5. Ged. wage ich im 3. V. die Vermu-
thung, das ^Q^ sey zu lesen ^ic\^, ond bestehe aus
dem anführenden j und der Inlerjection t^^ ohel
Das folgende j^ ist pleonastisch. (Vergleiche Hoffmann
Syrische Grammatik S. 320. n. 6. und Agrellii supple-
menta pag. 210.). Das misertus est von ^Q,^^gibt
keinen passenden Sinn, ist nur gezwungen.
Wunderbariich übersetzt v. L. die letzten Worte des
4. V., laos (]^'o ^ Plural) mit Stern, astrum, d. h.
Ixisoo« Etwas solches kaim doch nur von oberflächli-
cher Eile kommen. Wie kommen etwa Rosen in einen
Stern? Aber ohne Dornen ist keine Rose.
Wörtliche Uebersetzunar :
Zur Rose sprach ich: „Warum willst du in der Hand
und am Busen seyn
54
Jedes Schweigers^ Trunkenen, Wollüstlings und Schlem-
mers V^
Die Rose entgegnete: ,;He du, schweig' und entferne
von mir das Geschrei !
Denn mein Leben ist dem Untergange nah und in die
Gesellschaft der Dornen gekommen."
Dafür V. L. im 3. V. miserere mei apud tc
und im 4. V. vita mea aliud in astrum perveuiet!
6. Ged. Im 2, V. hat v. L. nicht ganz treu über-
setzt: Quidni abdit se formositas, daesheisst
O^idni abdis formositatem tuam. Das \ .] '^
im nämlichen V. heisst nicht c a s t e , wie er übersetzt,
sondern ist das Adjcctiv sehr, herrlich, schön.
Den 4. V. hat er wieder durch astra anstatt Spinae
entstellt. Das \Mjl]Z im 1. V. wird besser mit ausge-
lassen seyn als nach v. L. mit contemtui te ex-
ponis gegeben. |]Qi» im 8. V. hier aestus, nicht tem-
pestas.
Das Gedicht heisst verdeutscht:
Zur Rose sprach ich: „Warum willst du ausgelassen
seyn, wie ein Lüstling?
Warum verbirgst du deine herrhche Schönheit nicht zur
Zeit der Hitze V"
Die Rose entgegnete : „Predige du dir selbst !
Denn lieber ist mir Liebeslust als an Dornen gereiht
(unter Dornen) zu seya.**^
D.h. nachv.L: quam quod in astra recipiarü
Das 7. Ged. bietet wieder manches zu verbessern
dar. Zuerst fragt es sich, ob im 2. V. das ]£u-.x— •.,♦
diese ungewöhnliche Form, nicht in ]A^i ^ zu verändern
sey. Das VVvy» eben dieses Verses ist entschieden Par-
ticip. Aphel von \L_i!'. Entschieden unrichtig hat ferner
55
V. L. im 3. V. das ^pj für ,_,oup5 angesehen. End-
lich glaube ich, das unsyrische |<^ V^ des 4. Vers, in
yvr>%< verändern zu können.
Der gütige Leser halte nun beide Uebersetzungen
zusammen.
V. Lengerke: ^^Rosam increpavi: Cur te emancipas
Omnibus, et delirationis ebrii simillima in pe-
ctore tibi omnis est praevaricatto. Rosarespon-
dit : quod morbo laborat vita mea, et splendor mens
ecce fugit. Quid est, cur avara sim? Quousque ardor
suus pulchritudini reprimendus est?
Dagegen verdeutsche ich:
Die Rose schalt ich: „Warum willst du dich jedem hin-
geben,
Und gleich einer trunknen Sinnlosen *) nimmt dich jeder-
mann an den Busen ?^^
Die Rose entgegnete: „Kurz ist mein Leben, und meine
Herrlichkeit, sieh, vergeht.
Warum soll ich geizig sevn? Hält wohl die Schönheit
ihre Glut zurück ?^
Im 8. Ged. endlich ist folgendes za corrigiren:
Den 2. V. übersetzt v. L. „Nee permitte ei, ecce,
te rapiendam.^^ Wegen des ] <n ecce, und des 5 vor dem
^ scheint mir das -«^^y ]a\ J^ .m /rv>V^/ \} zu
übersetzen: Lass ihn nicht! denn sieh, er raubt
dich/^ Der Sinn ist wenig verschieden. — Im letzten
V. ist f. 1 (T> wohl richtiger mit rubus zu übersetzen, als
mit odiosi, worunter v. L. feindliche Thierchen versteht,
P
1) Wenn ]AaJL« Substantiv ist, muss es heissen : Nach der Ra-
serei eines Trunkenen^ Der Text des letzten Verses ist mir
als nicht gut abgeschrieben verdächtig. "Wegen des Sinnes die-
ses 7. Ged. ist das öte in dea ersten 8 Versen zu vergleichen.
Cicaden u. d. gl. Man vergleiche des Sinnes wegen
die ^Ibari Spinae im 5. u. 6. Gedichte.
Uebersetzung :
Zur Rose sprach ich^ da der Gärtner sie pflückte :
^;Slich ihn mit dem Dorne und lass ihn nicht ! Denn sieh^
er raubt dich!'^
Die Rose entgegnete: ;,Von meinem eignen Sinne hat
er dies gelernt.
Damit er meine Schönheit aus der Gesellschaft der Dor-
nen entferne.'^
Diese Bemerkungen bieten sich jedem der Syrischen
Sprache Kundigen leicht dar. Leid ist mir nur, dass ich
keinen Codex zur Besserung des Textes benutzen und
also nur aus Vermuthungen manches ändern konnte.
Weit entfernt übrigens, der Ehre des gelehrten Herrn
V. Lengerke nahe zu treten, erkläre ich hiemit auf-
richtig, dass ich ihn als einen eifrigen Beförderer des
Syrischen Studiums und besonders als einen Verehrer
des h. Ephraem hochachte, über dessen Schriften er
sich mit vielem Lobe ^) äussert.
Er wird der Syrischen Sprache zu Liebe es daher nicht
übelnehmen^ dass ich die Gedichtlein^ deren Herausgabe
sein Verdienst ist^ in manchen Stellen gegen seine An-
sicht erklärte.
P. PlUS ZlNGERLE^
Prof. zu Meraii in Tirol.
»M9I<
1) Comnicnlatio II. ilc studio lilcraruin Syriucaruin coinmcndando,
png. 39. und tu der Vorrede zur Coiuaionlatio criticu düKphrae-
mo S. S. lutcrpretc.
57
III.
Kurdische Slndieii
von
E. Roediger und A. F. Pott.
(Fortsetzung von Bd. IV. S. 260.)
III.
nratiirfr^sehlektllches aus der Kurdisrhen
und anderu Sprachen ül'estasiens.
■^♦o»«-
3» Pflanzen.
Kurt Sprengel hat im I. Theile seiner Geschichte der
Botanik 1817. so viele schwache Anfänge zu einer sy-
stematischen Pflanzenkunde, z. B. bei den Arabern und selbst
bei den Rabbinen, berücksichtigt, dass man nicht einsieht,
aus welchem Grunde des im Bundehcsch §. XX\TI. bei
Anquetil Zend-Av. II. p. 403 — 407. vorfindlichen, sicher
schon auf älterer üeberlieferung beruhenden Versuchs ei-
ner Pflanzeneintheilung nirgends von ihm gedacht wird.
Auch fehlen dort, um nicht von der Indischen Flora und
deren einheimischen Benennungen, welche letztern damals
nur noch wenig bekannt waren, zu reden, die Pflanzen-
namen des Persischen Sprachkreises beinahe völlig, ob-
schon sich nicht das mannichfache Interesse wird abläug-
nen lassen, dass sich gerade an diese knüpft. Die Ver-
gleichung ergiebt, dass fast sämmtliche Pflanzennamen im
Bundehesch, welche Anquetil glücklicher Weise aus dem
Originaltexte in den Noten verzeichnet hat, sich aufs eng-
58
ste an die Persischen anschliessend dergestalt^ dass sie in
der Pehlvisprache grösstentheils nur Lehngut zu seyn
scheinen. Unser Absehen in gegenwärtigem Aufsatze geht
nur auf das Sprachliche; sollte dessen imgeachtet der
Botaniker sich daraus die eine oder andere Notiz zu sei-
nen Zwecken aneignen können^ desto besser. Da es uns
zunächst nur um Aufhellung der Kurdischen Benennungen
von Naturgegenständen zu thun war_, das Interesse der
Sache uns sodann aber bald über die ursprüngliche Ab-
sicht hinausführte, ohne dass wir uns irgend eine Art von
Vollständio'keit als Ziel unseres Strebens hätten vorstecken
können noch wollen^ so mag es Entschuldigung finden^
wenn manche Pflanzen, von denen wir den Kurdischen
Namen nicht wissen^ dennoch besprochen worden sind^
sobald sich über andere orientalische Benennungen dersel-
ben schien eine sprachlich nicht unwichtige Aufklärung
geben zu lassen. Dahin gehört, ausser den Pflanzennamen
im Bundehesch, ein grosser Theil von botanischen Aus-
drücken, welche Du Gange in seinem GIoss. Graeco-bar-
barura, ohne deren Herkunft nachzuweisen, aufführt. Diese
sind nämlich von ihm zumeist handschriftlichen Glossen-
sammlungen, die augenscheinlich nach Arabischen Quellen
von Griechen für Griechen zu ärztlichen Zwecken verfasst
wurden, entnommen und entweder Arabischen Ursprungs
oder doch in der Arabischen Sprache üblich gew^orden, wenn
gleich in jenen Sammlungen mit Griechischen Charakteren,
oft sehr ungenau und kaum kenntlich, wiedergegeben.
Deren vollständige etymologische Erläuterung wäre nicht
nur für die bevorstehende Wiederausgabe des Ducangi-
schen Glossars ein Bedürfniss, sie würde auch zur Be-
stimmung der Synonymik mancher Pflanzen, die im Mit-
telalter offlcinell waren, und mithin zur Geschichte der
Pflanzenkunde in jenem Zeiträume überhaupt von einigem
69
Werthe seyn, zumal hierauf Sprengel gleichfalls nicht ge
achtet hat. Von uns fordere man nicht die Lösung einer
Aufgabe, welche wir uns nicht stellten : es soll uns freuen^
wenn der bloss gelegentliche Beitrag, den wir liefem-
andere, mit dem Gegenstande Vertrautere dazu bewegt.
Die hauptsächlichsten Pflanzenabtheilungen von zum
Theil gar wunderlicher Art im Bundehescb bestehen
kürzUch in folgenden:
1) dar (kurd. dar) und 2) derakht, p. v:j»3^»>, aus Sanskr.
drihita (grown^ increased), wie p. jÄi*0 st. diihi/rt {Toch~
ter), umfassen Bäume mitungeniessbarer Frucht. — 3) miteh,
p. 8^; sind Fruchtbäume. — 4) djordah, Getraidearten. —
5) goul (p. ^ Rose)^ Blumen. — 6) saperem, p. ^jf^y
s. später ozzimo. — 7) tereh, p. »y Gast I. 180. — 8)
arzareh, d. i. „tout ce qui renferme beaucoup de parties*^
Anq. II. 405.^ p. ^j^\ und ^UjI Ar. Cibi condimentura^ sive
herbae sunt olerave. Gast. I. 6. Bei Gz. S. 212: plan-
taggine, erba — avezdr; foglie di pi — belk (p. v^j)
avezar. — 9) gw'ah (herbe), kurd. ghiä (erba) Gz.^ gia
(Heu) und giha (Kraut) Klpr., im Bulbassi ghiyah (grass)
bei Rieh p. 396., p. Li (herba sicca), sLJ' (herba, pec.
recens. germen et pabulum virens. Planta et foenom,
herba sicca) Gast. — 10) vahar, ,.tout ce qui porte du fruit
ou s'c'panouit sans avoir ete travaille par la main de
l'homme, et paroit dans la saison (qui lui est propre)^^
Anq. II. 405., d. h. wohl im Frühlinge, worauf der Na-
me hindeutet. Bei Rieh I. 134. ist kurd. bahara eine Ge-
traideart, die im Frühjahr gesäet ^^^^d und künstliche Be-
wässerung erfordert ; welches letztere freilich der obigen
Bestimmung entgegen wäre. Im Buchar. heisst der Win-
terwaizen gatidum, der Sommerwaizen aber gandtim baheri
(eig. Frühlings waizen, von J>-^ Frühling). Klapr. As.
Polygl. S. 242.
60
Baum — dar (albero) Gz. S. 87« (pianta^ arbore) S. 212.,
dahr (Baum) und dar (Holz) Klpry der sie fälschlich (s, o.)
mit p. v:>.3»jL> vergleicht. Arm, dsarr, Sskr. dum ran. (wood,
timber), auch dru m., drula m., druma m. (a tree), woran
sich Griech. daQvlhog' r] dQvg, maked. nach Hesych.,Pha-
vor.^ Sqvq, ÖQVjiiog, ÖQtog und doQV (hasta), ÖQvvr] s. öqüittj
(hölzerne Wanne^ Trog), Irl. doire (Holz) und </a/r (Eiche)
u. a. Diefenb; Celt. I. S. 160 fg. lehnen. Mit Sanskr. faru
dagegen, das nicht, wie die vorigen, zu drihy ruh (crescere)
gehören möchte, und von tri (to proceed) stammen soll,
stimmt vielleicht besser Engl, iree u.s.w,, wenn nicht viel-
leicht durch das r Hemmung in die Lautverschiebung kam.
— Für Baum auch assa, a. Lac, Güld. ''
Holz — dar (legno Gz. S. 176., nach 98. auch bastone,
also: ein Stück Holz) und so auch Güld.,Klpr., p. bMen.
BK., Sskr. däru. Im Bulbassi dar (tree), im eig. Kurd. dar
(wood)j Lorist. tscheleg, Feileh heimeh b. Rieh p. 396. p.
»,4^ Gast. I. 565. — Tschöp (spina, per scheggia di le-
gno) Buch, tschilb (Holz), p. »-j^, ^j^'
Mit dar und seinen Verwandten sind nun mehrere Wör-
ter componirt, wie z. B. im Sanskr. devadäru, suradäru^
fivadäruj pitaduru (Pinus devadäru), amaradäru, auch frij
snigdha, pidä (Pinus longifolia), gudadäru (Zuckerrohr),
brahmadäru (Morus Indica) und mit taru z. B. dirghataru,
bodhitaruj fäkataru, läkshutarUj latäfarUj viratarUj deva-
taru, welcherlei Composita sich auch im Germanischen zahl-
reich finden. Grimm U. 529. Im Pchlvi schemdar (Parbre
a poil) Anq. II. 404. 405. j im Pers. yj äJ (ulmus), vrgl.
^^tXi^u*«* Gast. I. 358. ; J\0 iki>yM (alnus j eig. rothes Holz)
Gast. I. 357., turc. -Ut ^js.
Albera (so ; wahrsch. albero, Schwarzpappel im Flo-
rentinisclien), sorta di pianta — spindar, bei Rieh I. 143.
ispindar (a poplar), das wohl so mit dem Afgh. speen
(white) componirt ist, wie Pers. ^t Juä*« (um eins der beiden
61
d gekürzt) Populus alba, Cast, Pehlvi sapid-dar (le peup-
lier blanc) Anq. H. 404. mit p. ^M-*; Sanskr. pr^7a; dass
in spindar der Nasal eingeschoben sein sollte, wie in simhel
(baffi), schumbet (feria), hat wenig Wahrscheinlichkeit.
^imaxÖQa bei Ktesias hat V. Kennedy leicht aus p.
yXfJü* und ^L=> (Carduus, spina) als Weissdorn erklären,
da er sich um des Ktesias ausdrückliche Uebersetzung
des Worts yXvKV rjdv nicht schiert. Reland^ Diss. I. 229.
erklärt den zweiten Theil darin aus Qvy,jj> (comedere),
den ersten unpassend aus Lio (gratum, delectabile), an
dessen Stelle Tychsen hinter Heeren s Ideen p. xÜLä (mentis
impos, perturbatus, pec. prae amore) vorschlägt, welches
allerdings in den Namen einiger Obstarten vorkommt. Un-
ter Voraussetzung, das Wort sey wirklich Indisch und
nicht Persisch, passte Sskr. svädukära (delicate in taste,
dainty), dessen sv in den Persischen Idiomen zu khv
hätte werden müssen, ziemlich. — Kurd. katcak Pappel
Rieh I. 105., p. t. ^j^ (platanus) und ^ly> jl^öI (po-
pulus alba) s. u.
Weinstock — dare tri (arbore d'uva, wie altnord. tin-
tri, eig. Weinbaum, dessen zweites Wort folglich mit dem
kurd. tri nichts gemein hat.) Gz. S. 276. 280. vgl. 287.
Das Alban. öo'ia^ Weinstock, zeigt vielleicht nur einen zu-
fälligen Anklang. Im Dialekte der Sorani ist »JU j' Wein-
beere; der erste Bestandtheil folglich kurd. tr\ (uva) Gz.,^
bei Rieh I. 144. trae (grapcs), p. 398. im eig. Kurd. terea;
im Lorist. aber engheer, Buch, angthj p. ,_^t (uva), im
Hindi, ausser däkha, dräkshä, auch angüra (grape), ccyxovQ
(uva) Add. p. 6.ad Du C, ayyovQiöa (uva acerba). Pehlvi
angour (la vigne) Anq. II. 406; aber p. 404. dafür kalma,
a. ^Sf Hebr. aiD. — Usi tri (grappolo d'uva). Das p. »^'
(cortex uvae) Cast. 1. 183. wird man wohl kaum, das zweite
Wort zu erklären, für geeignet halten. Usi oder usek allein
bedeutet grappolo, uva Gz. 157. 2S0. und entspricht ent-
62
weder dem türk. f^^S, uzum, v. Schubert^ Reise in das
Morgcnl. I. 247., mit Aufgeben des Schluss-m, oder dem
p. (^Lü^ (botrus uvae), ^^ (granum, acinus_, et semen
uvae ; auch botrus uvae), i.^*«iXfi (acinus, s. granum uvae)
Cast. Im Lex Petrarchae p. 249. : Uva pers. angur^ koman.
xuxum {^\^, fjy^' — Tiendek (acino) Gz. S. 83., p. *jtJ
sji^. Ungeachtet in letzterem das zweite d fehlt, stimmt
dendek (grano, semenza di qualunque pianta, o d'uva) S.
157. auch in diesem Sinne vortrefFüch zu *u!l) (granum).
Dem. y5o!j (granum), so dass der Anklang an »AiJ (fru-
ctus s. baccae lauri) wohl als rein zufällig gelten muss.
— Trockne Weinbeeren heissen im Dialekt der Sorani
' yty eben so nach Gz. mevis (zibibbo, uva secca), p. ja^a:
viell. vom p. _^ (vitis). Im Lex. Petrarchae p. 249. :
Zebibum, pers. majus, koman. churu xuxum. Der italiä-
nischc Name zibibbo rührt von dem Arab. ^-ajoj Cast. 11.
1008. Zibibbo nero wird durch mevts mit resch schwarz
und z. rosso durch m. sor rotli unterschieden. Forskai,
Descr. Anim. p. 164. hat: Uva Corinth. ^jÄ^mI^ oder
zebib dörbeli ^J^J'> "r^-^j *us Aleppo; sodann eben da:
zebib djaebbel aus Griechenland. Medicis : muizidj go^ j-a.
— Besslra (agresta) Gz., vgl, a. 8_»*o (dactylus immaturus).
— Wein: scharab Klpr., p. v-»L_-i, woher p. .!j »-»l—^
(piucerna), aiuQcxTCTaf), accqamuQr^g Du C. Mei (eiusylbig)
tVein, Gz., p. ^, erklärt sich vielleicht besser aus
Sanskr. madya (id.) als auf die Bd. III. Heft I. S. 61. an-
gegebene Weise. Vgl. Castell. II. 2010. (^öU (mel al-
bum) mit Sskr. madhu Honig, aber »oLo (vinum). — Most:
Ijnu^ bei den Sorani.
Quercia — dare berrü d. h. arbor glandum; hern), p.
l,Jj, Eichel, vgl. Sprengel, Gesch. d. Bot. I. 223. Kurd.
palut, Oss. ballass. Eiche, Klpr. As. Polygl. S.90. — Ta-
rdsch (qucrcia, altra specie, che resta bassa senza grosso
63
tronco) Gz. S.2^.. auch alboretti, che non crescono piü che
all' altezza d"un uomo S. 83. und boschetto d'alberi piccoli
infnittuosi S. 101. kann demzufolge nicht nr^n Jes. 44, 14.
seyo, wenn Sprengel I. 21. daraus, dass dieser Name mit
andern Eichenarten zusammengestellt werde, zuvermuthen
ein Recht hat, es werde darunter Quercus ilex, die iramer-
grüuende südliche Eiche, verstanden. Mongol. Isarassou
(ebene) Klapr. Me'm. reL a TAsie T. HI. p. 349. klingt
wenigstens sehr ähnlich, doch scheint Afgh. tirkh (brush-
wood) noch näher gelegen. — Hindi sitävriksha (oak).
Gehört hieher auch kurd. dariben (the terpentine tree)
Rieh 1.143.? Es würde etwa Baum des Geruchs bedeuten;
von beert Codore) Gz. S. 197.^ im eig. Kurd. biett, Lorist. bit
(sraell) Rieh I. 398., wie p. ^syiJ^O (lignnm aloes).
Boe heissen im Pehlvi die wohlriechenden Pflanzen Anq.
n. 406., p. _^. und i^^ (odor), 0^->^ ^^^^ valde odori-
feraj. Vielleicht jedoch thut Gr. raQi{ind^og , ziQuiiOvgj
TQefU&og, TQifudiygf falls damit jenes Wort übereinkommt,
Einspruch. Xach Schneider im Gr. Lex. wäre ztQfiiv&og
die älteste Form, entsprechend dem Byz. reoueiTir/^, tqs-
f-icaiivT^ Du C , türk. ^-jy:jL4 Jj, Terpentin. Der Möglich-
keit eines Wechsels von m und b, so wie des Abstossens
eines End-Linguals im Kurdischen ungeachtet, muss man
doch, dariben mit zei)äßivd^og zu identificiren , Bedenken
tragen, schon um des t vorne im Griech. willen, wenn man
darin nicht etwa Sanskr. täru suchen will. Entnahm der
Grieche das Wort aus dem Orient, so Hesse sich die
oben versuchte Etymologie vielleicht nur unter der Vor-
aussetzung retten, dass der zweite Bestandtheil dem Frä-
sen tialpart. auf end von qJujjj (odoratum esse) gleiche.
Durch Mittheilung des Hrn. Prof. v. Schlechtendal er-
fuhren wir, dass Kämpfer, Amoen. exot. p. 414. von dem
Persischen Baume Kasitdaan spricht, der eine Art aus der
Gattung Pistacia zu seyn scbeme^ und ib. p. 409. die Pistacia
silvestris s. Terebinthus mit dem Namen Ben oder Wen
64
bezeichnet. Vgl. Pehivi ven (\e Pistachier sauvage) Anq.
II. 406. und später: Myrobalanen. Dieses, vielleicht selbst
mit kurd. been (Geruch), wo nicht mit Sskr. väna (A per-
fume, a fragrance), verwandte Wort dürfte nun wohi je-
denfalls in dariben gesucht werden müssen \ dagegen Ara-
zudaan erinnert an kurd. kazuvän (Bottina, arbore frutti-
fero), benist kazuvän (Gomma dell'albero bottina). Es will
uns nämlich bedünken, als ob der uns unbekannte Baura-
name bottina nichts sey als eine europäisirte Form vom
y oj
ar. .^^^ (Terebinthus arbor) Gast. II. 331. oder Hebr.
0>3i?3 Gen. 43. 11. Nuces terebinthinae bei Gast. II. 332.,
nach Sprengel Gesch. d. Bot. I. 23. die Früchte von
Pistacia vera. Mit benist vergleicht sich bei Gast. II. 383.
os.*«Uj Pers. Resina terebinthina, also i. q. [»IxjJI (iUc Gast.
11. 2774. ; nicht ganz unverwandt scheinen wvxa«Lo und
wAAJwLo Mastiche, resina, et fructus lentisci. ib. I. 143.
Zu kasudaan oder kazuvän, welches letztere beinahe wieder
auf den Einschluss des Wortes ven rathen lassen könnte,
hat sich noch keine Parallele finden wollen ; denn das p.
cy^ij^ Nom. herbae, quae odore malum aurantium refert,
an citrago ? Gast. I. 455. oder gar -y^^n, nach Sprengel
I. 181., die Windenart Galystegia sepium R. Brown, bei
Diefenbach Gelt. I. S. 87. mit dem Kelt. ouvßLrr^s, Epheu,
verglichen, möchten wenig geeignet seyn, in Vergleich ge-
zogen zu werden. — Kvßaaia, bei Du G. GIoss. App.
p. 1 16. Terebinthus erklärt, ist wohl der kyprische Terpentin
von Pistacia terebinthus L., s. Schcdel Waarenlex. Art.
Terpentin, und Forskai, Descr. Anim. p. 161. ,^yJ> LLuCJU-j.
Es wäre in xvßäoia das (), vcrmuthlich durch Versehen,
weggeblieben. — ImSanskr. vrikuj sttradhiipaj yakslindhüpa,
dhvpunga (Turpentine) ; sulaveshla Terpentin vom Sal-
Bauinc, ^lipishta, vom ^aral, d. i. Pinus lougifolia.
Ganella (Zimmt, wie Kavüa bei Du G.) — dartshini
Gz. S. 106.; daQüirr; Du C. App. p. 53., ferner im Gloss.
selbst Taor'^i^vr^ und vreQxri^rjvi^f welches letztere aber
wohl wegen des k mit P. vi>«-i>jJ zusammengesetzt ist.
Im Lex. Petrarch. in Klpr. Me'm. rel. a l'Asie T. HI. p. 217.
Canella, Pers. Darzani, Koman. Darfini, ^^^jLx^ .?3, und Flos
cinnamoroi — Gul dar^ini j^jc^Sj ^ . Afgli. ,^^-U:;^ Jlj (Ca-
nelle) in Me'm. 1. 1. p. 452. Nikolaus Myrepsikus habe A.
Juyo .!^. Zimmt, in uqoevlxov corrumpirt, bemerkt Sprengel
I. 194. 219. Hindi däratschini (cinnamon). „Chald. »:^3m,
p. ^-yo .tj s. j^juo^lj Cinnamomum. J>^ notat omne quod
oblongum et ligneum esl'^ Reland^Diss. misc. T. II. p. 288.
Die subjective Bedeutung ist demnach lignum Sinense,
aus ^^y*:^o oder ^^y*f^y Sskr. Tshtna. Gildemeister, de Reb.
Ind. p. 37. —jJUjuo, cinnamomum, bei Cast. 1. 392. ent-
hält im zweiten Worte schwerlich eine Verstümmelung
des vorigen, in welchem Falle der Name China's zwei-
mal darin steckte, sondern p. -^J (grati odoris res quaevLs}
Cast. I. 261. — Kosttschen übersetzt Anq. II. 406. durch
la canelle, so dass auch darin der NameChina*s enthalten
ist, wiewohl man sonst eher den Kostus als den Zimmt
in dem Worte zu suchen geneigt wäre. — Mau hat hier
ohne Frage nicht an den ceylonischen Zimrat von Cinna-
momum zeylanicum, woher Sinhalam sowohl alsNamevon
Ceylon als für Cassia hark, im Sanskr., vielmehr ganz ei-
gentlich an Cinnamomum ludicum vel Sinense zu denken,
der von Cinnamomum aromaticum N.v. E., einem in China
und Cochiuchina wild und cultivirt vorkommenden Ge-
wächse, herstammt. Siehe Kosteletzky, Medizinisch-phar-
mazeutische Flora S. 489. Während sonst die Gcntilnamen
oft sehr vag und ungenau Waareu beigelegt werden, indem
man diese nicht immer nach ihrer ursprünglichen Heiraath^
sondern manchmal nur nach ihrer vermittelten Herkunft be-
nennt, ja selbst zuweilen die Gentiladjective geradehin nur
ganz im Allgemeinen so viel als ,, ausländisch^ fremd ^' vor-
V. 5
66
stellen, ist also die obige Benennung gewiss in schärfer
begrenztem Sinne zu nehmen. — Kivvaf.ni}/^ov,Klvva[.ioVy
^ioap 2 Mos. 30;, 24. vgl. Sprengel I. 15. (Zimmt) und
KiwccßaQi, att. ziyyaßaQi, p. .Lxi Cast. I. 430., aber oÜi-ii
(cinnabaris, minium) ib. 380., GvvdßQt Du C. App. p. 177.,
A. Ji-^j-, Cas^. IT, 1017., iQr^cpovQ Du C. App. p. 84,, Zin-
nober, auf China zu beziehen ist sehr verführerisch^ um
so mehr als tschinapishta Ceig. Chinakuchen j dann Minium
or red lead) dahin deutet. Nichts desto weniger hat v.
Bohlen vollkommen Unrecht, ein angeblich Sskr. Wort
chinavari zu fingiren, und, um die Täuschung vollständig
zu machen, dies vorn nach Englischer Weise mit ch zu
schreiben. Dadurch ist auch mein Freund R. Wiegmann
(Malerei der Alten, Hannover 1836. 8.221.) in Betreff der
Etymologie von JüvväßaQi irregeführt, ohne dass dies je-
doch dort nachtheiligen Einfluss auf die Untersuchung ge-
habt hätte ; cinnabaris ist übrigens, wie er zeigte keineswegs
bloss Zinnober, sondern auch Name eines vegetabilischen
Products. Bloss aus Unwissenheit und falscher Gewohnheit
sprechen wir in dem Namen : China das ch in Deutscher
Weise aus, während diese von Spaniern, Portugiesen und
Engländern herrührende Schreibung vielmehr, in Gemäss-
heit mit dem Sanskr., in weiterem Sinne auch das trans-
gangetische Indien umfassenden Worte (Gildem. Reb. Ind.
p. 77.) : Tschina, die Aussprache Tschina= Ital. la Cina (aber
auch China geschrieben) erfordert. S. Klaproth, As. Po-
lygl. S. 357. Sina ist nach dem Arab. ^^^jyo gemodelt^
aber auch schlechtere Aussprache als q*^ Tshin. Demzu-
folge muss man es als schlechthin unmöglich erachten, dass
in obigen Wörtern die ersten Sylben ^KivvcO mit Sskr.
Tshina übereinstimmten 3 in Lehnwörtern entspricht nie Grie-
chisches y dem sanskr. palat. tsh = Engl, ch, Kai. ci (Hall.
Ihb. 1838. S. 444.), und es wäre durchaus unhistorisch, die
jetzige verderbte, beinahe gerade in ihr Gegentheil umgc-
&7
drehete Aussprache : China (mit Deutschem ch) und Zimmt.
Zinnober (mit z für Lat. c vor ij Zimmt noch hhiten mit
einem müssigen / aus cinnamomum) für das Griechische
geltend zu machen. — Isid. Origg. XVII. p. 543. und eben
so Reland Diss. I. 215. leiten Kivvcciuouor von Kütra
Hebr. (n:p) und ctfuofiov (vgl. Kuodäuojuov) und Isidor sagt
ferner: Amomum vocatur^ quod veluti odorem cinnamomi
referat. Nascitur in Syria et Armenia cet. Nach Ezech.
XX\^I. 19. brachten die Javan Meusal 7■^lz^ ni]:^ Kassia
und Zimmt (vgl. KiraQTp'^ Kinr^, species Casiae, Du C,
and KiTTia aus Diosc. Sprengel 1. 148. vgl. S. 15.^ und Frz.
canelle, Kaneel) nach Tyrus, und zwar aus Jemen (Kosen-
müUer, Bibl. Alterthumsk. III, 182., vgl. Tuch, Kommentar
zur Genesis S. 210.), also gewiss aus Indien über Arabien,
so dass hier noch wahrscheinlicher der Ceylonische, als der
oben erwähnte Indisch- Chinesische Zimmt zu verstehen seyn
möchte. Movoovlov Du C. hiess eine vorzügüche Art
Zimmt nach Mosul, womit zufolge Sprengel Gesch. d. Bot.
I. 147 das Kap Guardafui gemeint sein soll. IMoi). tcq-
oivr^y TU ävOi^ rov Kirafiiuiiov Du C. aus dem durch seine
arabisch -griechischen Glossen besonders wichtigen Lexic.
Reg. Cod. 1843. zu Paris. Das Wort fiov?. ist unstreitig
verderbt, kaum jedoch aus dem vorigen Worte, viel eher,
da die Zimmtblüthen, flores Cassiae, s. Schedel Waareu-
lex. unter dem Art., Avie oben bemerkt, ^jij^JiO ^ heissen,
aus yov)., selbst wenn sich die alphabetische Ordnung in
dem angeführten Lexikon gegen diese Vermuthung auf-
lehnen sollte. — Kurd. kakiilla (cinnamomo) Gz. S. 112.
Aehnlich, aber doch vielleicht ganz unvenvaudt sind die
Wörter für: Maudel (s. u.), sodann bei Cast. I. 424.
idälä Xom. medicamcnti (etwa Sskr. KäkoWi) Ar. Carda-
momum vulgare G., KaxovÄs, t6 liyo^evov xäxc'ov, was
nach Einigen ebenfalls C. vulgare, wozu die Pehlvi-Form
Käkore (le cardamon) Anq. II. 406. recht gut stimmen
würde. Vgl. noch Forsk. Descr. Anim. p. 149. und JLsIäJJ,
68
eine Art Agallochum, bei Gildem. Reb. Ind. p. 68. — Re-
land a. a. O. hält auch Kccqtiiov bei Ktesias (Herod. in.
111. hat an dessen Statt Käocpsa, Rinde) für P. iiy> (ein-
namomum}^ o3 (arboris cortex;, ut Cinnaraomum^ cassia)
Cast. T. 427. Forsk. Descr. Anim. p. 149., und das an-
geblich Ceylonische Koredhu. Im Malayischen und Tamu-
lischen Kartivae (Laurus Cassia) zufolge C. Ritter, Erdk.
Th. V. S. 823., der ebendaselbst auch von den Kardamo-
raen handelt. — Buchar. ugh'tiän (Laurus Cassia) aus dem
Arab. Klpr. As. Polygl. S. 250. — ^eXlxcc Du C. vgl.
Gc(liiily.a, A. Krs^uLw Sprengel 1. 219. Das Blatt davon heisst
im Sanskr., ausser päkarandshana, auch tamälapatra^ Ar.
_?tX**»^ wohin das gezogen wird, was die Griechen vom
fÄaXaßa&QOv sagen. Sprengel I. 219, Cast. II. 2472. und
siehe weiter unten. B&kv^stirahhivalkala (The Laurus Cassia
or its hark), surasa (Cassia bark), gudatvntscli. — Tqi-
tpt]div, TQiipldeiov' ^vloxivvccftiofiov Du C. p. 1615. ist wohl
nur Deminutivform von ZQiipig und folglich: zcrstossener
oder geriebener Zimmt. — Im Magyar, fahaj (aus /a Baum
und haj Haar; Schaale), der Zimmt.
Das Beiwort: Chiuesisch ist auch unstreitig enthalten in:
Gomma gotta (medicina) — raventtschini Gz. S. 156.
Theilt das Gummigut^ welches nach Kostelctzky S. 1971.
von Garcinia zeylanica u. s. w., doch s. Dulk, Preuss.
Pharmakop. Ausgabe 3. Th. I. S. 534.^ ge\yonnen wird,
etwa seiner gelben Farbe wegen den Namen mit dem Rha-
barber, welchen die Chinesen ,,das grosse Gelb^^ und die
Mongolen sArtra - mo</ow (Gelbholz) C. Ritter, Erdk. Th.II.
Bd. I. S. 184. nennen? Forsk. Descr. Anim. p. 157. hat:
Gutta. cXijUt V) i- c- Robb Rhabarbari. Ex. Ind. Purgans.
Rabarbaro (medicina) — rahvdnt (so, mit h) Gz. S.
225., P. cxi^tj Cast. I. 288. Ueber den Rhabarber und
seine Heimath hat Ritter a. a. O. S. 179 — 186. eine aus-
gezoichncte Untersuchung angestellt. S. 180. bringt derselbe
69
aus einem Gloss. Graeco-Ar. bei Salmas. bei: octßavtt
z^ivr^' TO ()eov, und CaQaßavT t tlIvt^' t6 ^iov ßdnßaQOv,
das sey Reviaud Sini = Hheoo Sinense, oder Revand Chini.
Gast II. 3487. Vgl. CaQußavirC ivjj t6 ()iov ßcxQßaQOv.
Du C. App. ad Gloss. p. 77. und QaßavTir^ivtj Gloss. p.
1279. ; das erstere vielleicht mit Pers. j oder ;t (ex). Bei
Du C. Gloss. p. 1580. und Add. p. 5.ist aQeßavTit^r^vij
auf unstatthafte AVeise zerrii'Seu. Rheumrhaponticum Spren-
gel, Gesch. d. Bot. I. 148. — Ist nuu jener orientalische
Name aus Rha ponticum entstanden, oder umgekehrt, durch
Missdeutung, letzterer erst aus jenem? Vgl. Reubarbarum
und reuponticum Sprengel]. 190. 194., ()ioi' ßäoßaQOv u.s.w.j
besonders S. 219. tX3»^, als die ächte Rhabarber (Rheum
palmatumX doch s. Dulk, Preuss. Pharmakop. Th.l.S.830.
ff. Im Lex. Petrarchae in Klapr. Me'm. rel. a 1 Asie Th. III.
p.219. Reubarbarum^ Persisch und Komanisch raitand, Jü^..
Für die erste Ansicht scheint das analoge Rha barbarum
zu sprechen^ obschon, wenn man einmal rha (angeblich nach
der Wolga benannt) für sich als besonderes Wort betrachtete,
^uch der Zusatz nahe genug lag. Ferner heisst im Kurd.
Assenzio pontico — ghiäbend Gz. S. 95. aus bLa_^
(herba) s. o.^ und Pontus, wie uns dünkt« Bei Gast. I. 264.
II. 781. f^ß iJy»^^ (also mit dem Zusätze: Türkisch)
Absinthium Ponticum, quia circa Pontum frequens: unde
semen contra vermes coUigitur^ et ex Chorasan deportatur
Halebum. Ital. Semesanto, unde Lat. Sementina. Nach Sche-
del's Waarenlex. Bd. II. u. d. W. Zittwersame soll Der-
rnani'iurki die ordinäre Sorte, die beste dagegen Z?^rw<i«i-
Shira%i, Wurmsamen von Sehiraz, seyn. Siehe auch Dulk,
Preus.s. Pharmakop. Th. I. unter Cinae semen. „Die Blüthen-
nkörbchen von Artemisia santouica L. (^^avdovixr^y Absin-
'ithium marinum Du C.), als Wurm- (oder Zittwer-) Samen.
»Das ganze Gewächs wird in den Apotheken von Astrachan
»als Absintliium ponticum aufbewahrt.« Kosteletzky S.700.,
70
aber Wurmsamen wird auch von Absiothienarten (eben da
S. 698— 99) entnommen, ^tDarmne daschtih (le D. des deserts),
la Sementine de Perse« Anq. ZÄv. II. 398. aus obigem
iu^üund j_^i^*^ (in deserto existens) vom u^-iii^ Kurd.
dest Wüste. Sprengel I. 158.201.: zytver (ArtemisiaSan-
tonica) und pontischer Wermuth (Artemisia ]!0ntica Cato
cap. 159.) S. 119. Ausserdem im Pers. äJL^ Cast. I.
388. und ^5^*5» 222. (Abrotanum vel Absinthium pon-
O ... JJ...
ticum^ s. sementinum); ^y^ (austerus sapore 2. se-
mentina. Absinthium marinum) Cast. I. 466. — Kurd. me-
dshever (assenzio) Gz. — Afgh. nagedunah, iu^JsJT^ü Ab-
sinthe. — Du C. App. p. 170. hat ro ccßQOtavov ro ^Aq-
fj.Eviy.dv 10 leyöixevov otj^^Aq (,isvi. GIoss. p. 1377. glx-
aQf.tsvt]. p. 1496. oi)x, to aßqoTOvov. p. 1414. Govyi. Bei
Castell. II. 3742., vgl. die Syrische Form 2487., g^ Ab-
sinthium Ponticum. Sprengel 1. 223. bestimmt diese Pflanze
als Artemisia ludaica L., schecha bei Rauwolf (Sprengel
I. 356.), von der, wie man ehemals glaubte (s. Dulk 1. 354.),
der Zittwersame kommen sollte. Eine Artemisia wird jeden-
falls gemeint seyn; vielleicht Artemisia Abrotanum Linn.,
die, unter andern, auch als Wurmmittel dient. Forsk, Flor.
p. LXXIII. giebt semsaek vel msaek (Artemisia abrotan.?)
an, aber Descr. Anim. p. 146. Schiah, ^^ als Achillaea
Ageratum (juyrjQurov). — Du C. App. p. 18.: avxxidav
und p. 17. ungenauer avöidav^ TOGEQicpov, 6 nkcctvxvfiivog,
tOTL de levxog xal f-ielag. Du C. führt als Erklärung Ab-
synthium bei^ und uipvvd^iov 0-aXätJGiov, riveg ds xal oeQÜpiov
xalovöL bei Theophrast ist, zufolge Sprengel I. 159., Ar-
temisia maritima. Chald. ^^\^ (Absyuthlum) Cast. II. 25.
539. Du C. Gloss. p. 1176: nixavoxxidav, (ti^a iativ^
t6 Tilazvxvfuvov (s. auch xsQafiir?^); wahrscheinlich mit
Fers. ^Aj (radix). Die Belfusswurzel von Artemisia vul-
garis Llnu. ist bei uns officinell. Dulk Preuss. Pharmak.
I. 137.
71
Bosco — orman Gz., T. qU.^I (silva), Kirg. urtnan
KIpr. Mem. rel. a TAsie T. IIJ. p. 353. Bei Rieh im Bulb.
arman (forest), Lor. zor. eig. Kurd. hesheh, bei KIpr. As.
Polygl. S. 299. kurd. besehe, p. *Ji^ Cast, 1. 160. Ob auch
Ital. bosco, Busch u. s. w., die Klaproth herbeizieht, ver-
waodt seien, steht sehr zu bezweifeln; mit mehr Grund
dürfte man an tieIou, ara&fwg ivhov Du C. denken. Sonst
hat Klaproth auch »i^^cA (Wald) als Kurd., Tscherkess. m^**,
womit das (wenigstens bei Cast. nicht vorfindliche) Grund-
wort p. *-i^, Eiche, in qUümmX^, Eichwald, übereinkom-
men soll. Bei Forsk. Flor. p. XXXIV'. Türe, mesiae vel
meisjae (Quercus robur) und neugr. fiiaaa{Q. eerris), Türk.
xi^ (quercus). — Selva, boscoso — rel Gz.
Oriental plane — tchinar Rieh 1. 105. 106. 161., Pehivi
ischenar Anq. II. 404., p. .U=> (Platanus arbor. 2. Populus
alba nigrave) Cast. I. 213. A. ß^ H. 587 und )Lo II.
3209., schinar (Platanus orientalis) Forsk. Flor. p.LXXV.
— p. yj^\yi Ahornbaum. Siehe oben Pappel.
Cypresse — selvi, »turc^^L« pro ^-m a.p.« Clod. lex.
Türe. p. 159., Alban. aeXßly Pehivi sarv a. a. O., Hindi
sarta.
Ginepro — atrest Gz., wahrsch. p. ^.\ (Sabina, ju-
niperus) und {j^^j^ (Sabina arbor). —
Sabina — Du C. App. p. 73. tnxovX, Cast. 1.9. II. 9.
292. J^( Ubhul effertur. Sabina et baecae ejus s. fructus.
Du C. Gloss. p. 431. inXovX (mau verbessere imxovl),
aaßira.
Cast. II. 634. ^^^^ Pers. Daemonum arbor, sc. Sa-
binae species Indica ; est arbor procera instar juniperi,
multa in terrilorio Kasmir, folia habet splendida, provenit
in montibus. Et cum Pers. ^ Lac hujus arboris. Vgl.
■•* 72
Cast. I. 285. Das ist ohne Frage Sanskr. devadurif, d. h.
Deorum (nicht, wie die Perser Sskr. deva zu dev um-
deuteten^ Daemonum) arbor^ womit Pinus devadaru^ aber
auch zufolge Wilson in Bengalen Uvaria longifolia (Jkäsh-
Ma</arM) und in Dekan Erythroxylon sideroxyloides bezeichnet
werden. Vielleicht Du C. vtevtsqov, s.u. — Auch die Syrer
haben einen: Baum Gottes, dovßad-, was aber xQVGoy.6(.irj
ist. Sprengel I. 228. Cast. II. 642. — Sskr. snigdha (eig.
ölig) und snehaviddha (Pinus devadaru) u. s. w.
Du C. Gloss. p. 351. i'Qsli(.i, ra xovy.ovtccQia (nux
pinea); p. 1722. läßß i^^elei^i oder /a/?s/?aA£^^/^
Wohl Cast. II. 1053. und 1096. unter c: ^^t wo> Bac-
cae foras subnigrae, intus albae, molles, gustu suaves
atque esculentae. Das erste Wort ist jedenfalls «.-.o- Bacca,
grauum u. s. w. — Du C. App. p. 195. %a/r>; aävanccQ,
ia OTQoßilcc. Cast. II. 1096. nr. p.: jjJLaoJ! w^:>- Nux pinea
von ßy-*» Pinus pinea. Sprengel I. 223.: jL^aJl jiy^*o
Pinus halepensis, von welcher der Zapfen jj^ heisst.
Du C. p. 1008.: vtalyov^ct' tcc OTQoßila, vielleicht zu
schreiben vr'^. wegen p. »j^Jb» Nux Indica. Pinastri conus,
et ipsae nuces. it. Fructus pistaciis similis. Cast. 1.21 1.
und 3 jJt> Nux avellana. Strobilus. II. 556. Vgl. Schedel,
Waarenlex. Art. Pineen, Pinculen (Pineae nuces). Du C.
App. p. 46. yavov und, vermuthlich richtiger, yQccvov p.
51. — Du C. Gloss. p. 1008. vtbvteqov, xovxovvaQia lv~
dix^, vielleicht Sanskr. devadaru (Pinus devadaru); denn
nach Cast. I. 482. ist p. jIä^sj^ Pinus, pinastri species.
2. Papaver, und aavanccQ ix^ivr), xovxovvaQia ^Ivdixu
bedeutet wörtlich pinus Indica. Dass das zweite Wort
P. (^lA-A^ (Indiens) sey, lehren viele Beispiele. So oben
Tamarinde unter d. W. Elephant. — Ferner: oavvax^
ixx^v^h ifvl^ov ^IvöiHOVj d. i. wahrscheinhch das Blatt von
Lauras Cassia, ,^\>J>S> ^v>Lm Forsk., Descr. Anim. p. 148.
73
Siehe oben unter: Zimmt, und Cast. II. 2472. ^^1—'.
P. -v>U, sjLw Cast. I. 322. Malabalhrum: quod a Ta~
malabaira (Sskr. tamälapatnif auch supatra, gandshadshuta)
Indorum formatum, quo foliura Indicum designant. ^ETixth
(ftXXov "irdixöv Du C. Gloss. p. 432.^ allein App. p. 73.
tTCix^X' (pv)J.ov i^dioofcov. — Nicht minder Du C. p. 1555.
t^aßuQ aLaxxivTiyXtQXQOS hStxog, was in T'Caßaqg iy-
Xtvti^ xeyxQog i. geändert werden muss, (^JJJ' (j«j^L> s.
ob. miglio. Zr^tao, xlyxQog ^Ivöixog. Du C. App. p. 78. —
Ausserdem ib. p. 202. ut.i7ii]xiY%iy xvöionov ^Irdixör, d. i.
wohl der Sache nach s. a. a. Ar. u^ Cydonium Indum.
Cast. n. 3758. — Endlich:
Kardamomen — Du C. p. 1344.: aer^Tuqa ixxtv tI
(lies Ixxiyti), xäipvxov ^Ivdixov. p. 628. xaxpixov, recentioribus
Graecis Cardamomum appellatur^ quod semina in ordincm
digesta quibuslibet thecis involventibus quasi capsis conge-
rantur. Ib. aej^ra^arCava/, p. 1376. dix^scf, p. 1353.
aevTUQaxiC, (T£vra<)aTr/xX'*'«Matth. Silvaticus! Capsia,
i. Seitaragi. DuC. App.p. 170. otxrct^aT^Xtdog, xa(//ixov
^IvÖLxoVf p. 171. aiTQa^. — In Aegypten cÄrt5Ä«w, Karda-
mom^ von Schubert^ Reise in das Morgenl. Th. II. S. 18.,
unstreitig dasselbe, als bei Forsk. Descr. Anim. p. 149.
JL* w*:> (Cardamomum), mit Wechsel zwischen 1 und n.
Vgl. T*>, v)>Ä* und ^\^ mit ]yi Cardamomum vulgare
minus. Cast. n. 303. Bei Forsk. 1. 1. ^^^^^^ ^'5 (C,
majus}, s. V. Zimmt, und -ccis^-ii^ (C. minus) Cast. I.
383. — Hindi iluyatshi, elä (cardamoms), Sskr. elu Car-
damoms, the seed of tlie Eletteria cardamomum^ orAIpinia
Cardamomum: it applies to both the large and small car-
damom^ but most commonly to the former; tsharmasam-
bhava, eig. hauterzeugt; bahulä, tshhardikaripu ^ elikä,
korangi, bald, sükskmdj gulmi (small cardamoms), mesha,
bhrtngaparniku (small or Guzarati cardamoms)^ kanyä,
kumärikä (eig. Mädchen), göpaiä, ludakdphalaj surabhi-
74
tvatshf divyagandhä (Large cardamoms). üeber den Un-
terschied beider Sorten s. Dulk, Preuss. Pharmak. l, 234.
BpQccTt], xsÖQog /nsyccXy], rj dyqia xT^TiaQtaaog. Du C.
App. p. 41. rii^a jffn«/«, arbor cupresso similis, soIi orienti
cognita. In Rosoh hascliana inter 10 genera cedrorum nu-
meratur. Cast. II. 450. Vgl. Sprengel I. 22.
Weide — Kurd. sughuit (willow) Rieh I. 105.^ Türk.
o^-i^-jw, öjf^ (salix). — Im Pers. Jua_j und ,^^-0,
Buchar. hid, bei Du C. (.mir, rj hia, Weide; dziä Du C.
p. 150.^ vgl. Cast. II. 89. \h\ (salix). — Kurd. shorabi
(Weeping-willow) Rieh. — Du C. p. 1338. Ga(pöäcp,9i\ier
p. 1332. ocivoacp' 6 xvXog T/jg häag, ar. v«ä«iäjo (Salix
subserrata Willd.) Sprengel L 25. 224. Bei Forsk. Flor.p.
LXXVI. S. Babylonica, bei Rauwolf ^rard (Sprengel 1.256.),
ar. Vt^' — Pers. tjLÄw« <-Xju seheint dasselbe mit Pehlvi
premeschk Auq.II. 407. — Zaqvaßä Du C. BeiMatthacus
Silvatieus: Zarnah, sunt folia arboris magnae non facientis
fruetum, similis salici, habcns odorenj; ut odor Citri. Ob
zarnah bei Rauwolf Salix Aegyptiaca sey, fragt Sprengel
I. 356., während er S. 224. ^jj geradezu so deutet.
Cast. I. 309. II. 1089. nr. 4. ^^j^ Pers. Plantae odo-
rätae nomen. (Crocus. Bos silvestris. Arbor magna, haud
pomifera^ in monte Libano Gig.).
Sambuco — ghid ghenly cioe erba puzzolente. Vgl.
P. (jÄJjüS' i. e. foetens corpore. 1^ Ovum foetidum 2^
Sambucus Cast. ; aus lAii , ^s^yj^ (foetens)^ das mit Sskr,
gandha (Geruch) verwandt ist. Dieselben Elemente, als das
Persische, nur in umgekehrter Ordnung, enthält Kurd. /e«cA
ghenl (cadavero d'animali, quando puzza) Gz. S. 103. Auch
im Lith. smirdeles, Attich, von smirdziu (foeteo).
Ebano — ebanus, Hindi äbaaüsa, A. ^jtyXiSy aus dem
Griech. sßevog, wie die beibehaltene Nominativcudung be-
weist. Das Wort ist aber Hebr. D>??n (Diospyros ebenum)
75
Sprengel I. 14. — Bei Forsk. Flor. p. XCVI. j^^ und
j«-«äwi^. — Pers.jxi; (Ebenus. Lignum quoddam^ quod ex
India affertur^ egregiis arcubus paraodis idoneuni}^ iS^-fA-
— Sskr. tinJu, iindukaj tindiila, sphürdshaka, gdfara, ken-
dtika (Diospyros glutinosa), ktilaka, käkatinduka, kendu
(D. tomentosa)j käkendttj kälaskandha (D. raclauoxyloo)^
sindhuputra (eig. Sohn der Seej eine Art Ebenholz).
Baumwolle — loka im eig. Kurd.^ P. &yjj Gossipiura
a folliculis cxtractum. Cast. I. 496.; petnmek in Lorist. Rieh
I. 398. Pam6/<(cottone^bombace) Gz., bambUjGü\d.,bambru
KIpr., Tscherk. bambi, Oss. bompag, P. ä-IjLj, T. ^ *aJLj-
ouj (gossypiam), Walach. biimbacu, Alban. Tiu^jiovXy Ung.
pamut, bei Du C. ßd/ußa^j ^Tiafinaxi, ßofirtaxiov, im
Lex.Petrarchae Pera. pamba (a^^^^undKom&nischmagugh,
Das MLat. botnbax erinnert stark anbombyx (Scidenwiirm)
und lässt beinahe auf einen Orientalen Ursprung des Worts
rathen, wie unwahrscheinlich dieser auch aus anderen
Gründen wäre. Dass die Stadt Bombay, wie v. Bohlen
muthmasst^ daher den Namen führe, oder auch vielleicht
umgekehrt die Baumwolle von der Stadt^ bestätigt sich
meines Wissens durch nichts. Pehlvi pembeh (cotonnier)
Anq. II. 405. — Poln. batcelna, Lith. bawilne sind slavisirt
aus dem Deutschen batimwolie; Lith. heisst die Wolle:
wilna. — Ar. ^^\y>' Gossipium et Pers. auJu v.\y>- qs.
^üaäjj^ per apocopen, Nux gossipü Cast. II. 511. er-
klären vielleicht gossypium und gossympintis. — Aus Ar.
^, Baumwolle, erklärt Sprengel I. 19. 182. 221. nicht
nur Engl, cot^on, Kattun, sondern auch n;r:, xi-^iöv] doch
heissen Flachs und Leinwand sehr ähnlich q1 *'^^; Kurd.
ktän (lino). Im Sanskr., kshumu^ mälikä (Liuum usitatis-
simum), umä aus ve (in einigen Formen u\ weben. —
Sskr. tüla mn., tülapitshu; karpäsa (cotton), -t (cottou-
tree), p. (j*lj/ Carbasus, linteum ex gossj'pio ad con-
76
ficiendas tunicas. Gast. I. 444.: Hindi kapäsa, rüi, semhala
(colton).
Zizypha — sindshov Rieh I. 197., ^Iv^ifpay ^k^ivfpu
Du C, so dass also %izyphus, Span, azufeifa, Jujube, Ital.
giuggiolo vielleicht ein n eingebüsst haben. Vgl. Sprengel
I. 180. 216. Gast. II. 3666. und Etym. Forsch. II. 36.
Im Pers. Ou^sM.*^ und ^X^^Xm. ; aus dem Griech. ^^^yKM,
Gast. I. 388. - Im Sskr. svuihiphala ie\g. süsse Frucht)
karkandhuj kala; pitshtshhuladalä (Z. juj üb a), ÄwÄo/a, ku~
valtty kolij grhhti, ghontä, batlara^ gridhranakhi_, kantakin,
verata.
Du G, App. p. 30. aTdifi' 6 (mftvog. Hebr. "ran m.
(Rhamnus), ira Plur. Zizyphus Spina Ghristi, nach Sprenge!
I. 12. Gast. IL 89. In Du G. Gloss. p. 149. araÖTJfi. Nach
Gast. 1. c. i. q. g>-*^ Lycium^ rhamni species. Du G.
p. 155. ttvöi]%l,a, l)a/iivov (pvXlcc; p. 19. fälschlich mit v:
avai^t^. Forsk. Flor. p. LXIII. GVL Lycium Europaeuui,
nach Sprengel I. 216. aber Zizyphus Spina Christi.
Du G. ^avXkv^ /cAei; (Lycium; lotus). Gast. II. 1165.
nr. 10.: ;;q^^> Succus tov \jat:os>- (lycii herbae Gig.)^
qui oculis indi solet. aXavov^ arundo aquatica.", vgl. II.
1192. Nach Sprengel I. 11. 216. ist ^jiiC3s> Lycium Rau-
wolfii.
Du G. Gloss- p. 1655.: (pa'ila^axctQcct, aber p. 970.
(.instla, Zax«(>a^, ^6 IvxiQv* Wahrscheinlich Gast. II.
3005. nr. 4. ^r^^ Lycii genus, und so auch vermuth-
lich das unter 5., jedoch ohne Bedeutung augeführte
Du G. p. 1410.: öoi'xxaif, Itvmüavd-ct rj axay^a.
'iSym Spinosa arbor; cum UsaJ! Spina alba. Gast. II. 3711,
Du G. p. 1139.: nedovciQ oder nedovctQTj tu uv^ij
tov ylvxaxävd^on. Wahrscheinlich Gast. I. 74. 77. Oj^\ «>L
qs. a,vef.ioq)6qYi%ogy quod autumni tempore cam pondcre ad-
77
modura levem ventus per campos pen-olvat et asportet.
Spina alba^ quo delectantur cameli cct.
B8QßeQT;g Du C. Gloss. p. 189., unsQ^neQig^BeT"
beris, Osyacantha, p. 971., Berberize, Sauerdorn, Beissel-
* '^'^
beere^ Passelbeere Dulk I. 181., Ar. (j^;b ^\ i. q.
-AJt et \j^j^ jts^y Pers. Zirisjc. Cast. I. 51. II. 155.
Du C. Gl. p. 1008. : vTSQaiacci- 6 aoTiakadvg. Sprengel
Gesch. d. Bot. I. 80. 156. erklärt aa.^u/xc^og für Spartiuni
villosum W. und eine andere Art für Sp. horridum Sibth.,
aber ^^L*-i-yÄ Jo I. 222. für Sp. spinosum^ vgl. Cast. II.
899., wo dieser Ar, Dar SJisJan durch Aspalathus, erysi-
sceptrum wiedergiebt.
Du C Gl. p. 374,: tlxäqd, ay.axia^ wahrscheinlich
Ar. JbyJ (Acacia vera) Sprengel I. 225., mit beibehal-
tenem Artikel.
MovQ' TO Of4VQviov Du C. Hobr. la (Art Acacie, wel-
che die Myrrhe liefert) Sprengel I. 26. 88., jA (Mjnrrha)
Fofsk. Descr. Anim. p. 158.,Ar. »-* Arbor mjTrhae Cast.
II. 2129. nr. 21. von -na (amarus fuit). Daher auch viel-
leicht xvvafiovQ' 6 xöoTog 6 rttxQog Du C. App. p. 104.,
oder wohl richtiger xova/novQ p. 113,, nicht mit .^./.-.^^^
oder Ja.*M3 (Tamarix Orientalis), auf dessen Blättern sich
i> >
ein Honig erzeugt, Sprengel I. 217., noch mit _bj*s5
Costus, Sskr, kushlha (Costus speciosus), sondern vielmehr
mit Pehlvi kouste (Coloquinte; s. sp.).
Lorbeer — vTUQfiovT' t] dacpvr] Du C. ist vielleicht
corrumpirt aus Ar. c>-*^jJ5 Arbor Lauri Gigg.^ vi:/»-«^^'»^
Pers. Laurus. Cast. II. 662., indem man fälschlich darin
^b, Baum suchte. Pers. v:>-ä-».PJ Laurus. Cast. L 282.
— Du C. p. 1332.: aavxi^aQOvkyct^' tj daqyi], Ar. AM
(Laurus nobilis) Cast. II. 2709. mit _5\Ä (arbor). Forsk.
Descr. Anim. p. 150, 154.: AaAA el ghar (baccae lauri). —
78
Unstreitig gehört in Betreff seines ersten TheiJes hieher
auch: ai^sQOvnax' sl^og öivÖQOu. Du C. p. 1356. App.
p. 168., vgl. Forsk. Flor. p. CIX. CXVII.
Sumach — Du C. Gl. p. 1411.: oovf.i(xy.i (Rhus),
a. ^Uw (Rhus coriaria) Sprengel I. 183. Cast. II. 3562.
"Po, Qovdiv, y.al QOvS^iv ro aofiaxiv. Du C. App. p. 165.
Du C p. 1535.: TaQ(ps' fivQixrg ra qivXXa. Cast. II.
1576. nr. 9. Is-b Tamarix arbor s. Myrica. Forsk. Flor.
p. LXIV. Tamarix gallica.
Oleander — x^q^ay^equ,' iq l)ododdg)vr]. Du C. App.
p. 197., i. q. apud Cast. I, 234. ;,,pers. «;^y> i.e. Ve-
neiium asinorum. Frutex s. arbor venenifera parva; Colo-
cynthis : quod folia ejus et flores asinis canibus aliisque
animalibus venena sunt. Diosc. IV. 82. et Raphanus sil-
vestris. It. Neroon rhododaphne, s. Oleander.", vgl. Pehlvi
khirzerd (le Laurier rose) An q. ZA v. II. 407. Der Oleander
(Neriura odorum) steht im Rufe^ den Pferden tödtlich zu
seyn, was mehrere, Etym. Forsch. II. 425. erwähnte Sans-
kritbenennungen desselben ausdrücklich bezeichnen^ und
giftig ist er allerdings. Kostelctzky S. 1061. Sskr. kara-
viraka (A poison, the poisonous root of the Oleander). Die
Plin. XII. 18. erwähnte, ebenfalls den Pferden tödtliche
Pflanze im Lande der Ariani: „Frutex pestilens raphani,
folio lattri, odore equos invitante, qui paene equitatu orba-
vit Alexandrum primo introitu : quod et in Gedrosia accidit^*
ist vielleicht keine andere. Das Ar. jc-J^^ (Nerium Olean-
der) Sprengel I. 216. scheint aus dem Griech. (/; dyQia)
dacpvj^ i. q. (wdodäfpvt] ib. 142. entstellt. Oleander 190. ist
ein, aus Gr. (wöödavÖQOv umgestaltetes Wort, und zwar,
weil der Lateiner darin sein laurus hören wollte, s. Du C.
Gloss. Lat. lauriendrum, welches sich dann noch später
gewissermassen zu oleum hinbeugte. — Siehe ausserdem
Du C. App. p. 54. d£YÖQOQ6dnvyü.\\c\\7iiy.Qodcccpvr^ mxAvLöiov.
— Im Sskr. fdlakumhha, und ftetapushpaka (Nerium ; the
white variety), sugandhikusuma (A sort withyellowish flo-
79
wers). Vitandä The Oleander plant (Nerium odorum),
^atapräsa, hrikara, laladambti.
Sskr. visha (venenum) bezeichnet auch A vegelable
poison (Aconitum ferox); d. i. \J*-*:i Herba Indica vene-
nata, Napellus, thora. Gast. I. 161. If. 345. Wenn an der
zweiten Stelle gesagt wird, es wachse vorzugsweise diese
Pflanze in Sindiae urbe J^^, so scheint das eine Ver-
wechselung mit Sskr. halähala, hulahulOf huhala u. s. w.
(A sort of poison), Hindi halähala (venom), um so mehr
da Sskr. huhähala als n. eben dieses, als fem. auf - u aber
a small mouse bedeutet^ Castellus an der zweiten Stelle
zufolge aber J^y* jjÄ-o Aniraalculum simile muri, quod
inter radices illius plantae vivit^ ejusdemque antipharma-
cum habetur. Vgl. Gast. I. 559. II. 849. JoJü?, Jj?:^,
(3L^ Toxicum Lethale, aut certe ejus species. Gummi
napelli. — Aconitum Xapellus ist bekanntlich der bo-
tanische Name eines giftigen Strauches. Siehe auch Wils.
V. tatsanäbha.
Datura — Sskr. Jhatfüra, Iliodi dhatüra (Thornapple),
P. »^'_^& et iJplj (vgl. Datura Tatula Sprengel I. 349.)
Cast. I. 170.255. U^3857. Datura i. q. ^U j^b^ (eig.
nux Daturae), Datura metel Sprengeil. 215. Auch dieser
zweite Name findet sich im Sanskr. 5 nämlich mätula
(D. metel), vielleicht verwandt mit matta (eig. intoxicated
und auch Datura)^ mohana, purimoha (Stadt berauschend),
khala (^schlecht), kanaka, kanfaphala (dornenfrüchtig ; Stech-
apfel), trihatputali (eig. grosse Bignonie), ^atha, sumana^
kharadüshana (Eseln schädlich, Avegen seiner narkotischen
Eigenschaften), dhüstiira und dhttrtta. Verwandte mit dem
letzten Namen in abendländischen Sprachen s. Comm. Lith.
II. p. 36. und vgl. Sskr. ridhura (perturbatus, agitatus)
Lassenii Anthol. — Siehe noch besonders Forskai, Descr.
Anim. p. 151. und Cast. II. 52.
Hellebonis — xctqßax Du C. Gloss. p. 1732, App.
80
p. 196., wo auch ungenauer laQßai, ou-> Cast. 11. 1389.
nr. 12. xaQfi'Ticci ianrjt, 6 eUßoQog levxog (Pers. Ju-y*
weiss Cast. I. 232.). XaqfXTiccg ^aiä, 6 i. 6 fielag, mit
Pers. »La« schwarz^ »La« v-äj^- 1. 1. 2xaQg)j^ (elleborum
nigrum) Du C. Gloss. p. 1383., xaQTtöv App. p. 94.,
iaöfpaT (eil. niger). — ^Aaxkrjda, xai ^Avcc(pr]GTog, 6
iXsßioQog 6 Xevy.6g Du C. App. p. 29.
Hyoskyamus — nkvt, (folia hyoscyami) und, wohl
nicht ganz genauj nevt, und Tie'Qo (hyoscyamus) Du C,
jPwu (H. pusillus, muticus, reticulatus) Sprengel I. 215.
Cast. II. 375. H. Datora Forsk. Descr. Anim. p. 155.^
aber »;>>Lj Flor. p. LXIII.
Sandelholz — Vgl. darüber C. Ritter Erdk. Th. V.
815 — 823. Im Sskr. und Hindi tshandana, DnCoavsTccv,
aavTav, Cosm. Indicopl. TCccvdavav im Accusativ, pers.
qv\a:>- und JiAa^ (Sandalinura lignum) Cast. I. 215. Bei
Sprengel 1.214. j^-aoUw JiAä^o (Sirium myrtifoHum, weis-
ses Sandelholz) aus Macassar (Celebes) und China;
-♦i>t JtX-JLo (rothes Sandelholz), Sanskr. kuts/iandnna^
Ptcrocarpus santalinus Sprengel I. 222. — Mix (weisses
und rothes Sandelholz) Du C. (jloss. p. 922., was noch
den nächsten Anklang an DUaS« oder D»aaS« (Pteroc. san-
talinus, nach Sprengel I. 19.) gäbe, vorausgesetzt dass Sx
beibehaltener Arabischer Artikel sey. Vgl. Cast. II. 1985.
Das daselbst erwähnte Indische sercandoj bei Schedel,
Waarenlex. Art. Sandelholz : sarcanda als der Baum, wovon
das gelbe und weisse Sandelholz komme, hat nichts, wie
a. a. 0. Castellus mcint^ mit den Seres zu thun, sondern
ist vielmehr Sskr. säragandha (Sandal wood), eig. Geruch
als Essenz habend^ sonst auch sugandha. — Külika (A black
kind of Sandal), filodbhava (A superior sort of Sandal
wood, either the white or brass colourcd sort.)
Agallochum. — P. v. Bohlen (Ind. Handel S. 71.) hat
das Wort aus einem zwar sprachgerechten, allein in Betreff
81
des Suffixes bloss fingirten Sskr. a ff aru-kam gebeutet, wo~
gegen Gildenieister, Reb. Indd.p. 65.. meint, es erkläre sich
aus Sskr. affurti mit einem muthmasslichen Prakritworte
rukkha st. Sskr. rriksha (Baum), welche Ansicht im Zi-
geunerischen ruk (Baum) Graffunder S. 39. einige Unter-
stützung findet, obschon auch rohi im Sanskr. selbst Baum
bezeichnet. Siehe auch Benfey, Griech. Wurzellex. I. Bd.
S. 148. und vgl. a>S~»K (Excoecaria Agaüocha) Sprengel
I. 24.. das Aloeholz, bei demselben 225. J>^ (Lex. Pe-
trarchae p. 218. PeM. etid Lignum aloes) und -s^LcT
welches letztere aber nach S. 220. Aquilaria ovata, ein
wohlriechendes, geflecktes Holz^ ist. Siehe bei Schedel,
Waarenlex., die Art. Alocholz, Agallociiehulz, Calambac-
holz, Adlerholz, die von verschiedenen Bäumen zu stammen
scheinen. Sskr. agarUj aguru Agaliochum (Aquilaria agal-
locha Roxb.)^ auch agnikushtha (Feuerholz)^ kushthaka,
vanatshandana, rarshika, kantshukinj löha; lohiia (A red
kind of Agaliochum). Käkatunda A dark kiud of Ao-al-
lochain, sonst kdlägtirtt. ^A'/äXh')xov und aquilaria sind of-
fenbar europäisirte Formen mit falscher Etvmolo«ne
»'•wo
Pers. ^J3^ ^ignum aloes [also dasselbe Wort als aloe]
und Agaliochum) Gast. I. 47. ; ^^^JtX 46. ; ^IäJ c>w*
558. ; t^yiJiO (Geruchsholz) : ^<^^. u. s. \v. Xylaloe,
Agaliochum II. 1612.; ^f> Agallochi genus optimum
3601.
Frutli — meta Gz. S.68., Buch, meiva, P. «^^ (miveh
et meiveh) Fructus quivis. Pehlvi miveh Anq. ZAv. s. o.
— ifVÄ-/(frutta)Gz. S.130.. A. i^y'i — JT^r« cfrntta nuova) ;
schwerlich doch durch Verwechselung von k statt »i, noch
auch mit kev, blau, bei Rieh, statt grün, verwandt?
I V) Musa paradisiaca aus Ar. -^ Gast. 11. 2011. Sprengel
1.217., Sskr. mofshä the plantain (Musa sapientam). Streun
im Realwörterb. hat Platin, Plantin, Plantain, Pakona, Pa-
V. 6
i
82
tona^ Musa^ Pisang (der Malayische Name Schleierra. l'Infl.
p. 536.), Bananes als Synonyma. Vgl. C. Ritter Erdk. Th.
V. S. 878. Der Zusatz sapientum ist nicht etwa durch
Musa hervorgerufen worden, sondern durch Plin. XII. 12.^
wo die Frucht als Speise der sapientes (gymnosophistae)
Indorum angegeben wird. Sskr. uyatatshtshhadä (lang-
schattig)^ kadali von den grossen Blättern, vgl. Theophr.
hist. 4, 5. Sprengel I. 69., hhänuphalä (Sonnenfrüchte tra-
gend, weil man deren der Sonne darbringt), mandshiphaläy
gutshtshhaphald, nagaruushadhi, surataru.
%
Kokosnüsse — Pers. ^j^ Cast. I. 521.^ Ar. J^j^y
(Cocos nücifera) Sprengel L 189. 223., a^yk'Kl.Kx Cosm.
Indopl.^ Sskr. nädlMla, nälikeraj ndnkeraj nänkeluy Hindi
näriynla. Ritter, Erdk. Th. V. S. 834. ff. Was von Bohlen,
Indien I. 38., behauptet, und worin Ritter (Erdk. Th. V.,
wo er von S. 834. jenen Baum bespricht) ihm beipflichtet,
dass jenes Wort: saftig bedeute, beruht auf der Herleitung
aus nurika (watery)^ die aber nichts weniger als gewiss
genannt werden kann. — Payodhara (milch- oder wasser-
haltig}^ karakämhhas (iü der Schaale Wasser habend),
khänodaka (beim Zerreissen Wasser habend), käufikophalaj
mundaphala (kopffruchtig, aus myt'iologiscnen Gründen),
kürtshafekhara aus kürtsha (a bunch) und ^ekhara (sum-
mit), phalake^ara (an der Frucht faserig), dir4fhapädup%t
(langer Baum), sutunga (sehr schlank) und hmga. Sprengel
I. 189.: »Kosmas Indicopl. spricht von der Kokospalme
'»unter dem Namen ccQyelXia, von dem süssen weinichteu
wSafte derselben, den man Qoyxoaovqa nenne, wie noch
»jetzt sura der Saft der Kokospalme hcisst. Für das Reifen
»der Frucht gebraucht er den Ausdruck rayyii^ti: dies
»Wort erinnert an den nialabarischen Namen der Kokos-
»nuss, tenga.u Mit letztcrem stimmt wohl kaum obiges
ttinga; allein stirä ist im Sskr. spirituous liquor. und der
Kokosbaum heisst daher surukara (Palmwcin hervorbrin-
gend). In (loyxooov^Mx bezeichnet violleicht das erste Wort :
^«8
Baum (Sskr. rfthi, Zig. ruk), vgl. ob. Agallochnm. Im Pers.
>
bei Cast. I. 334. y« Zythum^ vinum^ vel potus ex oryza
confectus. ^oQoad siog, olvoTtoiög, als Indische Gottheit^
Athen. I. 24.^ vielleicht mit Sskr. deca (Gott). S. noch Reland
Diss. T. I. p. 230. und suri, Saft aus den Knospen der Kokos-
palme, in Strehlin^ techn. Wörterb. unter: Cocosbaum. —
Cast. II. 263. f^j^ K'ux Indica major, vulgo Cocos.
Sanskr. bäla.
üaXadovQj ßEXedioQ, ro avaxuQÖiov Du C^ .S^
(Semecarpuß anacardiuni) Sprengel I. 217.^ Cast. ü. 168.
Forsk. Descr. Anim. p. 156. Gildem. Heb. Indd. p. 220.
XQiGoßalavog Sprengel I. 173. Sanskr. rirarriksha The
marking nut plant (S. anacardium), dahana, vishusya,
vranakrtt.
Muscatnüssc — Du C. (.loaxonäoi^ov (nux myristica,
nux aromatica) von Myristica moschata. Du C. von ijAo-
tiaxEQ sagt : Macer est Cortex ncali Punici, doch wohl mit
Unrecht, da uay.ert vielmehr die Schaale der Frucht von
M. moschata. Sprengel I. 161. — Du C. p. 1159.: ■^ita-
718^8, ro ficcKSQ, und auch Tiäanaaa, netfnsg, Pens.
Beshese (Macis) im Lex. Petrarchae in Klapr. Mem. rel.
a l'Asie p. 218., d. i. Pers. jbiJ (Macis^ cortex nucis
myristicae) Cast., fc*wLj>*o (Macis)^ aber >,**n'>l \y>. (Nux
myristica) und Syi\y>' Cast. ü. 510. i. q. xovanoa
Da C. App. p. 113., im Lex. Petrarchae 1. L Pers. joosa
(nuces moschaXae). Bei Sprcagel J. 225. u*vj L-j (Mus-
eatttösse) und ^ ,t ■■,^,.,. IUj (Macis). — Du C. GIoss.
p- 271, dudovi^ App. p. 55. deoöovie. Kauay^e
Glos», p. 558. -^ Pers. o^^^"^ (vierfarbig). — Hmdi
dshäyaphala CXutmeg). Sskr. lata, surabhi, samudränta.
(Fortsetzung folgt.)
A. F. Pott.
»*©♦•-
84^
IV.
Etieiine Quatreinere
lieber Phönicische Inschriften.
In abgekürzter UebersetaEuitg 0*
l>t@tC)
lieber die ]¥unildeit und ihre l§(praehe*
(Journal des Savans 1838 p. 397—405.)
Der Name Nmniden ist eine jener wunderlichen Be-
nennungen^ welche oft von fremden Nationen , sey es
aus Unwissenheit^ oder aus irgend einem unerklärlichen
Einfall^ einem Volke beigelegt wurden^ mit dem sie durch
Zufall^ Handel oder Krieg in Beziehung kamen ^ und
welche dann von Mund zu Mund fortgepflanzt^ von der
Geschichte besiegelt und endlich selbst von denen aner-
kannt wurden, die sich am meisten gegen so missbräuch-
liche Bezeichnungen hätten wehren sollen. Das Wort
Numiden hat bekanntlich kein Analogen unter den zahl-
reichen Stammnameu des nördlichen Africa gehabt und ist
nichts^ als eine sonderbare Verunstaltung des Griechischen
1) (Bei dem neuerlich wieder so lebhaft geweckten Interesse fUr
die Phönicischen und Puoischen Sprachdenkmale, bei der Un-
sicherheit, welche in der Erklärung der meisten Inschriften noch
herrscht und jeden Fortschritt der Methode^ jede Berichtigung
85
roficcöeg, welches mit seiner weiten Bedeutung so gut ein
Volk^ als das andre bezeichnen konnte, da alle Libyschen
Stämme ein Hirtenleben führten. Polybius ist wahrschein-
lich der erste, der das Wort JSofiadeg von einer bestimm-
ten Africanischen Nation, mit Ausschluss der übrigen^
gebrauchte, und in einer Weise^ die sich natürlich erklärt.
Als die Römer den Krieg gegen Carthago nach Africa
verpflanzten, waren die weiten Länder von dem Carkha-
gischen Gebiete an bis zum Flusse Mulucha von zwei
grossen nomadischen Stämmen ohne Nationaleinheit^ den
Ma£isylen und den Massaesylen, bewohnt, die unter zwei
Königen, jene unter Massinissa, diese unter Syphax stan-
den. Nach Besiegung des letzteren übertrugen die Römer
sein l^and als Belohnung für die ihnen geleisteten Dienste
dem Massinissa, und seit dieser Zeit bildeten die Massy-
len und 3Iassaesylen vereinigt ein ausgedehntes Reich
unter einem einzigen Fürsten, das sich nach Appian vom
Mulucha bis zu den Gränzen von Cyrene erstreckte, aber
schon bald, nach Jugurtha's Niederlage, der Römischen
Republik einverleibt wurde. Die Massylen und Massae-
des Einzelnen dankbar anzuerkennen gebietet, und bei den son-
derbaren Vorurtheilen, welche über diesen Gegenstand noch unter
uns zu Tage kommen, hat es nicht unzweckmässig geschienen,
QuATHEMKRK's Qeueste dahin gehörige Arbeiten durch diese Zeit-
schrift in einem weiteren Kreise bekannt zu machen, als sie
sonst wohl geworden wären. Sie sind in verschiedenen Artikeln
des Journal des Savans enthalten, die sich zunächst auf 6k-
sKNiirs Monumenta bezichen, und erscheinen hier ihrem wesent-
lichen Inhalt nach vollständig, so jedoch^ dass sowohl der ei-
gentliche Bericht über das genannte "Werk, als auch die ver-
schiedenen einleitenden Betrachtungen über den Umfang und den
Verlust der Phönicischen und Carthaglschen Literatur wegge-
fallen sind. Die dadurch entstandene aphoristische Form dieser
Bemerkungen wird ihrem Werthe keinen Eintrag ihun. J.Gildk-
MKISTBR.)
86
sylen waren die ersten nomadischen Völker, welche die
Römer kennen lernten , und obgleich, seit jener Zeit,
Massinissa alles versucht hatte, um sie an ein civilisirtes
Leben zxi gewöhnen, waren sie doch noch unter seinem
JEnkel nach Sallust's Bemerkung (Jug. 54. 90.) fast mit
nichts, als ihrer Viehzucht, beschäftigt. Aus derselben
Quelle (ibid. 19. 80) wissen wir, dass die Gaetulen, ein
anderes Hirtenvolk, zur Zeit des Jugurthinischen Krieges
den Römern noch fast unbekannt waren. Polybius wählte
zur charakteristischen Bezeichnung dieses muthigen, ab-
gehärteten Menschenschlages, der für Rom als Verbün-
deter eben so nützlich, wie als Feind gefährlich war,
den Namen No/tiädESj der unter der ungewöhnlichen Form
Numidae in das Lateinische überging und von den Rö-
mischen Geschichtschreibern angenommen, bis auf die mu-
hammedanische Eroberung den Bewohnern dieses Theils
von Africa bUeb. Es ist sehr merkwürdig, obgleich noch
von Niemandem ausgesprochen, dass die einheimischen
Völker des 'nördlichen Africa bis jetzt im Arabischen mit
einem dem obigen vollkommen entsprechenden Namen be-
zeichnet werden. Da diese Behauptung auf den ersten
Blick paradox scheinen könnte, beeile ich mich die Be-
weise dafür vorzulegen. Die von den Eingebornen ge-
redete Sprache findet man häufig mit dem Namen Chauvia
(Voyage de Peyssonnel I. 438) oder Schowiah (Shaw
Travels I. 223) bezeichnet und die Völker, die sie spre-
chen, heissen ebenfalls Schäwi '»^.*)^. In Makriz 's Ki-
tab-alsolük (ms. 673, t. II. fol. 347 v.) wird gesagt,
dass ein Vezir des Reiches Fez die Schäwi zu Hülfe
rief und ihnen beträchtliche Geldsummen sandte, qI — 5'
j*^ JU* fi-^^ '^^^^ ^^'-'^^ wdÄXw! (Ad, und etwas
später (348 r.) dass die Schäwi die Stadt verliessen:
iiJL^.JuLt qc iü^UJt J»=»j. Ueber die Bedeutung des
Wortes kann kein Zweifel seyn ; es gehört nicht der
Berbersprache an^ sondern der Arabischen und bezeich-
net einen Nomaden, einen Hirten. Ihn Khaldun (Proleg.
fol. 54 r.) sagt : ^l*it qjv>^ ^j^^ ^^I^ Vt*^^ ^4)
\^j)>i\ ^yi ^♦JJ'Jc^ jJlx: qI/ ^ ;;Die Zenatah im Maghreb
waren Schäwi (Hirten) und zahlten den gleichzeitigen
Königen Tribut"^ und an einer andern Stelle (ibid. 46 r. v.)
^Ji\ 3 >,*l.ö.di jt (^^3f^ »^S r^)*^' ^Laj^*^ c^'ilt
^^Diejenigen Völker, die von Ertrag der Heerdcn, z. B.
der Rinder und Schafe leben, sind vorzugsweise Nomaden,
weil sie Weiden und Wasser für ihr Vieh suchen müssen,
da das Umherziehen für dieses vortheilhafter ist. Sie
heissen Schawi d. i. solche, die Schafe und Rinder be-
sorgen, und sie entfernen sich nie weit in die Wüste,
weil dort gute Weiden mangeln." Derselbe Schriftsteller
sagt anderswo (Geschichte t. VI. fol. 89 v.) ; c^lj^t f^^
^yj^"^^ 'ij^Lii «AjuudJt (jj^i yac qjSjäX«. ,,Einige von ih-
nen sind in Aegypten und den Dörfern von Said zerstreut,
wo sie theils Schuici (Hirten), theils Fellah (Bauern) sind ;"
fol. 112 r.: w^Li ^1^ „wandernde Hirten;" VII. 299 r.:
K^^LäJb t>^1 ,,er blieb allein mit den Schäwi (Hirten);"
^LbL-Jt ^\^^ ^5 Jai:>\^ AJ^I-^l 'iSi^ ,,Befehl über die
Schuici (Hirten) und Aufsicht über die Heerden des Sul-
tan." An einer andern Stelle (II. 7 r.) wo er von den
Arabern, die sich mit Kameelzucht beschäftigen, spricht,
fügt er hinzu *UJJ ^ fU— äÜ ^^ Xj^I ^^^5 o' Ui'
L^ («{w'U^ qL5' Uj tÄJI^ „so wie die Schuiri sich aus-
schliesslich der Schaf- und Rindviehzucht widmen, von
der sie ihren Unterhalt ziehen.^' Dieselben bezeichnet er
anderswo durch yü^ «Lfc ^>^^ (\\. 36 v. VII. 16 r.).
88
Aus diesen Stellen geht hervor, dass das Wort Schäwi
keineswegs der Berbersprache angehört, dass es rein
Arabisch ist und im Allgemeinen Hirt bedeutet, dass die
nordafrikanischen Völker diesen Namen von ihrer Lebens-
weise erhalten haben, und dass schauvia die Sprache eben
dieser Hirtenstämme bezeichnet. Die Arabischen Eroberer
in den Städten, denen an den einheimischen Bewoh-
nern dies hartnäckige Festhalten an den Sitten und der
Lebensweise ihre Voreltern auffallen musste, benannten
sie nach ihrem Hirtenleben, ohne wahrscheinlich zu ahnen,
dass dieselben in viel altern Zeiten aus demselben Grunde
von den Griechischen und Römischen Eroberern einen
ganz analogen Namen erhalten hatten.
lieber die Geschichte der Numiden will ich mich hier
nicht verbreiten : aber ein Punkt verdient in hohem Grade
eine gründlichere Erwägung. Gesemus hat in mehreren
Stellen seines gelehrten Werkes über die Phönicischen
Inschriften behauptet, dass die Punische Sprache die der
Numiden gewesen sey. Da ich dieser Meinung nicht
beitreten kann, werde ich die Gründe, auf die dieser
schätzbare und kritische Gelehrte seine Annahme stützt,
prüfen. Es sind folgende.
1 . Sallust giebt als Quelle seiner Nachrichten über
den Ursprung der Numiden Punische Schriften an, die
er sich erklären Hess, und die von dem König Hiempsal
verfasst seyn sollten.
2. Cicero (gegen Verres IV, 40.) erzählt, dass
Massinissa, die von seiner Flotte aus dem Junotempel
auf Malta geraubten grossen Elephantenzähne wieder an
ihren Ort bringen und mit einer punischen Inschrift ver-
sehen liess, des Inhalts, dass dieser Tcmpelraub ohne
sein Wissen geschehen und gleich wieder gut gemacht
sey. Nun aber sagt Valerius Maxiinus, Massinissa habe
89
die luschrift gentis suae literis eiugraben lassen. Woraus^
nach Gesemus, die Identität der Numidischen und Pu-
nischen Sprache folgt.
3. In einer in Africa gefundenen Inschrift, die nach
Gesesius Ansicht von dem König Hiempsal herrührt^ hat
der Name der Alassaesylen eine vöIUg hebräische Form.
Auch die Numidischen Personen- und Ortsnamen erklären
sich leicht und natürlich aus der Punischen oder Hebrä-
ischen Sprache.
Es sind dies Gesemus sämmtHche Argumente ; deren
Bündigkeit wir nunmehr zu untersuchen haben.
Die Stelle des Sallust hat, irre ich nicht^ keineswegs
den Sinn, den ihr der gelehrte Verfasser beilegt. Die
Worte Jug. 17: libri Piinici gui regis Hiempsalis dice-
bantiir bedeuten nicht nBücher die Hiempsal rerfasst haben
sollleu. sondern r)die dem Hiempsal gehört haben solllen.u.
Aus Plinius 18, 5. ist bekannt, dass die Römer bei der
Eroberung Carthagos die Punischen, in der Bibliothek
dieser Stadt befindlichen Bücher ihren Verbündeten schenk-
ten. Gewiss erhielt Massinissa, der treue Freund Roms
und unversöhnliche Feind Carthagos, davon den beträcht-
lichsten Theil, und diese sorgfältig von Hiempsal bewahrten
Bücher waren ohne Zweifel bei der Eroberung der Nu-
midischen Hauptstadt Cirtha den Römern wieder in die
Hände gefallen. Uebrigens würde auch bei der Voraus-
setzung , dass diese Bücher in der That von Hiempsal
verfasst gewesen, daraus nichts zu folgern seyn. Gewiss
musste die Punische Sprache bei den Numiden sehr ver-
breitet seyn; da die Carthagischen Heere stets aus ihnen
ergänzt wurden, mussten Officiere und Soldaten mit einer
Sprache vertraut werden, die sie alle Augenblicke reden
hörten. Auf dieselbe Weise hatte nach Polybius I, 80.
der Gallier Autarites und seine Gefährten in dem Gär-
90
thagischcn Lager die Pimische Sprache gelernt^ auf dieselbe
Weise später Jugurtha die Lateinische, als er unter Scipio
Aemilianus vor Numancia diente (Sali. Jug. 101). Von der
andern Seite war das Punische die Sprache der Politik,
des Handels, der Literatur und folglich musste ihr Stu-
dium für alle, die einen etwas höheren Rang in der Ge-
sellschaft einnahmen, für alle, die wissenschaftliche und
literarische Kenntnisse suchten, unerlässlich seyn. Folgt
daraus, dass im achtzehnten Jahrhunderte der grosse Frie-
drich, Gustav III, die Kaiserin Catharina Werke in Fran-
zösischer Sprache geschrieben, dass die Russen und Türken
1774 ihren Friedenstractat in derselben Sprache aufgesetzt
haben: dass damals Preussen, Schweden, Russen und
Türken keine andre Sprache als die Französische gehabt
haben ? Ist ein Reisender, der in Labore Französisches
Commando hört, zu dem Schluss berechtigt, dass der
Dialekt des Pendschab derselbe ist, den man in Frank-
reich spricht? Die Numiden, die eine rohe und unvoll-
kommene Sprache besassen, gebrauchten aller Wahrschein-
lichkeit nach mit Vorliebe die feine und gebildete Sprache
Carthagos, gerade wie die unterrichteten Männer dieses
Volkes seit der Arabischen Eroberung sehr eifrig die
Sprache ihrer Sieger studirten und, einige wenige Aus»
nahmen abgerechnet, die von Berbern vcrfassten Werke
Arabisch geschrieben sind.
Die Stelle des Valerius Maximus gegen Cicero ge-
halten hat ebensowenig Beweiskraft. Es ist allerdings
wahrscheinlich, dass die Inschrift Massinissas in Puni-
schen Charakteren war, denn es ist zu bezweifelii, dass
die Numiden unter seiner Regierung eine besondere Schrift
gehabt haben sollten. Die Sprache der Inschrift konnte
die Numidischc seyn, aber es ist nicht einmal nöthig
dies anzunehmen, und wahrscheinlich bediente sich Mas-
91
sinissa absichtlich der Punischen Sprache sowohl als
Schrift. Valerius Maximus^ der bei früheren Schriftstel-
lern von einer von Massinissa gesetzten Inschrift las,
musste natürlich glauben^ dass er die bei seinen Unter-
thanen gebräuchUche Sprache und Schrift angewandt
habe.
Die Numidische Inschrift endlich, auf deren Zeuguiss
man sich mit so vieler Sicherheit beruft, drückt sie, auch
vorausgesetzt, dass sie richtig gelesen, richtig erklärt
sey, ^nrklich aus, was man sie sagen lässt? Ich meines
Theils kann mich nicht überzeugen, dass ein Monument
von so scheusslich barbarischem Stil von einem Könige
Numidiens, von eincun Sohn Massinissas errichtet sey.
Sicherlich waren die Numiden bei ihrem Soldaten- und
Hirtenleben schlechte Künstler ; aber ein König, der durch
ein öfFenthches Monument seinen Namen verewig«! wollte,
hätte leicht und mit wenig Kosten aus Carthago oder
einer andern Punischen Stadt Arbeiter verschreiben können,
die im Stande waren, eine einigermassen menschliche
Figur zu machen, anstatt der plumpen Caricatur auf dem
Monument.
Zweitens, das Wort Hakembaalj welches Gesextus
zu lesen glaubt, hat nach meiner Meinung mit dem Na-
men Hiempsal nichts zu thun; ich kann unmöglich Rau-
ben, dass die Numiden Punische Namen so sonderbar
verunstaltet hätten, während wir sonst wissen, dass die
von den Numiden wirklich anffenommenen Phöuicischen
Namen gar keine Veränderung erlitten. Dies beweisen
Namen \neAdherbal, Bomilkar u.a. hinlänglich. Der Name
Hiempsal, der ein ganz fremdes Aussehn hat, hat daher
nichts mit Hakemhaal gemein und kann nicht für Punisch
angesehen werden.
üebrigens würde die Existenz Panischer Inschriften
92
auf Numidiscliem Gebiete nicht beweisen , dass Einge-
borne sie hätten setzen lassen. Ohne Zweifel waren in
Cirtha und anderen Städten viele Carthager^ welche
Kriegsunglück^ Handel oder andere Motive dahin geführt
hatten^ und die in dem fremden liande ihre Muttersprache
und ihr Alphabet beibehielten.
Die Etymologie des Wortes, welches nach Gesemus
dem Namen Massaesylen entspricht, scheint mir sehr
zweifelhaft. Hat je ein Volksname mit einem Wort an-
gefangen^ das opera, facta bedeutet ? Ich werde sogleich
meine Ansicht über den Ursprung dieses Namens mit-
theilen.
Die Personennamen der Numiden^ diejenigen wenig-
stens, welche uns Griechische und Römische Historiker
aufbehalten haben, sind trotz der Versicherung des Hn.
Geseniü§;, der Phönicischen Sprache fremd. Die Worte
Massinissa, Gulussttj Hiempsal, lugurthuj Massiva^ Gauda,
Massugrada, Narava , Nabdalsa u. s. w. können, wie ich
mit Sicherheit zu behaupten wage, nicht auf Hebräische
Wurzeln zurückgebracht werden. Gesexius Bemühungen
zu diesem Zwecke haben nur zu unbefriedigenden Re-
sultaten geführt. Wenn man die Numidischen Städte-
namen untersucht, wird man gleichfalls nur ganz unge-
w^öhnliche; dem Punischen völlig fremde Formen finden.
Eine Ausnahme bildet nur die Hauptstadt Cirtha, deren
Name allerdings Phönicisch ist und Stadt bedeutet. Aber
dies erklärt sich leicht. Als Syphax sie gründete, hatte
das bis dahin unter Zelten lebende Nomadenvolk kein
Wort für den Begriff Stadt, und musste der Sprache
seiner Nachbarn, d. h. der Carthager, den Namen der neuen
Stadt entlehnen. Ganz so und aus demselben Grunde
haben später die Berbern das Arabische ääjJw« Stadt mit
einer leichten Veränderung in ihre Sprache übergenommen.
Nach Sallust (Jug. 78) war Leptis Magna von den
Sidoniern gegründet; aber die Einwohner hatten in Folge
häufiger Vermischung mit den Xuraiden ihre Sprache
verändert. Daraus folgt; dass nach der Ansicht dieses
Geschichtschreibers die Numidische Sprache von der Phö-
nicischen ganz verschieden war.
Endlich wird meine Behauptung noch durch die Bilin-
guis von Thugga bestätigt ; da dies 3Ionument sich in
einer zu dem alten Numidischen Reiche gehörigen Stadt
findet ; ist höchst wahrscheinlich die Inschrift in unbe-
kannter Sprache wirklich Numidisch. Es lässt sich we-
nigstens nicht annehmen^ dass beide Inschriften in der-
selben Sprache und nur in verschiedener Schrift aufge-
setzt seyen. Vielmehr ist mit Wahrscheinlichkeit vor-
auszusetzen^ dass eüie die Uebersetzung der andern sey.
So weit man davon nach den bis jetzt bekannt gemachten
unvollkommenen Copien urtheilen kaim, ist es ein Grab-
stein^ zu Ehren eines Xumiden errichtet und dessen lange
Genealogie enthaltend. Eines Numiden^ sage ich, denn
die Punische Inschrift scheint mit einer fast barbarischen
Nachlässigkeit eingehauen zu seyn^ die andere dagegen,
obschon sie verstümmelt ist; mit viel mehr Sorgfalt und
Genauigkeit; welcher Umstand immer ein grosses Hin-
derniss für die gänzliche Entzifferung sein wird*). Die
Namen auf diesem Stein, die der Numidischen Sprache
angehören, haben sonderbare, unbekannte, von den so cha-
rakteristischen sonstigen Phönicischen ganz abweichende
Formen.
1) (Seit obiges geschrieben ist, sind zwei, von einander unabhän-
gige Versuche dazu gemacht worden, welche Gesknics unbe-
greifliche Irrwege in Lesung dieser Inschrift rerlassen und das
Problem seiner endlichen Lösung ziemlich nahe gebracht haben:
der ein^von Wurm in Jahn's Xeuen Jahrbüchern für Phitol.
94
Es ist gewiss^ dass lange vor Ankunft der PhÖnici-
schen Colonien die Nordküstc von Africa mit nomadi-
schen Urbevvohnern besetzt war^ die eine wahrscheinlich
von der Phönicischen grundverschiedene Sprache redeten.
Wenn sie mit den Tyrien und Sidoniern in Beziehung
traten^ wenn sie von ihnen neue Bedürfnisse lernten und
dadurch fremde Wörter in ihre Sprache aufnahmen^ so
lag darin sicherlich doch kein Grund^ die Muttersprache
ganz aufzugeben und die der Asiatischen Kaufleute an-
zunehmen. Ein Hirtenvolk ändert weder Sprache^ nodi
Sitten jC;, und ebensowenig haben die Araber bis heute
die ihrige unter jenen Völkerschaften heimisch machen
können.
Nun aber hat es gegeben und giebt noch jetzt eine
Sprache, die mit geringem Unterschied von Aegypten bis
zur Küste des Atlantischen Oceans geredet wird. Dies
Idiom, das wir mit den Arabern das Berberische nennen,
aber das bei den Eingebornen schiiah oder tamazigt heisst,
ist mit keinem andern verwandt ; alles bezeugt sein hohes
Alter ; ihm fehlen viele Wörter, die sich bei einem dem
Hirtenleben fremden Volke unfehlbar gefunden hätten;
es kann durch keines der erobernden Völker in das Land
gebracht sein. Es ist daher mit aller Walirscheiulichkeit
anzunehmen^ dass diese Sprache seit den ältesten Zei-
ten xow den Nomaden Nordafrica's geredet wurde^ und
dass die Numiden, d. h. die Äla^^ylen und Massaesylea
1888. Bd. XXIII. p. 27; der andre ganz kürzlich vou dem als
glücklicliem Entzifferer bereits i-ühmliclist bekannten Mn. Ds
SAUiyCV im Februurheffc des Journal Asiatüpie 1843. Letzte-
rer hat naiiientlidi die Nominn propria und die Oeknnouiie der
Inschrift auf eine fast Ka»^- befriedi«ende Art bestimmt, >väh-
rend ersterer ein/.elne Buchstaben und einige Appellati va rich-
tiger gelesen im haben scheint.) *
dieses nämliche Idiom redeten^ das trotz so vieler Um-
wälzungen und Eroberungen sich bis jetzt mit wunder-
barer Beharrlichkeit erhalten hat.
Vielleicht kann noch folgende Bemerkung zur Be-
stätigung dienen. Wir haben gesehen, dass viele Nu-
midische Namen mit der Sylbe mas, zuweilen mis anfingen.
So die Namen der Massylen und Massaesylen^ die Xaraen
Massinissüj, Massira, MassugraJa u. s. W. Nun heisst ma*
in der Berbersprache Sohii^ und es scheint sehr natürlich
anzunehmen, dass die Berbern die Namen ihrer Stämme
mit diesem Wort anfingen, grade wie im Arabischen das
gleichbedeutende _j-u oder 0J3 stets vor dem Namen der
Stämme steht. Ebensowenig kann es auffallen, dass
Personennamen damit beginnen. Ganz analog bezeichnen
auch die Araber jemanden ohne seinen eigentUchen Na-
men bloss durch ein dem Namen des Vaters oder Gross-
vaters vorgesetztes Ehn, und nennen sich noch im heuli-
gen Europa viele Juden Jacobsohn, Levisohn, Mendelssohn.
Erster Artikel.
Heber Gesenlus Illoniinienta Pltoenieia.
(Journal des Savans 1838. Oct. p. 624 — b'37.)
Unter den Ursachen, welche in der Erklärung der
Phönicischen Monumente so zahlreiche Irrthümer ver-
anlasst haben, hebt der Verfasser vorzüglich zwei hervor,
die Nichtbeachtung der Gesetze der Palaeographie und
die Willkür, mit welcher man ohne Unterscheidung Wörter
aller Dialecte in den Inschriften fand. Er hätte noch zwei
andere hinzufügen können, die bisher eben so schädlich
gewirkt haben. Einestheils hat man nämlich oft nicht
96
zum Voraus untersuchen wollen, welchen Gegenstand man
in einem vorliegenden Älonuraent zu erwarten hahe. Man
kjann indess als ein fast ganz sicheres Factum annehmen^
dass ein isolirter auf dem Lande gefundener Stein nur ein
Grabstein oder ein Votivmonument sey. Wenn allerdings
diese so einfache und natürliche Regel^ von der mir noch
keine Ausnahme bekannt ist^ ausserordenthch die Wich-
tigkeit der Inschriften verkleinert, so entsteht doch auf
der]n andern Seite der Vortheil daraus, dass der Interpret
auf einen engen Kreis beschränkt; in welchem er nur
Nomina propria^ Namen von Gottheiten und wenige an-
dere Wörter erwarten darf, der Gefahr des Irrthums fast
gar nicht ausgesetzt ist und nicht in Versuchung ge-
räth, wilde und widersprechende Vermuthungen aufzu-
stellen^ wie sie diese Art gelehrter Thätigkeit endlich
lächerlich gemacht und ihr bittere und übelwollende Kri-
tiken zugezogen haben.
Andererseits muss die Sprache derartiger^ für obscure
Personen errichteter und blosse Votiv- oder Grablegenden
darbietender Denkmäler durchaus die des gewöhnlichen
Lebens seyn und sich nicht über die einfachste verständ-
lichste Prosa erheben. So oft daher ein Interpret darin
seltne, poetische Worte^ die sich ausschliesslich nur in
den schwersten Büchern des A. T. finden^ zu sehen glaubte^
kann man mit Recht schliesscn^ dass die Erklärung zum
wenigsten sehr zweifelhaft sey, und dass der Ueber-
setzer sich durch leeren Schein habe täuschen lassen.
Die erste Inschrift, welche die Aufmerksamkeit des
Verfassers auf zieh ziehen musste, war ohne Zweifel die
Bilinguis von Malta, welche zuerst Bahthelemy bis auf
einen nachher von Bayer gefundenen Buchstabon richtig
entzifferte, llr. Gesemus glaubt in der zweiten Zeile
']12'S servus luus für MJS servus ejus lesen zu müssen j
97
aber ich gestehe dem unmöglich beipflichten zu können.
Wie wäre es anzunehmen^ dass die beiden Errithler des
Monuments, die in der ganzen Inschrift von dem Gott
Melkart in der dritten Person reden, an dieser einzigen
Stelle die zweite gebraucht hätten? Ich weiss, dass ein
solcher Weclisel des Genus sich häufig in den Schriften
der jüdischen Propheten, m den Psalmen findet ; aber dies
sind poetische Werke, in denen der Verfasser in der
Begeisterung sich nicht um eine vollkommene Regelmässig-
kcit der Verbindung zu bekümmern hat. Da man aber
in Inschriften, deren Sprache im höchsten Grade prosaisch
ist, ohne die augenschemlichste Gewissheit zu haben,
unmögUch eine so auffallende Anomalie zulassen darf, so
ziehe ich die alte Lesart nzv vor. Ein zweiter Punkt,
über den ich die Bleinung des gelehrten Philologen nicht
theilen kann, ist die Erklärung des •'~: u^5 durch ^-: r'K
vir vovens. Der Einwurf gegen meine früher geäusserte An-
nahme, dass die Assimilation des i eine wesentliche Schwie-
rigkeit und ohne Beispiel sey, erledigt sich durch die
noch während der Blüthe der Hebräischen Sprache ge-
bräuchüche Form ^, zwischen welcher und dem ursprüng-
lichen "i?rK^ jenes t» in der Mitte steht').
Die zweite von Gesexius behandelte Inschrift ist die
zuerst von dem Fürsten von Torremuzza bekannt ge-
machte, von der sich ein, jedoch unvollständiger, Gyps-
abguss im Antikencabinet der k. Bibliothek befindet.
Barthelemy hat seine Erklärung dieses Monumentes nicht
publicirt, aber das von ihm im Journal des Sarans (1761,
Dec. p. 84) mitgethcilte Alphabet bezieht sich augen-
scheinlich darauf. Nachdem Gesemus die Arbeiten von
SwiNTOX, O. G. TvcHSEv, Kopp und Drummoxd, deren
1) (S. u. S. 101.)
V.
in der That keine eine strenge Kritik aushält, angeführt
hat^ entscheidet er sich für folgende Lesung und üeher-
setzung:
I 2zn nü2 Di« f]io I n^ mn rh^z np2 I S";,: i2p ah-j nn nn
Conclare domus aeternae (^est) sepulchrum. Depositus est
pius in hoc claustro. Spiritus remissionis (^eslj mater igno-
miniae^). Ilannibal filitis Bar Malech.
Aber^ frage ich, darf man das auf einem Monument
solcher Art erwarten? Können quasi-philosophische lie-
flexionen in Inschriften^ die wie bemerkt nur Grab- oder
Votivlegenden enthalten, Platz finden ? Irre ich nicht^ so
ist der Sinn ein ganz anderer. Ich lese nämlich folgen-
derraassen :
2:n nü3 nxi 1:2
-b^2 ^2C•;^ p S>*
Conclave domus aeternae, sepulchrum fabricatum; moaU'-
mentum nuruum mearum Jadhemed et Emboschet, Hannibal
filius Ebed-Molek.
Die ersten Worte haben keine Schwierigkeit und sind
von allen Auslegern auf dieselbe Weise gelesen, lin findet
sich mehrere Male im A. T. als cubiculnm, conclave, pe-
netrale. Prov. 7, 27 steht z. B. ri.ia n^ri die Kammern des
Todes. Der Ausdruck domus aeterna für Grab erinnert au
die Stelle des Diodor I; 51, nach der die Acgypler ihre
Häuser Gasthäuser und das Grab die ewige Wohnung des
Menschen nannten. Das Wort VSlj oft defectiv 2V? ge-
schrieben, entspricht dem häufigeren n2i*n. Das Nomen
1) (Oder vielmehr la den Addeudls S. 4«S.: j-iiraa X91Q m
Spiritus mansuftus sine dedecurt.)
propriom "^W^- bezeichnet manus gratiosa, manus pulehra
wie in dem Roman vom Tristan die Geliebte dieses Ritters
Iseiilt aux bellesrnai HS hcisst. Das Wort l^^S'ps: eigentlich
Mutter der Beschämung kann in weiterem Sinne für pudica
genommen und als weiblicher Name betrachtet werden.
Das letzte Wort haben die Erklärer einstimmig *]Sm2 ge-
lesen^ aber ich kann unmöglich in einer Phönicischen
Inschrift die rein Syrische oder Chaldäische Form 12 an-
nehmen. Man kann sich leicht überzeugen^ dass in den
Inschriften das "^ das als kleiner Kreis den Au«en ei-
nes unerfahrenen Künstlers leicht ein blosser Punkt oder
ein zufälliger Fehler der Vorschrift scheinen konnte, oft
genug ausgelassen ist; andere Beispiele werden in der
Folge vorkommen, und überall wird man augensdieinlich
sehen, dass der Fehler eben nur dem Steinhauer zuzu-
schreiben ist. Danach stehe ich nicht an, auch hier ein
r herzustellen und '\>'p "^5? Diener Moloch' a zu l^en.
Zweiter Artikel.
(Journal des Savans. 1843. Sept p. 513—531.)
Keuentdeekte Athenii^he Ini>$c]trlfi«).
Ein Fragment einer Platte von Hymettischem Mar-
mor wurde am 4. Mai 1841 zU' Athen in der Nähe des
*) Vor etwa zwei und dreissig Jahren besass der Spa-
nische Generalconsul zu Tunis, Arnoldo de Solar
einen Marmor mit einer langen und schönen Phö-
nicischen Inschrift, der in den Ruinen von Ledschem
dem alten Tysdrus, gefunden war. Hr. Dusgate,
damals Englischer MarineofTicier, hatte diesen Stein
100
Piraeus in dem Garten des Chioten Alexander Conto-
stavli ausgegraben^ auf der zwei Inschriften^ die eine in
Griechischen^ die andere in Phönicischen Charakteren^ be-
findlich sind. Hr. Raoul-Rochktte, der davon eine Copie
erhielt^ theilte mir dieselbe sogleich mit, und am folgen-
den Tage legte ich der Academic der Inschriften eine
Erklärung der beiden Texte vor. Der Griechische Theil
enthält nur eine Zeile in Majuskeln^ während die Phö-
nicische Inschrift aus zwei Linien in viel feineren Charak-
teren besteht. Das Griechische kann also keine wörtliche
Uebersetzung seyn^ es giebt aber den Phönicischen Text
in abgekürzter Weise^ und lautet:
A^EFTE^YMIEAHBIO Y^UQNIA
d. i. Äsepte, Tochter des Symselemos, aus Sidon. Die Na-
men Aseple und Symselcmos sind, wie man sieht^ der
Griechischen Sprache völlig frerad^ was freilich bei einer
Sidonierin nicht auffallen darf.
Die beiden Phönicischen Zeilen*) übertrage ich fol-
gendermassen in Hebräische Schrift
bv3 ]a Sn^ p »an ^Sy]a\y^< p bs]n»
und übersetze : Ego Isbat, filia Aschmun-schillemj Sidonia.
Hoc qiiod statuit mihi Itten-Baly filiiis Aschmun-lsillah ,
heri meij filii Schaül-min-'Baal.
Den Werth der in dem ersten Namen auf das Aleph
folgenden Buchstaben kann man wegen ihrer unvoll-
oft gesehen. Was daraus geworden^ weiss ich nicht.
Hr. von Solar ist todt, und über das Schicksal der
Yon ihm gesammelten Monumente habe ich nichts
in Erfahrung bringen können.
S. die erste Lithographie zu diesem Hefte.
101
kommenen Form nicht ganz sicher bestirrimch ; tndeiss
zeigt die Griechische Umschreibung ziemlich deutlich^ dass
man darin » und d sehen muss. Der Xame Asehmun-
schillern, der im Griechischen zu 2'y'1/3E'^/firM0^ verkürzt
ist, enthält den des Phönicischen Gottes Aschmuriy mit
welchem man auch sonst Eigennamen gebildet findet. So
ist wahrscheinhch für Abdemon bei Jos. c. Ap. p. 449
Ahdismon zu lesen. Das Wort nSt? könnte D?.^ integer
ausgesprochen werden, ich ziehe indess '^y? retribitit vor,
so dass der ganze Xame die Bedeutung Aschmun retribitit
hat, wie denn überhaupt die Phönicische Sprache gern
Namen von Personen aus dem Namen einer Gottheit und
einem im Präteritum oder Futurum stehenden Verbum zu-
sammensetzte. Aehnhche Beispiele finden sich in ziem-
licher Anzahl in den Inschriften. Das feminine Adjectiv
rny, mit vier Buchstaben geschrieben, bestätigt die AVahr-
nehmung, dass die Phönicier in ihrer Schrift fast überall
die quiescirenden Buchstaben ausliessen. Ganz so steht
auf den Münzen von Sidon C3"T2f.
Das folgende Wort tj^ habe ich durch quod übersetzt.
Schon früher habe ich gesagt, dass dies wahrscheinlich
das Relativum ""T^x war, das im Phönicischen sein 1 ver-
loren hatte, wie es später im Hebräischen auch noch
das s einbüsste. Hr. Gesemus hat meiner Äleinunor nicht
beitreten wollen^ und die seinige, dass das fragliche Wort
dem Hebräischen vj^n vir entspreche, beibehalten. Ich be-
daure indess, erklären zu müssen, dass die von diesem
schätzbaren Gelehrten angeführten Gründe mich keines-
wegs überzeugt haben , und muss auf meiner frühern
Deutung bestehen. Irre ich nicht, so giebt es keine unter
allen Phönicischen und Pimischen Inschriften, in der das
Wort ü't* mit Sicherheit nachgewiesen werden kann. In
einer Votivinscription, die Hr. Falbe, ehemaliger Dänischer
102
Generalconsul zu Tunis^ aus Africa mitgebracht hat; ist
die weihende Person eine Frau: ist dabei anzunehmen^
dass die Phrase habe mit den Worten ms xin vir vovens
anfangen könne? Erklärt man aber mit mir das Wort
durch ">TüS; so erhält man den ganz natürlichen Sinn hoc
quod vovit. Ferner müsste, wäre der von Gesenius voraus-
gesetzte Sinn der wahre^ nothwendig der Artikel vor dem
Substantiv und vor dem Participium stehen; ')'j^n ü»^?^ ;
derselbe Fall tritt in der vorliegenden Inschrift ein und
die Phrase müsste^ um nicht sprachwidrig zu seyn^ eine
analoge Wendung haben, während bei meiner Erklärung
der sehr einfache und natürliche Sinn entsteht : hoc quod
finxitj, statuit mihi. In einer der Maltesischen Inschriften
Uesst man nach dem Namen des Errichters des Monuments
]3K Dtr v;^^. Kann mau^ frage ich, hier anders übersetzen als :
qui posuit lapidem? Zwei Zeilen weiter^ nach dem Namen
des Gottes Baal-Hamman, heisst es iin Sd "au ^ü, wovon
der einzige und wirkliche Sinn der ist: qtiia exaudivit omnia
verba ej'us^'). In den Citischen Inschriften findet sich be-
1) (Geinuint siud die vou Gkskmus als Melitensia 3 and 4 bezeich-
neten, deren erstcre Ifr. Ouatiikmeiik nacli obigen und einigen
später gegebenen Andeutungen so liesst:
'^ jQ 323 Monumentum Molek-
-izrüTK Sya Baalis qui posu-
-aS • . • CD it ... Ba-
"X ]Qn hy alt Uammano lapi-
yaUU?X XI dem, quia exaudivit
T13T 73 umniii ejus verba.
Die drei durch Punkte bezeichneten Charaktere könnten in diesem
Zusammenhange etwa rpll gelesen werden (die von allen ;;«;-
wühnlichen abweichende Form des letzten Buchstaben scheint
am leichtesten auf n zu führen), diesVerbum im Sinne von be-
stimmen, d. i. weihen genommen, da die Bedeutung insculpsit
(und daher auch ein etwaiges xiTW) nicht passend crsclieint. Die
lOS
ständig nach dem Wort n2X*3 monumenttim und vor dem'
Namen dessen ^ der den Grabstein gesetzt hat^ das
Wort WX, das auch hier wiederum nur durch das Rcla-
tiyum qui übersetzt werden kann. Ich ersuche Iln. Gksenius,
diese Gründe zu erwägen^ und hoffe, dass sie ihn zur
Annahme meiner Meinung veranlassen werden*).
Ich komme zu einem Worte, das bis jetzt Niemand
erkannt hat, ungeachtet es in den Phönicischcn Inschriften
häufig genug vorkommt, nämlich zu dem Wort, welches
ich K;p» lese und durch e/finxit, formarit übersetze. Irre
ich nicht, so ist dies Vcrbum aus dem Griechischen tly.iov
Bild entstanden. Es darf keineswegs überraschen, dass
Griechische Lehnworte schon früh in die Sprache der mit
Griechenland in so ausgedehnten Handelsverbindungen
stehenden Phönicier, insbesondere der Cyprischen ein-
gedrungen sind, da die Insel Cyprus mit Griechischen
Colonien ganz bedeckt war. Und gerade bei diesem Wort
ist es keine willkührliche Vermuthung, da auch das
Syrische das ebenfalls aus elxtav gebildete ^n. in dem-
selben Sinne hat, welches sich von dem Phönjcischen
bloss durch Abfall des finalen n unterscheidet. Zum Be-
leg könnte ich mehrere Citische Inschriften citiren ; da ich
aber über diese noch im Einzelnen handeln werde, be-
Weodung erläutert das ganz analoge i^'^pT 1127 K3*t iO^n
UCüb einer Palmyrenischeu laschrift.
Seine Erklärung der Melit. 4 ist:
"jS'S 3»i*3 MunumentuiH Molek
~t?*7K "1DN Asari qui pusu-
HviS n it Baali
^2><t, lapidem
. . . . )
1) (Es darf nicht unerwähnt bleiben^ dass gleichzeitig Gesknius
den vir vovens aufgegeben hatte im Thesaurus p. 1345.) b
104
halte ich mir bis dahin vor, zu zeigen, dass das Wort
iii ihnen stets in derselben Form und mit demselben
Sinne vorkommt.
In der vorliegenden Copio scheint der nunmehr fol-
gende Name mit einem > anzufangen : 'i2Y\\ Diese Form
scheint auf den ersten Blick dem Phönicischen Sprach-
gebrauch nicht ganz angemessen 5 so oft nämlich in den
Inschriften ein Nomen proprium aus einem Substantiv und
einem Verbum^ sey es im Präteritum oder Futurum^ zu-
sammen gesetzt ist^ steht allemal das Verbum nach dem
Substantiv^ wovon zahlreiche Beispiele in meinen folgen-
den Erklärungen vorkommen werden. Man könnte daher
in der Copie einen leichten Fehler voraussetzen und
Statt ' ein a lesen^ so dass die wahre Form S2 "inp Baalis
donum wäre. So findet sich auf einer unter Römischer
Herrschaft geschlageneu Münze von Carthago^ als Name
eines Suffeten, Muthom-Baal d. i. Sya "inc Indess da wir
der Phönicischen Sprache bloss auf eine kleine Zahl we-
nig charakteristischer Inschriften hin nicht mit Bestimrat-
heit eine Namenform absprechen dürfen^ halten wir uns
besser an die Texteslesart. Ohnehin finden wir in der
Geschichte den von zwei 'lyrischen Königen getragenen
Namen Ithobalf der, wenn ich nicht irre^ von Josephus
etwas verunstaltet und Ittenbal zu lesen ist^ so dass ei
dem in unserer Inschrift vollkommen entspräche.
Das Wort bi steht hier für Sv2. Schon früher hatte
ich Gelegenheit und werde sie noch oft haben zu be-
merken^ wie leicht das V von den Verfertigern der Phö-
nicischen und Punischen Inschriften ausgelassen worden
ist; es scheint selbst, dass in der gewöhnlichen Sprache
der Buchstabe oft clidirt wurdc^ besonders in dem Wort
S'J2y wofür man Si sagte. Dies zeigt sich in dem Namen
der Königin S^rx, und ebenso war in dem Babylonischen
ins
Dialekt die Form Si in Gebrauch. Der Name nSv '[nvH
heisst Aschmnn prosperavit.
Das Wort ^21 übersetze ich durch herus mens und
nicht durch sponsus meus. Für dieses hätte ^w»^< oder »S?2
stehn müssen. Das Wort -1 bezeichnet nie den Gemahl ;
es bezeichnet entweder den Herrn eines Sclaven^ oder
einen Lehrer, oder den Meister in Beziehung auf Schüler.
Aus der Stellung des Wortes ^31 geht deutlich hervor,
dass nicht Ittenbal, der das Monument errichten Hess,
sondern sein Vater Aschmun-tsillah der Herr der be-
nannten Frau war.
Ich lese weiter S" 3 ]a Snu und erkläre : der vom
Baal Geforderte. Der Name ist allerdings ziemlich lang,
aber man braucht nur die Bibel aufzuschlagen, um ähnliche,
aus einer kleinen Phrase bestehende Namen zu finden,
in denen der Name Gottes mit einem Substantiv oder
Verbum verbunden ist. So heisst der Vater Serubabels
Si^^nSxu d. h. ich habe Gott angerufen^ und es liessen sich
eine Menge anderer Beispiele beibringen. Selbst in den
ersten JahrlAnderten des Chri<tenthums wählte man der-
gleichen Namen häufig; die Carthagische Kirche bietet
uns in einem Jahrhundert drei Bischöfe dar mit Namen
Quod-vult-Deus, Deo-gratias und Habet-Deum.
Iiisehrift von ]%'ora.
Eine in Pula^ dem alten Nora in Sardinien entdeckte
Inschrift ist auf verschiedene Weise von Arri, Gesemüs
undBENARY*) erklärt worden. Der erstere hat nachher
1) CDem gelehrten Verfasser ist die von Wuum in den Netten
Jbb. für Philol. 1S38. Bd. XXIII. p. 28. versuchte Deutung:
Domus principis, qui et dux, quem pater Sardon beavit;
huic pax obtinyat, Malchuttano, filio principis^ filii ducis
L — ae (hdoS) uQbekanut geblieben. Die gegen Hd.Quatrkmk-
RB^s Lesung möglichen Einwendungen liegen zu Tage. Ueberhaujit
106
seine Deutung gegen die der beiden Letzteren zu verthei-
digen gesucht. Gesenius erklärt sie in .folgender Weise;
Domus capitis (j.e.dormiforimn^principis, qtii QeraQ paier
Surdorum. Pacis amans ille. Pax contingat regno nostru.
Ben Rosch filius Nagidi, L — ejisis (_,jAc nomine gentilicio
dubito'^0-
Ich meinestheils möchte keine dieser verschiedenen
Erklärungen annehmen^ die mir in der That zu wenig
natürlich und zu wenig den Gesetzen der Hebräischen
Sprache angemessen erscheinen. Die folgende scheint
wenigstens das Verdienst einer grossen Einfachheit zu
haben.
«n Tun phl
^ p 1U2
hvj KH dS
DK []l3 'Dhl
1 \i p>S %
Monumentmn Rosch- Sar filii Rosch-Ah-sart filii Schalern
Uschlucensis, filii Asalitten, filii Roschj filii Nur lisch-
lucensis.
Zur Rechtfertigung dieser Deutung diene folgendes.
Zunächst sieht man leicht, dass am Anfang der Inschrift
zwei Buchstaben fehlen: dass das Wort t\i für n>a Haus
nicht in der Bedeutung 6?r«/>' gebraucht werden konnte, ohne
wenigstens, wie in den Maltesischen Inschriften, durch
vermisst man eine nähere Nachricht über die Beschaffenheit des
offenbar nicht vollsläiidiKcn {Steines, aus der hervorginge, wo
und wie viel etwa eu ergänzen sein müchte.)
m
ein hinzugefügtes dS7 die Formel domus aeterna zn bilden.
Es ist dalier wahrscheinlich, dass die beiden Buchstaben s*3
durch einen Bruch des Steines verloren gegangen sind, so
dass auch hier das gewöhnlich vorkommende Wort ri2]ra
montimentum gestanden hat. Das Nomen proprium wi kommt
vermuthlich von rfX"! Haupt. Nach dem folgenden u sind
entweder einer oder zwei Buchstaben weggefallen : im crste-
ren Fall könnte mau ein •" hinzufügen, um -'ü Anführer
zu bilden, im letzteren hätten wir aS\r ü"! Rosch schalem
als Eigennamen^ welche Lesart mir vorzuziehen scheint.
Die Stadt, aus der der Gestorbene gebürtig war, findet
sich nicht angegeben, vielleicht weil dies eine bekannte
Sache war und er aus der Stadt stammte, in der er be-
graben wurde, nämlich aus Nora selbst. Unmittelbar nach
dem so gewonnenen Nomen proprium müssen wir das
Wort Sohn erwarten, daher ich glaube p lesen zu müs-
sen. Das Wort \r' kommt noch einmal vor als Name des
Vaters des vorher benannten. Darauf folgt ein Wort, wel-
ches ich itri»(n lese. Da es den Artikel hat kann es nur
zweierlei bezeichnen, entweder einen Amtstitel oder ein
Adjectiv zur Bezeichnung der Herkunft. Im letztern Fall
müsste es nothwendig auf» ausgehen, daher es nur ein
Titel seyn kann mit der Bedeutung : le pere chef. Dies mag
der Titel der ersten Magistratsperson der Stadt gewesen
seyn; in ähnlicher Weise hicssen nach dem Zeugniss des
Pentateuch die kleinen Könige der Philister "jS^z »2X Vater
des Königs, trugen die Könige von Edessa den Namen
Abgurj und noch mehr entspricht der Bedeutung nach der
Titel Ata-beg. In dem folgenden Wort, das ich ^ciSüKn
lese, finde ich das Adjectivum zu Usellis , einer Sardini-
schen Stadtj und wenigstens ist es natürlicher hier einen
Bewohner dieser Insel, als einen Africaner zu sehen. Nach
dem folgenden i scheint der Steinhauer das ] des Wortes
p vergessen zu haben. Danach lese ich p^ScN. Wenn hier
nicht etwa ein Fehler in der Zeichnung seyn sollte, ist an-
108
zunehmen, dass in diesem Dialect, wie in vielen andern,
das T in S überginge so dass bsK für den in Phönicischen
nominibus propriis so häufigen Namen des Gottes ids stände,
und das ganze Wort bedeutete: gegeben von Asal (^Asar)
In der letzten Zeile müssen zwei Buchstaben \vee<refallen
seyn; wir finden bei dieser Annahme das obige Wort »DlSuN,
aus Usellis.
Inschriften von CStiiim.
Als Bauthelemy sich erijstlich mit dem Studium der
Phönicischen Monumeiite beschäftigte , schrieb der da-
malige Marineminister Graf von 3IorvilIe auf seine Bitte
an den Französischen Consul in Cypern und beauftragte
ihn, die durch Pococke bekannt gewordenen Citischen Mar-
mortafeln nach Paris zu schaffen. Der Consul erwiderte,
dass sie sämmtlich kurz vorher in den Ofen gebracht
und zu Kalk gebrannt seyen. Zur Wiederauffindung der
Originale, die, nachdem sie so viele Jahrhunderte lang
von der Zeit und den Barbaren verschont geblieben, in
der Mitte des achtzehnten Jahrhunderts und, wie es scheint,
durch Europäische Hände spurlos untergingen, bleibt nicht
die mindeste Hoffnung und wir sind daher zur Erklärung
der Inschriften, abgesehen von dem einen nach Oxford
gebrachten Steine, auf zwei genaue Copien Porters und
die überaus nachlässigen Abschriften Pococke's beschränkt.
Die Oxforder Inschrift blieb die einzige, mit w elcher man
sich ernstlich beschäftigt hat, bis in neuester Zeit Ge-
SENius eine fast vollständige Uebersctzung der Inschriften
lieferte. Da ich indess von ihm in vielen Punkten ab-
weichen muss, lege ich hier eine neue Deutung dieser
Monumente vor.
Die erste und längste Inschrift ist unglücklicher Weise
die von Pococke am nachlässigsten behandelte, so dass
ihre sümmtlichcn Buchstaben auf die sonderbarste Art
109
entstellt und fast unleserlich geworden sind. Hrn. GeseMüs
Scharfsinn hat dieser Schwierigkeit wegen keine voll-
ständige Entzifferung gewagt. Ich werde mehr unter-
nehmen: ich glaube die Inschrift vollkommen herstellen
zu können. Da dies aber nur durch Conjecturen geschehen
kann, die vielleicht auf den ersten Anblick zu kühn er-
scheinen werden, so muss ich die Entzifferung der übri-
gen Inschriften voraus schicken.
OiLf Order Inschrift').
Kein Phönicisches Sprachdenkmal hat die gelehrte
Kritik so viel beschäftigt^ als diese Inschrift. Nach den
Versuchen Barthelemy'Sj Swinton's, Akerblad's^ Sacy's,
Fabricy's, Kopp's, des verstorbeneu Caussin de Perceval,
dessen in der Academie der Inschriften gelesene Abhand-
lung unedirt geblieben ist, und Hamaker's hat Gesemus
folgende Erklärung gegeben:
Ego Abdosiff filius Abdsttsimij filius Hori (jhunc) eippum
ei quae per vitam meam consuevit mecum super cuhili meo
placido in aetum omru posui Amath- Astarte, filia Thomaej
filii Abdmelichi,
Ehe ich meine eigne Lesung vorlege^ erlaube ich
mir über die vorstehende einige Bemerkungen. Zunäclist
kann ich mich nicht überzeugen^ dass der alleiu stehende
Buchstabe s im Phönicischen habe für is qui oder ea quae
gebraucht werden können. Wenn dafür directe Beispiele in
den Phönicischen Monumenten vorhanden wären^ so müsste
man sich allerdings dem Augenschein ergeben^ bis jetzt
aber ist dafür nicht das Mindeste beigebracht. Zweitens
bezieht sich der Ausdruck "n3 per vitam meam, so oft er
1) (Ewald's Erklärung dieser Inschrift im vorigen Bande der
Zeitschrift, mit der die obige am nächsten zusammentrifft, konnte
dem Verfasser noch nicht bekannt seyn.)
110
auf den Citischen Monumenten vorkommt^ nie auf eine
Person^ die die Gefährtin des Verstorbenen während seines
Lebens gewesen wäre^ sondern immer nur auf die Er-
richtung des Monuments: D^'ns riXJQ Monumentum per
vitam positum. Das Verbuni ]"□' in der Bedeutung wohnen
existirt weder in der Hebräischenj noch, die Arabische aus-
genommen^ in einer der verwandten Sprachen. Ist ferner
dieses der Ausdruck für einen solchen Fall? Kann man
sagen : eine Frau^ die auf meinem Bett gewohnt hat? Wahr-
scheinlich hätte man sich doch des eingeführten und ge-
wöhnlichen Wortes :i3*j cuhavit bedient. Ist es ausserdem
glaublich; dass das Masculin gebraucht sey, wo von einer
Frau die Rede ist? Dazu kommt ^ dass der Ausdruck
Mina 3Dua cubUe requiei meae doch nicht wohl ein materi-
elles Bett bezeichnen kann, sondern eben nur das ewige
Ruhebett; das Grab. Auch ist nicht glaubUch, dass die Phö-
nicier das Suffix der dritten Person Sing. Masc. durch ein
K am Ende ausgedrückt hätten. Endlich macht in dem Ver-
bum, welches Geseniüs nt< a"a> liesst^ das n sicherlich ei-
nen integrirenden Theil des Wortes aus, wie die obige
Athenische Inschrift unzweifelhaft gezeigt hat. Eben so ist
eine Erklärung, die in n« eine Abkürzung von >nt< sieht,
durchaus unzulässig.
Auf den ersten Blick sollte es scheinen, als ob nach
den Arbeiten so vieler gründlichen Gelehrten eine so
kurze Inschrift keine Schwierigkeiten mehr darbieten könnte.
Nichtsdestoweniger ist es sehr gewiss, dass einige Worte
noch dunkel sind und der Sinn im Ganzen keinesweges
so fest gestellt, dass neue Versuche überflüssig wären.
Daher ich die folgenden Vermuthungcn der Prüfung der
diesen Gegenstand ihrer Aufmerksamkeit werth schätzen-
den Gelehrten vorlege.
Akkrulau's Lesung der ersten Zeile scheint mir un-
widcrsprechlich. Nur füge ich seinen Bemerkungen hinzu,
dass das Wort idx Asar in -iDNTTi bei den Phöniciern
111
eine sehr wichtige Gottheit bezeichnet zu haben scheint,
da man es in vielen Namen findet. In der von Barthe-
LEMY erklärten Maltesischen Inschrift liest man Ebed Asar^
der Diener Asar's, und Asar-schamary der von Asar Be-
schützte, jenes auch in der 23. Inschrift von Citiura. Jo-
sephus c. Ap. p. 449 erwähnt einen König von Tyrus Na-
mens Bodezor; ich glaube, dass man hier Abde%or d. i.
Ebed Asar lesen rauss. Der Cultus dieser Gottheit muss
ebenfalls bei den Assyrern sehr verbreitet gewesen seyn,
da man drei damit zusammengesetzte Namen ihrer Kö-
nige kennt: Teglat-P?tal-Asar, Schalman-Asar und Asar^
Haddon. Die vouAkerdlad angenommene Identität desiD;«
mit dem Aegyptischen Osiris scheint mir überaus zweifel-
haft. Eine andere nnedirte Inschrift, davon die Academic
der Inschriften eine Copie besitzt, enthält den Namen
TK *S^ Molek-Asar,
Die zweite Zeile beginnt mit den beiden Buchstaben
cS , die eine w^irkliche Schwierigkeil darbieten und alle
bisherigen Erklärer in grosse Verlegenheit gesetzt haben.
Unter allen bisher vorgeschlagenen Conjecturen befrie-
digt mich keine. Ich weiss nicht; ob die meinige glück-
licher seyn wird.
Zunächst könnte man den zweiten Buchstaben für
fehlerhaft eingehauen halten und mit einem Jod statt sei-
ner ^S mihi lesen. In der That wäre diese Vermuthung
nicht übermässig gewagt, da man die Figur nur umzu-
kehren braucht, um ein Jod für Mem zu erhalten. Da
aber der Charakter hier sehr bestimmt gezeichnet ist,
möchte ich nicht zu diesem Mittel greifen. Wenn also
eine andere Vermuthung nöthig ist^ lässt sich annehmen^
dass ein V entweder am Ende der ersten oder am An-
fang der zweiten Zeile von dem Steinhauer vergessen
sey, welches das Wort dS? aeternitas gebildet habe. Ein
solcher Fehler darf nicht überraschen^ da es sich nicht
112
von einem öffentlichen Monument handelt^ dessen Errich-
tung sorgfältig überwacht seyn würde^ sondern von dem
Grabstein einer blossen Privatperson^ dessen Besorgung
Arbeitern überlassen war^ die ohne Zweifel nicht son-
derlich in der Sprache bewandert waren, und sich we-
niger um Correctheit, als um Symmetrie der Zeilen
kümmerten.
Bei einer genauem Untersuchung der Phönicischen
und Punischen Inschriften überzeugt man sich, dass die
Steinhauer regelmässig das Vy das gewöhnlich nur in
einem kleinen Kreis, in einer Art Punkt besteht, ausge-
lassen haben. Beispiele davon habe ich schon angeführt
und noch mehrere werden später vorkommen, so dass
das Fehlen des JT wohl keinen treffenden Einwurf gegen
die Richtigkeit meiner Erklärung abgeben kann. Ich lese
demgemäss oSy nasa monumentum perenne. Gerade
so heisst in der Inschrift des Fürsleu von Torremuzza
[Melit. 2.] ein Grab üSl? ni domus aeterna.
Sodann lese ich nj;2p> und übersetze efformati, eßnxi.
Man sehe, was ich oben über die Lesung und den Sinn
dieses Verbums gesagt habe, von dem weitere Beispiele
bei einzelnen Citischen Inschriften noch vorkommen wer-
den. Ich hatte in einer früheren, vor längeren Jahren in
der Academie der Inschriften gelesenen Abhandlung diese
Deutung vorgeschlagen, aber zugleich erklärt, dass ich
sie bestimmt verwerfe; aber seitdem hat mich die ent-
deckte Athenische Inschrift und ein genaueres Studium
der übrigen Citischen belehrt, dass diese Annahme die
einzige ist, die sich mit der Bestimmung der Monumente
und dem Sinn ihrer Texte vereinigen lässt. Das N macht;
wie bemerkt, einen integrirenden Theil des Wortes aus
und das n rauss daher das Afformativ der ersten Person
seyn.
113
Es folgen die Worte zhvh Tina 22tTi ^V stiper Iccttim
qnietis meae in aelerninn.
Die drei letzten Buchstaben der Zeile sind bis jetzt
von Allen sSd gelesen, ohne dass Jemand diesem Worte
hätte irgend einen zulässigen Sinn geben können. Ich glaube,
dass man darin sbl sehen muss, welches mit den drei er-
sten Buchstaben der folgenden Zeile tiünSi etuxori meae
giebt. Auf der von Barthelemy erklärten MaltSischen In-
schrift hat das t eine der vorliegenden sehr ähnliche Figur.
Das folgende Wort lese ich mit Sacy mnw'i n!2«S servae
Astüjfes, und halte es für den Namen der Gattin dessen,
der das Monument errichtet hat. Man setzte also im Phö-
nicischen, wie im Syrischen, wenn zwei im Dativ und in
Apposition stehende Noraina auf einander folgten, das Lamed
vor beide. So steht auch in der Inschrift von Malta "j'-j^S
Zur Vergleichung dient der auf einer Citischen In-
schrift vorkommende Name einer Frau -jS^Z n*:x Dienerin
Moleks. In TakiedJin Fäsi's bibliographischer Geschichte
der berühmten Mekkaner (ms. II. fol.45.r.) wird eine Frau
Namens X^'ö *a^»JI iCoi, die Dienerin des Allbarmherzigen
Fatimah, im Kitub Alaghuni \\L fol. 159.") eine andere Na-
mens v_jIpJI iU\, Dienerin des Allgütigenj erwähnt. In dem-
selben Werke (I, 136 r.) redet ein Araber eine Frau,
die Um gastlich aufgenommen, mit äU! 'm\ L an.
Die folgenden Worte sind ohne Schwierigkeit und
heissen filiae Tomi, filii Ebed-Molek. Ebed-Molek lese ich,
Diener des Moloch, nicht Ehed Melek Diener des Königs^
welches mit dem Artikel heissen müsstc Ebed hammelek._
Auch würde diese Form dem constanten Gebrauch in iXcix
Semitischen Sprachen widersprechen, in denen das Wort
ebed, abd in der Composition stets einen göttlichen Namen
nach sich hat. Das Arabische Abdalmelikj das zunächst
diese Regel umzustossen scheinen könnte, bestätigt sie
vielmehr, denn es ist sicher, dass es nicht Diener desKö-
V. 8
114
nigs, sondern Diener des höchsten Königs, Gottes, be-
zeichnet.
In einer schon ohen angeführten Inschrift und in einer
andern, ebenfalls der Academie gehörigen finde ich die
beiden Nomina propria Molek-Baal und Molek-Asar, die
aus den Namen zweier Gottheiten zusammengesetzt sind.
Diese Namenform war besonders bei den Aegyptern ge-
bräuchhch. In den kirchlichen und andern Schriftstellern
findet man auf jeder Seite Namen wie Sarapamon, He-
raclamoriy Besamon, Nilamdn und ähnhche.
Ich lese und erkläre also die ganze Inschrift folgeuder-
massen :
-kSt obyb mna 32ujd hv n«:p» »ma aSi"!?]
Ich Ebed Asar, Sohn des Ebed Sesem, Sohnes Hor's, habe
dies ewige Monument zu meinen Lebzeiten über meinem
Ruhebett für immer errichtet für mich und meine Gattin
Amat Aschtoret, Tochter Tom's^ Sohnes des Ebed Molek.
-<j|©»o-
115
V. *
Erklärung seltener blbliseher Wörter
von
Saadlas Gaoau
Zum ersten Male aus einer Oxforder Handschrift be-
kannt gemacht und erläutert
von
E<eopold Itukes«
Dieses Docament des allerersten Anfangs der hebräischen
Lexicographie, "welches zwar zaweilen genannt, aber nicht
bekannt war, verdanke ich der Güte des Hrn. Prof. v. Ewald,
welcher es hev seiner Anwesenheit in Oxford copirte. Der-
selbe hatte auch sehr gehaltvolle Auszüge aus den bis jetzt
sehr wenig bekannten Uebersetzungen und Commenlarien
des Saadias zu Job und den Psalmen aus genannter Stadt
mitgebracht, welche bald von seiner kunstgewandten Hand
der OefiFentlichkeit übergeben werden sollen, wodurch die
Exegese, welche demselben bereits so viel verdankt, aber-
mals eine wesentliche Bereicherung erhalten wird. Eine kri-
tische Notiz über die Werke des Saadias vom Schreiber die-
ses wird sich diesen Mittheilungen anschliessen.
Da in genannter Abhandlung dieses Documenta welches
eben den Lebern dieser Zeitschrift vorgelegt wird, näher
llj»
besprochen und sein Verhältniss sowohl zur Exegese über-
haupt, als zu den Werken des Saadias insbesondere bestimmt
dargelegt ist , so können hier einstweilen die allerkürzesten
Andeutungen genügen.
Die Aufgabe dieser Abhandlung des Saadias ist singu-
lare biblische Wörter dureh die Mischna und den Talmud
zu erklären, eine Methode, welche schon durch den Talmud
selbst begründet war , denn die Talmudisten erklärten ih-
rerseits wieder singulare Wörter der Mischna durch bibli-
sche Worte '), wovon auch Saadias Gebrauch machte, vrgl.
No. 35, 54, 62, 80, 85. Dieser Versuch des Saadias wurde
später von den Exegeten und Lexicographen benutzt, und
auch von ihnen diese Methode befolgt.
Erwähnt wixd diese Abhandlung tles Saadias von dem
berühmten Grammatiker und Lexicographen Jona ben Gan-
nach (auch Abulwalid Marwan) 2) ^ welcher diese Methode
nachdrücklichst empfiehlt. Bei andern jüdischen Schrift-
stellern des Mittelalters ist diese Abhandlung nicht namcnt-
h'ch erwähnt. Später wurde sie von Wolf ^) , Gesenius '•),
Rappoport 5) und Munk <^) genannt.
Die Zahl der Wörter wix'd von allen diesen Schriftstel-
lern auf 70 angegeben, wozu sie allerdings das Wort '}'^:?So!:N
berechtigt, aber wie der Leser selbst sehen wird, sind ihrer
89. Es befindet sich diese Abhandlang in der Bodlejanischcn
1) Diesen Gegenstand iu seiner ganzen Ausdehnung habe ich in
einer Abhandlung: über die Sprache des Talmuds zu eutwik-
keln gesucht. Hoffentlich wird sich bald eine Gelegenheit dar-
bieten, dieselbe bekannt zu machen.
2) Auszüge aus dessen hebr. Würterbucb, so wie ausJehuda ben
Karisch grammatischen Arbeiten , haben die Freunde der Lite-
ratur ebenfalls von Hrn. Prof. v. Ewa.ld zu erwarten.
3) Bibl. heb. nr, 859.
4) Geschiclite der heb. Spraclie und Schrift S. 99.
5) Bikure Haitim 1828. S. 30. Note 45.
6) Nutice sur Rabbi Saadia Gaou. Paris 1838.
117
Bibliothek Cod. Huntington 573. Weil aber in der Hand-
schrift sowohl die zu erklärenden Wörter aus der Bibel,
als die zur Erklärung aus dem Talmud angeführten nicht
nach den Stellen, wo sie sich finden, sondern ganz nackt
hingestellt sind ; so mnssten diese Stellen aufgesucht und be-
merkt werden, was bei dem Talmud keine leichte Arbeit ist.
(n'y T"b n2^) '^•'"12: nswa ficr er '75'^s (1
Das Wort 'j2-i^ 2 Chr. 2, 15 bedeutet so viel du brauchst
uud ist dasselbe, wie das in der Mischna vorkommende ']'^~)^
er braucht, er muss.
Alle Ausleger geben dieses Wort so.
iii'y a"r mnins) rrns:^-! or«- c:in (2
Das Wort d:\\ Esther 1,8 heisst zwingen, wie im Tal-
mud crixrr wer bewältigt.
Eben Esra zu dieser Stelle erklärt es beinahe eljen so
und bringt als Beispiel ^i: cri« J«':? n r3T Dan. 4, 6.
\Jü^ fjs}\ Xxl Q* pjoü (3
p:c^ Sprüche 29, 21 kommt von dem arabischen rntt-
fauniq.
Dieses im Qämüs gar nicht vorkommende Wort muss
mundartig einerlei sein mit vüiJLi* , welches der Qamüs durcri
C^ zart erklärt. Eben so Eben Esra zu dieser Stelle und
David Rimchi in seinem Wörterbuch u. d. W. *)
Das Wort mbra 2 Kön. 23, 5 bedeutet die Bilder des
Thierkreises j wie im Talmud.
David Kimcbi (Wörterbuch Art, ^T:) sagt darüber
p iNnps initTnün ^■^rTls "jirja "^^ztz „Weil sie in ihrem Laufe
zu fliessen scheinen (ä-'bn:), daher heissen sie mrT33".
1) Dieses Wort ist im Talmud häufig z. B. (N :> T D p 3) "»013 pSQ»
],er ist mehr verweichlicht."
118
?i3i:m nann ^^"^^^n abiu n3i£s'(5
Das Wort n3i25 Spr. 25, 13 heisst wie die Kälte, jwie
in Talmud i-;Di:m in der Kälte.
Eben so Eben Esra und Kimchi (Art. pS).
Das Wort mm-is^nn 2 Kön. 14, 14 heisst Vermischung,
wie in der Talmudstelle: <iie Kinder würden vermischt.
Die chaldaische Uebersetzung giebt dieses Wort mit -^in
N''i'^i'^ die Söhne der Grossen. Rascbi und Rimcbi u. d. W.
folgen hierin nach.
pn •'sm p» (N p":i) ^^p^ii msj« (^^ c* pra (7
(^ S> n 72 aü})
Das Wort pta Esther 7, 4 bedeutet Schaden, wie im
Talmud rfie Väter der Schäden d. h. Hauptschäden u. s. f.
Eben so Eben Esra und Kimchi u. d. W.
n^m5>X3 müN •nas» (8
Das Wort "nns^ Job 21, 10 heisst schwängern, wie im
Talmud eine schwangre Frau.
Eben so die chaldäische Uebersetzung y^'a'l'ü nmn, wel-
cher Raschi, Eben Esra und Kimchi u. d. W. folgen.
(t's ?in »"a) n'n^nb a-^^n i<n'^^^ (9
NtTnii Dan. 3,4 heisst <ier Ruf, wie|: er »imä* e« ausru-
fen lassen.
Eben so alle Ausleger.
(3% ü^ p"3) na-'bi 'inj« Nai tbj« naba (lo
näb Ex. 3, 2 heisst die Flamme , wie im Talmud er
macht es brennen.
In der Polyglotte ist es ebenfalls ^j^ (zünden) übersetzt.
Donasch ben Librat ^) erklärt dieses Wort eben so, welches
Eben Esra in seinem Buche Scfatk jether No. 140. bestrei-
2) Im Manuscript steht hier augenscheialich fehlerhaft ''TS^
3) Vergl. raeiue vurläuni^e Notiz über Donasch ben Librat im
Literaturblutt de^ Orieuts 1843. No. 11. 13. 15.
119
tet. Letzterer erkliärt dieses Wort wie Sra in der Mitte,
welcher Meinung auch Raschi und Rimchi (Art. nr) sind.
Letzterer cilirt auch die Meinung des Saadias, ohne ihn zu
nennen. Die chaldäische Uebersetznng stimmt übrigens mit
Saadias iiberein.
ms-ia) rn-j;:rr ^^2 N? (a":> r'-ria») ]mu)p» n^«a (11
' ^ II u
(3 y rt S
DTcJ^ Nu. 6,3 heisst etwas Eingeweichtes, wie im Tal-
mud: im Wasser, worin etwas eingeweicht wurde.
Vergi. Sefath jetJier No. 56. Raschi stimmt mit Saadias
überein, eben so Eben Esra und Rimchi u. d. W.
(i*":? 3 »*^aw') ^•'■'r: -t :rn3^-«m (12
Das Wort cnn-^im Dan. 1, 10 heisst ihr werdet rächt
schuldig machen j wie im Talmud: dieser ist schuldig.
(=:*c) -i':::s -^.izz Nr -'s (13
"lOD 2 Chr. 23, 8 heisst befreien , weggehen lassen,
wie im Talmud T!::3 er ist befreiet von einer Sache.
Die Wörter "11:23 und a"^Tl sind im Talmud oft gebraucht
und sind sich entgegengesetzt.
('t -1x^2 '.-! p-iD r.az) ''p':iia') pai» imsy (14
"irriny Micha 1, 11 heisst seine Schätzung, wie im Tal-
mud man schätzt (]'^n^"!w\).
Es wäre diese Stelle demnach so zu übersetzen: „er wird
von euch nach Gutdünken nehmen" d. h. nach seiner eigen-
willigen Schätzung. Rimchi in seinem Wörterbuche (Art.
1a2») bringt diese Erklärung im Namen des Jona ben Gannach.
Vergl. auch dessen Commentar zu dieser Stelle.
(ü"y ö t":>) yinaa ^lörn msrn ^riin (15
n^'^bn Hiob6, 55 heisst das Eiweiss, wie in der Stelle:
Chelmon heisst das Aeussere des Eies.
Rimchi u. d. W. erwähnt diese Erklärung, ohne Saa-
dias zu nennen. Es wird daselbst auch eine andere Erklä-
rung gegeben *).
4) Es sei erlaubt eine Stelle aus dem Wörterbuche des angefuhr-
130
5) (t ^» pnsD na^) m'nü'^"^ ly in'nn'^1 (16
irtl/ai'j Jes. 38, 21 heisst aufstreicJwn, wie in der Stelle:
bis er das tieireide gestrichen hat.
Eben Esra zu der angeführten Stelle deutet auf das Ara-
bische hin, ohne das "Wort zu nennen. Es ist -rj* salben.
ten Donascli hieherzusetzen, welcher sich hier an Saadias Er-
klärung anschliesst.
"T"'-)! DSU ü-Jü U5'. üJ< ma^rn "inn d^ü lü"» üi< n^nnoi mabn
^löNn Nin ü^irnn riT "^nansi NbsM ^"im ""lä^i 5>:;n^/"o tö^n
n:s>m üyo niü ( d a'-" sri<) np"^ [ü'^spr] ü:i>üt i:2D D2>ü tu'' -^^
d5>ü:D i7ji>ü -im Ti^^na inw p^mm (n •> u^'p l:*;:!-in) "^^iJjb
C't ':» m31i) nj3\Nü las-üi b*<T ('n j*'*' 'la'ixjn) pü}n ^UJ?
'»);i?o !:DN-' Nb "^^N niriir; -m Nim ^'-ip»:! nan mairnb
,:•. ?7373N pJI^ pnSi Nim mU573 pUJb"J nr-J Dem Sinne nach:
„Du (Menachem ben Saruk) übersetzest diese Stelle: Ist Ver-
stand in dem Geifer eines TValinsinni^en, du nimmst das Wort
tZD2>U für Einsicht wie in der Stelle (Job 12, 20) „er nimmt
die Einsicht der Alten". Dies ist unrichtig, sondern man ver-
steht darunter das Eiweiss, welches mau ohne Salz nicht geniessen
kann. Das Wort Ö5>£3 heisst hier Geschmack." Wie Mena-
chem das Wort m^;:}! als wahnsinnig erklären konnte, da es im
der Bibel und im Talmud auch gesund sein bedeutet, ist hier
nicht angegeben, lieber Menachem vergl. Vorläufige Notiz
a. a. O. No. 12, wo auch einige Proben aus dem Hamb. und
Leidner Codex mitgetheilt sind.
5) Die hiehergehürige Stelle aus dem Donasch mag hier ebenfalls
einen Platz finden.
■»n i3i2i> ]\m Nin binn pn^urr ):v iniaiT ninsi irri^j^i
1ÜD vpn nTi ;i")?nn a-^a^a pujbi ■):?üiöör) rtjiüö ^'^^p cdn
pu))?a nNtrr tib?3i inn muj^jri pvübn ö:n nxi hdt hn
nnp nOIÜT n5>^^ pianril nnUJ^J „Du erklärtest das Wort
in*^/3i1 umwickeln, dies ist unrichtig, es ist in der Bedeutung
der Mischna zu nehmen, welche Bedeutung es auch im Ara-
bischen hat , wo sich das tl in 5 verwandelt, wie dies dort
öfter der Fall ist u. JDf.«
m
(n":> n"i3^3) rrb^SD lö^i np» N^rr:) ^p3?i^ (17
^ipsb Lev. 25, 47 heisst t/ewi Haupt einer Familie, wie
in der Talmudstelle : was die Hauptsache ist.
In der Polyglotte ist es ebenfalls 6y^^ TVurzeln über-
setzt. Eben Esra zu dieser Stelle scbeint auf diese Erklä-
rung zu zielen , ohne S^dias zu nennen. Kimchi u. d. W.
hat sich an die talm*dische Auslegung gehalten. Onkelos
giebt dies Wort gar nicht wieder.
(N* i"^) l-^rn yST; Ö"^D*ID5 DIU CTST (18
0'<s2 Hab. 2, 11 heisst ein Stück Holz, wie im Talmud
=:''2"23 Balken.
Raschi und Kimchi sagen dem Sinne nach dasselbe.
Vergl. auch Aruch u. d. W.
(n"^ ü"s fnos) no-i^ö n? rsN"^ «r r«"iw"'a'a) ■'::' iss^a (19
ias:23 HL. 1, 12 heisst so \iel wie in der Talmud-
stelle no"''iJ sich, anlehnen.
Die Stelle wäre demnach zu übersetzen : »während der
König auf seiner Leime sass« u. s. f. Bei Kimchi u. d. W.
wird diese Erklärung im Namen des Jona ben Gannach ge-
geben.
(n":? n's »"a) ir^saio n« "lö« Nri rn"«aNn dn '^öj* "jüo: (20
Das Wort p32 Jes. 28, 25 heisst bezeichnet, wie das tal-
mudische 'i^'^D Zeichen.
Von Raschi, Eben Esra und Kimchi eben so erklärt.
«3n'n3>3 mj^nb rsi !=;^mTi3n -iu:n O'^ncr: ^'■^72 (21
Das Wort ü-^in^D 2 Kön. 23, 11 heisst Umgehung, wie
das talmudische mi<i*)D Weichbild.
Raschi zu dieser Stelle gesteht , dass er die Bedeutung
dieses Wortes nicht kenne. Kimchi erklärt es wie Saadias,
ohne denselben zu nennen.
•»:« ^SQi ]i\oi<-j nitö £:">-iXÄn (22
V. 8*
122
D'''ni:S3 Klagl. 1, 3 bedeutet Grämen^ wie das talmudi-
sche litü Gränze, Gemarkung.
Eben so Raschi zu dieser Stelle. Eben Esra erwähnt
diese Erklärung ebenfalls, ohne Saadias zu nennen. Er selbst
hält dieses Wort für den Plural von "iliön p (Ps- 118,4),
welcher Meinung auch Rimchi u„ d. W. sich anschliesst.
Derselbe erwähnt übrigens (a. a. 0.)«auch die Meinung des
Saadias, ohne denselben zu nennen.
n::)'>nn ni^DJ2r^ (a":> rt"p plrin) nu)a ^^ inD^nn ^nna (23
(f< 3> N 13 m3)
']nri3 Dan. 9, 24 heisst bestimmt (eigentlich ausgeschnit-
ten), wie das talmudische niiTin ein Stück d. h. ein be-
stimmtes Stück.
Eben so Rimchi u. d. W. In dem Commentar zu Da-
niel, welcher dem Saadias zugeschrieben wird, ist dieses
Wort gar nicht eiklärt.
(_i"3> t"3 iria) n-nTöa b^ tan^ fiNi-iJi ^iiisf tan^a (24
t=!n:33 Jer. 2, 22 heisst befleckt, wie das talmudische
tans ein Blutflecken.
Diese Erklärung tritt bei Raschi und Rimchi nicht so
bestimmt hervor.
<>)('t nniJz 'z p^iö na^) tzs-^irüa imaD'ip ^/-i nsTaD'na'« (25
6) Donasch tritt der Erklärung des Saadias bei. Der Artikel lau-
tet bei ihm: (ffil'^3 ^"1^) inü pirHa DN^m I^I^önS''
Nijaa Nb Pins hp'O'n !:5> •'Tü-'biü «in D-i3 h-'pbn "^du? Dr-ii
;]ipm 5]Da inrjo-iDT c;ü3 ir.roo-ou) p-i*' nau»» iiu)r3
üaisispi inaüDiS'' ■ji-idst i"'Dpüä"> poriu^a maiujb \i\ü
tTfi^pan P]03D DN r;2Ni:7on nasnn i:innn nascip-^n
fiatüDMn t=l'»2V:ü»DT „Du nimmst das ns^D'nr)"' von önr) {Bauch)
(es würde demnach übersetzt werden müssen, er füllt sich dtn
Bauch damit u. s. f.}j dies ist unrichtig, denn wU~lI3 ist ein
123
naöö'ns"» Ps. 80, 14 bedeutet zerwühlen, wie im Talmud :
wenn es Ameisen zerwühlten.
Wörtlich bei Rimchi u. d. W.
TT!"« Nbi nins Nr [ifi^] nnns (26
nnriD Lev. 13, 55 heisst eine Verminderung, ||^e im Tal-
mud mni! J<r nicht weniger.
In der Polyglotte ist es ebenfalls ÄXl^ Untergang gege-
ben. Eben so rrl 1 irra|f Eben Esra and Kimchi u. d. W.
Raschi hält es mit CSTins (2 Sam, 17, 9) zusammen und es
bedeutet nach demselben eine Vertiefung. Onkelos giebt es
4*^n {iCian, welches mit Saadias Auslegung übereinstimmt.
( rr TiV^i^ n s niTa) nvi^a crnns T^rr a-'irVr'! CrVr^"! (27
Das Wort Q^irm 1 Köo. 6, 8 bedeutet, wie im Talmud,
Kammern.
Kinichi eben so ohne Saadias zu nennen.
(■^''p nnuj) n^c^n": nb y^^y y^n (28
yn Ezech. 13, 10 heisst eine Wand, wie das talmudi-
sche rr^-^rm.
Eben so die chaldäische Uebersetzang nebst Raschi und
Kimchi.
(13 3? M D T^yd) r^n'z'O ix^^".^ ib r:n\-r triiD-^rya ir-st::") (29
i;''"::ü:t lob 18, 3 heisst wörtlich verstopft werden, wie
das talmudische naöüi er hat sie verstopft.
Die Stelle wäre demnach zu übersetzen : „wir sind als
beschränkt gebalten in euren Äugen." Eben so Raschi. Kim-
chi (Art. nüa) hat die Stelle wörtlich.
dreibuchstabiges Wort, wovon man kein Zeilwort findet. C0^3
bingegen ist ein vierbiicbstabiges Zeitwort, welches sich in der
Mischua findet« u. s. f. Es mag hier noch bemerkt sein, dass
Eben Esra zu dieser Steile die Erklärung des Menachein er-
wähnt, ohne seinen Namen zu nennen und ohne ihr seinen Beifall
zu gehen.
124
(n% n"D ö^noE) m^in-^ nbn'' (30
nb^"^ Lev. 22, 22 heisst ein Geschwüry wie das n^ris-^
im Talmud.
Eben so bei Rimchi u. d. W. zu Ende.
# 7) {a"s n"^ mi?:) üdis idid;» 5)12 ^td*' (31
):]13 Ps. 48, 3 heisst hier ein Ztveiy , wie im Talmud :
sein Zweig neigt sich.
Kimchi u. d. W. erklärt es Laniltchaß. Vergl. die Note.
(S t"d ts-'r^s) mbL:?:rT n\Ni:t:öT (32
m4<?D53 Jos. 9, 5 heisst mit Flecken besetzt , wie das
talmudische rr'rüü ein Fetzen.
Eben so Rimchi u. d. W. ohne Saadias zu nennen.
rtT.iiüfa IrN'-iuj'' man r7::i>T) (33
n353>n Ruth 1, 13 heisst sollen unverheirathet bleiben,
wie das talniudische ^T3l5i> (welches eine Frau hedcntet, de-
ren Mann abwesend ist, ohne dass man seinen Aufenthalts-
ort kennt).
Auch bei Ripachi (Art, Hüiü, pn). Rasch! scheint auf
diese Erklärung hinzudeuten und widerlegt sie.
7) Donasch tritt hier ebenfalls der Meinung des Saadias bei.
Seine Worte lauten: fl')2 nc (V\: "^i:?) r^-^T^I") 5]13 ^ID""
nxDiür) (N "^ /■' S'Wi-'^') nsarr mobtö tDs> y^an 5^:^ tüi^o-j
rro"» pjia ns-^ p^it '^n N^psi nn ^nt* TT*::pi id::>i isla
Ca-^mln It^nsb pinnm DTiTM 'nS^ i«"»! "^3 fJlS» Du hast das
5)13 IIB'' mit dem tlDSll nU);rU) in eine Rubrik gesetzt (das
fjIS tlÖ"' wäre demnach zu übersetzen eine schöne Landschaft);
dies ist unrichtig. Das hier erwähnte' C]13 ist in der ßibel
selbst siugulär, es ist aber mit der Bedeutung desselben in
der Mischna (Zweig) zu nehmen. Im Hebräischen sind die
Wörter "T^ilp , P]35> , S)*)3 synonym. Der Berg Zion heisst ei«
schöner Zweig, weil es der Oelberg ist."
125
Jr-n:3 Num. 24, 15 heisst durchdringend, wie io Talmud :
bis es durchdringt.
In der Polyglotte ist dieses Wort mit ^\jtXi»> scharf ge-
geben. Eben so Kimchi a. d. W. Rascbr und Eben Esra
erklären dieses Wort gar nicbt.
' (3 p"z) r,:P2.-2r,^ ]^:*c::"2 ^rs: (35
■»:?n: 0badja6 heisst es wurden entblösst, wie das tal-
mudische ."f?2 -~ etwas aufdecken , entblössen.
Diese Erklärung wird sebon im Talmud (Baba Kama3b)
nach der cbaldäischen Uebersctzung des R. Joseph gegeben.
Dieser übersetzt: T;":"i:rL:"i ^''riDN seine Gv/ieimuisse sind ent-
deckt. Rascbi erklärt dieses Wort etwas anders, bat aber anch
die Erklärung des Saadias. Eben Esra erklärt dieses Wort
gar nicht.
n'!:?"'5D mrü s'Dd'^w ^töed t (36
siQz iSa. 20,3 heisst ein Schritt^ wie das t-almudische
m^'iSD Schritte.
Eben so bei Kimchi u. d. W.
im'y 2 0 ]-'::"n-':7) nr^-i rü2"!fi n''-::-! rc";; "irc-^:: (37
Das p""-:;-! Esra 3,-7 heisst Erlaubniss, wie das talmu-
dische nra-).
Eben so Rascbi, welcher eine ausführliche grammatische
Exposition davon gicbt. Eben Esra und Kimchi u. d. W.
pflichten bei.
(a ^''Tinw) '\p':2rt n'^3, n"YnJ3 »n nninö (38
Das Wort rr-n-'j Jes. 30,33 heisst Flamme ^ wie im
Talmud nmna.
«) (a":> n"D ma-ii) m-irin n'-« C\Vrn t:^ (39
8) Das \yort N"'^ln heisst im Talmud überhaupt Glied, einzelner
Theil. Die fyirbelbeine heissea rj~nttJa*JnT»"rin; ein Leuch-
ter, der zu «cArau^en ist, heisst rivb^n ?TD mi^is.
126
üwbn Uohesl. 7, Sheisst gegliedert, kettenartig, wie das
talmudische m"'bin Wirbel, Schrauben.
Raschi hält es für Geschmeide und beruft sich auf das
Arabische ^^^y Eben Esra schliesst sich dieser Meinung an,
eben so Rimcht^Art. Ji^rt).
(^"'j -i"d mn^a) Pi^iroa ötp^ DciüN (40
ÜC3ÜN Hohesl. 5, 3 heisst beschmutzen, wie das talmudi-
sche ?)21l27j beschmutzt.
Alle Ausleger so.
(a"3> t's 73"a) Vr-^a pn tjDb'^jjD (41
ü;:b'^55 Dan. 1, 10 heisst ewcÄ gleich, wie ihr, wie da|k
talmudische ')'::''), ^n ^ei« Genosse.
Eben so Raschi und Eben Esra. In dem (anächten) Com-
mentar des Saadias zu dieser Stelle findet sich hier noch
ein nichtssagender Zusatz.
(ü":> t"5> pbin) tDi^i^T nwis inü^:: la^iT^ n2>a (42
inü223 lob 6, 17 heisst sich zusammenziehen , wie im
Talmud : das Geflecht der Ädern.
Eben so Eben Esra, welcher jedoch auch eine andere
Erklärung glebt. Rimchi (Xrt. n^lT) führt diese Erklärung
im Namen des Saadias an 9).
(n"5> 0 ö"a) STTJAÜn "«D^S? (^^ ^y'> H^']iJ2^ (43
JTTiJi^a Hag. 2, 19 heisst ein Speicher, wie das talmu-
dische n^^;^^.
9) Es mag die ganze Stelle hieher gesetzt sein. tUT'D !T'^i>D ')1
NBÖ3^ NDD nX2NU) brS p^ülrb n^lT tTlip "JV^Ü?- (la'llT"«)
ujiTiDJi isMn pi pt:yäU) -i7oii:3 a-'T'-iön tsruü ^iD« ''Jaa
•'p-'Qtt 'in*' iD0J*n3 nafra in'j::^ 'mpü %"2"'aT ?]-nnfi pra
''xn 1''T':»rt DQia piüi^): ^TOirST a-^^nsn R. SaacUah erklärt
diese Stelle: „wenn es kalt wird, schruinpfen sie zusamn)eu<<. Das
la^lT'^ wird in der talmudischen Bedeutung kalt sein geuotn-
men u. s. f.
127
Eben so die cbaldäische Uebersetznng and die Commen-
tatoren.
[a'y t:':?n3">D) w^or: «^«3 m3>"'W ^-^^ ^ t2'»n5« T,iii2 (44
Das Dnr^ Geo. 26, 12 heisst Mass , wie das talmudi-
>che ii"?rw sein Mos*.
Eben so Rascbi, Eben Esra und Kimcbi u. d. W.
(!a"y 72 "p '|"'~")n) m-ir^ t:*'::"»^ nmm (45
rr">iT^fl Jes. 59, 5 bedeutet zerschlageit, wie in der Tal-
nudstelle zerschlagene Finger.
Kitncbis Auslegung in seinem Cominentar zu dieser
»teile nabelt sich der des Saadias.
'0) (n":> t": naw) ncaioa (^i*^ O^ meciar (46
10) Eine Stelle ans dem (ungeJruckten) Wörterbuch des Mena-
chem benSaruk (vergl. meine Notiz über denselben: Literatur-
blatt des Orients 1843. No. 12.) dürfte dem Leser vielleicht
nicht unwillkommen sein. Seine Worte (Art. tjID) lauten v;ie
folgt. mEEiiijbrr.i ]T>i:ci DTiDU} n"«: rr^a p".ab rnscTür vr>^
C'n n*"» D-'^nn) Tian -na:!: i "»nnn *^T2i*3 t:"«:» Ten tcn tq
y^ mcc"!t2b vm i-!S;i<a rN-s^o"^ "»ra n^{ -'u^ ">••-?- rrn
n2*rn KNT]"'r:? na: rmpim l"";!) n-"i3 i-^*:n n-^ ir::? ']■':■':?
C'a 'j) "»^uw "iBoa n;35W 'nm -lüx «in iNcnn Tiira):
•jab mb r? t:-!::? '7\-iTniijj r:? =:i':;p „Das msc-icb
heisst Reden, uüd der Sinn der Stelle ist, wie es (Psalm 16,8)
heisst: „ich habe Gott immer vor Augen", Moses sagte: „ihr
sollt immer Gottes Gebote vor Augen haben« u. s. f., wie es
auch (Sprüchw. 3, 3) heisst „binde sie um den Hals u. s. f.*
Diese Erklärung, welche das Traditionelle ganz umgeht, klingt
wie die des berühmten karäischen Lehrers R. Jefeth, welchen
Eben Esra zuweilen citirL (Vergl. dessen Coramentar zu Ex.
4, 2. 4. 5, 5. 15, 4. 19, 8. 12, 27. 25, 4. Hos. 3, 4. Joel 2, 6.
Obad. 1,15. Micha 5,2. Habak. 1,4. Hagi 2,9. Sechar. 1,8.
5, L 11,3. 13,7. Malach 2, 6. 12. Psalm. 8, 8. Daniel 2, 5.)
Seine Werte lauten (bei Wolf BibL heb. IV 1095: ^•^"1nD^
C'a «3 PNpTn'^) tarn r« ^lam 1:23 mamo^a mcDio
128
n^DUiü Ex. 13, 16 heisst Kopfschmuck, wie im Talmud
nsüiü ein Kopfschmuck der Frauen-
Kimclii u. d. W. wie Saa«lias. Rasclii und Eben Esra
erklaren dies Wort etwas anders.
(4<"2> S ■j-^TüiTp) ") \"i2Tin 'lüi.vn nonna T,nt>^ (47
riD'ina Lev. 19, 20 heisst verlobt, wie in der Stelle : sei
meine Verlobte (■'nenn).
In der Polyglotte ist das Wort eben so gegeben: Wjia^
verlobt. Eben Esra hat auch diese Erklärung, fügt jedoch
auch eine andere hinzu. Eben so Kimchi u. d. W. und
Haschi.
•2) (a'^ mni^i) \\^pa ]^^ Ui' nnip^ (48
n'Tipn Lev. 19, 20 heisst Strafe, wie das angeführte tal-
mudische Wort *^).
üi>üii mir: iüi>üi dTTi ni<s ?N ^-^ ^*^^ "in'^ric i-rN
tnj< "^rn :^ni73 ix^m p"«^:»;! piDsa ^72ia'\s ^■'■r:5> pn ]n::T;i
D^iJt -^in ]iiü?=) ü^nn rr-imi mm^i^n nnb ir'^i'a» a"'\'-i "iu;\
„Ich deute das Wort rilDü'IÜ umgeben, wie in der Stelle
Ci"n ;rN J]Urn „wende dein Gesicht nach der Mittagseite hin".
Der Siua dieser Stelle ist, wie das frühere ^es soll zum An-
denken sein zwischen deinen Augen". Es ist der Gehraiich
der Mensciien , dass sie, um sich einer Sache zu erinnern,
sich ein Zeichen an die Hand befestigen. Daher legte uns der
Schöpfer auch die Pflicht auf die Erstgeburten zu weihen, da-
mit die Ereignisse in Aegyplen uns gegenwärtig sein sollen.
Die Schrift spricht in der Ansdrucksweise der Menschen." Eben 1
Esra (a. a. O.) deutet auf die Erklärung des Meuachem hin,
ohne denselben zu nennen.
11) Im Ms. heisst es hier !^D^^^
12) Im Ms. heisst es hier ^31~lpl
13) Saadias hat sich hier ganz an die traditionelle Auslegung des!
j
129
fn der arabischen Uebersetzang der Polyglotte ist die-
ses Wort eben so gegeben »^^«.X^ bestraft. Rascbi und Eben
Esra nebmen das Wort für Untersuchung von der Wuriel
"ipa '*). Kimchi citirt diese Stelle des Saadias vollständi-
ger, als sie hier ist **}. Vergl. auch Sefath jether >"o. 9.
(3":? a's ^"a)**») i):Oi mwn «r^ ^ji^ ^ m-i.VT (49
^"iw Ps. 80, 13 heisst sie pflücken es ab, wie im Tal-
mud mwrr der Winzer.
Eben so Rascbi.
(wx'j n'b m3-i3) rrWHD rrai^a pwö wro (50
»HD Ps. 109, 2i heisst abmagern, wie im Talmud ma-
geres Vieh
Eben so Kimchi u. d. W.
noTiD önJ« ^nD\>ib f^yi ^y> tzsn? ■j-'n iims (51
('n p"iD Y^H '7m nsDö)
uj-na Klagl. 4, 4 heisst brechen (das Brod) , wie in der
Talmudstelle: man soll nicht brechen.
Talmud gehalten. In Cherithut S. 10a heisst es: Sn^lT "J"«'^:«'}
\x-ip3 \-!n pn^i '-I n:::x ? «in n^pböT ä:«^ mipa
.ST 7T')p':2 yz'^'^'^T't ;in5 N'':m2 j,\Voher wissen wir, dass das
Wort mips Strafe, Schläge bedeutet? R. Isaak sagte: das
Wort bedeutet, es soll ihm vorgelesen werden, denn es heisst
anderwärts (wo die Rede von den Schlägen ist) : der erste der
Richter liest vor (eine gewisse Stelle au» der Bibel)" u. s. f.
Vergl. auch Note 15.
14) Auch diese Meinung ist im Talmud a/ a. O. ausgesprochen.
31 7\-^r,n -1"^p33 nü:« ■'CN 1 ,R. Aschi sagte: es soll Unter-
suchung stattfinden."
15) Im ArL "ip3 liest man: yrdb ~I^J< "'S JT'n^'D "I "("ii^i" nn3T
ipa rtt) nsilw-in it\-! mpran» "'s? n"Tip3 „Saadias
schreibt: es ist in der Bibel deshalb das Wort n"ip3 gebraucht,
weil die Schläge mit einem Riemen von Ochsenleder (Tp3)
ertheilt werden."
16) Im Manuscript steht hier m*1J<rT. Die im Text gegebene Stelle
befindet sich in Saadias Commentar zu den Psalmen.
V. 9
-^'
130
(a'5> 'J: ^■'Jr'in) üJiX'in nx ^nfri üMW rt^lrr (*^j^ rnn (52
?nn Jes. 18, 5 heisst abschneiden, wie in der Stelle er
Äat abgeschnitten.
Eben so Raschl und Rimchi (Art. TTD) mit einer klei-
nen Veränderung.
MN sinür: (^>> ^y^ tu-^ppir^ tanüiü ö-^-^mü^j tzaisau) (53
Das a"'"«nro:a Jes. 25, 6 heisst zerflossen, wie in der
Stelle: er hat zerfliessen lassen (geschmolzen).
Rasclii, Eben Esra und Kimchi leiten dieses Wort von
ma (Mark) her. Vergl. Job 21, 24.
labwii^) \i>i?jn nn-^ib ')^vjt) tah ^n-^ib "i^ii> ü-i^^ni^Si (54
(n'3> ü'o r^:3-i u)-nü p'a
'in"'')^ lob 3, 8 heisst ihre Klagen, wie das talmudische
rirr^ib ?Är Klaglied.
Schon im Midrasch rabha 69 b wird diese Erklärung
gegeben.
•^IN^^ JrüiD 'Ti^ä^i 'j^^J (»~e!y* cy* '^' ^f^'- n'i\N"!^t (55
(n :s> a'a m^iiss)
mW"! Esther 2, 9 heisst sich gebühren, wie in der Stelle:
was ihm gebührt.
,).jaJI y^J a-i-iün nies (56
D. i. das Mark der Palme. Lev. 23, 40.
Eben so in der Polyglotte. Vergl. Eben Esra zu die-
ser Stelle.
^Ji1i\ *nr7 p (57
D. i. die Orange, eben da.
Eben so in der Polyglotte. Es correspondirt dem chal-
däischen aTnniV.
17) In einem handschriftlichen Conimentar zu lob (vergl. meine
Notiz darüber in Zion II S. 102) findet sich zu dem lob 36,31
vorkommenden Wort T^aiSJJ? die Erklärung von Saadias ange-
131
Jnas Arnos 9,9 heisst Sieft, wie im Talmud.
(n'y h'd l^^in) Y^ "«rs ^':r')5 "^^'.^y int ^a'ra (59
■'Jsra Ps. 139, 16 heisst imförmliche Masse , wie im
Talmud ■^'2:",:, ungeformte Geräthe.
Eben so die spätem Commentatoren.
(a'y -''' p's) -'DT v':i-j: ^•'r^^rr n"'^ by (60
£3-':':::^ 1 Sam. 13, 18 heissen Raubthiere, wie das tal-
mudische y.2.z.
Vergl. Arucli Art, yajc.
'8) (ü'y T^'p nz-J) .\-:^J5 n":rn ^-rria (61
■'ötra Ezech. 27, 21 heisst Kleider, wie das talmudische
N^z-^ra das Kleid.
Die clialdäische UeLersefzung giebt diese "Worte mit
NrSn'l '^'^11'):,^ himmelblaue fVolie. Raschi und Rimcbi in sei-
nem Commentar und Wörterbuch u. d. W. erklären so wie
Saadias.
J<m n-i-rN-ii '•> "r:":) Nn"^2 rc.\üt N'L:::N'::a :^\TL:Mt:"^ (62
rTTiüNüT Jes. 14, 23 heisst ausfegen, wie das ähnliche
Wort im Talmud.
Dieses Wort wird schon in Talmud so erklärt (Me-
gilla 10 b).
^p-^pa n^-inö m^'^nsii (63
n''r"'r!'3 Jes. 2, 19 heissen Gruben, wie das gleiche tal-
mudische: ein Loch.
{29 Hz> Ä a) öw-^C-^YnJ njn/'a ^b«) ww« ■'a:: nw>j •.a>»'^':? (64
lax-'l: Kob. 2, 20 heisst eine Sache aufgeben, wie das
talmudische Wort «W"' Verzicht leisten auf etwas.
führt: rsnnsn '\')^'J'< "'D Inii«; „dem der es (das Getreide)
durch das Sieb wirft" Eben Esra (a. a. O.) erwähnt diese Er-
klärung ebenfalls , aber ohne Saadias zu nennen.
18) Aus der im Text bezeichneten Talmudstelle geht hervor ^ dass
f{A3^~5 das Unterkleid genannt wurde, im Gegensatz von ffil-rÖ
welches das Oberkleid heisst. Das fir-D ''Zt^Jt wäre demnach
„himmelblaue Unlerkltider-' zu übersetzen.
iH
132
Eben so Kimchi u. d. W.
tzJ'^Di^nü Esra 1, 9 heissen Schiachimesser, wie im Tal-
mud: „das Haus, wo man die Messer bewahrt."
Kimchi u. d. W. sucht die Etymologie dieses "Wortes
aus der hebräischen Bedeutung derselben zu entwickeln,
ft,tixi Lgi"^ riilw ^;7;y^*^^^ O-?^"^ '^^-5 oU^t ÖTl^lSo (66
n'^3i:n Ruth 2, 16 die Bündel; und ähnlich nennen sie
(die Leute im Talmud) die Zange d:i:z , weil sie zusam-
menfasst.
Die chaldäische Uebersetzung giebt es N^TiSN ]70 von
den gebundenen Garben, Eben so Kimchi u. d. W. Raschi
citirt eine passende Talmudstelle ^^).
niwXIJos Ex. 38, 8 heisst Spiegel , wie das talmudische.
Von Raschi und Kimchi eben so erklärt.
20) (S5> j,'^ nn) niD^p ^-^'j vhi? h:ip72 scp"' (68
Oöip"^ Ezech. 17, 9 heisst wurmig, schimmlig werden
lassen, wie das talmudische moDp hahnig, dumpf.
Die chaldäische Uebersetzung giebt dieses Wort mit ;]üp^
abhacken , welches auch von Raschi, Eben Esra und Kiuichi
angenommen ward.
(n'2> 3 53) ^p3 bu) ns'n (*fly> q'» tr^nc^n (69
tn'^ns^ Hab. 3, 17 heisst Viehstdlle , wie das tulmudi-
schc Wort.
Kimchi eben so.
19) Aus der im Text angegebenen Stelle geht hervor das b'^DH^
synonym ist mit fllD'^llS (zusammengebunden) und.dass erste-
res Wort besonders lose zusammengebunden bedeutet.
20) Es hätte auch hier eine andere talmudische Bedeutung dieses
Wortes benutzt werden können. DI&Dp heissen iiu 'J'aliuud
Erdschollen, Klumpen; vcrgl. Nasir 68 a; Aruch Art. TTp«
133
^U)"« 7:>5n MrT «nn b:?:a Nr p^5^ "pj« "c n^:nnr (70
T^^nnr lob 2, Slieisst a« kratzen, wie das talmudische:
mfl» </flr/" nicht abkratzen.
Eben so bei Kimcbi u. d. W.
N'-^rc-^TTC Dan. 3, 5 heisst Röhre, wie das talmudische
rr;rs?0D die Röhren.
(^a'y'i !=:'"noD) rras:?» nsjr^ rrm^D *n»i:? (72
Tun? Joel 1, 17 heisst schimmlig werden, wie im Tal-
mud : wenn das Brod schimmlig wird.
(Tj'p nr^) m^^n- ncii':^ ^-••n^sii^ (73
£=;n\*nD'TJ73 Joel 1, 17 heisst der Spund, welcher im
Talmud rjatsQ heisst.
So giebt es schon die cbaldäische Uebersetzung nVin
■jinnsti-. Eben Esra citirt eine andere Erklärang dieses
Wortes von R. Merenas, welcher auch Kinichi beitritt.
Laj? Ä^ulit »tXP^ o'"*** mr^n pn« 4<ui:i (74
m::£ Arnos 4, 2 bedeutet wie im Arabischen Brodkürbe.
Die chaldäisclie Uebersetzung giebt dieses Wort mit
p^TS'^'nn fVaffen welche Erklärung von Raschi , Eben Esra
und Kimcbi angenommen ward. Die zwei letztgenannten
geben jedoch andere Erklärungen von diesem Worte.
(N3> 3 3 p'::) [■'^■^-id::] N'^TinNnpu;2N:;r:: '^T:j€■:^v np^ü: (75
ip"a: RIagl. 1, 14 heisst emporspringen, wie das tal-
mudische Nnp'ca mit einem Sprung.
Die cbaldäische Uebersetzung hat ip-^Tii« schwer werden
Kimcbi u. d. W'. citirt diese Meinung im Namen des Ilay
Gaon. Raschi und Eben Esra geben andere Erklärungen
von diesem Worte.
Cr^rs) lynaa Tnrjm inn in n^-w tu us^n ^-."nn (76
( w\ r:;"j-: t p-is
->ninn lob 41, 22 heisst scharf , wie das taimudische
Spitze.
134
■Wörtlich so Kimchi u. d. W. , ohne Saadlas za nennen.
n'nV3 Jes. 1, 31 heisst Werg, wie das gleiche talmudi-
sche Wort.
(hd'p ns) mn ^üTD N-^itiürr i^iütüö (78
'J'^üu^ü lob 38, 33 heisst sein Kreis, wie das talmudi-
sche Wort "nDiD Wechsel (welcher eben deshalb so heisst,
weil er von Hand zu Hand geht.)
Eben so bei Riracbi u. d. W.
21) iDiu>m -iirsips o-^^ ""^^ 1'"''' C^
•'S"*!) Nu. 23, 3 heisst mit Zwang, schwer, wie das tal-
mudische i-DiuJn mif iVofÄ.
Kimchi bringt eine ähnliche Meinung im Namen des Je-
liuda Cbiug (Art. !lDUJ). Eben Esra scheint auf die Meinung
unsers Autors anzuspielen. Onkelos giebt es ■^T^n"' allein, welclier
Erklärung Rasclii beitritt ^'^). In der Polyglotte ist dieses
Wort mit ^^^ i5 in Stille gegeben , welches mit dem ChaU
däischen übereinstimmt.
Tiitiip ^üinü (n!? nüt) y^pa TJsnM pcüöpp (80
(S ^'b m\>0
y*ip Jer. 46, 20 heisst Mord, wie das talmudische y^P'^
es wird geschlachtet.
Diese Auslegung wird schon im Talmud (Joma 32 b)
nach der chaldäischen Ucbersetzung des R. Joseph gegeben.
Eben so Raschi und Kimchi u. d. W.
l-'-ia Tai::s»nraj t^'^sj'^ a-'öi^» '['•m (81
t=i'^;nii:i> Sprüche 18, 18 gewaltig, wie in der Stelle:
wenn zwei heftig in einem Processe agiren.
21) Das hebr. nSnSI 'laiDJ (Psalm 51, 19) giebt die chaldäische
Uebersetzung ''DU^T "T'nn.
22) Derselbe setzt noch die' Worte hinau : "J'^Ntt) ''D'JÜ)^ tapiö pU)-)
tlp'^nUJ it^N yoS „ruhig nachdeukeud imd schweit^sain'^
135
So auch von Kimclii u. d. W. erklärt.
(a'y 'd niuj) CDi-ia \n r,^y Jr^n tr:«< tz^c-'oi (82
ä"iD"'sn Arnos 6, 11 heissen Splitter, wie in der Tal-
mudstelle : es war zersplittert.
Wörtlich bei Rimchi. ^
nnai:D Ps. 60, 4 heisst Jm Äfl5f «e aufgerissen , wie
das talmudische u'^i:^ Ai^^ , und wie im Targum zu
Jer. 22, 14.
Vergl. Aruch u d. W. Auch Kimchi u. d. W. erklärt
es so.
(a's /•> si>5:2) r:>;n nn:>"iyr ^*'*i"jp jiwX rrVr tr-: (84
T3>ir Ps. 114, 1 heisst Fremder, wie in der Talmud-
stelle: n"!T3>iV; für Altsländer.
Eben so bei Kimchi u. d. W. Vergl. Eben Esras Se~
fath jether IVo. 42, wo im Namen des Saadias die "Worte
ns'J '^yj'z barbarisch redende als Erklärung des hier aufgc-
fubrten "jyb gegeben ist, welches aber dem Sinne nach eins ist.
(i\:> :2'j niD^n) p"»ab i): rr^n« 'j?» u3'':T»j<a-j (85
&:')\'<Jib Ps. 123, 4 heisst Legionen.
Vergl. Sefath jether ^o. 11. Donasch ben Librat be-
streitet diese Meinung.
Törin les. 14, 12 heisst loosen, wie das talmudische
3">TDrn Loose.
Diese Erklärung wird schon vom Talmud selbst gege-
ben (Sabbath. 149 a). Eben Esra und Kimchi erklären es
jben so.
(3 «'■• ta-irs) ^^2:n nnn« i^msüi mmsiT) (87
mms 1 Kön. 7, 50 heissen die Löcher, worin sich die
Angel der Thür bewegt, wie das talmudische n.TiD.
Eben so bei Rimchi (Art. nis).
-^.
136
(S T m'T^S'a) •''^s Nirruj
r7::1'^3^{ Koh. 12, 5 heisst die Blüthe, wie das talmudi-
sche ni3rnjf.
• Eine einfacheife Etymologie hei Riinchi (Art. i^ii«), wo-
mit die Auslegung des Midrasch zu dieser Stelle überein-
stimmt.
{i{s> s'a /2>) i'^ ns^uj ■'■lA vmüüs» isrisi (89
iDi^ lob 33, 21 heisst geglättet werden, wie das tal-
mudische riD'iJ er Äflf geglättet.
Eben so bei Kimchi (Art. f^SÜ)).
(3>'u mna?o) n"'::''i:n ;]ü2>r)n!: L^^^^m^j ni2t:5>7:im mirbnan (90
mDüi»^ les. 3, 23 heissen Hüllen, mit dem Worte >]t2Js>n^T!:
sich einzuhüllen verwandt.
Eben so Eben Esra und Kimchi. Die chaldäische Ueher-
setzung giebt dieses Wort mit N''D"i^l\ü Unterpßihl ^ Avelches
auch Rasch! annimmt.
LgJt/^3 ^jdt 'iöjl\ xiaa] (* QjOtAAuJt j^f"*^
*) Erst nach Abdruck des auf S. 116 gesagten zeigte sich , dass
in der Nuinerirung der Artikel in dem eingesendeten Manu-
script ein Fehler vorgefallen und die wirkliche Zahl der er-
klärten Wörter neunzig sei. Daher ist ohne Zweifel q_^«.»m^i
der richtige Titel, und das bisher angenommene qj^;»**''
aus einem in Arabischen Manuscripten so häufigen Fehler
entstanden.
f
137
IMe moslemisclien Scliriftsteller über die
Theorie der Musik.
Die Herausgabe des von El ispahani verfassten B u-
ches der Lieder, in welchem häufig die Melodien der
Lieder bezeichnet sind, veranlasste mich über die Bedeu-
tim«*- der dabey gebrauchten Ausdrücke weiter nachzufor-
schen, und ich habe daher in der Einleitung meiner Aus-
gabe einiges hierüber vorgetragen. Ich glaube hier aber
noch manches Nähere, wozu es dort an Raum gebrach,
hinzufügen, und zugleich einige weitere Proben aus dea
moslemischen Schriftstellern über die Theorie der Musik,
Arabischen, Persischen und Türkischen mittheilen zu kön-
nen. Zuvörderst muss ich etwas über die Einrichtung
jenes Buches der Lieder sagen, woraus sich erge-
ben wird, in welchem Zusammenhange die musikalischen
Ausdrücke dort vorkommen.
Das Gerippe des grossen Werkes bildet eine Samm-
lung berühmter Arien, und diese sind die ^^ls^ Lieder
oder Gesänge, auf welche der Titel des Werkes sich
bezieht. Eine einzelne solcher Arien führt in dem Buche
in der Regel die Ueberschrifl oyo vox. Der Verfasser hat
ein paar Hundert dieser berühmteren Arien zusammengestellt.
Zuerst kommen d i e hundert ausgewählten Arien
b^U:5\4j! cy^t äjUI welche auf Befehl des Chalifen Harun
arraschid von den zu seiner Zeit vorzüglichsten Sängern
V. 9»
138
ausgewählt wurden ; dieser Sammlung fügt dann El is-
pahani noch eine lange Reihe andrer hinzu. Jene hun-
dert ersten werden in den Handschriften am Rande
bisweilen gezählt, so dass dann steht: erste Arie der
hundert ausgewählten, zweyte Arie der hundert ausge-
wählten, u. s. w. Die einzelnen Arien sind dem Texte nach
meistens nur kurz, enthalten gewöhnlich zwey, drey,
vier oder fünf Verszeilen j hin und wieder aber kommen
auch längere vor. Diese Arientexte wurden meist aus
grösseren Gedichten angesehener Dichter zum Behuf der
Composition von den Componisten ausgezogen. Daher
geschieht es öfter , dass El ispahäni, nachdem er ein
grösseres Gedicht mitgetheilt hat, dann hinzufügt: «zu
dem zweylen und dritten Verse hat Mabed (ein berühm-
ter Sänger und Componist) die und die Melodie com-
ponirt ; dagegen hat zu dem sechsten und siebenten
Verse El garid (ein anderer berühmter Componist) die
und die Melodie gesetzt.« Oft sind auch zu einer und
derselben Arie zwey oder drey verschiedene Melodieen
von verschiedenen Componisten gemacht. Aus den Be-
richten über diese Arien besteht nun, wie gesagt, das
Buch des El ispahäni. Die Berichte aber sind in fol-
gender Weise abgefasst. Zuerst setzt er den Text
der Arie hin. Darnach sagt er, in welchem Versmasse
dieser Text gedichtet scy, und von welchem Dichter;
auch erläutert er öfter einzelne Ausdrücke dieses Tex-
tes. Ferner giebt er die Melodie der Arien an, und
zwar so, dass er zuerst die Taktart bemerkt, bisweilen
auch bloss die Taktarl. Hierauf theilt er historische
Nachrichten über den Dichter des Textes mit, und
endlich historische Nachrichten über den Componisten der
Melodie. Diese historischen Aufsätze bilden die Haupt-
masse des Buches, und dehnen sich oft ausserordentlich
139
aus, untermischt mit zahlreichen andern Arien, welche
nicht zur eigentlichen Reihe gehören, und Gedichten. Sie
erzählen dann bald aus den alten Zeiten der heidnischen
Araber, bald aus den Zeiten der Chahfen. Bey mancher
Arie, die zur Reihe gehört, trifft es sich natürhch, dass
ihr Componist schon früher vorgekommen, und dort sein
Leben erzählt worden; der historische Artikel über ihn
fällt daher bey seiner ferneren Erwähnung fort. Com-
ponisten, Sänger und Sängerinnen werden etwa hundert
abgehandelt. Dichter aber wohl dreymal mehr. Ausser-
dem aber werden gelegenthch eine Menge andrer Com-
ponisten und Dichter genannt, die keine besondere Arti-
kel erhalten. Die Einrichtung des Werkes ist also un-
gefähr so , wie wenn man über deutsche Arien in fol-
gender Weise ein Werk ausarbeitete:
#
»Arie.
»Willst dich, Hektor, ewig mir entreissen,
»Wo des Aeaciden mordend Eisen
»Dem Patroklus schrecklich Opfer bringt?
»Der Text ist in fünffüssigen Trochäen, und von Frie-
»drich Schiller verfasst. Mit dem Aeaciden meint er den
»Griechischen Helden Achilles, dessen Freund Patroklus
»bey der Belagerung Trojas von Hektor erschlagen war.
»Die Melodie ist im Viervierteltakt aus C dur von
»Johann Rudolph Zumsteeg. Friedrich Schiller ist einer
»der vorzüglichsten Dichter. Er ward im Würtembergi-
»schen geboren, u. s. w. Johann Rudolph Zumsteeg
»ward zu Sachsenflur im Odenwalde geboren, u. s. w.u
Die historischen Nachrichten verlassen bisweilen ganz
die persönliche Geschichte des Dichters oder Sängers,
durch dessen Erwähnung sie herbeygeführt worden sind,
und schildern ausführlich politische Ereignisse, welche
140
iq die Zeit jenes Dichters oder Sängers fallen, oder in
entfernterem Zusammenhange mit ihm, oder einem seiner
Vorfahren, stehn. Dadurch wird denn das Werk zugleich
eine Quelle für die allgemeine Geschichte der Araber,
sowohl in Bezug auf die Zeit vor Mohammed, wie in
Bezug auf die Regierung der Omajjiden und der frühe-
ren Abbassiden. Die Gedichte, aus welchen die Arien-
texte entlehnt sind, werden oft auch vollständiger mit-
getheilt. Die Componisten verfuhren mit dem Texte der
Gedichte, aus welchen sie ihre Arientexte nahmen, bis-
weilen ziemlich frey, indem sie die ursprüngliche Ord-
nung der Verszeilen nicht befolgten, auch wohl einzelne
Verszeilen hinzu fügten. So werden in meinem gedruck-
ten Texte des Buches der Lieder S. 87. zehn Vers-
zeilen aufgeführt aus einem Gedichte des Omar ben Abi
rebia, welcher besonders als Liebesdichter berühmt und
berüchtigt war, so dass man es gefährlich fand, seine
Lieder jungen Mädchen hören zu lassen. Dann fügt
Isfähäni in Betreff der Composition S. 88. hinzu: »Der
Gesang ist von Kardam (einem Componisten) im ersten
schweren Takt mit dem Vorfinger im Laufe des Mittel-
fingers (diese Ausdrücke beziehen sich auf die Bünde
im Griffbrett der Laute) nach der Angabe des Ishäk
(d. i. des Sängers und Componisten Ishäk ben ibrahim
cl maussili, welcher in einem grossen Werke vor der
Zeit des Ispähäni die berühmteren Melodieen verzeich-
nete) und zwar zur ersten und fünften Verszeile,
dann zur zweyten und dritten.« Ein solches Um-
stellen «ler Verszeilen und öfteres Weglassen von Vers-
zcilen des ursprünglichen Gedichtes erschwert aller-
dings für uns öfter das Verstehen der Arientexte. Der
Ilinzufügung einer Verszeile durch die Sänger gedenkt
Ispähäni in dem Artikel über den Säuger Ibn äischa.
141
Er führt einen aus zwey Verszeilen bestehenden Arien-
text auf, und sagt in Bezug auf ihn:
Äxj6\ äLIü o^t 3 ^j ^yMi ÄÄS^i e)j^^ j^UJfj
d. i. »die erste Verszeile des Gedichtes ist von Soheir
ben abi solma ; die zweyte ist neueren Ursprunges^ und
die Sänger haben sie hinzugefügt ; den Verfasser der-
selben kenne ich nicht. Der Gesang ist von Ihn äischa,
und die Melodie im leichten Takt des ersten schweren
mit dem Ringfinger.«
Ueber die Musiktheorie der moslemischen '''jiker ha-
ben wir eine Abhandlung von dem Franzosen \ illoteau
erhalten^ welche in der Description de l'Egypte^ seconde
edit. par Panckoucke^ tom. 1 4. etat moderne, abgedruckt
steht. Villoteau war Musikkeimer, und mehrere Jahre
mit dem französischen Heere in Aegj'pten gewesen, und
hatte dort die damals übliche Musik der ägyptischen Ara-
ber untersucht, und manche Melodieen aufgeschrieben mit
den europäischen Musiknoten ^ nur setzte er diesen un-
seren Musiknoten, da sie blos zur Bezeichnung ganzer
und halber Töne eingerichtet sind, bisweilen Sternchen
und andre Zeichen vor, um die in der jetzigen ägypti-
schen Musik, so wie im Persischen Musiksysteme, üb-
lichen Dritteltöne zu bezeichnen. Das erste Ca-
pitel bey Villoteau ist überschrieben: De la musique
Arabe. Allein es müsste richtiger heissen : De la musique
Persanne. Villoteau theilt nämlich darin eine Uebersicht
eines Musiksystemes mit, welches ganz aus Persischen
142
Handschriften geschöpft ist, und worin überall jene
musicalischen Kunstausdrücke gebraucht werden^ welche
der Persischen Sprache angehören^ und nur in den Per-
sischen Abhandlungen über diese Wissenschaft gefunden
werden. Für die Kenntniss des Persischen Musiksystemes
ist daher dieser Aufsatz Villoteaus sehr brauchbar^ ob-
wohl nicht erschöpfend. Ich habe andre Persische Hand-
schriften über die Musiktheorie, als die von Villoteau
benutzten^ gelesen, namentlich das Werk q^^5 OcoLiL<j
Makässid el alchän d. i. die Ziele der Melodieen
von Abdelkädir, welches sich auf der Leidener Bibliothek
befindet. Ich habe in diesem Werke dasselbe System wie
in der Abhandlung Villoteaus gefunden ; nur sind die Kunst-
ausdrücke im Makässid zum Theil etwas anders, als in
den vo»" Villoteau gebrauchten Schriften. Die Darstellung
im Mah.*'4sid ist übrigens ganz einfach und strenge ; man
findet dan'^i nicht jenen blumenreichen und schwülstigen
Styl, über welchen Villoteau in seinen Handschriften bis-
weilen 1/lagt. Uebrigens ist es nicht eigentlich Villoteau,
welche? a man jene Darstellung aus den Persischen Hand-
schriften verdankt, sondern dem damaligen jungen Ori-
entalisten Herbin zu Paris, einem bald nachher verstor-
benen Schüler Sacy's , welcher Arabisch und Persisch
verstand, dabey Musikkenner war, und die Auszüge aus
den Handschriften für Villoteau machte. Villoteau selbst,
obwohl er mehrere Jahre in Aegypten zugebracht hatte,
verstand wenig Arabisch und Persisch ^ wo er sich auf
Erklärung Arabischer und Persischer Ausdrücke einlässt,
zeigt er, %vo er nicht Sacy's oder andrer Gelehrten Be-
merkungen zu Hülfe nimmt, die deutlichste Schwäche.
Er vermag gar nicht, Arabische Wörter von Persischen
zu unterscheiden ; jeden Augenblick giebt er für Arabisch
aus^ was Persisch ist. Etwas von der Arabischen Volks-
143
spräche hat er ohne Zweifel durch den Aufenthalt in
Aeoypten gelernt ; aber zum Verstehn geschriebener
Texte scheint dies ganz unzureichend gewesen zu se\Ti.
Das zweyte Capitel bey Villoteau ist überschrieben:
De la pratique de la musique parmi les Egj'ptiens mo-
dernes. Die hier mitgetheilten Nachrichten sind sehr
schätzbar, da Villoteau berichtet^ was er als Ohrenzeuge
in Aegypten vernahm. Das von den jetzigen Arabern in
Aegypten befolgte Musiksystem ist das Persische mit der
Abtheilung des Tones in drei Dritttheile, und die dort üb-
lichen Kunstausdrücke sind grösstentheils jene Persischen^
welche sich in den Persischen Handschriften finden. Vil-
loteau fand es anfangs sehr schwierig, die von ihm in
Aegypten gehörten Älelodieen aufzufassen, weil sie mit
Verzierungen überladen sind. Auch über die eigentliche
Quantität der Intervalle blieb er lange zweifelhaft. Er
sagt S. 134: »Ce ne fut qu'en examinant la tablature
des instrumens de musique d Egypte, et surtout de ceux
dont le manche est divise par des touches fixes, que
nous commengämes ä nous apercevoir, que les sons ne
se suivaient pas, ainsi que les notres, par tons et de-
mi-tons. Alors nous reconnümes qu'un ton comprenait
quatrc degre's et trois intervalles egaux, chacun d*un
tiers de ton, et enfin nous füraes convaincus, que cet
Intervalle que nous n'avions pu apprecier dans le chant
de notre musicien, et qui etait plus petit que notre de-
mi-ton mineur, ötait un tiers de ton. Depuis, les ma-
nuscrits sur la theorie de la musique Arabe (richtiger:
Persanne) nous ont confirmes dans cette conviction.«
Diese Beobachtimg Villoteaus ist ganz richtig, und auch
das - oben von mir erwähnte Persische Werk Makässid
bestätiget die Persische Eintheilung des Tones in drey
Dritttheile. Das kleinste Intervall heisst in jenem Werke
144
*Aftj Rest, residuum^ welcher Ausdruck aus dem Grie-
chischen Xalfifia stammt ; das nächstgrosse Intervall heisst
s^Ärs^ cNju Seitenintervall^ intervallum laterale^ das
dann folgende j^^JL^JLb lXju Tonintervall^ intervallum
tonicum , d. 1. der ganze Ton. Nun wird im Makässid
cod. Lugdun. pag. 25. über das Verhältniss dieser drey
Intervalle unter anderem Folgendes gesagt:
vi^^^^LäjI -suo^ ^aäj 2«^3 iXw [»jijW ,.jJjt J^iSj
ji VÜVW^t (J^A^J X<jÄJ iNäj -J V»j>J^ OwÄJ J^^^
OsÄJj Ä.LjJ jl Ci^^l Jw^jf Uli ^IcnJW jd Ut C>.JJ.^
C^V^MXJlj ^ftj uVjtJ viX.AJ ^..^JL:^ «>Jt4 J (jLxAb
ViÜAiAiMO jl> «O^! ^AÄJ «XäJ ü\XA) XÜi (^^-aJLJö^
d. i. »Oben ward gesagt^ dass das residuum das kleinste
Intervall ist. Der Ueberschuss des intervallum laterale
über das residuum ist demselben (d. i. dem residuum)
gleich^ in Ansehung des Verhältnisses 5 aber in der Strecke
a — 1} ist es (das residuum) beträchtlicher als b— g. Das
interValium tonicum übertrifft das intervallum laterale um
ein residuum. Das intervallum tonicum ist demnach drey-
mal das intervallum residui^ in Ansehung des Verhält-
nisses.« Der Sinn dieser Stelle ist also : »der ganze
Ton wird bey uns in drey residua (oder Limma) ab-
getheilt, deren ers tes aber etwas grösser als das zweytc
ist; das erste residuum mit dem zweyten verbunden
giebt das intervallum laterale ; kommt noch das dritte
residuum hinzu, so hat man den ganzen Ton.« Es wird
diese Eintheilung in der Handschrift pag. 13. auch durch
folgende Linie deutUch gemacht :
a b £ d
145
•
Von a bis b ist ein residuum oder Limma ; von b bis g
wiederum eins ; von g bis d wiederum eins. Von a bis
g ist das intervallum laterale oder zwey Drittheile ei-
nes Tones. Von a bis d ist der ganze Ton.
Von den Taktarten oder oLcUül des persischen Mu-
siksystems^ welche in den diesen Gegenstand betreffen-
den Handschriften mehr oder minder ausführlich abge-
handelt zu werden pflegen^ spricht Villoteau nicht. 3Iit
seiner ebengedachten Abhandlung hat man noch zu ver-
binden die gleichfalls von ihm verfasste Description des
instrumens de musique des Orientaux^ welche im drey-
zehnten Bande der Description de l'Egypte steht.
Im vorigen Jahre lieferte der durch seine Studien
und Arbeiten über die Geschichte der alten Musik rühm-
lich bekannte Hofrath Kiesewetter seine Schrift:
Die Musik der Araber nach Originalquellen darge-
stellt j begleitet mit einem Vorworte von dem Freiherrn
von Haramer-Purgstall. ~ Auch dieses Werk scheint mir
richtiger eine Schrift über die Musik der Perser, als
eine Darstellung der Musik der Araber^ genannt wer-
den zu können. Herr von Hammer übersetzte haupt-
sächhch aus Persischen und Türkischen Handschriften
für den der orientalischen Sprachen unkundigen Herrn
Kiesewetter Materialien für dieses Werk^ bemerkt aber
in dem Vorworte, dass er in der Musik Laie sey. Herr
Kiesewetter benutzte dann die ihm von Hm, von Ham-
mer gelieferten Uebersetzungen ^ und die Abhandlungen
Villoteau's. Auch die ersten zwölf Bogen meines Pro-
oemium zu meiner Ausgabe des grossen Liederbuches,
worin aus dem Araber El färäbi, der die Musiktheorie
abhandelt, Auszüge mitgetheilt sind^ hatte Hr. Kiesewet-
ter, und Hr. v. Hammer benutzte auch die Arabische
Abhandlung über die Musik, welche in den Abhandlun-
V. 10
146
gen der Brüder der Reinheit steht^ und etwas jün-
ger als das Werk des El faräbi ist. Nämlich El färäbi
starb ao. 339 der Hedschra, und die Abhandlungen der
Brüder der Reinheit wurden nach Herrn von Hammers
Bemerkung im Vorworte zur Schrift Kiesewetters S. VIII.
zu Ende des vierten Jahrhunderts der Hedschra verfasst.
Aber in der Darstellung Kiesewetters scheint mir von
jenen Arabischen Quellen wenig Gebrauch gemacht zu
seyn. Wir finden vielmehr bey Kiesewetter jenes Sy-
stem, und jene Tonweisen^ die Villoteau behandelt^ und
ebenso das von mir obenerwähnte Persische Werk Ma-
kässid^ welches gleichfalls Hrn. v. Hammer vorlag.
Wir treffen hier also jene Tonweisen an^ die durch rein
Persische Wörter^ wie tAÄ.^3i|^j i^jß «Jj-^aj^ :L^-wj3^_^
sii>^\j y bezeichnet sind, und deren ich in meinem Prooe-
mium S. 34. gedacht habe, Herr Kiesewetter sagt frei-
lich^ das von dem Araber El färäbi vorgetragene System
sey ein den Arabern fremdartiges gewesen, und El fä-
räbi habe es den Arabern nur aufzwingen wollen, und
zwar ohne Erfolg ; das Persische System sey von jeher
bey den Arabern in Gebrauch gewesen, und auch in
Gebrauch geblieben. Allein schon eine Geschichte
der Arabischen und Persischen Musik geben zu wollen,
scheint mir ein gewagtes Unternehmen zu seyn. Meines
Erachtens kann man zunächst nichts andres thun, als den
Inhalt der einzelnen Werke über die Musiktheorie erfor-
schen, und die Ansichten der Araber und der Perser
auseinander halten. Ist dies ausgeführt, dann lässt sich
eine wahrscheinliche Geschichte des Ganges geben, wel-
chen die Entwicklung der Musiktheorie bey jenen Völ-
kern nahm. Schon lange vor El färäbi soll der ao. 170
verstorbene Araber El chalil hon achmcd el ferähidi über
Musiktheorie geschrieben haben, sowie er auch über
149
Grammatik und Prosodik Schriften verfasste ; Ebn chal-
lekan erwähnt unter den Schriften dieses Mannes
y
^♦ijJi das Buch der Töne. Für die Geschichte der
Anfänge der Arabischen Blusiktheorie würde es gewiss
wichtig seyn, wenn jenes Buch des Ferähidi sich auf-
finden Hesse. El färabi unterscheidet allerdings biswei-
len seine Weise der Darstellung und seine Terminologie
von derjenigen Art des Ausdruckes, welche zu seiner
Zeit bey den praktischen Musikern seines Volkes üblich
sey. Es scheint mir, dass er dasjenige, was er in der
Praxis vorfand, wissenschaftlich entwickeln, und die ma-
thematischen Gründe dafür nachweisen wollte, und dass
er hiebey die Darstellung der Griechischen Musiker, wel-
che ihm ebenso wie die Griechischen Mathematiker, be-
kannt waren, benutzte, theils den Griechischen Musikern
genau folgend, theils von ihnen abweichend. Ganz in
ähnlicher Weise verhalten sich manche uusrer gelehrteren
theoretischen Werke gegenwärtiger Zeit zu unsrer heuti-
gen gewöhnlichen musikalischen Praxis , • indem sie theils
die Gründe für diese Praxis entwickeln, theils einiges in
der Praxis gewöhnliche als falsch und unbegründet nach-
zuweisen suchen. Die Eintheilung in Drittelt töne
gebraucht El faräbi nicht. Er wendet nur die Griechi-
schen Intervalle an , ebenso wie unsre abendländische
Musik, nämlich das .c-i-y-ä cXju intervallum tonicum oder
den griechischen zovos d. i. den ganzen Ton, und die
* — .*.—-gj residuum oder das Griechische XeT/^fia d. i. den
H a 1 b t o n. Diese Arabischen Benennungen sind unstrei-
tig den Griecliischen nachgebildet. Aber El färabi führt
an, dass auch noch andre Benennungen für jene Inter-
148
valle üblich seyen ; z. B. der ganze Ton heisse auch
BJu« Spannung, Dehnung, welches eine andre Ue-
bersetzung des Griechischen Wortes rovog zu seyn scheint ;
ferner heisse der ganze Ton auch BJyeJi Juu intervallum
rcditus; der halbe Ton heisse auch id»^ Ueberschuss,
weil er der Ueberschuss der Quarte über zwey Töne sey.
Hieraus darf man doch vermuthen^ dass schon vor El
färäbi Arabische Benennungen der Griechischen Intervalle
im Gebrauch waren. Die Griechische öleoig oder den
Viertelton erwähnt El färäbi gleichfalls, und zwar
unter dem Namen SLi>y Lösung, weil das Wort d/eff^g
Lösung bedeutet ; aber in seinen Angaben über den
Umfang einzelner Tongebiete und Instrumente macht er
von diesem kleinen, wenig praktischen Intervalle eigentlich
keinen Gebrauch. Die sonderbaren und unpraktischen In-
tervalle des chromatischen und enharmo nis chen
Klanggeschlechtes der Griechen führt El färäbi auch auf,
den Griechen hierin folgend. Aber diese Intervalle werden
wohl bei Griechen und Arabern nur theoretische Spitz-
findigkeiten geblieben, und nicht in die Praxis überge-
gangen seyn; sie entstanden nur aus mathematischer
Theorie. El färäbi beginnt damit zu sagen, er wolle die
Musik der Alten abhandeln, und er beschreibt daher die
Intervalla, Genera, Octavas, Modos und Systemata der
Töne nach der Weise der Griechen. Aber er schildert
auch die Instrumente, welche die Araber gebrauchten,
und die Tonleitern derselben, und was die praktischen
Musiker in Anwendung zu bringen pflegten. Die von El
färäbi entwickelte Taktlehro scheint von der Grie-
chischen, welche uns unvollkommen bekannt ist, und gros-
sentheils mit der Prosodik zusammenfällt, unabhängig zu
149
seyn. Dies war wenigstens die Meinung eines mit der
Griechischen Musik vertrauten Mannes, des Hrn. Prof.
Bellerroann zu Berlin^ Herausgebers des Werkes : Anonymi
scriptio de musica ; Bacchii senioris introductio artis mu-
sicae; Berolin. 1841., welchem ich über das von Elfar&bi
vorgetragene Taktsystem die in meinem Prooemium zum
grossen Liederbuche enthaltenen Auszüge vorlegte.
Doch ich wende mich nun zu El farabi selbst, um
einige Älittheilungen aus seinem Buche zu geben. Die
Leidener Handschrift desselben führt auf dem Blatte,
welches dem ersten Textblatte vorhergeht , den Titel :
,^r,Lftil Jc*^ ^^ 0<4^ j,j^ ^\ vjL-JU j^^ÄA^i Vl^^
d. i. das Buch der Musik, verfasst von Aba
nasr mohammed beu mohammed el farabi.
Dass die Handschrift wirklich das Werk des ao. 339.
p. H. verstorbenen El farabi enthalte, darf wohl nicht
bezweifelt werden. Die späteren moslemischen Schrift-
steller über !\Iusik, namentlich der oben von mir erwähnte,
im neunten Jahrhundert p. H. lebende Perser Abdelkädir,
Verfasser des Buches Makässid, citiren öfter Definitionen
aus El färäbis AVerk, und diese Definitionen finden sich
in der That in demjenigen Werke, welches die Leidener
Handschrift enthält. Diese Handschrift ist von verschie-
denen Händen geschrieben, von Schreibfehlern nirgends
frei, an einigen Stellen, wo auch eine grobe, ungelenke
Hand schreibt, sehr fehlerhaft. Die beigezeichueten Fi-
guren, welche Tonverhältnisse und den Tonumfang ver-
schiedener Instrumente darstellen, sind zum Theil auch
fehlerhaft, wie sich aus der im Texte gegebenen Be-
schreibung und Erklärung jener Figuren ersehn lässt*
Eine zweyte Handschrift dieses Werkes von El
farabi befindet sich im Escurial, und Casiri bezeichnet sie
in der Biblioth. arab. hispan. tom. Lp. 347. also: Opus
150
Abi nasser mohamad ben raohamad alpliarabi^ inscriptum
Musices elementa, in tres partes divisum ; in quarum
prima de huiusce artis principiis, secunda^de compositione
tum vocum, tum instriimentorum^ tertia de vario compo-
sitionum genere disscritur_, adiectis notis musicis et in-
strumentorum fignris plus triginta. Diese von Casiri an-
geführte Eintheilung jener Handschrift stimmt überein mit
der Eintheilung der Leidener Handschrift ; nur hat Casiri
den jenen di*ei partibus vorangehenden introitus J3-(Xo
unerwähnt gelassen, lieber jene Handschrift des Escurial
findet man einige Nachrichten in: Toderini Litteratur
der Türkep^ übersetzt von Hausleutner^ Th. 1. S. 261.
Ebendaselbst S. 248. wird gesagt^ in der Bibhothek des
Sultan Abdulhamid zu Constantinopel befinde sich ein
Werk des El farabi über Musik, betitelt: Medschalul
Musiki. Dieser Titel^ wenn er so richtig geschrieben
ist; könnte also etwa die Worte ^^^^-j-Ji JLs^ Tummel-
platz der Musik seyn; dieser Titel kann vermuthen
lassen^ dass dieses Buch des El farabi verschieden sey
von demjenigen^ mit welchem wir uns hier beschäftigen^
d. h. von dem^ welches in der Leidener Handschrift ent-
halten ist. Eine dritte Handschrift dieses Werkes
aber^ und zwar eine sehr schöne^ wie Hr. von Hammer
in dem Vorworte zu der obenerwähnten Kiesewetlcrschen
Schrift S. IX. bemerkt, befindet sich auf der Ambrosiana
zu Mailand, l^eider habe ich die Texte der Handschriften
im Escurial und auf der Ambrosiana mit dem Text der
Leidener Handschrift nicht vergleichen können ; ohne
Zweifel würden sie für den Leidener Text viele Ver-
besserungen und Berichtigungen gewähren.
Das Buch des El farabi beginnt in der Leidener
Handschrift also:
dÜ5^.ÄJ 0^.^d6 ^jA3t»a>.| ^xsJ^3 ^Jl Jx^ iX-*-^
* - ' ' -
j ü ^ ** * *«• u 5 * 3i ^ ^^ o 3 ^ o«- <' j o * ^^a
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3iCü-o j -• ü-^x Ü-— ^^^ ox j— Cf »« 1"" T" ^''
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iLi! u:;wJti^ er"-"^^ ^i-ouXÄll je^ 0^ ,^J>JI
Sj-^' [>:5^" r^^^^ [>ft^' CJ^-'^^ e^JS^rJ)^ ^^,2aX^
bjJLc ot^3-£^^! olliiit j »UIsKÄ. j^üül ^"3 iaftj
O'».' «« ^ ^ ^ ^<«^U»C
o £ ^ ^ Ü O^,«- ^.^^ ^<^< a> ^4i ^ O i o £ ^ 0<i«
156
d. i. »Im Namen Gottes^ des barmherzigen^ des erbar-
mungsreichen^ und es segne Gott unsern Herrn Mohammed,
und sein Geschlecht, und seine Gefährten alle! Du er-
wähntest dein Verlangen die Kunst der Musik, welche
den Alten zugeschrieben wird, kennen zu lernen, und
fordertest mich auf, sie dir in einem von mir verfassten
Buche darzustellen, in welchem ich sie so zu erklären
streben würde, dass der Leser es leicht fassen könne.
Doch zögerte ich damit, in Betracht der Bücher, welche
über diese Wissenschaft von den Alten zu uns gelangt sind,
so wie derjenigen welche die späteren Männer verfassten,
und diejenigen, deren Zeit der unsrigen nahe liegt. Denn
ich hoffte in ihnen zu finden, was Deinen Wunsch befrie-
digen, uns es überflüssig machen würde, ein neues Buch
über einen Gegenstand zu schreiben, der bereits von an-
dren entwickelt worden. Wenn die früheren Bücher schon
alle Theile der Kunst vollständig abgehandelt haben, und
es verfasst dann jemand noch ein Buch, welches er zwar
sich selber bcylcgt, worin er aber nur vorträgt was schon
andre vor ihm vorgetragen und erschöpft haben, so ist
dies etvA'as Ucberflüssiges, oder eine Thorheit, oder eine
Unredlichkeit ; wofern nicht etwa der Fall eintritt, dass
das von dem früheren Verfasser Vorgetragene an Dimkel-
heit leidet, entweder wegen der darin gebrauchten Aus-
drücke, oder wegen andrer Umstände, so dass alsdann der
spätere Verfasser es erläutern und leichter machen kann,
indem er an das von den früheren Aufgestellte sich in
seinem eigenen Vortrage anschliesst, immer dahin stre-
bend , die Kunst zu vervollständigen in Bezug auf den
Früheren. Dem späteren Verfasser bleibt dann in Betreff*
seiner Arbeit nur das Verdienst der Ueberlieferuog , der
t57
Erläuterung^ und der Aufklärung dessen, was der andre
verdunkelte. Allein ich fand in allen jenen Büchern einen
Älangel an Vollständigkeit^ so dass nicht sämmtliche Theile
der Kunst in ihnen abgehandelt werden^ imgleichen Män-
gel in demjenigen, was darin vorgetragen ist. In den
meisten derjenigen dieser Bücher^ welche den theoretischen
Theil der Wissenschaft entwickeln^ sind in der Darstel-
lung dunkle Ausdrücke gebraucht, wiewohl doch dieVer-
muthung fern liegt, dass die Alten, welche sich mit dieser
Kunst beschäftigten, darin zurückgeblieben seyen, und sie
nicht vollständig erforscht haben, obgleich ihrer eine grosse
Zahl war, und sie in ausgezeichneten Männern bestanden,
welche ausserordentlich eifrig in der Erforschung der Wis-
senschaften waren, die sie allen übrigen menschlichen Gü-
tern vorzogen ; ihr Geist war scharfsinnig, sie studirten
die Wissenschaften eine lange Reihe von Zeiten hindurch,
der spätere unter ihnen suchte den früheren zu erforschen,
und die Nachfolgenden unter ihnen fügten zu demjenigen
hinzu, was die Vorangehenden ermittelt hatten. Nur sind
entweder ihre Bücher, welche diese Wissenschaft voll-
ständig behandeln, untergegangen, oder es besteht das^
was von ihnen in die Arabische Sprache übersetzt worden
ist, in mangelhaften Schriften. Daher habe ich es denn
für gut angesehen, deinen Wunsch zu erfüllen. Will je-
mand in einer theoretischen Wissenschaft vollkommen wer-
den, so muss er sich darinn drey Dinge erwerben. Das
erste ist die vollständige Erlernung ihrer Grundlagen. Das
zweyte ist das Vermögen, die aus jenen Grundlagen fol-
genden Erscheinungen der AVissenschaft zu entdecken.
Das dritte ist das Vermösren, die in dieser Wissenschaft
ihm vorkommenden Irrthümer walirzunehmen, und das Ver-
mögen, die Meinungen andrer Kenner der Wissenschaft
aufzufassen, aus ihren mangelhaften Behauptungen das
15$
richtige auszufindeii, und die Versehii derjenigen unter
ihnen ^ welche sich irrten, zu berichtigen. Demgemäss
haben wir das von uns Vorgetragene in zwey Bücher
gebracht. In dem ersten Buche haben wir zuvörderst
abgehandelt was zur Erlernung der Anfänge dieser Wis-
senschaft nützlich ist, sodann hinzugefügt was an jene
Anfänge der Wissenschaftj sich anschliesst, und alle Theile
der Wissenschaft darin vollständig beschrieben ; in diesem
Buche haben wir bloss unsre eigene Ansicht von der
Sache vorgetragen, ohne die Meinung irgend eines an-
dern darunter zu mischen. In dem zweyten Buche
aber berichten wir das, was von den berühmten Kennern
dieser Wissenschaft uns überliefert ist, und erläutern was
in ihren Reden dunkel ist ; wir untersuchen darin die Mei-
nung jedes einzelnen, dessen Meinung wir in einem Buche
von ihm vorgetragen finden; wir weisen nach, bis zu
welchem Punkte jeder dieser Männer in dieser Wissen-
schaft vorgedrungen ist, und berichtigen die Versehen bey
demjenigen, welcher darin verfallen ist. Das erste Buch
umfasst zwey Theile, einen Theil über die Einleitung in
die Wissenschaft, und einen Theil über die Wissenschaft
selbst. Den Theil über die Einleitung haben wir in zwey
Capitel gebracht. Den Theil , welcher die Wissenschaft
selbst enthält, haben wir in drey Abschnitte zerlegt. Der
erste Abschnitt betrifft die Grundlage der Wissen-
schaft, und die allgemeinen Dinge derselben. Dieser Theil
allein ist von den meisten Alten, deren Bücher zu uns
gelangten, so wie von den Späteren, welche den Spuren
jener folgten, abgehandelt worden. Der zweyte Ab-
schnitt beschäftigt sich mit den bey uns bekannten In-
strumenten ; er erörtert ferner die Uebereinstimmung des
in dem Abschnitte über die ürundlogen beschriebenen mit
dem was auf den Instrumenten vorhanden ist; und wie je-
159
nes aus den Instrumenten hervorgebracht werden kann;
er setzt auseinander^ was aus jedem einzelnen Instrumente
gewöhnlich hervorgelockt wird^ und giebt eine Anleitung
dazu^ wie aus jedem Instrumente auch das hervorgebracht
werden könne^ was bey demselben nicht gewöhnlich ist.
Der dritte Abschnitt beschäftigt sich mit den ver-
schiedenen Arten der einzelnen Melodieen. Jeder dieser
drey Abschnitte ist in zwey Capitel getheilt. Demnach
enthält .dieses erste Buch überhaupt acht Capitel. Das
zweyte Buch umfasst vier Capitel. Also besteht das Ge-
sammte dessen, was wir über diese Wissenschaft aufffe-
zeichnet haben^ in zwölf Capiteln.«
El faräbi sagt uns also in diesem Einwände seines Wer-
kes^ dass er über die Musik zwey Bücher geschrieben
habe, eins worin er nur sein eigenes Svstem vortruar.
und eins worin er die Systeme andrer beschrieb und be-
urtheilte. Nur das erste dieser beyden Bücher ist in der
Leidener Handschrift enthalten. Ob das andre irgendwo
vorhanden ist, weiss ich nicht ; unstreitig würde es uns
über die Geschichte der Arabischen Musik, über das, was
jn dieser Hinsicht vor der Zeit El farabis bey den Ara-
bern vorgekommen war, erwünschte Aufschlüsse geben.
Möglich wäre es, dass dies Werk sich zu Constantinopel
in der oben erwähnten Handschrift Medschal ul mu-
siki oder Tummelpla tz der Musik findet; der Aus-
druck: Tummelplatz, Kampfplatz, könnte sich auf
das Vorführen und Beurtheilen der verschiedenen Systeme
beziehen. Indess, da uns über den Inhalt jener Handschrift
durchaus nichts näheres bekannt ist, so müssen wr es
bey dieser blossen Vermuthung bewenden lassen.
Die Eintheilung des ersten seiner Bücher giebt
El faräbi am Schlüsse des eben mitgetheilten Einganges
an, und diese Eintheilung ist denn auch in der Leidener
160
Handschrift befolgt. Doch muss ich den Inhalt der ein-
zelnen Capital hier noch etwas näher bezeichnen^ damit
man einen ungefähren Ueberblick über das Ganze ^ "und
den Gang"^ welchen die Darstellung darin nimmt, gewinne.
In dem ersten Haupttheile^ welcher die Einleitung
enthält, werden schon vorläufig einige Dinge, z. B. In-
tervallen und Klanggeschlechter, abgehandelt, die nach-
her im zweyten Haupttheile, oder in der Wissenschaft
selbst, nochmals und ausführlicher untersucht werden.
So steht auch im zweyten Haupttheile Abschn. 1. cap. 2.
eine vorläufige Uebersicht der Taktarten ; aber hernach
Abschn. 2. cap. 2. folgt die ausführhche Beschreibung der
einzelnen Taktarten. Es zerfällt also die ganze Leidener
Handschrift in folgende Abtheilungen, deren Inhalt durch
Ueberschriften zum Theil einigermassen, zum Theil auch
gar nicht angedeutet ist.
A. Ü^Üuajl ^5 JsÄ^vXjf
Die Elnleitun;^ in die Kunst.
Cap. i. J^"!>5 i^lÄj« Fol. 2. vers. — Fol. 13. rect.
Handelt vom Begriffe der Musik, von der Natur der Töne
überhaupt, Unterschied zwischen den Tönen der mensch-
lichen Stimme und denen der Instrumente, Unterschied
zwischen praktischer und theoretischer Musik.
. ^ t, , . Q.*
Cap. 2. iCxiLÜi iÜlÄj« Fol. 13. rect. — Fol. 24. vers.
Vom Unterschiede der Töne in Ansehung der Höhe und
Tiefe, von den Intervallen und Octaven, von der Be-
schaffenheit der Laute (nämlich des Instrumentes, wel-
ches Laute heissl) und dem Tonumfange dieses Instru-
mentes, von den Klauggcschlcchteru oder verschiedenen
161
Arten der Quarte^ wobei die diatonischen, chromatiscnen
und enharmonischen Quarten der Griechen erwähnt wer-
den. Die diatonischen nennt EI färäbi die starken Ge-
schlechter; die chromatischen und enharmonischen be-
zeichnet er durch diese Griechischen, von ihm ins Arabi-
sche übersetzten Ausdrücke, fasst sie aber auch wieder
zusammen unter der gemeinschaftlichen Benennung der
weichen Geschlechter.
Die Kunst selbst.
Abschnitt. 1. J^^' O*^' behandelt die KcLUoIl Jyol
•> > i
d. i. die Grundlagen der Kunst; statt ^wol radices, fun-
damental gebraucht El färabi öfter auch den Ausdruck
oL*«<—g- ?->■**<> und oLaäÄnwt ^ welcher eine Arabisirung des
Griechischen GTor/,ila d. i. die Anfangsgründe, ist.
Cap. 1. ^^^\ iÜLäJ! Fol. 24. vers. — Fol. 34. vers.
Von der Entstehung der Töne durch das Zusammen-
stossen zweier Körper, Ursachen der Höhe und der Tiefe
des Tones^ consonirende und dissonirende Intervallen^ ge-
nauere Ausrechnung der einzelnen, grösseren und klei-
neren Intervalle.
Cap. 2. klsUJ? Ölijr Fol. 34. vers. — Fol. 52. rect.
Von den systematis sonorum der Griechen^ dem systema
eoniunctum und systema disiunctum^ von Griechischen Be-
nennungen der in diesen Systemen enthaltenen Töne, von
den sieben Octaven oder Schematis der Griechen, von den
Xodis oder Tropis, welche El faräbi öljuJuj d. i. Span-
V. ' 11
163
nungeri; Dehnungen, nennt^ weil sie bey Euklides
und Aristoxenos Tovog Spannung heissen, ferner von
den Mutationen, und allgemeine Uebersicht der Taktarten^
weil die Mutation oder der üebergang von einem Tone
zum andern in gewissen Zeitfristen erfolgen muss.
Abschnitt. 2. J,liH ^^S behandelt das ^.^La'J! jJU:
d. i. die Wissenschaft der Composition, welche sich an
die im vorhergehenden Abschnitte vorgetragenen Grund-
laffen anschliesst, daher El färäbi sie als oUJiiaA«^ , JUiJ
, - - £ -
subiuncta elementis bezeichnet. Es wird darin beschrie-
ben, in wie weit die vorhin geschilderten Tongebiete aus
den einzelnen Instrumenten hervorgelockt werden können.
Cap. 1. ^y/'iT i'ilijT Fol. 32. rect. — Fol. 63. rect.
beschäftigt sich mit der ausführlichen Schilderung der vier-
saitigen und der fünfsaitigen Laute, der Lage der Töne
auf den verschiedenen Saiten und Bänden dieses Instru-
mentes, und den Tongebieten welche sie dem Spieler
darbietet.
Cap. 2. kxiUjT 'i\^\ Fol. 63. rect. — Fol. 91. rect.
handelt von den übrigen Instrumenten und ihrem Tonum-
fange, und von der Lage ihrer Töne, nämlich vom T u n b ü r,
d. i. einer zweysaitigen Laute, deren es zwei Arten giebt,
eine Bagdädische und eine Chorassanische, von den Bla-
seinstrumenten, genannt Mi s mär und Surnaji, von der
Cither, welche Rah ab genannt wird, und von der Harfe,
welche bey ihm äJUo Sandsch heisst.
Abschnitt 3. eJLÜi ^J^i handelt von der Compo-
sition der einzelnen Melodien oder '9^.j>\ qU^^I ^-J^^
compositio modorum specialium.
169
Cap. 1. ^pf ÄJlijl Fol. 91. rect. — Fol. 109. rect.
von den Melodien^ welche aus den Tönen der Instrumente
gebildet werden. Hier wird zuerst über die verschiedenen
Systeme und Klanggeschlechter gesprochen^ aus welchen
man die Töne zu einer einzelnen Melodie wählen kann,
und augegeben welche Töne in dem einen oder anderen
Systeme consonirende und welche dissonirende sind.
Dann wird gehandelt von den anzuwendenden Mutationen
oder Uebergängen von einem Tone zum andern, und daran
knüpft sich dann wieder, wie oben Abschn. l.cap. 2., die
Auseinandersetzung aller TaktarteU;, ausführlich nach der
wissenschaftlichen Auffassung El faräbis, und auch nach
der gewöhnlichen Darstellungsweise der praktischen Mu-
siker. Endlich wird noch Anweisung zu verschiedenen
Abwechselungen in den Melodien und Takten gegeben.
Cap. 2. iUjUÜ! iüLiüJ? Fol. 109. rect. -- Fol. 123. rect.
von den Melodien^ welche aus den Tönen der mensch-
lichen Stimme gebildet werden, indem bei diesen letzteren
nicht blos auf den Unterschied der Höhe und Tiefe zu
achten ist, von der Verknüpfung der Töne mit den proso-
dischen Füssen der Versmaasse^ von verschiedenen Klassen
der Melodien, welche man annehmen kann nach Mass-
gabe der verschiedenen Wirkungen, welche sie auf das
Gemüth hervorbringen.
Auf diese Uebersicht des Ganzen wollen wir nun aus
den einzelnen Kapiteln einige Proben folgen lassen, welche
die Darstellungsweise El faräbis zeigen werden.
(Die Fortsetzung folgt.)
f. G. L. Kosegarten.
104
VII.
lieber die Aetliiopisclien Haiidscliriften
KU Tiiliiiigen.
Bei vielen Sendboten der Evangelischen Kirchen ent-
faltet sich in unsern Zeiten eine eifrige Thätigkeit^, welche
man auch vom rein wissenschaftlichen Standorte aus nicht
ohne wahre Befriedigung verfolgt. Es ist die Wissenschaft
selbst in ihren mannigfaltigen Bedürfnissen und Hülfelei-
stungen^ welche sich mit ihrem christlichen Bestreben immer
unauflöslicher zu verbinden scheint; und ein solches Ent-
gegenkommen zweier nur nach oberflächlicher Ansicht sich
widerstrebender Richtungen wird, wenn es sich nur län-
ger erhält und so fortschreitet wie es jetzt glücklich ange-
fangen hat, den Zwecken der Missionen sowohl in den
fernen Erdtheilen höchst förderlich seyn als auch alle
Freunde der Wissenschaft unter uns immer enger mit ihnen
verknüpfen. Sogleich das erste aller Bedürfnisse Evange-
lischer Sendboten^ das mit den fernen Völkern in ihren
eignen Sprachen verständlich zu reden und ihnen brauch-
bare Uebersetzungen biblischer Bücher zu geben, kann we-
der ohne die Hülfe einer guten Wissenschaft befriedigt
werden (denn dass die in vieler Hinsicht wenig genügen-
den Uebersetzungen, welche man früher oft drucken liess^
dem Zwecke nicht entsprechen, hat man bereits zu eige-
nem Schaden hinlänglich erfahren), noch ohne eine frucht-
bare Rückwirkung auf die Fortschritte der Wissenschaft
unter uns bleiben. Und wenn einst eine allesumfassende
grosse Sprachwissenschaft unter uns entstehen wird^ wo
165
nicht mehr wie jetzt bloss einige der nähern und bekann-
tem Sprachen berücksichtigt werden und demnach in so
engem Gesichtskreise unendhche Vorurtheile und Irrthü-
mer entweder unvertilgt stehen bleiben oder auch neu sich
bilden, sondern wo alle zusammen eine jede in ihrem wah-
ren Wesen und von ihrer rechten Stelle etwa ebenso be-
schrieben werden wie man längst alle Pflanzen- und Thier-
arten der weiten Erde übersichtlich zu ordnen und zu er-
läutern angefano^en hat: dann wird man einsehen dass die
Bemühungen unsrer christlichen Sendboten und die Bibel-
gesellschaften dazu viel mächtiger mitgewirkt haben als
der Verkehr der Kaufleute welche sich ja mit dem Ver-
ständnisse weniger Worte eines fremden Volkes behelfen
können, oder als die Bemühungen gewöhnlicher Reisenden
welche wohl ein paar Wortsammlungen aus unbekannten
Sprachen bringen, aber selten ein wahres und deutliches
Bild von ihnen zu geben gelernt haben. Sodann aber kön-
nen wenigstens Evangelische Sendboten, wenn sie dem wah-
ren Christenthume genügen wollen, nicht umhin die Irr-
thümer der fremden Völker zuvor genauer erkennen und
ihr ganzes Wesen und Alterthum sowie ihre off"enern oder
verborgenem Kräfte und Hülfsmittel richtiger auffassen zu
lernen, ehe sie auf eine im Grossen erfolgreiche Wirkung
ihrer Predigt hoffen: denn ich bin noch immer der Mei-
nung dass man früher die geistigen Mächte solcher Völ-
ker welche eigne Literaturen besitzen zu gering geachtet
und auch darum so geringen Erfolg vom Missionswesen
erlebt hat; und auch solche Völker wie die Taitier und
Gallas wird man diesseits doch nicht so bekehren wollen
wie der vortreffliche Minister Guizot und seine Sendlinge
es neuerdings anzupreisen scheinen. Lassen sich nun aber
die ächtchristUchen Sendboten auf die Untersuchung der
fremden Literaturen ein oder sind sie wenigstens nicht
gleichgültig für dieselbe: so wird es kaum fehlen können
dass sie von Zeit zu Zeit von dem unbekannten Reich-
166
tliume mitthcilen den sie am günstigen Orte auflanden, und
ein wechselseitig nützlicher Verkehr zwischen Wissenschaft
und Mission wird sich auch auf diesem Wege von selbst
anknüpfen.
Da Württemberg unter den deutschen Ländern ver-
hältnissmässig am thätigsten die Missionszvvecke befördert,
so habe ich das Glück gehabt seit den letzten Jahren die
Universität meines zweiten deutschen Vaterlandes sich
durch eine früher unerwartete Menge solcher orientalischen
Hülfsmittel bereichern zu sehen. Die Namen Haebehlin
von Tuttlingen^ Fjelstedt aus Schweden^ Isexberg aus
Westphalen^ Krapp von Derendingcn bei Tübingen, wer-
den stets in gutem Andenken bleiben. Es sind dies an sich
keine sehr grosse Erwerbungen, weder glänzende Geld-
zahlungen sind darauf verwandt noch ist viel lautes Lobes-
erheben davon gemacht: aber in ihrem Zusammentrcflen
haben sie doch, zumal bei einer Universität welche früher
kaum einen ersten Anfang solcher Schätze besass, eine
nicht geringe Bedeutung; und das Verzcichniss der Orien-
talischen HaJidschriften zu Tübingen welches ich 1839 auf
besondere Veranlassung veröflPcntlichte und dessen wich-
tigster Theil sodann in den dritten Band dieser Zeit-
schrift aufgenommen wurde, könnte schon jetzt in einigen
Zweigen stark erweitert herausgegeben werden, da aus-
ser den Zuflüssen von den 3Iissionen noch Ankäufe hinzu-
kamen.
Für jetzt beschränke ich mich auf den noch ganz jung-
fräulichen Boden des mittlem Theiles von Ost- Afrika, wo
die Evangelischen Sendboten sowohl auf eine alte aber
längst erstarrte christliche Kirche fund Evangelischen steht
es allerdinffs an auch auf solche einzuwirken) als auch auf
eine überwiegende Zahl von Heiden und Moslems stossen.
Dort hat der kräftige FsENBEnr. die jezt herrschende Mund-
art des alten Aethiopischen, das Amharische. welches seit
den Zeiten des unter Deutschen nie genug zu preisenden
167
HioB LuDoi.F •) in Europa so gut als vergessen war, so
gründlich erlernt dass er es so eben inAVörterbuch Sprach-
lehre und andern Druckschriften") allen Gelehrten zugäng-
lich macht und zugleich in Afrika selbst durch die Ver-
breitung solcher Drucksachen das Evangelium zu fördern
hofft. Die Sprache der Gallas und andrer benachbarter
Völkei* nicht semitischer Abstammung eignen sich Krapf
und IsEN'BERG immer vollkommuer an^ schon ist durch ihre
beiderseitige 3Iülie das Evangelium 3Iatthaei in die Galla-
Sprache übersetzt und gedruckt 3). Dieselben achten auch
auf die natürlichen Verhältnisse jeuer unbekannten Länder
sehr fleissig, und haben bereits manche wichtige Bemer-
kung darüber Englischen und Deutschen Gelehrten mitge-
theilt. Vorzüglich glücklich ist aber der unermüdliche Krapf
in der Aufsuchung Aclhiopischer Handschriften gewesen«
in Schoa und Efat, den südlichsten Theilen des alten Aethi-
opiens wohin er aus Tigre vertrieben sich zurückziehen
musste, ist er bis in die entlegensten Klöster gedrungen
und hat eine solche Menge Aethiopischer Bücher zusam-
mengebracht, dass der alte Hieb Ludolf, welcher bei aller
Dürftigkeit der ihm zu Gebote stehenden Hülfsmittel der
Vater und fast einzige grosse Beförderer der Aethiopischen
1) Da alles ihn betreffende eine besondere Wichtigkeit hat, su
möge bei dieser Glelegenheit auch auf die neulich erschienene
kleine Schrift des verdienten Herrn Prüf. ^VKIJERs in Leyden
aufmerksam gemacht werden: lets over lob Ludolf, den
beroemden beoefenaar der EthiopLsche Letterkunde en Ctcschie-
denis : ter gelegenheid der uitgave en vertaling van twee door
hem opgestelJe Ethiopische. hfieven. 1839.
2) Xämlich L'ebersetzungen ins Amharische, da dies eine eigne
Literatur noch nicht besitzt, so dass nun in künftigen Jahrhun-
derten unser Isenberg von Afrikanischen Zungen als ihr Vater
gepriesen werden kann. Alle diese Drucke sind 1S41 — 43 zu
London erschienen.
3) 1842, der Aufschrift nach au Anköbar der Hauptstadt vonShoa,
in der That zu London.
168
Literatur in Europa zu nennen ist^ schier seine Freude
daran gehabt haben würde; und noch weitere Entdeckun-
gen dürfen wir den neuesten Nachrichten zufolge von sei
ncni Eifer erwarten.
Die von ihm bis jetzt gefundenen Handschriften hat er
zum grössten Theile schon nach Europa gesandt, wenige
in ihrer ursprünghchen Gestalt, die meisten in Abschriften
welche er durch dortige Gelehrte besorgen lässt. Zu
letzteren ist denn gewöhnliches Papier gewählt, welches
Europäer in Aethiopien einführen: während eine echtäthi-
opische Handschrift noch immer so aussieht als wäre sie
vor 2000 Jahren geschrieben. Denn wie die Aethiopen
überhaupt auf einer Bildungsstufe stehen geblieben sind
welche um viele Jahrhunderte hinter uns zurück liegt, und
wie sie noch heute wie zu Herodot's und Horaer's Zeiten
als die langlebigsten Menschen am fernsten llande der
Menschheit auch die einfachsten und unveränderlichsten
zu seyn scheinen: so glaubt man beim Anblicke ihrer gros-
sen Uncialschrift und ihrer Pergaraenbücher übertausend-
jährige Handschriften in der Hand zu halten, während frei-
lich nähere Untersuchung meist ihr sehr junges Zeitalter
erweist. Herr Krapf entschuldigt seine Wahl der Papier-
handschriften damit , dass er zur Abschrift eines einzigen
etwas starkem Werkes nach der Landessitte sonst wohl
30 Ziegenfelle nöthig hätte, wodurch denn auch die Ko
sten sehr bedeutend steigen.
Da Krapf sowie die meisten deutschen Sendboten des
Evangelium von der grossen Londoner Gesellschaft abhängt
und ihr zunächst dienen muss : so erklärt es sich wie er die
meisten Handschriften nach England befördert; der Univer-
sität in Tübingen sind bis jetzt von ihm zehn, dazu einige
andre die mir jetzt zu Gebote stehen seinen alten Würt-
tembergischen Freunden zugesandt. Wie bald nun die Eng-
länder mit der Beschreibung ihrer Schätze hervorrücken,
muss die Zeit lehren : es ist dort gegenwärtig wenigstens
169
ein Mann, Hr. Th. Platt^ welcher die dazu gehörigen
Fähigkeiten besitzt und von dem wir eine Arbeit dieser
Art erwarten können. Damit indess die hierher gekomme-
nen Handschriften nicht so lange verborgen bleiben wie die
70 Aethiopischen des Vaticans^ welche schon vor 2 bis
300 Jahren dort waren aber erst jetzt nach einem äusserst
ungenügenden V'erzeichnisse von der Hand des alten Rei-
senden Wansleb bekannt gemacht sind *) : scheint es der
Mühe werth sie sofort etwas näher zu beschreiben. Auch
gehören Aethiopische Handschriften noch immer zu den in
Deutschland sehr seltenen: und die einzige mir bekannte
Sammlung welche sich mit der Tübingischen vergleichen
Hesse, die durch Rüppel nach Frankfurt gekommene, ist
meines Wissens noch nirgends näher bekannt geworden,
ein Mangel den ich bei gegenwärtiger Arbeit besonders
lebhaft gefühlt habe. Von den 11 Handschriften Bruce's
hat man eine zu London 1827 gedruckte kurze Beschrei-
bung; das etwa vor 80 Jahren zu Erlangen erschienene
Werk Wincklers: xaiur/ua bibliothecae reg. Berolinensis
Aethiopica ist mir unzugänglich.
Wie aber Aethiopische Handschriften in Europa bis
jetzt selten sind, so ist uns Aethiopische Literatur ein bei-
nahe noch völlig unbetretenes Feld: weder ihren wahren
Umfang können wir sicher ermessen noch viel weniger
ihre Geschichte und Entwickelunof übersehen. Nirffends
ist wohl in neuem Zeiten ein so sichtbarer Stillstand ein-
getreten: denn was Hiob Ludolf vor 150 Jahren über die-
sen Gegenstand wusste und nach seiner Art sehr unter-
richtend niederschrieb, ist noch immer das neueste, ausge-
nommen dass seit den letzten Jahrzehenden einige Apokry-
1) In dem Buche: Script^ltruin Yeterum nova collectio e Vaticani«
codicibiis edita ab Angrlo Maio. Tom. V. pag. 94—100. Es
sind dort zusammen 71 Handschriften: aber die letzte, dasB.
Hcnocli, ist später hinzugekommen.
170
plien nach Europa gebracht sind welche jener herrliche Mann
noch nicht kannte. Freilich scheint auch in diesem Afrika-
nischen Indien keine zweite Sanskrit-Literatur zum Vor-
schein kommen zu wollen; auf den ersten Blick erscheint
die Aethiopische Literatur als eine ausschliesslich christli-
che ; soviel wir bis jetzt sehen können^ ist sie dazu erst seit
den Zeiten der Monophysiten recht ausgebildet, und wie
ich glaube nicht bloss von Aegypten aus sondern auch
durch Syrische Monophysiten welche entweder über Ae-
gypten oder über das südliche Arabien nach Habesch ka-
men ^) ; und dazu besteht wohl ihr Bestes oder doch für
uns WerthvoUstes bloss in Uebersetzungen aus andern
Sprachen, Dennoch verdient sie weit mehr Aufmerksam-
keit als sie bis jetzt gefunden^ und namentlich würden sich
jüngere Theologen mit ihr nützlich beschäftigen, da sie
ähnUch wie die Syrische und die Armenische Literatur für
die ältere Geschichte des Christenthuras sehr wichtige
Denkmale besitzt und dazu ihre Sprache dem Hebräischen
so nahe verwandt ist. Dass wir wenigstens sicher begrei-
fen was sie enthalte und wie weit sie sich erstrecke, ist
unentbehrlich: und vielleicht finden wir doch allmählich noch
die Reste weit älterer Literaturen welche in jenen Gegen-
den einst blüheten und die nur hier wie sonst an so man-
chen Stellen der Erde durch die zu eifersüchtige Herr-
schaft des jungen Christenthums soweit zurückgedrängt
seyn mögen. Wir wissen dass es Aethiopische Codices
rescripti gibt wo auch die ausgelöschten Buchstaben Aethi-
opische sind-): und wird man gute christliche Schriften
auso-elöscht haben? Es sind in den neuesten Zeiten In-
Schriften auf Aethiopischem Boden entdeckt welche thcils
1) Es Hesse sicli eine lange Reihe von theologischen Ausdrücken
nennen, Mclche von Syrien aus nach Aethiopien gekommen
seyn müssen.
») S. Mai a. a. 0. S. 94 in der Anmerkung: in solchen Fragen
abar kann man dem Cardinal Mai unbedingt trauen.
171
ihrem lohaltc theils ihrcu alterthiimlichen Buchstaben nach
in die vorchristlichen Zeiten zurückgehen *) ; und dass die
Himjaritische Schrift der Aethiopischen verwandt sei lehrt
schon eine flüchtige Vergleichung. So öffnet sich hier un-
streitig für künftige Erforschungen der mannigfaltigsten Art
ein neues Gebiet: und schon eine etwas sichere Geschichte
der in so vieler Hinsicht ganz eigenttümlichen, auch schon
mancherlei Missverständnissen ausgesetzt gewesenen Aethi-
opischen Schrift würde sehr lehrreich seyn.
Bevor ich indess zur Beschreibung der mir zugäng-
Hchen Handschriften übergehe , scheint es gut hier das
kurze Verzcichniss von 62 Handschriften einzuschalten,
welches Herr Krapf im Jahre 1840 hieher sandte und wel-
ches einen Ueberblick über die schon damals von ihm be-
sessenen Bücher gibt. Ich wiederhole es hier ganz so wie
es nach Krapfs Schreiben in den hiesigen Missionsnach-
richten vom Jahre 1841 -) gedruckt ist, füge jedoch unten
einige Bemerkungen über den Sinn gewisser Wörter hin-
zu. Zwar ist es bei einer überhaupt so wenig bekannten
Literatur oft ganz unmöglich aus diesen kurzen Bezeich-
nungen das wahre Wesen der gemeinten Werke sicher zu
erkennen, wie auch unten aus der Beschreibung einiger
dieser G2 Handschriften welche wir wirklich prüfen können
genug erhellen wird: dazu sagt Krapf an jener Stelle selbst,
er habe noch nicht Zeit gehabt diese Bücher zu lesen^
vermuthet jedoch es sei vielleicht manches brauchbare dar-
1) Ich meine die von Salt und die von Rüppel in seiner letzten
Rcisebesciireibung bekannt gemachten grossen Inschriften, wor-
über man den Aufsatz von Rokoigrr in der Hall. L. Z. 1839.
im Juniushcfte vergleiche; sowie die zwei kleinern aber wegen
der abweichenden Art von Buchstaben sehr merkwOrdigen In
Isknbkrg's dictionary amiiaric and english pag. 209.
2) 8. 38. Man findet überhaupt in den TQbingischen Missionsnach-
richten welche jährlich erscheinen manche bemerkenswerthe
Nachricht von Krapf aus Habesch und Weigle aus Indien.
172
in, da die Aethiopischen Bücher der Sage nach meist aus
Schriften der verbrannten Alexandrinischen Bibliothek über-
setzt seyenO, woraus man leicht schliessen mag wie wenig
genügend die Bezeichnungen dieses Verzeichnisses und die
wenigen eingestreuten Bemerkungen seyen. Doch glaube
ich es werde bei der grossen Seltenheit Aethiopischer Bü-
cher auch so vielen willkommen seyn. Die Schreibart der
Aethiopischen Wörter darin ist von Herrn Krapf: ich selbst
folge (da Aethiopische Typen der Druckerei fehlen) meiner
sonst bekannten Umschreibeart Semitischer Wörter.
1. Chrysostomus^^.
2. Sirachj Ezra und Habela^y
3. Ekabani.
4. Lehaga Zadok.
5. Seifa Malakof^^,
6. Suaso 5).
7. Wudasie Marjam^^.
8. Amada Mistir (im Amharischen) ').
1) Zur Beantwortung der Frage wie es mit dieser Sage stehe,
habe ich selbst einen Beitrag gegeben im dritten Bande dieser
Zeitschrift S. 349.
2) Ist wohl dieselbe Handschrift welche unten unter Nr. 6. be-
schrieben wird.
9) Habela ist also wohl auch ein Apokryphen^ von der Geschichte
Abel's ausgehend.
4) D. I. Schwert der Göttlichkeit, wohl eine Streitsdirift gegen
Ketzer.
5) D. f. Leitern, wohl solche Wörterbücher wie Ludolf in der bist,
aeth. IV, 3, 3 sie beschreibt und wie unten bei Nr. 7. ein klei-
nes Beispiel davon vorkommen wird ; ich habe dies Werk und
das verwandte Nr. 26 bis jetzt vergeblich von Krapf zu erhal-
ten gewünscht.
A) D. i. Lobgesänge auf Maria.
7) D. I. Funken des Mysteriums, da amada nach Isenberg im
Afflbarischcn Funken bedeutet.
173
9. Tabita Tahiban und Mahlte Sa Zegie^).
10. Kyrillos'^y
11. Organon Marjam^^.
12. 4 Evangelien mit Varianten.
la Ma%afa Golgatha*}.'
14. Turguainie fidel ^}, Kalat^} der 318 zu Nicaea,
Baruch.
15. Mealad, Sammlung von Beweisstellen aus KW ').
16. Kidan^}.
17. Hazora Maskai *).
18. Malka Michael >»).
19. Saatata tnaalt wa selil^^}.
20. 4 Bücher Salomon und Hiob '*}.
21. Esma Keberte Mariam *3).
22. Melka Mariam, Jesus etc.
23. Melixa Sehm"^*) etc.
24. Abbo Melk. v
1) D. i. der Stolz (n*2i*n) der Weisen und da« Blutnenlied;
letzterer Name würde auf weltliche Dichtung hioweisen^ ob-
gleich Ludulf bist. aetb. IV, 2, 35. meinte sie hätten nur geist-'
liehe.
2) Ist wohl das unter Nr. 7. beschriebene Buch.
3) Vgl. Ludolfs cumment. in bist. aeth. p. 346.
4) D. i. dat Buch von Golgatha.
5) D. i. Dolmetschung des Alphabets.
6) D. i. Aussprüche der 318 Bischöfe zu NIcäa.
7) mealad bedeutet Sammlung.
8) D. i. Bund, Versprechen, Testament.
9) D. i. Schutz des Kreuzes.
10) D. i. Bild MichaeFs, vgl. hier Nr. 22. 23. 35.
11) D. i. Stunden des Tages und der Nacht, (wenn lelit zu le-
sen ist).
12) Ebenso zählen die Quellen Bnice^s: andre wie Luiolt bist.
aeth. III, 4, 19. zählen 5 Bücher Salomos.
13) D. i. die hohen Namen der Maria.
14) Ist mir undeutlich.
174
25. Kleine Ahuschdkur (Almanache) ').
26. Erklärung des Suaso.
27. Canticum Canticorum.
28. Degua.
29. Salam la Mariam^) etC.
30. Melka Guebra Martfas Kedas^').
31. Ahho Gadel und Gadela Guebra Christas'^).
32. Tamera Mariam^-»^.
33. Wudasie Amlak^~).
34. 6?e/o/a Musie 7).
35. Melka Wudasie,
36. Kedasie (Liturgie)®).
37. Äewa Fetrat^).
38. Najara Mariam.
39. Masarala Mariam ^^').
40. Erklärung des Evangelium Matthael Cnach einzel-
nen Kirchenvätern).
41. i?'aMs Mantasatvi^^') et Seraia Kenie^-^.
42. -4m</« negest i^) (ein mit Figuren ausgestattetes
Zauberbuch).
43. Tamera Jasus.
44. Buch Henoch.
1) Siehe darüber das unten bei Nr. 6. bemerkte.
8) Ist bloss der Anfang eines Marienliedes.
.3) Guebra ist Diener des h. Geistes.
4) Der Name Gadel weist auf geistigen Kampf bin, wie Nr. .53
Kampf der Apostel.
5) D. i. Offenbarunrf der Maria, vgl. Nr. 43.
6) D, i. Lobpreis Gottes.
7) D. f. die Decke Mose's, wahrscheinlich rin Aporryphon.
8) Vgl. Ludolf comment. p. 340.
9) D. i. Geschichte der Schöpfung.
10) D. i. Grund der Maria. '
11) Falsch gedruckt für Manfasawi, vgl. unten Nr. 8 h. 11.
12) D. I. Gesetz der Zuckt.
13) D. i. Schauplatz der Könige.
175
45. Dersana Michael ')•
46. Dersana Medhanalim^).
47. Felha negest^^.
48. Sakoka DengJiel^).
49. Mazafa Christena (Tauf-Ritus etc.)
50. Serata Bieta Christian s).
51. Retua Haimanot (Dogmatik) *).
52. Mazafa Mistir'^.
53. Gadela Hawarjat.
^54. Genzet^) (aus Athanasfiis etc.).
55. Mazafat Tectil (bei Trauungen).
56. Mazafa Keder (bei Ketzertaufen)*).
57. Antiakos, Wogris etc. *").
58. Bar los (Mönchsbuch) ").
59. Gezawi^^} (Bericht der kirchhchen Feste).
60. Ardeel (Gespräch Jesu während der 40 Tage).
61. Hamamat^^.
62. Dorho.
Demnach besass damals Krapf von den unten beschrie-
benen Handscliriften noch nicht Nr. 1. 2. 3. 4. 14. 15.
1) dersän bedeutet Abhandlung, Homilie, vgl. unten N. 6. 8. 10.
8) Med-hena 'alem ist der Welterlöser.
3) S. unten Nr. t3.
4) D. i. Klaffe der Jungfrau (Maria). —
5) S. unter Xr.
6) S. vielüiehr unten Nr. 10.
7) S. ebenfalls unten Nr. 9.
8) D. i. Bestattung.
9) S. unten Nr. 12.
10) Siehe unten Nr. 8.
11) Siehe unten Nr. 5.
12) Sollte dies Wort mit gizae d. i. Zeit zusammenhangen? oder
vielmehr mit dem bekannten "yj?
13") D. i. Leiden, wohl in Bezug auf Christi Leiden.
176
woraus man abnehmen kann wie viele andre Bücher er in
den letzten Jahreb noch gefunden haben wird.
Ich gehe nun zur Beschreibung der hiesigen Hand-
schriften über, kann mich jedoch in der Anordnung nicht
nach Hiob Ludolf richten , welcher bloss heilige und un-
heilige Literatur unterscheidet und alle kirchlichen und the-
ologischen Bücher auf die heilige Seite wirft: denn der
Himmel verhüte dass bei uns jemals die theologischen
Bücher als heilige gelten, und soweit sind doch selbst die
Aethiopen nicht gegangen obgleich sie heilige Bücher in
weit grösserer Zahl lieben als wir. Ich unterscheide viel-
mehr vier Arten von Schriften, und führe daneben bei je-
der Handschrift hiesiger Universität die Zahl an welche
sie in der Bibliothek führt; sollten die Leser hier einiges
an sich weniger anziehende vorfinden, so hoffe ich sie wer-
den es der Neuheit des Stoffes vergeben.
I. Bibllselte Bücher.
1. Kufälie.
(Ms. aeth. 4. 80 Blätter in 4.)
Zu den biblischen Büchern im weitern Wortsinne kann
man mit Recht auch alle die rechnen, welche in der Weise
der altbiblischen von ungenannten Verfassern aber meist
auf den Namen eines berühmten biblischen Helden gestützt
fortgeschrieben wurden^ und welche die Protestanten als
Apokryphen und Pseudepigraphen abzusondern sich ge-
wöhnt haben. Gerade solche Bücher, welche einst beson-
ders in Aegypten zu grossen Haufen dagewesen seyn müs-
sen, haben sich nun in der Acthiopischen Kirche weit
vollständiger als sonst irgendwo erhalten, als wäre diese
Kirche auch in dieser Hinsicht plötzUch unverrückt da ste-
hen geblieben wo alle Kirchen mit geringen Unterschieden
in den ersten Jahrhunderten standen j da jedoch auf einen
177
solchen Stillstand nothwendig ein Rückschritt folgt^ so Ist
es nicht sehr zu verwundern, dass solche Bücher bei den
Aethiopen allmählig den kanonischen immer näher gestellt
sind und dort jetzt auch als dogmatische Beweismittel gel-
ten. Wie es indess auch mit der theologischen Geltung
dieser Bücher seyn mag: für den Geschichtsforscher sind
sie immer von Wcrthe, und die Aethiopische Kirche hat
sich durch ihre sorgfaltigere Erhaltung obwohl unwissend
kein geringes Verdienst um die Wissenschaft erworben.
Schon sind in den letzten Jahrzehenden einige Bücher der
Art auf diesem Wege in Europa wieder bekannt gewor-
den: und dass noch andere so aus übertausendjähriger
Vergessenheit unter uns wieder ans Tageslicht kommen
können^ scheint keine vergebliche Hoffnung zu bleiben«
Das Werk der obengenannten Handschrift war unter
diesem Namen schon Ludolfen bekannt Oj ohne dass er
es indessen selbst gesehen hatte; aus dem Namen welcher
Eintheilnng bedeutet kann man auch niclit das mindeste
über seinen Inhalt schliessen. Sobald ich jedoch die Hand-
schrift näher prüfte, fand ich dass der Name in derThat sehr
abgekürzt sey und schwerlich der ursprüngliche seyn könne:
in dem Werke selbst folgt immer ein Genitiv darauf wie
kufulie tnavd el d. i. Eintheilung der Tagej oder von ähn-
lichem Sinne. Nachdem ich mich mit dem Sinne des sehr
weitschweifig geschriebenen Werkes etwas weiter vertraut
gemacht hatte, zeigte sich mir bald dass es dasselbe Apo-
kryphen seyn müsse welches die Griechen deutlicher xa
Ia)ßr^).cc7a die Jubiläen oder auch Aan:rr^ rivsatg die kleine
Genesis nannten -), und welches sich meines Wissens nir-
gends weiter als bei den Aethiopen vollständig erhalten hat
1) Ludolfi lex. aetb. ed. altera p. 412., wo maa sieht dass schon
das unten zu nennende Maghafa Mistir welches er besass dies
Werk anführt.
2) Siehe FABRicn Codex apocrj-phus Veteris Testament; Tom. I.
p. 848—64 der zweiten Aosgabc.
V. 12
178
Da dieses Werk nicht viel weniger als das B. Henoch
unter uns bekannt zu werden verdient^ so hoffe ich bald
eine Uebersetzung davon veröffentlichen zu können, und be-
gnüge mich einstweilen auf sein Daseyn aufmerksam zu
machen, ohne mich hier auf sein Wesen weiter einzulassen.
Eins jedoch möge hier noch berührt werden, wodurch
diese Handschrift sich von allen übrigen unterscheidet.
Vergleicht man nämlich viele Aethiopische Werke, so wird
man finden dass sie immer mit dem basma ab vavald va-
manfas qedüs oder mit ähnlichen Worten ebenso anfangen
wie die Arabischen Bücher mit dem bismülahj nicht selten
auch den Arabischen Büchern ähnlich eine längere Lob-
preisung in geschmückterer Rede voranschicken ; wie denn
die beiderseitigen Schriften ebenso gewöhnlich mit Amen
schliessen. Woher kommt diese frömmelnde Verbrämung,
welche sich der gesammten Literatur der Araber und Ae-
thiopen (um jetzt nur bei diesen stehen zu bleiben) aufge-
drungen hat? ist es etwas so naheliegendes, dass jedes
Buch wie eine Predigt erscheinen muss? wann oder wo
hat diese steife Einkleidung so mächtig zu herrschen an-
gefangen? und wie kommt es dass Völker die doch sonst
soweit von einander sich entfernen wie die Christen in
Habesch und die3IosIims in diesen Sitten übereinstimmen?
Diese Fragen, welche man meines Wissens noch nirgends
aufgeworfen geschweige denn gelöst hat, sind für die Li-
teraturgeschichte keineswegs ohne Gewicht: die ganze
Literatur der alten Hebräer weiss von einer Sitte noch
nichts der man die steife Frömmelei unter deren Zwange
die Spätem so oft seufzen nur zu deutlich ansieht; auch
dies Werk fangt ganz wie ein aus andern Kreisen gekom-
menes einfach so an: %ntu nngara kufälie maväelät {dies
ist die Geschichte der Eintheiluny der Tage~), und schlicsst
ähnlich: bahja tafa^ama nagar zakufälie maväel Qhiemit
ist zu Ende die Geschichte d. E. d. T.J, Wir müssen dem-
nach schon aus dem völligen Fehlen der gewöhnlichen
179
Einkleiduug bei diesem Buche schliesseo^ dass es in Ver-
hältniss zu so vielen andera Aethiopischen Büchern bedeu-
tend alt und von einer ganz andern Seite her zu den Ae-
thiopen gekommen seyn rauss.
2. Gadela Adam.
(Ms. aetfa. auf 206 Blättern in 4.) >).
D. i. der Kampf Adams. Diese Handschrift welche mit
der unten Nr. 9. zu beschreibenden erst seit einigen Tagen
mir unter Händen ist, enthält ein dem vorigen sehr ähnli-
ches Werk, worin zwar vorzüglich die Lagen und Ver-
hältnisse der ersten Menschen welche Gen. c. 2 und c 3
in wenigen grossen Umrissen geschildert sind, auf apo-
krjT)hische Weise zu langen Darstellungen umgearbeitet
werden, aber daneben noch sehr vieles andre sich einge-
schaltet findet. Da das Werk näher beschrieben zu wer-
den verdient und ich es ebenso wie das vorige bald weiter
bekannt zu machen gedenke, so möge hier diese kurze
Nachricht über sein Daseyn genügen. Die jetzigen Aethi-
open berufen sich auch in ihren immer fort- aber leider
nicht aufwärts gehenden dogmatischen Streitigkeiten auf
Aussprüche dieses Buches 2): woraus allein schon erhellen
würde, dass es wie spät es auch seyn mag dennoch dem-
selben Stamme noch entsprossen ist welchen wir hier den
biblischen nennen.
3. Saenodos.
(Ms. aeth. 7, auf 407 Blättern in 4.).
Dies ist das vorzüglichste apokryphische Buch des
Neuen Testaments, welches die Aethiopen f^t ebenso
1) An Herrn Prof. Lic. Hoffmann in Basel geschenkt, dessen aiu-
gezeichneter Güte sie die hiesige Bibliothek verd.inkt,
2) Tübingische Missionsnachrichten Tom Jahre 1842 S. 44.
180
hochachten als unsre kanonischen Bücher, und stimmt ob-
wohl unter starken Abweichungen doch der fetzten Quelle
nach mit den Clementinischen Canones et Constifutiones
Apostolorum, auch Didascalia gwiannf, überein. Ludolf be-
sass den Anfang einer Handschrift des Werkes und Hess
was er davon in Händen hatte drudien^); eine wie es
scheint vollständige Abschrift davon brachte Bruce nach Eu-
ropa Biit^ wahrscheinlich dieselbe nach welcher Hr. Platt
eine mir leider jezt nicht zugängliche englische Ueber-
setzung veranstaltete -}. Die nach Tübingen gekommene
Handschrift ist vollständig, zwar nicht so fehlerlos und zu-
verlässig geschrieben als die meisten andern welche Herr
Krapf hat anfertigen lassen, doch an einigen Stellen dem
von Ludolf gedruckten Texte vorzuziehen. Als ich zuerst
unter allen hierher gekommenen Handschriften diese näher
untersuchte und die vielen Schreibfehler in ihr bemerkte,
erschrak ich und fürchtete alle übrigen möchten von glei-
cher Farbe seyn: zum Glück jedoch sah ich später bei
den meisten übrigen, dass es auch unter den 17 Abschrei-
bern welche Hr. Krapf in Bewegung setzte doch viele Ab-
stufungen gab ; und wenn Ludolf im Allgemeinen über die
Unsicherheit Aethiopischer Handschriften klagt, so kann
ich versichern dass wenigstens einige der hieher gekom-
menen von besserer Art sind.
4. Kaliementos.
CMs. aetb. t-, 280 Blätter in 4.).
Dieses ziemlich umfangreiche Werk fängt wörtlich
60 an:
»Im Namen des Vaters Sohnes und b. Geistes des
Einen Gottes. — Es spricht der h. Clemens: Nachdem
unser Herr und Gott und Erlöser Jesus Oiristua in den
1 ) Commcnt. in hist. actir. p. .304 ff,
2) Sie finilet sich im .3f)sten Bande der Orimtnl TransJations.
m
Himmel aufgefahren war^ trennten sich die Gehülfen (Apo-
stel) fcis zu den Enden der Welt, um die Geschichte des
h. Evangelium zu verkündigen, die Völker zum Glauben
und Wissen zu führen und sie in der Heiligkeit der Wie-
dergeburt zu taufen. Da nun deshalb die Apostel sich Ge-
hülfen suchten welche mit ihnen in die Länder reisten, so
ualira mich Simon Petrus und machte mich za seinem
Gehülfen, weil icli an ihn und den der ihn gesandt glaubte
und überzeugt uar dass er das Haupt der Apostel sey,
auch wegen des Ausspruches unsers Herrn und Erlösers
Jesus Christus im h. Evangelium »du bist der Fels und
auf diesen Felsen u. s. w.« — Nachdem er nun noch zwei
Brüder genommen und zu seinen Gehülfen gemacht hatte,
nahm er mich als ich eines Ta^cs bei ihm verweille und
brachte mich in meiner Aeltern Land gcnamit Matrürjä
(^sic)f und oifeubarte mir die Geheimnisse welche ihn un-
ser Herr J. Ch. auf dem Oelbcrge gelehrt hatte. Um jene
Zeit aber sassen die Apostel und alle die Gläubigen in
grosser Gefahr und Unruhe wegen der gottlosen und un-
gläubigen Juden, da diese die Gläubigen fortwährend töd-
teten. So begab sich Petrus hier fort und kam mit mir
in eine Stadt wo wir dadurch viele Gefahr antrafen^ dass
die ungläubigen Juden viel stritten und zankten wegen der
Geburt der h. Maria, von dieser aussagend sie sey nicht
vom Geschlechte David's gewesen, um daraus das Kom-
men unsers Herrn J. Ch. in die Welt zu läugnen ; auch
gaben sie fortwährend den Griechen und Römern viel Geld
zur Bestectung, damit sie ihnen die Gläubigen zu vernich-
ten hülfea, die Apostel verhinderten über das Gesetz Mo-
se's naclizudenken , und die erste Weltschöpfung nicht
erfiibren. Ais ich nun diese ganze Mühe und Noth Fühlte
welclie von den ungläubigen Juden über mich gekommen,
forschte ich bei meinem Lehrer, bat ihn er möge mich leh-
ren und mir sagen wie die erste Weltschöpfung gewesen
(denn er kannte alle die Geheimnisse unsres Herrn J. Ch.,
ich aber kannte die Griechischen Sagen und Bücher, Ge-
182
heimnisse und Wissenschaften), und erklärte so ihm mei-
nem Lehrer welcher Verdruss und Eifer über mich ge-
kommen weil die Juden wegen der h. Maria mich gezankt
und verletzt hätten : »ich habe keine Einsicht in Gesetz
und Propheten^ und doch haben sie mich viel wegen der
Schöpfung Adam's zur Rede gestellt und schmähen mich
stark wegen unserer h. Herrin Maria , ich finde aber in
dem was ich weiss keine Antwort auf ihre Bosheit und
unheiliffe Rede.« Solches alles erklärte ich ihm in tiefer
Trauer: da kam ein Eifer über ihn und er sprach zu mir:
»ich will dir mein lieber Clemens alles offenbaren warum
du mich fragst, will dich über die erste Weltschöpfung
unterrichten j dich wegen der h. Maria der Mutter des
Lichtes überzeugen dass sie ohne allen Zweifel vom Stam-
me der Söhne Jakob's ist, und dir erklären wie der Satan
aus dem Himmel gefallen.« —
An dieser Probe werden meine Leser wohl genug ha-
ben, um danach das Wesen eines Werkes zu schätzen
welches schwerlich vor den Nestorianischen Streitigkeiten
geschrieben seyn kann. Es zerfällt in sieben ganz lose
aneinandergefügte und nicht einmal in eine fortlaufende
Zahl gebrachte Theile (fol. 1. 62. 80. 152. 206. 216. 240.);
am Schlüsse stehen die Worte: ^beendigt ist hier Cle-
mens, der Gehülfe des Petrus, die Freude der Weisen
und die Trauer der Verkehrten.« Man weiss aus Griechi-
schen und Lateinischen Quellen, dass dem Clemens Ro-
raanus ausser dcnCanones und Constitutiones noch mehrere
Werke von einer gewissen philosophischen Art und Farbe
zugeschrieben werden, wo er obwohl ein hochstehender
und gelehrter Heide doch als ein Schüler Petri erscheint
und von diesem sich fleissig belehren lässt. Ganz so er-
scheint er auch In den 7 unverbundcn nebeneinanderste-
henden Stücken dieses Werkes : aber ob sie dem Inhalte
nach eine Verwandtschaft mit den von Cotelerius im er-
sten Bande der Patres Apostoüri bekannt gemachten Wer-
183
ken habeu; bezweifle ich nach deu Stücken weiche ich
bis jetzt vergleichen konnte völlig, und möchte sie auch
dem Zeitalter nach für etwas jünger halten. Soviel wird
man immer zugeben müssen , dass diese in Aethiopischer
Sprache erhaltenen Stücke noch aus demselben Stamme
emporgewachsen sind welchem die bis jetzt bekannten ent-
keimten: und wer künftig einmal die ganze clementinisch-
petrinischc Literatur nach ihrer doppelten Verzweigung,
der gesetzlichen und der philosophischen^ genauer verfol-
gen will^ wird nicht leicht die 3Iühe scheuen dürfen sich
auch mit diesen Aethiopischen Siebensachen bekannt %u
machen.
5. Bartos.
(Ms. aeth. 10, 31 Blätter in 4.).
Diese Aufschrift findet sich nicht nur in dem oben mit-
gethcilten Verzeichnisse der 62 Handschriften, sondern
auch in der Handschrift selbst von Krapfs Hand: sie scheint
also, obgleich ich sie von einer Aethiopischen Hand ge-
schrieben noch nicht gesehen habe, jetzt dort herrschend
zu seyn. Bartos ist nun nach Ludolfs Wörterbuche die
Phönikische Stadt Berytus, und aus diesem Namen un-
streitig nur durch einen gerade bei der Aethiopischen Schrift
leicht erklärbaren aber tief eingewurzelten Schreibfehler
entstanden, wie dergleichen sich viele finden. Aber was
lässt sich nicht alles bei einer solchen üeberschrift den-
ken? Erst die Untersuchung der Handschrift selbst konnte
über ihren Inhalt vergewissern: und ich sah bald dass sie
nichts als Gebete enthalte die keinem geringern in deu
Mund gelegt werden als der Jungfrau Maria; das erste
soll Maria gesprochen haben als sie in der Stadt Bartos
sich befand: daher der sehr zufällige Name. Die Stadt
Berytos wird auch in den Clcmentlnischen Sagenkreis
verwebt »), und man wird dies Werk für einen der letzten
1) Siehe Cotblbbii Patres Apostolici T. I. p. 771.
und freilich auch entartetsten Sprösslinge des biblischen
Gebietes halten müssen. Wie gewisse Türkische Zauber-
bücher sich auch zu uns iu grosser Zahl verirrt haben,
so ist gerade dies Werkchen in Europa die verbreitetste
Aethiopische Handschrift geworden und findet sich allein
im Vatican dreimal 9 5 "«d da es bereits von Ludolf unter
dem Namen ^alota rqiet d.i. Zaubergebet beschrieben ist^),
mag ich nicht weiter davon reden.
Noch ein Werk ähnliches Schlages ist das welches
am Ende des unter Nr. 8. zu beschreibenden Bandes steht.
II. Tlieoloslsche Buclier.
6. Affa varq d. i. Chrysostomos.
(Ms. aetl). auf 147 grossen Pergamenblättern) ^).
Diese Handschrift enthält auf ihren ersten drei Blät-
tern eine Lebensbeschreibung des Chrysostomos, genommen
aus dem Tärtkh des Georgios Sohnes Amid's*), dem Bu-
che Snksur (d. i. ovva^aqLOVj Heiligeiisage)^ dem AbU"
thäkr d. i. dem Kalender^), und dem Buche des Johannes
1) Oei Mai a. a. 0. Cd. XLII. L. LX., wo aber alle drei Male
falsch zelole tiket gelesen wird.
8} Comm. bist. aeth. p. 349 f.
8) Findet steh mit der folgenden Handschrift im Besitze des Herrn
Oberhelfers Sakwky zu Tübingen, welcher sich seit über 20
Jahren um die Mission so viele Verdienste erworben hat.
4) Der Name ist zwar nach der bekannten äthiopischen Lautvcr-
wechselung ^^o^{ geschrieben, aber gemeint ist ohne Zweifel
die Chronik des v\a4.c ^jt, gewültnlich bei uns Elmakin ge-
nannt, welche bis in das l.'3te Jahrhundert hcrabgeht.
5) Die Acthiopen nennen den Kalender, welcher oft auch eine
kleine Chronik der Weltgeschichte gibt, jezt allgemein Abu-
shakr: derName ist aber nicht Aethinpisch, sondern vielleicht aus
Aegypten mit der Sache selbst gekommen ; auch kennt ihn Lu-
dolf nicht, der doch einen Kalender vollständig mixtheilt, com-
moat. p. 385 tt.
Mi
Madabbr d. i. des Vorstdiers '). Scbon aus dieser vor-
aufgescliicklen Angabe der Quellen erhellt, dass hier nur
spätere Berichte über den Kirchenvater znsainmengestellt
sied. — Nachdem sodaim auf zwei Blättern eine Uebersicht
des folgenden Inhaltes gegeben ist, hebt erst das eigent-
liche Buch mit einer neuen Einleitung an. £s sind nämlich
Chrysostoraos Homilien über den Brief an die Hebräer,
welche hier in Aethiopisrher Uebersetzung ^e^ebcn wer-
den : das Werk besteht ganz wie in der gedruckten Grie-
chischen Urschrift aus einer Vorbereitung und 34 Ab-
schnitten, abweichend aber von den Griechischen Drucken
besteht jeder dieser Abschnitte aus zwei Hälften, dem
dersän d. i. der Erklärung des Textes und dem tagsä^
d. i. der daraus abgeleiteten Ermahnung; auch im Einzcl-
aeo zeigte mir eine Vergleichung der ersten Horailie, dass
wir hier kein bis jetzt unbekanntes Werk vor uns haben.
ladess ist diese Acthiopische Uebersetzung auch in sofern
merkwürdig, als gerade die Homilien über den Hebräer-
brief zu den Werken Chrysostomos gehören welche der
Kritik etwas mehr Mühe machen") und deren Unächtheit
einst von Erasmus behauptet wurde; weshalb ich noch an-
merke dass^ die Nachricht diese Homilien seien erst nach
Chrysostomos Tode von einem Presbyter Coustantiuus her-
ausgegeben in der Acthiopischen Uebersetzung fehlt.
Dagegen gewährt die Handschrift uns einen andern
1) Das .'Ubiopische sarSi soll iaa madabbr erkläreo^ dies ist alflo
wolil das Arab. uvX«: welcher Schriftsteller aber gemeint sey
ist mir jetzt nicht deutlich ; nach der Vorrede zur folgenden
Handschrift von Kyrillos A>'erken war er Vorstand (Präfekt)
der Aeg>rptischen Stadt Nikius, s. Hartmann^s fidrisü Africa
p. 38b*.
2) Siehe die Vorrede zum 12ten Bande der Opp. Chrysostomi von
Montfaucön. Paris 1735.
186
Nutzen. Die meisten hierher gekommenen Handschriften
sind blosse Abschriften welche Hr. Krapf an Ort und Stelle
verfertigen Hess, wenn er die Bücher selbst nicht erwer-
ben konnte; er schreibt wie er einst 17 Abschreiber zu-
gleich beschäftigte, und da sich in den Aethiopischen Klö-
stern noch immer eine gewisse gelehrte Fertigkeit wenn
auch mehr als blosses Handwerk erhalten hat, so sind viele
dieser Papier-Kinder gewiss kaum geringer zu achten als
ihre Vorältern aus Pergamen. Allein diese guten Ab-
schreiber haben zwar nirgends versäumt nach Landessitte )
sich selbst und den für welchen sie ein Werk abschrie-
ben mit allerlei frommen Wünschen in Ueber- und Unter-
schriften flelssig zu nennen, ja einige haben den Namen
Krapp auf Acthiopisch bis zum Ueberdruss häufig ange-
bracht, wie aus stets neuer Dankbarkeit für ihren unerwartet
gekommenen Lohnherren (denn Aethiopien ist allen Nach-
richten zufolge das noch heutzutage glückliche Land, wo
man mit sehr wenig Geld sehr viel erreichen kanuX lei-
der aber haben sie dafür meist die altern Unterschriften
weggelassen welche uns, da wir von dem Gange der Ae-
thiopischen Literatur bis jetzt so gut wie nichts wissen,
sehr lehrreich gewesen wären. Die vorliegende Pcrgamen-
Handschrift giebt nun aber auf fol. 5 und am Ende die
merkwürdige Nachricht, das Werk sey auf Veranstal-
tung des Diakons Abilfatch Gabra-ebziabchär (d. i. wohl
Aethiopische Uebersetzung von Abdallah} Sohnes des
Fadl (ist wohl gewiss JwcaäJ!) Sohnes des Meemana-Pa-
pas (d. i. Pappapistos) aus dem Griechischen ins Ara-
bische, dann aber von einem gewissen Habakuk und Mi-
chael dem Aelhiopen im Jahre des Erbarmens^) 7015,
1) Der auf dem Iczton BlaUe der hier besprochenen Uandschrift
genannte Theodoros ist gewiss als der Veranstalter der Ab-
schrift zu betrachten.
8) D. i. der Schöpfung, s. Ludolfi comment. p. ABU und uaton Nr.
187
Christi 1500, und der Märtyrer *) 1239 aus dem Arabischen
in's Geez d. i. ins Aethiopische übersetzt. Von Ueberset-
zungeii aus dem Arabischen ist nun auch bei den h. Bü-
chern die Rede, wie schon Ludolf bemerkte, allein, weil er
die Aethiopischen Uebersetzungen für vormuhammedanisch
hielt, nicht begreifen konnte *) : hier aber haben wir ein
nach der Zeitbestimmung ganz klares Zeugniss vor uns,
und da unter den Arabischen Büchern nur die von Kopti-
schen Christen in dem Muhammedanisch gewordenen Ac-
«•ypten verstanden werden können, so irre ich schwerlich
wenn ich hier einen ersten sichern Anhalt für die Aethio-
pische Literaturgeschichte zu finden glaube. Es käme nun
darauf an^ dies weiter zu verfolgen.
•
7. Kyrillos.
V cMs. aeth. auf 128 Pergamen-Blättern).
Dieser Band enthält 1. auf 4 Blättern eine Lebensbe-
schreibung des Kyrillos von Alexandrien, des berühmten
Gegners des Nestorios; als ihre Quellen sind hier diesel-
ben Bücher genannt welche wir an der Spitze des vorigen
Werkes fanden, das Werk wird also überhaupt wohl aus
derselben Uebersetzungs-Werkstätte hervorgegangen seyn
wie das vorige. — Hierauf steht 2. bis zum 23stcn Blatte
die Abhandlung über »den rechten Glauben an unsern Herrn
Jesus Christus,« an den Kaiser Theodosios gerichtet ; An-
fang und Ende stimmt nach meiner Vergleichung voUkom-
9.; der Ursprung dieses Namens ist wohl daher zu erklären
dass nicht bloss wie bei uns die Menschwerdung sondern schon
die Schöpfung des Logos als das Werk des göttlichen Erbar-
mens betrachtet wurde.
1) D. i. die aera Diocletiani, 284 n. Ch.
2) Comment. p. 295 f. Ueber das Alter der AethiApischen Ueber-
setzungen biblischer Bücher sind meines Wissens noch keine
tiefer gehende Untersuchungen angestellt.
188
men mit der Griechischen Urschrift überein *). — Es folgt
3. (Arne alle neueUeborschrift bis zum 64 Blatte die erste
der beiden Abhandlungen ähnliches Inhalts welche an die
»Königinnen« gerichtet sind"): sie ist hier nicht als eine
erste bezeichnet, und die andere welche sich sonst in Ky-
riHos Werken findet fehlt ganz. Beide hier übersetzten
Abliandlungcn sind anders als in unsern Drucken genau
in Abschnitte cingelheilt. • — 4. Bis zum 97sten Blatte steht
ein Gespräch zwischen Kyrillos und Paliadios über den
Satz ■ndags Christus Einer sey ^%u Man kennt die 17 Di-
alogen mit Paliadios in des Aiexandriner's Werken*): in-
dess scheint der hier übersetzte bis jetzt unbekannt zu
seyn, da er so anfängt: nKt/r. Der Lehre der h. Schriften
kann durchaus niemand je genug haben, am wenigsten die
welcho der Weisheit sich ergeben und die lebendig ma-
chende Wahrheit in ihre Herzen aufgenommen haben^ wie
geschrieben steht [hier die Stelle Matth. 4, 4.]: denn die
Speise des Herzens ist das Wort Gottes und das geistige
Brod welches die Kraft des Menschen stärkt, wie im Psal-
ter geschrieben steht. Pall. Du hast recht.«
Den Rest der Handschrift füllt eine Menge kleiner
Homilien und Briefe, zum Theil von Personen aus dem
Zeitalter des Kyrillos von deren Schriften bis jetzt mei-
nes Wissens noch nichts bekannt gemacht ist. Anfangs
hat diese Sammlung den Anschein als sollten Homilien
nach der Reihe der jährlichen Feste und Sonntage gege-
ben werden: bald aber mischt sich fremdesein, so dass man
merkt welche ganz andre Sammlungen der gegenwärtigen
vorausgegangen waren. Die einzelnen Stücke sind folgende :
1) Nach der Aasgabe welche mir ject sn Gebote steht Paris 1605
Vol. 11. p. 673 ff.
2) Ebendas. Vol. II. p. eS€ ff.
3) Vg'. die zehjDte Katccbese des Kyrillos von Jcrusaloai mü dor-
selbeo Aurüciiria,
4) A. a. 0. Vol. U. i». 335— AW.
t89
1. Homilie des Theo dolos Bischofs von Aidim in
lalatien am Feste des Evang. Jolanne» den Sten Augus«
u Ephcsos gehaiten ').
2. Des Kyrillos von Alexandri«! an dcmsciben
'este»).
3. Des Severns Erzbischofs v©a Sinope inPhrygica
u Ephesos in der Marienkirche an Sonntag den 15ten
Lugust gehalten ^}, an welchem auch die nächstfolgenden
ieben gehalten seyn sollen.
4. Des Akakios Bischofs von Mditenem Armenien*).
5. Des Juvenalis Bischofs von Jerusalem»!.
6. Des Kyrillos von Alexandrien zwei^ darch die
)lgcnde getrennt ^).
7. Des Reginas Bischofs vea Constantina in Ky-
ras^
8. Des Eusebios Bischofs von Heraklea am Pontes ®X
ft^ Des TheodotftS Bischofs von Ankyra in Galatien®).
10. Des Firmas Bischofs von Cäsarca in Kappadokien^^.
1> PiiKlet sicit scbaa Griechisch in GaUaudi BiblMÜieca Patrum
Vol. IX. p. 456 ff.
2) Siehe a. a. 0. Vol. II. p. 45.
3) Ist mir unbekannt. Für Sinope steht in der Handschrift -Sinotfow.
4) Dfeser Akakios wird ia GallanJi bibl. Patrum T. IX. p. 506.
erwähnt: Schriften aber sind meine« Wissens ven ihm nicht
bekannt.
5) Aehnlich ist von diesem Jnvenalls" flor die Person bekannt^ s.
die Werke des Kyrillos von Jerusalem nach der Ausgabe von
Tontte (Paris 17S0) S. 36^ ff. nnd XCV.
6) Finden sich beide a. a. 0. Vol. ü. S. 46, ohne Angabe des
Tages, auch in umgekehrter Ordnung.
7} Ist mir unbekannt.
&) Ebeoso imbekauat.
9) Ich habe den Anfang dieser vergeblich in den gednickten Ho-
miiieff des Tbeodotos gesacht.
1») Van diesem Firmas (in der Handschrift Pirmimy fiden sich
bei Galland IX. p. 499—515 Briefe aber keine B««ü«
190
It,' Brief welchen alle Bischöfe der Synode an Jo-
hannes Bischof von Antiochien schrieben*).
12. Homilie des Kyrillos in der Kirche Johannis des
Täufers am Sonntag den 28sten April '^),
13—14. Brief des Johannes Bischofs von Antiochien
an Kyrillos, und dieses an jenen 3).
15. Homilie des Epiphanios Bischofs von Kypros
wegen des Glaubens *}.
16. Desselben über die Trinität.
17. Des Proklos Bischofs von Kyzikon, zu Weih-
nachten in Konstantinopel gehalten 5).
18. Des Severianus Bischofs von Gabala über den
Glauben an die Trinität •}.
19. Des Gregorios Bischofs von Cäsarea').
20. Zwei Homilien des Kyrillos und die eines Unge-
nannten über Melchisedek.
21. Ueber die 318 Väter von Nicäa; darauf ausdrück-
licher Schluss der Handschrift, woraus erhellt dass die
Sammlung des Uebersetzers erschöpft seyn mochte.
Eine Dollmetschung altäthiopischer Wörter, welche zur
Zeit der Entstehung dieser Handschrift schon unbekannt
1) lieber diesen Johannes vgl. die Werke des Kyrillos a. a. O.
Vol. IL p. 89 ff. und den Anhang zum XlVten Bande von Gal-
landi Bibl. Patrum S. 151 ff.
2) Ist kurz; scheint aber noch unbekannt zu seyn.
3) Siehe oben vorher zu 8).
4) In der Ausgabe der Werke des Epiphanios von Petav. Vol. II.
p. 851 ff. finden sich zwar einige Homilien ^ aber weder diese
noch die folgende.
.5) In der Ucberschrift steht Pesqolos irrig ; ebenso , dass diese
Homilie über die Menschwerdung handle; es ist vielmehr die-
selbe welche im IXten Bande von Galland's Bibliothek Seite
U14 ff. steht.
6) Unbekannt^ da die Homilie dieses Redners im Anhange zum
XIVten Bande von Galland's Bibliothek S. 1#5 verschieden ist.
7) Unbekannt.
191
seyn massten, durch die Worte einer bekannten Aethiopi-
schen Volkssprache findet sich sowohl an der Spitze als
nm Ende des Werkes. Ich würde diese Volkssprache so-
Fort für das Amharische halten, wen» nicht für den Laut
mja ein Buchstab hier erschiene dar sich sowohl in Ludolfs
als in Isenberg's Werken über das Amharische nirgends
findet. Jedenfalls ist die Handschrift auch wegen dieses
merkwürdigen Stückes von Werth^ und würde mit der
Für die Aelhiopischen Mundarten eben so lehrreichen lOten
von Bruce zu vergleichen seyn.
8. Anteakos.
(Ms. aeth. 3 ; 130 Blätter in 4.).
1. Anteakos ist die Aethiopische Aussprache für An-
tiochos : und was lässt sich nicht alles unter einem Buche
suchen welches eine solche Aufschrift an der Slirne trägt ?
Als ich das Buch zu prüfen anfing und bemerkte dass es
auch 5?Buch des h. Athanasios« heisse, ward meine Er-
wartung zwar sehr herabgestimmt, völlig aber erst ge-
täuscht als ich weiter fand, dass dies Werk bereits mit
dem 13ten Blatte aufhöre und nichts sey als eine Art von
höherem Katechismus. Die Annahme dabei ist die, Ante-
akos ein vornehmer Kriegshauptmann sey einst zu Atha-
nasios gekommen um ihm allerlei Zweifel und verwickelte
Fragen aus der Religion vorzulegen und seine Antworten
zu vernehmen; das Werkchen zerfallt danach in AQQulut,
jede von diesen in Frage und Antwort, der erste 9«' dreht
sich um die Zweifel über die Dreieinigkeit, der zweite um
die über die Erschaffung der Engel, der 40ste beantwortet
die Frage ob Aerzte Dämonen austreiben dürfen oder nicht?
2. Bis zum 19ten Blatte stehen kleine «Aufsätze über
die [bösen] Gedanken« von Vagris ^). In diesem ohne
1) Vor diesem Worte muss im Anfange des Buches die Präposition
em durcli Schuld des Abschreibers ausgefallen seyn, wie man
auch aus der entsprechenden Unterschrift sieht.
192
alle weiteFe Bestimmung gelassenen Namen vermuthete
ich den des Mönches Evagriosj dessen körnige Aus-
sprüche zwar allein dem Mönchsleben zur Empfehlung
dienen aber von söltener Tiefe und Wahrheit sind. Wirk-
lich fand ich sodann^ dass es seine Schrift tceqI xwv o>a(i>
XoyiOfj.biv ist: sie ist hier jedoch in einer andern Bearbei-
tung erhalte» als die gedruckte Griechische und Altlatet-
nische ist *), und eine Vergleiehung dieses Aethiopischen
Textes würde einem neuen Herausgeber wohl nicht ohne
Nutzen seyn.
3. Bis zum 49sten Blatte folgt nach einer sehr ge-
schmückten Vorrede Cwelche meines Erachtens schon all-
ein das spätere Alter des Verfassers darthun würde) das
Ma^gaha haimunot d. i. Handbuch des Glmthens^ wie es
gleich roTTt heisst, zum Gebrauche für die Gläubigen aller
Arten, Mönche und Laien, Weiber und Männer bestimmt.
Voran die Sätze der drei grossen Coneilien; dann der
Glauben nach seinen einzelnen arnjä^ d. i, Capiteln. — '
Hieran schliesst sich 4. das Werk: Faus manfasäti d. i.
Geistliche Ar%enei, eine Sammlung von Canones der meist
»amentlich angeführten alten Kirchenväter zur Verbesse-
nmg der an Geistlichen bemerkten Fehler. — Merkwürdi-
ger seheint 3". von Blatt 76 an da« Werkt Fragen nnd
deren Beantwortung von AbQesmu, dem Inhalte nach eine
Aufforderung an die Geistlichen Laien zur Besserung des
Lebens. Wer dieser Mönch Qesmu sey , ist mir nicht
deutlich: man sieht indcss aus der Art wie von ihm ge-
redet wird dass er als Heiliger verehrt Avurdej und so
muss der Name enttveder aus Kosrnns entstanden seyn
welcher zweimal im Aethiopischen Kalemler erscheint
aber als Metropolit und Patriarch -), oder ist vielmcl^r aus
iy in OaManrfi BiWiothcc« P»trnin T. VIT. p. 575—7.
2) ÜBter dem 21 and 9» Novcm^e^ sowie dem 3 Mlärx, a. Ludolfi
comm. p. vWf^. 410.
193
Kosmas verdorben, da mehrere dieses Namens Schriftsteller
waren ^ und auch ein solcher im Aethiopischen Kalender
erscheint-). Jedenfalls ist dieses Stück neu und verdient
nähere Untersuchung.
6. Nach einem neuen Eingange wo der Abschreiber,
den »Sünder Johannes Kropfs zur Jungfrau Maria beten
lässt (man sieht also^ dass das lautere Evangelium in die
Seele dieser Abschreiber noch wenig tief eingedrungen
war)^ folgt von Bl. 91 an der Jersän, d. i, die kirchliche
Rede ^,des glückseligen und heiligen Johannes Sohnes Ze-
bedäi über die Grösse und Hoheit der h. Jungfrau'*. Wir
haben hier also ein neues Apokryphen^ wo der Apostel
Johannes gar zum Preise Maria's Schriftsteller wird. Die
Einkleidung hat viel Apokalyptisches: auch ist bereits aus-
ser der kanonischen Apokalypse eine apokryphische in Grie-
chischer Sprache gedruckt 3), doch hat diese mit der hier
Aethiopisch vorliegenden nichts weiter gemein. Als Probe
des Werkes genüge die Uebersetzuug des Anfangs: ^,Er
[Johannes] den der Herr wegeta seiner grossen Sitteurein-
heit liebte, den liebt auch unsere Herrin Maria viel, Aveil
ihr Sohn ihn liebte [dies ist wie der Wahlspruch des
Buches] ; und sie redete ihn an und sprach: höre Johannes
ich will dir im Geheimen ein Mysterium und Wunder er-
zählen, welches durch keinen A'erstaud erkannt, durch
keinen Gedanken erforscht und durch kein Auo-e erschauet
wird, was mein Sohn m»d Geliebter, mein Herr und Er-
löser Jesus Christus jnir geoffeubart hat als ich auf dem
1) Der Aegj'ptische Kosmas mit dem Zunamen Indicopleustes war
auch theologischer Sehriftsteller ; die Akrostichen eines andern
Kosmas aus Jerusalem theiit Galland in der ßibl. Paciuni T.
XIII. p, 23t flF. mit.
2) Unter dem 1. und 22. Junius, jedoch in der Aussprache Qos^
man, s. Ludolfi comm. p. 417. 419,
3) In Birch's Auctarium codicis apocryphi Novi Test Fabriciani.
Havn. 1804, p. 243 ff.
V. 13
194
Golgatha betete in jener Mittagsstunde am Freitage" u. s. w.
Ich denke die Leser haben hieran genug.
9. Ma^hafa Mistir.
(Ms. aeth. auf 372 Blättern in 4.»)
D. i. Buch des Mysteriums. Als ich dies Buch bloss
seiner Aufschrift nach kannte, fürchtete ich es möchte das
Buch des Mysteriums von Himmel und Erde seyn, welches
Ludolf gelesen hatte aber sehr ungünstig beurtheilte ^). Die
nähere Ansicht zeigt aber bald, dass es ein davon gänzHch
verschiedenes Buch sey und dass man das Mysterium wo-
von es sich nennt/ obgleich mir in dem Werke selbst keine
dies Wort erklärende Stelle aufgestossen ist, etwas be-
scheidener, nämhch im Sinne der in der Aethiopischen Kirche
orthodoxen Dogmatik nehmen müsse. Das Buch enthält
eine sehr umständliche Widerlegung aller Ketzereien und
fängt daher in der Einleitung mit den biblischen Beispielen
von Unglauben und Empörung gegen die grossen Lehrer
an. Sodann Averden bis Bl. 4 die Ketzereien, welche
widerlegt werden sollen, alle genau in Satz und Gegensatz
aufgezählt: es sind zusammen 27 (nicht 26, wie man nach
der Randzahl leicht irrig glauben könnte); ihre Reihe be-
ginnt mit Sabellios, geht dann bis auf den römischen Papst
Leo und das Chalkedonische Concil herab, welches von
der Aethiopischen Kirche als einer monophysitischen ver-
worfen wird, und schliesst mit flen die Unsterblichkeit
läugnendenSaddukäern,' einige Ketzereien werden auch ohne
Namen ihrer Vertreter angeführt. Hierauf die ausführlichen
Widerlegungen, welche man nach den Randbemerkungen
dieser Handschrift auch wohl an Kirchenfesten vorzulesen
pflegte. Unstreitig reicht dieses Werk die besten Hülfs-
mittel dar um die wahre Lehre jener orthodoxen, d. i. aber mo-
1) Ao das Missionshaus in Basel geschenkt.
2) Commeiit. p. 847 f.
195
nophysitischen Kirche zu erkennen. Auch in Hinsicht der
Darstellung und Rede ist es sehr ausgezeichnet und gehört
wohl zu dem Besten was die Aethiopische Literatur im
kirchlichen Fache aus ihrer eignen Kraft hervorgebracht
hat. Als Verfasser bezeichnet sich am Ende jeder Wider-
legung ein gewisser Georgios, zwar in religiöser Beziehung
immer viel von sich redend wie es gerade der Inhalt eines
Abschnittes mit sich bringt, aber seine äussern Verhältnisse
nirgends weiter er>vähnend. Indessen findet sich am Ende
der 27 Widerlegungen Bl. 328 eine lange Unlerschrift,
welche meines Erachtens vom Verfasser selbst abstammt
und nicht bloss sein Zeitalter bestimmt sondern auch sonst
wegen ihres Inhalts merk>vürdig ist, und über die in Aethio-
pien gebräuchhchen Zeitrechnungen ein neues Licht ver-
breiten kann. Sie lautet wörtlich übersetzt so: „Vollendet
wurde dies Buch im Jahre des Erbarmens ^) 6932 nach Rö-
mischer Rechnung, 6924 nach der Rechnung von Africa,
welches noch vor Rom die Predigt Petri und Pauli hörte,
6917 nach der Rechnung der Aegypter, welche vom sie-
benten Jahre des Nero an Christen wurden da der Evan-
gelist Markos ihnen predigte und den Bischof Anianos ein-
setzte, 6992 nach der Rechnung Aethiopiens, welches das
h. Haus Gottes ist so an Christus glaubte ohne die Apostel .
im 3ten Monate nach Hebräischer und im lOten nach Ae-
gyptischer Rechnung 2); im zehnten Jahre der Herrschaft
1) Dass damit die Jahre der Welt gemeint seien,, ist schön oben
bei Nr. 6 gesagt: wir sehen aber nun, was Scaliger und Lu-
dolf nicht wussten, dass die gewöhnlich so genannte Aethiopi-
sche von den .3 andern abweicht, welche offenbar dieselben
seyn sollen die Scaliger Aera Constantinopolitana Paschalis,
Aera Orientalis und Aera Constantinop. Lunaris nennt. Was
die Cnterschrifl übrigens bei den Ländern bemerkt, könnte für
die blosse Zeitbestimmung besser fehlen.
2) Die Hebräische nämlich vom Nisan , d. i. vom Frühling an ge-
rechnet.
196
Isaaq's')j ara 27teu Tage des Monats Pejon"j, das ist am
20ten des Senae am Abend, am 21ten des Monats Che-
zlrän 9 Tage vor dem Anfange des Tamuz , am .... des
Römischen Monats Julius, am Hebräischen Neumonde; in
der 18ten Epakte^ im 6ten Pinthion-^)^ in der 3ten Indictio,
der 6ten Epagomene; am 2ten Festtage des Evang. Jo-
hannes; in der Stadt Sagelä^ am Mittwoch um 9 Uhr.«
Da es weiter keinen Aethiopischen König des Namens
Isaaq gibt als den, welcher von den bis jetzt bekannten
Quellen freilich ohne ganz genaue Begränzung etwa in den
Anfang des loten Jahrh. n. Ch. gesetzt wird*), womit denn
auch die obigen Jahreszahlen v/enigstens im Grossen völlig
übereinstimmen: so sieht man daraus, wie viele Zeitbe-
rechnungen damals in Aethiopien genau bekannt waren
und wie mancherlei Kenntnisse dort in bessern Zeiten zu-
sammengeflossen seyn müssen.
Von Bl. 329 an folgt eine Sammlung von Stellen aus
alten Kirchenvätern, die der Verfasser wie er Bl. 371 sagt
selbst ausgewählt und seinem Buche als Beweismittel an-
gehängt hat: ein Schreiben des Patriarchen Timotheos von
Alexandrien an die Rechtgläubigen ^), Aussprüche des Gre'
gorios Thaumaturyos und vieler anderen. Diese Mitthei-
lungen sind meist kurz, und ich habe noch nicht Zeit ge-
habt zu untersuchen wie viele davon schon in der Grie-
chischen Urschrift gedruckt seyen.
1) Welcher also damals König von Aethiopien gewesen seyn niuss.
8) Gemeint ist der Koptische Monat payne, welcher allerdings un-
gefähr dem Aethiop. senne, dem Syrischen chezirün, aber dem
lateinischen Junius entspricht, sodass der folgende Name Julius
ein Schreibfehler seyn muss ; auch Ist gewiss nur durch einen
solchen der Tag des Römischen Monats ausgelassen.
3") Steht für plinthio/i, s. Scaligcr de cmendat. tompp. p. 091.
4) Nach Ludolf bist. 11^ 6, 4 der vierte vor Zera-jaqob.
5) Welches Schreiben wenigstens in Galland'« Biblioth- Pfttfum
' T. VII. p. .34.5—50 fehlt.
197
10. Rctua haimanol.
(Ms. aeth. 8; 186 Blätter lu 4.).
Dieser Band enthält Iloiuilieu auf alle Feste im Jalire^
nach den Monaten des Aethiopischeu Jahres (dessen Anord^
nung von imserra weit abweicht^ geordnet; von Blatt 61
bis 86 findet sich auch eine seräta sagJai d. i. eine Li-
turgie welche an einem Feste anzuwenden scy. Alle Uo-
milieu werden einem Reiudhaimdnöl zugeschrieben; man
könnte dies für den wahren Namen eines Verfassers hal-
ten, der schlechthin der Orthodoxe (denn dies bedeuten
die Worte) genannt wäre: allein weder findet sich von
dem sonst eine sichere Spur*), noch wird er in diesem
Bande als geschichtliche Person näher bezeichnet; allen
Zweifel löst aber Bl. 86, wo einmal hinzugesetzt ist ra
itasamja semUj, was unserra Anonymus entsprechen würde.
Die Homilien sind also einem ungenaimtcn Rechtgläubigen
nur in den Mund gelegt; und das späte Alter des Werkes
kann man auch aus seiner Vorliebe für lange geschmückte
Einleitungen schliessen.
11. Seräta kehenat.
(yts. aeth. 8; 98 Blätter in 4.).
D. i. Gesetze des Priesterthums, ein Werkchen wel-
ches bloss bis zum 9ten Blatte geht; es folgt dann bis
zum 20sten ein verwandtes unter der Aufschrift: Gesetze
der Kirche") und der Würden welche die h. Väter fest~
gesetzt haben ^ und noch ein ähnliches bis zum 25slen:
1) Zwar Ludolf bist. aeth. III, 4, 33 and lex. p. 131 hält ihn für
einen gescbicbtiicheu Eigennamen, aber ohne nahem Nachweis;
dagegen wird ähnlich in dera Ma^hafa Mistir (Kr. 9) Bl. 92
der Dersän eines nicht ,,weiter bestimmten Retua-hainiänot aus
dem Lande Aethiopien'' angeführt.
2) Dies scheint also das Werk zu seyo^ welches Ludolf bist. aeth.
III^ 4, 46 anfulirt aber seUisi nicAk erhalten konnte.
198
Untersuchungen und Fragen der Väter. Von Bl. 25 — 66
liest man dieselben zwei Werke welche in der schon be-
schriebenen Handschrift Nr. 8. Bl. 49— 90 stehen, jedoch
mit stärkern Abweichungen 3 sowie von Bl. 79 an die Li-
turgie sich wiederholt welche in der zuletzt beschriebenen
bezeichnet ist. Dazwischen steht von Bl. 66 an die Rede
des Bischofs von BehnesäO Pctros am Feste der Apostel
Petrus und Paulus den 5ten Julius.
12. Das Maßhafa Qeder.
{Ms. aeth. 9; 90 Blätter ia 4.).
Enthält Vorschriften wie der welcher seinen Glauben
verläugnete oder mit Ungläubigen umging sich wieder zu
reinigen habe. Das Werk scheint mir vielen Spuren
zufolge zu den altern zu gehören und nähere Untersuchung
zu verdienen als ich für jetzt darauf verwenden kann;
sein Verfasser ist weder vorn noch am Ende genannt^ ob-
gleich die Unterschrift einer altern Handschrift wirklich
wiederholt wird; und schon der Name Qeder ist weder
Aethiopisch noch sonst leicht erklärbar.
III. ReelitsbAclier.
13. Fetcha nagast.
(Ms. aeth. 5; 418 Biätter ia 4.).
D. i. das Recht der Könige, ein Werk welches in
zwei Hälften sowokl die kirchlichen als die bürgerlichen
Rechte umfasst und welches man das Aethiopische Corpus
Juris nennen könnte. Dies werthvolle Werk, welches uns
auch für die dunkle Geschichte der Aethiopen viele Auf-
schlüsse geben kann^ war Ludolfen noch ganz unbekannt^
gewiss bloss deswegen weil es in Aethiopien selbst zu den
1) In Oberägypten, s. Edrisii Africa p. 511. und Hamaker^» Au-
mcrkuDgcn zu der Expugnatio Memphidis et Alexandriae.
199
seltenern Büchern gehört. Ich enthalte mich für jetzt in
eine nähere Beschreibung einzugehen^ da zu wünschen ist
dass das Werk, welches auch in Frankfurt sich finden
soll, sehr bald unter uns ein Gegenstand besonderer Un-
tersuchungen und Abhandlungen werden möge.
VI. Philosophie. Gesehlehte.
14. Maßhafa Faläsfä.
(Ms. aeth. «j; S4 Blätter in 4.).
ü. h. Philosophen-Buch, ein Werk welches Ludolf
bloss dem Xamen nach kannte. Man könnte es ein philoso-
phisches Spruchbuch nennen: es enthält Aussprüche Grie-
chischer Philosophen sittlichen Inhalts, kürzer oder länger,
mit oder ohne geschichtliche Einleitungen; Sokratas Pia-
ton Aristoteles, Pythagoras Siraouides Diogenes, Alexan-
der Demokritos und Galenos sind oft ausdrücklich genannt,
noch häuüger werden die Weisheitssprüche auf unbestimmte
Weise zurückgeführt. Indessen sind nicht nur auch von
David und Salomo, sowie von so wenig bekannten Wei-
sen wie Hoqar und Barzamar (oder Barzamahar S. 72
vgl. S. 77) Sprüche eingefügt^ sondern das Ganze hat auch
sichtbar ein christliches Gepräge erhallen und an der
Spitze steht zur Empfehlung der Weisheit ein weitschwei-
figer christlich gefärbter Vortrag. Wenn wir also die Bei-
träge der Griechischen Philosophen hier erst durch viele
Zwischenhände gegangen sehen, so zweifle ich nach der
näheren Ansicht mehrerer derselben doch nicht dass sie zu-
letzt aus alten zuverlässigen Quellen geflossen sind , und
wer sich die Mühe erschöpfender Vergleichung nehmen
wollte, ßnde hier vielleicht noch manchen schönen Spruch
welcher in den sonst bekannten Quellen vergeblich gesucht
wird. Jedenfalls gehört diese Handschrift zu den älter»
und merkwürdigem Zweigen Aethiopischer Literatur.
200
Id. Zieuä Aihud.
(Ms. aeth. auf 25t grossea Blättern.) ■)>
D. i. Geschichte der Juden. Ein Werk mit dieser ganz
allgemeinen Aufschrift kannte schon Ludolf 2)^ ohne es selbst
gesehen zu haben: und gewiss war es dasselbe welches
nun uns vorliegt. Aber was erwartet man nicht unter
solcher Aufschrift? und das seltenste oder auch das ge-
wöhnlichste und nutzloseste kann endlich an den Tag kom-
men; denn die Aethiopischen Bücher sind darin ganz den
Arabischen gleich, dass die äussere Aufschrift meist so gut
wie nichts aussagt und der vollständige Name eines Werkes
erst hinter einer gezierten Vorrede unscheinbar verborgen
ist. In gegemvärtigem Falle ist nun wenn nichts sehr wich-
tiges doch wenigstens seltenes ans Licht gekommen: diese
Geschichte der Juden ist die Josefs Sohnes Gorion' s,
welche auch nach den genauen Untersuchungen der neue-
sten Zeit 33 erst um den Anfang des 9ten Jahrh. in einer
künstlich wiedererweckten Hebräischen Sprache geschrieben
wurde und über deren geschichtlichen Werth schon frühere
Gelehrte entschieden haben. Aus welcher Sprache und wann
dieser Aethiopische Gorionides übersetzt ward, darüber be-
lehrt uns hier keine gefällig verschonte Unterschrift: doch
da es auch Arabische Uebersetzungen des Werkes giebt^)
und wir schon oben das Arabische als Mittelglied in sol-
chen Fällen vorfanden, so werden wir immerhin mit Recht
annehmen können dass das Hebräische erst ins Arabische
dann dieses ins Aethiopische übersetzt ward. So reihet sich
1) Eigenthum meines werthen Herrn CoIIegen Dr. Scrmh) in Tü-
bingen.
2) Hist. aetb. III, 4, 46.; vgl. jedoch coinment. p. 852.
3) In Zunz's Geschichte der gottesdienstlichen Vorträge der Juden.
S, 1J6— A4.
4) Wie eine Oxforder Handschrift zeigt, vgl. den Catalog der
Handschriften der Bodleiana von Url. I. S. 170.
201
deuu auch der Gorionides den weitverbreiteten Volksbüchern
des Mittelalters an.
Das aber hätte wohl niemand erwartet und gewiss am
wAiigsten Herr Krapf selbst, dass die Geschichte der Juden
schon mit dem 89sten Blatte auf eine freilich ein wenig
versteckte Weise zu Ende gehen und der ganze Rest der
starken Handschrift durchaus nichts als eine Uebersetzuug
der Arabischen Chronik des Aegj-ptischen Christen Elmakin
enthalten sollte. Und doch ist es so: Diese Chronik er-
scheint jedoch hier nur bis auf die Zeiten Kaisers Hera-
klios und den Anfang des Islams herabgeführt, ist folglich
nur die noch jetzt in der Urschrift nicht gedruckte erste
Hälfte des Werkes oder die alte Geschichte, welche aber
in den Händen der Christen am meisten gebraucht, auch
wohl oft wie hier für das ganze Werk ausgegeben seyn
muss^). Wir sahen schon oben bei Nr. 6 und 7., dass dieses
Tärikh in Aethiopien sehr beliebt war : und wenn Elmakin^
weil er als christlicher Gcschichtschreiber eine Ausnahme
anter so vielen muhammedanischen Chronisten macht, unter
den Christen in Europa am frühesten übersetzt und theil-
weise gedruckt wurde, so erfahren wir nun dass ihm unter
den Christen südlich vonAegj-pten eine sehr ähnliche Ehre
zu Theil ward. Nach der Unterschrift ward die Handschrift
von Elmakin's Werke, aus welchen die gegenwärtige ge-
nommen ist, im Jahre 1010 der Diokletianischen uud 765
der Arabischen Aera vollendet, ist also eine verhältniss-
mässig sehr alte.
So viel für jetzt über die liiesigen Aethiopischeu Hand-
sclurifteu: ich hoffe später in dieser Zeitschrift auf das
wichtigste ihres Inhaltes noch mehrmals zurückzukommen.
H. Ewald.
1) s. NicolTs VerzeicHniss der Arabischen Handschriften der Bod-
leiana S. 48. 501 — i. — Wir kennen also auch nun das TartÄA,
woranf sich der König Claudius in seinem Briefe beruft, Lndolfl
coinuient. p. 341.
202
Till.
lieber den TUel
deis masudisclien ^IV^erkes
So oft bisher Masüdi's <.«A^tX.)t ^^r* genannt^ ange-
führt, benutzt sind, so oft hat man diese Worte durch
prata aurea^ prairies d'or^ meadotvs of gold, goldene Wiesen,
Goldfluren u. s. w. gegeben, und wenn einer etwa an ei-
nem so sonderbaren Titel Anstoss genommen haben sollte,
hatte er doch nicht die Mittel zur Berichtigung dieser
Uebersetzung in Händen. In der That liegt die Frage nahe,
was man sich eigentlich unter dem Ausdrucke denken
könne. Fluren, auf denen Gold wächst? Wiesen, die wie
Gold glänzen ? Das würden keine besonderen Wiesen sein.
Oder Wiesen, die Goldes werth sind, deren Ertrag Gold
einbringt? Aber wesshalb sind dann gerade Wiesen ge-
nannt, deren Produkt vielleicht den geringsten Werth hat ?
Der Widerspruch in beiden Worten ist nicht zu leugnen;
eine Wiese lobt man mit ihrem üppigen Wüchse, ihrer
Blüthe, ihrem frischen Grün, wie ganz richtig ein bekanntes
Werk Suyülhi's ycaiJt _ -tl die blühende Wiese heisst, aber
mit dem Golde hat sie nichts zu thun. Und wollten wir
sogar dem Masiidi^ der uns doch keine Veranlassung dazu
gegeben, eine noch so kühne Verbindung, ein noch so fal-
sches Bild aufbürden, wie wir es etwa bei unscrn heuligea
Dutzendpoctcn, weil wir es nicht ändern können, dulden:
203
wie passt dazu das einfache, ganz prosaische parallele
Glied J>^ O'^'^"-^ "^ Edelsteingntheriy wobei sogar nicht
einmal der Zwang des Heimes einen incorrecteu Ausdruck
entschuldigt ?
Eine Stelle des Buches selbst wird erklären, was Mas-
üdi mit dem Worte gemeint hat. Sie steht I. S. 234.
der Sprengerischen Uebersetznng. Hr. Sprenger ("Elmultan
raeans meadow of goldu} hat die Lesart der einen Leidener
Handschrift befolgt : ^-A^»Ail __* qI-JJ^^ (1. ^aamäj») »-^^»fcäjj
und zweifelt S. 385. selbst an der Richtigkeit dieser Er-
klärung. In der That sieht man nicht, wie das Wort Multan
dies heissen könne, und ohnehin haben die Araber eine
ganz andere Bedeutung') desselben überliefert, die, wie
anderswo gezeigt, ohne Zweifel die richtige ist. Daher
hat Masüdi gewiss geschrieben, wie in dem andern Lei-
dener Manuscript steht: «-aP«ÄJI -ji qLä^ jr^i« ^un
steht zwar das Wort in keinem Lexicon, auch in ge-
druckten Werken wird es schwerlich vorkommen, und ver-
schiedene handschriftliche habe ich, wo der Inhalt es er-
warten Hess, vergebeng durchgesucht: aber ich denke jeder^
der die Worte liesst^ wird sie auf den ersten Blick ver-
stehen von einer Goldwäsche, die im Flusse von Multan sey.
SachHch hat diese Erklärung keine Schwierigkeit.
Zwar ist gegenwärtig von Goldwäschen in der Gegend von
Multan nichts bekannt geworden, aber wen wird es wun-
dern, wenn unter den Stürmen, die über das Pendschab
fuhren, neben so manchen andern auch dieser Industriezweig
verlassen \vurde. Dass der Indus und seine Nebenflüsse
aus den nördlichen Gebirgen Gold herabführen, steht durch
die folgenden Zeugnisse fest. Ayeeu Akbaree II, 133.:
»In some parts (of the Soobah of Labore} by siftmg and
1) Auch S. 385. ist Sprengers Uebersetzung: golden hoiise^ which
is the meaning of Elmultan ungenau. Der Text sagt bloss:
m4
washing the sands of Ihe rivers they obtaiii gold.« Burucs
Reise nach Bokhara. Weim.Uebsg. 1,86: 5?Wir fanden die
Fischer auf dem Indus und dem Cabool mit dem Waschen
des Flusssandes, um Gold zu gewinnen, beschäftigt. Dies
wird mit grossem Vortheil betrieben. Einige der kleineren
Flüsse^ wie der Sivan und der Hurroo liefern mehr Gold
als der Indus^ und da ihre Quellen nicht entlegen sind, so
könnte man hieraus die Ueberzeugung gewinnen, dass die
Erze atif, der Südseife des Hiniulaya liegen.« II, 247. : jjDie
edlen Metalle sind (im Pertdschab) spärlicher vorhanden,
indessen wird im Saude des Acesines^ da wo dieser Fluss
aus dem Gebirge hervorkommt^ Gold gefunden.« (Nur aus
diesen drei Stellen ist offenbar genommen, was Ritter Asien
V. 25. 116. hat.) Hassel Erdbeschr. XIV. p.47. giebt, ich
weiss nicht auf welche Autorität hin, an, dass der Behuf
Goldsand führe. Mag nun Masüdi, welches wahrschein-
licher ist, vom Chenab in der unmittelbaren Nähe Multans,
oder von seinem obern Laufe sprechen, so ist sowohl von ihm
selbst, als auch von seinen Zuflüssen das Vorkommen von
Goldsand bezeugt. Vielleicht hat sogar an der Benennung
Goldhaus, die die Muslimen der Stadt gaben, dieser Um-
stand eben so viel Antheil, als die Tempelschälzo der
Durga Mülasthäni.
Und in diesem Sinne hat gewiss Masudi sein Werk
benannt: Goldwäschen ß denn nicht bloss passt dies nun
schlagend zu dem zweiten Titel : Edelsteiiig ruhen , sondern
auch zu dem Inhalt und Zweck des Buches, in welchem
er, diesmal Weniger um systematische und erschöpfende
Darstellung bekümmert, als gesonnen eine unterhaltende
historische Blumenlcso zu liefern, aus dem ungleichen De-
tail seiner riesenhaften früheren Compilationen, die werth-
Völlen Goldkörner wusch, aus ihren unscheinbaren Stein-
massoQ die glänzenden Edelsteine brach.
J. Gildemeister.
«05
WJL.
Heber eine in Affen neu entileekte Him-
jarisciie Inselirift«
Vor kurzem ist in Aden von Arbeitsleutcn beim Aus-
höhlen einer neuen Strasse ein 20 Fuss unter der gegen-
wärtigen Boden-Oberfläche verborgen liegender Stein ent-
dedkt^ welcher 34 Zeichen Himjarischer Schrift in einer
Reihe fortlaufend enthält 0« Die Inschrift steht an einer
kreisartigen Platte von reinem und sehr festem Marmor
über welcher sich Reste eines Aufsatzes zeigen , und ge-
hörte wahrscheinlich zu einem Altare. Captain Haines in
Aden schreibt, sie sei zwar nicht so gut ausgeführt als
manche andere die er gesehen habe, aber sie sei vollkom-
men deutlich sowie ohne Riss und Verletzung; nur sei
unglücklicher Weise beim Sprengen des Steines ein Stück
von ihm abgebrochen.
Dem Unterzeichneten wurde ein getreues Abbild die-
ser Inschrift aus Indien von dem bereits aus unserer Zeit-
schrift rühmliehst bekannten Herrn Dr. Westergaard mit-
getheilt, welcher in Bombay, wohin sie von Captain Ilaines
mit einigen Bemerkungen über ihren Fund geschickt war,
mit eigner Hand sie abzuzeichnen Gelegenheit hatte. Ob-
wohl nun zu vermuthen steht sie werde über kurz oder
lang auch in Indien oder England bekannt gemacht wer-
den: so halte ich doch für nützUch sie sogleich durch un-«
sere Zeitschrift herauszugeben , da sie obwohl kurz sehr
klare und sichere Züge eioer Schrift darstellt von welcher
1) In dem hier beigegebenen Steindrucke ist sie bloss des Raumes
wegen in %wei Zeilen vertheilt.
206
bis jetzt nur wenige Denkmale und unter diesen wiederum
nur zwei zwar ebenso zuverlässige aber auch ebenso kurze
veröffentlicht sind, und da die Entzifferung dieser Denkmale
gerade in Deutschland neulich ihren Anfang genommen hat.
Wie weit diese Entzifferung bis jetzt vorgerückt sei,
sieht man am deutlichsten aus dem Anhange, welchen Rö-
DiGER seiner Uebersetzung von Wellsted's Reisen in Ara-
bien (Halle 1842, in 2 Bänden) so eben beigegeben hat,
nachdem er selbst jahrelange Mühe darauf verwandt. Man
ist an Rödiger gewohnt dass er gewissenhaft ^»d— ohne
Selbstsucht zu Werke geht^ eine Tugend welche im ge-
lehrten Gebiete wohl nirgends so sehr den ersten Rgng
einnimmt als in den schwierigem Theilen orientalischer
Studien. So ist es ihm gelungen am Ende der ersten In-
schrift von Ssanä und der laugen von Hi^n-ghoräb eine
Jahresbestimmung zu finden, zwar nicht (wie ich glaube)
im einzelnen genau, aber doch so dass die Zahlen einer
unbekannten Aera feststehen. Ferner sind einige Eigen-
namen klar geworden, auch sonst taucht hie und da ein
Wort aus dem weiten Meere uralter Verzauberungen mit
neuem Leben hervor: aber die Versuche einen zusammen-
hangenden Sinn irgendwo zu entdecken^ sind meines Er-
achtens noch nicht so sicher, dass solche die darauf keine
eigne Wortuntersuchungen anstellen wollen darauf weiter-
bauen könnten. Am glücklichsten ist noch die kleine In-
schrift von 5 Worten neben der grossen zu Hi^n-ghoräb
erkannt^ jedoch auch in ihr ist (abgesehen von der Form
des ersten Wortes) das zweite sehr gezwungen gedeutet.
Aber sieht man auf die geringen und zum Theil sehr
unzuverlässigen Hülfsmittel, welche zu Gebote standen, so
wird man dennoch jenen sparsamen sichern Ergebnissen
ein gerechtes Lob zollen müssen. In der That waren es
weniger die Züge der Buchstaben welche so viele Schwie-
rigkeit machen konnten : obgleich auch darin einiges schwerer
zu entdecken war und noch jetzt nicht sicher erkannt ist.
»07
Was aber bis jetzt so gut wie unentdeckt dasteht und
doch erst dem Verständnisse eines etwas grössern Satzes
seine rechte Sicherheit geben kann^ ist die Einsicht in die
alte Himjarische Sprache selbst, von der man zwar bereits
80 viel sieht dass sie eine Semitische war, deren Eigen-
thümlichkeiten aber im Vergleich zu ihren N^ielen Schwestern
richtig zu erkennen noch nirgends ein rechter Versuch ge-
macht ist. Es ist besonders diese für mich noch nicht
gehobene sprachliche Uugewissheit über einige Haupt-
sachen, welche mich abhält meine eigenen ziemlich stark
abweichenden Erklärungsversuche der bisher bekannt ge-
wordenen Inschriften zu veröffentlichen.
Die jetzt erscheinende Inschrift von Aden, einem Orte
von wo bis jetzt keine bekannt war, besitzt nun sowohl in
schriftlicher als in sprachlicher Hinsicht besondere Vorzüge.
Elk schriftlicher übertrifft sie noch die beiden von Ssan'a,
ncelche bis jetzt die deutlichsten und sichersten waren. Auch
sind alle Züge ihrer Bedeutung nach deutlich :. nur über den
"genauem Laut des 29ten Zeichens lässt sich alreiten. Die
Schriftart selbst ist wieder eine etwas andere als die dre*
welche wir bereits kennen, und die so weit von einander
abgehen dass man sich in jede wieder neu einarbeiten
muss. Am nächsten schliesst sie sich zwar an die Art der
zweiten von Ssan ä, entfernt sich aber von dieser wieder
stark durch den einfacher gewordenen Strich des "! und
durch das schon ganz in den Aethiopischen Zug überge-
hende Zeichen für ^ ; man muss jedoch bei letzteren die
Aethiopischen Handschriften, nicht die Druckbücher vor
Augen haben, in welchen das "i sehr wenig getroffen ist.
In sprachlicher Hinsicht gibt die Inschrift zwar fast
nur Eigennamen, aber diese in einer solchen Verbindung
dass sie auch auf andere Theile dieser und der übrigen
Inschriften ein Licht werfen. Lauten nämlich die durch
einen Strich als Trennungszeichen wohl unterschiedenen
Worte in Hebräischen Buchstabenzügen so:
208
Dpion \2 pm aSSn aaan p aissura
so erhellt 1) dass der erste Eigenname derselbe ist, wel-
cher sich als viertes Wort in der 2ten Inschrift von Ssan'a
jßndet, unstreitig ein willkommner Fund, da wir nun an
diesem Namen nicht mehr zweifeln können. Dass die zu-
sammengesetzten Personennamen deren zweites Glied Karib
lautet echt südarabisch sind, hat schon Rödiger mit Recht
bemerkt: aber dann wird auch das 6te Wort der langen
Inschrift von Hi^n-Ghoräb Z. 1^ welches Rödiger ganz
anders fasst, a^DTir zu lesen und als Eigenname zu be-
trachten sein.
2) ergibt sich ganz deutlich ein doppeltes p in der
Bedeutung Sohn, ein Wort welches allen übrigen Semi-
tischen Sprachen ebenso gemein als dem Aethiopischen
und Amharischen völlig unbekannt ist: an welchem Bei-
spiele man schon abnehmen kann, dass das Himj arische, da
es weder mit dem Aethiopischen noch mit dem ge\vöhn-
lichen ArabiscWn zusammenfallen kann, eine sehr eigen-
thümliche Sprache gewesen sein muss. Steht nun aber
dies Wort fest, so wird man danach auch das 4te in der
langen Inschrift von Hi§u-Ghoräb Z. 8, das vorletzte eben-
daselbst Z. 6, und das 3te in der zweizeiligen von 'da
verstehen müssen^ wie ich ferner glauben möchte die erste
Zeile der vierzeiligen Insclu-ift von Ssan'a, wo n2 vorkommt,
sei so zu fassen: Abdknläl — es erhörte ^^ ihn Ahuli die
Tochter des Gottes Gän^).
1) innvtJl^nachdem Aethiop. ^<t?^^<5 oder Aa^/'nadi dem Hebr.j;;^^
2) gän lese ich, nicht län, weil das Zeichen für l in dieser ganzen
Inschrift sonst anderer Art ist ; ydn aber kann mit langem Vo-
cale wie das Aethiop. gänaen einen Gott bedeuten^ der erst
später zum Dämon wurde. Neben ^^ff- hat auch der O^mus qU>,
jedoch wie er sich ausdrückt im PliiralsJnnc. Mit der Göttin
Ahuli wäre dann der sonst hinreichend bekannte Götzennam«'
3) Das hinter p stehende Wort wird man demnach
beidemahle als den Namen des Vaters fassen müssen, so
dass das erstemal Sbn als ein Würdeiiame hinzugesetzt
wäre, dessen Sinn freilich noch ganz unsicher* Die Inschrift
kann vorn vollständig seyn, hinten aber lautet sie, da ein
Stück des Steines verloren gegangen , vielleicht abge-
brochen. Was aber bedeutet nun das m womit das 3te und
4fe Wort schliesst ? Dass die Endung den Plural bedeute,
wird man an dieser Stelle doch unmöglich annehmen kön-
nen: ich muss aber überhaupt ge»e\\ die bisherigen An-
nahmen bezweifeln, ob diese Pluralcndung, welche im weiten
Umfange des Semitischen nur innerhalb der schmalen Gren-
zen des alten Kanaan sich findet, im Himj arischen wirklich
vorkomme. Habe ich recht gesehen, so erscheint diese En-
dung überall nur im Sinne eines Genitiv-vVerhältnisses,und
würde sich dann leicht erklären lassen : ist aber eine solche
Bildung auf den ersten Anschein sehr auffallend, so bedenke
man welche nach den bekanntern semitischen Sprachen ganz
unerwartete Freiheiten im Gebrauche von solchen sich
hinten anlehnenden Wörtchen das Aethiopische aufweise.
Es ist dieser laugsame aber sichere Weg der den Ur-
kunden genau nachgehenden steten Vergleichung und Zu-
sammenstellung, welcher uns in den Irrgängen dieser sehr
vereinzelten Reste einer uralten Bildung allmählig zu Sicher-
heiten leiten kann. Hier ist so gut wie alles erst von vorn
an zu entdecken : aber eben deswegen thut man am besten
zuvor das aufzufassen und festzuhalten was durch seinen
Zusammenhang oder seine häufige Wiederkehr unzweifel-
^^ zu vergleichen; und eine Göttin nnSx wird ja sogleich
wieder in der 5Jten Zeile erwähnt. Wie übrigens die ähnlichen
Zeichen für »7 und ^ doch hinreichend verschieden sind, so wird
es sich in den Inschriften von Ssanä auch mit denen für n and
1 verhalten, welche Rödiger meines Erachtens nicht überall so
unterscheidet wie die Züge es fordern und wie der Sinn den
ich vorlänfig gefunden habe es empfiehlt.
V. 14
210
iiaftcr ist. So würde ich mich schwer entschliessen in dein
'pS^^ der grossen Inschrift Z. 5;, 3. mit Rödigcr das arab.
U^t zu ßnden. da rhu als Golf durch Schreibart und Zu-
sammenhang der andern Stellen feststeht.
Möchten uns bald mehr solcher Hülfsmittel aus einem
Lande zufliessen, dessen Wichtigkeit für uralte Bildung
und dessen tiefen Einfluss auf spätere Völker wir früher
wohl aus zerstreuten Kennzeichen vermuthen aber nicht
sicher a-enuff und nicht im einzelnen beweisen konnten. So
sehen wir schon jetzt, dass die Araber ihre Tar/M (Chro-
niken) von diesem südlichen Volke haben müssen : im Him-
jarischen hat dies Wort vollen Sinn, auch deutliche Ab-
leitung (von m' welches wohl wie im Aethiop. Mond^ be-
stimmt aber Zeitrechnung bedeutete), während es für das
gewöhnliche Arabische ein bloss gelehrtes Wort ist^).
Im April 1843. Ewald.
1) Die Buchstaben auf dem sog. Steine Ali's wovon ich In der
Zcitsch. Bd. IL S. 107. redete und welche allerdings in neuern
Zeiten, wie ich Bd. IL S. 483. und in der Beschreibung der
hiesigen orient. Handschriften S. 29. f. nachträglich bemerkte,
von den Muhammedanern zu reinen Zauberformeln benutzt
sind, halte ich noch jetzt für ursprünglich himjarische aber durch
Unwissenlieit so weit entstellte Zflge dass ihre Entzifferung für
jetzt wohl unmöglich ist. WillJemand daran zweifeln^ so sollte
er zugleich angeben, zu welcher alten Schriftart sie denn sonst
gehörten, da sie aus der Luft abzuleiten denn doch die schlech-
teste Ausflucht sevn würde.
Die Fortsetzung des im vorigen Hefte erschienenen Aufsatzes
über das Phönikische und Punischc, welche ich in der Vorrede zum
ersten Bande der Geschichte Israels S. XV. ankündigte, werde
iuh jetzt bis auf das nächste Heft verschieben, da in diesem wie
ich vernehme ein gerade zur rechten Zeit gekommener Aufsatz
eines berühmten Pariser Gelehrten mitgetbeilt werden wird,
und da ich auch sonst gar keine Ursache habe damit zu eilen;
ich kann vorläufig auf jene Vorrede verweisen.
211
1..
lliinyarisclie Alpliabefe und
Veriraiidtes*
Der obigen Himyarischen Inschrift schliessen sich auF
dem Steindruck einige neue aus Arabischen Handschriften
gezogene Alphabete an , deren Mittheilung um der voll-
ständigen Uebersicht willen nicht ganz nutzlos sein dürfte,
wenn sie uns auch jetzt in der Hauptsache nichts Xcues
mehr lehren. Sie kommen mit den im ersten Bande der
Zeitschrift bekannt geraachten so nahe übercin, dass raau
daraus auf eine und dieselbe^ und wahrscheinlich bei den
spätem Arabern einzige Ueberlieferung schliessen rauss,
deren nächste Quelle gewiss i# Ibn Alnadim's Kitub alfth-
rist zu suchen ist.
Das unter B aufgeführte Alphabet fand ich auf dem letz-
ten Blatte der Leidener Handschrift 1850, mit deren Inhalt
es in keiner Beziehung steht, obgleich es von der Hand
des Schreibers hinzugefügt schien. Darüber sind folgende
Verse geschrieben, davon der letzte Ilalbvers mit einer
kleinen Veränderung aus Ham. p. Ili genommen ist.
ikA>Lo cl» \^\ »Lc jöÄJ^ J^3 ts^^ t^*^^ l5***' t^**^!^
Hätte ich für mich selbst gearbeitet , so hättest du mich
lässiger ge fluiden, in dem, wonach ich strebe;
Aber ich arbeite um meinem Nächsten zu nützen j denn die
Sättigung de* Edlen ist Schande j tcenn sein
Nächster Iittngert.
Das Alphabet selbst bietet etwa die fünf Züge für
ö j^ ^Ji •« ^ in einer mit den Inscliriften noch genauer
zusamnientreifenden Gestalt dar, als die bisher bekannten.
81«
Darunter befindet sich ein deutlich nach einem cursiven
jüdischen Charakter genommenes Hebräisches Alphabet,
das zur Vergleichung ebenfalls (unter C) mit abgedruckt
ist. Die Züge sind hier um vieles entstellter, doch so
dass sich der Grund der Verunstaltungen überall leicht
begreifen lässt; man lernt dadurch die ursprüngliche Aecht-
heit und Treue jener Ucberlieferung der Himyarenschrift
desto höher schätzen.
Unter D folgt das glücklicherweise erhaltene *) Al-
phabet aus dem Pariser Codex des Kitäb al fihrist, von
welchem bereits durch Roediger im I. Bd. der Zeitschrift S.
335. und durch GbsexNius HALZ. 1841. N. 124. S. 381. die
Rede gewesen ist. Es ist durch folgende schon von Sacy
Me'm. del'Ac. des Inscr. L.p.264. citirte Worte eingeleitet:
J) Die meisteo der von dem Verfasser beschriebenen Alphabete
fehlen (s. Rokdiger a. oben a. 0.)^ und statt ihrer ist ein
leerer Raum gelassen; nämlich alle auf S. 10— 18 befindlichen.
Diese Seiten bilden, wie man es in vielen der ältesten und besten
Arabischen Handschriften trifft, eine von anderer Hand statt
der ursprünglichen verloren gegangenen ergänzte Lage dieses
alten und unschätzbaren Mauuscriptes, zu welchem, wie ich
1839 bei kurz auf einander folgendem Gebrauch beider gefunden,
der seit dieser Zeit auch bekannt gewordene Leidener Codex *
der vier letzten Abschnitte des AVerks als dritter Band desselben,
von einer und zwar correcten und offenbar gelehrten Hand ge-
schriebenen Excmplares gehört. Beide Bände sind ungefähr gleich-
zeitig im siebenzehnten Jahrhundert aus dem Orient gebracht,
und es ist um so mehr zu bedauern , dass sich nicht auch der
zweite, Abschnitt 4-6 enthaltende Band in den Occident ge-
rettet hat, als die im Besitz des Hrn. von Hamsikr befindliche
neuere Abschrift an Correctheit weit hinter jenem Manuscrlpt
zurückstchl.
Ueber die Hitnyarische Schrift. Ein glaubwürdiger Mann
hat t er sichert von Yatnanischen Gelehrten gehört zu habetij,
dass die Himyaren im Jlusnad , verschieden von unserm
Alphabet, geschrieben hätten. Ich selbst habe ein Heft aus
der Bibliothek Mdmitn's gesehen, betitelt: JVas der Fürst
der Gläubigen, Abdallah Almämun, den Gott segne , ton
verschiedenen Artikeln hat eintragen lassen^). Unter andern
fand sich darin die Hitnyarische Schrift, die ich genau,
wie sie in dem Exemplar stand, hier copirt hah.-. Cnpie
des Alphabets.
1) Sacv's L'eber:>et2uug a ordonne aux inttrpretts de trtinscrire
glaube~icli verliissen zu niüsseo^ und ich bezweifle aog^r, Aass
die \\'urte in diesem .Sinne überhaupt Arabisch sein würden, du
wohl tf:>\Jij\ im Aecusativ oder *>tjüt i^Jui (^ oder
etwas ähnliches erfordert wäre. (^^'■^ ist CoUectivform zu
Ä.4^ Jj, die zwar in den Lexicis nicht aufgeführt, aber der ge-
bräuchliche PJuial istj z. B. Ibn Khallikän X, p. 71. Wüstenf.
und an mehreren gleich anzuführenden Stellen. Ich nehme es in
der Bedeutung Artikel und denke an eine Art Collecfaneenbucb,
in welches der Khalif gelegentlich einzelne anmerkungswürdige
Gegenstände einzeichnen Hess, die in ahderm Zusammenhange
keinen Platz hatten, wie z. B. eben diese Alphabete. Etwas zu
bestimmt haben Nicoll und Pl'sky Catal. bibl. BodJ. II, p. 30.
not. c, 96, 107_, 109, 348. und besonders 519,, namentlich wie
es scheint geleitet durch die etymologische Combiaation ex-
posuit = interpretatus est und enarravit, dem Wort die Bedeu-
tung expositiOj uarratio, vita vindiciren wollen, doch ist in
sämmtlichen angeführten Beispiele diese keineswegs nothwendig,
da es sich in ihnen immer noch von Artikeln eioes historischen
oder biographischen Werkes handelt. Eher hätte dafür Ibn
Arabshäh Tim. p. fir Calc, n. 32*. M.: X9_jt.x J,l LJU»^"
^..^♦«^♦^Ljj ^jLkS"], wo es Manger und Wlllmet als Plural von
214
Allerdings ist dieses Alphabet^ zum Theil auch durch
durch das Hineinschreiben der Arabischen Buchstaben^
viel entstellter; doch lässt sich^ zum Beweis, dass diese
Entstellung bloss von den Abschreibern herrührt und nicht
dem Verfasser oder seiner Quelle zugeschrieben werden
kann, die Uebereinstiramung mit den andern Alphabeten
bis zum J3 ohne Mühe verfolgen; von da an sind frei-
lich nur noch einzelne Buchstaben zu erkennen. Einige
Züge stimmen dagegen sogar noch genauer zu denen der
Inschriften^ wenigstens ist dies bei dem von Roediger in
der Tabelle bei Wellsteds Reisen (und eben so von Ge-
SENiüs) als ijo aufgeführten und trotz der Orthographie
der Monumente wohl als sicher zu betrachtenden Zei-
...L*>«» fassen und fälschlich duces erklären, eingeführt werden
können. Aber diese Bedeutung hat das Wort gewiss erst er-
halteii^ seit es vornämlich in biographischen Lexicis und ähn-
lichen Werken gebraucht wurde ; zu der Stelle des Ibn Alnadim
würde sie nicht passen und jedenfalls kann sie nicht die ur-
sprüngliche sein, weil sie den gewöhnlichen Gebrauch des Wortes
für Artikel (Kaiila p. fö, ö^, II, 34; Abulf. Geogr. Pr«:
IJluo iU>y ; Navavi p. toi**, 9: f^^j^^ *'*^/^* ^^ ^^^ «*y-
mologischen Artikel über diesen Namen) nicht erklärt. Sollte
die Bedeutung in der That von der gewöhnlichen des Verbums
m"^ y, iuterpretatus est; ausgehn^ so möchte es, da es auch im
Sinn von betiteln, ein Buch benennen vorkommt (Catal. bibl.
Bodl. II. 185. und iU>jJ in der obigen Stelle) wohl eigentlich
Rubrik, in dem doppelten Sinne dieses Wortes, heissen, sofern
etwa die Rubrik der Uollmetsch des Inhalts ist. Ich kann indess
die Frage nicht unterdrücken, ob das etj'molögisch so dunkle
Wort, das gewiss nicht mit n;;^ = |»>». zusammenzustellen ist,
am wenigsten durch eine fingirte Bedeutung trajecit flume.n
(Gbsrmus Thes. p. J2b'3; Qnn »nuss ohnqhin uothwendig De-
nominativ von Diäin sein)^ sondern mit j»JJ,, geradezu die Be-
deutung Alphabet gehabt haben könne und in diesem Sinne in
dem Titel des Mämilnischen Boches zu nehmen sey?
M
eben der Fall^ und ebenso zeigt sieb dks von Hoediger
Versuch u. s. \v. S. 26. »uf die Aactorität der frühern
Manuscriptalphabete für j angenommene Zeichen hier in
einer den Inschriften durchaus gleichen Gestalt.
Endlich mag unter E noch das von Sacy a. a. O.
S. 255. besprochene Aethiopische Alphabet aus demselben
Ihn Alnadim abgebildet werden, wozu der Verfasser folgende
von Sacv nur französisch initgetheilte Bemerkung macht :
Q« (^-a:^. t_5-**Ä. ^^j^ iüusÄ^ t^^f^ ^ r^ ü-i^ Üb
bcM 0;-> -^ /^ ^ O-?^^^ * — 'IP* ^^ Lg**y.<^
tJj ^ijj^ ^i->5 0^!^ L5L^»i y vJjX^3 ->^^^ ^'^^
js^t^ LJx-M_5 LL:^ ^^-^5 yy^\*, c^'^ cr^*' ^^-^* ^^^'^
Auch die Hahessinier haben eine eigene Schrift. Ihre Buch-
staben sind, wie die des Himyarischen Alphabets, nicht ^)
verbunden, und sie laufen von der Linken zur Rechten. Die
JVorte trennen sie durch 3 in ein Dreieck gestellte Punkte.
Dies ist die Figur ihrer Buchstaben , die ich aus der Bi'
bliothek Mdmiin's abgeschrieben habe. Beispiel der Schrift,
Die Buchstaben o und o, . und • und ^, c und
c, Ja und Ja haben hier nur eine F'igur. So gröblich
entstellt auch die meisten dieser Buchstaben sind^so lässt sich
doch immer noch eine gewisse Zahl sehr w^ohl erkennen^
und dieser Umstand ist trotz der falschen Schlussbe-
merkung hinreichend, um das Alphabet zwar für von den
Copisten verunstaltet^ aber nicht gerade für visiblement
controuve zu halten.
1) Die Texteslesart ist nämlich ohne Zweifel ein alter Schreibfehler
im Ibn Alnadim für XLaÄ.» .xc und ging aus dem in altem
Zeiten vielgebraochten und oft^ z. B. von Ibn al Ribthi und Ihn
Abi Ufaibia ausgeschriebeoen Buche mittelbar in Häg'i Khalfa's
Werk (vgl. Bd. I. der Zeitschrift S. 337.) über^ der das Kitib
alfihrist selbst nicht in Händen gehabt haben kann.
216
. . Bei dieser Gelegenheit mögen zu den bisher (Roe-
OIGER zu AVellsted II. 361.) erwähnten Aeusserungen Ara-
bischer Geographen über die Hi rayarische Sprache fol-
gende gefügt werden. Die eine^ allerdings weni«*- aus-
sagende^ jedoch nicht; wie die übrigen, von Jcjthakhri
abhängige^ findet sich in den Anciennes Relations p. 115,
wo dieselben vom Lande Shihr^ dem alten Sitz der Ad,
Himyar, und G'urhum sprechen^ und ist freilich in Renau-
dots Uebersetzung (Ceux du pays ont la Suna en Arabe,
fort ancienne, mais differente en beaucoup de choses, de
Celle qui est entre les mains des Arabes^ et eile con-
tient plusieurs traditions qui nous sont inconnues) nicht
zu erkennen. Der Text lautet iCjolc iLx_jyiJ[j ioUJI *>^^
i-»j05 \ß>Ji^\ ^-JjÄJ ^ KijLXJs Sie haben im Arabischen einen
alten Urdialect, davon die Araber das meiste nicht verstehen.
Wichtiger ist eine, so viel ich sehe, noch nicht berück-
sichtigte, obwohl längst (Wahl Neue Arab. Anthol.S.151.)
gedruckte Stelle Masüdis (I. 348. der Sprengerischen
Uebersetzung), die als unterscheidende EigenthümUchkeit
der Sprache von Mahra angiebt^ dass das Suffix der
zweiten Person (ji statt t^ laute. Die Nachricht über
dieses Suffix im jetzigen Dialekt fehlen noch ; wenn aber
Masüdi vielleicht nur von dem SufFix des Femininum hat
reden wollen, so würde das sehr wohl damit stimmen,
dass das Afformativ des Perfectum für ><6 des Masculinuni
im Fem. in der That ij^ ist, und im Dual ebenfalls ein
Zischlaut erscheint.
Es sei vergönnt^ hieran, Hrn. v. Ewalds Aufforderung
S. 187 gemäss, noch folgende Notiz zu schliessen.
Der dort als üebersetzer des Chrysostomus erwähnte
Abilfatch Gabra-egziabcher, Sohn des Fadl, Sohnes des
Pabdela, Sohnes des Mcemana Papas, ist ohne Zweifel
kein anderer als der malikitische Diakon und spätere
Metropolitan von Antiochien ^^ i).»iaäjt ^^ «Ut yXko g^^ ^^
YLL— j"i! iM^r^' *^'^ »■'*^? w*^ ^*" ™* vollständigem Namen
Catal. bibl. Bodl. U, 470 heisst, dem die sogenannte Mel-
chitische in London, in Wien 1792 (Paulus Memorab.
V. 197.) und öfter in Schuair gedruckte Uebersetzung
der Psalmen zugeschrieben vrird und von dem eine sol-
che des Pentateuch wenigstens aus der Vorrede und den
Randnoten des Pariser Codex 1 (bei Schnurrer De pent. Ar.
polygl. Dissertt. phil. crit. p. 203. 233) bekannt ist. Er
übersetzte unter anderen Griechischen Kirchenschriftstel-
lern auch Johannes Damascenus (Catal. Vat. bei Mai
Scr. vet. n. coli. IV_, 173.) und Chrysostomus in das
Arabische vgl. Cat. bibl. Med. (wo eine karschunische
Handschrift davon befindlich ist) p. 37. 130. St. Ev.
Assemani setzt ihn hier in das elfte, bei Mai IV, 178.
in das zwölfte Jahrhundert ; sein Zeitalter wird aber
genau bestimmt durch seine eigne Angabe, dass er sein
Werk crj-^5 ^^ V'-*^; davon sich ein Ms. in Oxford
und das augebliche Autograph im Vatikan befindet, 1052
vollendet habe. NicoU. Cat. bibl. Bodl. p. 25. 26. 30.
Mai IV, 304. Die geringen Verschiedenheiten obiger
Namen lassen sich leicht heben: Pabdela ist offenbar
durch das Koptische vermittelte Form für Abdallah, und
die Worte meemana pappas müssen d&nn orthodoxer Metro-
politan heissen. Entweder bilden diese den Titel des Ab-
dalla ben Alfadhl selbst, oder seines Grossvaters Abdalla,
denn Abdallae Archiepiscopi filius hat Assemani Cat. Med.
p. 37, und das Wort Sohn ist ihnen fälschlich vorge-
setzt, ein Irrthum, der eben so verzeihlich ist, als wenn
der monophysitische Aethiope dem Melchiten das Prädikat
rechtgläubig beilegt.
J. Gildemeister.
218
Heiiierkung' zu einer Ulittlieiliiiii^ des
Iflegastlieiies in Bezug auf Indische
Gescliiclite*
Dem Megasthenes , welchem wir so viele interessante
Mittlieilungen über Indien verdanken, die um so schätzens-
werther sind, da er sich längere Zeit am Hofe des Kai-
sers von Indien Tschandragupias^ bei den Griechen Sandro-
kyptos u. s. w. genannt, aufhielt, schulden wir auch fol-
gende , ihm ohne Zweifel bei einer solchen Gelegenheit
zugekommene Notiz über die Geschichte Indiens. 55 Von
Dionysos bis Sandrokotos zählen die Inder 153 Könige und
6042 Jahre« berichtet Arrian (Hist. Ind. 9 ed. Raphelii)
nach ihm. Dieselbe Notiz hat Plinius (Nat. Hist. VI, 17
cd. Sillig ; 21 ed. Hard. §. 59 ed. Stil.'), aber mit einigen
Varianten : 35 Von Liber Pater bis zu Alexander dem Grossen
(welcher theilweise Zeitgenosse des Tschandraguptas war)
werden 154 Könige in 6451 Jahren gezählt; auch fügen
sie drei Monate hinzu.« So die Vulg.; zwei der besten
(Reg. I, 113 und drei andere Handschriften (Colb. I, II
Paris.) haben statt 154, vfie Arrian, 153; in Bezug auf die
Anzahl der Jahre finde ich keine Varianten angeführt; es
scheinen deren aber ebenfalls zu existiren (vgl. Harduiu
Nott. et Eraendatt. 411, Äa/ma*. Exercitatt. Plin. 697 b J}.),
wie denn überhaupt im Plinius sich bei den Zahlen ge-
wöhnlich sehr viele Varianten finden.
Diese Angabe des Megasthenes scheint auf den ersten
Anblick von allem, was wir jn Bezug auf die ältere Ge-
schichte in den bis jetzt ausgebeuteten einheimischen Quellen
Indiens finden, sehr abzuweichen. Ich werde aber im Fol-
219
geuden eine Combiaatlon versuchen , wodarch sie einhei-
mischen, in dem Wesentlichen ihres Inhaltes, so nahe tritt,
dass sie für identisch mit iimen gelten zu dürfen scheint.
£inige Punkte werden jedoch noch unerklärt bleiben und
ich werde hier keioen Versuch machen, sie mit Indischen
Ueberlieferungen in Verbindung zu bringen, um nicht durch
Äluthmaassungen über Untergeordnetes die, wie mich dünkt,
bestimmt hervortretende Uebereinstimmung in der Haupt-
sache zu trüben. Eben so wenig werde ich mich hie'
bevor diese Combination von andern Seiten geprüft ist, auf
Erörterung der, wenn sie richtig ist, sich daraus ergeben-
den, wie mir scheint, nicht unbedeutenden Consequenzen
einlassen.
Doch zur Sache!
Es ist schon mehrfach bemerkt, dass bei den Indern
ein fünfjähriger Cyclus existirte. Spuren desselben sollen
sich schon in den Veden finden (Colebrooke, Miscellan.
Essays Vol. I., on the Vedas, p. 106, 107). Mit ziem-
licher Sicherheit lassen sie sich in den Asoka-Ioschriften
erkennen (vgl. Journ. of the As. Soc. of Beng. 1838 p.
439 in der Dhauli-Inschrift pank asu pank'asu vasesu, alle
fünf Jahre, vgl. ebils. 452 und 264j; eine Andeutung sehe
ich im Bhdgavata-Pürana (111,11, 15); andere Erwähnun-
gen sollen sich mehrfach finden (Äe/i/fey in Asiat. Research.
T. VIII. p. 227*). Auf diesem fünfjährigen Cyclus beruht
endlich das dritte der uns bekannten Jugasysteme der In-
der (bei Bentley a. a. O. mitgetheilt). Denn genau be-
trachtet ist es weiter nichts, als ein Versuch^ die bis zu
der Zeil, wo dieses System gebildet wurde, in Bezug auf
die Zahlenverhältnisse der grossen Periode gültig gewor-
denen Grundsätze, auch auf diesen wahrscheinlich für hei-
lig gehaltenen fünfjährigen Cyclus zu übertragen, welches
aber nicht ganz gelang *).
1) Das Zahlenverfaältniss ist nämlich 4: .3: 2: 1 nach der Zahl der
299
Sehr natürlich und wohl die menschlich einfachste
Methode eine grössere Periode *zu erlangen ist die Multi-
plication durch 1000; so werden im ersten Jugasystcm die
Zahlen 4: 3: 2: 1 durch 1000 multiplicirt um die Zahl der
Jugajahfe zu erhalten und in allen drei Systemen werden
Beine^ welche Dharma, als Stier gedacht^ in jeder der 4 Pe-
rioden {Jugas) hat. In dem ersten Juga-System werden diese
zunächst mit 1000 multiplicirt; im Sten werden sie zunächst
verdoppelt und die dann .entstandene Zahl mit 100 muitiplicirt.
In beiden Systemen tritt zu jedem Juga eine Morgen - und
eine Abend-Dämmerung, deren Zeit dadurch bestimmt wird,
dass im ersten System jene Zahlen mit 100 multiplicirt werden,
im zweiten System dadurch^ dass sie erst wieder verdoppelt
und dann mit 10 multiplicirt werden. Also :
Istes System.
Istes Juga 4 x 1000 + 4 x 100 x 2 = 4800
2 « » 3 X 1000 + 3 X 100 X 2 = 3600
3 » ?j 2 X 1000 + 2 X 100 X 2 = 2400
4 « « 1 X 1000 + 1 X 100 X 2 = 1200
2tes System.
Istes Juga 4x2x 100 + 4x2x 10x2 = 960
2 w " 3 X 2 X 100 + 3 X 2 X 10 X 2 = 720
3 ?5 « 2 X 2 X 100 + 2 X 2 X 10 X 2 =. 480
4 « > 1 X 2 X 100 + 1 X 2 X 10 X 2 = 240
Um diese Zahlenverhältnisse auf den gegebnen fünfjährigen
Cycliis anzuwenden mussten sie halbirt werden; also:
3tes System.
Istes J
2 »
3 »
4 »
uga
2 Jahre-
1 Jahr 6 Monat.
1 «
0 » 6 ')
isra . . . .
5 Jahre.
Dabei erhielt man aber keine Dämnteruug»iLeiten.
221
die Jahre des mahäjuga (des Götterjuga) mit 1000 raulti-
plicirt. um die Jalire eines kalpa oder Brahmatags zu
erhalten.
Wäre es nun nicht denkbar^ dass man einst, um eine
grosse Periode überhaupt anzuzeigen^ den fünfjährigen
Cyclus des Mahäjuga im dritten der in der Anni. erwähnten
Systeme mit '1000 muUipHcirt habe , so dass sie 5000
Jahre betrug? Dafür spricht der Umstand, dass Gaufama
Buddha seiner Doctrin eine Dauer von 5000 Jahr bestimmte
(iSangermano A Description of the Burmese Empire translat.
bv Tandy p. 38), womit augenscheinlich eine für eine
grosse Periode geltende Zeit ausgedrückt werden sollte.
Es wird sich nun wahrscheinlich machen lassen, was
jedoch hier zu weit führen würde^ dass die Entwickelung
des Jugasystems in der gewöhnhchen Gestalt, in der wir
es kennen, jünger ist, als die Trennung des Buddhismus
vom Brahmathum. Wenn man sich nun vor dieser und
überhaupt in älterer Zeit begnügt hätte, 1000 Mahajuga's
des 3ten Systems, also 5000 Jahre, für eine grosse Periode
zu nehmen und eine solche grosse Periode an der Spitze
der Indischen Chronologie stand, welche den Brahmauen
vorlag, denen Megasthenes seine Mittheilung verdankte, — •
so wie später die grossen Jugasysteme an die Spitze ge-
stellt wurden — so >vürde uns erlaubt sein, von der dem
Megasthenes überlieferten Zahl 5000 Jahre abzuziehen ; so
blieben nach der Arrianischen Ueberlieferung 1042 Jahre,
nach der des Plinius 1451.
Nach der jetzt gewöhnlichen Rechnung der Inder be-
ginnt das jetzige 4te Juga, die /Tfl/i-Periode , im Jahre
3101 vor Chr.; allein diese' Fixirung ist spät und stimmt
nicht mit vielen, sich sonst vorfindenden Daten. Wilford
berichtet von abweichenden Annahmen der Dschainas (As.
Res. IX, 210), die ich, so interessant und wichtig sie auch
zu sein scheinen (z. B. 950 für Dschina gerade wie die
Japanische Encyclopädie für Sakjasinha), da manches in
2»?
ihnen dunkel ist und sie für den nächsten Zweck, den wir
hier verfolgen, gleichgültig sind, keiner Discussion unter-
werfen will. Wir wenden uns vielmehr zu den Puranen
selbst. Hier finden wir im Vischnu-Purana (in Wilson's
Uebers. p. 484) angegeben, dass von der Geburt des Pa-
rikshit an (d. i. von Beginn des K. J.) bis zur Krönung
des Nanda 1015 Jahr verflossen seinj darauf, dass diese
Angabe nicht mit den ebenfalls in diesem Purana sich fin-
denden Einzelangaben über die Regierungszeit der Dy-
nastieen und der einzelnen Könige in diesem Intervall
stimmt , wird hierbei gar keine Rücksicht genommen , so
dass man erkennt, dass es eine besondere, v^ou diesen un-
abhängige Ueberlleferung ist. Dieselbe Nachricht findet
sich auch bei Wilforü (As. Res. IX, 86^ 87), wo zugleich
hinzugefügt wird, dass in den Puranen die Regierung des
Tschandragupta 1055 nach Kali-Juga : also 40 Jahre später
gesetzt werde. Die Quelle dieser letztern Nachricht kann
ich nicht nachweisen j allein es stimmt damit
1) die Angabe, welche sich in seiner aus den Puranen
geschöpften chronologischen Tafel (As. Res. IX, 116 Ta-
fel) findet, nach welcher die Nandas im Ganzen 40 Jahre
geherrscht haben (Mahänanda 28^ seine Söhne 12) ;
2) nähert sie sich dem Buddhistischen Bericht, welcher
den Nandas 44 Jahre Regierungszeit gibt;
3) beruht auf dieser Ansetzung ein Datum in einem
Mscpt. der MacKenzie-Sammlung, wo die Aera des Sa-
livahana damit in Verbindung gebracht ist C Journ. ofBeng.
1838 S. 376). Diesem Datum gemäss hat Salivahana 1443
v» Kali-J. regiert; da nun seine Aera 78 nach Chr. be-
ginnt, so fällt Kali-J. hiernacU 1365 vor Chr. Früher habe
ich nun Tschandragupta' s Regierungsantritt 312 vor Chr.
gesetzt; addirt man %a dieser Zahl jene 1055 (1015 von
K. J. bis Nanda und 40 für die Nandas), so kommen 1367
für den Anfang des K. J. heraus^ also eine Differenz von
zwei Jahren. So gewiss nun auch der Regierungsantritt
223
des Tschandragupta um 312 vor Chr. fällt, so ist doch die
Chronologie dieser Zeit noch nicht bis auf zwei Jahre zu
rectificiren und^ bei der sorgfältigsten Berücksichtigung
aller Momente, steht nichts der Annahme entgegen, dass
der Regienmgsantritt des Tschatidragupta erst von 310
vor Chr. an gerechnet werden müsse. In diesem Fall be-
giimt auch nach diesem Synchronismus K. J. 1365 vor Chr.
Wir dürfen also die Annahme dass, von K. J. bis
Nanda 1015, bis Aui Tschandragupta 1055 Jahre verflossen
seyen, für eine alte, mehrfach gebilligte nehmen. Ehe wir
jedoch die Anwendung davon auf den Bericht des 3fe~
gasthenes machen^ wollen wir auch die abw^Rienden chro-
nologischen Angaben berücksichtigen.
Hier erscheint zuerst eine Angabe im Bhägav.-Pmr.
(bei Wttsox Vishnu-Pur. p. 484 n. 81)^ nach welcher
zwischen K. J. und Xanda 1115 Jahre verflossen seyen.
Diese dürfen wir, bei der Menge von Zahlencorruptionen
in den Puranen, unbedenklich als aus Corruption der Zahl
1015 hervorgegangen betrachten. Das Bhag.-Pur. bemerkt
übrigens den Widerspruch, in welchem diese Angabe mit
der Zahl steht, welche man durch Addition der Regierungs-
jahre der Dynastieen erhält und fügt auch diese hinzu; wir
werden sie sogleich berücksichtigen.
Eine dritte Angabe wird im Vishnu-Pur. — ohne dass
der Widerspruch bemerkt wird, in welchem sie sowohl zu
der durch Addition der Dynastieen-Jahre sich ergebenden
Zahl, als zu der Annahme eines Intervalls von 1015 Jahren
steht — letzterer Angabe geradezu angeschlossen (Vishnu-
Pur. p. 485). Ihr gemäss standen die 7 Rishis bei Pari-
kshits Geburt im Xakshatra Maffha und würden zu Nauda's
Krönungszeit im Naksh. Pürväshadha stehen, also 10 Vj
Naksh. durchlaufen haben, welches nach der mythisch-
wissenschaftlichen Annahme ein Intervall von 1050 Jahr
bildet. Diese Angabe allein theilt Väju-Pur. und 5 Hand-
schriften des Matsja-Pur. mit. Man sieht, dass sie bloss
224
auf dem Bestreben beruht , das Intervall mit einem , theils
auf Mythen theils auf falschen Beobachtungen beruhenden,
astronomischen Cyclus in Harmonie zu bringen ; historischen
Werth hat sie also gar nicht.
Eine vierte Angabe beruht auf der Zusaramenzählung
der Totalzahlen, welche für die Regierungszeit der Dy-
nastieen angegeben wird. Diese giebt als Totalsumme des
Intervalls das Bhäg.-Pur. neben der schon erwähnten von
1115 an und eine Handschrift des Matsja-Pur. allein. Sie
ist aber noch weniger historisch, als selbst jene dritte;
denn ihre Hauptzahlen sind runde. 1500 Jahre für den
ganzen InteMmll; 350 Jahre (denn so haben Matsja und
Bhäg.-Pur. vgl. Wils. Vishn.-Pur. p. 467 n. 17) für die
die Saisunagas, gerade wie bei den Römern (vgl.NiEBUHR
Römische Geschichte I, 297, 3te Ausg.); weiterhin sind
die Totalsummen der Dynastieen in demselben Geist in
runden Zahlen angegeben; 100 Jahre für die Nandas und
noch weiterhin von den Maurjas bis zu den Barbaren-
Königen 750 Jahre 1), die Hälfte von 1500; nur eine Zahl,
die Totalsumme der Sunakas, 138, scheint nicht fingirt^ wie
denn auch die Buddhistische Zahl für diese Dynastie (138
ohne Bhattijo) ziemlich nahe kommt '*)^ und theils ihr zu
Gefallen, theils um die runde Zahl 500 für beide Dynastieen
(die Sunakas und Saisunagas^ zu erhalten , ist die runde
Zahl der letzteren: 360 zu 362 erweitert (ähnlich wie bei
den Römern die runde Zahl 360 zu 364 u. s. w. umge-
staltet wurde^ Niebuiir, a. a. 0. 298).
1) Maurjas 137.
SuDgas 118.
Kanwas 45.
Andhras 4.5».
750.
2) Warum diese und die Zahl der Maurjas^ Sungas, Kanwas rei-
ner erhalten, die andern aber fictiv enveiterl sind, darflber an
einpm andorn Ort.
225
So ergiebt sich denn die Zahl 1013 bis Nanda, 1055
bis Tschandrag ttpta an und für sich als die unverfänglichste.
Oben blieben uns nun von der Zahl des Megasthenes
nach der einen Notiz 1042 Jahre für die Zeit vom Verlauf
der an die Spitze gestellten grossen Periode bis zu Tschartr-
dragupta's Thronbesteigung, und schon diese Zahl weicht
von der Zahl 1055 nur wenig ab. Denken wir uns nun
aber, dass in der aniiern Notiz (der bei Piintus} in den
Zehnern das Richtigere bewahrt, dagegen in den Hun-
derten gefehlt sei^ so wird die Uebereinstiminung noch
grösser, nämlich 1051 statt der erwarteten 1055. Waren
aber jene Zahlen in den dem Griechen und dem Römer
vorliegenden Exemplaren des 3Iegasthenes, mit Zalüzei-
rhen und nicht in Worten ausgedrückt, so war, wie dies
aus unzähligen Beispielen bekannt ist, ein Verlesen sehr
leicht möglich. Sechs Tausetui würde mit Griechischen
Zahlzeichen IXIX geschrieben werden ; ob und wie dies
ein Römer für 6400 habe nehmen können, will ich nicht
untersuchen. Die Verwechselung lag, wenn man die Rö-
mischen Zahlzeichen im Sinn hat, nicht sehr fem. Vierzig
würde JJJJ bezeichnet sein, fünfzig dagegen \J['j dies
wäre schwerhch zu verlesen gewesen ; wenn aber, wie
sehr wahrscheinlich, fünfzig auch JJJJJ bezeichnet wer-
den konnte und im Exemplar, woraus Arrian's 3Iitthei-
limg floss, bezeichnet war, so musste es ein Grieche
fast nothwendig für vierzig nehmen ; zwei endlich wird
durch // und fünf durch JI bezeichnet, und diese beiden
Zeichen waren in der That für einen Griechen leicht zu
verwechseln, während ein Römer, wenn jene beiden
Striche (in /I) zusammengeflossen waren, sie sehr leicht
für eins (/) nehmen konnte.
* Doch wenden wir uns zu der Könifszahll Wenn
«ich hier eine Uebereinstimmung zeigt, so wird maQ wohl
V. 15
226
,«
noch weniger Anstand nehmen^ die beiden überlieferten
Zahlen — 6042 und 6451 — geradezu für Corrup-
tionen von 6055 zu nehmen.
Die Zahl der Könige betrug 1 53;, nach einigen Hand-
schriften des Plinius 154. Denken wir uns nun ^ dass
für jene grosse Periode von 5000 Jahren^ welche der
eigentlich geschichtlichen Zeit vorangeschickt war, eine
runde Summe von Königen angenommen war, so liegt
schon von rein menschlichem Standpunkt aus die Zahl
100 am nächsten. Allein auch in speciell Indischen An-
schauungen — in den Mythen insbesondere — spielt die
Zahl 100 eine höchst bedeutende Rolle. Dass in diesem
Fall jeder der Könige 50 Jahre durchschnittlich regiert
hätte, wird jeder, der Indische Angaben von Regierungs-
jahren kennt, noch höchst gnädig finden. Scheiden wir
diese 100, gleichsam vorgeschichtlichen, Könige ab, so
bleiben 53.
Vergleichen wir nun die Indischen Angaben, so re-
gierten nach Buddhistischen Nachrichten von Anfang die-
ses Kalpa an 28 Könige (Journ. ofBeng. 1838 S. 925);
eben so viele regieren zunächst nach Beginn des Kali-
Juga, nach Brahmanischen Berichten, als Nachfolger des
Parikschit (Vishnu-Pur. von Wils. p. 460). Für unsere
Zwecke ist der Beweis , dass diese Regentenreihe eine
rein mythische ist, gleichgültig. Doch bemerke ich, dass
er sich mit Leichtigkeit geben lässt. Die Zahl 28 be-
ruht, beiläufig gesagt, auf der Zahl der 28 Nakshatra's.
Mit diesen 28 Königen gleichzeitig wird eine besondere
Dynastie von Magadha aufgezählt; wir hätten schon an
{ipnd für sich . das Recht, sie bei unserer Combination un-
berücksichtigt zu lassen ; allein es lässl sich auch sehr
wahrscheinlich machen, dass sie eine spätere Erfindung
»ey und schwerlich zu Megasthene» Zeit schon von ihr
227
die Rede sein konnte. Zunächst kennen sie die Bud-
dhistischen Berichte, welche älter als alle Brahmanischen
Berichte^ aber jünger als Megasthenes sind (die Ceylone-
sischen)^ nicht ; 2) ist sie der Buddhistischen Darstelluuff
nach unmöglich. Denn hier sind es erst die Xaudas
welche die Dynastie von Pätaliputra (d. i. Mao-adhal
gründen ; vor ihnen ist Vai<jäla, vor diesem Radschagriha
und vor diesem Anga (Bengalen) der Sitz des Reiches
gewesen; 3) finden sich auch in den Puranen Spuren
eben dieser Darstellung, so sehr sie auch das Bestreben
die den Xandas vorhergehenden Könige ebenfalls als
Könige von Magadha aufzufassen, verwischt hat. a) So
wie sich den Buddhistischen Berichten gemäss Bhattijo
von der Herrschaft von Anga befreite und das unabhän-
gige Reich von Radschagriha gtündete, so hat nach
den Vaju- und Matsja-Puranen Sisunaga seine Residenz
Benares (in Anga) verlassen und RadscJiagriha zum Sitz
des Reichs gemacht (Wils. Vishn.-Pur. 466 n. 8) ; b)
wie die JVanJas (nach Buddhistischer Darstellung) den
Sitz des Reichs nach Pdt aliputra verlegen, so hat nach
dem Vaju.-Pur. (Wils. a. a. O. 467 n. 15) Udajasva
der achte Aer Saisunagas (welcher trotz der abweichen-
den Stellung, die er in den Puranischen Listen einnimmt,
ursprünglich mit dem Buddhistischen LHagibhaddako, dem
4ten nach BhaltijOf identisch ist) Pat' aliputra gegründet.
Diesem gemäss irren wir sicherlich nicht, wenn wir erst
mit den Xandas das Reich von Magadha beginnen la5-,
sen. Daraus erklärt sich auch der höchst relevante Um-
stand, dass das Intervall von K. J. an bis zur Thron-
besteigung Nanda's in einer Totalzahl angegeben wird.
Die Gründung des mächtigen Reichs von Magadha musste
natürlich Epoche machen. Sobald dies aber bestand und
zwar in dem glänzenden Umfang , welchen es unter
228
Tschandragtipta erhielt und unter seinen Nachfolgern noch
erweiterte, musste sich natürlich das Streben geltend
machen; es für ein sehr altes auszugeben. Dieses ge-
schah zunächst dadurch^ das« man die von der Geschichte
(bei den Buddhisten) bewahrten nächst vorhergehenden
Dynastieen als magadhische in Anspruch nahm und als-
dann — da der Glanz des grossen Krieges dem Ahn-
herrn dieser mächtigsten Dynastie nicht fehlen durfte — •
noch eine mit den mythischen 28 gleichzeitige Königs-
reihe liinr.u erfand. Diese Erfindung und Ausschmückung
der Dynastie von Magadha geschah wahrscheinlich erst
zu der Zeit als die Maurjas wieder in den Schooss der
Brahmanischen Religion zurückgekehrt waren. Doch das
zu verfolgen^ liegt unserra Zweck fern ; für diesen ge-
nügt es nachgewiesen zu haben^ dass die besondere Dy-
nastie von Magadha^ welche in den Puranen mit den 28
Königen gleichzeitig gesetzt wird; zu Megasthenes Zei^
nicht in Rechnung kommen konnte.
Auf jene 28 folgt bei den Buddhisten Bhattijo^ der-
jenige König; unter welchem Gaufama Buddha geboren
ist (mit welchicm also ihre Geschichte eigentlich beginnt).
Brahmanischc Berichte lassen Pradjota folgen 5 wir hätten
schon an und für sich Grund ihn und die ihm folgfenden
Könige mit jenen S8 zusammenzurechnen ; da wir die
erwähnte Magadhische Dynastie für eine spätere Erfin-
dung erkannten ; allein es kommt hier noch eine beson-
dere Notiz hinzU; wodurch sich Pradjota als ursprünglich
identisch mit Bhattijo ergicbt. Ein Indisches Werk Bhä-
garatdmrita berichtet, dass unter Pradjota — zwei Jahre
nach dessen Regierungsantrilt — Gautama Buddha ge-
bort sey (A*. Res. II.; 190 Trad. Fr.); und indem
dessen Regierungsantritt den Puranischen Annahmen ge-
ittHIÖ 1(H)1 nach K.J. gesetzt wird, wird für GautamaV
ft9
Geburt 1002 angegeben (ebds. 176). Mag nun dieses
Werk, welches ich weiter nicht kenne ^ eine noch so
späte und noch so schlechte Compilation sein ^ so kann
es 1) nichts destoweuiger eine einzelne richtige Notiz
enthalten ; 2) die hier gegebene Xotiz zu erfinden ist
gar kein Grund vorhanden ; 3) sie hat gemäss dem System
der doctior lectio alle Wahrscheinlichkeit für sich^ indem
sie allen übrigen Nachrichten za widersprechen scheint ;
4) sie findet durch folgende Combination eine überra-
schende Bestätigung ; nach Buddhistischen Xachrichten war
Gaulama Buddha 20 Jahr alt^ als Bhattijo's Nachfolger
zur Regierung kam (Joum. ai Beng. 1838 S. 923);
nach Bhagavatamr. war er, wie eben bemerkt , 2 Jahr
nach Pradjota's Regierungsantritt geboren ; folglich re-
gierte Pradjota-Bhattijo 22 — 23 Jahre und diese Zahl
gehen die Puranen dem Pradjoia einstimmig (Wils. Vishn.-
Pur. 446 n. 3) *). Der Umstand, dass in den Buddhisti-
schen Berichten Bhattijo Vater des Bimbisaro heisst, in
den Puranischen dagegen der Vimbisdra des Vaju-Pur.,
welcher im Visclm.-Pur. Vidmisära, im 3Iatsja-Pur. Vin-
dusena oder Vindhjaseua, im Bhagav.-Pur. Vidhisära
genannt wird, als Sohn des Kschatraudschas (im Vischn.-
Pur.) , Kschemadschit oder Kschemartschis (Vaj.) , oder
Kschetradschaja (Bhägav.) bezeichnet wird, entscheidet
dagegen gar nicht. Sonst müsste auch der Susunaga
der Buddhisten, weil er bei ihnen an einer ganz andern
1) Einen andren Grand far die Identificining von Pradjota und
Bhattijo giebt die Zahl der magadhischen Könige ab, welche
man als Zeitgenossen der 88 ihm vorausschickte, verglichen
mit der Zahl der von Vrihadbala stammenden llishvakuiden,
welche dem Sakja vorausgeht (ViJhn. Pur. p. 463.); docb
kann ich diesen Grund erst au einem andern Ort discutiren.
330
Stelle, als in den Puranen steht , ganz verschieden von
dem Sisunaga der Puranen sein, Udajibhaddako verschie-
den von Udajasva u. s. \v ; dagegen
üdajibhatfdako = Darbhaka
Anuruddhako = Udajasva
Mundo = Nandavarddhana
Nagadasako = Mahanandi
Susunaga = Mahapadma
Kalasoko = 9 Nandas
Nanda = Tschandragupta u. s. w.
Ein solches mechanisches Gegeneinanderstellen von
Listen führt zu nichts , sondern in allen ursprünglich
mythischen oder mythisch-gewordenen Stoffen muss nach
bekannten Grundsätzen der scheinbare Zusammenhang zu-
nächst aufgelöst und die in diesen scheinbaren Zusam-
menhang getretenen einzelnen Faktoren müssen für sich
betrachtet werden. — Für unseren Zweck ist es übrigens
gleichgültig, ob man uns zugiebt, dass Bhatlijo und Pra-
djota ursprünglich identisch gewesen seyen, oder nicht, wenn
wir nur das Recht wahren , ihn auf jene 28 folgen zu
lassen und uns nicht nöthigen lassen, statt dieser die
Reihe der diesen gleichzeitig gesetzten Magadhischen
Könige zu zählen.
In diesem Fall erhalten wir 28 raytliische Könige der
ersten Zeit des Kali Juga. Darauf folgen nach Brah-
manischen Berichten 5 mit Pradjota beginnende Sunakasy
auf diese 10 Saisunagasy auf diese 10 Nandas, also
28 + 5+10 + 10, im Ganzen 53 Könige; dann
folgt Tschandragupta. Wir sehen also dieselbe Zahl von
Königen ihm vorausgehen, welche wir nach obiger Ent-
wickelung des Berichts von Megasthenes erwarten mussten.
Ist diese Combination richtig , so existirte zu Me-
t31
gasthenes Zeit, um es kurz ziLsammenzufassen, folgendes,
in seinen einzelnen Theilen mit Indischer Ueberlieferung
und Anschauungsweise stimmende^ chronologische System :
1) eine Zeit von 1000 3Iahäjuga^ deren eins durch den
noch zu Asokas Zeit gebräuchlichen fünfjährigen Cyclus
gebildet wurde. In dieser Zeit hätten 100 Könige ge-
herrscht, dann eine mythische Zeit in welcher 28 Könige
geherrscht hätten; endlich eine historische Zeit (seit 2
Jahr vor Buddhas Geburt datirend), in welcher 25 Könige
(nach Brahmanischer Annahme) regiert hätten ; die beiden
letzten Perioden umfassten eine Zeit von 1055 Jahren.
Thkodor BKNrST.
2^
Bemerkungen über dieselbe IStelle des
Ifle^astlienes.
Die in dem vorhergehen den Artik'el behandelte Nach-
richt des Megasthenes ist die einzige aus dera Alterthume
erhaltene, von einem Ausländer herrührende Berichterstat-
tung über Altindische Chronologie. Bei der bekannten Un-
gewissheit der älteren Indischen Geschichte und der Ver-
wirrung ihrer Zeitrechnung wäre es allerdings sehr wichtig,
ein authentisches wenn auch kurzes Zeu^niss eines Fremden
zu besitzen, aus welchem wir ersehen könnten, auf welche
Weise die Inder ehemals ihre historischen Ueberlieferungen
chronologisch anordneten. Wenn dieses Zeugniss klarer
und unzweifelhafter Auslegung wäre, besässen wir ein vor-
treffliches Mittel um zu beurtheilen, ob die jetzt geltenden
Indischen Ueberlieferungen schon im Alterthume dieselben
waren, oder ob sie seitdem Veränderungen unterworfen
worden sind. Im ersteren Falle wäre zwar noch nicht ihre
historische Wahrheit erwiesen, aber doch die Treue der
jetzigen Ueberlieferung, und diese, so gesichert, wäre ein
gewichtiges Moment bei der Beurlheilung des Werthes
jener Ueberlieferungen selbst.
Da Megasthenes zur Zeit des ersten Seleukos in Indien
war, längere Zeit sich dort aufhielt und zwar am Hofo
des mächtigsten damaligen Indischen Königs, hatte er die
beste Gelegenheit, über Indische Geschichte sich Kennt-
niss zu verschaflfenj er sah noch das alte von inncrn re-
ligiösen Umwälzungen und fremden Eroberern unberührte
Indien; sein Zeugniss müsste höchst wichtig seyn, wenn
es treu berichtete und vollständig: erhallen wäre. Das letzte
233
ist nun schwerlich der Fall, wir besitzen wohl kaum mehr
als einen Auszug; diesen üebelstand können wir nicht
heben, wir müssen zu benutzen suchen, was noch vorliegt.
Das crstcre dürfen wir nicht läugncn, so lange nicht ein-
leuchtende Gründe un« dazu berechtigen und am wenigsten
dürfte die Krilik deshalb seine Wahrheit bestreiten, weil
etwa das Zeugniss jetzigen Indischen Ueberlieferungen
widerspräche. Es kommt alles auf die gründhchc und ge-
naue Prüfung an.
Der Verfasser der vorhergehenden Abhandlung hat, so
weit mir bekannt ist^ zuerst den Versuch gemacht, Me-
gasthenes Nachricht mit vorhandenen Indischen in Einklang
zu bringeil. Dieses Verfahren ist gewiss das allein richtige ;
wir müssen die Indischen Elemente nachweisen, ausweichen
Megasthenes seine Berichte gezogen hat, iind zeigen, wie er
zu dem Er oebniss gekommen ist, welches er darlegte; sein
Bericht erhält erst dadurch seine w^alire Bestä(igung und
eine solche ist im vorliegenden Falle um so unentbehrlicher,
je weniger er zu den Geschichtschreibern des Alterthums
gehört^ denen die Alten selbst ein unbedingtes Zutrauen
schenken.
Megasthenes Nachricht weicht, wie auch Hr. Dr. Benfey
bemerkt, sehr von alle dem ab, welches »wir in Bezug
auf die ältere Geschichte in den einheimischen bis jetzt
bekanntgewordenen Quellen Indiens finden j« er hält jedoch
diese Abweichung nur für scheinbar und glaubt eine Com-
bination gefunden zu haben, »wodurch jene Nachricht
einheimischen in dem Wesentlichen ihres Inhalts so nahe
tritt, dass sie für identisch mit ihnen gelten zu dürfen
scheint.« Er gewinnt diese Combination nicht aus den ge-
wöhnUch vorkommenden Indischen Darstellungen der alten
Geschichte, sondern indem er einen Theil von diesen be-
seitigt und an ihre Stelle andere, einzeln vorkommende
und weniger beachtete Angaben setzt. Ich habe gegen
dieses Verfahren an sich nichts einzuwenden; die Kritik
234
muss ihr Recht so schonungslos gegen die Indische wie
gegen jede andere Geschichte ausüben; nur muss sie bei
ihrem Geschäfte^ sowohl wenn sie überliefertes zerstört,
als wenn sie eigenes statt dessen aufbaut^ gegen sich selbst
ebenso strenge verfahren und ihre eigenen Grundlagen ebenso
scharf untersuchen, wie die Ueberlieferungen, welche sie
prüft.
Ueber die in Frage stehende Stelle des Megasthenes
habe ich seit langer Zeit mir eine Ansicht gebildet, die von
der von Herrn Dr. Benfey vorgetragenen ziemlich ver-
schieden ist. Da er selbst zu einer Prüfung der seinigen
auffordert, ich es auch für wichtig halte, jene Stelle
genügend erklärt zu sehen und diese nun einmal zur Sprache
gebracht ist, sey es mir erlaubt, meine Bemerkungen hier
soffleich anzuschliessen. Es kommt dann vielleicht ein
Dritter und findet eine allen genügende Erklärung. Ich be-
schränke mich dabei ganz auf das zur Sprache gehörige;
Hr. Dr. Benfey knüpft an seine Erklärung mehrere Fol-
gerungen , die im weiteren Umfange in die Kritik der
Altindischen Geschichte eingreifen; diese hier zu prüfen,
würde weiter, als hier zulässig ist, von dem eigentlichen
Gegenstande abführen; die vorgetragene Erklärung der
Mcgasthenischcn Stelle selbst muss aber hier geprüft
werden.
Ehe ich die einzelnen Punkte der versuchten Combination
durchgehe, muss ich zwei allgemeine Bemerkungen voraus-
schicken. Erstens verbindet Hr. Dr. Benfey Brahmanische
und Buddhistische Elemente; seine grösste Periode ist den
Buddhisten entlehnt, er beginnt die historische Zeitrechnung
mit der Geburt Buddha's. Die Verbindung so widerstrebender
Elemente ist im Allgemeinen bedenklich ; ich will aber hier
nur in Beziehung auf den besonders vorliegenden Fall
hervorheben, dass eine Zeitrechnung nach Buddha's Geburt
bei den Buddhisten selbst nicht vorkommt; sie rechnen
nach seinem Tode, nach dem Jahre seiner Verklarung;
235
ebenso die G'aina nach dem Möxa ihrer Tirthankara. Dann
sind wir ehenso wenig berechtigt, eine Buddhistische Zeit-
rechnung zur Zeit des 3Iegasthcnes bei einem Brahmani-
schen Könige anzunehmen. Kandragupta war nach allen
Nachrichten ein Brahmanischer König und an seinem Hofe
galt gewiss keine Buddhistische Chronologie,- es ist über-
haupt keine Spur, dass die Brahmanen diese je angenom-
men hätten. Es ist mir daher sehr unwahrscheinlich, dass
Megasthenes bei den Brahmanen in Pataliputra eine Zeit-
rechnung nach Buddhistischem Princip vorfand und noch
mehr, dass diese mit der Geburt des Buddha anfing.
Ich bemerke zweitens, dass Hr. Dr. Benfey bei seiner
Erklärung nur auf einen Theil der Xachricht: die Gesammt-
zahl der Jahre und Könige zwischen dem Dionysos und
K'andragupta Rücksicht nimmt. Aus Megasthenes sind
aber ausserdem bei Arrian andere Angaben über die ältere
Indische Geschichte und Chronologie erhalten, die uns,
wenn ich nicht irre, eine viel bessere Einsicht in die Art
der ihm zugekommenen Mittheilungen giebt, als jene Zah-
len. Diese übrigen Angaben vertragen sich aber wenig mit
dem angenommenen Systeme und hätten jedenfalls berück-
sichtigt werden müssen, um die aus ihnen hernehmbaren
Einwürfe zu beseitigen.
Ich wende mich nun zu der Erklärung der Stelle des
Megasthenes selbst uud trenne, wie Hr. Dr. Benfey, die
Angabe über die Jahre von der über die Zahl der Könige.
Die 6042 oder 6451^^4 Jahre von Dionysos bis auf
Kandragupta werden zerlegt a) in eine Zeit von 1000
Mahäjuga, deren jedes durch den noch zu A^öka's Zeit ge-
bräuchUcheu füijQ ährigen Cyclus gebildet worden sey. Dann
b) eine mythische Zeit, in welcher 28 Könige geherrscht
hätten; c) endlich eine historische Zeit (seit 2 Jahren vor
Buddhas Geburt datirend), in welcher 25 Könige (nach
Brahmanischer Angabe) regierten; die beiden letzten Pe-
rioden umfassten eine Zeit von 1055 Jahre. (S. 231.)-
236
Diese Jahre werden zusammengesetzt aus der Angabe, dass
zwischen dem Parixit oder dem Anfange des Kalijuga bis
auf Nanda 1015 Jahre verflossen seyen 5 von Nanda auf
K'andragupta 40. (S. 222.). Die verschiedene Zahl bei Arrian
und Plinius wird endlich durch die Annahme ausgeglichen,
dass Plinius in den Zehnern das richtige bewahrt habe, in
den Hunderten aber ein Fehler sey. (S.225.). Die nach Ab-
zug der 5000 übrig bleibende 1051 Jahre entsprächen da-
durch so ziemlich den obigen 1055 nach Indischen An-
gaben.
a) In Beziehung auf die Vermuthung, dass eine Pe-
riode von 5000 Jahren ehemals an die Spitze der Indischen
Zeitrechnung gesetzt gewesen sey, bemerke ich folgendes.
Eine solche Periode kommt nirgends als gebräuchlich bei
den Indern vor und wird allein auf die Vermuthung ge-
gründet, dass der fünfjährige Cyclus mit 1000 multipHcirt
worden sey. Der kleine Cyclus von 5 Jahren ist allerdings
wirklich im Gebrauch gewesen und der älteste, von wel-
chem wir in Indien wissen. Auf ihn gründet sich der Fest-
Kalender der Veda, wie schon Colebrooke aus einander
gesetzt hat; er kommt sowohl in G j'Stis vor als in Gebeten
und die einzelnen Jahre haben besondere Namen. Wie so
viele Einrichtungen ist auch er von den Brahmanen zu den
Buddhisten übergegangen und von diesen mit ihren Mis-
sionen auswärts verbreitet worden ; alle fünf Jahre hielten
sie grosse religiöse Zusammenkünfte^). Auf ihn gründen
sich die Cyclen des Parä^ara, die zuletzt auf die gewöhn-
lichen grossen Perioden hinauslaufen. Dass auf ihn ein be-
sonderes Jugasystem begründet worden sey, beruht auf
der zweifelhaften Auctorität Bentley's und kommt schwerlich
in der Form, wie er es darstellt, wirklich in astronomischen
Werken vor. Aber auch zuzugeben, dass das von ihm
1) Fahian ist bei ciucr snichcn Versammlung gcgeuwärtig in
Kietclia uder Iskardii. S. Foe K. K. p. 2(i.
237
aus einander gesetzte Jugasystera wirklich so vorkam, so
finden wir nirgends eine wirkliche Anwendung davon ge-
macht und wenn er es für eines der ältesten Systeme er-
klärt, so entbehrt diese Behauptung bis jetzt jeder ander-
weitigen Bestätigung *). Wir können dieses hier ununter-
sucht lassen , da Hr. Dr. Benfey nicht die oOOOjährige
Periode, wie sie bei Bentley für das Kalpa oder einen Tag
des Brahma vorkommt^ annimmt, sondern eine solche ent-
stehen lässt, indem der fünfjährige Cyclus mit 1000 mul-
tiplicirt Worden sey. Dieses ist nun zwar an und für sich
möglich^ es fehlen aber nicht nur Beweise für ihre An-
wendung zur Zeitrechnung zu irgend einer Zeit bei den
Biahmanen, sondern die ganze Einrichtung des Indischen
Jugasystems macht es unwahrscheinlich, dass sie je im
Gebrauch gewesen sey. Es wird dafür angeführt , dass
Buddha seiner Lehre einen Bestand von 5000 Jahren pro-
phezeit habe. Dieses ist richtig, aber weder wird diese Pe-
riode weiter in der Buddhistischen Zeilrechnung gebraucht,
noch kommt sie sonst bei den Buddhisten vor; die dem
jetzigen Buddha vorhergehende Periode — und diese hätte
1) Bentlkv spricht »n der angeführten Stelle ausser dem bekann-
ten Juga«ysteme von zwei besondern, wiilche er aus dem sonst
nicht bekannten astronomischen Buche Graha Mang'arl zieht
and {As. Res. VIII, 224.) „zwei der ältesten jetzt bekannten
Indischen Systeme, welche in frühen Zeiten zu chronologischen
Zwecken gebraucht worden sind/' nennt. Es ist dabei bedenk-
lich, dass nur er und sonst niemand von einem solchen Ge-
^ brauche etwas weiss. Wenn er weiter bei dem zweiten dieser
Systeme ein Juga y^a 5 Jahren Makajiiga oder grossen Cyclus
nennt und diesen aus einem Satja von 2, einem Tretä von l'/j,
einemDväpara vor 1 und einem Kalijuga von '/i Jahre construirt,
seist dieses wohl unmöglich so in dem Buche selb5t dargestellt.
Ein Weltalter von einem halben Jahre! Die für ihn günstigste
Annahme ist, dass er Götterjahre ohne weiteres in menschliche
verwandelt hHt, doch niuss ich solchen, denen das Original-
Werk zugänglich ist, überlassen, dieses aufzuklären.
238
man doch wohl zunächst hier gewählt, wenn man eine Zeit-
rechnung aus Buddhistischen Elementen zusammensetzte —
ist eine unendlich grosse ; die 5000 Jahre bilden nur einen
kleinen Theil des jetzigen Weltalters, welches bis zur Er-
neuerung und der Erscheinung eines neuen Buddha eben-
falls eine unendliche Reihe von Jahren zu durchlaufen hat')-
Das Verhältniss der Weltalter oder untergeordneten
Perioden ist stets das von 4: 3: 2: 1. Wenn die grosse
Periode von 5000 Jahren eine wirklich gebrauchte war,
müssen wir auch für sie eine Theilung in die vier Welt-
alter mit ihren Morgen- und Abend -Dämmerungen an-
nehmen; wir erhalten hier dafür eine erste Periode von
1600 + 200 + 200, eine zweite von 1200 + 150 + 150, eine
dritte von 800 + 100 + 100, eine vierte von 400 + 50 + 50.
Es ist hier zwar das Zahlen- Verhältniss der einzelnen Juffa
zu einander aufrecht erhalten^ aber ich glaube, man kann
ohne Bedenken die Behauptung aufstellen, dass wenn die
Brahraancn erst einmal anfingen für ihre Vorstellung von
den vier Weltaltern Zahlen zu suchen, sie nie mit halben
Hunderten dabei rechneten. Das einfache Verhältniss von
4, 3, 2, 1. gab mit 1000 und 100 multiplicirt die natür-
lichste Form der Juga und der Dämmerungen, wie es im
gewöhnlichen System vorliegt und dieses ist gewiss das
älteste System, wie das einfachste.
Man könnte nun zwar sagen, dass auf jene erste Pe-
riode von 5000 Jahren, die Megasthenes vorgefunden haben
soll, die Eintheilung in vier kleinere Juga nicht angewendet
worden sei. Es fiele somit der obige Grund , die Künst-
lichkeit des Systems, weg. Wir werden aber sehen, dass
Megasthenes die ganze Indische Zq^rechnung in vier Pe-
rioden einiheilt und in diesen noch die Dämmerungen un-
terscheidet; er setzt drei solche frühere Perioden als ab-
gelaufen i durch eine Theilung mit 3 wird aber eine Periode
von 5000 Jahren ganz uuhaudtirlich.
]) S. Turnour's Mahävanaa, introd. p. XXVIII.
239
Ich halte nach dieser Auseinandersetzung die Annahme
einer solchen ftinftausendjährigen Periode für sehr unwahr-
scheinlich.
b) Die zunächst folgende Zahl 1015 wird in den Pnrana
für die Zelt, die zwischen dem Regierungsantritte des Parixit,
des ersten Königs im Kalijuga, und der Krönung des Nanda
verflossen sey, angegeben. Da ich selbst diese für die ein-
zig brauchbare chronolosrischc Ausgabe dieser Werke über
die ältere Zeit halte, habe ich über sie hier nichts weiter
zu bemerken, als dass Hr. Dr. Benfey Recht hat, die Va-
rianten, die bei ihr vorkommen, zu verwerfen; die astro-
nomischen Angaben, die dabei erhalten sind, zeigen , dass
nur 1013 richtig seyn kann. Ich glaube, wir müssen uns
an diese Zahl allein halten. Die übrigen Angaben, wodurch
diese Bestimmung des Anfangs des Kalijuga gestützt wer-
den soll , muss man ganz bei Seite liegen lassen. Man
geht dabei von der Annahme aus, dass sich später einzelne
Angaben über eine andere Festsetzung des Anfangs des
Kalijuga, als die gewöhnliche d. 18. Februar 3102 vor Chr.
G., noch erhallen hätten. Ich halte diese Annahme für un-
begründet. Wenn Hr. Dr. Benfey sagt, CS-221.), die Be-
stimmung des Kalijuga sey spät, so kommt es darauf an^
was er spät nennt; dass sie nicht ursprünglich war , ist
sicher; Varähamihira ist der erste, von dem wir wissen,
dass er sich des ^äka bediente; Ärjabhatta rechnete noch
nach dem Kali und da er gewiss diese Zeitrechnung vor-
fand, war sie älter als er. Ich trage daher kein Bedenken
zu behaupten, dass die Festsetzung des Kali wie sie noch
gilt in den ersten Jahrhunderten unserer Aera schon ge-
schehen war; wie viel sie älter sey, lässt sich nicht, we-
nigstens jetzt noch nicht, bestimmen. Nach welchem Grund-
satze der Anfang des Kali bestimmt wurde, ist auch nicht
klar; es ist wahrscheinlich, dass man dabei astronomische
Ueberlieferungen zu Grunde gelegt hat. Die Lehre von
den Weltaltern und ihrer Reihenfolge muss natürlich viel
älter seyn , als die Festsetzung eines bestimmten Jahres
240
für den Anfang des jetzigen. In den Stellen aus Arja-
bhatta erscheint der Anfang des Kali als gleichzeitig mit
dem Ende des grossen Krieges der Kaurava und Pandäva
oder dem allgemeinen Untergange der königlichen Dynastien^
mit welchem das Bhärata schliesst; in der Einleitung zu
diesem Gedichte wird der Kriea: in die Ueberffansfszeit xon
Dvapara zu Kali gesetzt, und es lässt sich leicht aus den er-
haltenen Ueb erlief erungen über die Vorzeit zeigen, dafs in
der Vorstellung der Inder die Gränzscheide für die heroische
Sagenreiche Vorzeit eben das Ende jenes grossen Krieges
ist; aus der nachfolgenden Zeit erscheinen nur Verzeich-
nisse von Namen, die von keinen Sagen getragen werden.
Es konnte sich daher auch leicht der Anfang des jetzigen
Weltalters, für welchen ein äusseres Ereigniss gesucht
wurde, mit dem Ende des grossen Krieges in der Vor-
stellung vereinigen; die Zeit dieses Krieges musste sodann
den Bestimmungen über das Kali folgen und so wurden
die Ueberlieferungen, die sich auf die Zeit nach dem
Kriege bezogen, mit ihm in ein viel zu hohes Alterthum
zurückgeschoben .
Die noch geltende Festsetzung des Kali und des grossen
Krieges wird nicht auf einmal überall durchgedrungen seyn
und dass man früher abweichende chronologische Ueber-
Heferuuffen darüber hatte, lässt sich wohl mit Zuversicht
behaupten. Die angeführte Angabe über die Zeit zwischen
Parixit und Nanda lässt sich als eine solche betrachten.
Ich kenne sonst nur eine von der gewöhnlichen abwei-
chende Angabe über das Ende des grossen Krieges; diese
kommt in der Chronik von Kashmir vor und setzt den
grossen Krieg in das Jahr 2448 vor Chr. G. oder 053 Jahre
nach dem Anfange des Kali. Diese Bestimmung gründet
sich aber auf die eingebildete Bewegung der sieben Rishi
und hat daher keine Gültigkeit; sie wird auf den Astro-
nomen Varäha Mihira zurückgeführ( ; für das Kali hat die-
ser die gewöhnliche Bestimmung.
Die Zeitrechnung nach dem Kali ist noch im Dckhan
241
vielfach im Gebrauche neben dem ^akaO und überall
gleichförmig. Er ist wenig wahrscheinlich, dass nachdem
diese Aera so lange im Gebrauche gewesen und nie auf-
gehört hat, gebraucht zu werden^ in späteren Werken ab-
weichende Angaben über ihren Anfang vorkommen sollten.
Wir wollen diese nun näher untersuchen.
Eine Angabe, welche m der vorhergehenden Abhand-
lung interessant genannt, aber nicht weiter gebraucht wor-
den ist, stammt von Wilford her 2) 5 er führt ein chrono-
logisches Verzeichniss aus Assam an, welches die Gaina
nach ihren Ideen gemodelt haben sollen; in ihm kommen
ein Mitrasaha und Nrisiuha vor^ die er zu G ina und Gau-
tama macht; die Gaina sollen den Anfang des Kalijuga
entweder 1078 oder 1219 vor Chr. G. setzen. Wilford
macht also den Mitrasaha und Nrisinha zu den zwei letzten
Tirthankara der Gaina; diese heissen abeur ganz anders,
die Gaina geben für beide andere Zeitbestimmungen, sie
haben ganz andere grosse Perioden, als die Brahmanen
und, wie überall bei AVilford, weiss man nicht, was er in
seinen Quellen vorfand und was er ohne weiteres aus
seinem eigenen Kopfe einschob. Es ist nur sicher^ dass
man mit seinen Angaben nichts anfangen kann.
Aus Wilford ist auch die Angabc entlehnt, dass die
Regierung des Kandragupta 1055 nach dem Kalijuga in
den Puräna gesetzt werde 33. Dieses steht aber nirgends
in den Puräna, sondern ist nur Wilford's Rechnung; er
giebt der Nanda-Dynastie 40 Jahre und bringt also aus der
obigen Zahl 1015 mit 40 diese Angabe heraus.
Eine dritte Angabe findet sich in einer Tamulischen
Handschrift, welche eine Geschichte K'öla's enthält und
von William Taylor ausgezogen worden ist*). Es ist eine
1).S. JoH.v Wabrex, Kala Sankalita. Madras. 1825. p. 18.
2) As. Res. IX, 209.
3) Ebend. IX, 86. 87.
4) As. Journ. of B. Vn,S71.fgd. Die im Text besprochene SteUe
steht p. 376.
V. 16
242
ganz späte Schrift, welche nach der Herrschaft der Mu-
hammedaner im Dekhan geschrieben ist. Sie beginnt mit
Legenden von Vikramaditja und ^älivähana, die in
vielen Punkten von den sonst vorkommenden abweichen.
Sie setzt den Tod des Cälivähana in das Kalijahr 1443.
Dieses gäbe 1365 vor Chr. G. als Anfang des Kali^).
Taylor fügt hinzu, dass diese Zahl nicht in Zahlen, son-
dern in Worten geschrieben sey. Dieses mag seyn, sie
ist aber dessen ungeachtet falsch, weil sie mit den übrigen
Daten der Handschrift im Widerspruch steht. Sie setzt
eine Reihe von 25 Königen zwischen Xira. Kola, dem Zeit-
genossen ^älivähana's, und Uttama-Kola, der im Kalijahre
3535 starb oder 434 nach Chr. G. Wenn jene erste Zahl
richtig wäre, würde jedem dieser 25 ganz menschhchea
Könige über 141 Jahre Regierungszeit gegeben werden}
giebt man ihnen eine natürliche, etwa 15, erhält man ohn-
gefähr die gewöhnliche Epoche des ^älivähana. Den
Nachfolgern des ^älivähana giebt die Handschrift 1442
Jahre, also so viel als vom Anfange des Kali bis auf ihn;
dieses zeigte dass ein willkührliches Spiel mit Zahlen in
Beziehung auf den Cälivähana getrieben worden ist.
c) Die dritte Zahl, die 40 Jahre der Dynastie der
Nanda^ wird theils auf die Buddhistischen Angaben, theils
auf Wilford-s begründet. Ich kann aber keine von beiden
gelten lassen. Wilford kann die Angabe, dass N^anda 28,
seine Söhne zusammen 12 Jahre regierten, nicht aus den
Puräna haben; denn diese geben der Dynastie einstimmig
die Gesammtzahl 1GÜ°). Wilford hat also die Angabe
nicht aus den Puräna, sondern aus sich selbst. Wie kann
1) So auch James Prinskp, der auch auf diese Stelle aufmerksam
gemacht hat. Die Rechnung ist aber nicht ganz richtig, da die
Handschrift den Tod ^älivuhaua's in Kali 1443 setzt, seine
Epoche aber, die 78 nach Chr. 6. beginnt, nicht von seinem
Tode, sondern von seinem Siege über die ^aka datirt.
8) WiLSOW, Vishnu P. p. 468.
243
man aber auf die Angabe eines Mannes bauen , der auf
derselben Seite eben dieser Dynastie 137 oder 139 Jahre
zuschreibt, ebenfalls aus den Purana ')?
Mit der zweiten Angabe^ der Buddhistischen, hat es
folgende Bewandniss: die Buddhistischen Geschichten geben
der Dynastie der 9 Xanda zusammen 22 Jahre "1; vor ihnen
setzen sie eine Gesammtregierung von 10 Brüdern mit
ebenso viel Jahren. Wir dürfen aber diese zwei Dynastien
nicht zusammenrechnen, als wären sie nur eine; die voll-
ständiger erhaltenen Buddhistischen Quellen halten sie aus
einander. Ihre Zahlen haben aber hier noch geringeren
1) Ax. Res. IX, 87. Nach der ersten Angabe fügt er eine Stelle
aus dem Brahmända Puräna an; ich setze die Worte her: the
trords are these: .„Front the birih of Paricshit to Nanda
(_I suppose his accession to the throne) there will be 1015
years; from Xanda to Pitloma and the Ändhras, 836 years."
Nanda died 397 years B. C. and Puloma in the year 648,
according to the annalsof China ; the difference is 975 years,
instead of 836. If we suppose, that the 836 years are to be
recJioned, from the end of the dynasty of Xanda, instead
of the death of their progenitor , the numhers will agree
perfectly tcell. This dynasty lasted, ei t her 137, or i39
y ears, according to the Puränas; tchich, added to
836, give exactly 970, the number of years required. Frei-
lieb, wenn man in den Puräna liest, was man gerade braucht!
2) Mahävansa, cap. V. p. 21. „Kaläsoka hatte 10 Söhne, sie re-
gierten zusammen 28 Jahre. Darauf folgten 9 Brüder, die nach
der Reihe Könige wurden und 22 Jahre regierten." Diese letzten
sind die 9 Nanda. Im Commentare zu der Stelle (s. bei Tüb-
NOUR, infrod. p. XXXVin.) heisst es: „Käläsoka's Söhne waren
10 Brüder. Die Benennung 9 Nanda stammt daher, dass 9 von
ihnen diese patronymische Benennung hatten.'^ Sie werden hier
also mit den Söhnen des Käläsoka verwechselt. Im Dipavansa
sind sie ganz ausgelassen. S. As.J. ofB. VII, 930. Die Barma-
nisch-Buddhistische Geschichte setzt Bhadrasena, den Sohn
Käläsoka's und 9 Brilder zusammen mit 22 Jahren, dann 9
Nanda mit 22 Jahren. S. As. Res. XX, p. 170.
244
Werlh als die Bralimanischeii, weil sie offenbar zwei Reihen
von Königen und ihre Jahre mit einander verwechseln.
Es ergiebt sich hieraus, dass die Annahme^ 1055 Jahre
würden von Parixit bis auf die Regierung des Kandra-
gupta gerechnet, einer sicheren Grundlage entbehrt. Eben-
so unsicher ist die Zahl des Megasthenes selbst , die in
doppelter Gestalt vorliegt, und die Annahme einer an die
Spitze der Indischen Zeitrechnung gestellten grossen Pe-
riode von 5000 Jahren. Ich glaube daher, dass die vor-
geschlagene Erklärung der Nachricht des Megasthenes nicht
genüge und wir nicht berechtigt seyen, auf diese ein so
ganz von allen einheimischen Berichten abweichendes Sy-
stem der Indischen Chronologie zu bauen.
Ich komme zur Zahl der Könige] da hier beide Angaben
für 153 sprechen und die Variante 154 ohnehin keinen we-
sentlichen Unterschied machte können wir die erste als die
wirklich von Megasthenes überlieferte betrachten.
Hr. Dr. Benfey erklärt die Zahl der Könige auf fol-
gende Weise. Erst werden 100 Könige angenommen für
die Periode von 5000 Jahre , jeder mit einer Regierung
von 50 Jahren; dann 28 mythische Könige ; dann eine Reihe
historischer Könige, die 5 ^unaka (Pradjötaund 4 andere),
10 ^ai^unaga und 10 Nanda. Die historische Zeit fängt
mit Pradjöta an, der 2 Jahre vor Buddha's Geburt zu re-
gieren anfing. (S. S. 226—230.).
Wir wollen die zwei Punkte einzeln untersuchen j
erst die Zahl der Könige, zweitens die Zeit des Pradjöta.
Eine Reihe von 100 Könige kommt nirgends in den
Indischen Ueberlieferungen vor; die Wahrscheinlichkeit
dieser Vermuthung steigt oder sinkt mit der vermulheten
grossen Periode; dann muss auch die übrig bleibende Zahl
der Könige 53 seyn, um sie zu rechtfertigen.
Die 5 ^unaka und 10 ^ai9unäga kommen so vor in den
Brahmanischen Verzeichnissen der Könige von Magadha,
es ist gegen sie nichts zu erinnern. Von den Nanda wer-
145
de» aber nie in diesen Verzeichnissen 10 gezählt, nur 9^
hierin stimmen Buddhisten und Brahmanen H. Doch kommt
auf diesen einen weniger hier nicht viel an. Die wich-
lige Zahl ist hier die der 28 Könige^ die nicht in den In-
dischen Verzeichnissen an dieser Stelle vorkommen, son-
dern von Hrn. Dr. Benfey hieher gestellt werden. Die
Indische Ueberlieferung setzt als Dynastie von Magadha,
welche der der 9""*^**^ vorhergegangen , eine andere,
Varhadratha genannt; sie zählt von ihr in Kalijuga 20
oder 21 Könijje, nur ein Puräna giebt 32 als Gesamral-
zahl, ohne so vielXamon zu enthalten; kein einziges giebt
28'). Dagegen hat sie als Nachfolger der Pändava in
Kalijuga eine Dynastie, die von Parixit 28 Könige enthält.
Diese wird an die Stelle der gleichzeitigen Dvnastie von
Magadha gesetzt; die Gründe sind folgende.
1. Die Buddhistischen Berichte kennen sie nicht und
diese sind älter als die Brahmanischen. Trotz dieser be-
stimmten Behauptung nehme ich mir die Freiheit zu glau-
ben^ dass die Buddhistischen Verzeichnisse der Könige
vor Buddha's Geburt nicht einmal den Werth der Brah-
manischen haben , den nämlich , in einer spätem Zeit
wirklich allgemein geltende Ueberlieferung gewesen zu
seyu, und dass sie aus Brahmanischen Elementen mit vie-
len Erdichtungen willkührlich erweitert worden sind. Ich
brauche dieses hier aber nicht weiter zu verfolgen, da ich
sogleich zeigen werde, dass die Buddhisten früher, als
Hr. Dr. Benfey zugeben will, Könige in Magadha erwäh-
nen, nur mit anderen Namen. Denn wenn zweitens be-
hauptet wird, die Buddhistischen Berichte könnten unmög-
lich der frühesten Dynastie erwähnen, weil sie erst das
Reich von Magadha mit Nanda anfangen, so ist dem eut-
1) Daher Nava-Nanda, die 9 Nanda, Mahävansa, iMfrod.f.Lll.
woraus Turnour einen einzigen Namen macht.
8) Wilson, Vishnu P. p. -165
246
gegenzustellen, dass sie es wirklich thun. Denn was ist
Räg'agriha anders als das Reich von Magadha ? Wenn sie
also Bhattija, Bimbasära und Ag'äta9atru 0 in Räg'agriha
residiren lassen, so machen sie sie zu Königen von Ma-
gadha. Wäre es nun auch sicher dass Nanda zuerst Pata-
liputra zur Hauptstadt gemacht habe, so wäre das nur ein
Wechsel der Residenz, wie der Dynastie und das Reich
Magadha bestand schon früher. Wir haben aber auch hier
einen anderen, und weit sichereren Bericht, den der Chine-
sischen Pilger, die an Ort und Stelle waren, dass Kalä9Ök.a
die Residenz nach Pataliputra • verlegt habe 2). Es mag
auch einmal die Residenz in Vai9äli gewesen seyn, wel-
ches ja ganz nahe liegt; es kann nichts desto weniger
Reich von Magadha heifsen, wenn die dort herrschende
Dynastie Magadha beherrschte. Wenn nun unter den
mythischen Dynastien der Buddhisten eine von Räg'agriha
vorkommt, so ist auch hier nichts als Magadha gemeint.
Sie geben ihr 25 Könige, der einzige Name, der bis
jetzt bekannt geworden 3), ist Buddhadatta und offenbar
Buddhistischer Erfindung. Ich muss endlich noch bekennen,
dass ich schwach genug bin, dem Mahäbhärata zu glauben,
dass es eine alte Dynastie von Magadha gab ; doch will ich
hierauf keine Rücksicht nehmen, da Hr. Dr. Benfey sich
bloss an die Buddhisten hält. Da diese wenigstens 25 Kö-
nige (und wahrscheinlich noch mehr, da wir diese Ver-
zeichnisse nicht im Zusammenhange kennen) in Räg'a-
griha oder Magadha vor Bhattija anerkennen, so erlauben
sie nicht, Bhattija unmittelbar auf die sogenannten 28 my-
thischen Könige folgen zu lassen . Da Hr. Dr. Benfey
eben hierauf das Hauptgewicht legt (S. 228.), brauche ich
andere in seiner Beweisführung aufgestellte Gründe nicht
zu erörtern. Es mag seyn, dass die 28 Könige, welche
1} Dipavansa, As. J. of B. VII, 087. und sonst.
8) Voe K, K. p. 386.
9) Dipavansa, a. a. O. p. 996.
t47
als Nachfolger des Parixit im Anfange des Kali stehen, mi^
den 2S zusammenhangen , welche die Buddhisten an den
Anfang des jetzigen Weltalters stellen. Wenn wir die
Einzelnheiten dieser zwei Reihen vergleichen-, zeigt sich
deutlich, dass die Buddhisten sehr willkührlich ältere Ele-
mente benutzt und umgestaltet haben. Sie beginnen mit
einem ihnen allein zugehörigen ersten Könige Mahäsam-
mata; unter seinen 28 Nachfolgern stehen Namen, die
ursprünglich eine ganze andere Stelle hatten, wie Sagara,
Bhagiratha, Bharata,die nach Ixvaku gehören; zu Sagara
fügen sie einen erfundenen Sagaradeva hinzu. Andere
Namen^ die ihnen auch eigen sind, verdoppeln sie durch
Wiederholung mit Voransetzung des Wortes mahd oder
gross. Von diesen 28 leiten sie nun eine ganze Menge
von Dynastien ab, sie gelangen erst spät zu dem Ixvaku,
mit welchem die Brahmanen das Sonnengeschlecht anfan-
gen; diesem schicken sie sogar Aäma mit seinem Vater
Da^aratha voraus. Dem Ixvaku geben sie noch 84,000
Nachfolger, ehe sie zu den unmittelbaren Vorfahren des
Buddha gelangen ; zwischen dem Mahäsamraata und dem
Ixvaku nehmen sie 252,539 Könige an *). Die Zahlen der
Jahre stehen mit dieser Zahl der Könige im Verhältuiss.
Die ganze ungeschlachte Erßndung soll dazu dienen, dem
Buddha eine glänzende Abstammung zu geben. Wenn
man hierin nicht eine willkührUchc masslose Erweiterung
früher vorhandener Ueberlieferungen, und zwar Brahma-
nischer, anerkennen will, wird die Kritik nie und nirgends
eine nachweisen können. Die 28 Könige der Brahmanen
gehören einer anderen Dynastie und haben andere Namen ;
sie sieben im Anfange des jetzigen Juga, wie die Bud-
dhistischen im Anfange des jetzigen Kalpa; wenn ein Zu-
sammenhang statt findet, ist es sicher nur eine Entlehnung
und die Buddhisten sind die entlehnenden. Es mag seyn,
1) Mahävania, Cap. II. Dipavanta, a. a. O. p. 995.
248
wie Hr. Dr. Benfey vermuthet^ dass die Zahl 28 der Zahl
der Naxatra entnommen sey; wenn dem aber so ist^ scheint
es mir, dass die Folgerung, die aus dieser scharfsinnigen
Vermuthnng für die Gültigkeit der zwei gleichzeitigen
Königsreihen, der Nachfolger des Parixit und der ersten
Dynastie von Älagadha, zu ziehen ist, gerade die um-
gekehrte seyn muss. Die 28 Nachfolger des Parixit wür-
den eher zu verdächtigen seyn, als die 20 oder 21 Kö-
nige von Magadha, bei denen keine systematisch gewählte
Zahl sich zeigt. Dafür, dass die letzteren auf einer äl-
teren Ueberlieferung beruhen, spricht auch, dass bei ihnen
in einigen Puräna die Dauer der einzelnen Regierungen
angegeben wird ; ich will weder die Richtigkeit dieser Zah-
len vertreten noch behaupten, dass die Zahl der Könige
uns vollständig erhalten; ebenso wenig kann ich sie aber
für rein erdichtet halten und glaube vielmehr, dass
unter den verschiedenen Dynastien, welche in den Anfang
des jetzigen Weltalters gesetzt werden, gerade diese noch
am meisten Ansprüche auf Gültigkeit hat. Gerade weil
das Reich von Magadha in der Zeit nach Alexander so
bedeutend hervortrat, ist es am denkbarsten^ dass die frühe-
ren Dynastien hier am sorgfältigsten aufbewahrt worden
sind.
Ich kann nach dieser Erörterung die vorgeschlagene
Aenderung, durch welche eine Dynastie von 28 Königen
an die Spitze der Dynastien von Magadha statt der über-
lieferten von 20 oder 21 gestellt werden soll, nicht für
begründet halten und daher auch nicht glauben, dass eine
genügende Erklärung für die von Megaslhenes angegebene
Zaiil von Indischen Königen vor Kandragupta gefunden
worden ist.
Ich komme endlich zu der Behauptung, dass die hi-
storische Zeit der Indischen Geschichte 2 Jahre vor Bud-
dha's Geburt oder mit dem Regierungsantritte des Königs
Pradjöta auigefangen habe. Dieser wird mit dem Könige
249
Bhattija^ unter dessen Regierung die Buddhisten die Ge-
burt Buddha'S' setzen, identisch gemacht. Die Angabe über
die Geburt des Buddha zwei Jahre nach dem Anfange
des Pradjöta beruht auf eine Stelle des Bhägatalämrita,
welche Sir William Jones mitgetheilt hat^). Ich übergehe
die Gründe , mit welchen Ilr. Dr. Benfcy diese Xachricht
stützen will^ da sie nichts beweisen können, sobald ge-
zeigt wird, dass die Stelle nicht das enthalten kann, was
Sir William Jones in ihr zu finden geglaubt hat. Dieses
geht aus der folgenden Untersuchung sicher hervor,
Sir W^illiam Jones führt zwei Angaben aus dem be-
zeichoeten Werke an ; eine Stelle im Original, welche er
übersetzt: «er (Buddha) wurde sichtbar in dem 1002ten
Jahre des Kalijuga;« dann eine, deren Inhalt er nur dahin
angicbt, dass Buddha 2 Jahre nach der Staatsumwälzung,
durch welchePradjöta zum Throne gelangte, gebohren seyn
soll"). Pradjöta wird in allen Puräna und gewiss auch
iu Bbägavatämrita, 1000 Jahre nach dem Kali gesetzt, also
passt es, wenn Buddha 1002 nach dem Kali gebohren wird,
dass er unter Pradjöta gebohren sey. Die Buddhisten
1) Ort the Chronology of the Hindus, in ^f. A««. II. oder Works,
Yol. IV., 1. fgd. Ich führe aus der letztea Ausgabe an: s. p.
17. p. 36. Das BhägavatamriU wird beschrieben als ein metri-
scher Commeatar zu dem Bhagavata Puräna.
^) Cm diese Erörterung verständlich zu machen, setze ich die iu
Frage kommenden Dynastien her:
Brahmanische Angaben. Buddhistische.
1. Pradjöta, Sohn des ^unaka
4 Nachfolger
8. ^aif anäga ;
^i9uBäga
Käkavarn'a
Xemadharman
Xaträug'as Bhattija
Bimbasära Bimbasära
Agdta^atru Agäu?atru.
«50
setzen die Geburt unter Bimbasära's Vater, also sind Bhat-
tija und Pradjota für dieselben zu halten.
Dieses wäre sehr richtigr , wenn das erwähnte Werk
wirklich jene Angabe enthielte; die Worte sind aber diese:
d. h. »er wurde offenbar, als 2000 Jahre des Kali ver-
flossen waren.« Sir W, Jones hat dvitaja Zweiheit, mit
dvitija, der zweite, verwechselt ; wir wollen dem berühmten
und um die Indischen Studien hochverdienten Manne das
Versehen um so weniger anrechnen^ als er noch ganz ohne
die Hülfsmittel arbeitete^ die uns jetzt zu Gebote stehen,
üeber den Sinn der Stelle kann aber kein Zweifel seyn.
Durch sie wird die andere Angabe, dass Buddha 2 Jahre
nach Pradjota's Thronbesteigung gebohren unmöglich;
das Bhägavatämrita kann Pradjota nicht zugleich 1000
Jahre nach dem Kalianfange oder 2101 vor Chr. G. und
2 Jahre vor 3101—2000 oder 1101+2 d. h. 1103 vor Chr.
G. setzen. Es ist im Gegentheil die zweite Angabe gar
nicht wörtUch da, sondern Jones leitet sie durch Rech-
nung aus der übersetzten Stelle ab; Pradjota folgte 1000
nach dem Kali, Buddha war nach seiner Auslegung 1002 da-
nach gebohren, also kam Pradjota 2 Jahre vor Buddha's
Geburt zur Regierung» Es ist somit kein Grund vor-
handen, die versuchte Gleichstellung der Könige Pradjota
und Bhattija zu behaupten.
Dass eine Zeitrechnung nach Buddha'S Geburt und
dazu bei Brahmancn sehr unwahrscheinlich sey, habe ich
schon oben erwähnt. Ich muss im Gegentheil behaupten,
dass die historische Zeitrechnung bei den Brahmanen mit
dem Kalijuga oder Parixit und den gleichzeitigen Königen
von Magadha anfing. Dass die jetzt vorkommenden Zahlen
der Könige^ die Jahre der Dauer der einzelnen Regierun-
gen wie der ganzen Dynastien geändert und zum Theil
willkührlich bestimmt worden sind^ dass der Anfang des
251
Kali zurückgeschoben worden ist, ist schon mehrfach dar-
gethan worden.
Ich wende mich zuletzt zu den übrigen Angaben des
Megasthenes. Seine ganze Darstellung ist diese.
Er stellt den Dionysos an die Spitze der Indischen
Geschichte; die Inder hätten früher wie Wilde gelebt, ohne
Städle und Tempel^ in Thierfelle oul Baumrinde gekleidet,
von der Jagd und als Nomaden lebend ^) ; Dionysos habe
sie besiegt, zuerst bei ihnen Städte gegründet und ihnen
Gesetze gegeben, sie den Ackerbau und den Gebrauch des
Pfluges und der Waffen gelehrt , die Verehrung anderer
Götter und seiner selbst bei ihnen eingeführt. Dass diese
Darstellung Megasthenes Werk sey, braucht wohl nicht
weiter erwiesen zu werden; er geht darin so weit, auch die
Einführung des Weines, der im eigentlichen Indien nicht
wächst und nie im Gebrauch war, dem Dionysos zuzu-
schreiben. Doch hat er wahrscheinlich Indische Ueberlie-
ferungen über die Könige der Urzeit , des ersten Welt-
aiters vor Augen gehabt; namentlich die Sagen vom Könige
Prithu können verglichen werden. Dieses gehört aber nicht
hieher, jedenfalls ist der Name Dionysos und die Ein-
führung des gesitteten Lebens durch einen fremden Er-
oberer 3(egastheues Zuthat.
Es heisst nun weiter'^): bei seinem Abffanffe aus In-
dien habe Dionysos den Spatembas, einen seiner Genossen,
zum Könige über die Inder bestellt j nach seinem Tode sey
das Reich auf seinen Sohn Budyas (ßovdvag) überge-
gangen; Spatembas habe 52, Budyas nur 20 Jahre regiert;
ihm sey der Sohn Kradeyas gefolgt und von ihm an seyeu
meistens in regelmässiger Folge Söhne auf \''äter ge-
folgt; wenn die NachkommenschafL gefehlt habe^ seyeo
nach dem Adel der Herkunft Könige eingesetzt worden.
1) Arr. Ind. VII, 2. fgd.
2) Ebend. VIII, 1. fgd.
252
Es wird sodann sein Bericht über den Indischen He-
rakles eingeschaltet, von dem die Inder behaupteten, er sey
bei ihnen gebohren. Wir können diesen Theil übergehen;
die Erwähnung *), er sey 13 Generationen später als Dio-
nysos, stellt mit den übrigen Erwähnungen in keinem er-
kennbaren Zusammenhange und trägt nichts zu ihrem Ver-
ständnisse bei ; nur se0 erwähnt, dass ganz deutlich damit
Krishna bezeichnet ist**).
1) IX, 10.
2") Dieses geht aus inclirern KrwähnuDgeu hervor. 1) Er werde
vorzüglich von den Surascnern, durch deren Land der Jobare-
floss und denen die grossen Städte Methora und Klisobora ge-
hörten; es sind bekanntlich die ^ürasena, der Fluss Jainun:'
und die Stadt Mathurä^ die schon in Mahilbhärata als ein Haupt-
sitz des Krishna erscheint. 2) Er habe eine grosse Menge Krauen
und Sohne gehabt; ihm werden {Vishnupiirän'a p. 4407 591.)
16100 Frauen und 180,000 Söhne gegeben. 3) Er solle nur
eine Tochter, Pandaia, geiiabt haben, welcher er die Herr-
schaft über das gleichnamige Land, in welchem sie auch ge-
boren , hinterliess. Dieses findet sich nicht so in der Indischen
Ueberlieferung, lässt sich aber aus ihr erklären. Der Name
Pandaia muss Pändava sejn; die Schwester Krishuu's, Ar-
g'una^s des Pauduiden Frau , gebährt den Abhimanju, dessen
Sohne das grosse Reich zufällt, als alle Könige im grossen Kriege
zu Grunde gegangen waren. Es scheint mir kaum zweifelhaft,
dass dieses die Grundlage der Megasthenischen Darstellung sey.
Nach der Indischen Sage hinterlässt Krishna keine Erben. 4)
Er sey die Erde und das Meer durchzogen und habe alle Un-
gethüme verfolgt (es ist zu lesen und zu interpungiren: ral xa~
&ä^avTa o, rt TieQ xay.ov xCvaSoi, iitv^eiv x. r. i.„ nicht : xaxov, *(-
yaiSo;), wobei er im Meere einen weiblichen Schmuck gefunden,
den die Kaufleute noch zu Arrian's Zeit nach Griechenland
brachten; er versteht darunter die Perlmuscheln. Es entspricht
dieser Erzählung, die aber Erweiterungen erhalten hat, die
Logende ( Vishnu P. p. ."^OS.) dass Krishna den im Meere und
iu der Gestalt einer Seemuschel lebenden Kiesen Pank'ag'una
getödtct und aus dessen Knochen seine Muschel gemacht habe.
Die <^ankha oder Seemuschcln dienen auch als Fraueuschmuck.
253
Meffasthenes hatte bei seinem Berichte sicher die Kö-
lige von Palibolhra oder Magadha vor Augen ; wir müssen
daher die Erklärung in den Angaben über die Anfänge der
Dynastien dieses Reichs suchen. Die erste Dynastie vou
Ufagadha im KaU wird abgeleitet vonKuru, einem derKö-
lige von Hästinapura oder des Mondgcschlechts j in diesem
etzen müssen wir den ersten Indischen König des Me-
yasthenes suchen. Das Mondgeschlccht stammt nach der
[ndischen Sage ab von dem Planeten Merkur oder BitJha,
der mit der IIa, der Tochter des Manu, des ersten Gesetz-
gebers und des Urvaters aller Königsgeschlechter , dea
Purüravas, den ersten menschlichen Köui^: des Mondäne-
schlechts, erzeugte. Da nun der Name Budhas und Budyas
derselbe ist, ist die Annahme, dass Megasthenes mit seinem
zweiten Indischen König den Budha meinte, nicht abzu-
iveisen. Er konnte ihn den zweiten nennen^ weil dem ganzen
Geschlechte ein früherer Stammvater, der gemeinschaft-
liche der beiden grossen Königsgeschlechter, Manu, vor-
anffestellt ward.
Ist dicRe Zusammenstellung, wie ich glaube, sicher, so
Folgt, dass der zweite Name der des Pururaras seyn muss.
Wir finden dafür Koadevag und selbst in dieser Form darf
sr uns an unserer Erklärung nicht irremachen; denn wenn
wrir uns dafür ursprünglich nQccQevag geschrieben denken^
babcn wir eine Gestalt des NamenSj welche der Indischea
nahe genug steht und aus welcher leicht die jetzige Lesart
entstehen konnte. Es ist hiebei zu erwähnen, dass für die
Schrift Arriaus, in welcher diese Auszüge aus Megasthenes
enthalten sind^ es noch an Vergleichung einer der besten
Handschriften fehlt.
Es bleibt übrig zu sehen, ob der erste König der Mann
der Inder seyn kann; denn diesen müssen wir an der
Spitze der einen der zwei ältesten Indischen Dynastien finden,
wenn wir glauben sollen, dass diese uns von Megasthenes
acht überliefert worden ist. Der Manu, welcher an der
254
Spitze der Indischen Königsgcschlechter steht, ist der sie-
bente des Namens, der Sohn des Vivasvat oder der Sonne
und daher Vaivasvata genannt. Es ist aber hiebei zu er-
wägen, dass es ursprüngUch nur einen Manu gab, den Sohn
des Brahma, des Schöpfers, dessen Demiurg er ist. Die
Hymnen des Rigveda scheinen nur noch diesen einen zu
kennen und es ist wohl nicht zu bezweifehi^ dass die Vor-
stellung von 7 gewesenen Manu und 7 künftigen, wie sie
jetzt gilt , erst mit der Theorie der grossen Perioden sich
aus der des einzigen, ursprünglichen Manu entwickelt hat.
Diesem ersten wird das Gesetzbuch gegeben und er ist der
eigentliche Schöpfer. Sein unterscheidender Beiname ist
Sväjambhuva und^ wenn man berücksichtigt, dass in diesem
Namen zwei Laute sind, welche die Griechische Sprache
zu Megasthenes Zeit längst nicht mehr kannte und das
Alphabet nicht bezeichnen konnte, y und r,wird man kaum
Bedenken tragen, ihn in Spatembas wiederzuerkennen. Me-
gasthenes kann die verschiedenen Manu verwechselt oder
nicht berücksichtigt haben ; es konnte auch zu der Zeit
noch eine Ueberlieferung sich erhalten haben, nach welcher
der erste Manu als Stammvater der noch regierenden
Könige aufgestellt Avurde.
Ich halte mich nach dieser Auseinandersetzung für be-
rechtigt zu behaupten, das zu Megasthenes Zeit die Dar-
stellung der frühesten Indischen Geschichte ebenso begann,
wie jetzt im Mahäbhärata und den Puränas. Die Ueber-
cinstimmung in der Sache, die Aehnlichkeit der Namen
sprechen dafür.
Es lässt sich noch eine Wahrnehmung an der Dar-
stellung des Megasthenes machen; wenn er dem ersten
Könige 52, dem zweiten 20 Jahre giebt, diese Könige aber
göttliche und mythische Wesen der Inder sind, so ist kaum
anders zu glauben, als dass die Inder ihnen entweder keine
feste Dauer ihrer Regierung oder eine sehr grosse be-
stimmten; die Jahre des Megasthenes erregen daher den
255
Verdacht , willkührlich verändert oder erfunden worden
zu seyn.
Eine zweite Stelle gibt eine andere wichtige Nach-
richti^ng über die historischen Ueberlieferungen , welche
zu Megasthenes Zeit in Indien galten. Sie ist leider lücken-
haft^ doch ist ein Theil noch so erhalten, dass wir den
wesentlichen Inhalt erkennen kön;ien.
Nachdem er die Zahl der Könige und der Jahre der
Indischen Könige von Dionysos auf Sandrokottos in der
früher erwähnten Weise angegeben, hatte er nach Arrian's
Berichte folgendes hinzugefügt ^) :
Im Verlaufe dieser Zeit sey dreimal das All zur Un-
abhängigkeit gekommen ; die Dauer dieser Unabhängig-
keit sey einmal 300, ein anderes 120 Jahre gewesen. Es
fehlt die Angabe über die Zahl der ersten dieser kürzeren
Perioden.
Obwohl lückenhaft, lassen diese Worte noch klar er-
kennen , dass nach der Darstellung, Avelche 3Iegasthenes
erhielt und raittheilte, in der Vorzeit drei allgemeine grosse
Umwälzungen der Dinge vorgekommen seyn sollten; die
dadurch bewirkte Auflösung der früheren Zustände wurde
nach Jahren in kürzeren Perioden bestimmt. Man kann
über diesen Sinn im Allgemeinen nicht zweifelhaft seyn;
eine nähere Bestimmung dessen, was Megasthenes unter
dem Ausdrucke Freiheit oder Unabhängigkeit verstand,
scheint in seiner oben erwähnten Bemerkung zu liegen^
dass mehrmals die regelmässige Nachfolge der Könige
aufgehört habe und dann die vornehmsten als Könige ein-
1) Arr. Ind. IX, 9. Die Worte im Original sind diese: — — frta
Sty OVO xdi TtaaaqäxovTci xa'i t^axia^Cha' Iv St -coiiTousi rpl; »o
näv €15 ei.£v^eqtt]v — tjJv Se, xai e; TQiaxöata' Ttjy 3e,
tixoai Tt iittav xcu. ixaröv. Die Herausgeber bemerken, dass hier
das Zeitwort zu llBv^tqCtjy und die erste Zahl fehle. Wahr-
scheinlich fehlt aber auch eine nähere Bestimmung darübefi
was unter iXtu&e^i^ zu verstehen sey.
256
gesetzt worden seyeu. Er ineijite jedenfalls allgemeine
Aenderungen der bestehenden Zustände.
Diese Darstellung stimmt nun so genau zu der noch
allgemein geltenden Indischen, dass ich gestehe nicht ein-
zusehen, wie diese in so wenigen Worten genauer wiederge-
geben werden konnte, noch wie man diese Uebcreinstim-
mung verkennen kann.
Wie jetzt, waren damals^ wenn die Lehre von den
vier Weltaltern galt, drei Weltalter abgelaufen; Sandro-
kottos lebte Avie Megasthencs im jetzigen Weltalter der
Brahmanen. Wir kennen bei den Brahmanen keine andere
Eintheilung der als historisch geltenden Zeiten und Dy-
nastien als diese.
Die dreifache Wiederhohlung der Unabhängigkeit, deren
Megasthenes gedacht , findet sich ebenso in der Indischen
Ueberlieferung , als eine wiederhohlte Vernichtung aller
herrschenden Königsgeschlechter, Auflösung des Bcstehen-
i^en und Bildung einer neuen Periode. Die Gerechtigkeit
und jede Tugend^ die Gesundheit, die Kraft und das Le-
bensalter, der Segen der Werke, nehmen ab im Verhält-
niss zu den Weltaltern und werden geringer, andere Ge-
settze herrschen in jedem ; in Krita die Frömmigkeit , in
Tirctä die Erkenntniss, das Opfer in Dvapara, in Kali bleibt
mir die Freigebigkeit zurück ^). Es ist hier besonders aber
dieses hervorzuheben, dass am Ende des Dvapara alle Kö-
nilgc in dem grossen Kriege oder gleich nachher zu Grunde
gehen; nur durch den wunderbar geretteten Pnrixit gewinnt
das Geschlecht der Pändava eine künstliche Fortsetzung
in 's neue Weltalter; die übrigen Familien, die aus der
früheren Periode herstammen, gehen auch alle nachher aus.
Ebenso tritt am Ende des driiten Weltalters eine solche
allgemeine Vertilgung ein; Para^u Räraa vernichtet wie-
1) Manu, l, 81. fgd.
257
dcrhohlt alle Xatrijastärame und Könige ; nur wenige Nach-
kömmlinge waren in verborgenen Zuflnchtsstätten auf
%vunderbare Weise gerettet worden und wurden als Könige
eingesetzt, weil das Unrecht mit der Herrenlosigkeit alles
auf der Erde zu vertilgen drohte *). Weniger deutlich tritt
eine solche allgemeine Vertilgung des frühem Zustandes
am Ende des ersten Weltalters hervor, obwohl zwischen
ihm und dem folgenden ein grosser und wesentlicher Un-
terschied ist, da der ersten Zeit besonders die Begeben-
heiten angehören, welche nicht menschlicher Art sind, die
Thaten der Götter und Urväter, der Daitja und Dänava,
dagegen mit dem zweiten Weltalter die für menschlich ge-
haltenen ersten Könige zu regieren anfangen'*}.
Ist nun auch noch nicht klar, welches Ereigniss den
Schluss des ersten Juga bildete, so tritt dieses ganz deut-
lich am Ende der zwei folgenden hervor ; es tritt ein allge-
meiner Sturz der Herrschaft^ eine allgemeine Unabhängigkeit
von der königlichen Gewalt ein.
Es liegt in der Darstellung des Megasthenes enthalten,
dass diese Auflösung der Zustände am Ende der grösseren
Perioden eintrat; seine Zahlen sind für diese viel kleiner^
als die für die Dauer des regelmässigen Zustandes. Es
trifft dieses genau mit der einheimischen Darstellung zu-
sammen. Erinnern wir uns zuerst, dass am Ende wie am
Anfange jedes Weltaltcrs eine kürzere Periode eintritt,
durch welche das vorhergehende von dem folgenden geschie-
den wird, eine sogenannte Dämmerung, auch Zwischenzeit
oder Intervall genannt. Von der Vertilgung der Könige
durch Para^iu Räma heisst es nun: j,'m der Zwischenzeit
des Tretä und des Dväpara erschlug, von Zorn getrieben,
Rama, die Zierde der Helden, oft die Königsgeschlechter."
1) Diese Erzählung ist am vollständigsten und äcbtesten im Ma-
häbhärata enthalten, XII, Cap. 48, fgd.
2) S. Vishnu Pur. p. 397. not. 6. p. 360. u, sonst.
V. 17
258
Ebenso vom grossen Kriege: .,als die Zwischenzeit des
Dväpara und Kali gekommen, war der Kampf der Kuru
und Pändava in Samantapank aka'^^^.
So weit, glaube ich, sind wir im Stande die Nach-
richten des Megasthenes genügend zu erläutern. Die Ein-
theilung der ganzen Zeit in vier grosse Perioden, von de-
nen drei verflossen waren; am Ende einer jeden ein grosses
Ereigniss, durch welches der frühere Zustand der Dinge
aufgelöst wurde; eine verhältnissmässig kürzere Dauer
dieser Uebergänge: diese Darstellungsweise der für histo-
risch gehaltenen Ueberlieferungen der Vorzeit herrschte
damals schon in Indien und ist ihm mitgetheilt worden.
Man leitete damals, wie jetzt, die älteste Dynastie von
Magadha vom K' andravaiifa oder Mondgeschlechte ab und
stellte Manu und Budha an die Spitze. Die Erklärung hat
sich uns aus der einfachen Vergleichung der noch erhal-
tenen Indischen Ueberlieferungen mit dem Berichte des
Seleukidischen Gesandten ergeben, ohne die Nöthigung,
an jenen etwas zu ändern.
Betrachten wir zuletzt die Zahlen, obwohl diese bei
der Unsicherheit der wichtigsten unter ihnen uns wenig
Aussicht auf Erfolg darbieten. Wenn es richtig is(^ dass
seine Freiheitsperioden den Indischen Sandfijün^a entspre-
chen, und nur die zweite und dritte Zahl erhalten sind, so
bietet seine erste allerdings eine erwünschte Uebereinstim-
mimg, da die Inder dafür 300 Götterjahre setzen, Mega-
sthenes ebenso viele menscliHche; aber für die 200, die wir
zunächst zu erwarten hätten, finden sich 120. Es wäro|
leicht, hier eine falsche Lesart zuvermuthen; doch scheint
mir dieses Verfahren nicht ralhsam, so lange es nicht aus
andern Gründen sicher ist, dass Alegasthenes in seinen
Zahlen Indische Götterjahre als menschliche gesetzt hat.
Man könnte dieses auch aus seiner Gesammtzahlvcrmuthen
1) Mahäbh. I, V. 272. 288. Vol. \, p. 10. p. 11.
!^59
wollen. Da seine Zählung mit dem Grossvater des Pu-
niravas anfangt, also waiirscheinlich mit dem Treta, hätten
Vf'iT für das zweite und dritte Weltalter 6000 Jahre zu er-
warten; denn so viel Götterjahre enthalten beide im Indischen
Systeme. Dieses giebt aber einen viel zu nahen Anfang
des Kalijuga, 42 oder 451 vor Kandragupta's Regierungs-
antritt Ich verfolge diesen Gegenstand nicht welter, da ich
kein 3Iittel weiss, ihn aufzuklären. Nur dieses ist klar,
Megasthenes giebt nicht die grossen Zahlen der Inder 5 da-
gegen hat er mehr Könige von Budha auf K'andragupta,
als die Inder, welche nicht zwei Drittel seiner Zahl be-
sitzen. Ich schliesse daraas, dass wir die alten Verzeich-
nisse nicht unverkürzt vor uns haben.
Cim. L(AS>ssN.
i
XIII.
Zup Theorie des Cloka.
Die genauere Untersuchung des epischen Versmasses der
Inder hat zunächst den rein wissenschaftlichen Zweck , die
Gesetze seiner Bildung und ihre metrischen Gründe aufzu-
finden; daneben aber hat sie bei den ausgedehnten Massen
und der zum Theil unbefriedigenden TextbeschaiFenheit der
in ihm abgefassten Werke ein sehr grosses praktisches In-
teresse für die Kritik, w^elche ohne .sichere Kenntniss des-
selben einer wesentlichen Grundlage entbehrt. Die wissen-
schaftliche Untersuchung ist vornämlich darauf gerichtet,
welche Füsse in dem scheinbar so regellosen rQetruni mög-
lich und warum sie möglich sind. Von diesem Gesichts-
punkte aus hat Ewald in seiner 1827 erschienenen kleinen
Schrift Veber einige Sanskritmetra aus unmittelbarer Be-
obachtung des dichterischen Gebrauches eine die Sache in
der That erschöpfende und unabänderliche Auseinanderset-
zung gegeben. Für die Kritik hingegen, welche die Gesetze
sucht , nach denen sie zu emendiren oder Lesarten zu wäh-
len hat, herrscht das entgegengesetzte Interesse vor, zu wis-
sen, ob ein Fuss unter gewissen Umständen oder unbedingt
von den einzelnen Stellen des (j^loka ausgeschlossen ist; hier
yt Gewissheit nöthig über manches Einzelne, über welches
die Theorie ihr Endurthcil unbeschadet ihrer Richtigkeit im
Grossen einstweilen noch offen lassen konnte. Und in die-
ser Beziehung wird es von vorn herein nicht bloss lohnend,
i
261
sondern noth wendig erscheinen, vor allem Andern die Indi-
schen Grammatiker zu befragen, deren genaue und auf einer
viel breiteren Basis ruhende Beobachtungen man in jedem
neuen Falle von Neuem schätzen lernt , und ihre Angaben
an dem uns zu Gebote stehenden Material zu prüfen. Bis
jetzt wenigstens ist die Frage nach der Möglichkeit oder
Unm^lichkeit gewisser Rhythmen noch keineswegs abge-
schlossen , vielmehr müssen die Beobachtungen in dieser
Rücksicht noch lange forlgesetzt werden.
Die Resultate der Ewaldischen Untersuchungen waren :
dass an der ersten Stelle alle Füsse erlaubt seyen, an der
vierten nur der Dijambus ; dass an der dritten Stelle der
Dijambus und der ihm metrisch gleichstehende dritte Epitrlt
und an der zweiten Dijambus , dritter Epitrit , die beiden
lonici und der dritte Paeon vermieden würden. Einige wi-
derstrebende Verse aus dem Mahabhärata wurden sogleich
durch Conjecturen beseitigt, welche sich nachher in der ver-
hältnissmässig so guten Calcuttaer Ausgabe bestätigt gefun-
den haben (Biig. III , 19. Sund. 1 , 9. b. Hid. IV , 23. , wo
diese indess c äkarshatus hat , nicht c akrishatus) ; indess
blieb noch immer eine gewisse Zahl derselben übrig , die
bald darauf durch Ste>zlers fleissige Sammlungen im Brah-
ma Vaiv. Pur. Spec. 1829. p. 9. noch vermehrt ward. Al-
lein auch diese beruhen, wie die Calcuttaer Ausgabe zeigt,
auf falschen Lesarten , welches im Eliuzeluen nachzuweisen
nicht überflüssig ist.
Im vierten Fuss zunächst hat dieselbe in allen Fällen,
wo Abweichungen angegeben sind, den reinen Dijambus. Der
Vers Ram. I, 9, 33 (ich verdanke die Notiz der verschiede-
nen handschriftlichen Lesarten Hrn. Lasse>'s gütiger Mitthei-
lung) steht so allein in dem Ms. T. , das in dieser Erzäh-
lung vom Rishyacringa viele neuere Zusätze hat (Praef. p.
XLVI. LIV), und ist durch einfache Umsetzung des h leicht
zu corrigiren.
Ijm dritten Fuss stehen ebenfalls die aus dem Mahäbha-
262
rata anAfeführten Beispiele in der Caicuttacr Ausgabe sämmt-
lieh richtig. Von den aus dem Mmäyana genommenen müs-
sen die folgenden wegfallen, in denen der anstössige Fuss
entweder (vgl. Praef. p. LH) durch Zusammenschmelzung
verschiedener Lesarten oder durch die Verbesserung einer
zwar den richtigen Fuss darbietenden, aber falschen Lesart
entstanden ist : I, 5, 6 ; 6, 4. 21 ; 9, 6 ; 13, 54 ; 2^ 16 ;
26, 20; 63, 28, wohin auch die nicht angeführte Stdle I,
3, 5 gehört. Vorläufig bleiben dagegen I, 9, 60, wo der
gedruckte Text die Lesart aller Bengalischen Mss. bietet, so
wie 48, 21 und 63, 1, wo sämmtliche verglichene Handschrif-
ten der Commentatorenrecension übereinstimmen.
An der zweiten Stelle hat auch das Calcuttaer Mahä-
bhärata Nal. 3, 13 den Dijambus; von diesem Verse wird un-
ten die Rede seyn. Für den louicus a minori bleibt Indral.
5, 52 gültig; es wird sich zeigen, dass dieser Fuss gedul-
det werden kann. Dagegen sind von den Beispielen aus
dem Ramäyana I, 9, 16 und II, 16, 32 Druckfehler, die be-
reits im zweiten Bande verbessert sind, und I, 54, 7 ist mit
den Commentatoren die archaistische Form jp;^ zu lesen.
Die Form, welche die Indischen Grammatiker dem (^loka,
bestimmt haben, lernt man aus drei verschiedenen Schriften
kennen , nämlich aus Colebrooke's bekannter Abhandlung,
Essays 11, 157 , aus Chezy's Thdorie du Sloka. Par. 1827.
8. und aus C. P. Brown A familiär analysis of Sanscrit
■prosody Lond. 1837. 8. Cukzy erzählt zwar von einem nom-
bre prodtgieux d'exemples , einer quantile immense de
vers, die er habe vergleichen müssen, um daraus die Theo-
rie abzuleiten ; sein Schema stimmt indess ganz genau zu
Colebrooke's etwas unbequem zu enträthselnden Regeln, und
wenigstens können weder die damals gedruckten, noch auch
die von ihm selbst herausgegebenen Texte zu dem nomhrc
prodtgieux gehört haben, da diese eine andere Theorie ge-
geben hatten, so wie z. B. Yag'nadatta 82 an der zweiten
Stelle der von ihm verbotene Dijambus , das. 61 au der
dritten der erste Paeon steht. Bbows hat sein Schema von
eiaem Brahmanen , wie es scheint , in Madras erhalten ; es
ist indess kein anderes, als das Colebrookeische, zu dessen
Elrklärung er es benutzen wollte. Alle drei stimmen daher
mit einander ganz überein, nur hat, um dies gleich zu be-
merken, CoLEBRooRE , wic CS scbeiot, nach einer andern Au-
ctoi|;ität (er sagt : „5 or 7 species", ohne sich näher zu er-
klären) für den zw eiten Fuss auch Dijambus, dritten Epitrit,
zweiten Paeon und lonicus a majori zugegeben und fügt
hinzu : „no instance occurs of w w — — ." Dies ist auffal-
lend, da gerade vom lonicus a minori Beispiele vorkommen,
nicht aber von den übrigen genannten Füssen , so dass es
nahe liegt, hier irgend einen Fehler zu vermuthen.
Setzen wir die Angaben der einheimischen Metriker in
unsere Ausdrücke um , so ergeben sich folgende einfache
Regeln :
1) An der vierten Stello ist nur der Dijambus zu-
lässig.
2) Ausgeschlossen sind an der zweiten und dritten Stelle
der Dijambus und der ihm gleiche dritte Epitrit;
3) an der ersten und dritten die vier Füsse , welche
dem choriambischen Rhythmus angehören: Choriambus, er-
ster und vierter Paeon und Proceleusmaticus ;
4) an der zweiten Stelle die Füsse , welche mit zwei
und mit nur zwei Kürzen beginnen und schliessen : lonicus
a minori und dritter Paeon; lonicus a majori und zweiter
Paeon.
Man sieht, wie genau diese Angaben hinsichtlich des
Faktischen mit den von Ewald gefundenen Gesetzen über-
einkommen ; sie fügen nur den allerdings sehr wichtigen Um-
stand hinzu, dass auch an der ersten und dritten Stelle ge-
wisse Füsse verboten seyen, und gewiss sind sie, bis auf das
allerdings mögliche Vorkommen des lonicus a minori an
der zweiten Stelle , vollkommen richtig , obschon ein gan2
befriedigender metrischer Grund für die Regeln 3. und 4.
264
sich nicht auf den ersten Blick zeigt, besonders da der lo-
nicus a minori in dem längern episcJjen Metrum regelmässig
an der Stelle eines , wie Ewald annahm und die Vedame-
tren beweisen , ursprünglichen lambus erscheint. Erwägt
man indess , dass das erste Bildungsgesetz des ^loka , die
Eintönigkeit immer wiederkehrender lamben durch wider-
streitende Rhythmen aufzuheben, nothwendig ein zweites zur
Seite haben muss, welches diese Freiheit auf ihren Zweck
beschränkt und die Ausartung in einen fremdartigen Rhyth-
mus hindert , so hat vielleicht folgende Auffassung einige
Wahrscheinlichkeit. Von dem iambischen Rhythmus sind am
weitesten entfernt der choriambische und der ionische , und
zwar letzterer noch mehr als ersterer ; näher steht wegen
seines iambischen Anfanges der Antispast. Letzterer ist bei
dem einfachen ^loka zu jenem Zweck ausreichend und so-
gar der angemessenste , weil die Cäsur , vor der er steht,
seinen Trochaeus scharf und stark gegen den Schlussiambus
der andern Hälfte hervorliebt. Neben ihm wird der Chori-
amb möglich, ist aber offenbar desshalb in viel beschränk-
terem Gebrauch, weil er schon mehr vom iambischen Rhyth-
mus abweicht. In dem längern Masse dagegen, in welchem
der verunähnlichte Fuss nicht vor die Cäsur fällt , ist der
Antispast dem lambus zu nahe, um anwendbar zu seyn, hier
fordert das Ohr die stärker contrastirenden Rhythmen des
Choriamb und des lonicus a minori. Ist der letztere hier
nothwendig, so weicht er dagegen für den einfachen ^/loka
vom lambus zu weit ab und findet sich daher nur äusserst
selten angewendet. Noch mehr ist dies der Fall mit dem
noch entfernteren lonicus a majori , den dazu seiner Fremd-
artigkeit wegen das an den Grundrhythmus gewöhnte Ohr
leicht als einen an der zweiten Stelle so entschieden verbo-
tenen iambischen Takt — J- -^ ^ auffassen könnte.
Es folgt ferner aus demselben Grundsatz, dass ein ent-
fernterer und an einer Stelle gleichsam nur in zweiter Reihe
zugelassener Rhythmus an den andern Stellen beschränkt
365
werden muss, damit nicht durch seine dann mügliche Wie-
derholung ein fremdartiges Taktverhältniss länger fortge-
setzt werde. Daher ist der choriambische Rhythmus von
der ersten und dritten Stelle ausgeschlossen, weil drei oder
auch nur zwei auf einander folgende Choriamben offenbar
den iambischen Grundrhythmus aufheben würden. Die lo-
nici, obschon von demselben weiter entfernt , können dage-
gen an diesen Stellen, die nicht seine eigentlichen Triiger
sind , stehen , wirken aber umgekehrt auf die zweite Stelle
zurück, indem sie gewiss ihrerseits den principiell allerdings
möglichen Gebrauch des lonicus a miuori gehindert haben.
Die mehrmalige Wiederholung anderer Rhythmen übt keinen
durchaus störenden Einfluss, doch ist sie selten, und nur von
drei Antispasten ^ — sind die Beispiele hiluüg, weil bei
ihnen der lambus fortwährend durchklingt. Man sehe Ragh.
I, 18. 75. IV, 1. 3. 12. 30. X, 28. 56. 78. XII, 56. 81. 95.
97. 101. XV, 73. XVIII, 47. 62. Rum. II, 41. 45. VI, 7. u. a.
Wenn sich hieraus zeigt, dass die Bestimmungen der
Indischen Metriker keineswegs willkührlich, sondern aus dem
Wesen der Rhythmen begreiflich sind , so ist ferner zu un-
tersuchen , in wie weit sie dem w irklichen Gebrauch der
Dichter entsprechen. Um hierbei sicher zu gehen, darf mau,
so scheint es, Texte, die von Europäischen Kritikern bereits
unter gewissen metrischen Voraussetzungen recensirt sind,
eben so wenig zu Grunde legen , als die Auctorität einzel-
ner , wenn auch verhältnissmässig guter Handschriften von
variantenreichen Werken , wie Ramäyana und Mahäbhärata.
Man hat sich vielmehr zunächst nur an Werke zu halten,
welche uns schon aus Indien in einem im Ganzen festen
Texte überkommen sind , wohin vom älteren Stile unter an-
dern Manu , vom neueren die von alten Commentatoren be-
handelten Kunstgedichte gehören. Eine solche Untersuchung
wurde, um beide Stilarten zu berücksichtigen , an der Bha-
gavadgitä und an den beiden Kalidäseischen Epen nach Mal-
linätha's Rccension, wie sie in Stenzler's Ausgaben vorliegt,
angestellt. Die erstere enthält 645 epische ^loka, also 1290
' Halbcloka, die beiden letzteren zusammen deren 706, d. i.
1412 einzelne Verse, die als solche gezählt werden müssen,
da sich zwischen dem ersten und zweiten Halbcloka nicht
der mindeste wesentliche ünterscliied zeigt.
An der ersten Stelle bestätigen sie die Angabe der In-
der vollkommen , da kein von diesen ausgeschlossener Fuss
auch nur ein einziges Mal darin vorkommt. *). Das Ver-
■^ hältniss der übrigen Füsse ist im Kum. und Ragh. folgen-
des : Zweiter Epitrit 175 ; Dispondeus 141 ; lonicus a min.
138; Dijambus 133; erster Epitrit 123; dritter Epitrit 116;
vierter Epitrit 110 ; Ditrochaeus 107 ; dritter Paeon 104 ;
Ion. a maj. 96; Antispast 86; zweiter Paeon 83. Oder diese
Fasse nach den Rhythmen geordnet : — w — :=: 282 ;
i=: 251; — —^ —249; ^ -^——242; —
209; — — -w w 179. Die auffallende Gleichheit dieser Zah-
len , zwischen denen der grösste Unterschied der von 2 zu
3 ist, darf nicht für zufällig gelten , und zeigt andererseits,
dass durchaus ein inneres Gesetz die choriambischen Rhyth-
men ausschliessen muss.
Ganz auf dieselbe Weise zeigt sich an der dritten Stelle
kein Beispiel eines der sechs unstatthaften Fiisse , und das
Zahlenverhältniss der Rhythmen bleibt ziemlich genau das-
selbe, nur dass hier der Antispast den lonicus a minor! et-
was überwiegt. Zweiter Epitrit 205; Dispondeus 187; vier-
, ter Epitrit 152; Ion. a maj. 148; Ion. a min. 146; Ditro-
chaeus 143; Antispast 135; erster Epitr. 120; dritter Paeon
97; zweiter Paeon 80. Oder vielmehr — «— — ±1 348;
*) In Beziehung auf Cuim's Schema hat Stbnzlbr a. a. O. drei
Beispiele des Clioriambus und vierten Paeon aus dem RämA-
yana beigebracht. Aber auch hier fallen I, 9 , 17 und 34 aus
oben angegebenen Gründen weg nnd 13, 31 ist Bengalische
' iiesart, wofür bei den Commcntaloren ein richtiger Fuss steht.
267
^339; ^ — 255; >- w_ ^ 243; ^—ww
228.
An der zweifen Stelle endlich erscheint der ausgeschlos-
Ncue lonicus a minori Bhg. II '16 nnd Kum. II 18. Bei wei-
tem überM'iegend ist die Zahl der Antispaste und ersten Epi-
trite ; sie beträgt in der Bhagavado^ita 1142, in den beiden
Kunstgedichten 1293 (Antispast 409, erster Epitrit 884). Die
übrigen theilen sich so , dass der choriambische Rhythmus
am häufigsten und bei Kälidasa fast aussch liessend er^iciut ;
denn der Dispondeus, der an sich kein Rhythmus ist, geht
hier wohl nur vom Antispast aus.
1.
Chor.
Bhg.
31
Paeon 4.
—
52
Paeon 1. ')
—
4
Proc. 2)
—
8
2.
Ditroch. ^)
—
6
Epitr. 2. ")
—
24
3.
Dispond.
—
12
Epitr. 4.
—
10
95
30
Kai. 28
- 43
72
«« — 33/
^ - «1«
An dieser Stelle zeigt sich zuerst ein Unterschied zwi-
schen dem älteren und zwischen dem späteren Kunst-Stil, wel-
cher offenbar die seltenern Füsse Ditrochaeus , Epitr. 2. ,
Paeon 1. und Proceleusmaticus mit Absicht vermeidet und
sich ihrer so einzeln bedient, dass er dadurch gleichsam nur
sein Recht auf sie scheint behaupten zu wollen.
Für den kritischen Gebrauch ergiebt sich aus dem Bis-
herigen Folgendes. Der Jonicus a minori an der zweiten
Stelle , von dem auch sonst einzelne sichere Beispiele vor-
1) Bhg. VI 26. VII 19. XIV 9. 15.
2) Bhg. III 5. VI 10. IX 26. XI 10. XIV. 5. XVIII. 23. 37. 38.
Eagh. X 8
3) Bhg. II. 61. m 7. 37. VII 17. XIV 10- XV 9.
4) Kum. VI 73.
268
kommen, wie Manu I 53. II 85. IX 101 (Westergaard Radd.
p. 293 not.), ist unanstössig, wenn die Lesart sonst sicher
ist. üeber das wirkliche Vorkommen der übrigen unter 3.
und 4. ausgeschlossenen Füsse sind zunächst noch ausge-
dehntere Beobachtungen nach den Stilgattungen nöthig; je-
denfalls wird man sie nur auf die beste handschriftliche
Auctorität stehen lassen können. Dagegen scheint es , als
ob Dijambus und dritter Epitrit an der zweiten und dritten
Stelle nie zu dulden seyen, denn diese greifen in das oberste
Bildungsgesetz des ^loka ein , durch welches er sich aus
dem iambischen Tetrameter und im Gegensatz zu diesem
entwickelte, so dass sein Wesen als eines neuen selbststän-
digen Metrums erst in dem Gegenschlag anderer Rhythmen
gegen den lambus des Schlusses beruht. Einen diesem Ge-
setz widerstrebenden Fall wird man ohne Bedenken für eine
Corruption halten dürfen und meistens Mird die Emendation
nahe liegen. Wenn z. B. an der obigen Stelle Nal 3 , 13
>w/ S_/
der zweite Fuss iva prabhäm lautet (die Colebrookeische Re-
gel Essays II 71, dass pr, hr, br, kr zuweilen keine Posi-
tion machen , wird man , ehe eine Bestätigung dafür beige-
bracht ist, nicht anwenden können, obschon sie in einem sol-
chen Fall im Anfang eines neuen Wortes nach Analogie der
Lateinischen Prosodie noch am ehesten denkbar wird), so
ist gewiss iva vibhäm oder vielleicht, den Schriftzügen nä-
her , iva ^ubhäm zu corrigiren und anzunehmen , dass der
seltenere substantivische Gebrauch von ^ubhä jenes prabhä
als Glosse in den Text gebracht hat. Wenn Manu IX, 48
bis jetzt ohne Variante im dritten Fuss mahishyag'ävikäsuc'a
gelesen wird, so liegt die Vermuthung, es müsse mahisTiägä —
hcisscn , um so näher , je leichter jene Lesart aus der Re-
flexion entstanden seyn kann, dass dem Sinne nach das Fe-
mininum erfordert M'erdc, einer Reflexion, welche übersah,
dass in dem vorhergehenden analogen Wort ebenfalls das
allgemeine Masculinum ushtra stehe.
209
Nicht ganz klar ist es, worauf die fernere Angabc der
Grammatiker (Brown S. 6) sich beziehe, dass sich in eini-
gen Thfeilen der Veden , Gesetzbücher und älteren Puranen
einzelne nicht mit jenem Schema zu vereinigende Verse fän-
den, die als ärsha und unabhängig von prosodischcn Gesez-
zen betrachtet würden , wie dieses auch bei andern Metren
geschehe. Zum Theil mögen sie hier die altern Gestalten
des Cloka im Auge gehabt haben; aber die Erwähnung der
Gesetzbücher und Puranen kann wohl nur auf Licenzen in
dem eigentlichen epischen ^loka hindeuten , der Art etwa,
wie die beiden zuletzt angeführten Beispiele sind, bei denen
allerdings noch immer die Mögfichheit eines alten Textfeh-
lers am leichtesten zu vermuthen und in solchem Fall jeder
einzelne Vers für sich zu betrachten ist. Oder endlich kön-
nen noch gewisse vereinzelte, dem Schema nicht entspre-
chende Verse gemeint seyn, deren sich allerdings finden und
die mit Recht ärsha heissen würden. Dahin gehört zunächst,
dass der erste Fuss gesetzmässig auch fünfsilbig sein kann.
Diese Erscheinung ist meines Wissens, eine kurze und nicht
ganz genaue Erwähnung bei Westergaard Radd. p. 173
ausgenommen , noch nicht besprochen , und es wird daher
nöthig sein , da sie nur durch Induction erwiesen werden
kann , eine hinreichende Zahl von Beispielen , die aus dem
Mahäbhärata leicht noch vermehrt werden könnte, zugleich
mit Angabe der bekannt gewordenen Varianten herzusetzen.
g'anameg'ayas- ya rag'arshe: MB. I, 9
Der IName G'anameg'aya so : MB. I 20. 97. 303. 1012.
1058. 1196. 1596. 1598. 1623. 2041. 2073. 2093. 2126.
2190. 2203. 2214. 2217. 3740. 3742. 3744.
abhisäryatnä- nam anicam I 1221.
aparäg'ito g'yotikacc'a I 1558.
aditir ditir danu : kälä I 2520.
aparag'ita : > panditakl) I 2736. '
abhishektuka- mam nripatim I 3.518.
bnlavat sapat- natam atra I 4040.
aparäg'Ita: kundacjiyi I 4549.
upapäclltam narais tatra I 4997.
abhivadaya- mähe brahman I 5166.
aiiugamyamä- no gandharvais I 7912,
anagiyaraä- no gandharvais I 7913.
upaniyamä- nam yaktamc'a II 1331.
upagiyamä- na närihhir II 2027.
abhivädaye tväm cirasä Indral. V, 20. Bopp*
abhiväde in der Calc. Ausg. III 1836.
caranägatam c'a tyag'ela III 10566.
caranägatä- smi te deva HI 10941.
upag'ivanam kim svid asya III 17356.
upag'ivanam c'a parg'anyo III 17357.
purasham tvida- mm vyakhyähi III. 17404,
amitaug ase tathogräya V 75. .
aparäg'ito nishädacca V 84.
9aranagatä- smi te brahman V 382.
caranägatam na tyag'eyam V 383.
Bei Holtzmann olme Variante aus dem Pariser Ms.
vrishalipatir dvig'o ya9ca V 1345.
abliivadayan- ti bhavatim V 3228.
arunodaye pradrifyante VI 63.
parimandalas tayor madhye VI 204.
tanulomake- cada9anäm Manu III 10.
taavoshlhakecadacanam Ms. V, VI, VII bei Loiseleur.
cacakürmayos tu raänsena Man. IH 270.
Ms. Dev. lässt tu aus.
prapitamahans tathadityän Man. III. 284.
prapitämahäncc'adityan. Ms. Dev. bei Loiseleur. Aelmlicii
hat die zweite Caicuttaer Ausgabe tu für tathä.
da9alaxanä- ni dharmasya Man. VI. 93.
dacalaxauakam dharniain. Ms. Dev.
mritavastrabhrit svanaryasu Man. X 35.
Oder inritav^strabliritsu nurtslni Calc. 2.
Dagegen inritavastrasvanar;yfisu. Ms. Dev.
271
avakirnivar- gam cuddhyartbam Man. XI 117.
avakirne vrate ciidiiyet Ms. Bomb, und avakimica cuddbyar-
tham Ms. Wili.
vishayopase- vä c'ag'asram Man. XII 32.
caraaagatas- ya bhagavan Kam. I, 60, 26 Gorres.
ag'itcndriyo 'smiti bhricam Räm. I, 66, 19 Gorr.
Beide Stellea so in allen Bengalischen Mss. Gorresio p. LXXVI.
Kritisch , um dies zu bevorworten, wird sich gegen den
grössten Theil dieser Beispiele nichts ausrichten lassen. Die
Diction derselben ist so einfach uud nothwendig, dass sie
dem Sinne nach keiner Emendation bedürfen und nur eine
sehr gewaltsame zulassen. Die angeführten Variauten sind,
wo der Sinn nicht ganz derselbe bleibt , schlechter als der
Text ; sie sind äusserlich namentlich bei Manu sehr wenig
beglaubigt und tragen alle zu sehr den Stempel absichtli-
cher metrischer Emendation , als dass sie nicht selber das
höhere Alter der Texteslesart verrathen sollten.
In allen diesen Beispielen erscheint der fünfsilbige Fuss,
I der übrigens auf die Wahl der Füsse in der zweiten Stelle
I gar keinen Eiufluss übt, in der Form ^ ^ — w — ^ welche
sichtlich auf den viersilbigen Grundfuss ^ — zurück-
geht. Es zeigt sich darin der erste Ansatz zu einer noch
freiereu Ausbildung des Cloka, und es ist in der Natur der
Sache begründet, dass diese zunächst an dem ersten Fusse
als dem freiesten Statt finden und dass sie von dem iambi-
schen Grundfusse ausgehn musste. Sehr ähnlich ist es, wenn
in dem längeren epischen Metrum ebenfalls der erste Fuss
fünfsilbig wird (Ewald a. a. 0. S. 18) , ohne dass es je-
doch dort , so wie in diesem, nothwendig geworden wäre
mit der fünften Silbe das Wort zu schliessen. Dem Wesen
nach kommt die Umsetzung des Fusses indess mehr mit je-
ner andern Erscheinung in dem zweiten Metrum überein,
nach welcher für den lonicus der zweiten Stelle — ^ — —
auch www gesetzt wird (Eavald S. 17). Diese Auf-
lösung der Länge in zwei Kürzen bringt jedoch etwas der
272
Natur des Cloka, der die Silben zählt, Fremdes hinein, und
es ist desshalb in der Ordnung-, dass eine solche Freiheit nur
in ihren Anfängen geblieben ist , während sie im zweiten
Metrum seines lyrischen Charakters wegen sich mehr aus-
breiten konnte. Wie aber die Indischen Schreiber bemüht ge-
wesen sind, die Unregelmässigkeit allmählich wegzuschaffen,
zeigen die obigen Varianten, und es steht zu vermuthen, dass
dadurch aus dem Rämäyana und Mahäbhärata bereits eine
grössere ursprüngliche Zahl vertilgt ist.
Von andern Formen kommen dagegen nur sehr selten
einzelne Beispiele vor ; ich kann deren bloss ZAvei, die sicher
scheinen, angeben, nämlich
dacacrotrlya- samo räg'ä MB. I 1722.
— ^ — ' — ^^ —
uttaräyanam c'a kramaco Man. VI, 10.
turäyanamc'a kramaco Ms. Dev.
Auch diese Füsse lassen sich einigcrmasscn auf den
Rhythmus des lambus zurückführen, da die Arsis auf der
dritten Silbe bleibt und stark genug ist , die Verlängerung
der einen vorhergehenden Kürze möglich zu machen.
Ausser diesen giebt es ferner eine Reihe von ^lokcn
mit neunsilbigem ersten Päda, welche sich nicht leicht den
bisherigen beizählen lassen , sondern in denen eine Auflö-
sung des zweiten Fusses Statt zu finden scheint. Während
nämlich die vier ersten Silben die regelmässigen Füsse zei-
gen und zum grösseren Theil so reich an Längen sind, dass
in ihnen nicht an Auflösung gedacht werden kann, erschei-
nen die fünf letzten regelmässig in der Form '-' — ^ ^ ^,
und so auffallend dies ist, und höchstens in dem erM'ähnten (
Verhältniss des zweiten Fusses in dem längern Metrum eine
Analogie findet, so wird man sich doch kaum erwehren kön-
nen, hier eine Auflösung des Autispast, als des nächsten Fus-
ses der zweiten Stelle, anzuerkennen.
V9
na tat cakyam nivartayitum MB. I 3855.
panvädat kharo bhavali Man. II, 201, »•
paribhoktä krimir bhavati Man. 11 201, b.
kenasvit ^ro- triyo bhavati MB. III 17332 »•
cratena cro- triyo bhavati ib. 17333 »•
dhritya dviti- yavän bhavati ib. 17333 *>.
klm nu hitvä priyo bhavati ib. 17362 *•
manam hitvä priyo bhavati ib, 17363 ■•
kirn DU bitvä .rthavan bhavati ib. 17362 b.
kämam hitvä -rthavan bhavati ib. 17363 b-
maanän na sa manir bhavati MB. V 1680.
aväc'ya: kas- yac'id bhavati MB. V 3318.
Einmal erscheint an einer Stelle , wo der Parallelismus
der Verse die Lesart zu sichern scheint, vor diesem ein an-
derer, von dem obigen Schema ganz abweichender funfsil-
biger Fuss :
kenasvid dviti- yavan bhavati MB. III. 17332 b-
Ferner fünf kurze Silben nach vier langen:
kimsvit svapnan na nimishati MB. III 10648.
kimsvit suptam na nimishati MB. III 17436.
Endlich erwähne ich noch folgendes Verses :
cruddham pitribhyo na dadäti MB. V 1005.
der sich auf keine der obigen Weisen rechtfertigen lässt uad
dahingestellt bleiben mag*), während den übrigen wohl die
*) Man könnte statt daddti lesen dadjdt, obschou die umstehenden
Verse in demselben Sinn den Indicativ haben, aber dergleichen
rein metrische Conjecturen sind gefährlich, da gemeiniglich die
. Corruption ganz anderswo zu liegen pflegt und sie die Entste-
hung der falschen Lesart nicht erklären.
V. 18
274
Anerkennung nicht zu versagen ist. Auffallend ist es^ dass
in fast allen fünfsilbigen zweiten Füssen das Wort bhavati
steht; man könnte zu der Annahme einer zweisilbigen Aus-
sprache desselben versucht seyn , falls sich diese noch aus
einem andern Grunde wahrscheinlich machen Hesse. Aber
im Manu und Mahäbhärata wird das schwerlich möglich
seyn ; es ist undenkbar, dass einerseits zweierlei Formen so
neben einander im Gebrauch gewesen, dass sie z. B. Manu
201 a. und b. je zweimal unmittelbar zusammengestellt wer-
den konnten, und dass andererseits davon ausser diesem spe-
ciellen Fall gar keine Spuren geblieben seyn sollten. Für
die Vedasprache lässt sich allerdings aus den Imperativformen
irn und ^h für irsfrr und vt^rrt RigV. 94, 12. 106, 2 auch
auf eine entsprechende Indicativform schliessen ; allein in
dem gedruckten Theile finden sich nur die Formen uö(^
17, b. 28,1. 55,4. 95,1 und iTsnf^ 113,10, und dadurch
wird die obige Annahme wenigstens vorläufig noch zweifel-
hafter.
Mit Recht, ist oben gesagt, könnten dies^ Abweichun-
gen von dem regelmässigen Schema , wie es die Indischen
Metriker aufstellen , als ärsha betrachtet werden : denn in
der That sind es Reste einer früheren, freieren Gestalt des
^loka, die vornämlich im Mahabhäräta um so leichter vor-
kommen können , als dieses so viele eigenthümlichc Stücke
enthält , die nach Form und Inhalt unbestreitbar ein bedeu-
tend höheres Alter haben müssen, als der eigentliche Stamm
des Epos. Diese ältere Gestalt des ^loka findet sich in den
vier gedruckten Upanishaden , deren Text , soweit bis jetzt
ein Urtheil darüber möglich ist, ebenfalls in einer im Allge-
meinen ganz treuen Weise überliefert scheint. In folgender
Beschreibung ihrer metrischen Verhältnisse *) , so weit sie
*) Cime näheres Eingehen erwähnt sind sie bei WiudiscfatDanu
Saul(,ara p. 61.
275
den Cloka betreifen, citire ich die Seiten des Poleyschen Ab-
drucks und nur bei der Icä Up. die Verszahlen.
An der ersten Stelle findet sich der Choriarab einigemal,
z. B. 9,15. 11,16. 155,14, der erste Paeon 15,9 (?) , und
ausserdem folgende fünfsilbige Füsse:
abhayam titir- shatam param 10, 7.
pranavo dhanu: ^aro hyätmä 04, 11.
pratibodhavi- ditam matam 15(3, 12. ,
yad idam kimc'a g agat sarvam 17, 2.
evam tvayi nän- yalheto'sti Icä 2 b (falls hlet nicht ilas
zu streichen ist.)
Auch an der dritten Stelle finden sich einzeln die miss-
liebigen Füsse Dijambus 15, 8. Ick 2 b; Choriambus 11, 16;
erster Paeon 14, 3. lonicus a majori Ica 11, a. (wo getrennt
zu sprechen ist: tad veda ubhayam sa ha).
An der zweiten Stelle treten auch hier in überwiegen-
der Mehrzahl die Füsse des epischen Masses hervor : Auti-
spast und erster Epitrit 96 mal ; Choriamb 7, erster Paeon 4,
vierter Paeon 2 , Proceleusmaticus 2 mal ; vierter Epitrit 7
mal, Dispondeus 2 mal, Ditrochaeus einmal (92, 8). Dane-
ben aber finden sich die verbotenen Füsse und fünfsilbige
'-' •— ^ ~^ — in nicht unbeträchtlicher Menge , so dass sie
zusanunengerechnet den sechsten Theil .sämmtlicher ^loken
ausmachen, und zwar folgender Gestalt:
Dijambus.
mrityar yasyo- pasec'anam 10, 2.:
abhayam titir- shatam param 10, 7.
yatacc'ode- ti sürHo 13, 11.
indriyebhya: param mano 17, 12.
avig'n'anam vig'änatam 156, 11.
pratibodhavi- ditam matam 156, 12.
täte bhiiya i- va te tamo Icu 9 b, 12 b.
276
Dritter Epitrit.
ya: setur i- g'änän''^äm 10,2.
tarn deva: sar- ve arpitus 13, 12.
anyad evä- hur vidyayä 19a 10, a
vidyämc'a a- vidyarac'a yas Ica 11, »•
anyad evä- hu: sambhaväd Ica 13 a.
Zweiter Paeon.
evam muner vig änata 14 , 8.
anushthäya na ^oc'ati 14, 9.
buddhicc'ana vic'eshtati 18, 2.
yac'c'axushä na pacyati 115, 16.
tat tvam pushann- apävrinu Ica 15 b.
krato smara kritam smara I9U 17, b.
Dritter Paeon.
yadeveha tad amutra 13 , 13.
yacc'hrotrena na 9rinotI 156, 2.
andham tama: pravicanti I^u 9a j 12 a.
lonicus a majori»
nirityo sa mrit- yum gac'c'hati 13, 16.
yat'präncna na präniti 156, 4.
tad eg'ati tannaig'ati 19a 5 a.
Fünfsilbig w — w w —
yas tu vlg'nä- navun bhavati 10,14, 11,4.
yas tvavigna- navän hhavatl 10,12. 11,4.*)
apramattas tadä bhavati 18, 5.
atha martyo nirlto bhavati 18, 11. 13«
avyaktät tu para; purusho 17, 13.
Ausser diesem Beispiele findet sich eine Reihe von sol-
chen, welche nicht unter obige Kategorien fallen und die da-
*) Es sieht zwar, weil ein Vokal folgt , bhavaly da , aber wegfn
des parallelen vorbergelieudeu Verses inuss wohl bhavati ge-
sprochen werden. Derselbe Fall ist bei 18, 11.
277
her einzeln zu behandeln sind. Einige unter diesen künnca
leicht auf kritiscHfem Wege in ein regelmässiges Mass ge-
bracht werden. Wenn bei IcA 5a:
tad eg'ati tannalg'ati lad dure tad antike
im zweiten Päda eine Silbe fehlt, so ist gewiss die Lesart
in dem Abdruck in Carey's Grammatik tad düre taddh'yan-
tike die richtige. Wenn umgekehrt bei Icä 10 a:
anyad evähur vidyayä anyad evähur avidyajä
eine Silbe zuviel ist, so lässt gewiss richtig eine Londoner
Handschrift , deren von Rosen ausgezogene Varianten Hr.
Lassen mir mittheilt, das zweite 'eva aus. Der Vers
kham vayur g'yotir äpas prithivi vicvasya dharini 93,2
wird durch einfache Umstellung der Worte äpas und prithivi
richtig. Der erste Pada:
sthänam anasamyanti 15, 9
ist gewiss mit der Form iyanti von ^ samiyanti zu lesen,
und dies zu den obigen Beispielen des dritten Paeon an der
zweiten Stelle zu zählen. Für den scheinbar ganz wilden
Vers:
sasyam Iva martya: pac'yate sasyam iväg'ayale puna: 1, 15
ergiebt sich ein zulässiges J\1ass (mit drittem Epitrit an zwei-
ter Stelle), w enn man beide Male iva durch das vergleichende
na ersetzt. In
uttishthata g agrata prapya varan nibodhata 11, 16
hat gewiss ursprünglich die alte Form g'ägratana (Rosen ad
RV. pag. 37) , die auch sonst in diesen üpanishaden vor-
kommt, gestanden, undi
g'anam utmani maliatl nlyac'c'het tad yac'c'liet ^änta
ätmani 11, 15
würde metrisch verbessert, wenn, was freilich seine Schwie-
rigkeit hat, entweder das erste ätmani oder uiyac'c'het feh-
len könnte.
Ein Vers hat eine Silbe zu wenig und scheint diese nicht
278
durch Auflösung eines Halbvokals gewinnen zu können,
nämlich : 't
ya: sarvag'n'a: sarvavid yasya g'n'Snamayam tapas 92, 7.
Zahlreicher sind die Fälle mit überzähligen Silben, von
denen einer sie an erster Stelle hat:
parusha evedara ylcvam karma tapo brabma paramritam
93, 16 ;
ferner fünf an dritter Stelle :
yas tvavig'n/unavän bhavaty ayuktena ma- nasu sadS 10, 12
mrityo sa mrityum apnoti ya iha näne- va pacyati 13, 14. 16.
yathodakam caddhe 9uddham äsiktam tadrigeva bhavati 14, 7
lad eva brahma tvara viddhi nedam yad idam upäsate
155, 13. 15; 156,1.3.5.
— — v_/ <.— ' v»/ ,
ifävusyam idam sarvara yat kimc'a g'agat'yäm g'agat
und endlich folgender an der ersten , während zugleich in
der letzten eine andere Schwierigkeit ist :
täte bhüya i- va te tamo ya u Vidyayäm rata: Icä 9b,
WO analog dem correspondirenden Verse
tato bbüya iva te tamo ya u sambhut'yiim rata: 19a 12 Ij
vidyäy^äm zu sprechen seyn möchte ; wenigstens scheint
diese Auflösung des ä auch ausser dem Genitiv Plur. z. B.
in mätä RigV. 89, 4; in m4 114, 8 b nothwendig zu seyn.
Bin sicheres Urtheil über die zuletzt angeführten Verse
scheint allerdings noch nicht möglich , während es schwer
ist , sie metrisch gelten zu lassen und namentlich auch an
der dritten Stelle einen fünfsilbigen Fuss anzunehmen. Eis
ist möglich, dass die Lesarten unrichtig sind, und wer glaubt
emendiren zu müssen, würde vielleicht in dem Vers ladcva
das zweite idam streichen und na idam scandiren ; für ff'a-
yali/äm, analog der Form ffidiä für tfuiiäyäm (Rosen ad Rig\'.
279
pag. 21) ein g'agati vermuthen ; oder , was die wenigste
Schwierigkeit haben möchte, in den Versen purusha (hier
mit Streichung des eva), mrityo und iato bhüya die Vokale
trotz des ursprünglichen Visarga zusammenziehen. Möglich
ist aber auch , dass der Verfasser , um gar nichts von der
Fassung seines Gedankens zu opfern, den ohnehin hier viel
loserem Vers geradezu aufgegeben habe und dass diese Verse
oder Halbverse als* Prosa zu betrachten seyen. Diese Ansicht
drängt sich auf, wenn man wahrnimmt, dass der Ausdruck
vieler der obigen Steifen uebenstehendeu Versen , zu denen
sie einen Gegensatz enthalten , mit sorgfältiger Genauigkeit
nachgebildet ist, so dass es offenbar dem Verfasser darauf
ankam, die Antithese nicht durch veränderten Ausdruck oder
veränderte Wortstellung zu schwächen. Z. B. das obige
yas tvavig'o'änavun bbavaty ayuktena manasä sadä
verdankt, wie in die Augen fällt, seinen dritten fünfsilbigen
Fuss lediglich dem Gegensatz gegen den in unmittelbarer
Nähe stehenden ganz regelrechten Vers
yastu vig'DuDavan bbavati yuktena manasä sadä.
Lässt man aber diesen Erklärungsgrund hier gelten, so muss
er es auch für einige jener statthafteren Licenzen, z. B. die
Päonen und den Epitrit im zweiten Fusse, welche aus p. 155.
156 oben angeführt sind.
Wie dem aber auch seyn möge, dieser Stellen sind zn
wenige, als dass sie die Auifassung des metrischen Verhält-
nisses der Upauishaden im Ganzen hinderten. Man kann
vielmehr danach die Geschichte des Cloka mit ziemlicher
Sicherheit verfolgen , und drei wesentlich unterschiedene Pe-
rioden seiner Ausbildung erkennen. Die erste von diesen
repräsentiren uns die Hymnen des Rigveda, in welchen sich
die Entwicklung des Cloka aus dem iambischen Dimeter und
der Anfang des Rhythmenwechsels zeigt, während das ent-
schiedene Vorherrschen des Dijambus au der zweiten Stelle
das charakteristische Merkmal dieser Stufe bleibt. In dem
280
ZM'eiten Stadium, dem der Upanishaden, ist der Gegenschlag
des zweiten und beschränkter des dritten Fusses schon ganz
vollständig zu dem schönen System, wie es in den Epen er-
scheint , ausgebildet ; zugleich aber sind die später ausge-
schlossenen in den Vedahymnen unbedenklichen Füsse noch
gültig, wenn auch selten, und der Bildungstrieb ist so mäch-
tig, dass er selbst anfängt über den dem Princip nach streng
begränzten Umfang der Silbenzahl hinauszugehn und fünf-
silbige Rhythmen zu schaffen. Die dritte Stufe ist die des
epischen Cloka im engern Sinne; hier hat ein feineres rhyth-
misches Gefühl auf gewisse Füsse als störende verzichtet
und die Freiheit auf eine durch die Natur des Metrums vor-
gezeichnete Gränze wieder beschränkt. Auch diese Be-
schränkung hat ihren historischen Verlauf gehabt , der sich
noch deutlich in dem Unterschiede des Cloka des alten epi-
schen und des Kunst-Stiles ausprägt. In jenem finden wir
noch den fünfsilbigen Fuss an zwei Stellen in einiger An-
wendung, der bei den Kunstdichtern bis etwa auf einen oder
andern absichtlichen Fall aufhört ; in diesem ist eine noch
weiter gehende Beschränkung des zweiten Fusses auf den
antispastischen und choriambischen Rhythmus nicht zu ver-
kennen. Der Geschichte der indischen Metrik im Grossen,
so weit wir sie kennen, ist dieser Bildungsgang vollkommen
angemessen und er würde sich an einigen Metren auch im
Einzelnen ähnlich nachweisen oder wenigstens wahrschein- i
lieh machen lassen. j
J. GlLDESIEISTER. j
281
XIV.
Aus DscIiaiuPs Diivao«
/ Was ich hier gebe, ist ein kleiner, und vielleicht ein
erster Theil von reichlichen Auszügen, die ich bereits im
Jahre 1831 gemacht aus einer Handschrift der Gotha'-
Bchen Bibliothek, die sehr schön und correct geschrieben
ist, aber übel erhalten, vieles darin verwischt, verblasst
und verschmutzt. Die erste Lage enthält lange Gedichte
über Sultan Husein's Bauten, wovon hier nichts benutzt
ist. Was ich abschrieb und übersetzte, hat mir natürlich
far den Augenblick selbst gefallen ; doch habe ich neben
manchem Spielenden auch einiges Abgeschmackte nicht
fehlen lassen wollen, wenn auch nur um zu zeigen, wie
die Anmuth Persischer Rede auch dieses erträglich und
einigermassen angenehm machen kann.
Fr. Rueckert.
Anin. Um den Persischen Vers, den so viele duppelzeitige Sylben
I äusserst schwankend machen, zu sichern und zu erleichtern, ist
1) das Jäi Idbäfet überall bezeichnet;
8) dasselbe, wo es metrisch lang, mit senkrechtem Kesra^
nach Analogie des senkrechten Fatha^ zu bezeichnen ver-
su-ht ; z. B. ic^A Q^ äni meni, - « o - und ^g^ .•^\
äni meni — u - (du bist der meinige);
3) vor dem vokalischen He der Endsilbe, wo es metrisch
lang, zuweilen ein senkrechtes Fatha gesetzt; z. B. lOL
I
bade, «^b (bade Wein)
4) vor dem ^ — (und), wo es lang, zuweilen ein Dham-
ma; eben so vorjj' (du);
18»
282
I
^- ... o ...
^JOui\ ^^bj ^L> y t6^ ^t ^jjir
•^^^^ j_5^Ls (_f^j-=* vi;^*^ *:?-^^ i)^
8ü>ji' (3^^ lA'jj' i3U> (3^ -•♦^■^^
8.i *^f>-ic vi;^tj fc^^jl^ jtXir^ cl« Qi^V^oJ
5) das Elif des Anfangs, wo es durch Positiod den vorherge--
henden Endbuchstaben lang macht, ist tiberall mit Uauisa bu-j
zeichnet t j eben so das Medd^ wofür jedoch, da die Ein-
richtung der Typen beide Zeichen -/.u conibiniren nicht cr-^
laubte, nach der Orthographie einzelner Arabischer Manu'
Scripte z. B. des der Liauiasa ein doppeltes Elif geset
Ist; z. B. ^^\) Jyif bcwed 'an u — , hingegen q! C)j
283
I.
Dsehaml's lilebe.
Nie von rosemvangiger Cypresscn Anuiuth^ Dschami^
schweig^
Denn -du bist in diesem Garten wie die Lilie zun-
geureich.
Frisch vom Thau der Anmuth seh* ich deine Wang*
umschwommen ;
Eben aus dem Beet, o Rose, scheinest du zu
kommen.
Der Schönheit Kaftan legte die Ros' an wohlbe-
flissen ;
Da sah sie deinen Liebreiz, und hat ihr Kleid zer-
rissen.
Wandle durch den Garten ! denn was dort die Knospe
still gehegt,
Hat die Rose dir zum Opfer auf die Schale nun
gelegt.
bewed an u u -. Eber so unterschieden ist ...!t J
büd 'an - o -, von ^ C>yi büd an — .
«) das'Oj-j::^^ ^^ü ist, wo es unterscheidende Flexion, ünität
des Nomens, und Optativ des Verbums ist, nach der Hindo-
o
stanischen Schreibweise, mit j^ zu bezeichnen gewagt
worden, z. B. (^^ büde (er wörde »eyn) neben ^_5<^
budi (du wärest) j ^jüi jeke (einer) neben ^^^ jeki
(Einheit).
284
• •> 1:
-öi (jÄ-fcJ vi>s.>. ^•♦.Ä-o j^ »i' iV''^-' '■^*^
»Li ^LÄ j^ tV^^^ -./♦^Jiv* .•♦•i^^ior *i^
285
Soviel Herzen sind gefangen; und wie lang noch
um die AVangen
Legst du Locken Schling' an Schling", und Geflechte
IMns an Rinsf!
Wo 4ß deiner Locken Wallen du dalilngchst auf
der Flur^
Wird Verliebte sicher leiten Moschusduft auf deine
Spur.
Von deiner Hand traf Dschami's Herz im Busen
dieser Schmerz !
Eh ihm das Herz abhanden kommt ^ leg' ihm die
Hand aufs Herz!
Wenn nach Tagen deine Wang* ich wieder seh' vor
meinem Aug,
Hindert mich am Sehen Augenwasser bald^ bald
Seufzer auch.
Nach dir aus Sehnsucht weinend ging ich zu Cy-
press und Palme ;
Wohl hält sich, wer in's Wasser fiel, an jedem
schwachen Halme.
\, Ist'S der dunkle Flaum des Bartes, deine süsse
Lipp' umgebend?
Oder sind's Ameisen wimmelnd, mit dem Fuss «"»
Honig kl^'bend?
um
>
■5*^ J^ O^*^ ^^ C^^^^ 7*** "^ 8'^l>gJ
297
Zwei türkische Wildjäger sind die Augen dein^ die
schlafen^
Und auf dem Kissen neben sich den Bogen liegen
haben.
Selbst beneiden sich die Augen deiner Wangen
Weide:
Heimlich vor einander blicken sie auf dich all
beide.
Gärtner^ lass allein im Garten mich nicht ohne Lieb-
chen gehn ;
Herbst den Frühlingsblumen bringen möchte meiner
Seufzer Wehn.
Ich Spiegel von der Wohlgestalt des Freunds muss
das versagen,
Rostflecke von unreinen Hauchs Vertraulichkeit zu
traffen.
Jeder will nach seinem Herzgelüsten was für sich
von dir.
Alle diese sind Schmarotzer^ ich begehre dich von
dir.
Du fragst: wen wählst du, Dschami, vom Heer der
Schönen, sprich ! —
Da ich ein Auge habe^ wen wählt' ich wohl als
dich.
288
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289
Jede Nacht im Finstern lausch' ich unter Fenster \
und Balkon,*
Dass ich^ wenn ein Wort du redest, höre deiuer
Stimme Ton.
Dschami^ da du doch zum Käufer nimmer taugst
für jene,
O was hilft dir Gold und Silber blasser Wans*
und Thräne!
Gott ! krause nicht die Brauen ! genug , o schönes
Kind,
Dass tausendfach gekräuselt schon deine Locken
sind.
Beim Staube deiuer Füsse! des Lebensquelles
Fluth
Erquickt nicht so wie deines Lippenrubines
Gluth.
f
Die Veilchen des Bartflnumes, g^
Um acht Rosenparadiese geh ich nicht ein Zweig-
lein hin
Dieser V^ellchen, die dir spros^sen an der Seite vom
Jasmin.
Die Silberbarren der Arme.
Schenk' etwas einem Bettler! zwei Silberbarren
fein
Trägst du iii deinen Aermelu an beiden Armen
dein.
V. 19
290
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UT'
(11
291
In den Klaff des Herzens kamst du durch des Au-
ges lichten Schein ;
Offen war die Thür, du kamst zum Fenster wie
der Mond herein.
O Reh des Moschusduftes, zur Wüste wor-
den ist
Die Stadt; sag au, warum du aufs Land gegan-
gen bist?
Entseelt dahin sank Dschami bei deines Abschieds
Hast ;
O Seelchen , sprich , warum du den Leib verlassen
hast !
Ach^ was eine Kerze bist du, dass du helle
Nie willst machen eines Armen Kumraerzelle I
Hier^ Liebchen, steht zu Dienste mein Herz^ mein
Auge dortj
Mishagt es dir am einen, kehr' ein am andern
Ort.
Niemals Rücksicht nalnucst du auf meinen Wunsch,
den stillen,
Oder wenn du's thatcst, thatest du*s nur aus
Muth willen.
Am Morgen geht nach einem Geschäfte je-
der aus^
Und Dschami steht m Thräneu, bis du trittst aus
dem Haus.
'292
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293
Kein Ruhebett verlang' ich, o wohl mir jede
Nacht,
Im Staube deiner Schwellen auf hartem Pfühl ver-
wacht !
Du .schnallst den Gurt zum Unheil^ und ziehst des
Blickes Schwert ;
Siegsbeute dir I dein Streifzug, auf wen ist er
«rekehrt ?
Wie lange soll ich streifen das Gässleiu ab
und zu?
Frag' doch einmal: was machst du dahier? wen
suchest duY
Dürft' auf deiner Schwell' ich als ein Hünd-
<i- IPv. lein wachen,
Vorrang einem Engel würd' ich geben kaum.
Eine Lust ich hätte, dass zu meinem Herzen
Dräng' ein Pfeil, der lag' in deines Köchers
' Raum.
* -
Wenn Dschami bei deinem Reitknecht Guade
fände,
Ging', Deck' auf dem Rücken , er in deinem
Zaum.
Und willst du meineu Gruss mit keinem Dank
vergelten,
So thu doch wenigstens den Mund auf, um zu
schelten.
294
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295
Heil dem Auge, das da fällt zuerst auf deine
Wangen
Morgens, wenn vor's Haus du trittst mit tausend-
fachem Pranaren.
Wie sollt' ich ihn besitzen? genüge wenn einst
ich nur,
Zu Staub geworden, küsse von seinem Fuss die
Spur.
Die Fiebergluth der Liebe , die mir im Herzen
schwillt,
Der Heiltrank ist im Becher des Todes, der sie
stillt.
Einst wo nach allen Seiten weht meinen Staub
die Luft,
An jedem Stäubchen finden wird man der Treue
Duft.
Mit Blut darauf geschrieben wird seyn der Tren-
nung Weh,
Wo ich aus meinem Staube hervor als Blume geh.
Ich höre, dass mit Bücken du nach einem Schönen
jagst,
Von einem Tulpenwangigen ein Mal am Herzen
trägst.
O thu es nicht, o thu es nicht, da du ein rei-
• zeud Heer
Von schwärmenden VerUebten hast um dich so viel
du magst.
Da du in deinem Spiegel kannst dein eigen Ant-
litz sehn,
O sprich, wie du mit einem Blick nach andrer
Schönheit fragst !
296
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297
Allah, Allah ! wie zart und fein du bist !
Welches Herzweh und Seelenpein du bist!
Ich an Thorheit bin so gethan wie du weisst^
Seit gethan so an Zauberein du bist.
Deine Wang' hebt aus Lockenhainen sich so
Dass ein Neid jedem Rosenhain du bist.
Durch Rubingluth der feuchten Lipp* im Ring
Aller Schönheit der Mittelstein du bist.
Dir geweiht ist mein Leben; sprich, o warum
Nur geneigt mich dem Tod zu weihn du bist!
In die Sehnsucht des Munds versunken, o Herz,
Eine Ameis' im Honigwein du bist.
An den Mund denkst du stets und an die Gestalt,
Dschami, drum so gew^andt und fein du bist.
Du bist einen Kuss mir schuldig; wird's geschehn
niemaien,
Dass ich sehe deine Lippen ihre Schuld be-
zahlen ?
m
In der Liebe Pensum trog mein Herz den Preis
davon, ^
Weil ich repetirte lebenslang die Lection.
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298
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299
Welch' Heil kaim er dir bringen, der Prediger der
Sladt,
Der, seinen Text auslegend, nur auskramt Flitter-
staat !
Alle Schöpfungssonnenstäubchen Seiner Schönheit
Spiegel,
Jeder Spiegel trägt von Seiner Wang' ein andres
Siegel.
Der du hältst wie mich in jeder Wildniss einen
Geistesirren !
Dessen Wangenlicht die Himmel Schmetterlingen
gleich umflirren!
Jakobs Kummer ist ein Stäubchen nur von meiner
Kummerzähre ;
Ehie Fabel ist vor deiner Schönheit Jusufs Wuu-
dermähre.
Wir verlangen unser baares Leben nicht um un-
sertwegen,
Sondern nur als Liebesbettler es auf deinen Weg
zu legen.
Ist uns Haus und Hof verödet, Dank dass durch
das Glück der Liebe
An des Jammergaues Enden uns ein Kummerhäus-
chen bliebe !
Herzberaubten ist kein Weg zu schwelgen im
Palast der Lüste ;
Unser sei hinfort die Treimung und ein Winkel in
der Wüste
Dschami, der von einem Schlucke Liebes weh ent-
seelt gesunken,
Weh, wenn ihm vom Schenken nun das volle Mass
wird zugetrunken!
300
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30t
So mit Armen möcht' ich deine Mitt' umfassen,
Dass inmitten keinem Haar sei Raum gelassen.
O geh vorbei an Dschamis Haupt ! er hat
Lust anzubeten^ wo dein Fiiss auftrat.
Heute Perl" um Perle \vein' ich meinem Gram,
Weil die einzige Perle mir ans den Augen kam.
Hochgewachsen zwar ist die Cypresse dieser
Flur,
Doch vor seinem Wüchse scheint sie mittel-
mässig nur.
Sag' nicht von jenem Schalk, es sei ein Kind
einfältig ;
Es weiss uro einen Kuss dir Ausfhlchl' hundert-
fälüg.
Fremd ward idi in Collegium und Universität,
Indem mein Hauptbedürfniss nun nach der Schenke
geht,
Der Schwall von Wissensdünkel giebt keinen Lust»
geschmack ;
Willkommen Schall der Flöten und trunkner Scha-
bernack !
Befrag nicht den Stadtdoctor um Liebchens Schön-
heitsflamm,
Die kaum mit hundert Zungen auslegen kann ihr
Kamm,
302
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303
Wo ist der Bundesbrecher, der Schenk? er komme,
dass
Ich ihm den frommen Trödel verkauf* um ein paar
Mass !
Von Liebe sing und sage I denn keine Sage scholl
Lieblich wie Lieb' in diesem Gewölbe sagenvoll.
Verbrenne deiner Mühen Befiederung und Schwing',
Und ruhe deiner Kerze zu Fuss, o Schmetterling!
Vom Leibesdiener suche Herzengeheimniss nicht.
Denn nicht in jeder Muschel ist einer Perle Licht.
Dem Schönheitsreiter fallen will ich in den Zaum,
den kecken ;
Geh' es ihm Anlass, dass er mich die Peitsche
lasse schmecken I
Sieh hier mein Herz, das blutige, Türk hold und
kühn von Leibe I
Wenn etwa für dein Pfeilespiel du suchest eine
Scheibe.
Was könnte jener Schwelle an dir, o Dschami,
liegen,
Da hundert solche Bettler an jeder Schwelle
liefen !
'»'
O Gott, was kann der Anlass seyn, dass sich ein
Fürst der Herzen
Mit einem armen Mann wie mir herablässt so zu
scherzen I
304
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^M j^j^ ^
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«^U^UJ? c;--^ j-^>'j^
307
Lerne Gott aus Gott erkennen^ aus Vernunft nicht
und Beweisen;
Braucht es Fackel oder Kerze um die Sonne dir
zu weisen?
Komm, Schenke^ da den Becher nun in den Hän-
den hält
Im Garten die Narzisse^ die Tulipan' im Feld.
Laut liest vom Blatt der Rose die Nachtigall ein
Wort,
Was hundert Commentaren schwer auszulegen
fäUt.
Du dessen Weh zu tausend Malen
Das Herz mir schlug mit tausend Maalen !
Könnt' ich wünschen^ um zu tragen deine Pein,
Einen Leib mir, wie dein Herz, von Kieselstein!
Um meines Aug's Schlaflosigkeit, muthwillig Kind,
daferne
Du sie nicht kennst, fr SLg' eines Nachts den Mond
nur und die Sterne.
Mit einem Streich nicht möcht' ich von ihm ge-
tödtet seyn;
Zwei, dreimal will ich kosten die Wonne dieser
Pein.
Zum Mond in jeder Nacht dringt mein Ach Gott!
empor;
Wie, Mond, dringt es einmal, ach Gott, zu dei-
nem Ohr?
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308
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309
Wo ist der Liebe Wohnung, und wo der Busse
Zell?
O diese Zell' ist dunkel^ und jene Wohnung
hell
Wo ist der Busse Trinkort, der Läebe Gast-
mahl wo*?
Dort ein Brack wassertümpfel , hier ein SQsswas-
serquell.
Du bist das Schwarz' im Auge in Augen aller Welt j
Was schadet's deiner Farbe, wenn sie in's Dunkle ^llt ?
O Schad* und Weh, dass Dschami im Missjahr der
Entbehrung
Umkam und nicht erlebte die Ernte der Ge-
währung.
Verschieb nicht, mich zu tödten, aufs nächste
Morgenroth ;
Wer weiss , wer nächsten Morgen am Leben ist
oder todt !
Sonst war ich nicht zufrieden selbst mit dir um-
zugehn.
Nun bin ich schon zufrieden dich nur von ferne
zu sehn.
Ich bin die Frühlingswolke, du bist der Rosen-
strauch ;
Es ist mein Amt zu w«inen, zu lachen dein
Gebrauch.
Ein Mond von fünfzehn Jährcheu brach Dschami's
Fingerband,
Und nahm den fünfzig] ähr'gen Ertrag ihm aus der
Hand.
310
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311
Vom schlechten Nachwuchs dieser Zeit darf kein
Geschrei dich rühren ;
Lass dich von Kalbsgeblöcke nicht, wie Samiri,
'* verfuhren !
Ein Strom von Seelen fliesst im Gau des
Stolzen ;
Soviel Verlieble sind um ihn zerschmolzen.
Wer dich zierlich sieht den Mailleschlagel heben,
Möcht' als Ball dazu den eignen Kopf dir geben.
Spornstreichs flieg' ich, aber jagend hinterher
Folgt und überholt mich deiner Reize Heer.
Zu Fusse kam des Wegs der Schah der Schönen,
Das Röckiein knapp, das Mützchen schief gesetzt;
Um Liebende zu tödten, Blick und Braue
Gespannt als Bogen und als Pfeil gewetzt.
Zum Kuss des Bodens drängte sich die Menge,
Wo auf den Boden er den Fuss gesetzt ;
Und meine Thräneu, die nie still stehn können,
Still Stauden sie vor ihm im Staube jetzt.
312
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313
Nicht Mensch noch Engel fasst sein Lob zusammen ;
Gewiss von Mond und Sonne muss er stammen.
Fragt nicht das Loos, welch' andrer ihn soll
lieben !
Auf Dschami's Namen ist dies Loos geschrieben.
Entflohen ist mein Moschushirsch^ o weh, <•
Entwichen mir^ das ich geUebt, das Reh.
Um Gott^ gieb Kunde mlr^ o Morgenwind^
Wo meines Rehes Weideplätze sind!
Aussagen kann ich nicht^ was mir geschehn.
Seit ich nicht mehr den holden Mond gesehn.
Die Leute sehn's an meiner blut'gen Thrän'^
Ob ich nicht klage üchou, was mir geschehn.
Stet« in Erwartung rieht' ich früh und spat
Das Ohr aufs Thor, das Auge auf den Pfad'.
Zum Leicheuhemde deiner Locken Duft
Nahm er in's Grab, süss dufte Dschami's Grufll
Minder Werth als Nichts erkennst du Dschami'n zu;
Niemand kannte besser seinen Werth als du.
314
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'^7
313
O Herzchen, wenu Verliebte du mit einem Blick
bedenkestj
Dass da mir aus zwei Augen nur ein halbes Biick-
chen schenkest!
Das schwarze Fleckchen das du siehst im Grüb-
chen an dem Kinne,
Ein Mohrenbab' ist's, in die Grub' gefallen aus
Leichtsinne.
Nicht am Tubabaume drüben werd* ich deinen Wuchs
vergessen ;
Kann ein Gra-shahn dich ersetzen, schönste wan-
dehider Cypresseu ?
Komm und ruh* in diesem Herzen^ obschon eine
enffe
Derwischklause Raum nicht hat für emcs Schahs
Gepränge.
Falle Dschami's Haupt in Staub von deinem Fuss,
Weil es doch dem Staub einmal verfallen muss!
Dschami konnte nicht durch eignen FleLss vom
Liebsten Kund' erlangen ;
O Genossenschaft der Freunde^ lasset ihn die Kund'
empfangen!
Ich wandelte beständig den Weg der Gnade ;
Da sah ich dich am Wege, und kam vom Pfade.
20*
314
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315
O Schönheitsbild; das mir das schönste gilt,
Gebildet hat dich Gott nach seinem Bild.
Der Gottschau Spiegel ist dein Angesicht;
O gieb^s des Selbstbespieglers BUckcn nicht!
Nein Gott^ der Spiegel und das Bild bist du;
Den AVahn der Zwdiheit, lass ihn hier nicht zu!
Geschieden ist das Bild vom Spiegel nie;
Du bist in ihm enthalten ; glaub und sich !
Wer nicht im Geist der Einheit Faden fand.
Dies Rälhsel ist unlösbar seiner Hand.
Ein Faden ist; doch tausend Knoten sind;
Wer löst des Fadens Knoten all ffeschwind?
Wer; wie Dschami, von Knoten war umstrickt;
Heil ihm; wenn er des Fadens End' erblickt !
Woher immer eintritt jener Mond mit offenem
Wangenlicht;
Wird mir sichtbar das Geheimniss: das ist Got-
tes Angesicht.
Die Vollendung ew'ger Schönheit hat mein Aug* in
ihm erblickt;
Ob er fest sich strickt den Gürtel oder schief die
Haube rückt.
316
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Knecht der Anrauth seines Waiidelns bin ich , die
den Pilgersniaun
Bald zum rechten Wege bringen , bald vom Weg
abbringen kann.
Dass mein Flehn auf seinem Wege liegt^ was nützt
es, da sich doch^
Unter seinen Fuss zu blicken^ trägt der Stolze viel
zu hoch.
Rechn', o Scheich^ nicht Götzenliebe Herzensmän-
uern an als Fehl !
Des Verliebten, des Geweihten Heimlichkeit ist Gott
kein Uchl.
Liebeskunde^ die da Urkund' ewger Herrschaft ist^
wie nun
Sollt' ein Mann im Doctorkragen sie mit Worten
kurz abthun?
Seinen Freund im Fremden sehen, das ist Dschami's
Tränke^ ja !
Was ist hier denn fremde? nichts im Dasein als
nur Er ist da.
Das edle Leben geht dahin, wir nehmens nicht in
Acht,
Und keinen anderen Ertrag als Kummer hat's
gebracht.
Dass wir des Monds Gefährten siud^ was haben
wir davou^
Wemi wir ihm weiter kommen ab auf jeder
Station !
Tubabauiu dein Wuchs, die Lippe Kauthers Brunn^
Huris die Wangen ;
Wird der Paradiesesgarten . nur von deinen Reizen
prangen ?
318
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^t »— lüü JljJo uj^-=^ o'^ ;'^j^
3! i-jL-^. .^♦•^^ ^-^ Jl"-^ rjtV«^ .^«^^
319
Dschami; g«eb dir nicht vergebne Müh mit Rede-
zauberei I
Jene zauberische Schönheit ist von deinem Zauber
frei.
Wenn dich auf des Hauses Dache sieht der Mond,
der nächtlich wache,
Macht ihn vor Besrhämunor bleich deine Wanjre
sonnenirleich.
Auf deinem AntUtz ist zu sehn der ew'gcn Schön-
heit Feier^
Wo nicht als eine Scheidewand dazwischen tritt
der Schleier.
Wer bin ich denn, um meinen Kuss auf seinen Fuss
zu drücken?
0 möge den Steigbügel ihm zu küssen mir nur
glücken !
Wenn seine Lippe Perlen streut^ werd' ich von
Kopf zu Fuss,
Der Muschel gleich, ganz Ohr, um einzusaugen
seinen Gruss.
Gott, nach seinem Wangenmonde lass mir diese
Lust vergehn,
Oder gieb einmal in jeder Woche mir ihn doch
zu sehn!
Soll ich zum Entsagungsgaue wieder wandeln, da
o Leiden,
Liebchens anmuthvolles Wandeln doch mir wird
den Weg abschneiden !
320
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^X^ OL-Ä^^ l5;-'H^ y LT^
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y vjijj ^^i^ er l5^ ^^' ^J
Die Welt ist hell mir aufgethan von dir,
Die Schöpfung eine Rosenbahn von dir.
Ob Vollmond nie mein Haus erleuchten mag^
Voll Monds ist Fenster und Altan von dir.
Weil du im Herzensraube Meister wardst,
Nimmt Lehre jeder Abgott an von dir.
War' auch dein Mund so mördrisch wie dein Blick;
Wem bUebe Lebensrettungswahn von dir ?
O sag nicht stets : was spricht denn Dschami an ?
Nichts als dich selber spricht er an von dir.
Mein Hers liegt im Geflechte deiner Locke ;
Wer bliebe frei und dächte deiner Locke ?
Die Herzen sind von diesem Strick gefangen 5
Fangstricke sind die Mächte deiner Locke.
Die Knechtschaft deiner Locke giebt den Adel^
Drum gab ich mich zum Knechte deiner Locke.
Kein andrer Schleier ziemt der Rosenwange^
Als dieser Musk^ «der achte, deiner Lockc^
V. 21
32t
y^\ÄA ö^O Don (3^b jjf v^;
_jj jl vjLJÜ ,J &:5Uc l>j^ iJ' JliT ^^ jj"
_^ji Vl-^^ 0>^ Ln?^W v^^5^ .y*^)
«^J qI V— iI^.^_> .0 ^-;5^ qX;« ^^^Lm .-^
3f3
Die Stelle deiner Lock' ist überm Momi«;
Hoch sind die Hoheitsrechte deiner Locke.
Ein Glückstag bricht für Dschami jeden Morgen
An aus der Nacht der Nächte deiner Locke.
Du bist der Mond^ vor welchem sich die Somr aus
Scham verhüllt ;
Du bist die Ros', um die ^ie Knosp' im Schleier
Weh erfüllt.
Mein Herz, dem tausend Thore Leids die Lieb* hat
aufgethan,
Durch keine Pforte will es doch entlassen seinen
Wahn.
Es ist doch eines Schahs Beruf^ das Reich wohl
anzubauu ;
Wie magst du nur des Herzens Reich so im Ver-
vi^ d. falle schauul
Der Zügel der Geduld ist mir in dem Gelüst ent-
gangen,
Zu des Fusskusses Glück wie dein Steigbügel zu
gelangen.
O eile nicht so sehr zu gehnl wie soll das Leben
weilen ?
Doch eben weil das Leben ja du bist, musst du
enteilen.
Bemühe nur die Lippe nicht mit Dank auf alle
Grüsse!
Ein einziger Dank genügt, dass er ein hundert
Grüsse büsse.
324
^*j twL— .xij v>jj (j«j t« o»^
yi l9J)jJ j.— 'S y^. *-^ ^^ ^* /*
325
Scheint, Dschami umzubringen, dir ein gutes Werk,
i nun,
So mach nur dass du nicht versäumst das gute
Werk zu thun!
Verschleudre die Pfeile nicht allerwärts !
Genug zur Zielscheib' ist dir mein FIcrz.
Jeden Morgen geh' ich in den Garten, gleich dem
Morgenwinde,
Ob ich einen Duft von dir bei neuerblühten Rosen
finde.
Nehm' ich von Fehl ein Härchen an deinem Ge-
sichte wahr.
So werde das Gesicht mir dafür schwarz wie
dein Haar !
Bald nahst du lieb mir Armen dich, bald bist du
lieber fern geblieben 5
Was dir beliebt und nicht beliebt, ich lass mir dei-
nen Sinn beheben.
Wenn die Nacht kommt, o mein Abgott, tödtet mich
ein Schwert von Gram,
Und das Leben kehrt mir, wenn im Morgenhauch
dein Odem ^kam,
4J -
Wenn ich dich im Mesgid sehe (Scelenkibla deine
Schau), _
Wünsch' ich den Altar im Rücken, und vor's Ant-
litz deine Brau.
336
>•" c^Ä '^'^ (J^.^ ^ ,^*^ t^'— 4^ er»
- * I * I I "
327
Im Gebet das Herz ist dir, der Blick der Kibla
zugekehrt ;
Auch den Blick dir zuzukelireu^ wäre mir das Glück
gewährt!
Schone doch der 3Iuselmauen^ schau nicht um dich
Überali !
Denn der Andacht Ordnung kommt durch deinen
Zauberblick zu Fall.
Dich vor Augen ^ wiederhol" ich meine Niederwer-
fung hier;
Denn das Haupt empor zu richten^ hindert mich die
Scham vor dir.
Die Versammlung allerseits stimmt am der Lobge-
sänge Chor^
Aber deine leisen VVörtchen sag* ich mir im Stil-
len vor.
Der Mueddhin ward in seinem Ruf zur Andacht
irre, da
Er die Aumuth deines Wuchses_, der Geberden An-
stand sah.
Jeder auf der Unterwerfung Antlitz liegt an seinem
Ort^
Doch auf Dschami's bleicher Wange liegt der Staub
des Gaues dort.
So sehr hab' ich gewöhnt an deine Nähe mich,
0 weh mir jede Stunde^ da ich nicht sehe dich.
Ich starb in deiner Ferne ; wo ist die Zeit hin, da
Den Glücksglanz deiner Wange mit jedem Blick
ich sah!
32$
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329
Die Well mit deiner Sehe, mit deiner seh' ich sie;
Mein ist dies Aug', im Auge bist du der Stern
allhie.
Von deinem Glänze wurden mir alle Schatten Licht ;
Geh ewig mir, o Sonne der Schönheit, unter
nicht 1
Seit du gingst wie der Schlummer vom Auge,
welches quillt
Von Thränen, blieb in Wahrheit darin nichts als
dein Bild.
Da es nicht mein Glück ist selber dir einmal zu
nahn vertraut,
O so sprich ein Wort mit andern, dass ich höre
:.:t_ '^?,deinen Laut!
0 du Paradiesesvogel, könnte dich erreichen wer!
Des Verlangens Netze spreit' ich, ob dein Flug
dich trag' hieher.
Wenn du deinen Schleier lüpfest, fällt Dschami in
Sang und Schall,
Denn du bist der Schönheit Ros', er deine Sänger-
nachtigall.
Der Gemüthsruh Samen sät' ich ; doch das Traum-
bild deiner Brauen,
Eh die Saat mir grünte, kam, sie mit der Sichel
abzuhauen.
330
t. ^^^öi cy^^^ o^^^ O^^^ c^maj
QÜ-pLi l::5^ qUj» j^J C^^^ ^2y«-iCl^ MiK^i^O
qL.ac n:>->5j p\— JLoil jO c>^AwJ> qI~». Oj_^
331
Nicht dem Paradiesesgärtner ist die Kunst ver-
liehn,
Zarteres Gewächs als deinen zarten Wuchs zu
ziehn. 4
Freund feindselig, Himmel ungeneigt; Gluck un-
gefüge ;
Gott; wie da zu Stande bringen soll ich Liebes-
guüge!
Deines Angesichtes Spiegel zeigt ein Bild der
Seele ;
Wozu dass man alle Bilder deiner Reiz' auf-
zälile ?
Da du so viel Zucker streust aus antwortfertVöm
o^
Munde;
Macht; mit dir Gespräch anknüpfen; eine süsse
Stunde.
Zu weilen dir zur Seiten geht nicht aU;
Und dich zu sehn von weitem geht nicht an.
Süss ist es, dich von Zeit zu Zeit erblicken,
Unsüss, dass es zu Zeiten geht nicht an.
Zur Blumenzeit im Felde ; sieh; nicht Tulpen sind
es, die da glühn,
Sind Feuer, die vom Staub empor Verbannter
Herzverbranuter sprühn.
333
Q^ v:>.*«v>^ ^^* jt pL> iciOji oSy Ot> j^ viJM-c
*
0(A^A^ qL5' s-*J^ ^^J^^ tA.;L'>'ic>ii ^jUil iu ^-jLs»
uiN^ ^3 ^üaä^jJ w^^3 j5j yiJL^ b ^_^b> j^L»
Dein Geheimniss sag' ich nicht^ um das mein Herz
im Blute steht^
Wie aus hefenreichem Fasse sich nicht Weinesduft
verräth.
Dein Schmerz verliess mein Herz nicht^ doch den Leib
die Seei'; es traf nicht ein,
Was ich gesagt: aufgeben würd* ich mit der Seele
deine Pein.
Still wartend bracht' ich Jahre zu im Staub an
deinem Thor ;
Der Geist ging mir vor Worten aus, du gingest
nicht hervor.
Diese Rücksicht, die er nimmt was kann sie from-
men meiner Brunst^
Da er mir gibt seine Blicke, und den andern seme
Gunst!
In Gemeinschaft eine Seele schickt sich schlecht-
o Herz von Stein!
Bald will er mit mir vertraulich, bald vertraut mit
andern seyn.
Dass er mir unfreundlich ist, ist kein Verdruss
doch ein Verdruss
Ist's, dass ich ihn mir zum Trotz mit andern freund-
lich sehen muss.
Dschami's See!' ist im Gespräch mit Liebchens
Bilde Nacht und Tag;
Wie natürhch, dass für andre nicht den Mu^d er
aufthun mag l
334
U"'> "• > •• • •
^^ v;>*»^ y*o tXj^L> Oi4J*) »*ip*«|^ (jjy
qjI ci'WWM*«J>^ .li*' Vi>J*;J »i>LÄ9 ^IXil
335
Vor deinen Wangen haben die Götzen keinen
Glanz;
So lang' die Sonne scheinet, wo ist der Sterne
Kranz?
Vor Gluth in hundert Stücke zersprang mein Herz,
die nun
Im Seufzerhauch sich einzeln hervor als Funken
thun.
Nun kann ich dir nur rathen, Herz, in Rathlosig-
keit
Zu leben, da der Rath uns entgangen ist so weit.
Aussicht auf Bess'rung hab ich nicht ; wo hätt' ich
sie? das Lieben
Ist herb, das Liebchen hart, das Glück unhold, wie
sonst, geblieben.
Hätt' unter Liebchens Fuss sein Haupt Dschami
nicht hergegeben.
Wie dürft' er unter Liebenden es nun so hoch er-
heben !
Von deinem Kummerkrauken ist der Hauch noch
übrig hier^
Nimm in Verwahr den Hauch! es ist sein letzter
Hauch nach dir.
Ohn' eines Worts Vermittelung frag mich: wie geht
es dir?
Zu ewiger Barmherzigkeit Vermittlung gnügt das
mir.
Tritt einmal nur , wo du wandelst , auf mein Haupt,
und geh vorbei;
Denk, dass in deu Weg gekommen dir Dom oder
Distel sei.
336
•
Cl
I " I
Wohin einsam ich mich wenden mag nach meiner
Sonne Schein,
Kommt der schwarze Unglückswächter mir als Schat-
ten hinterdrein.
Der Liebe Schweigsamkeit befreit von Frage mich
und Plage;
Nicht mehr steigt wie in vor'ger Zeit zum Himmel
meine Klage.
(Schluss im nächsten Bande.)
-»♦©♦<>-
337
V.
Cntersiicliu^seii über die etlinosraphl-
scIie Stellung der Völker im H^esteu
Indiens.
(Fortsetzung von Bd. IV, S. 488.)
4) Die Braltui und Ibre Sprache»
a) Einleitung.
Nach den Untersuchungen über die Sprache und die
Abstammung der Baluk'cn haben wir uns zunächst an die
Betrachtung der Brahui zu wenden. Diese stehen in Be-
ziehung auf Stamm- und Sprachverwandtschaft ganz ver-
einzelt unter allen sie umgräuzenden Völkern da und je
räthselhafter dadurch ihre Erscheinung ist^ desto anziehen-
der und unabweisbarer wird es, den Versuch zu machen^
dieses Räthsel zu lösen. Das Hauptmittel dazu muss die
Erforschung ihrer Sprache scyn; nur wenn es gelingen
sollte^ dieser eine Stelle in einer grösseren Familie von
Sprachen zu ermitteln, wird es möglich seyn^ auch dem
Volke den gebührenden Platz zu bestimmen. Das Volk
selbst besitzt keine auch nur scheinbar annehmlichen Ueber-
lieferungen über seine Stammverwandtschafl; in der Eth-
nographie ist das Volk noch nie einer Untersuchung ge-
würdigt worden.
Es ist schon oben hervorgehoben worden^ dass die
Brahui von allen benachbarten Völkern, namentlich auch
von den mit ihnen politisch eng verbundenen und zum
Theil verschmolzenen Baluk'en, sich auf sehr markirte Weise
V. 2?
* du
durch den körperlichen Typus unterscheiden, wo dieser
nicht durch Mischung entstellt oder verwischt ist 0- Eben
so scharf scheidet die Sprache beide Völker. Wir fanden
weiter^ dass die Brahui sich als Urbewohner ihres Landes
betrachten; die Baluk'en dürfen uns unbedenklich als spätere
Einwanderer des mittleren und östlichen Balukistans gel-
ten ; wir kenneu gegenwärtig in diesem "Laude keine Be-
wohner, die für älter als die Brahui ausgegeben werden
könnten. Die Betrachtung der jetzigen Vertheilung der
Wohnsitze der Baluk'en und Brahui scheint die Ansprüche
der letzteren zu unterstützen; wir wollen daher diese zu-
erst bestimmen.
Man kann im Allgemeinen das Verhältniss so angeben,
dass die Brahui die inneren, centralen, gebirgigen Hoch-
flächen Balukistans inne haben, die Baluk en ihnen hingegen
im Westen und Osten in den niedrigeren Gebieten wohnen.
Bei der oft schwankenden Anwendung der beiden Völker-
namen werden die Angaben über die Verbreitung der Bra-
hui-Sprache wohl das sicherste Kriterien für den jetzigen
Landesbesitz der Brahui gewähren. Leech sagf^}: „die
Brahui- Sprache wird gesprochen durch die ganze Khan-
schaft Kalät, deren Gränzlinien durch Harraiid, Shäll, Ko-
kak und Kech und durch das Garamsal genannte Gebiet
gezogen werden können/' Diese Umgränzung scheint je-
doch etwas zu viel den Brahui im eigentlichen Sinne nach
Osten hin zuzuschreiben. Harrand liegt an der niedrigsten
Kette über der Indusebene zwischen den Parallelen von
Dera Ghäzi Khan und Mittunkot; so weit reichen die Bra-
hui nicht, wovon nachher. Shall CQuelta der Afghanen)
bezeichnet die Nordgränzc; wenn mit Kokak Kohak im W.
Pang'ghur's gemeint ist, wäre dieses das Westende des Ge-
biets; Kech(Kcg') ist der äusscrste Südwestpunkt, Garamsal
1) Ztschft. IV, 98. 475. 477.
S) Am. Journ. of B. VII, 588.
339
(wohl Garmaer, das Gebiet mit warmem Klima) wird der
südliche; niedrigere, heissere Theil der Provinz G'häla-
vän seyn.
Ein noch späterer Berichterstatter, Masson, drückt
sich kürzer^ aber im Ganzen übereinstimmend aus. „Das
Brahuiki oder Kür Gälli (AdiS Patois) ist den Stämmen
Sahäravän's und G'hälavän's eigeothümUch^^ O- Er hat
ausserdem viele Angaben über die Verbreitung der Stämme
der Brahui^ nur vermeidet er nicht gehörig die bekannte
Verwechselung^} der Namen des eben erwähnten Volks
und der Baluk'en und macht daher eine genauere Umgrän-
zung der Brahui- Stämme unsicher 3).
Die von Masson angegebenen zwei Provinzen Baluk i-
stans sind in der That wohl auch von Leech gemeint und
andere Nachrichten zeigen, dass in ihnen eben die eigent-
lichen, obwohl nicht ganz ausschliesslichen oder einzigen
Sitze der Brahui sind.
Die Ostgränze Sahäraväns ist eine Reihe von Gebirgs-
zügen, welche dieses Bergland von dem Tieflande Kak'ha
Gandäva's trennen. Es heisst: Sahäravän wird durch paral-
1) Narratice of a Journey to Kalät, and a Metnoir of Eastern
Balochistan, p. 394.
2) oben^ IV^ S. 99. Masson giebt Brahui als Form des Namens.
3) So sagt er in seinem besondern Abschnitte über die Völker des
östlichen Baluk'istan's, p. 336.: ^,die zahlreichen Stämme, welche
als Baloch betrachtet werden, können auf drei grosse Klassen zu-
rückgeführt werden, die Brahui, die Rind und die Lumri}^ Er
lässt den dritten grossen Baluk'stamm, die \harui (oben IV, 477.),
aus und macht die Brahui zu Baluk'en. P. 346. „Die grossen
Rind-Stämme, obwohl nicht Brahui^ werden unter die allgemeine
Benennung Baloch eingeschlossen.'^ Als ob diese allgemein fttr
die Brahui wäre. Er äussert p. 338. dass es schwierig sey, die
Brahui von den andern zu unterscheiden und dass man vielleicht
am richtigsten die fttr Brahui ansehe, welche die Brahuiki-Sprache
sprechen. Allerdings und damit schlösse man vielleicht ursprüng-
liche Brahui unrichtig aas, gewiss aber keine falschen ein.
lele Bergzügje, eine furchtbare Barriere, von Dädar und
Kach Gandava getrennt; es sind ihrer drei, die östliche
Kette über Kach Gandava wird von Stämmen der Rind
(also Baluk en) bewohnt, die westHche von den Brahui *}.
Die Kette hat keinen allgemeinen Namen; der Theil, der
Kalät überragt, heisst Arbüi, die höhere über Kach:
Täkäri^). Diese Kette setzt südwärts fort und scheidet
Ghälavän vom Sind und Induslhale^). Auch hier werden
Brahui die hohen Berge besitzen, da eben dieses Gebirge
gewöhnlich das der Brahui genannt wird.
Gegen Süden ist die Scheidewand eben so stark her-
vortretend, wie im Osten; ein Randgebirge scheidet das
innere Baluk istan, das heisst hier G hälavän, vom heissen
Ufersaum des Indischen Meeres. So wie man aus dem
Thale des Puräliflusses durch den Pass Kohenwat (bei
MasS«n stets Koharn Wat) das Hochland erreicht, flnden
sich Brahui aus dem Stamme Minghal bis nach Kbozdär*);
wie hier im Osten, so auch im Westen G'hälaväns sitzen
Brahui, in Keg' und Pang'ghur; auch in den Gebieten
zwischen dem Ost- und Westende ^). Ja es werden Brahui
an der Küste im Süden des Randgebirges erwähnt; da es
aber unsicher ist^ ob alle als solche aufgeführten Stämme
wirklich dieses seyen — einigen möchten wir entschieden
ihre Ansprüche darauf bestreiten — wird es rathsamer
seyn^ die Gebirge im Süden von Bela bis Keg' als Gränze
des Brahuigebicts zu betrachten®).
1) p. 308. p. 328.
2) p. 310. Man denkt dabei an den Namea der Arabiten.
3) p. 387.
4) POTTINGKR, p. 33. yiASSOTi, p. 345.
Ä) PoTTiNGKH, p. 304. Massün, p. 288. flg.
6) Bei Masson im Verzeichniss der Brahuistämme^ p. 338. — Ebenso
erregt es Zweifel, wenn es heisst^ es süssen Zweige der Meh-
masäoi im Gebirge Luristans, p. 240. Sie werden auch wobl da
wobnen^ aber kommen Brahui so weit nach Westen vor?
341
Gegen Westen werden Sahäravan und G'halavan
von der grossen Wüste Baluk'istans durch die sich von
N. nach S. folgenden Gebiete Nushki, Kharan, Mushki
getrennt; in diesen Zwischenstricheu sind ebenfalls Brahui
zu finden, sogar einer ihrer Hauptstämme, die Mirwari;
aber ob auschliesslich, ist nicht ganz klar; einer der grossen
Baluk'en - Stämme, die Xharui, besitzt die grosse Wüste,
die von Nushki bis in die \ähe der Lora und des Ililmend
sich erstreckt 1). Es ist hier also noch undeutlich, ob das
Brahui- Gebiet ganz bis an die Gränze der Wüste reiche.
Gegen N. wohnen in Mastang keine Afghanen, son-
dern Dehwar oder ansässige alte Bewohner, sonst Tag ik
genannt, dann Brahui; nördlicher in Shäll aber Afghanen,
die Brahui verbreiten sich nur im Sommer mit 4hren Heer-
den über die Ebenen *). Hier gränzen also beide Völker
an einander.
Die eigentlichen Gebiete der Brahui sind also Sahära-
van und G'hälavän; diese bilden das Hochland Baluki-
stäns; im Osten und Süden liegen unter seinen Randge-
birgen die niedrige Indusebeiie und das Ufer des Ozeans;
im Nordwest stürzt es steil zur Wüste herab ; im Norden
erreicht es nicht die grosse Kette des Khog'a Amrän, aber
die grössere Erhebung des Landes setzt noch im Sahära-
van fort und von diesem Laude „ist das Herabsteigen
nach G'hälavän allmählig, aber entschieden" 3).
Baluk'istäa i^t im Ganzen ein unzugängliches und
unwirthbares Land; die öde, wasserarme, sonucnversengte
und stürmische Küste des Meeres bietet dem Handel keine
Erzeugnisse, das innere Land nur wenige und geringe, der
Schifffahrt öffnen sich keine sichern Landungsplätze. Nach
Westen setzt sich das unwegsame und nur stellenweiso
1) Masson-, p. 338. p. 883. flg. Pottixger, p. 56. p. 107.
2) Masso.v, p. 313. 315.
3) Ebend., p. 337.
342
anbaufähige Bergland fort und erhebt sich nach Kerman
hin, wie in Buskurd^ noch höher; in einem grossen Bogen
umlagern dann die Wüsten von Bunpur, Kerman, Seg'istan
diese Gebiete; die nach Balukistän selbst benannte dringt
weit in den Körper des Landes ein. Die Gefahren und
Mühseligkeiten der Wege queer durch das innere Land von
dem unteren Indus bis Kerman bezeugen genugsam die Be-
richte über Alexanders des Grossen Durchmarsch. Die
allein gangbare Verbindungsstrasse mit dem Westen geht
aus von Kandahar; über die Khoga Amrau-Gebirge führen
vier Pässe, von denen zwei verschiedene Spaltungen der
grossen Route bezeichnen; der bequemste Pass Kotal
Roghanni führt nach Quetta und von da durch den schwie-
rigen Bolän-Pass nach Dädar und der Indusebene um Shi-
karpur 0; durch den südlichem Kotal Bed gewinnt man
die Hauptstadt des Landes Kelät; die Strasse geht dann
südwärts durch Khozdär nach dem Kohanwat Pass im süd-
lichen Gränzgebirge und durch ihn steigt man hinab zu dem
einzigen doch nicht guten oder sichern Hafen Sunmiäni im
Gebiete Las. Ueber Mastang geht eine Strasse von Kelät
nach Quetta. Andere Wege sind zu schwierig, um Be-
deutung zu haben.
Es ist das Land ein hochgelegenes und rauhes. Kelät
soll 8000, südlicher Khozdär 7000 F. über dem Äleere he-
gen; es sind strenge Winter mit Schnee und Eis, das
Land ist waldarm, hat unsichern Regen, die Monsune;
übersteigen die Südkette nicht, es ist kein nennenswcrther
Strom im Lande, die Flüsschen vertrocknen oft im Som-
mer; der Ackerbau kann nur selten durch Bewässerung den
Regen ersetzen. Beinahe alle angebauten Theile sind
Khushk avväh oder solche, welche ihre Trockene bcjam-
roern. Es sind viele öde, bergige Striche^ es kann nur
ein Land geringen, in einzelnen günstiger begabten Thcilen
1) Masson, Journeys, II, p. 181.
343
oascnhaft gelingenden Anbaus seyn; neben unseren Korn-
arten gedeihen unsere Obstsorten; die Dattelpalme ge-
hört nicht diesem hohen Theile des Landes, in den Handel
liefert es Assa foetida und noch das altberübmtc Bdellion.
Es kann kein Land zahlreich beisammen siedelnder Men-
schen, grosser Städte seyn; in der That, die Braliui sind
bei weitem der Mehrzahl nach Hirten. Die Bergflächen
und die Ebenen sind an manchen Stellen reich an treff-
lichen Weideplätzen ; die Brahui beziehen mit ihren Heer-
den diese oder jene nach dem Wcciisel der Jahreszeiten.
Das Land kann nicht sehr bevölkert seyn, schon wegen
der vorherrschenden Heerdenzucht, dann weil grosse Striche
Landes eine Hälfte des Jahres uubcnuzt liegen. Die Brahui
werden so geschildert'): wenige Völker gleichen ihnen an
Thätigkeit, Kraft und Abhärtung, sie vertragen die Kälte
der Berge so gut, wie die Hitze Gandävas. Sie nähren
sich vorzüglich von Fleisch, welches sie halb gebraten
ohne Brod, Salz und Gemüse in grosser Masse verzehren.
Sie sind sich sehr treu, sind gastfrei wie die Baluken,
und ruhiger und fleissiger, weniger zu Raubzügen geneigt,
doch tapferer und abgehärteter als jene, und nicht so
habgierig, grausam und rachsüchtig. Ihre Gefälligkeit,
Dankbarkeit und Harmlosigkeit werden gelobt. Sie zer-
fallen wie die Baluken in unendlich viele Khel oder Stämme,
vier und siebzig werden aufgezählt, ein Verein von Zel-
ten heisst ein Toman, ihren Oberhäuptern gehorchen sie
mehr als die Baluken. Durch ihr abgesondertes Leben
und den Mangel an Verkehr sind sie unbeholfen und unge-
bildet. Sie fechten nicht mit Speeren, sind treffliche
Schützen und wissen gut das "Schwerdt zu führen, lieben
sehr die Jagd. Ihre Heerdeu bestehen aus Ziegen und
Schafen, mit deren Ertrag, Käse, abgeklärter Butter (jGht),
Wollengeweben und Fellen sie sich ihre fehlenden Bedürf-
1) POTTmCKB, p. 70.
344
nlsse einhandeln. Sie heirathen alle unter sich und sind
Sunniten«
Die Brahui erscheinen allen anwohnenden Völkern ge-
genüber als eigenthümlich; die nähere Aehnlichkeit mit den
Baluk'en erklärt sich aus der Gleichheit der Naturbedin-
gungen ihres Lebens, wir AVissen, dass sie in Sprache und
Aussehen doch scharf sich von diesen unterscheiden. Es
ist noch zu beachten, dass ihre Masse gerade auf das
mittlere, innere Hochland zusammengedrängt ist, während
die Baluken, die im Westen zu Hause sind, theils jetzt
noch im Westen unter dem Hochlande wohnen, die Nharui
nämlich, theils in den äussersten Ketten gegen das Indus-
gebiet und in diesem selbst, die Stämme der Rind, der
Mughsi CMagghazzi) und der Baluk'en in Sind. Sie müssen
sich also durch das mittlere Balukistän hindurch gezogen
haben, ohne die frühere Bevölkerung vertreiben zu können;
wahrscheinlich haben sie diese aber ins Hochland zurück-
gedrängt. Die Brahui erscheinen als die älteren Bewoh-
ner, Sie behaupten selbst, Urbewohner zu seyn^).
Die Dürftigkeit der historischen Nachrichten über die
ähere Geschichte Baluk'istans bietet keine Mittel dar zu
entscheiden, in wiefern diese Behauptung begründet sey.
Es bleibt nur übrig zu untersuchen , ob die Sprache dazu
beitragen könne. Diese erscheint, um dieses hier gleich
anzuführen, in ihrem Verhältniss zum Baiuk'i als die äl-
1) PoTTiNGKR, p. 271. Lrech glcbt an, a. a. 0. p. 539., dass die
Brnhui sugeu^ ihre ursprünglicliün AVohnsitze wärea Aleppo ge-
wesen und vor 20 Generationen sey eine grosse Anzahl von
ihnen nach Baluk'iätan eiiigewundert. Er berichtet es jedoch nur
von dem herrschenden fStumnic der Kambarani. Aehnlicber Weise
sprechen die Barak! einen Arabischen Ursprung an. N. oben IV,
S. 116. Die Brahui lassen nach Pottingkii den Muhainmed ihr
Land besuchen und besit/.en keine Ueberlicferungen, welche älter
;iis der Islam vi-ärcn.
345
tere und zurückgedrängte; denn wir werden benachrichtigt,
dass einige Brahui-Stämnie, wie die Miiighal, des Baluki
sich bedienen, so wie die Khane und Sirdär stets es sjirechen, *
indem sie es als vulgär betrachten, sich in Brahuiki aus-
zudrücken *J.
Für die Erforschung dieser Sprache sind uns erst in
der neuesten Zeit die Hülfsmittel dargeboten worden, zwar
nicht ganz hinreichende, doch sehr schätzbare uiid«dic bei
sorgfaltiger Benutzung eine Einsicht in den Bau und die
Bestandtheile derselben gewinnen lassen; wir verdanken sie
wie die über das Baluki, zuerst dem Lieutenant Leech, dann
Herrn Masso.v. Dieser hat ein gutes Wortverzeichniss
iiM%ethei!t, welches sorgfaltig aufgefasst zu scjti scheint,
sein lauger Verkehr mit dem Volke im Lande selbst befä-
higte ihn vorzüglich dazu^). Er hat sonst ausser der oben
S. 339. angeführten Angabe nur diese Worte: „Das Bra-
huiki enthält nothwendiger Weise sehr viel Persisches oder
Baluki, und sehr wenig Pashtu, aber ein grosser Theil
davon muss einer unbekannten Wurzel zugeschrieben wer-
den. Das einzige Werk in dieser Sprache, von welchem
ich Nachricht erhalten konnte, war kein Original, sondern
ein aus dem Persischen übersetzter Tractat über die Grösse
Gottes und die Wunder der Schöpfung, Persische Schrift
war darin gebraucht worden."
Ich schalte hier die Notiz ein, die Pottlnger über das
Brahuiki gegeben, nicht sowohl wegen der darin auso^e-
sprochenen Behauptungen, die ich zum Theil bestreiten
muss, als um den Eindruck zu zeigen, welchen die Sprache
auf diesen ausgezeichneten und genauen Beobachter machte.
Nachdem er gesagt, dass das Baluki sich dem Gehör als
Persisch ankündige 3), fährt er fort: „das Brahuiki ist im
1) Massox, p. 394.
2) p. .398 — i03.
3} p. 54.
d4«
Gegcntheil so verschieden in seinen Lauten und seiner
Bildung, dass ich mich nicht erinnere, je in ihm einen ein-
zigen Ausdruck bemerkt zu haben, der irgend dem Persi-
schen Idiome sich näherte. Es enthält eine ausgedehnte
Beimischung alter Hinduvi Wörter, ein Umstand der aus
der Geschichte erklärt werden wird, und es bietet^ wie es
das Ohr trifft , eine starke Aehnlichkeit mit dem Peng äbi
dar/^ *
Leech theilt zuerst die Formen der Declination und
Conjugation mit; das Paradigma der Conjugation hat den
Anschein nach einem, einem Brahui-Belehrer vorgelegten
Muster gemacht worden zu seyn, denn es ist viel voll-
ständiger an Formen, als die Sprachproben, während einige,
welche in diesen erscheinen, fehlen; es ist sehr nützlich,
weil wir ohne es zu besitzen keine genauere Einsicht in
die Bildungen der Verbalformen uns verschaffen könnten.
Es folgt dann auf vier Seiten ein Wortvcrzeichniss , auf
dreien kurze Phrasen und zwei Liedchen^ die nächsten
sieben Seiten geben uns eine brauchbare und anziehende
Mittheilung; es sind zwei Novellen, die zweite ist die Ge-
schichte der Upak69ä in dem Kathusaritsägara nach Isla-
mitischen Anschauungen und Einrichtungen zugerichtet,
auch die erste ist ohne Zweifel Indischen Ursprungs, aber
auch ganz Mohammedanisch gefasst. Wir erhalten durch
diese eine wesentliche Bereicherung unserer Hülfsmittel,
namentlich lernen wir erst aus ihnen die schlichte Syntax
und den unbeholfenen Stil der Brahui kennen, zugleich
aber den wirklichen Gebrauch der eigenthümlichen gramma-
tischen Formen. Sie müssen einem Märchenerzähler, wie
sie in Osten vorkommen^ nachgeschrieben seyn und geben
ein interessantes Beispiel aus der Gegenwart davon^ dass
der reiche Schatz Indischer Dichtung lebendig sich im
Volke erhalten, nicht nur in Indien selbst, sondern dass er
auch nach dem unwegsamen Brahuilandc den Weg gefun-
den hat. Die Uebersetzung ist hie und da nicht ganz genau
Uf
und zu frei; doch bleiben nur sehr wenige Stellen, deren
wörtliches Verständuiss mir nicht gelungen ist. Es sind
hie und da auch einige Fehler des Drucks ^ die ich nicht
zu verbessern weiss.
b) Biiclistaben*
Die Brahui haben die Persische Schrift angenommen;
L. sagt, die Buchstaben sind ,^die Persischen, mit Aus-
nahme eines besondern /, welches dem Devanägari ver-
doppelten 5T nahe kommt^ und eines /^ welches mit starker
Behauchung aus dem Gaumen gesprochen wird." Es schei-
nen also zwei besondere Zeichen von den Brahui hinzu-
gefügt worden zu seyn. Ein th erscheint, obwohl selten,
in den Sprachproben, jenes / wird in ihnen gar nicht be-
zeichnet, was zu bedauern ist, weil es ein charakteristi-
sches Element abgeben würde, lieber das Lautsystem be-
merkt derselbe, dass die Cerebralen in Brahuiki vorkommen;
eine andere Bemerkung ist nicht ganz klar abgcfasst 9 5
es scheint aus ihr hervorzugehen, dass es zwei adspirirte
k und ff gebe ; die Proben geben nur ein kh, wie ein gh.
Es sind allerdings (pT und ^, und noch mehr et und h
in der Aussprache verschieden; vielleicht beachten die
Brahui diesen Unterschied, je nachdem die Wörter In-
dischen oder Arabischen-Persischen Ursprungs sind.
1) Nämlich diese: ,,Be-sides the NA^ari consonant 'Cconsonants?)
the Brahuiky makes use of the Arabie ^ and c, and in using
that character the l is sometimes pronounced , like the last n
in the French non, or the Sanscrit Anusvära." Was das l hier
besagen soll, weiss ich nicht, da e wohl einem r, nicht aber l in
der Aussprache verwandt ist. Es ist aber auch kein wirkliches
r, nur ein Anklang daran. L. muss die Fälle meinen, wo er
ng, ngh, ah schreibt; das g oder gh entsteht hier jedoch nicht
au.s einem ursprünglich Arabischen oder Persischen Ghain.
348
Suchen wir uns aus den vorgelegten Proben eine An-
sicht von dem Lautsysteme des Brahuiki zu gewinnen, so
zeigt es sich als ein einfaches, weder durch das Fehlen
gewöhnlich vorhandener Laute unvollständiges, noch durch
das Vorherrschen besonderer Laute sich auszeichnendes.
Es ist ohne harte Consonantenverbindungen, neigt sich
dagegen zu Elisionen und Assimilationen derselben.
Die Voeale sind «, i, u, e, q, die alle ausser o lang
und kurz seyn können; M. ist am genauesten in der Be-
zeichnung der Längen, ein o finde ich jedoch nicht. Auch
L. giebt die Längen meistens an und bezeichnet die Vo-
eale genau, einige Mal schleichen sich jedoch trotz der
Befolgung der Jones'schen allein empfehlenswerthen Vo-
calbezeichnung Englisches ee für i, oo für ?«, u ein. Der
Diphthong ai ist ziemlich häufig, %aif^ Frau, ainüy heute,
ewadaij ehedem, baghair (Ar. yju) ausserdem. L. setzt
öfters auch eij ob für ai oder i oder einen besonderen
Diphthong, kann ich nicht überall entdecken; so hat er
rüpi-nä im Genitiv und rüpai~nä, rüpei-je (Accus.) neben
rupet. Man erwartet neben ai ein au ; dieses kommt jedoch
nicht vor und das selten vorkommende oti muss dafür
stehen ; denn ich finde doulatmand^ reich, glücklich, toukal
(Ar. taukW) khudunä, Anordnung Gottes, soudd kanningy
Handel treiben, aus Per. saudä-gar, Kaufmann^ ge-
schrieben. Ob ou überall als au zu fassen, ist mir nicht
ganz sicher: /omä, Halskette, 1,4.*) zebou, schön, P. zebä,
II, 4. 5. (wo falsch zabro), zabn, G, sogou^ fest; chouj
G. muss aber das P._j^ seyn. Daneben findet sich eine
Orthographie mit dem Halbvocal v nach Vocalen am Ende,
einmal auch vor einem folgenden Consonanteu; in der
1) Ich bezeichne die zwei Nnvelleo mit I. und II. die Phrasensamin-
lung mit 6. das Wurtverzeichniss von Lbrch mit L. das von
Masson mit M.
349
Isten p. sing, des Verbums ist dieses stets der Fall, ar,
und daneben er, f'r; hier ist aber die vollständige Form ra.
Sonst Purav, 1, 2. vollendet; chalav , L. Ring; darjäv für
dq/yd, Fluss, G. avdast Excremeut, L. Ein ow in thow,
Wind, M. Shevmd enthält shef, herunter, abwärts, hier ist
kein Diphthong , sondern Erweichung des f zu r. Es sind
zu wenig Beispiele, um etwas auf sie zu begründen.
Zu ai und ou kommt noch oi, in der 3ten pers. sing.
des Futurum ; karoi, wird thun. Zwei oder drei Beispiele
von oa scheinen blosse Druckfehler. Von ai ist endlich zu
unterscheiden «7, welches eine Casusform ist und wofür
auch de, de^ aber gewiss unrichtig zugleich ai, gefunden
wird; de (wenn es nicht für de stehÜ ist ein uneigentlicher
Diphthong, da d und e nicht in der Aussprache mit einander
ganz verschmelzen können. Sonstige Verbindungen von
zwei Vocalen, die keinen Diphthong bilden, sind nicht
selten und entstehen meistens durch die Casusbildung,
z. B. de-i, in der Sonne; hüli-dn ^ vom Pferde; selten wird
der Hiatus vermieden durch Ent Wickelung eines Ilalbvo-
cals aus dem i, wie hulijdn . Auch Fremdwörter scheinen
in Brahuiki die offene Aussprache vorzuziehen : g iidri,
Holcus Sorghum; hüshidr, aufmerksam, M. = P. koshjdr'^
zidrat, Ar. zijtlrat, Pilgerfahrt, heilige Stätte. So findet
sich auch daria M. gesclirieben für darjd, Fluss.
Consonanten. Am vollständigsten ist die gutturale
Klasse vertreten ; es sind k, kh, g, gh da. Ich habe schon
erwähnt, dass die Sprachproben kh nicht in zwei Laute
theilen, so wenig als gh. Kh gehört vorzüglich Persisch-
Arabischen Wörtern^ khuJd, Gott, khofd, Furcht, 1, 1. Ar.
\Jfyi>. Khed^ Schweiss^ das Sanskritische steda mit Per-
sischer Verwandlung, kann aus dem Neupersischen khai
^ßyi", nicht entstanden seyn. K und kh wechseln in ei-
nigen Wörtern, ob dialektisch oder durch ungenaue Auf-
fassung, weiss ich nicht; neben kul, alle, L. kommt khul
350
bei M. vor. Doch zeigt das Brahuiki keine Neigung das
k zu adspirireii und kul wird wegen seines «^ im Ar. rich-
tiger seyn. Gh kommt nur selten vor, ghala, Korn^ ghivanki,
grün, ghwandj, breit, ghus, zornig^ gharib^ arm, Ar. X**iic, w*Jj£,
sind die einzigen mit gh m Anlaute vorkommenden. Im innern
erscheint es häutiger karigharj Stier, kughaz, Papier. Es
entsteht aber ein gh in Br. aus dem Endhauche der Wörter,
wenn sie durch Zusätze wachsen, wie %aifagJi-äe aus zaif
oder zaifa. Ich komme hierauf später zurück. Das q in
qwan, Indischer Feigenbaum, wird Druckfehler seyn, wie
sonst wo es vorkommt.
Die Palatalen sind k' (wofür ich hier ch beibehalten)
und g'. Ein g h erschÄnt nur in: kukud' äfine g hale, fange
die Vögel, G. mit welchem Rechte, weiss ich nicht.
Die Cerebralen sind t und rf', beide selten und wohl
Indischen Ursprungs. Es wird et auch hier oft wie r ge-
sprochen,* so steht kokar, M. Vogel, eig. Hahn, neben ku-
kud' , L. aus einer Prakritform kiiknda für Sanskrit kuk"
kuta. Bei L. khürk j nahe, khttdk, auf dieser Seite} es
wird dasselbe Wort seyn.
Die Dentalen t und ^ sind häufig; das //t, welches wir
nach L.'s Angabe annehmen müssen^ findet sich nur selten
bezeichnet; es kommt besonders in this, gab^ L. und den
dazu gehörigen Formen vor, während tenning bei M. ge-
ben, und selbst bei L. tes, du willst geben, geschrieben
wird. Sonst finde ich nur thad-ho, schneidet, L. tholif,
scheere den Bart, L. thotc, Wind, AI. im Anlaute. L.
schreibt nathy Fuss, M. nat, L. math^ eine Ziege (Jbilly
goat). Es muss demnach th wohl nur von geringem Ge-
brauch seyn. L. schreibt sowohl gud, als gudh für Kleid^
G. I, 5. u. s. w. Das dh ist hier aus dem Baluk'i un-
richtig angebracht; er hat sonst nur dhad-bo, landet, wedh
kar, belagere. Ein dh gehört kaum dem Brahuiki.
Von den Labialen ist bei p und b nichts zu erwähnen}
351
f ist wieder selten und gebührt, wie es scheint, besonders
Arabisch-Persischen Wörtern, während ph den aus Indi-
schen Sprachen eingeführten zugehört; doch steht /?/A-i,
Alaun für Indisches ph in phit ; es wird auch di^^^us-
sprache unterschieden seyn. FUfilj Pfeffer, fero%^ Türkis,
P. pirozah, farzand, Kind, fakir, folddj Stahl (#f. poldd)y
khofa, Furcht. Fash, II, 11, mit kanning, machen^ beisst
erscheinen und ist Pers. uili, offenbar, deutlich ; barf, M.
Schnee, auch Pers. Fildnj in hindk ßldn pirand zidrat, I, 10.
ging zum heiligen Sitze eines gewissen Alten, ist das Ar.
fuldn. Fahti, L. in, zeigt die Brah. Locativ-Eudöng, ein
Beispiel von Gebrauch kommt nicht vor. Phur-ka, fülle,
könnte P. ptity voll, enthalten j es möchte aber wohl aus
dem Indischen purn a verkürzt seyn, mit ph für p, wie in
Paogäbi bhar-nd, füllen. Phttlo, Nasenring; phulor^ sie
werden plündern; phuden, kühl. F gehört aber auch ur-
sprünglich dem Brahuiki, arfing fragen, u. s. w. und na-
mentlich dient es zur Bildung der negativen Form des
Verbums, obwohl es hierin mit p wechselt.
Das Brahuiki zeigt also nicht die Neigung des be-
nachbarten Baluki zu aspirirtcn Consonanten, obwohl es
sie nicht vermeidet; nur möchten die weichen Adspirirtcn
nicht ursprünglich zur Sprache gehören , da gh selten,
dh kaum und bh gar nicht vorkommen.
Die Halbtocale sind j, r, i, w, daneben r. Das^ im An-
laut gehört meist Persischen Wörtern, jdr, Freund, y«, odcr^
jdzJa, eilf ; jdr-filling, M. zählen, ist vielleicht aus P. j'dd^
Erinnerung, Gedächtniss. Es wird jefi und eii, gieb, ge-
schrieben; da QS ein Brahuiki-Wort ist^ möchte «//, rich-
tiger seyn, jdhkf, kalt, ist wohl einheimisch. Die Schrei-
bung mdljdt' u. s. w. ist seltener als hulidn, hdlxdt und j
scheint wenigstens kein beliebter Laut.
Ueber r bemerke ich nur, dass es mit s in mehreren
Fällen wechselt und am Ende öfters abfällt; auch wird es
353
leicht im Innern elidirt, mär^ Sohn, Plur. mdk. Dieses
kommt aber auch bei andern Consonantcn vor.
Ueber / finde ich nichts zu bemerken. W ist der ei-
gentl^cjti labiale Halbvocal im Br. v erscheint am Ende, wie
oben erv^hnt, nach a, (, e und für f, in shev für shef
(S. 349.);* so steht auch havda, Woche, dagegen haft,
sieben, bei L.
Die Sibilanten sind s, sh, %. Das letzte möchte nur
fremden, namentlich Persischen Wörtern gehören, %anu, Knie,
»j|- zamrüdj Smaragd^ zind, Leben, zargar, Goldschmidt,
zamzir, Kette, -i^^;, %ehou, schön (oben S. 3480? »^«,
Sattel, ^- zuy %uft, M. schnell, t)^« y zardäluy Apri-
kose, und einige andere ebenso genau Persische. ZU, Nagel,
M. und das oft vorkommende zaif, Frau (zif, Pers. ist
Sünde), endlich zäghm, Schwert^ sind andern Ursprungs.
Ich finde nur einmal zh^ in puzhar , Haar, 31. wobei an
das Ar. shahr jtJi, Haar nicht gedacht werden kann. Ä
und sA stehn in ursprünglichen Wörtern.
Die Nasalen sind m, w, wy das letzte kommt nur am
Ende vor; am häufigsten in der Casus-Endung an, jedoch
auch als ursprünghcher Endconsonant, \vie pun, L. Knie.
Doch scheint die Bezeichnun«: im Druck bei L. nicht re-
gelmässig beobachtet worden zu seyn. M. unterscheidet
diesen Laut gar nicht, doch wird er in der Sprache vor-
handen seyn und wohl durch eine dumpfere Aussprache
sich von n unterscheiden. Das gutturale und das palatale
n werden auch hier nicht durch die Schrift bezeichnet; sie
können natürlich nur vor Consonanten ihres Organs stehen.
Das näselnde n oder ng, ngh am Ende wird sogleich be-
sprochen werden. *
H scheint ein schwacher Flauch im Anfange der Wörter
zu seyn ; wir finden es öfters von einem der Berichterstatter
gesetzt, von dem andern weggelassen; harwat, Gattin, M.
arwat, L. ; arrafing, aufraffen, M. harfy nimm, L. Dieser
I
353
hat hichän, nicsse, neben ic/iänä, niesste; von Ar. ,j«JaÄ,
niessen, wird auch ^LJac, '^alsän, Niessen, angeführt.
Ein leiser Hanch muss im Br. vielen Wörtern nach-
hallen; dieser verhärtet sich, wenn das Wort den Zusatz
eines \'ocals erhält und nimmt dann die Gestalt eines ph
oder rtff an ; es muss dieser Laut seyn , den L. als eine
nasalirende Aussprache eines Ghain betrachtet. Ghala^
ghal, II, 12. ghalla, Korn, M. L. bildet waVXvir.ghalaghuie,
ghalaghuk, L. 549. Er übersetzt es 548. durch Nahrung
und ebend. steht auch ghalaghkä, ohne Zweifel falsch; es
gehört uk wie äte zur Flexion. Von zaifa^ zaif,, kommt
zaifaghue, II, 7. von tirti mit iansfem Eudvocal uraghde,
W, 14. von päJshä ebenso pädshdghäe, \, 11. u. s. w. In
dem von L. aufgestellten Beispiele der Declinatlon eines
Adjectivs und Substantivs (wobei das erste ganz unver-
ändert bleibt) sind die Worte: sharaiigä narina, ein guter
Mann, (richtiger der gute Mann); das erste Wort ist shar,
gut, schön, welches in vielen der benachbarten Sprachen
wiederkehrt 3 « dient als ein definitcr Artikel. Was hin-
zutritt, ist also ang. Ein anderes Beispiel ist pirangd, II,
3. 4. der Alte, dessen Genitiv ptrangänä ebend. vor-
kommt. E^ ist Pers. pir, alt und ang wieder Zusatz. Das
Persische Wort hat kein hnales He; zwar mag »^^ pirah,
welches kahl bedeutet, dasselbe Wort seyn, aber dieses
hat gewiss nicht dem Brahiiiki eine Form pirah gegeben,
in welchem ohnehin p\r sonst vorkommt und pirvi, II. 3. er-
fordert eine Form pir. Man kann sich jedoch die Erschei-
nung des gh und ng in den obigen Fällen nur so erklären,
dass die Wörter der erwähnten Beispiele dem Brahuiki
dann, wenn sie durch vocalische Zusätze wachsen, als »ai-
fah, pirah, uruh gelten; das h wird verstärkt zu g. Hier
waltet der mir noch unerklärliche Unterschied , dass die
Wörter mit kurzem a meist ng setzen, die mit langem d
gh vorziehen.
Man kann hiermit die Erscheinung im Persischen ver-
V. 23
354
gleichen , wenn das latente finale He g wird oder nach
Persischer Orthographie ^r hinzugefügt wird: bandah, Plur.
bandahgun, die Sclaverei handahgi, oder bandagi. Im Brah.
wird ein solches Persisches h auch zum bleibenden gh'^
so heisst dieses Wort hier eben bandagh, auch bandak
geschrieben. Für die Nasalirung des Gutturalen bietet das
Zend die Uebereinstimmuiigj dass h für ursprüngliches *
ein ng annimmt, mananghe neben manahi. Diese Ver-
gleichungen beziehen sich nur auf die Erscheinung als rein
phonetisch und sollen eine Verwandtschaft der Sprache»
nicht andeuten. f
Die sichern Beispiele dieses gh und ng kommen nur
nach a und ä vor und wenn Vocale hinzugefügt werden;
ob auch nach i, will ich später untersuchen. Nach anderen
Vocalen finde ich gar keine Spur von ihnen , noch vor
consonantischen Zusätzen.
Hiernach wären folgende Laute als die im Brahuiki
geltenden aufzustellen; ich lasse die einzeln vorkommen-
den, unsicheren weg:
Vocale: a, ä; e, e; i, «/ «/, w; o.
Diphthonge : ai, äi, äeß oij ou (= ati),
ConsonanteUj Gutturale: k, kh, g, gh; Palatale: ch fkjj,
g' ; Cerebrale: t' , tt ; Dentale: t, th, d; t,abiale: p, f
Cphjj *; Halbvocale: j, r, l, r, tv; Sibilanten: s, sh, «/
Nasale: m, n, n ; Hauchbuchstabe: h. Von diesen be-
trachte ich /', et, % als nicht sicher ursprünglich der Sprache
zugehörige Laute. Dieses Alphabet deutet auf keine be-
sondere Verwandtschaft mit einer der bekannten Sprach-
klasscn.
Die Verbindungen der Consonantcn sind die einfachen
und natürlichen; havda und shevma. würden, wenn sie ganz
sicher wären, auf eine Neigung zur Ausgleichung der
Laute hinweisen; die weichen Consonanten d und m ver- ^
wandeln das harte f in v. Wir werden in der That später j
zeigen j dass die Assimilation der Consonantcn tief in die '
355
Sprache eingreift. Widersprechende oder harte Verbin-
dungen, wie in eipuds, L. eine nicht näher bestimmte
Bauraart, kdchin, ebenso, kommen sonst kaum vor und
mögen nicht richtig gehört oder wiedergegeben worden seyn.
c} l¥oiiieii« Zalili«ort. Pronomen.
Eine grammatische Unterscheidung des Geschlecht»
kennt das Br. nach L. nicht mehr. Wenn ein Bedürfniss
eintritt, bei lebendigen M'esen das Geschlecht zu unter-
scheiden, wird es, wie im Persischen und Baluk i ^} durch
vorangesetzte Wörter bezeichnet; diese sind in der That
auch dieselben : L setzt für männlich: narrangä QiarangdJ,
für weiblich mädaghä, also nar und mudah mit dem defi-
niten Artikel «. Mudah ist die acht Persische Form, im
Baluk i ist tnuthin das entsprechende; nar ist ebenso rein
Persisch, für Mann giebt L. sonst eine abgeleitete Form
narina an, so dass nar, narrangd nur diesem gramma-
tischen Gebrauch zu dienen scheint. Eine ältere Unter-
scheidung des Geschlechts durch die Form könnte viel-
leicht darin erhalten seyn, dass das Feminin gh , das
Masculin ng vor dem Artikel und den Casus-Endungen hätte.
Auch in den oben angeführten Beispielen ist pir männlich,
%aif, weiblich. Bei andern Wörtern, wie urä, Haus, lässt
sich das Geschlecht jedoch nicht bestimmen und es wider-
spricht z. B. pädshäghäe.
Zahlen. Nach L. giebt es einige Wörter im Br., welche
in beiden Zahlen gleich bleiben; in diesem Falle müsse ent-
weder die Form des Verbums bezeichnen, in welcher Zahl
ein Wort stehe, oder es geschehe durch ein Adjectiv quan-
titativer Bedeutung. Die Beispiele sind: huli tawkr kek,
das Pferd wiehert (macht Lärm), huli tawkr ker, die Pferde
wiehern; ba% huli, viele Pferde. Er fahrt fort: „doch
1) Oben IV, 431.
356
sagen einig-e, auch dieses Wort (Ä?/fi) habe einen Plural**
und er fügt das Beispiel der Declination dieses Wortes
und des Wortes narina, Mann^ bei.
Es verhält sich nun gewiss nicht so, wie hier ange-
geben ist und die Untersuchung der Sprachproben berech-
tigt, eine andere Darstellung zu geben. Es sind allerdings
Endungen zur Bezeichnung des Plurals da, sie werden aber
oft weggelassen und sogar auch dann , wenn gar keine
andere Bezeichnung der Mehrzahl eintritt. Ich bezweifle,
dass ba%y Pers. bas, als blosser gramniatischer Exponent der
Mehrzahl gebraucht werde , es steht überall in der con-
creten Bedeutung für viel. Beispiele für den Nichtgebrauch
sind nicht selten: baz duz are(^r), viele Diebe sind, G.
baz skl, viele Jahre, hasht sad sälj 800. Jahre, irä tii, zwei
Monathe, daJi rupei, 10 Rupien, G. So auch, wenn eine
Casusendung hinzutritt, wie duazda sklnai paidk masuni,
sie ist gebohren (zum Vorschein gekommen) vor zwölf
Jahren, wo nai nur Casus ist.
Nach den Beispielen, die aufgestellt sind ^), wäre an-
zunehmen, dass die Endung für den Nominativ des Plurals
k nach vocalischen Ausgängen^ äk nach Consonanten sey,
für die übrigen Casus dagegen ein / nach Vocalen, Ä'/nach
Consonanten ; diesem / werden dann die Casusendungen
angehängt, die im Singular und Plural dieselben sind. Ich
glaube jedoch, dass / auch dem Nominativ des Pluralis zu-
kommt.
1) Ich setze diese her:
huli, Pferdj Sing, N, hvli, 6. hulina,D.hcc.huli]ie^ Abi. htilidn'.
— PI. „ hulikj „ litäf f, Ute, „ litjän'.
Sharangä narina, ein guter Mann; da das Adjectiv ganz un-
verändert bleibt, lasse ich es weg.
Sing. N. narina, G. narlnanä, D. Acc. naAnaie (I. ne),
PI. „ narinaghäk, „ narinaghätä, „ narinayhäUf
Sing. Abi. narinagluin'.
PI. „ narinaghiitijän'.
m^'
3&7
K ist die am häuflgsten erscheinende Form uud
wohl richtig ausschhesslich dem Nominativ zugeschrieben.
Ich stelle hier die Beispiele zusammen, sie zeigen oft starke
Zusammenziehungen: niäk. Söhne, aus mar, also für »laraA;,
G. 547. nak, Füsse^ aus nut, f. tiatäk\ dvxk, Hände aus däy
6. 549. ghalaghäk, Körner, s. oben S. 353. In einer Stelle
ist es aber Accusativ: irä tue da ghalaghük harfennt, vor
zwei 3Ionathen ärndtete ich diese Korner. Solche Plurale
sind öfters verkannt : dk ttitkk ira tu kngud bisir, G. that
mulberry will ripen in two months, aber tut ist das ^Vort,
auch im Pers. also Plural, wie auch bisir. Mnchnak, L.
Haarzangen, ist als Plural bezeichnet. Nach Halbvocalen
und Nasalen scheint blosses k, nicht lik zu stehu: Uumkf
Brüder, von ilum, G, 547. rotink, Eingeweide, L. bkhink,
Armbänder, L. pkdink, Fussketten, L. Sark, G. 547. in
pang sark tev, ich will fünf sar (nicht sark) geben. An-
dere Beispiele sind noch diese : hamskeghkk kul, alle
Nachbaren, n^23. aus P.hamskjah; kuchakäk, Hunde, 1,10.
besser kuchikkk, M. hat kuchik; saut, I, 4. 5. Schmuck,
PI. sahtkk, l, 7.
Aber auch / scheint bei dem Nom. Plur. vorzu-
kommen; gharibktk ofk khush tnarer G. 548. jene Armen
werden froh teyn, von gharib, wo dt den Plural bezeichnet, ä
angehängter Artikel ist, wie m sharangk. Ein Beispiel scheint
k und / zu verbinden : hamrkkt bashmasü , die Reisege-
fährten wurden wach, von hamrk; oder richtiger das k ist
aus dem h in Pers. hamrkh entstanden. Es sind dieses aber
die einzigen Beispiele, die ich gefunden, eines Nominativs
im Plural mit dt und /, wie dk und k. Die demonstra-
tiven Pronomina bilden efk, ofk, dkfk von e, o, dk.
Die Casus des Plurals ausser dem Nominativ haben
stets das t vor den Endungen, welche dieselben sind, wie
im Singular. In einigen ist die Lebereiastimmung jetzt
nicht vollständige ergiebt sich aber aus Aer genaueren Be-
trachtung.
358
Das Brahuiki hat einen merkwürdigen Reichthum an
Casus^ die noch so kräftig und lebendig in der Sprache
sind, dass diese des Gebrauchs der Präpositionen sich ent-
schlagen kann, wie das Sanskrit. L. hat die meisten auf-
gezählt, obwohl er eine wunderhche Theorie hat, nach
welcher es keine Casus seyn sollen, und führt sie nicht
alle in seinem Paradigma auf. Ich will sie der Reihe nach
durchgehen und mit Beispielen belegen.
Genitiv: wä. Hulink kurra, des Pferdes Füllen, L.
Andere Beispiele: mirknsL, des Emirs, G. shaharnä, der
Stadt^ G, bkvnk, des Vaters^ G. Mekurkna. Q. Mekar.J,
Mekrans, aus Mekran, G. rüpink, einer Rupie, für eine
R. G. rupaink, des Silbers, silbern^ wo auch rüpink zu lesen;
piranä, und mit dem Axü^cXpirangknk, des Alten, des Heiligen,
oben S.3o3. Pangtik, der fünf^ l, 10. ktilank, aller I, 12,
Er steht gewöhnlich vor dem regierenden Wort, jedoch
nicht noth wendig: hukmat khudknkj Beschluss Gottes, I, 1.;
pkdshk sifate hingas %aifnä, der Fürst hörte die Beschreibung
der Frau^ wo zaifnk zu sifate gehört. Es sind keine Bei-
spiele vom Genitiv des mit seinem Aflßx versehenen Plurals,
es fehlt den angeführten pang'nk und kulank ; ich vermuthe,
dass auch hier wä ursprüngliche Form gewesen und hulitk^
narinaghktk für -tnk stehen ; denn n verschwÄdet z. B. auch
in tenk, des Selbst, von ten, in numk, eu<^r, nank, unser,
von num und na/i. Man kötuite auch fink vermuthen.
Dativ und Accusativ worden durch e bezeichnet; L.
setzt nur to denote donation; aber e schliesst auch die mei-
sten andern Beziehungen eines Dativs in sich und fehlt nur
selten, wo der Accusativ steht. L. setzt ne als gleichbe-
deutend, diese Form ist jedoch höchst selten. Beispiel:
dkde jete, L. gieb ihm, von dkd. Ich füge hinzu : Mulla
Mansnre mkr as , dem M. Mansür war ein Sohn. II, 7.
uraghe^ dem Manne, II, 4. IVmire pkre^ sie sprach zum i
Vizir; wakile thisf sie gab dem Vakil, II , 8. Accusativ:
bashkare dai%ie, er weckte den Schneider, 1, 5.; khkkhare
#
359
lagafetj sie zündeten an das Feuer, 1, 2. ; bandaghe raikare,
er schickte aus den Sciaven, II, 6. ; kkreme wä karenut, ich
habe dein Werk gethau, II, 8. von kkrem; toukale khu-
dä/iä kare, er that den Auftrag Gottes, II, 3. er führte
ihn aus; duje sakht karer zaifwati (I. zaifghatf), sie leg-
ten die Hand auf die Frau, wo also ein j eintritt, um den
Hiatus in due zu heben. Sonst wird diese Rücksicht aber
nicht genommen und es heisst z. B. fixe von /ü, Monath.
Der Accusativ scheint nach einigen Stellen sich dieser
Endung entschlagen zu können: trä rupei katiekn khirkjkj
er forderte v^on mir zwei Rupien, G. ; dkde mir henifene
khalat, G. der Emir schenkte ihm ein Ehrenkleid; doch
steht sie gewöhnlicher: Haidrkbkde khanänut, ich habe H.
gesehen, G.
Im Plural erscheint sie ebenso: gudsJe sil, wasche die
Kleider, G. 548. von gud, a/ die Pluralendung; gudäti, Acc
PI. G. 549. ist wohl Fehler für e. Ghalaghkte kungo, wer-
den die Körner essen, G. 549. %aif rupaite dakä, die Frau
band die Rupien ein, II, 11. mulkkte kbkd karak, mache
die Länder glücklich , G. pidäte harre , 1 , 11, reisse die
Bäuche auf, wozu Acc. Sing, pide, ebend. HäaJey U, 10.
Geschichten, Umstände, von hit.
Ne erscheint im Siiugular sehr selten; ich kenne nur
ein sicheres Beispiel: kkhundene saläm kes y mache dem
Lehrer den Gruss, von Pers. äAAü«</. Vielleicht gehört sälnai
hieher, duazda sklnai paidk masuni, G. sie ist zwölf Jahre
gebohren gewesen, der Accusativ steht imBr. in solchen Zeit-
bestimmungen, wie I, 8. in demselben Wort e: dk khadar
skle hinkiie, sie war viele Jahre fortgegangen, während
vieler Jahre fort gewesen. Das Pluralzeichen fehlt.
Im Plural verbmdet ne sich mit / durch ein t. Gudk-
tine, die Kleider, II, 22. kukuä utine g'htUe, fange die Vö-
gel, G. romaghktine shola, schneide die Haare, vom Indi-
schen rdma(nj, Haar.
360
Für e 5vird auch e gesetzt, besonders nach langen
Vocalen: soudkkarenut tenk hulie^ G. ich habe mein Pferd
verkauft; kkzie salkm kes , mache dem Kkdi den Gruss;
pädshä.e sal&m kes, U, 6. 7. u. s. w. Es sind dieses viel-
leicht nur Fehler, so wie gewiss, wenn ai 11^ 4. in bäwai
tenu päre, sie sprach zu ihrem Vater, für ösiwe steht.
Hiernach ergiebt sich eine Doppelform für den Dativ-
Accusativ, ne erscheint in L.'s Schema im Sing, huline, in
den Beispielen im Plur. mit einem verbindenden i, in gudkt-
ine^ daneben ohne n in gudkte; diese Form setzt L. allein
im Flur., während in den Sprachproben e vorzugsweise im
Singular gebraucht wird. Auf diesen Wechsel der Formen
mit und ohne n bauend habe ich schon für die Genitiv-
Endung ä die andere Form na als die vollständigere an-
genommen.
L. stellt auch einen Instrumentalis auf^ dem er die
Endung ene beilegt: zaghm-eriej mit dem Schwerte,
lat-en e,m\i dem Stocke. Das einzige vorkommende Bei-
spiel, welches hieher gezogen werden könnte, ist das an-
geführte äkhundene, welches jedoch deutlich Dativ ist und
das cerebrale n nicht darbietet. Ich muss es daher dahin
gestellt seyn lassen, wie es sich mit diesem Instrumentalis
verhält. Da hier an keine theoretische Annahme eines ein-
heimischen Gelehrten gedacht werden kann, bezweifle ich
jedoch nidht den wirklichen Bestand in der Sprache.
' Für die Richtung nach einem Orte oder Gegenstände hin
steht äi; L. giebt als Beispiel: t Haidrkbkdai karrä{l. katra)^
ich will nach H. gehen. Wie hier, wird auch sonst in den
Texten ai geschrieben; ich flnde auch sehr häußg ä*», ie
gesetzt. Dev Khorksanki, G. 549. ich will (sie) nach
Khorasan führen. Haidrktradke , G 547. /enk chokkrie
raikare xaifghke, II, 8. er schickte seine Sciavin zur Frau ;
mit denselben Worten artrn/ke,\\, 6. ztir Gattin: tirkg/ike,
ins Haus, II, 14. Aar ptrank zikra/ke ich will gehen zum
Schreine des Alten , G. 539. sharkg/ike, zur Entscheidung,
361
I, 12. aus Ar. c Ji, woraus Br. ahark wird. Dieses gh
tritt nicht vor allen Casus - Endungen ein, das ä ist ein
wesentlicher Theil der Endung ke und so unterscheidet die
Sprache den Dativ pkäshsie, 11, 7. von diesem, deva nittne
pkdshkghke, I, 11. ich >vill euch bringen zu dem Fürsten.
Es ist daher Juwke, 1,7. Dativ von diik karenut, ich machte
ein Gebet, in: kank duwke khudk kabul karetie, meinem
Gebete that Gott Genehmigung. Buk ist das Ar. Leo, du'k.
Falsch ist die Schreibart ai, weil dieses eine verschie-
dene Endung mit bestimmter Bedeutung ist; wie I, 9. Äa;»
koticalai sharnk Qshaharnk^, gehen wir zum Schulzen des
Dorfes; es muss ~äi heissen. Kkn tenk miilkai, gehen wir
nach CmsiQcm} eigenen Lande, für mulkki^ II, 5. Hinkk
xtjkrat, ging nach dem Schreine, steht wohl irrig ohne diese
Endung, 1, 10. Ebenso wird mitunter ai falschlich für den
Dativ-Accusativ der Wörter auf d d. h. für ke gesetzt, wie
ebend. warnai nishkn tisu, sie zeigten (sie) dem Jünglinge,
fnr ftamke. •
Wenn, wie es scheint, das « dieser Endung wesent-
lich ist, müssen ki und de, de die allein richtigen Formen
seyn. Die Bedeutung ist zuerst die örtliche^ die Richtung
nach einem Orte; in sharkghki stand sie auch als Dativ
des Zwecks, der Absicht. Vom Pluralis habe ich kein
Beispiel gefunden.
Die Entfernung vom Orte und daher übertragen, die
Ursache, wird durch die Endung an ausgedrückt; es ist
natürlich dieselbe in bcic^u Fällen und ein Ablativ. L., der
beide Fälle trennt, gicbt diese Beispiele: viatkn asify eins
von zwei Q. iratkn asif), hulikn ditar, Blut vom Pferde,
ustat (jistkn'J tluk, Gebet aus dem Herzen; M. giebt
ust, Herz; tapkn durch die Wunde. Ich glaube, die voll-
ständige Form sey jkn ; denn L. giebt im Flur. hulitjkn\
narinaghktijkn , dann knnjkn , von mir, und andere Formen
der Fronomen; nur wird das j nach gewissen Conso-
363
nanten ausgestossen. Pittäny I, 3. (er bildete) aus Holz;
huUän shef mar, steige ab vom Pferde, G. daspukän, aus
dem Schnupftuch, WyW.htnun , aus Hunger, H, 2. wa/aw , aus
dem Vermögen, G. numä khktarkn , euretwegen, G. Khalk
khalas chokarijkn ^ er warf einen Stein wegen der Sclavin,
wie es scheint, aus Zorn über sie, wenn hier nicht «i
stehen muss, II, 16. Zaifna. monaghkn tikhä^ stellte sie vor
Gesicht der Frau, d. h. vor die Frau, II, 13. von tnon,
Gesicht} II, 16. Plural. Da kul mirljk.n (L. meettjknj d. h.
ee = i, und t' = r^ doulatmande, vor allen Emir ist er reich,
540. In baz tjesa da hertjkn *, tohat is the price of these
bers, G. 547. scheint die richtige Uebersetzung : wie viel
giebst du wegen (d, h. für) diese Ber. Das i am Ende
ist später zu erörtern.
Zu der Bezeichnung des Seyns an einem Orte werden
mehrere Endungen gebraucht, deren Unterschiede nicht
leicht zu fassen sind. Das darin bezeichnet /i, wie L.
angiebt. Sharti, in der Stadt, g angati kaskuney er ist ge-
storben in der Schlacht. Die Beispiele sind häufig: bazartiy
G. im Bazar, pidati, im Magen, G. uräti, im Hause, G.
u. sonst, tenä uslatl pure, er sprach in seinem Herzen,
11,4. chiding-as düty{\,-tl) tenä karak, nimm eine Schelle
in deine Hand, II, 21. zaifna diity halko, sie griffen audio
Hand der Frau (ergriffen ihre Hand), I, 9. Nach Conso-
nanten ist die Form atX, ustatx, g angati, doch ist dieses
eh(jr ein Bindevocal, oder das schwebende a am Ende der
Wörter, als ein eigentlicher Bestandlheil; wo gh am Ende
eintritt, steht natürlich «/ly har chdr dvje sakht karer
zaifghati, (bei L. zaipcaty), alle vier legten Hand an die Frau.
Beispiele vom Plural habe ich nicht gefunden ; dagegen
finde ich eine Erweiterung der Form, die eigenthümlicher
Art ist. I, 1. hinär sahrusetx, hinür muliibo khofank g ug^
asetif sie kamen in eine AVüstc, einen Ort fürchterlichen
Schreckens} d, h. Ar. \j;s\m> und das Pcrs. «L>, Ort, hier g'dg
363
(j^gdgK) geworden, fügen se mid ose vor der Endung
ti ein. Da sich später ergeben wird, dass das Wort a«/,
a«, ein, zu as verkürzt, als indefiniter Artikel Wörtern
angehängt wird^ ist hier ohne Zweifel dieselbe Erscheinung.
Sie zeigt sich auch bei andern Casus,
Das daran wird durch zwei Endungen ^ at und ai^ be-
zeichnet; L. macht folgende Unterscheidung: „Stellung
wird bezeichnet durch die Hinzufiigung von a/, wie: da
kasarat duz are, von kasar, AVeg, es ist ein Dieb auf jenem
Wege, wenn man von einem Wege als einem ganzen
spricht, oder durch at, wie kasarat pirü aragh ase, es ist
ein alter Mann auf dem Wege, im beschränkten Sinne
redend."
Die gegebene Uebersetzung (^on that road^ scheint
nicht ganz mit dieser Auffassung zu stimmen und der En-
dung al eher eine demonstrative, also hervorhebende und
dadurch beschränkende Bedeutung zuzuweisen. Ich suche
erst die Beispiele zusammen.
II, 5. khimat (= Ar. iCjl) kul shaarat Q. shaharaQ
bingasii, alle Leute in der Stadt hörten; die Stadt ist eben
vorher erwähnt worden. I, 6. tenä khudsdnk barkatat
(siViS Arab. barakat tS^J da zatfe sä jeti, bei deiner
Gnade, o Gott, gieb dieser Frau Leben. I, 9. khudknk
pinat sali, im Namen Gottes stehe ! pang sadat soudä ka-
reniit tenä hulie, für fünf hundert verkaufte ich mein Pferd.
Im Plural kommt at in einer Verbindung vor, wo gleich
darauf ai gleichbedeutend gebraucht wird: II, 6. zaifa päre,
khantijat, kä%ie(je) saläm kes — — kanä khantijaiy die
Frau sprach, bei (meinen) Augen thue dem Kadi den
Gruss, (sprich, er komme am Abend}, bei meinen Augen.
11,9. ebenso kanä khantiai, 11,3. khan/eai Tür — tijai. End-
lich auch mit dem indefiniten as , II, 3. hinä kasaraseat,
er ging auf einem Wege.
Wir haben eben gesehen, da?s ai in gleicher Bedea-
364
tung mit at gesetzt werdea kaniu Von seiaem Gebrauche
kommen sonst diese Beispiele vor: ffwälai, im Korbe, II,
14. khalai tullf, setze dich bei der Mühle (L. eig. Stein
zum Zerstossen des Korns) II, 18. hishhai Qblshai) swkr
marak, reite auf einem Esel, G. helbo deai, leget euch in
die Sonne, G ; dafür schreibt M. de-i tulingy in der Sonne
sitzen; khkkharai tns, er sass am Feuer, II, 16, «ra
wakhtai^ uu welcher Zeit, II, 21. mulläna, bängai, bei dem
Rufe des Mulla (d. h. am Morgen), II, 23. begat, am
Abend, II, 6, fgd. auch begae geschrieben; L. hat im Ver-
zeichniss unrichtig begL Wenn II, 24. steht: Ainkr tenk
uräfijm^ so scheint urktijki gelesen werden zu müssen^ da
es heissen soll : sie gingen nach ihren Häusern. Es findet
sich endlich ai auch nach dem indefiniten Artikel asx
kasarseai tnlin(jg)j um am Wege zu sitzen, II, 8.
Es scheint hienach ai das daran, nn der Seiie , das
dabei zu bezeichnen, z. B. am Feuer, am Wege, und auf
die Zeit übertragen: bei dem Rufe, am Abend. Schwierig
ist es zu fassen, in welchem Sinne ai in der Betheuerungs-
formel bei meinen Augen steht und in bishai ist kaum
die Lesart richtig.
In dem ersten Beispiel berührt sich at ebenso nahe
mit tij wie sonst mit ai) doch hat /i deutlich die Bedeu-
tung des Seyns in emer bestimmten Umgränzung. At
steht wohl in allgemeinerer Bedeutung für das Seyn an
einem Orte; dann wird es in Anrufungen gesetzt und steht
bei der Summe, für welche etwas verkauft wird. Den
Zusammenhang unter diesen Anwendungen versuche ich
nicht aus so wenigen Belegstellen aufzufinden.
Das darauf wird durch « ausgedrückt; L. giebt diese
Beispiele: huliä, auf dem Pferde; kata tikhakh , lege auf
das Bett. Ich finde sonst nur: Aw/ia chist kar, steige aufs
Pferd, G. hulijk swa.r masut, ich kam zu Pferde reitend, G-
To hat stets die Bedeutung der Begleitung, des Zu-
sammenseyns mit jemand; L. neto hafar, ich will nicht mit
365
dir gehen. Sonst: bariva ee (1. t} tune (I. neto), ich will
mit dir gehen, kank märas zaifto masunij ein Sohn von
mir war mit der Frau gegangen; bknai khkchk tenk arighto
iaraghto^ *), sie schlief auf der Terrasse mit dem Manne,
If, 15. kane handkdto harkm jete , gieb mir Ehe mit die-
sem. Artralo von anrät, Gattin, in tenk ancafe karesns,
11 , 6. er hatte seiner Frau gemacht . ist mir zweifelhaft,
da es leicht aus dem Dativ fe entstellt seyn karm und «r-
ttaito heissen müsste.
Es kommt zwei Mal eine Form auf tn vor, in tnkrta^
n, 2. 19. wo der Dativ erfordert ist ; ich wage aber nicht
daraus einen Casus zu»machen, da eine andere Erklärung
sich als wahrscheinlich ergeben wird. Dagegen steht A-,
ka in der Bedeutung von bei, nahe bei; bis jetzt habe ich
nur Beispiele von Pronomen: kanek, bei mir, nek, bei dir
und wahrscheinlich dkka, mit ihneq. Vielleicht gehört
khurkj nahe, M. khudk (khudfk^, auf dieser Seite, L. hie-
her. L. setzt iskk für: bis dahin; es ist wahrscheinlich
aus der Phrase: t Sektrkniskk kkv, ich will bis nach
Sehwän gehen. Doch scheint is allein für hinzu zu stehen,
z.B. in kkzi his, II, 19. hin zu dem Kadi; Jare pkdshk is,
er brachte (sie) vor den Fürsten^ II, 11. Ich bezweifele,
dass in jener Endung auch kd enthalten ist. da is allein bis
zu zu bedeuten scheint. Ein kä erscheint als Affix in tu asi
kd nd ndk duk g od maror, innerhalb eines Monats werden
deine Füsse und Hände geheilt seyn. Ich berücksichtige
aber nicht weiter solche unsichere Spuren. Der Vocativ
auf « ist sehen und deutlich Persischen Ursprungs, ja
khudkwandk, o Gott, I, 6. khudkjk, ebend. ist eine andere
Persische Form. Chunakk, o kleiner^ steht in dem einen
Liede.
►1) L. hat sonst für Mann aragh; hier arigh und 11, 10. 11. arit,
M. giebt hart, Gatte. Wäre dieses dasselbe Wort, würden auch
>Yörter auf t das gh annehmeo. Äragh konunt jedoch zu oft vor.
366
Fassen wir die Ergebnisse dieser Untersuchung zu-
sammen^ so ergiebt sich folgendes Bild der Declination im
Brahuiki, so weit es jetzt schon zulässig ist^ etwas all-
gemeines aufzustellen.
Eine Unterscheidung des grammatischen Geschlechts
findet sich nicht. Der Plural wird durch den Zusatz eines
k oder / bezeichnet; das k gehört besonders dem Nomi-
nativ, es tritt nach Consonanten, die nicht Nasale und
Halbvocale sind, die vollständigere Form uk ein. T ist
Pluralzeichen der übrigen Casus, es steht ät in den Fällen,
wo uk gilt.
Die Endung des Genitivs ist /|a,' im Plural wird das
n in einigen Fällen abgeworfen.
Das Object wird durch ne oder e bezeichnet, diese
Endung vertritt den Accusativ, zugleich auch den Dativ
anderer Sprachen; ne erscheint kaum im Singular, wo e
herrscht; im Plural findet sich entweder blos c, also /e,
oder mit einem vorangesetzten i auch tine.
Der angegebene Instrumentalis auf ene findet sich
nicht in den Sprachproben.
Die Richtung nach einem Orte und dem Zweck der
Handlung bezeichnet äi, auch «e, äe geschrieben. Für
den Ablativ gilt «»', welches aus jän entstanden scheint.
Es sind mehrere Formen, welche den Ort bezeichnen;
ti das Eingeschlossenseyn, ai das Dabeiseyn^ ä das Darauf^
at hat eine allgemeinere Bedeutung des Scyns an einem Orte.
To zeigt dasZusammenseyn, die Bogleitung au, Ädie Nähe.
Die Pronomina haben dieselben Casus; ich setze
zuerst die Paradigmata von L. her und füge dann die
wichtigeren Beispiele aus den Sprachproben bei.
Erste Person. Sing. N. /, ich; G. kana, Dat. kanej
Abi. kanjin'j PL N. nan, G. nank, D. nane. Abi. nanjan.
Kane steht für Dativ und Acc. Kane nishkn etabo, gebet
mir ein Zeichen (zeigt mir), G. kane kula kalkune^ (/ have
a coldy eig.) mich schlug ein Schmerz^ G. pxdati kank, in
367
meinem Mageu, G. kank arwate, meiner Frau, I, 9. KhuVxsa
kanejkn , du furchtest vor mir, G. kanean khwajä, er for-
derte von mir, G. kanaiy bei mir, I, 2. (richtiger kanki^
weil es Antwort auf dinki, bei wem, ist); kanki, kanae,
l, 7. basu kaneai, I, 19. komme zu mir, muss auch wohl
kanki heissen. Konto jkri karak, mache Freundschaft mit
mir. II, 6. kanek, bei mir. L. nank urkti, in uuserm Hause ^
u. s. w.
Zweite 'Person. Sing. N. ni. G. nä, D. n«, Abi. njkn.
PI. num, G. numk, D. nitme, Abt. numjkn.
Mkk ne, dir Söhne, G. für deine Söhne, ne mkf arey
ist dir ein Sohn, G. lumnk ne, deiner Mutter, II, 20. c/a nä
afkl e, das deine Lage ist, II, 17. wä bkrnk mkikn, aus
dem Vermögen deines Vaters, G. ne khitdk hes , dich
brachte Gott, G. Es steht also, wenn richtig gedruckt ist,
ne öfters auch für nu oder den eigentlichen Genitiv. Näe
C= «äi) (die Reilie) ist an dich, bei dir. I, 2. Neto,
in bafar neto , ich will nicht mit dir gehen , G , 547. wo
gleich darauf: bariva ee tune in t neto zu verbessern, ich
will mit dir gehen. Mehrere Casus erscheinen in dem ei-
nen der kleinen Liedchen^ welches ich wörtlich übersetze ;
o Zftbü, nane dir jeti,
nä diik honenii, nane dir jeti,
godi giduna(^na) nane dir jeti,
nä diik phttdenä, nane dir jeti.
o Schöne, gieb uns Wasser, deine Hände sind süss, gieb
uns Wasser; o Herrin des Hauses, gieb uns Wasser,
deine Hände sind kühl, gieb uns Wasser i).
1) L. Oh zahu! give me a little water, water front those hand*
must be »weet; give mt a little water, o mistress of (thj/ slave's)
house, give me a l. w., water from those hands must he cool,
give me a l. w. Des Sinnes der Worte godi gidäna bin ich
nicht sicher, godi kommt weiter nicht vor, gidä bedentet sonst:
Ding, Sache. M. hat khUd'i, Haus, welches nach der Uebersetzung
L.^s hier gemeint seyn müsste. fiei L, ist dik gedruckt.
US
Agar nnm pkre (jmrere)^ numä kh&tarän kireme kev,
wenn ihr (es) sagt, will ich euretwegen die That thun. G.
Ke(J(\) nutne khudk hes, dass Gott euch brachte.
Dritte Person. L. lülirt drei persönliche Pronomen
unter dieser Benennung auf , die zugleich demonstrative
sind. In der That zeigen die Sprachproben, dass ein be-
sonderes persönliches Pronomen der dritten Person strenge
genommen nicht vorkommt; am nächsten nähert sich die-
sem Begriffe od oder o. Dieses, wie ed, e, bedeutet ei-
gentlich jenes, dad, da, dieses. Diese setzen f vor das k
und t des Plurals und verwandeln das auslautende d im
Ablativ Sing, in rf*, wahrscheinlich eine Wirkung des der
Endung an zugehörigen/, welches nach dem vorhergehen-
den d verschwindet. L.'s Angaben sind:
od oder o. Sing. N. od, o, G. ow«, D. ode, Abi. od an .
PI. N. ofk, G. 0/7«, D. ofle, Abi. oftjdn (Jj. of tjn'ä).
ddd, da. Sing. N. da, G. ddnä, D. <ia</e, Abi. dädtän*
PI. N. däfk, G. dilftä, D. ddfte, Abi. duftjun.
ed, e. Sing. N. ed, e, G. enä, D. ede, Abi. edän .
PI. N. eß, G. eftd, D. efte, Abi. eftjdn.
Od wird wahrscheinlich und so auch wohl ed und ddd,
meist vor vocalischen Anlauten stehen, o vor Consonan-
ten: od ichänä, er nicsste, G. Doch ifindc ich o ant ase,
dieses was ist? II, 14. Es ist am häufigsten demon-
strativ: o h\te i bingasut, ich habe diesen Umstand gehört,
o bandugh g'angati kasknne, der Mann ist itj der Schlacht
gestorben. Onk war ptirav tnas, seine Reihe (zu wachen)
war vollendet, 1, 3. ona. bäe, dessen Ocfftiung. Ode khalk,
ihn schlug er, II, 1. u. s. w. Od für Accus, ist nur Fehler
für ode, in piranga. od tena mehtnm&n (I. mihmkn) kare,
der Alte machte ihn zu seinem Gaste. ATäsi odai g/iusa-
mas, der Kadi wurde zornig über ihn, II, 1. mar odkn
peshan mas, der Sohn ging von ihm (dem Kadi) fort, II, 2.
Da. kana. arwat e, diese meine Frau ist, I, 9. dade
jete, gieb ihm, G. </ä»ä saile karak, (hue dessen Anblick,
369
G. </ä/i (däti) peha, in diesen (Korb;) lege dich, IT, 14. Te in
date kanä chokari e, diese ist meine Sciavin, I, 12., weiss ich
nicht zu erklären: da würde hinreichen und jedenfalls muss
so geschrieben werden; dä{/e wird für hier gebraucht,
aber passt nicht hiehcr, so wenig als dfifi. DkflQe)
khalk, er schlug sie, I, II. äkflk pide harre, reisse ihren
Bauch auf, I, 11. dkftk barkme kare , er machte ihre
Heirath. Diese Pronomina, wie die Adjective, stehen ohne
Endungen, wenu sie Substantiven vorangehen, wie da
ghalaghkk harfennt, G. aber ich finde auch du baȟ tenk
urktX, sie kamen in ihren Häusern an, II, 18.
E ist nicht blos Fronomen, sondern auch Copula
(^neben o, ü) und dritte Person Singularis des Verburas
Sern: da nä afkl t, o käzink ne afkl e, ewazirnä ne aß.1
e, e tcakiinä. ne afkl e, dieses ist deine Lage, und deines
Itädis Lage, u. s. w. II, 17. Den Nominativ e oder ed habe ich
nicht gefunden, ede, ihm, steht II; 20. eftk pidkte , ihre
Bäuche, I, 12. u. s. w.
Als reflexives Pronomen gilt ten, dessen Genitiv tendf
des Selbsts, als Possessiv in der Bedeutung eigen steht
and nach der Verschiedenheit des Subjects auf alle drei
Personen, im Singular wie im Plural, bezogen wird. L.
• giebt folgende Casus an: N. tenat. Selbst, G. tenk, D.
tene, Abi. tenjkn, dann tenpaten , unter sich.
Den Xominativ tenat kann ich nicht belegen, es ver-
hält sich auch wohl damit anders, wie später gezeigt wer-
den wird. Soudk karenut tenk hufxe, ich habe mein Pferd
verkauf!, G. ehidingas düty C~^0 '^"* karak, nimm eine
Schelle in deine Hand, II, 31. Für sein steht es häufig,
I zaif tenk araghe pkre^ die Frau sprach zu ihrem Manne.
Acc. f tene kasifeva, ich werde mich tödten, II, 4. tenanto
I (gedruckt: tehanto, wohl richtiger tenato) sikhakh , be-
I halte bei dir selbst, G. Tenpaten ist dieser Stelle I, 2. ent-
i nommen: maslat karer tenpaten^ sie machten eine Berathung
mit einander. Paten ist aber gewiss keine Flexion und
V. 24
370
findet sich als Wort nicht in Br. Sollte pa nicht aus dem
Persischen ä«, ha, mit, entstellt seyn und heissen: sie
selbst mit sich selbst?
Ten in Br. wird nach den obigen Beispielen ganz so
gebraucht wie ätman^ Seele, Selbst^ im Sanskrit; es ist
natürlich das Persische ten, welches ursprünglich Körper
bedeutet, aber dann auch für das Selbst steht. Auch in
Baluk'i kam eine Spur dieses Wortes in solcher Bedeu-
tung vor 1).
Der Genitiv tend kann die Stelle eines possessiven
Pronomens nur in solchen Sätzen vertreten, in welchem
der Besitz vom Subject ausgesagt wird ; wenn der Be-
sitzende vom Subject verschieden, muss eine andere Be-
zeichnung für sein und ihr eintreten. Dazu dienen die
Genitive von od, ed^ ddd. Wenn ich nicht irre, hat das
Br. noch ein anderes Wort für das Possessiv der dritten
Person. Mkrta haft säl masj der Sohn ward sieben Jahre,
11, 1, und 19. Man könnte mdrto ändern wollen: bei dem
Sohn waren sieben Jahre; dieses ist aber ein willkührhcher
Nothbehelf. Heisst fa, seiu^ ist keine Schwierigkeit; es be-
deutet dann: seinem Sohne gingen sieben Jahre vorüber.
Läshet hesum, (meine Mutter ist gestorben), er brachte ihre
Leiche, 11, 23. aus Pers. ji,^. If, 1. stehen diese Worte:
bdwa{\. ti) Itimata kasko, Vater und Mutter starben; Mutter
heisst stets liimOf es wird /« sein bedeuten. II, 14. arakhtia)
päre, ihr Manu sprach, das Wort ist aragh. II, 21. I, 15.
huriwa ta dere, ich will fragen, der welcher ist, wie II, 14.
hurev o der e. II, 19. fiilli ferta khwkningke käzi his^ they
scated him in a reading school under the käzi; es ist aber
nothwendig tnllifer zu trennen, sie setzten ihn zum Lesen
bei dem Käzi; also ta ihn. II, 18. ta harkas tenä vrdghiie
hinär f alle diese gingen in ihre Häuser; ta also für sie.
Ich finde auch /a, für Genitiv und Nominativ: I, 11. heaunut
1) 8. oben lY, 449.
371
tä sharkghai Q-ghki'), ich brachte (sie) zu ihrer Bcarthei-
luDg. «S'Äam tamäj tä hesur pät (bei L. tamktk'), die Nacht
traf ein, sie brachten Holz^ I, 2. I, 8. asitti. pkre, einer
von ihnen sprach, es ist von vieren die Rede. Es scheint
hiernach ein Pronomen ta, für ihn, sie und das Possessiv
sein, ihr, vorhanden zu seyu, obwohl selten gebraucht;
als Possessiv wird es andern Wörlern angehängt; von
Flexionen ist nur der Genitiv des Plurals gefunden worden.
Das interrogative Pronomen der wird nach L. nur von
lebenden Wesen gebraucht und unterscheidet nicht die
Zahlen: wi der us, wer bist du? niim derrure (^der ure^j
wer seyd ihr? Aber es heisst auch: da shaharnk pin der e^
welcher Name ist dieser Stadt? G. Gen. </«i/ia (fürSprwa),
Dat. dere, Abi. derän . Ich finde ausserdem dinsJ , in
awalko irkr dinii, I, 2. das erste Mal bei wem? Hat die
Endung dt ursprünglich die Form nki? Don, wie, II, 6.
hat eine adverbiale Form.
Für "unbelebte Dinge soll ant gebraucht werden, so
wie arä: dieses auch relativ seyn. Das erste lautet auch
ante, Ant (gedr. ant^ karinus, was hast du gethan, G.
o ant ase, dieses was ist? 11^ 14. aute (^antej onä pds,
was sagst du von ihm? II, 2. Antai, warum, in antat
tifesa ta {mchitifes ata), warum giebst du es nicht? G. ist die
einzige Biegung des Wortes, welche ich gefunden habe.
Arä scheint nicht flectirt zu werden , ard trakhtai , zu
welcher Zeit, II, 21. Arn steht auch für quodcuuqiie, L.
hat dieses Beispiel: ard iä ä ki g'uirkn e, kane hämo dar~
kär e^ welches Ding, das gut ist, dasselbe ist mir brauch-
bar (Pers. J^ ^o, brauchbar, uöthig). Wir sehen hieraus,
dass auch das Persische ki sich einmischt, so wie auch
cÄi, z. B. Chi wakht, L. wann. Dieses geschieht jedoch
selten. Häufiger kommt das Persische Aar, jeder, all^vor;
har chaxj alle vier, I, 8. hitrka8=iyj^ Jfj jedweder, alle,
II, 18. u. s. w.
372
Hamaj derselbe, dasselbe, kam schon eben vor; in
Baluk i lernten wir es in der Form hamai kennen *), Aus
dem Stamme dieses Wortes harn mit dem Demonstrativ da
hat das Br. handa., handkd gebildet ; zaifas g od kare handd
pmtu», er bildete eine Frau aus eben diesem Holze, I, 3.
kune handädto barkm jete, gieb mir Ehe mit eben diesem,
II, 4. khabar handdd «, II, 16. eben dieses ist die Neuig-
keit. Es wird kam auch in dieser Verbindung wiederhohlt:
kank aregh (^araghy are ham handkd, afak ham handkd,
II, 4. eben dieser ist (soll seyn) mein Gatte, es ist nicht
(sonst) ein solcher ^j. Eine Form handunos kommt in zwei
Beispielen bei L. vor: handunos i ut, handunos od e, wie
ich bin? ist er ; ki wah wahna zaifas asak, handunos asak
kl lälank phiuli, L. oh such a woman the image of a rose.
Diese Worte sind aber sicher nicht fehlerfrei; gesetzt aber
dass phiulX und wahna richtig sind^ müsste es wörtlich
heissen: ah! welche Frau war es, sie war eine solche, wie
das Bild einer Rose (oder Tulpe?). Ich weiss nicht, ob
handunos Adverbium ist oder Pronomen , noch wie dunos
zu erklären. Auch das Wort dohko in de^ Bedeutung
solcher scheint mir zweifelhaft, das Beispiel lautet: dohko
zabou znif as khanat bazartly eine wie schöne Frau sah
ich im Bazar.
Durch die Spracliproben belegt ist das aufgeführte
amro , welcher Art : o amro bandagh ase, der welcher
Art Mann ist, L. da amro juwäno zaif ase-y I, 6. ist nicht
fragend, sondern hcisst : die so beschaffene Frau ist schöiK
Amarx darosy II, 14. wird übersetzt: bringe (mich) schnell;
es ist aber ohne Zweifel aus amro zu erklären: wie willst
du mich bringen. Die Endung i scheint unrichtig, da sie
sonst nicht Advcrbia bildet ; man könnte aus dieser Schrei-
1) S. oben iV, 44A.
2) L. this shall be my hushand^ hf or no one*
373
bung vermuthen, dass amro aus hämo, htun and arä 2o-
samraengesetzt uod genauer hamaro,hamro zu schreiben sey.
Ein anderes Pronoininahvort ist khadr, khadar, um
die Quantität zu bezeichnen; es erscheint als AfTix zu den
Pronomiiialstämraen. L. führt nur akhadr für wie viel; auf.
Nek rupaije akhadr are, wie viele Rupien «ind bei dir?
bedink mehnsJ akhadre, wieviel ist die Miethe des Boots?
G. Akhadr ki n\ tes, namo (KAamo) khadr i haier, L. wie
viel als du giebst, so viel werde ich nehmen. Hamokhadr
heisst also: so viel. Eine ähnliche Bedeutung entsteht
durch die Verbindung mit da. So I, 9. da khadar skle
hinkne, so viele Jahre ist sie fortgegangen gewesen, d. h.
sehr viele. Da khadr g'kickhir, sehr viele Juwele, I, 12.
dk khadr bring', II, 13. so viel Reis , für etwas. Ob die
Form akhas daneben richtig sey, lasseich dahin gestellt; da
huHnk bkhkakhase^ (akhadrase?) wie viel ist der Preis dieses
Pferdes? Im Laute erinnert diese Bildung an das Baluk'i
ihar, das Persische ier, Sanskrit iara^ für den Compara-
tiv 1), ist aber , wie man leicht sieht ^ ganz verschieden ;
denn es ist nicht ein Affix dr, dar'= tur, welches sich mit
Pronominalslämmen verbindet, sondern khadr. Ich glaube
jedoch, dass eine Beziehung auf diese dem Brahuiki fremde
Bildung insofern bestehe, als dass aus dem Indischen katara^
wer von beiden, das Brahuiki ein Aifi.v khadar in der Be-
deutung des wie viel gemacht hat. Akhadr möchte aus
aräkhadr contrahirt seyn. 3Ian bedeutet etwas, einiges,
man tcakht gidkrengk, einige Zeit verfloss, II, 5.
Zu dem Abschnitte vom Pronomen gehört endlich noch
folgende Erscheinung. Wie in Baluk'i finden sich auch
Anhängsel von Vocalen an die Substantive, seltener an
die Adjective, welche hier wie dort am leichtesten sich als
Pronominalthemate fassen lassen. Ich habe oben S. 353.
schon das ä in sharangu und pirangk erwähnt. Der Nomi-
1) S. oben IV, S. 447.
374
nativ des letzten erscheint 11^ 3. 4. der Genitiv pirangknk,
II, 3. Dass dieses u die Bedeutung eines definiten Artikels
habe, erhellt aus dem Ausdruck filkn pirank, I, 10. eines
gewissen Alten^ wo das ä fehlt, wie es muss. Der Ge-
brauch im Br. ist jedoch äusserst selten, während es im
Baluki oft eintritt und daher abzuleiten scyn möchte, da ä
nicht im Br. Demonstrativ ist. Auch t ist wie im Br. vor-
handen: da bertjkn-i von jenen Ber da; die Endung lautet
stets nur an . Da shaharnk mkljkt (Ar. mklijkt, pl.) bist
panch (sonst pang^ hazäri, das Einkommen von jener
Stadt ist 25000. Salami this, gab den Gruss, II, 7. Auch
dieses erscheint nur selten. Ai tritt ebenso auf: päron da-
gink gosälai, wir werden sagen , es ist das Kalb einer
Kuh ; es ist gosäl aus dem Persischen gösklah und ai ein
Zusatz. Dieses erscheint noch seltener. Aus dieser Selten-
heit schliese ich, dass dieser Gebrauch überhaupt dem Bra-
huiki nicht ursprünglich angehöre.
Andere ähnliche Zusätze sind mir noch unklar und ich
kann nicht entscheiden, in wie fern sie auf wirklichen Ge-
brauch begründet oder nur fehlerhafter Darstellung zuzu-
schreiben sind. So II, 3. kasarai pirü aragh ase, auf dem
Wege war ein alter Mann; m ist sonst die verkürzte Form
für sind, wovon unten. Ebenso v oder av, und was^ wie
auch geschrieben wird, gleich ist, oti. II, 14, da ghalou
macht mas, das Korn war wenig. Pürav steht für erfüllt,
voll, also aus pxir^ und dkrjkv für dkrjk ist schon oben an-
geführt. Ist hier ein Zusammenhang mit f in Jkfk, u. s. w. ?
Mehr Ansprüche auf Gültigkeit darf das zugesetzte o
machen, weil dieses Pronomen im Br. vorhanden ist. Auch
von diesem sind jedoch die Beispiele selten und die Sache
unsicher. I, 6. g'uwano zaif ase , man kann hier das o
trennen und zu zaif ziehen: „schön war die Frau"} viel-
leicht auch in der Phrase, G. 549. da shaharle(^-ii) g' w&no
gudh paida maroi, wird das Tuch gut (als gutes) in jener
Stadt hervorgebracht? In muhibo khofank g ägaseil, 1,1. au
%
375
einem Orte der schrecklichen Furcht, hat das Ar. mahxb,
^„./u^, furchtbar^ ein o angenommen, dessen Bedeutung mir
ganz unerklärlich ist
Ich füge hinzu, das a am Ende in einigen Wörtern
bald steht, bald fehlt, wie zai'f und zaifa, dieses ist bedeu-
tungslos und nur Schwanken der Aussprache. Ein häufiger
Zusatz zu Substantiven ist das aus asit, asi, eins, ver-
kürzte OS I, 3. Pirangk araghe masid as asakj dem alten
Manne war eine Tochter, u. s. w. Auch contrahirt, wie
warnks, ein junger Mann, aus trarnk und asj \j 9.
Die Adjective haben als solche keine Biegungen, auch
keine Formen für die Vergleichungsgrade. Die Beispiele,
welche L. aufstellt, zeigen, dass der Ablativ besonders dazu
dient, die fehlende Form zu ersetzen. Du g'uwkn e, dieses
ist gut; da g'uwkn osit (asit) e, dieses allein ist gut, L.:
das ist besser; da kulkn g'uwkn asit e, dieses vor allem
allein ist gut; da edkn g'uwkn e^ dieses vor jenem ist gut;
da kul meettjkn (1. mirtjkn) doulatmand «, dieser ist
mächtig vor allen Emiren.
Die Zahlworter von vier an sind Persisch; s. oben
Bd. IV, S. 441. Ein lautet assit, M. asit, L. öfters ver-
kürzt asi. Zwei: irat, M. L. es findet sich auch irä. Drei
müsitj M. musit, L. Als Ordnungszahlen giebt L. nur diese:
das Arab. awal, erster, eh, zweiter,- mustimiko , dritter,
chkrmiko , vierter, pang'mikoj fünfter. Elo ist durch den
Wechsel von r und / aus irat abzuleiten. Das eigentliche
Brahui Affix imiko , womit mustimiko gebildet wird^ ist
auf die Persischen Wörter chkr und pang übertragen.
Nachher dagegen awal kopks, erster Pahar, irktmi kopks,
zweiter P. , mustami k. , dritter P. , ehkrme k., vierfer P.
Es ist aber awalkoj irktmikoj u. s. w. zu trennen; pks ist
das Persische tj-Lj, Dauer einer Wache, erklärt durch
das Indische pahar, aus S. prahara, Nachtwache. Awalko
erscheint in den Texten, awalko wir dinkij bei wem das
erste Mal? I, 2.
376
d) Terbuin.
£beuso sehr wie in der Declination unterscheidet sich
das Brahuiki in der Conjugation von allen benachbarten
Sprachen und hat hier noch entschiedener seinen ursprüng-
lichen eigenthümlichen Bau sich gerettet, als in der De-
clination, wo nach dem ersten Anscheine Indische Einflüsse
vermuthet werden könnten^ wie es Ja3Ies Prinsep gethan
hat. Ilicvon kann ers später gehandelt werden. Diese
Selbständigkeit ist um so merkwürdiger, als der Wort-
schatz überfüllt ist mit Persischen und Arabischen, dann
auch mit Indischen Bestandtheilen. Um nur eines hier zu
erwähnen , es besitzt das Brahuiki eine eigenthümliche
Form des negativen Verbums.
Es ist leider nicht möglich, ein so vollständiges Bild
von der Conjugation, wie von der Declination aufzustel-
len. Zwar hat L. sehr schätzbare Paradigmata der Con-
jugation mitgetheilt, die von einem Eingebohrnen herstam-
men müssen ; denn sie geben eine viel vollständigere und
systematischere Ucbersicht der Verbalformen, als aus den
Sprachproben geschöpft weiden kann , während in diesen
andere hervortreten, die L. nicht unerwähnt lassen konnte,
wie z. B. das negaüve Verbum, wenn er aus den gesam-
melten Materialien eine Darstellung der Conjugation selbst
entworfen hätte. Man würde zu weit gehen, wenn man
hieraus schliessen wollte, duss die Brahui ihre Sprache
grammatisch bearbeitet hätten; es darf aber wohl gefol-
gert werden, dass sich un(er ihnen einzelne Männer ßnden,
welche, wahrscheinlich durch Erlernung des Persischen
oder Arabischen^ einen Bogriff von Grammatik sich erwor-
ben haben und dadurch fühig werden , die Formen ihrer
Sprache systematisch zu ordnen.
Zu einer vollständigen Erkeuntniss der Conjugation reicht
das vorhandene Material jedoch niclil ausj denn tiicils kom-
377
«
men Formea vor, welche nicht in jener Aufstellung be-
rücksichtigt sind und vereinzelt stehen, daher schwer in
ein System mit den übrigen zu bringen sind; theils sind
Abweichungen in den Spracliproben von den Musterbei-
spielen, von welchen es unsicher ist, ob sie dem täglichen
Sprachgebrauche oder einer ungenauen Auffassung zuzu-
schreiben seyen.
Das Brahuiki hat einen Infinitiv, der in ursprünglicher
Form auf ning ausgeht und ein verbales Substantiv bildet;
L. führt die Worte in der Form des Imperativs auf, M.
da^eofen im Infinitiv und Xlurch ihn ersehen wir, dass die
Sprache Consonanten oft assimilirt Beispiele; kanning,
thun, die Flexionen stammen meist von kar'j banning,
kommen, zu bas, bar. Es verschwindet das n umgekehrt
durch Assimilation, wie nerring, fliehen, selling, waschen,
arraffing, auflesen, oder verschwindet ganz, wie ilhing, öff-
nen^ kahing, sterben. Da? n als ursprünglich hinzustellen,
berechtigen uns Formen, wie banning, kanning, u. a. 3I.'s
Verzeichniss enthält folgende Fälle: am häufigsten -nning;
dann: -kking, -khing, -ghing, ^ching, -ting, thing, -ning^
-fi»9i -P'^g> -^»i'Wi -ring, -rring, -ling , -Hing, -sing,
ssing, -shing, -sfing, -rzing, -hing und endlich tning. Es
verwandelt also n meistens r, bei tn tritt nicht Assimila-
tion ein, es verschwindet n nach zwei Consonanten, mit-
unter auch nach einem ; in diesem Falle wird wahrschein-
lich die vorhergehende Sylbe lang seyn, wie in rnting,
ärndten, muching , nähen, obwohl nicht überall dieses be-
zeichnet ist. Wo zwei gleiche Consonanten vor ing sind,
ist Assimilation anzunehmen. Wir sehen €iier "eine Nei-
gung zur Entstellung der Formen, dem Wohllaute zu
Liebe ; andere Entstellungen werden dadurch w ahrscheinlich.
Der Infinitiv wird wie ein Nomen behandelt und
kann daher Casusendungen annehmen. Sala. kaning (^kan-
ning) g'uwkn e, es ist gut, einen Rath (Arab. J^')
zu pflegen, ist unflectirt. Tamk kkrem kaning te (Ji), er
378
machte sich daran (eig. fiel zu) das Werk zu thun, I, 4.
lamä. gudh moghangati i-ghin.'), ein Kleid zu nähen^ 1,5.
tamk pitingati, fing an zu jammern, II, 23. Ohne Flexion
aber: kasarseai iulm(g), um an einem Wege zu sitzen, 1,8.
Dev Khorksknki kharld kaninki (gewiss kaningi), G. 549. ich
werde sie nach Khorasan bringen um sie zu verkaufen, hat
das noch unklare i. Das locative ti erklärt sich leicht als
Bezeichnung für das Beschäftigtseyn mit der Handlung,
das Seyn im Handeln. Die Absicht wird bestimmter durch
äe angedeutet: tullifer ta khwhiangke (wm^äe), sie Hessen
ihn (bei dem Kadi) sitzen zum Lesen.
L» stellt zuerst ein Paradigma des Verbums Seyn auf ;
es sind folgende Formen.
Präsens. Sing. 1. * asit uty 2. ni asit us, 3. od asit e,
— PI. 1. nanasitun, 2.num asit ure^ Z. ddfkasit ur.
Da asit ein bedeutet, ist dieses ein Beispiel des angehäng-
ten Verburas Seyn: ich bin allein u. s. w. Ich lasse bei
den folgenden Beispielen die Personalpronomen weg. Das
selbständige Präsens: ich bin u. s. w. lautet:
Präs. Sing.
1. aret
PI.
1. aren
2. ares
2. areri
3. are
3. arer
Imperfect. ir) Sing.
1. asut
PI.
1. asun
2. asus
2. asure
3. asak
3. asur
Conjunctiv. Sing.
1. tnasut
PI.
1. tnasun
2. masus
2* masude (d'e = re.^
#
3. masuk
3. masur, ich möchte
seyn, u. s. w.
1) Ich nenne dieses Imperfect das zweite, weil ich später ein erstes
nachweisen werde. L. nennt masasut, l was being, zweites
Imperfect, masunut^ J had beeil, dagegen Perfect. Es sind
beide Couipositiouea mit Purticipien und jedenfalls das erste mehr
379
Perfecta I. Sing. 1. masas »^ PL 1. meuas un
2. masas us 2. masas ure
3. masas 3. masas ü
Perfect II. Sing. 1. masttn ut PI. 1. masun un
2. masun us 2. masun ure
3. mas 3. masun ü
Futur. I.^ Sing. 1. marev PI. 1. maren
2. mar es 2. mareri
3. marek 3. marer
Futur. II. Sing. 1. »laro/ PL 1. maron
2. mar OS 2. maroJe Q-re^
3. maroi 3. maror
Imper. Sing. 2. ni mar es PL 2. «wm marere
3. orf mar« 3. </«/Xr marer.
Es sind dieses Formen der Future, ich werde später
noch andere Formen des Imperativs nachweisen.
Das zweite Beispiel bei L. harrafing ijiarraffing, bei
M. arßng), fragen, stimmt nicht ganz mit dem ersten, L.
verändert zum Theil die Benennungen, wie ich bei jedem
Falle angeben werde. Zur leichlern Uebersicht stelle ich
die vorhergehenden her.
Praes. Sing. 1. harraffiva PL 1. harrafon
2. harraff^isa 2. harrafore
3. harraffik. 3. harrafor.
Der Pluralis hat hier die Formen des Futur II.. dessen
Singularis in der That als harrafol u. s. w. nachher ange-
geben wird. Harraßna steht als 1. pl. eines andern Futurums;
ein Perfectum, als Iniperfectum, das zweite ein Plusquamperfect.
Da der Gebraucli in der Bedeutung öfters schwankt, habe ich sie
ihrer Verwandtschaft wegen Perfect I und II. bezeichnet.
1) L. nennt dieses Futurum das der Gegenwart, ich werde jetzt
seyn; das zweite literal, I will hereafter be. Der Gebrauch be-
stätigt dieses, da die erste Form und eine nahe verwandte auch
die Gegenwart bezeichnen.
2. harraßre, 3. harrafir finden sich nicht. Eji ist bei L.
hier gewiss eine unrichtige Darstellung. Da ein Futur I.
harrafeva u. s. w. nicht aufgeführt wird, darf harrafiva
als solches gelten.
Imperf. I. 0 Sing. 1. harraffeta PI. 1. harraffena
2. harraffesa 2. harrafere
3. harraffek 3. harrafera (^~fer)
Conjunct. Sing. 1. harrafut PI» 1, harrafuna
2. harrafus 2. harrafiide (-re)
3. harrafuk 3. harr a für
Per f. I.^) Sing. 1. harrafesas ut PI. 1. harrafesas un
2. harrafesas us 2. harrafesas ure
3. harrafesas 3. harrafesas ü
/»er/. II. 3) Sing. 1. harra/fen ut PI. 1. harraffen un
2. harraffen us 2. harraffen ure
3. harraffen e 3. harraffen ur
Futur. 1.*) Sing. !♦ harrafiv PI. 1. harraäna
2. harrafos 2. harrafere
3. harrafoi 3. harrufemire
Es sind hier offenbar Vermischungen. 3. PI. gehört
nicht hieher, 2. 3. Sing, kommen gleichlautend bei Fut. II.
wieder, der hieher gehörige Singular stand oben bei Prä-
sens. Da Fut. I. wohl nicht ursprünglich vom Präsens ver-
schieden ist, werden alle Personen i und vielleicht e (wie
2. PI.) vor den Endungen haben.
Fut. 11.^) Sing. 1. harrafot PL 1. harrafenun
2. harrafos 2. harrafonure
(j-fenure)
3. harrafoi 3. harrafenn
1) Bei L. Imperf. II. I w<w asking. j
2) L. Per^. / had asked.
8) L. Imperf. I asked.
4) L. zusanuneugeseUtus Futurum, / shall have asked. Diese Be-
schreibung Icöonte nur aut ü. PI. luigeweiidet werden.
5) L, Futurum, / will ask.
381
Es ist klar, dass auch hier Verwechselung ist. Der
Pluralis gehört dem Perf. II., der hieher gehörige steht
>ben bei dem Präsens.
Imperat. Sing. 2. harraf PI. 2. harrafho
7a\xt Erläuterung dieser Formen habe ich folgendes za
erwähnen.
Die Formen des Verbiiras seyn werden in Br., wie in
lianchen andern Sprachen^ aus mehr als einer A\'urzel ge-
»ildet, wir müssen hier ar oder as, mar oder mas anneh-
nen ^), Die gewöhnliche Bedeutung des letzten ist trerJen,
lie ursprüngliche rauss gehen gewesen seyn, weil diese
loch deutlich hervortritt^ wie in mär peshan mas, der Sohn
png heraus^ II, 2. Der Wechsel von r und * kehrt in *«r
and bas, kommen, wieder.
Das eigentliche Verbum Seyn: ar und <fc scheint aber
luch nicht das ursprüngliche gewesen zu seyn, sondern
iieses ist das Uj welches durch viele Beispiele gesichert
vird; die 3te P. Sing, nimmt ein e an, wahrscheinlich ein
mderes Thema; für u wird oft o geschrieben, i nd hamroty
ch bin dein Gefahrte, II, 3. aus hamrä ot\ für päre ho,
\, 16. er sprach, ich bins, muss ot QhoO gelesen werden;
landnnos i ut, wie ich bin, G. 541. Kdzi säheb us, bist
lu der Herr Kadi? II, 16. ni der us, wer bist du, G. 540.
ti (m) ani khomase us, aus welch einem Geschlecht bist
lu, G. 547. tlurä khairafi hiis,, bist du im Wohlseyn? G.
•47. da shaharnu pin der e, welcher Name ist dieser
itadt, G. und oft. Ob i für ist zu nehmen ist in Beispie-
1) Ich habe ft-üher geglaubt, Ztschft. IV, 4.59, die Wurzeln ar und
mar auf eine zurückführen zu können; diese Vermuthung muss
ich jetzt zurücknehmen. Erstens kommt mar mit concreter Be-
deutung vor, ist eine selbständige Wurzel und nicht verschieden
I von mas. Zweitens komuit m gar nicht vor bei der Bildung des
Futurums der übrigen Verba. Es darf daher auch keine Ver-
wandtschuft zwischen dem Br. mar und dem Präfix ma des Fu-
turums in Baiuki gesucht werden. *
382
len wie ainu basunx, heute ist tfs heiss? oder das prono-
minale Affix, ist mir unklar. Niim derr ure, wer seyd ihr?
G. 540. Die dritte Pers. PI. wird gewöhnlich zu ii ver-
stümmelt^ ein Fall, der auch in den analogen Formen sehr
häufig ist. Ghalaghku {-ghäk) pnskunn, die Körner sind
frisch, nä duk hanenn, deine Hände sind süss.
Das e, welches hier allein steht, bildet alle Personen
des Präsens nret, u. s. w. Ich bezweifele nicht, dass diese
Formen so zu erklären sind, dass das eigeiitliche Substan-
tive Verbum et, es, e, en , eri, er, einer ursprünglich
concreten Wurzel ar angehängt ist, welche die Bedeu-
tung seyn erhalten hat; die Form bedeutet eigentlich:
ich hin %u seyn u. s. vv. Man kann in et u. s. w. nicht
Pronoraina suchen, weil diese verschieden sind; höchstens
1. PI. en lässl sich mit nan in Beziehung denken. Ut^ us
u. s. w. der Form as angehängt, bilden das Iraperfect;
der Begriff der Vergangenheit scheint hier in as liegen zu
müssen. Das e der dritten P, Sing, wird hier durch ak
eines Themas auf a ersetzt. Mit der Wurzel mar ver-
bunden bilden beide Formen des Verbums seyn : et und o/,
welches nur eine Variante für ut ist, die zwei Future; ia
der ersten Person Sing, steht hier ev, nicht et, in der drit-
ten ek. Die Bedeutung ist also: ich bin zu werden. 3Iit
mas bildet ut, us u. s. w. den Conjunctiv, hier erscheint
3. Sing, nk, also die bei ut zu erwartende Form. Masastä
und masunut enthalten wieder ut und zwei Participialfor»
men, die eine auf us, die zweite auf un von mas. Diess
Formen lauten auch es und en *).
Es ist wahrscheinlich, dass eine vollständigere Kennt-
niss noch eine andere Form des Präsens «S^^w bieten würde;
es kommt wenigstens ase öfters für ist vor: Mekurknk
khisun ase, das Gold ist aus Alekran, G. Statt asak findet
1) M. hat päretni, er sprach; eine sonst nicht erscheinende Font
And wahrscheinlich falsch für pareni.
383
sich asj wie 3Iulla Mansnre mär asy dem M. M. war ein
Sohn, II, 19. Ob asas richtig sey, mit welchem Worte
die zweite Erzählung angefangen wird, asas aragh as, es
war ein Mann, weiss ich nicht. Da asak sicher steht,
wie II, 4. mag es leicht ein Druckfehler seyn; es wäre
sonst eine Form wie masas oder 3. S. Perf. I. Die zweite
Participialform auf en findet sich von ar in diesem Satze:
dandangk ernttt Cgcdr. dan danga.ernut), ich bin müde ge-
worden, G. 547. Das Wort müde ist dandangti und ernut
= arenut, ich bin gewesen ^).
Sehen wir ab von den, den Consonanten der Personen-
endungeu vorhergehenden Vocalen. die u, o und e, in we-
nigen Fällen «, nur in einem a (^asak} lauten, sind die re-
gelmässigen Personenbezeichnungen die folgenden : Sing. 1,
tj ta, seltener r, ta. 2. *, sa. 3. Ar, welches jedoch oft abfällt.
PI. 1. n (auch n geschrieben^, na. 2. re^ ri {de ist nur
falsche Orthographie, 3 = ^)^ 3. r, selten re, dagegen fehlt
meist das e, ja sogar auch das r. Diese Consonanten ent-
sprechen, wie schon bemerkt, nicht den Stämmen der
Pronomina.
Die in den Sprachproben am häufigsten vorkommenden
Worte sind wjaÄ=ffjar, werden^ und kanning {für karning^,
thuu. Eine Menge Zusammensetzungen dieser Verba mit
Substantiven, Adjectiven und Adverbien ersetzen einfache
Wurzeln , welche das Br. nie hatte oder verloren hat
Es mögen von beiden hier Beispiele folgen , um das auf-
gestellte Schema zu bestätigen. / Haidrabädti (L. /e) ird
\tü masunut, ich bin zwei Monathe in H. gewesen. Sehr
1) Dagegen ist arete, 6. 548. wohl nur Fehler: ilum, eta khudä,
chou oe (1. od) arete, gwänosit (I. asit), L: Bruder, 6<itt weiss
das, aber es ist gut, als Antwort auf die Frage, woher ist das
Gold, Eta bedeutet sonst; gab. Es wird zu trennen seyn: chou
od are, te (ta) g'wän asit, Gott gab's, wie (P'_^^) das ist, es
(ist) einzig gut.
384
häufig ist mas, welches aus masas oder mastm, geworden,
verkürzt und ohne Hülfsverbum die dritte Person vertritt.
Ode muras mas, 11^ 1. ihm ward ein Sohn, huwat bewäa
mos, ihr Vater ward erstaunt (P. (_y.^), II, 4. zargar bash mos,
der Goldschmidt wachte auf, 1, 4. Mathusalem hasht sdl
zindmas, M. lebte 800 Jahre. Das diese Erklärung von
ma9 richtig ist, ergiebt sich daraus, dass die nicht von L.
aufgeführte Form mastine, masuni, häufig vorkommt, d. h.
das Participium masun mit dem Hülfsverbum e und dem
zweifelhaften i. Ba% masiinl, (die Summe) ist gross ge-
worden, ist gross; därjäv kharub tnasune , — — machit
masune, der FIuss ist verdorben (Ar. uj^^)^ er ist klein
geworden. Die Bedeutung des i als ein Delerrainativ-AfBx
scheint durch dieses Beispiel erhärtet zu werden : buz sula
marek paidä masum. Duäzdä sklnai patdä masuni , sie
wird viele Jahre gebohren (P, ?Jujj) gewesen seyn; seit
zwölf Jahren ist sie gebohren. Im ersten Satze kann »
nicht für ist stehen, da marek vorhergeht.
Die dritte P. Plur. masunn (für masun -ur^ habe ich
nicht gefunden, dagegen ist masn sehr häufig und eine
weitere Zusaramenziehung. Rai tnasu , sie gingen den
Weg, sie reisten (P. ^]^ neben u^j, Weg), II, 5. kul
peshkn masu, alle gingen heraus, II, 18. kul hairkn mqsxL,
alle wurden erstaunt, I, 10.
Masut wird in den Beispielen als Präteritum über-
setzt, doch mag es auch, wie in dem Paradigma angege-
ben wird, als Optativ stehen. Düsü Brahui masut, (ich
habe die Brahuiki Sprache gelernt), jetzt bin ich ein Bra-
hui geworden, G. 549. hulija. swär masut, damdaftrat,
ich bin zu Pferde reitend gewesen, ich habe ausgeruht.
Von den beiden Formen des Futurums vertritt die eine
zugleich den Imperativ, wie oben angegeben ist. Da shä^
hartx g waho gudh paidk maroi, wird iu der Stadt gutes
Tuch hervorgebracht werden ^ G. 549. ud näk diik g od
385 •
maror, deine Füsse (und) Hände werden heil seyn, ebend.
Marev gort, ich will herum wandelu, 549. gharibktk ofk khtuh
murer, jene Armen werden froh seyn; bäz »dl zind mo-
res, sey lebend viele Jahre, G. 549. Mare ist gewöhnlich
für 3. P. Imper. zaif päre, mubkrak (^ArSib.J mare, die Frau
sagte, er sey glücklich. Die zweite Person Sing, kann zu
mar verkürzt werden, httlijkn shef mar, korara herunter
vom Pferde, G. 548. ja zu ma, wenn dieses richtig ist,
pesha (sonst peshän aus P.",jiuu, pesh}, komm heraus,
U, 24.
Eine häu6ge Form der 2. P. Sing. Imper. ist marak,
bei den meisten andern V'erben schreibt L. : akh. Khktia-
tckda marak, sey von guter Familie, oder geh C^^ ist vom
Heirathen die Rede) in eine gute Familie {y^\yiJ>y khii~
nitwkdah, P. hat beide Bedeutungen) II, 4. bash marak,
stehe auf, II, 16.
Von kanning führe ich folgende Beispiele an. Karenut,
II, 7. 8. 9. 10., ich habe gethan, soudk karenut, ich habe
verkauft, G. 547. kartnus. G. 549. (wohl karenu», wie zwei-
mal 547.). Die 3. P. S. ist karene, l, 7. G. 549. g'od ka-
rene, verfertigte, G. 548.
Die eine Form des Particips von kar hat also die
Form en statt m«; ebenso entspricht dem masas von kar
die Form kares; als 3. P. Sing. Perf. nimmt sie noch as an,
wohl das angeführte as, denn diese Participia können auch
andere Formen des HQlfsverbums anfägen, als die im Schema
aufgeführten. Kizinä. hUe Mulla Mansür tenä anca/£Qo
karesas, die Erzählung vom Kadi hatte M. M. bei seiner
Frau gemacht, ihr gemacht. Diese Erklärung steht fest
durch die Conjugation von benning (bei M.), hören, welches
bei L. bing lautet; sein Particip ist bingas. Bingasutj ich
.habe gehört, G. 549. bingas, er hörte, II, 7. PI. bhigasü,
II, 5. aber auch bingasas, er hat gehört, II, 8. 9.
Aus der Form karek für 3. Sing. Fut., wie I, 10., fol-
V. 25
386
gen kareo und kares für 1. und 2. Es finden sich statt
ihrer nur kev und kes , also zusammengezogen. Kkreme
kev, ich will die That thun, G. 549. Kes steht oft im Sinne
des Imperativs, II, 6. 20. ob ke, wie II, 13., dafür eintritt,
weiss ich nicht; ke für karek, I, 8. ist gewiss ein Fehler
des Drucks Eine Verkürzung der 3. Sing, kek steht bei L.
539. im Plur. ker, mit Präsens-Bedeutung. S. oben S. 355.
Die zweite Sing. Imper. lautet ausserdem karak, saht ka-
raky thue Geduld, II, 14. hosh karak, thue Verstand, II, 4.
Es findet sich daraus verkürzt kar in htiltd chist kar^ G. 547.
steige zu Pferde. Die zweite des Plur. Imper. erscheint
in der Form mit bo, von der später zu handeln ist ; nabiaht
CPers. nuvisht) kabo, schreibet, G. 548. Vom Fut. II. habe
ich nur karoi, G. 549. wird thun, gefunden *).
Ihrer Bildung nach entsprechen die Formen 3. Sing.
karek, kure, 3. PL karer, 1. Sing, karet den Präsensfor-
men von «r, ihre Bedeutung ist aber stets die eines Im-
pcrfects. Man könnte diese von den meisten Verben vor-
kommende Form zwar in einigen Fällen als Präsens auf-
fassen, in den meisten ist aber die Bedeutung des Imperfects
sicher. Däftä barume kare^ er machte ihre Heirath, II, 4.
II, 1. u. s. w. ne salkm iiarek, sie machte dir einen Gruss,
II, 20. kabre taijkr karer, sie machten ein Grab fertig
(Pers. Lö^ tajjär, fertig, und P. jji', Grab, Ar. -*ä); kulf
karer , sie machten geschlossen (entstellt aus Ar. JJü»,
kufl, Hiegel), II, 22. Karera, in kul tcnk id' karera, sie
machten sie alle zu ihrer Schwester, II, 18. wird wohl karer
zu lesen seyn. Die 1. Sing, karet, ich machte, steht, l, 11*
Ich will daher diese Form Impcrfect I. nennen, um ihr
nicht einen ganz unpassenden Namen zu geben und weil
auch schon die entsprechende Form haraffela als Imperfect
1) I, 7. steht zwei Mal kanou in der Bedeutung: ich machte, das
dritte Mal gleich darauf karenut, die erste Form ist ganz uner-
hört und kann nur IJruckfebler seyn.
387
Vorkam. M. der mir von päning einige Biegungen auf-
führt, schreibt pHret , 1. Sing, und pärt^ I , he did speak.
Die Formen, welche aus der Wurzel mit Zusatz von et,
u. s. w. entstehen, gehören also sowohl dem Imperf. I.
als dem Futur I. und stehen auch in einzelnen Fällen für
Präsens; nur 1. Sing, ist verschieden, da sie et oder ev
lautet. Es ist also eine Form ziemlich unbestimmter Be-
deutung. Kamt u. s. w. oder Imperf. 11. kommt nicht vor,
diese Form ist überhaupt seltener.
Bas, kommen^ auch gehen, zeigt denselben Wechsel
wie mos, es wird in den analogen Fällen bar; M. giebt
den Infinitiv banning. Basune, ist gekommen, I, 15. Plur.
bastinti (von L. irrig übersetzt mit is) , es hat hier den
Sinn von sind geworden, G. 549. Häutig erscheint Imperf.
II.; die 3. PI. ist basu, II, 5. u. s. w. vollständiger basur,
II, 23. Ebenso 2. Sing, basus. Die öfters vorkommende
Form bas, er kam^ würde nach dem Paradigma 3. S. von
basunut seyu; sollte sie aber nicht besser zu basu/, basus,
basü gezogen werden? sie wird ganz mit derselben Be-
deutung gesetzt. Fut. I. 1. Sing, barec, 2. bares, II, 7. 20.
3. barek, mit der Bedeutung : er kommt eben an, I, 9. In
pädshä bare kai II, 12. der Fürst wird gehen, muss auch
barek stehen^ da kai keinen Sinn an der Stelle haben ka^;
ai hat hier freilich auch keinen. Sonst steht auch bare
statt barek, z. B. I, 8. musalman as bare, ein Muselmann
wird kommen.
Die 2. Sing. Imperat. lautet barak, II, 6. auch bar,
II, 3. Die Formen bariva, barisa würden dem Präsens kar-
raffiva, harraffisa bei L. gehören; die Beispiele p. 5i7.
barica ee tune (ß. h. i neto), barisa ki kän, übersetzt er
aber selbst : / will go wilh you, are you going or how (die-
, ses ist aber ungenau, es heisst: willst du gehen? was, ge-
I hen wir?), wie sie in der That der Form nach dem Futu-
' rum gehören.
Diese drei Zeitwörter sind am vollständigsten in den
3S8
Sprachproben belegt; es wäre zwecklos, die übrigen alle
mit derselben Vollständigkeit zu verfolgen. Ich will daher
nur noch solches hervorheben, welches zur vollständigeren
Kenntniss führen kann^ und einige noch nicht besprochene
Formen behandeln.
Eine nur in einem Beispiele bisher entdeckte Form
des Präteritums ist diese: ne khudä hatare , II, 11. Gott
brachte dich, nachher irrig hatre-, M. hat atning, bringen,
und li. hatbo , bringet. Es kann dieses nur eine Zusam-
mensetzung der Wurzel mit dem Präsens are seyn.
Zusammeuziehungen, wie sie bei kar vorkommen,
kehren in analogen Fällen bei den übrigen Zeitwörtern wie-
der. Danning^ tragen, bringen, im Imperf. I. 3. S. darey
3u PI. darer j Praet. I. 3. Sing, darene, 3. PI. darenüj I,
11. 12., hat im Fut. 1. dev und deva, 1. Sing. G. 549. II, 14.
Fut. II. Sing. 2. daros, II, 14. Päning, sprechen, pdre, er
sprach, PI. purer, hat 2. Sing, pds A\is\pures, und steht als
Präsens, G. 549. II, 2. Pdron, II, 15. wir werden sagen,
Fut II.
Unerklärliche Wechsel zeigt die Wurzel tenning (31.)
geben. This, er gab, 11^ 7. 9. 15. 22. tis, II, 11., PI. thisii,
II, 17. tisü, \, 12. Das Futurum lautet tev, II, 17. Dem
Imperativ liegt ein Thema et oder jet zu Grunde und eta,
II,* 18. scheint: ich gab zu bedeuten. Man könnte bei this
eine Vcrslümmcluug des Parlicips auf as annehmen,
wir werden aber bei tuling, sitzen, ein ähnliches s ßndeu,
welches nicht aus as entstanden seyn kann. Hes, et
brachte, I, 9. II, 11. 14. 18., hesur PI. 1, 12. ist Imp. U,
und hat ein ursprüngliches s, wie aus hesunut, I, 11. he-
sunt, II, 23. erhellt. In der letzten Stelle könnte es pas-
sivisch zu seyn scheinen, ihre Leiche ist gebracht worden.
Einige Zeitwörter haben den langen Vocal ä vor den
Endconsonanten der Endungen des Iraperfccts und in den
Participien auf an und as. Khuching, schlafen, (^khaching
M,) khächä, er schlief, PI. khächür, II, 11. 18. 22. Hinäk,
389
ging fort, I, 10. 11. hinär, II, 3. 18. u. S. w. hindne, v6\
gegangen, I, 9. II;, 23., während die 2. Sing. Imper. kurze«
a hat, hinak, hina^ G. 548. Khwdjä, er verlangte, PI. khwa~
jdr , II, 23. 24. Von tamitig , fallen, daher eintreffen
und auf etwas verfallen, beginnen: shdm tamd, (P. ^Li)^
Abend traf ein, I, 2. u. 8. w. de tamd, Tag traf ein, II, 4-
tamä pitingati, sie begann zu jammern, II, 23. Hamode
bundas tamdsas , daselbst fand sich ein Holzstoss, I, 3
gudd zaife sah tamdne, darauf ist der Frau Leben zuge-
fallen. Khand, er sah, VI khandr, W, 3.24. I, 10. i:bcnso
khandnut, G.o48. wogegen khanat, G. 54t. gewiss nur Feh-
ler ist; I, 11. steht khandt, ich sah; aber khanoi, wird sehen,
G. 549. khanisa, du siehst, mit Präsens- Bedeutung, II, 16.
Solcher Bildungen mit langem d sind noch andere; mit »
finde ich sali, stehe, salis, blieb stehen, I, 9. M. gicbt sel-
ting, stehen. KhuUbo, furchtet, L, khulisoy du wirst fürch-
ten, G. 548. und sonst noch einige. Die Infinitive zeigen
in keiner dieser Wortklassen eine Verschiedenheit. In
khulisa steht f, wie oben in barica, barisa.
Imperativ. Die zweite P. des S. hat uns schon oben
die Form ak dargeboten; so wird in den Sprachproben
meistens geschrieben; in seinem Verzeichnisse von Zeit-
wörtern setzt L. Mufiger ArA. Kunakh, iss^ pirakh, brich,
sikhukh , behalte, Wahrscheinlich tikhakh, da. tikhd, Fl, 13,
hielt bedeutet und L, 539. tikhakh selbst giebt, nebst tikhy
die verkürzte Form ohne ak. Da das k sonst Zeichen der
dritten P. Singuiaris ist, erscheint diese Bildung autfallend.
Das kh scheint abgefallen in jakha, huste. Ka sieht iu
phiirka, fülle, pur-av heisst voll; dann in halmaka, fliehe,
iiachher halmak , laufe (dieses ist vielleicht Zusammen-
setzung mit ka, mache voll, Lauf). Wo das nackte Thema
steht, wie kar^ ist wahrscheinlich jenes ak abgefallen; ja
es scheint sogar noch das Thema selbst verkürzt werden
zu können, ka und ma kommen öfters für kar und mar vor.
iWeiter harf^ hin, nimm, geh fort(L. take uway), mugh, näfhe.
390
u. B. w. Oder a bleibt, shola, giesse aus, hina, geh, mala,
mach los, und u, wie tamd (h.tammd), falle, wenn richtig
geschrieben ist. Die Paar Beispiele^ in denen e Endung
ist, ffand kashe, rieche (eig. ziehe Geruch), G. 549. g'hale^
fange, ebend. scheinen das e zu viel zu haben, da keine
Form ek für diese Person vorkommt. Auch die Endung
i weiss ich nicht wo hinzustellen : hify, lerne, L. giri nety^
binde, und namentlich ety, jetiy L. 546. G. 547. 549. \, 6.
jete, II, 4.
Wenn z. B. kes als Imperativ steht, so ist dieses nur
die Verwendung der 2. Sing. Fut. I. als eine mildere Form
des Befehls. Häußg kommt auf diese Weise kän, gehen
wir, vor^ I, 8. II, 3. 5. u. s. w. Die dazu gehörige 1. Sing,
ist kdv, G. 547. 549. II, 14, kkwa, G. 547. Die 2. S. kds, du
wirst kommen, steht II, 7? im Sinne von mögest kommen.
I, 2. hcisst kkchina, schlafen wir, also die Form des Fu-
turums mit i, ebenso kkchin, II, 13. 92. In kdv u. s. w.
scheinen die Vocale des Futurums, e oder o, von dem lan-
gen Wurzelvocale verschlungen zu seyn. Die 3. PI. der
Futur-Bildung : ir, habe ich nur ein einziges Mal angemerkt
in: da tätdk irä tu kngud bisir, G. 549. diese Maulbeeren
werden in zwei Monathen reif seyn. Es scheint aus hasir
durch die Einwirkung des folgenden i entstanden zu seyn.
Dagegen sind noch zw-ei Bildungen, w^he dem Imperativ
eigcnthümlich sind, tak und bo.
Tak kommt in zwei Wörtern vor. Von halling, er-
greifen, M., ist das Futurum halev j G. 545. 549. Aalkutti,
hat ergriffen, G, 548. hallky ergriff, II, 24. halko, nahmen»
lieber das k später. Halllak^ nimm, G. 548. II, 15. Bei
Ij. im Verbalverzcichnisse erscheinen drei Wörter: bu%
halbOf küsset (nehmet Kuss), halbo, bringet, und nachhei'
kaufet; es ist stets das obige Wort und die zweite Form,
des Imperativs.
Tuling oder tulling (bei M. tuling), sitzen, gehört zu
4en Wörtern, weiche das noch dunkle s annehmen ; /üsan4.
391
vr&ti, ist im Hause gesessen, II, 13. (einmal gedruckt
tHsne); fiisasuf, i^|^6as8; I, 11. his, er sass, II, 11. 12.
u. s. w. fusur, PI. T7 2-5 tlagegen tullifer , setzten, II, 19.
AI? Imperativ kommt vor fulltak, setze dich, II, 14. I. 2.,
bei L. im V'erzeichniss unrichtig tidlak; denn die Abkür-
zung tullt, steht II, 12.
Es lässt sich vermuthen, dass tak der Imperativ eines
Hülfs\'erbums sey; welches, ist nicht zu ermitteln, da kein
Zeitwort bis jetzt zum Vorschein gekommen, von dem es
herstammen könnte. I, 3. kommt vor tngh hallt, er greift
vor sich hin, hier wäre also das Element / auch ausser
dem Imperativ gebraucht. Oder verdruckt für hallk ?
Bo steht bei L. als 2. PI. Imp. von harrafing und wie
harrafbo haben in den beiden Erzählungen alle Beispiele
von dieser Form die Bedeutung der Mehrzahl. Num
khkchboj schlafet, I, 2. harrabo , zerreisset , I, 12. wozu
harkr {harrkr^, zerrissen, I, 12. harre (für harrek^ , er
wird zerreissen, I, 11. gehören; eibo , gebet, I, 9. etaboy
I, \%. jetboy \, 10. dabo^ traget, I, 12. (also aus </ar) ; pkbo^
aus pkrbo, redet, I, 10. wofür babo unrichtig, I, 9. tnalabo,
öffnet, II, 17. L. unterscheidet in seinem \'erzeichniss und
seinen Uebersetzungcn nicht, da er überall you setzt; die
Bedeutung ist aber hinreichend festgestellt. Ich entnehme
aus seinem Verzeichnisse nur kaboy machet, für karbo, und
baah kabota, wachet auf, wo das fa aber wahrscheinlich
falsch ist, da diese Endung für die 2. Plur. gar nicht vor-
kommt. Auch bo möchte ein Hülfsverbum seyn , obwohl
ich im Br. keine andere Spuren desselben entdeckt habe.
Nicht einem einzelnen Modus, sondern der Bildung gan-
zer Zeitwörter wird das f gehören, welches in dem oben
aufgeführten harrafing durch alle Bildungen hindurchgeht.
Tullifer, (von tul, s. S. 390.) führt durch seine Bedeutung
auf die eines Catissativs. Es ist schwer, aus so wenigen
Beispielen die Sache sicher zu stellen^ doch beslätigen sie,
so weit si& reichen. PülanU heisst G. 549. ich bin uass
392
geworden, L. hat pklif-ho, waschet, also Zusatz von i/zu
pal. Lagä in masidnu (masir , bei Mü ruh murto lagu,
II, 4. der Tochter Geist entbrannte zuaem Knaben^ uIsj
intransitiv; L. hat lagaf, zünde an^ und I, 2. steht khi-
khare lagafer, sie zündeten ein Feuer an. Kasif, L. lösche
aus^ ist wohl dieselbe Bildung. Benifeney G. 548. nach L.
er schenkte^ also Perfect. von henif; \\, 12. heisst es da
gude benenas {\j. ben etias, cover yourself with this teil)y
dieses Kleid ziehe an, oder wohl genauer: sey dieses üleid
angezogen habend; also die Wurzel ist ben. Das erste
Beispiel lautet vollständig so: ddde ainu mir benifene kha-
lat , wörtlich: heute Hess der Emir ihn ein Ehrenkleid an-
ziehen. / tene kasif eva, ich will mich selbst tödten, 11,4.
kaaifenure, kasif enn, (L. kasafenu), sie haben getödtet, I,
10. 11, M. h&i kas fing, tödten. Kask heisst: er starb, kasko,
sie starben, kaskune, ist gestorben, G. 54U. 548. II, 1. 23.
K wird auch ein Bildungselement seyn ^) und von kas,
sterben'*), ist kasif, tödten, gebildet; in kasif, lösche aus,
scheint die eigentliche Bedeutung enthalten zu seyn. Wahr-
scheinlich ist auch harrafing selbst noch ein Beispiel dieser
Form, doch ist wegen der schwankenden Orthographie
zweier im Laut und in der Bedeutung sich ähnUcher Wur-
zeln hier der Nachweis nicht möglich ^j
X) Ausser kask und dem oben an}|;eführten hallk bietet khalk,
schlug, khalkiine, hat geschlagen, ein sulchcs k dar, es fehlen
aber von diesem Worte die Formen, in denen k nach der Ana-
logie der zwei andern wegfallen niuss, ausser khatt, schlage, G. 546.
von khaltak.
8) M. hat kahing, sterben, wahrscheinlich zu lesen kasing.
8) Nämlich M. hat arfing, fragen, urraf/iiig, auflesen In den
Sprachproben heisst gwälas harrafi (1. -A), II, 14. sie nimmt
einen Korb, also von harrafing; dann harftt, von arfing^ ich lernte,
eig. erfragte, G. 549. wie M. Diesem widerspricht harfenut, ich
irndtote (sammeltej, nach M. wäre dieses harraffenut^ und harfer,
' sie nahmen, II, «3. stimmt wieder nicht zu harrafi. L. hat end-
lich im Sinne von lernen, erfragen, eine Form ohne f. Hur kanä
393
Die aufgeführten Beispiele scheinen sicher genu|a^, um
dem Br. den Besitz eines caussativen Verbums zu siebern.
Ganz sicher ist der einer negativen Form des Zeilworts.
Ich will jedoch hier erst einiger ganz seltenen und aus der
Analogie der übrigen Conjugation heraustretenden Bildun-
gen erwähnen.
Folgende Formen sind abweichend : gidarengk, ging vor-
über, von der Zeit, II, 4.5. \%rasengk, er ist an«:ekommen,I,9.
10. ich bin angekommen. G. 548. hadsetigk, drehete um,
kehrte um, 11^ 20. dafür steht hadsk, I, 4. 6. Man könnte
an eine Zusammensetzung mit einem Hülfsverbum seyn^
sengk, woraus mit r statt * auch rengk geworden, denken, weil
unter den wenigen Beispielen von Biegungen bei M. auch
pure sakniy er möge gesprochen haben, vorkommt. Nach
seiner Orthographie ist dieses für sakuni , worin vielleicht
dieselbe Wurzel enthalten seyn könnte. Es widerspricht
aber dieser Vermuthung, dass die «wei ersten Wörter aus
dem Persischen stammen, aus rasidan, ankommen, und
guzkrdati, vorübergehen. Es wird daher engä hinzugefügt.
Im Br. vergleicht sich damit nur die Form des Adjectivs
mit dem zugesetzten «, wie aharrangk: diese Vergleichnng
klärt aber nichts auf. Im Pengäbi gehen die Future auf
ungk, engk, angi u. s. w. aus; mit diesen hat es aber eine
andere Bewandtniss. Eher Märe ein Zusammenhang zu
vermuthen mit dem Zusätze ga, gai in Baluk i, da dieser
auch bei dem Perfect vorkommt. S. oben IV, 456.
Vollständigere Sprachproben würden uns wahrschein-
lich andere Beispiele von Bildungen durch Zusammen-
setzungen gewähren^ denn M. führt noch folgende Formen
tamäshe, vernilcm meine Belustigung; hurev (nachher II, \S. hu~
riwa} o (und ta) der e, ich will fragen, wer es ist, II, 14.
Endlich I, 3. dänge henge hura , forschte (L. sieht, eig. griff
herum} hierher und dorther.
394
auf^ die ich zwar nicht belegen kann, die aber nicht aus
der Luft gegriffen seyn können. Mit Ausnahme von päre
sakni ist es stets kanning, welches dabei angewendet wird.
Dieses bildet in den Sprachproben bei L. viele zusammen-
gesetzte Verba aus Substantiven, Adjectiven und Partikeln,
verbindet sich aber nie mit andern Zeitwörtern. Pkjikrri
{siCy wohl päjikari), er spricht, päre kanni, er hat gespro-
chen , akhar (1. agar) pkji kni (1. kam) , dass er spreche,
pk kannij sprich. Pk wanni , dass er spreche^ ist wohl
auch pkkanni zu lesen. Dieses sieht aus, wie eine voll-
ständige Conjugation mit kanning,' allein, wie gesagt, die
Sprachproben bei L. bestätigen weder den Gebrauch dieser
Bildung im allgemeineu. noch die einzelneu Formen^ wie
sie hier vorkommen.
Vom negativen Verbum finden sich folgende Beispiele.
Es kommen zuerst mehrere in dem ersten Liede vor,
welches ich ganz mit einer wörtlichen üebersetzung her-
setze :
gori marevy o marü o läl \ netu harev, o chunakk g uwkn,
päsf bafes, o maru, o läl \ tes^ tifea^ o chunakk waruk,
bkmbke salip, o gul i lälahy
rkndi khanoi n^y o chunakk warnkj
tenk karoi ne, o gul i susnn.
Um dich will ich wandeln, o Mondgesicht, o Tulpe,
Ich will mit dir kommen, o kleiner Knabe,
Du sagst (ja), du sagst nein, o Mondgesicht, o Tulpe,
Du giebst, du giebst nicht, o kleiner Knabe,
Stehe nicht auf der Terrasse, o Blume der Tulpe,
Die Alte wird dich sehen, o kleiner Knabe,
Sie wird dich zu der ihrigen machen, o Blume der Lilien.
Ij — 1) gori übersetze ich aus Conjectur, L. hat: I will move
OS a censer around thee, my preciuus Utile ruhy. M. hal
sw-ar läl jäkut für Rubin, aber läl allein wird dieses schwerlich
bedeuten. Mahrü^ yji*i '''' Persisch. —8. Te«, tifes, heisst wohl
\
395
Päs wird hier negativ durch Einschiebuiig eines f] da
es zuerst pkres geheissen hat, scheint f das r verdrängt
zu haben; p wird b, ob das Br. nicht p-f in zwei Sylben
hinter einander duldet? In iifes schiebt sich dagegen 1/ ein,
oder Uses war ursprüngliche Forna. Wir hatten oben saHf
stehe, hier wird p hinzugefügt. Bafar neto, ich will nicht
mit dir gehen, G. 547. mit Verlust der Endung in baret.
Zu geben gehören noch agar tifesa, wenn du nicht
giebst, II, 4. atttai tifesata, warum giebst du nicht, L. 548.
ta muss aber auch hier es hcisscn und gelreimt werden;
im nächsten Beispiele, ebend. ist ein Fehler: asi monu paisas
tifarata, ich will nicht einen Monu geben, L.; aber man
s eht II, 5. für einige und wird einzig bedeuten; L. lässt
paisas aus, es ist P. poisah, u*^^ ein kleines Gewicht.
E§ muss heissen: einen einzigen, einen pais gebe ich nicht.
Ist ia ihm? Denn das / der ersten Person fehlt auch in
i nä muxür hich mafarUf l\, 2. ich will nicht irgend dein
Verwalter (servant , L. das Arab. j^j heisst besuchen)
seyn. Tipara, ich verstehe nicht, II, 20. wofür G. 548. tiprä.
Ich kenne keine andere sichere Form dieses Wortes für wissen.
Weiter: kapana , (^khapanaj, ich will nicht sehen, G. 548.
Dagegen kaparolj ich will nicht thun, G. 547. aus karoty
und G. 548. ist gedruckt: khautanut y ich habe nicht ge-
du giebst ein A''ersprechen^ u. s. w. — 3. hamb, Terrasse, nach L.
Gut i lälahf L. my briyht tulip ; gut auch Blume Oberhaupt
im Persischen, steht so auch t. 5. Es ist hier ein Beispiel des
Persischen Genitivs. — 4.rdndi ist Indisch, Sanskrit randä, Wittwe.
Die Wittwen werden in Indien oft verachtet und, da sie nicht
wieder heirathen dürfen, unterhalten sie in manchen Gegenden
unerlaubte Verbindungen. In Fr. Bcchanan's (Hamilton 's)
Mysore und Eastern India sind viele Angaben hierfiber. 4. L.
für chunaka w. : oh beautiful young maid. Aber warnä kommt
nur für Jüngling vor und ohnehin wechseln hier noch die Verwe
zwischen beiden. L. zieht alle vom dritten an zu dem jungea
Manne.
sehen. Im -uta- muss aber ein Fehler seyn, da ich habe
gesehen : khanunut lautet, und das negirende Element fehlt.
Tifesa ist dasselbe als tifes, tifara und tipara sind
mir in Beziehung auf ihre Endungen noch dunkel; mufara
ist Negation zu marut^ ich will seyn, oder genauer zu ei-
nem sonst nicht vorkommenden inarat. Dass / am Ende
abgefallen , ergeben die letzten Beispiele, kapana i^t) ver-
gleicht sich mit khanat, kaparot stimmt genau zu karot.
Fa und pa sind hier als Negationen eingeschoben. In peshan
mafa, II, 2. geh nicht hinaus, ist fa angefügt an das schon
verkürzte ma. Pap, sprich nicht, himp, geh nicht (aus hin
für hinak^, L. 543. In puskun afas, es ist nicht frisch, ist
fa in «Ä, ase eingeschoben ; in afakj ist nicht, II, 4. 13. 24.
hat fa das sa in asak ausgetrieben. Ganz eigenthümlich
ist die Bildung II, 24. * tenä lumai {lume) kashepära, na(?h
dem Zusammenhang und der Uebersetzung: ich will meine
Mutter nicht herausziehen lassen; kashe^ zieh, kashä, zog,
zeigen uns das Stammwort, das f des Caussativs ist ver^
schwunden und pura, \l^enn wir uns parat als vollständige
Form denken, scheint das negative Verbum in flectirter
Form angehängt zu zeigen.
Aus den wenigen Beispielen möchte ich nicht wagen,
Folgerungen über die Aenderungen zu ziehen, welche ge-
wöhnliche Biegungen in der negativen Gestalt erleiden;
nur dürfte a als vorherrschender Vocal der negativen Verba
in ihren Endungen angenommen werden dürfen. Dass die
Negation in p und f enthalten liege, ist klar.
Ein Participtum des Präsens finde ich nicht; die der
Vergangenheit sind oben aufgeführt. Sie dienen beinahe
ohne Ausnahme zur Bildung der Perfecle; ein Beispiel des
getrennten Gebrauchs ist gwälai gires dare^ sie trug ilm
im Korbe liegend, II, 14. Viele Adjeetive endigen auf en
und un und haben also eigentlich die Form von Participien,
wie balun, lang, dick, ptuhkun, frisch, piun, weiss, phu-
d^Hj kühl, hanetty süss. M. setzt meistens en und stets un.
397
Auch in kommt, wie in knbtn, schwer, vor; ein Particip
dieser Form scheint nicht im Gebrauch zu seyn.
So sehr auch der Wortschatz der Brahuiki Sprache
mit Persischen Wörtern überfüllt ist, so wenig Eiiifluss
hat die Persische Grammatik auf grammatische Biegungen
derselben. Nor in dem zweiten Liede fand sich die Per-
sische Construction statt des einheimischen Genitivs und
nur ein einziges Mal steht ein Persisch flectirtes Verbum
in den Sprachproben, II, 13. aish ashrat ken, d. h. das
Persische kitn für Br. kar j thue mir Liebesverkehr (Ar.
'^ishrat, '^j^^, das vorangesetzte aish halte ich für das ver-
druckte v-ä-i^jWÄÄ, Liebe; u^J^j^«, aish Leben, passt nicht
in den Zusammenhang der ganzen Stelle).
Obwohl die obige Darstellung weder ein vollständiges
Bild der Conjugation im Brahuiki geben, noch dieses zur
vollständigen Klarheit bringen konnte, reicht sie doch hin,
um die wesentlichsten Züge des Systems der Verbalbiegung
uns vorzustellen. Die Biegungen zerfallen m zwei Haupt-
klassen , es sind entweder Verbindungen des einfachsten
Exponenten des Seyns mit den zwei Participien der Ver-
gangenheit: as oder es, un oder en\ hierzu dient die
Form ut u. s. w. mit seltenem Eingreifen des mit e voca-
lisirten Hülfsverbums. Oder es sind Verbindungen der
Wurzel mit seyn ; ot u. s. w. bezeichnet dann die Zukunft,
die Form mit i (j) die Zukunft, die unmittelbar bevorsteht.
Et, evj u. s. W bedeutet dasselbe; beide Formen können
auch die Gegenwart bezeichnen ; et auch die nächste Ver-
gangenheit. Dem uf u. s. w. gehört auch diese Bedeutung
Formen mit a^ die aber selten sind, haben auch diese, a
dient vorzüglich zur Bildung der 2. Sing, des Imperativs.
Dieser benutzt zugleich die Futurform mit e und wird
durch Zusätze verstärkt. Der Ursprung der Consonantcn,
durch welche die Personen bezeichnet werden, ist unklar.
Die Sprache besitzt noch ein caussales Verbum und ein
negatives.
398
e) Partikeln. HWortbildung:. Syntax.
Adverbial- Affixe mit bestimmter Bedeutung kommen
nur wenige vor; insofern Casus der Pronomina mit solcher
Bedeutung stehen^ sind schon bei diesen Beispiele gegeben.
Am häufigsten ist de für den Ort. L. hat däd'e^ hier, ed e, dort,
aräd'e, wo. In den Sprachproben, wie I, 2. 4, 9. II, 17.
wird jedoch meistens </e geschrieben. Z>'e scheint richtiger,
da ddde, u. s. w. nicht von Accusativen verschieden wäre,
auf welche die örtliche Bedeutung nicht passt. Hamode,
daselbst; 1, 3. hat hämo, kein hamod zum Stamm. Ade, I,
4. scheint dort zu bedeuten.
Ein anderes Affix ist nge^ ngi. Arängi^ wo irgend,
hamengi, daselbst^ L. Also auch local. Dange, henge, I, 3.
bedeuten dahin, hieher; da h im Anfange wechselt, schei-
nen ade und A^n^e ein Thema a^^ha vorauszusetzen, von
dem jedoch sonst nichts vorkommt. Harränk, so weit, L.
wird arränk (M. setzt errur für das Interrogativ) seyn und
wie weit bedeuten, weil k aus kä (s. S. 365.) verkürzt
seyn muss ; kä erscheint in aräkdj woher, L. ehpr wohin.
Ewadai, früher, L.; es muss Vormittag heissen, s.
unten; padai, wieder, zurück, G. 546. dafür padä, 543.
Gudä nachher, dann: aber, L. Dessen scheinbares Thema
gu in gu maraky II, 24. gum marak, G. geh fort, scheint
eher das Baluki go , mit (oben IV, 460.) zu seyn. D&s&y
jetzt, G. II, 5.
On bezeichnet die Art. Don, wie, also aus der'y ha-
mon, ebenso, 11^ 10.; handon, ja, L.; aber es heisst ebenso,
und was nachher für ebenso gesetzt wird: handoan, ist
gewiss nur Fehler für dasselbe. Wie der Zusatz os in han-
dunos in dem Beispiele oben S. 372. zu erklären, weiss ich
nicht. Für i sind diese Beispiele: ainari duros, \\, 14. über-
setzt mit: bringe schnell, heisst: wie wirst du bringen.
Monif L. gegenüber, ist von moM, Gesicht, musii, nahe,
399
L. wofür M. must, vor, giebt. Wie das in mehreren Phrasen G.
547. vorkommende dur, JuHl, ob etwa mit wie, zu erklären,
entdecke ich nicht; z. B. dtträ. khairati hus (us'). wie, bist
du im Wohlseyn, ist unbedenklich, aber kabil ne dura khe,
L. = ist deine Familie wohl, und ähnliche, lassen in Zweifel,
ob durk nicht tcohl bedeuten solle ; das sonst unerhörte khe
stünde dann als ein Hülfsverbum.
Ich übergehe die Beispiele, wo bekannte Casus von
Substantiven als Adverbia stehen. Auch Persische Wörter
werden so gebraucht, wie ^ä^oi (richtiger^ ä^AarO, anstatt,
L.; esistP. ^'äÄ, ^ä, Stelle, welches in ÄMrsä, über, L. die
Form sä scheint angenommen zu haben. Aladk, langsam,
L. wofür madänat, I, 4. muss in letzter Instanz vom Sanskrit
manda herkommen.
Andere unklaren Ursprungs sind: shef, herunter; mur,
jenseits; Äira, nur. Pizir, hinter, M. ist wohl P. boT^r, ab-
wärts. Bash scheint aufwärts, auf, zu bedeuten : bashkeg^
Ij 2. wache (wecke), stehe auf, bash masj wache auf, I, 6.
u s. w. L. hat 545. bashkabo ita), wecket auf (ihn) und
bath (für i>ash) marak, stehe auf.
Einige Zeitadverbia zeigen Spuren eines eigenthüm-
lichen Reichthuins. L. giebl diese: pagi, morgen, pklme^
übermorgen, knde, über übermorgen, knd ramk», nach über
übermorgen, daro, gestern, mulkhudu, vorgestern, Äü mul~
khttdn, ehe vorgestern, kxxdir tnulkhudii, vor ehe vorgestern.
Sonst ist ewadai (nach L. formerly^ mit Vormittag zu er-
klären; es steht vor mang'an, Mittag, und dai ist statt </«i,
am Tage. Dlgar, Nachmittag, ist Pers. Begk, L. richti-
begki , begke in den Sprachproben, am Abend. Nem shaf,
Mitternacht, P. nxmishab, die halbe Nacht. Für «mü, heute,
ist ainn zu lesen. Morgen wird in den Sprachproben ent-
weder mit roshan, Tag, Pers. röshän, Licht, wie roshan
was, es ward hell, I. 7. bezeichnet, oder mit dem Islamiti-
schen Gebetrufe, miillknk bktigai %aif bashmas , bei dem
I Rufe des 5IuUk wachte die Frau auf.
wo
Das Brahuiki besitzt kaum einheimische und ursprüng-
Hche Präpositionen und Conjunctionen. Das Fehlen der
ersten erklärt sich aus der Vollständigkeit der Casusformen,
welche die Beziehuni^en der Nomina im Satze hinreichend
bezeichnen. Dasselbe ist mit einigen Ausnahmen der Fall
im Sanskrit und ans demselben Grunde. Das Sanskrit be-
sitzt aber die ursprünglichen Präpositionen der Indogerma-
nischen Sprachen, nur verwendet sie diese in der classischcn
Zeit beinahe ausschliesslich zu Zusammensetzungen mit
Zeitwörtern und den von ihnen abgeleiteten Substantiven
und Adjectiven. Auch zu diesem Gebrauch gehen sie dem
Brahuiki ab. Es wird ursprünglich solche besessen haben,
da die CasusafTixe offenbar sonst verschwundene Präposi-
tionen sind. Ich unterscheide von ursprünglichen Präpo-
sitionen solche, die nicht zu den ursprünglichen Bestaiid-
theilen einer Sprache gehören, sondern aus schon fertigen
Wörtern der übrigen Wortklassen entstehen. Das Brahuiki
kann mit seinem Ueberfluss an Casus leicht aus den No-
men diese Gattung bilden und es kommen einige Fälle der
Art vor. Ich halte es für überflüssig Beispiele Anzuführen.
Trotz seiner Neigung aus dem Persischen sich zu ergän-
zen und bereichern, widerstrebt es seinem Charakter, auch
Persische Präpositionen zu verwenden oder vielmehr, es
hat es nicht nöthig. Beispiele, wie ba (6a) khairat^ zum
Glück, kommen höchstens drei bis vier vor.
Das Fehlen der Conjunctionen ist aus der höchst dürf-
tigen Ausbildung der Satzverbindung zu erklären. Die Sprache
stellt ofanz kurze Sätze hinter einander, oft einzelne Zeit-
Wörter, ganz ohne Verbindung, ich kenne in keiner Sprache
etwas ähnliches. Einige Proben werden dieses nachher
verdeutlichen. Die Folge ist, dass die wenigen Conjunc-
tionen, welche in den Beispielen sich uns darbieten, allö
aus dem Persischen haben entlehnt weiden müssen. L.
führt nur u, und, lekin, aber, ki, dass, auf. Ausser ki
und M, welches letztere nur II, 1. vorkommt, geben die
401
Sprachproben nur ja, oder, G. 548. agar, wenD; G. 547.
magar, wenn etwa nicht, G. 548.
Die Syntax im Brahuiki beschränkt sich nach diesem
auf einen sehr kleinen Umfang, auf die Regeln von dem
Gebrauch der Casus und der Tempora. Es sind für un-
sere Zwecke hinreichende Beispiele hievon gegeben, wir
sahen daraus, dass die Sprache sich das Bewusstseyn
der Bedeutung ihrer vielen Casus lebendig erhalten hat
und sich ihrer mit bestimmter Unterscheidung zu bedienen
weiss. Dieses gilt weniger von dera^Gebrauch der Ver-
baiformen; zwar werden stets die aus den Participieo ge-
bildeten Prälerita genau als Formen der vollen Vergangen-
heit festgehalten; das Futurum auf o bewahrt auch stets
seine Geltung, aber das auf e dient zugleich als eine mil-
dere Form des Imperativs und geht in die Sphäre der ge-
genwärtigen Handlung hinüber. Eine Form^ welche aus-
schliesslich die Gegenwart bezeichnet, erscheint nicht in den
Sprachprobi n, ausser von dem Verbum Seyn. Es kann
dieses aber daher rühren, dass die ausführlicheren Sprach-
proben Erzählungen sind. Ein Imperfectum erscheint da-
gegen in bestimmter Absonderung. Vom Conjunctiv und
Passiv geben die Sprachproben keine Beispiele. Die ne-
gative Form des Verbums hat sich lebendig erhalten, und
wahrscheinlich auch das Caussativum. Es ist hiebei nicht
zu vergessen, dass wir die Sprache zu wenig kennen, um
darüber urtheiicn zu können, ob sich nicht noch manches in
ihr vorBnden mag, welches in den bisherigen 31ittheilungen
keine Gelegenheit hatte, sich zu zeigen. Bei ihrer bestäü-
digen Verwahrlosung von Seiten ihrer Besitzer, dem An-
dränge mächtiger Einflüsse von Osten und Westen in den
älteren wie in den neueren Zeiten ist zu verwundern,
dass sie noch erhalten ist und dieses in Beziehung auf
ihren eigenthümlichen Bau rein und frei von fremder Bei-
mischung, obwohl schwerhch unverstümmelt.
V. 26
402
f) Bestandtheile der Sprache*
Das Bruhuiki muss in seinem gegenwärtigen Zustande
sehr arm an nominalen Ableitung s formen seynj ich wüsste
in der That nur die Adjectiv-Formen , die auf en und un
ausgehen und zugleich Participia sind^ als solche anzufüh-
ren; die einzige Form des abslracten Substantivs ist der
Infinitiv. Die eigenthümlichen Brahuiki- Wörter sind vor-
herrschend Benennungen der Art, wie sie den ärmsten
Sprachen nicht entgehen^ Namen der Glieder des Körpers,
der Alitglieder der Familie, der einfachsten Bedürfnisse,
der allgeineinsteu Eigenschaften. Diese entziehen sich, wie
man leicht denken kann, namentlich in einer so unvollständig
überlieferten Sprache jeder Erforschung ihres Ursprungs.
Wir wenden uns daher zur Betrachtung der verschiedenen
Bestandtheile, aus welchen der Wortschatz des Brahuiki
jetzt zusammengesetzt ist und treten dadurch an unsere
Hauptaufgabe näher hinan.
In Beziehung hierauf ist Masson's Urtheil viel richti-
ger, als das Pottinger's (oben S. 345.), die Sprache ist
von Persischen und Arabischen Beimischungen wie über-
fluthet. Die Aeusserung des ersten, dass auch Baluki-
Wörter aufgenommen worden, kann ich aber nicht ver-
treten; denn die Persischen Wörter im Brahuiki haben
durchaus nicht den Zuschnitt der Baluki-Form, wo diese
verschieden ist, sondern sind viel reiner und unmittelbarer
überuunnuen. Einzelne, welche in beiden Sprachen stim-
men, wie %aif, Frau, zaghm, Schwert, guJ, Kleid, sind
dunkeln Ursprungs und köimen ebenso wohl aus dem Bra-
huiki stan)men. Auch Afghanisches kommt, wie Masson
sagt, nichts sicheres vor.
Iq Hinsicht der Persisch-Arabischen Beimischungen bil-
den nun zwar die zwei Novellen nicht ganz den richtigen
Maassslab für die Volkssprache, weil aus deutlichen Spu-
ren, wie aus dem Beispiel mit ken S. 397., hervorgeht, dass
403
der Verfasser Persisch verstand und daher seine Eleganz
in Persischen Ausdrücken suchte. In Schriften wird aber,
wenn solche sonst vorkommen, derselbe F'allseyn. Vergleicht
man aber auch die Wortverzeichnisse, erkennt man, dass
der Persische Einfluss ein sehr grosser ist und nicht nur
alle Beziehungen des Mohammedanischen Glaubens, Ge-
setzes und Staats umlasst, sondern auch nach jeder an-
dern Seite, obwohl in viel geringerem Grade, hinübergreift.
Das Wortverzeichniss wird dieses deutlich zeigen und es
sind schon Beispiele genug vorgekommen. Ich führe hier
nur an Wörter, wie datid, Zahn, pehlu, Brust, regh,
Sand, darakht, Baum, u. s. w. Die Zahlwörter von vier an
(oben IV, 441.) zeigen allein schon diese starke Beimi-
schung. Es besteht aber ni Beziehung auf diese Fremd-
wörter das besondere Verhältnisse dass es meistens uur
Substantive, Adjective und Partikeln, aber bemahe gar
keine Zeitwörter sind; denn die einzigen Beispiele'): /////m-
rengu und raseng$ köimen die Richtigkeit dieser Behaup-
tung nicht umstosMo; auch diese nehmen eine Nicht per-
sische Form an. Jene Persischen, wie die mit ihnen ge-
kommenen Arabischen Wörter üben gar keinen EinHuss
auf die Brahuiki-Grammatik aus, sondern müssen sich ihrem
System unterwerfen- Das Brahuiki bewährt auf diese
Weise grössere Kraft der Selbständigkeit, als das spätere
Persische, welches Arabische Wörter mit Arabischer Form
und Construction zulässt.
Die erwähnten Fremdwörter werden vielfach zur Bil-
dung zusammengesetzter Zeitwörter gebraucht, wie Ara-
bische im Persischen. Kanning, thun, machen, und man'
ning (wenn der InHnitiv zu marak u. s. w. so lautet} dienen
am häufigsten diesem Zwecke. Xaicishta-kanning, schrei-
ben, ;yasa/iJ-Ar., billigen, /rar«r- (Ar.jtJ») Ä., ruhen, u«s. w.
1) Ausserdem gehört khwänning, lesen, hieher, bei M. und II, 9.
Pers. kkwänden, ^w}ü|«^.
404
bei M. Raikare tent ehokarte, schickte seine Dienerin, II, 8.
u. S, w. rat mos j ging^ ebendas. , P. rät = ru/i, rah;
eig. machte den Weg, kam den Weg. Sicär (suwär^ maSf
ritt, eig. kam als Reiter. Zaife kank durust karet, ich er-
kannte meine Frau, I, II. eig. machte richtig, wie Engl.
to make good. Und so viele andere Beispiele. Auch einhei-
mische Wörter und Indische geben ebenso den Stoff zu
solchen zusammengesetzten Zeitwörtern.
Aus dem dargelegten Verhältniss der Persischen und
Arabischen Wörter im Brahuiki folgt zweierlei:: sie sind
nicht mit den Baluk'en gekommen und fallen in eine Zeit,
in welcher die Persische Sprache ihre jetzige Form hatte.
Diese Bestimmung bietet freilich weite Gränzen den Ver-
muthungen; doch wird so viel wohl mit Wahrscheinlich-
keit bestimmt werden können, dass dieser Persische Ein-
fluss erst nach der Bekehrung der Brahui zum Islam be-
gonnen habe. Es scheint mir, dass die Herrschaft Mah-
miid's des Ghaznewiden, der als Freund und Begünstiger
des Persischen bekannt ist und mäch(i|f über diese Län-
dergebiete waltete, die meisten Ansprüche hat, die Anfänge
der Einwirkung des Persischen zu bezeichnen. Doch wäre
es möglich , dass noch früher das letztere sich eine Bahn
in dieser Richtung gebrochen hatte; wir wissen, dass we-
nigstens der westliche Theil Baluk'istän's zu Iliuan Thsang's
Zeit von Persien aus beherrscht wurde*), also in der er-
sten Hälfte des siebenten Jahrhunderts. Doch wird jeden-
falls die Haupteinwirkung später seyn und erst recht mäch-
tig geworden, seitdem das Persische die Sprache der
Höfe und des Verkehrs dieses Theils von Asien gewor-
den war.
Pottinger spricht von vielen alten Hindu- Wörtern im
Brahuiki (S. 346.). Geht man das Wortverzeichniss durch,
scheint es^ als ob dieser Ausspruch unbegründet sey, es
1) oben IV, S. 108.
405
treten einem zwar Indische Wörter entgegen , wie pan/h,
Weg, gand, Geruch, jedoch in geringer Anzahl und ohne
Anschein eines höheren Alters. Jedoch glaube ich, dass
jenes Unheil richtig ist, obwohl Pottinger wahrscheinlich
andere Wörter vor Augen hatte, als die, welche ich an-
führen werde.
Halten wir nämlich die oben gemachte Bemerkung
fest, dass Persische Zeitwörter nicht in das Brahuiki ein-
gedrungen sind und finden deren, die einen Persischen so
gut wie einen Indischen Ursprung anzusprechen scheinen,
muss man schon wegen des erwähnten Verhältnisses das
letztere vorzuziehen ffeneijjt sevn. Ich wähle das oft
vorkommende Wort kanning , dessen eigentliches Thema
kar ist, zuerst als Beispiel. Die Sanskritwurzel kri thuu,
machen, woher kar-6ti, er macht, kara^ machend, karmattj
Werk, u. s. w. musste sich in dieser Gestalt kar , der
gewöhnlichsten ihrer wirklichen Erscheinung, dem Brahuiki
einprägen. Das Persisclie bietet ebenso kar-dan, thun,
kur, Werk, und so scheinen die Ansprüche beider Sprachen
gleich. Aber ausser dem erwähnten Grunde entscheidet
für den Indischen Ursprung, dass andere Beispiele solcher
Beimischung sich darbieten. Dauning, tragen, hat zum
Thema dar und ist das Sanskrit dhar {^dliri), halten, tra-
gen; das Persische stellt hier däshfan, wozu auch dar
gehört, an die Seite. Folgende sind aber ohne Persische Mit-
bewerber: kd , gehen, das Sanskrit gd; tenning ^ geben,
woher /er, Skt. du. Es tritt hier die Tennis für die
Media ein, bei dar fiel die Adspiration weg; ich vergleiche
daher pkr, sprechen, mit Skt. bksh, r und s wechseln im
Brahuiki. Harf, harraf, nehmen, ist mit (A/v,) Aar, nehmen,
bis auf den Zusatz des /"gleich; cherring, zu Fuss gehen,
vergleicht sich mit char. Shilling, wissen, ist wahrschein-
lich g'na., im Persischen beruht shinäkhtan auf der alten
iBiegung g'knkti. Einige andere sind weniger einleuchtend.
{Zusammengesetzte Verba smd tsur ~ kanning , schwimmen,
406
von /ara, Durchschiffen, täl-k, wä»en, von tulk, Wage, im
Skt. Das Verbum seyn, a«, hieher zu ziehen, scheint zu ge-
wagt, obwohl die Wurzel ganz identisch ist. Es sind der
Zahl nach nicht viele Beispiele^ doch bei der kleinen Anzahl
von uns bekannten Brahuiki -Verben, wie mich dünkt, genug,
um eine besondere Indische Beimischung zu erweisen.
Denn sind die obigen Vergleichungeu richtig, so ge-
hören diese Indischen Wörter nicht blos äusserlich der
Masse des einheimischen Sprachschatzes, sondern sind mit
dem innersten Kern der Sprache verwachsen; kanning ist
dem Brahuiki ein unentbehrlich gewordener Beslandthcil,
tenning j pkning , danning ^ kkning sind auch im beständi-
gen Gebrauch. Sie müssen dem Brahuiki frühe eingefügt
worden seyn, weil sie sich ganz dessen Conjugation
anbequemt haben. Auch die Aenderungen der Laute, die
in käning, tenning, päning sich zu erkennen geben, beweiseu
eine frühere Aufnahmo, das Brahuiki nahm sie nicht un-
verändert auf, sondern änderte sie nach seiner Art. Die
Sprache besass noch grössere Kraft der Selbslbewahrung.
Wir haben oben gesehen, dass ein b/i im Br. fehlt, daher
rechtfertigt sich das Fehlen der Adspiration in ptir. Die
zweite Erscheinung, dass die harten Consonanten k, t, p
für g, d, b eintrelen, wird merkwürdiger Weise auch der
niedrigsten Präkrit-Mundart, der Päi^äk i, zugeschrieben*).
Die oben aufgeführten Indischen Wörter sind nicht aus
dem Peng äbi in*s Brahuiki gekommen, höchstens könnte
-man es von tenning verrauthen, dessen Futurum tev lau-
tet, der Infinitiv im P. devnk'y die übrigen Wörter sind
sich aber nicht ähnlich.
Es ist mir leider nicht möglich mit den vorhandenea
Ilülfsmitteln die Untersuchung in dieser Richtung zu be-^
stinunteren Ergebnissen zu führen. Die Zeit der zuletzt j
behandelten Mittheilungen aus dem Indischen gehören, weuni
1) Inttit. ling. Praer. p. 489.
407
ich sie richtig betrachte , einer früheren Zeit als die Per*
eischen. Es ist dabei das Zeugniss Hiuan Thsaug's nicht
zu übersehen , dass zu seiner Zeit in diesem Lande den
Indischen ähnliche Schriftzüge herrschten, die Sprache aber
eiwas verschieden war. Wurde, wie hieraus erhellt, die
Sirache damals mit Indischer Schrift geschrieben, mochte
aich auf sie Indischer Einfluss statt finden und mehr soll
wchl die Nachricht d^s Chinesischen Pilgers nicht besagen.
Es ist höchst wahrscheinlich, dass der Islam nachher man-
ch« Indische Element verdrängt hat, alle Benennungen^
•dieauf das Heideuthum Bezug halten, musstcn au.«getricben
werden, üass ich das Zeugniss des Chinesen auf das
Braiuiki beziehe, wird dadurch gerechtfertigt, dass wir
sonst keine Sprache kennen, auf welche es gehen könnte.
Durch den fortwährenden Verkehr mit Indien sind ohne
Zweifel noch in neuern Zeiten Indische Wörter nach Ba-
luk'istän gewandert; diese brauchen hier nicht weiter be-
sondersverfolgt zu werden; es sind äussere Zuthateu, wie
die Persischen.
Auch das Indische hat, so wenig als das Persische,
die Grammatik des Brahuiki verdrängt oder umgemodelt *J;
*) Jamks Pbi.vskp hat in einer Note zu Leech's .Mittheilung die Be-
Iiauplun;; aufgestellt, As. Journ. of B. VII, p. 5S9. , Anss die
Casus -E.iduogea im Br. deutlich näher zu den ^aiiskritischeo
stimineD, als die iu den neueren Indischen Mundarten. Er hat
aber dabei nicht gehörig unterschieden, was im Sanskrit allge-
meines Zeichen eines Casus und was nur besonderer Zusatz »der
eine eigenthuuiliche Aenderung einzelner Declinationen ist, und
ist dadurch getäuscht worden. Am scheinbarsten ist seine Ver->
gleichung des Br. Instrumentalis en'e mit Skt. ^/m; dieses ist aber
bekanntlich nur die besondere Form der Wörter auf a und ä die
allgemeine. Die Vergleichung des Genitivs Skt. nah mit ßr. nä
giebc dem 8kt. ein unwesentliches n uod weoo der Ablativ der
Wörter auf a im Skt. in an übergehen kann, so hat diese, nur
unter besondern Umständen erscheinende Form UiUiiö^ln-h dem Br.
das an geben können. Dieselben £iawürfe lassen sich gegen dl«
übrigen Vergleichungen erheben.
408
auch bleibt der Sprache ein Stamm ursprünglich einheimK
scher Wörter, der ihre eigentliche Grundlage bildet. Aus
beiden Elementen , der Form und dem Material, welche
dem Brahuiki eigenthümlich sind, können wir allein hoffei,
dieser Sprache eine Stelle im linguistischen Systeme Asieis
zu entdecken.
Bei einer genaueren Betrachtung des grammatischen
Baues des Brahuiki dringt sich von selbst die Wahrnth-
mung auf, dass eine allgemeine innere Aehnlichkcit mit Jen
Dekhanischen Sprachen sich zu erkennen giebt; so der Rech-
thum an Casus-Endungen, die im Singular und Plural gbich*
sind, und die negative Form des Verburas. Es bieten sich
weiter einige specielle Aehnlichkeiten in solchen Werten
dar, welche zu den ursprünglichsten Bestandtheilen der
Sprachen gehören, wie die Zahlwörter und Pronomina.
Ich stelle zuerst diese Vergleichung an^ um mir die Be-
rechtigung zu begründen, in dieser Richtung genauere Un-
tersuchungen anzustellen.
Die vollständigen Formen der allein noch erhaltenen
Benennungen der drei ersten Zahlen im Br. ergeben sich
als diese: asit, ein, iVa/, zwei, müsit^ drei. Die Ordinal-
zahl für zwei lautet elo neben irätmiko und zeigt den Wechsel
von r und /. Die entsprechenden Wörter der drei wich-
tigsten Dekhanischen Sprachen *), des Telingu^ des Karn'ut'a
und des Tamil, sind die folgenden:
l. Tel. on'ä'u^) Karn, on'd'u^) Tara. onru.
8. »» r^n'ä'uy » Sraäu,\ «i iranJu, ]
» iru, \
3, n mud u, » tnuru, n muttru.
>) Ich liesitse auch nur für diese ausreichende HUlfsmittel.
») Ausserdem on'l'i; andere Formen sind oka, ukat'i. Ilen'duy £wei,
iantet in Masc. und Fem. iddaru, tniiä'u wird muggulu.
t) in iM'cKBRKKLi/a gravimar steht p. li)7. ondii. Da d' und d nur
durch ein oft undeutlich werdendes kritisches Zeichen sich unter-
Mchciden, habe ich nach der AuHlugie der übrigen (f gesetzt.
409
Um die Verwandtschaft dieser Wörter zu erkennen,
mnss man sich erinnern, dass das cerebrale ä oft mit r,
dem es in der Aussprache gleicht , verwechselt wird, und
dass r und s im Brahuiki leicht in einander übergehen, wie
in mar und mas ; Einschiebsel von Nasalen in Wurzeln
sind häufig; beseitigen wir diese uud stellen das r in den
Dekhanischen Formen her^ ergeben sich diese Stämme:
or j ir oder «r, mürf für das Br. as, ir , tniis. Die Ablei-
tungs-Affixe im Br. sind von den Dekhanischen verschieden.
Die Pronomina der ersten und zweiten Person sind in
den Dekhanischen Sprachen diese: Tel. nenn, ich, nann,
mich, nä, meiner, der Plur. hat ein anderes Thema: mPmu,
u. s. w. Karo: nknu, ich, nannu^ mich, nanna, meiner,
nkvu, wir, u. s. w. Tam. wä«, ich, nkng-kul, wir. Das
Br. hat dieses Thema für den Plur. nan^ uank^ u. s. w.
Du lautet im Tel. nicu, Acc. ninu^ Gen. m. PI. miru. Karn.
ninu, du, nintta, dich^ deiner, nicu, ihr. Tam. m, nij j du,
ning-kal, ihr. Also n zum Thema, wie das Br.
Da diese hier angeführten Ueberelnstimmungen nicht
zufallig seyn können, wird es der Alühe werth seyn, eine
genauere Vergleichung des Brahuiki mit den Dekhanischen
Sprachen anzustellen, um den Grad der Verwandtschaft
schärfer zu bestimmen. Es ist klar, dass wenn diese Ver-
wandtschaft sich herausstellen sollte, die Brahui eine eisfen-
thümliche Stellung in der Indischen Ethnographie einneh-
men und nicht wenig dazu beitragen werdeoj uns die ur-
sprünghchen Völker-Verhältnisse Indiens aufzuhellen.
(Schluss im nächsten Baude.)
C. L.
410
XVI.
lieber die (Salio- Spraclie in Aetliiopien*
Man weiss aus Tagesblättern, dass die beiden Brüder
iVAbbndie auf königlich französische Kosten als Gelehrte
eine längere Reise nach Habesch unternahmen, zunächst
für Zwecke, welche von der Wissenschaft weitab liegen
und deren Beurtheilung wir solchen Blättern überlassen
müssen , die sich rein mit Religion und Politik befassen.
Indessen hat einer der Brüder vor kurzem einige Ergeb-
nisse seiner Sprachuntersuchungen bekannt gemacht')^
welche etwas näher zu betrachten ganz zu den Zwecken
dieser Zeitschrift gehört.
Hr. d'Abbadie giebt zuerst eine Uebersicht über die
„Aethiopischen Sprachen", deren er nicht weniger als 28
aufzählt, die Mundarten nicht einmal eingerechnet, so dass
man glauben sollte, Africa sey ein zweites Amerika, des-
sen Sprachen -Unzahl sprichwörtlich geworden ist. Der
gelehrte Mann begnügt sich aber nicht mit dem blossen
Aufzählen von Sprachen, deren grösstcr Theil uns Nicht-
reisenden sogar dem Namen nach kaum bekannt ist, er
thcilt sie auch in bestimmte Arten ein, und unterscheidet
sie auf folgende Weise:
A. Semitische Sprachen: dahin gehöre nichts als
1. das Gee%, die bekannte äthiopische Büchersprache,
welche man gewöhnlich schlechthin das Aethiopische nennt
und welche noch jetzt in Dörfern bei Sarawe gesprochen
werden soll. — B. Vorattsselzlich semitische Sprachen (wir
wissen nicht, was der Vf. sich unter dieser Bezeichnung
1} Im Joura. Asiatique von 1843. JulUet-Aoüt S. 10» — 118.
411
gedacht hat): 2. Sprache Tögr-jana mit 4 Mundarten;
3. Sprache Tögray, mit der Mundart von Harkiko am ro-
then 3Ieere und von Habab. Unter diesen beiden Namen
wird der \'f. wohl dieselbe Sprache meinen, die man sonst
T/<jfr<''- Sprache nannte, nur in weiterer östlicher Ausdeh-
nung bis zum rothen Meere hin ; fseuberg nimmt in seinem
Dictionary of the Amharic language (London 1841 ) oft
Rücksicht auf einzelne Wörter aus ihr, die denn nicht sel-
ten mit den äthiopischen übereinstimmen. — C. Unter-Semiti-'
»che Sprachen, d i. wie der Verfasser sagt, solche, welche
viel eigenthümiiches , aber auch vieles mit dem Aethiopi-
schen und Arabischen «rcmein haben. Dahin ffehören :
4. das Amharna , mit den Alundarten von Gondar, Go-
dscham, Schoa und Lasta; man nannte dies sonst das Am-
' harische; 5. Sprache von Gurage im Südwesten, in der
Nähe von jener gesprochen; 6. Sprache Adari in Harar;
1, Sprache von Gafat, in Theilen von Damot und Go-
dscham (also westlich vom Tzana-See) gesprochen ; 8. das
Ilinorma, die Sprache der Gallas, in zwei Mundarten; 9.
Sprache A^far jäc, jq zwei Mundarten von Tudschurra und
Zulla am Meerbusen von Aden an bis unter die Azabo-
Gallas nördlich davon; 10. Sprache Saho (wovon unten
mehr3 in zwei Mundarten, der vorigen nahe verwandt;
10. Sprache der Ss6ma.l J^^o in zwei Mundarten^ an der
bekannten Küste im entferntesten Osten. — D. Sprach-
slamm Chamiögna, mit 3 Sprachen, von denen aber der
Vf. nicht das geringste Zeichen mittheilt. — E. Sprachen
unbekannter Verwandtschaft, wohin der Vf. nicht weniger
als 14 rechnet, deren leere Namen hier aufzuzählen
schwerlich von Nutzen wäre; wir bemerken daher nur,
dass der Vf. auch die Sprache der Falascha (von denen
unter Europäern schon so vieles sonderbare vermuthet ist)
und die der Christen des bis jetzt ganz unbekannten Rei-
ches Gomara oder Kaffa tief im Süden dahin rechnet.
413
Wir können nun nichts mehr wünschen, als dass der
Vf. die Vorräthe von Wörtern, Sprüchen^ Sagen und
Volksliedern, welche er zur Kenntniss so vieler Sprachen
gesammelt hat, sobald als möglich vollständig bekannt
mache. Was aber die obige Eintheilung und darin enthal-
tene wissenschaftliche Beurtheihing so vieler Sprachen
betrifft, so kann es dem Vf. wohl nicht schaden^ wenn er
noch zur rechten Zeit auf die Unsicherheit seiner Ansich-
ten und Meinungen aufmerksam gemacht wird. Welches
Recht haben wir, blos die äthiopische Büchersprache für
semitisch anzusehen? was sind denn voraitssetzlich semi-
tische Sprachen, sobald man (yv'\^ doch der Verfasser sich
dessen rühmt) Mittel sie zu untersuchen besitzt? was sind
Unter - semitische Sprachen, wenn es nicht etwa so viel
heissen soll als gemischte^ uad wenn man ihre Mischung
nicht nachweist? und während der Vf. dahin solche Spra-
chen rechnet, welche ihrer Wurzel nach unstreitig semi-
tisch sind, wie das Amharische^ welches wir ja näher ken-
nen und die Sprache des tief im Südosten liegenden Rei-
ches Harari), wirft er auch solche Sprachen wie die der
Gallas in dieselbe Reihe, welche, wenn sie eine mit Recht
so zu nennende semitische Wurzel haben^ doch jedenfalls
soweit von den andern abstehen, dass kein Sprachkenner
sie z. B. mit dem Amharischen unter denselben Begriff
bringen wird.
Indessen hat Hr. d'Abbadie eine der 28 Sprachen an
derselben Stelle etwas weiter beschrieben : und es ist aller-
dings der Mühe werth, dabei länger zu verweilen. Dies
ist die Sprache des V^olkes ISaho, welches nicht weit
1) Engländer, und nach ihnen Hr. Berghaus auf seinen Karton,
schreiben auch Hurrus; dass die Sprache dieses Landes wurzcl-
hafl semitisch sey, schliesse ich aus den freilich nur wenif^en
Bruchstücken davon, welche im CoilviXschQQ. Auslande 1840 Marx
S. 303 gegeben sind.
413
von Mo^avra (cy^jt^ gewöhnlich Jfcwffora, am rothen Meere)
in zerstreuten Stämmen lebt, ein von Anfang an kriegeri-
sches Volk , welches sich rühmt in 13 Geschlechtern von
seinem auf hohem Gebirge wohneudeu Urvater Aa'saor
^^M*ji| dem Sohue einer Löwin abzustammen. Der Name
Saho ist aus der Tigre-Sprache, und bildet im Plural «SSe^o.*
das Volk ist also gewiss dasselbe , welches andere Rei-
sende Shiho nennen und mit Gallas und Danägil's zusam-
menfassen 0.
Wohin man diese Sprache rechnen solle, ist Hrn.
d'Abbadie zweifelhaft; er bemerkt^ ihre Laute seyen den
semitischen ähnlich^ besonders habe sie das bekannte Merk-
mal solcher, ein y; aber darin^ sagt er Aveiter, gleiche sie
mehr den Indo-Germanischen Sprachen^ dass sie vom No-
men oft das Verbum ableite, wie bolile (er fiel in den Ab-
grund) von bol, Abgrund, robile (es regnete), von rob,
Regen '^). Ein solches Urtheil verräth aber nur, dass man
nie über Sprachen gehörig nachdachte; schwerlich wird es
irgend eine Sprache oder einen Sprach.stamm geben, der
sich an einem solchen Merkmale unterscheiden Hesse, weil
jede Sprache aufs leichteste vom Nomen ein Verbum und
umgekehrt bilden kann, wie es gerade der Sinn verlangt;
vielmehr hätte uns der Verfasser genau sagen sollen, was
bolile und, robile für Bildungen innerhalb dieser besondern
Sprache seyen, welches man aus seinen Mittheiluugen nicht
ersieht. Auch was er weiter in gleichem Sinne vorbringt,
dass diese Sprache wenige dreilautige Wurzeln habe und
1) S. das Ausland ebend. Man sollte hier vor allem nicht über-
sehen , duss die äthiopische Literatur selbst Verzeichnisse von
Wörtern verschiedener Landes-Mumlarten besitzt, wie ich oben
S. 190 f. gezeigt habe: Ur. d'Abbadie scheint aber solche Quellen
nicht zu kennen.
2) Wie rob als Regen dem c'Z'2"^ deutlich entspricht, so kann man
bol mit ^-2,1 und '«jr^ (fallen) zusammenstellen.
414
damit des bekannten Merkmals einer semitischen entbehre,
könnte nicht durch die paar Beispiele, welche er abgeris-
sen anführt, sondern nur durch umfassende Darlegung be-
wiesen werden. — Vollständig giebt nun der Verfasser die
Bildung eines gewöhnlichen Verbum, bete (essen i)), und
eines sogenannten unregehnässigen, des Verbums für den
Begriff seyn. Jenes lautet nach ihm so:
Gegenwärtiy :
nanu bennolinu, wir essen
atin hettona litin, ihr
usun betona lon^ sie
anu betoliu^ ich esse
atu betlolitu^ du . ...
usuk betole, er ... .
ishe bettole, sie ....
Hiezu giobt Hr. d'Abbadie nicht die geringste Bemerkung.
Nun leuchtet aber zunächst am leichtesten ein, dass die
voraufgestellten Fürwörter vollkommen semitisch sind so-
wohl an Wurzel als an Bildung; das einzige tisuk, welches
auffallen könnte, erklärt sich hinreichend, wenn man be-
denkt dass sin eigentlich hue oder hud gelautet haben
muss , dies aber auf ein früheres hula oder hutu zurück-
wcistj dem usti nahe genug steht; ein k aber konnte ihm
ebenso noch angehängt werden, wie ein -tu dem äthiopischen
vee-tu^)y und die Bildung des weiblichen ishe daraus ist
vollkommen semitisch. Die Verbalpersonen selbst aber ge-
ben sich in jener Bildung beim näheren Betrachten als
durchgängige Zusammensetzung kund aus z\wft Wörtern,
deren jedes schon au sich eine volle V^erbalperson ist ; wir
haben vorn ein beto, betto, beiOj betto; benno Cotfenbar aus betno
1) Dies bete mag maa immerbia mit dem sonst durcb alle semitischea
sjprachün geiieudea j;'^^ zusawmcastellen , weiciies dasselbe be-
deutet.
8) Wir verstehen nun auch vollkommen, wie im Ncu-Uimjarischen
nach Fresntl im Journ. as. 1838. T. 6. p. 83. das (ji als siufQx
der dritten Person mö;^lich ist, ohne dass wir deswegen nöthig
hätten, es etwa vom Meupersischea abzuleiten.
415
erweicht), betton, heton, Jiinlen dagegen^ nar io der weib-
lichea dritten Person mangelhaft, ein aliu, alitu, ale, alinu,
alitin, ahn: jenes ist schon eine vollkommene semitische
Verbalbildung durch alle Personen, indem das / der zwei-
ten Person sich in der Einzahl und Mehrzahl mit dem /
der Wurzel vereinigt hat, ebenso aber auch ein / als Rest
der weiblichen dritten Person erscheint; dieses ist eine
nicht weniger klare Verbalbildung, wo in der ersten Person
der Einzahl das -t/ wahrscheinlich aus dem äthiop. -ku
geblieben ist. Da nun das äthiop. halö und amhar. ala ^
soviel als seyn bedeutet und dazu recht eigentlich den
africanischcn Zweig des Semitischen unterscheidet, so kön-
nen wir nicht zweifeln, dass jene gegenwärtige Zeit durch
Zusammensetzung des einfachen Verbum mit dem des
Seyns gebildet ist, welches ähnlich in vielen Sprachen
wiederkehrt; während Hr. d'Abbadie schon durch die
Schreibarten bettona litin, betona Ion genug zeigt, dass er
an alles dies nicht gedacht habe.
Vergangen :
bete, ich ass
bette,
bete,
bette,
du
er
sie
Zukünftig :
beta, ich werde essen
betta, du
beta, er
Befehlend:
bet,
beto,
betto,
benno,
beta.
ISS
er esse
sie esse
essen wir
esset
betona, essen sie
betta, sie ......
benne, wir . . . benna, wir .....
betten, ihr . . . bettan, ihr
beten, sie . . . betan, sie
Die Bildung der Verbalpersonen an sich ist schon aus
Obigem deutlich. Aber höchst merkwürdig ist , dass die
Zeilbildung, welche, wie man nach semitischer Weise zu-
nächst erwartet, das Vergangene bedeutet, durch den
blossen Wechsel eines schliessenden a mit e auch die Zu-
kunft aussagt: ich gestehe iudess , dass mir dies nur so
1) S. Isenberg's amharic grammarr p. 64j vgl. auch eine ähnliclie
Zettbildung p. 66.
41«
vorkommt, als wenn das hebräische Perf, conaeq, n-in^ii«
welches bekanntlich den Ton nach hinten zieht, aber so
die Zukunft bezeichnen kann, nun auch einmal ohne Vav
ganz rein als selbständige Zeitbildung aufträte. Nun aber
ist das Hebräische die einzige semitische Sprache, welche
in dieser Seltsamkeit dem Saho begegnet, und aus deren
Zustande sich die Bildung dieses erklärt; aus andern se-
mitischen Sprachen heraus hätte sich etwas dieser Art nie
bilden können; wir können also hienach ermessen, in wel-
cher ungemein frühen Zeit das Saho sich vom gemeinsa-
men Stamme getrennt haben muss. — Dass sodann nach
solchen Vorgängen sich ähnhch ein Imperativ bildete der
nun ebenso vollständig werden konnte^ wie im Indo-Ger-
manischen, ist nicht unerwartet; eine Mischung des Saho
mit dem Indo-Germanischen würde aber nur ein Unbeson-
nener daraus beweisen wollen. — Auch ein Subjunctiv
^oder wie Hr. d'Abbadie es nennt verhe ä Vetat construif)
hat sich nun daraus hervorgebildet vermittelst eines hinten
antretenden -m, gewiss ursprünglich eines Wörtchens, wel-
ches etwa unserm dass entsprach und wobei nur seine
Anhängung besonders merkwürdig ist: betam, hettam, betanij
bettatn; bennam, bettanam, betonanij z. B. anu betam fada^
ich wünsche zu essen. Mit dem, was man im Acthiopischen und
Amharischen etwa ähnlich genannt hat, hat diess (anders
als d'Abbadie wenigstens von letzterem behauptet) an
Begriff und Art nichts gemein; vielmehr entspricht ihm der
Subjunctiv im Aethiopischen.
Scheint es nun hiernach, als hätte das Saho das se-
mitische Imperfectum ganz aufgeben können, weil es dessen
Bedeutungen auf andere Weise ergänzt: so sehen wir
doch eben diese den Semiten so ganz eigenthümliche Zeit-
bildung in andern Fällen noch in voller Klarheit beibehalten,
und es wird dadurch aufs neue sicher^ dass diese seltsame
Sprache eine rein semitische Wurzel hat. Einmal nämlich
417
findet sich noch eine von d'Abbadie die wirklich gegen-
wärtige genannte Zeit, deren Bedeutun«:; wie sie sicli von
jener zuerst gesetzten Gegenwart unterscheide, wir nicht
erfahren. Sie lautet: betak arte, ich bin essend, bettak tane^
beta Jane, beta {betta?) taue; bennan nane , bettan /anön,
beta janön. Das je erste Glied ist also wie oben, nur dass
in der ersten und zweiten Person ein k sich anhängt, welches
wir aus dem Aethiopischen begreifen; das je zweite Glied
ist aber ein vollkommen semitisches Imperfeciumy von einer
Wurzel an, welch mit dem oben im Perf. vorgekommenen
al (seyn) wohl einerlei seyn mag. Zweitens kommt uns
nun das oben erwähnte sogenannte unregelmässige Verbum
zu Hülfe, welches so lautet:
Gegenwärtig :
Verg
angen :
Zukunft:
kio
ich bin
ekke
ich war
akke ich werde seyn
kito
du . .
tekke
du . .
takke du
keni
er . .
jekke
er . .
jakke er
—
sie . .
tekke
sie . .
takke sie
kino
wir . .
nekke
wir . .
nakke wir
kitin
ihr . .
tekkin
ihr . .
takkin ihr
kinun
sie . .
jekkin
sie . .
jakkin sie
Hier haben wir unverkennbar die auch im Aethiopischen
gebräuchliche Wurzel q^^, deren schliessendes n sich freilich
nur noch in der dritten Person Perfecli keni und kinun
erhalten hat : doch hat ja das Saho hier nur fast die ganze
Bahn zurückgelegt, welche auch das Arabische durch das
dichterische »^ für ^, schon betritt. Aber wie das in
einer einzelnen Sprache zerstreut und daher scheinbar ge-
setzlos dastehende meist ehrwürdiger Rest früherer Bil-
dung ist, so sehen wir hier nun wirklich noch das Iraper-
fcctum in seiner ganzen Bedeutung, und zwar gerade so
wie im Hebräischen, und in diesem fast allein »), nämlich mit
1) lo gewisser Hinaicht gehört auch das arab. jj^ ^IJ dahin.
V. 27
418
dem Wechsel von e-a (der nach Obigem auch im Perf.
wiederkehrt) in der kürzern Aussprache ekke als Iniperf.
praeteriti; in der längern akke als Zukunft; nur dass im
Hehr, jener gewöhnlich (doch nicht immer) mit dem Vav
consequ. steht,. iai<»i ID«».
Ausserdem gibt d'Abbadie nur noch folgendes Verbum
in der Bedeutung »ich war« eigentlich "ich wartete«: am-
hale.j ambrtlte, ambale, amhalte ; ambalne, amballen, ambalenß
es konMut in der Personbildung mit den obigen überein.
Das Causal - Verbum bildet sich im Saho beständig
durch ein angehängtes -ösh. Die Anhängung statt der
Vorsetzung ist in diesem Falle allerdings nicht weiter auf
semitischem Gebiete üblich r allein etwas wesentliches liegt
doch in diesem Unterschiede nicht; und was den Laut be-
trifft, so bildet nicht nur das Amharische das Causal-Verbum
sowohl durch as- als durch a- *) , sondern der so häufige
zehnte Verbalstamm im Arabischen auf isf- kann, wie ich
schon 1830 in der arabischen Grammatik zeigte, nichts seyn
als das Reflexivum des Causale. Wir werden daher die
Causalbildung auf -as (welches ja zerstreuter auch im
Aramäischen und Hebräischen wiederkehrt) vielmehr über-
haupt für die ursprüngliche, die auf -a für die gemilderte
halten müssen.
Ueher das Nomen sind die Mittheilungen d'Abbadie's
zu abgerissen und verwirrt, als dass ich^ da mir zu wenig
sicherer Stoff vorliegt, hier viel darüber sagen könnte. Er
meint, das Saho habe darin etwas sehr besonderes, dass
es ein Ausrufwörtchen , wie 6 zur Bildung des X'ocativs
dem Nomen anhänge, statt es ihm vorzusetzen: allein dies
ist gar nichts so sehr cigeuthümliches, da es sich nicht
mir auch in andern semitischen Sprachen findet, sondern
1) 8. I.sENiiKHa's aniharic dictiuuar^ p. 63, asbalä und abala von
bald.
selbst im Indo-gerraanischeii; wie ich in mündlichen Vor-»
trägen den Sanskrit- Vocativ (wenigstens in manchen der
Fälle, wo er vom Nominativ abweicht) nie ohne diese An-
nahme habe erklären können. Man mag also hieraus aufs
neue erkeimen, wie unwesentlich in gewisser Hinsicht die
Anhängung oder Vorsel^ung von Bildungs- Wörtchen istj
sobald es sich vom Unterschiede ganzer Sprachen und
Sprachstämme handelt. — Wichtiger ist, dass er eine Art
Status conslnicttis , wie ihn Ludolf im Aethiopischen be-
schrieben habe, im Saho zu finden glaubt. Allein die
Fälle, welche er anführt, sind vielmehr von sehr verschie-
dener Art. Einmal meint er, ein i am Ende des Nomen
bezeichne den status consfntctus: nun sind zwar die Fälle
dieses angehängten i, welche ich aus seinem Aufsatze zir-
sammenlese, schwer initer ein Gesetz zu bringen ; denn in
den meisten Beispielen scheint dies i das Subject des Satzes
(einen Nominativ, etwa im Gegensalze zu einem a des
Accusativs) zu bedeuten, hjkwti d. i. der Mann von hjkwto i),
re%anti d. i. der Anführer von rezanto"), jeli jalige (Gott
weiss) von jalla Gott 3), andere aber lassen sich so nicht
fassen, wie alt saratti ([die Antilope der Höhe) von ala
^ d. i. Höhe; allein zu einem status constructus, wie er
im Aethiopischen ist, führt doch dies alles so wenig, dass
1) "'•n cig. Lebend, wie dasselbe Wort im Aethiop. so allgemeio
Menschen bedeuten kann.
Ä) Es wäre schön, wenn wir bierin das seltene hebr. r^^^ wieder-
fioden könnten; ich wüsste wenigstens für jetzt nichts gegen diese
Annahme.
d> Da dies offenbar mit *I! zusammenhängt, so bestätigt das Saho
den Satz (dessen Wichtiü;keit ich neulich anderswo weiter aus-
einandergesetzt habe)^ dass ursprünglich alle semitischen Sprachen
ohne Ausnahme f1eDseIb«n Namen fQr Gott hatten ; nach dem
Aethiop. und Ainhar. könnte man daranzweifeln, aber die Wörter
effzie und amläh können, eben weil sie eigentlich nur Herr be-
deuten, ein ursprüngliches Wort flr Oott verdrängt haben-
420
man gar nicht begreift, was Hr. d'Abbadie unter diesem
sich gedacht habe. Zweitens soll auch ein angehängtes /
den Status constructus bedeuten: auch das ist unrichtig;
vielmehr ergibt sich aus einer nähern Ansicht der zerstreuten
Fälle, dass diess a/, welches als ta vorgesetzt den Artikel
gibt, angehängt als Zeichen des Genitivs dient, in beiden
Anwendungen also dem äthiop. za und dem aram. n ent-
spricht, nur dass das Genitivzeichen in dieser Sprache (was
sehr merkwürdig, aber nach Obigem nicht auffallend ist)
äusscrlich ganz wie ein Casuszeichen im Indogermanischen
erscheint, wie in dem Sprichworte: sau-t af zudimam miva^
ala-t af betam miva d. i. des Weibes Mund hört nicht zu
reden, der Ziege Mund nicht zu fressen auf *). Wenn aber
d'Abbadie endlich gar meint, der status constructus bedeute
auch die Frage, wie kafi , d. i. heute? von kafa (heute,
ohne FVage): so hätte er besser gethan, über die Mög-
lichkeit, wie ein angehängtes i die Frage bedeuten könne^
zuvor weiter nachzudenken ; er würde dann gefunden ha-
ben, dass dies -i? etwa so viel bedeute, als das lat. -ne?
Dass die innere Pluralbildung '^), dieses Hauptmerkmal
des Arabischen und Acthiopischen im Gegensatze zum
Hebräischen und Aramäischen, dem Saho nicht fehle,
schliesse ich aus mehreren Erscheinungen; Hr. d'Abbadie
schweigt darüber. Wenn aber Wörter wie hjkwto die Ein-
1) af bedeutet wie im Acth. ii. Anihar. den Mund, mi ist die Ver-
neinung, wie im Amhar. weniu;$teu.s das nachgesut/.te -m, Isrn-
BERO'8 amharic. gr. p. 1.53.; über den Subjuuctiv betam ist oben
geredet.
2) So habe ich seil etwa 10 Jahren in mündlicher Rede immer das
genannt, was man sonst den pluralis fractus nennt; es ist eine
wirkliche Pluraibildung, aber im Gegensatze zu der altern äussern
eine Innere, welche vcrhältnissmassig jünger seyn muss: aus dem
ursprünglichen -an oder -am als Pluralendung hat sich nur das
ä erhalten, aber ist in das Wort selbst eingedrungen; diess ist
wenigstens die üauptbildung.
421
zahl Mensch und hjkic, als wäre dies eine wahre Pliiral-
bildang, Menschen bedeuten, so müssen wir darin vielmehr
die arabische Bildung der Vereijizelung (das sog. Nomen
tinitatis') erblicken.
Der Artikel ist wie gesagt ta. Wenn sich nun das
bezügliche Fürwort und Adjecliv durch die Endung -tia
bildet, wie betatia, d. i. wer isset, so begreifen wir nicht
nur, wie dies Fürwort im Amharischenya lauten kann (aber
* dass nur keiner deswegen das Amharische aus dem Sanskrit
ableite!) sondern auch wie die Endung \J~ ) arara. -ai für
die bezüglicheu Adjectiva entstanden seyn rauss.
Ueberblickcn wir noch einmal das Ganze, so werden
wir nicht zweifeln, hier eine wurzelhaft semitische Sprache
zu finden. Aber diese Sprache ist, obwohl jetzt zuerst
bekannt werdend, eine in vieler Hinsicht höchst merk-
würdige. Konnte man bisher vermuthen, das Aethiopische
stelle etwa mit dem Amharischen^ als seinem neuem Zweige,
den ganzen Umfang des Semitischen in Africa dar^ so
lernen wir nun, dass es in Africa selbst höchst verschie-
dene Zweige des Semitischen giebt, welche sich schon iu
einer für uns bis jetzt uuermesslichen Urzeit getrennt haben
müssen ; man bedenke doch, welche Zeit es gewesen seyn
muss, als das Semitische noch seine dritte Verbalperson
der Mehrzahl auch im Perfectura auf -ün ausgehen liess,
welche dem Ursprünge völlig entsprechende Aussprache
das Saho erhalten hat, während sie in allen andern, uns
bis fetzt bekaimten Semitischen Zweigen verloren gegan-
gen ist ^). Eine so grosse Trennung der Sprachen setzt
aber auch immer eine entsprechende der Völker voraus:
1) Im Aethiop. und Amhar. isl daa -n sogar im Imperfectum überall
verloren, so dass es auch deswegen den Unterschied des selb-
ständigen und unselbständigen Modus auf eine neue Art durch
inneren Yocalwechsel oder bestimmter durch das Eindringen eines
neuen Yocals in den Stamm tu bilden gewöhnt ist.
4M9
welche ^anz neue Ansichten ergeben sich also aus dem
Daseyn einer solchen Sprache in Africa für die Urgeschichten
der semitischen V^ölker und Sprachen!
Für die genauere Erkenntnis« ferner jedes grössern
Sprachstammes und aller besoudern zu ihni gehörigen Spra-
chen, gewährt eine solche in den frühesten uns unbekannten
Urzeiten losgetrennte Sprache den Nutzen, dass wir durch
sie und ihre \^ergleichung auf überraschende Weise den
Zustand und die Fähigkeiten der Ursprachen wieder näher
erkennen und dadurch auch in den übrigen Sprachen manches
viel sicherer verstehen. Hiezu dürfen wir nicht zögern,
auch solche Sprachen näher anzusehen, die bis jetzt völlig
im Dunkeln blieben und welche nie schriftlich geworden
sind; ja wir möchten behaupten, dass die bedeutendsten
Fortschritte, welche künftig die wissenschaftliche Sprach-
kunde machen kann, gerade von solchen bis dahin unbe-
achteten Seiten des grossen Gegeiistandes ausgehen müssen.
«' Es ist der Vorzug höherer Sprachenkunde, dass sie
Äüf ihrem weiten Gebiete, worin bis jetzt weniges sicher
bekannt und noch wenigeres wissenschaftlich erkannt ist^
jede Sprache, die sie wirklich näher begreift, in ihren
volksthümlichen Zusammenhang zurück weist und zugleich
aus ihr selbst geschichtlicii erläutert, ob sie sich früher
öder später von diesem getrennt habe. Der rechte Weg,
so zuletzt alle Sprachen der Erde sicher zu übersehen
und zu ordnen, ist jetzt möglich, nachdem die W^issenschaft
die rechte Art, die Sprache zu betrachten, wenigstens im
Allgemeinen gefunden hat: und wenn der Mensch alle
Pflanzen und die kleinsten Thicre der Erde in eine wissen-
schaftliche Uebersicht zu bringen längst angefangen hat,
so sollte er doch wohl auch seine eignen Geschlechter für
einer solchen Mühe werlh halten; auch ist damit gegen-
wärtig desto mehr zu eilen, je schneller jetzt vor der Aus-
breitung der Europäer kleinere Völker und Sprachen, welche
eben der Wissenschaft die wichtigsten seyn können, für
nimer zu verschwinden drohen.
423
Dass zn diesem Zwecke die Missionarieii (zu dereo
Zahl auch Hr. d'Abbadie gehört) die besten Dienste leisten
können, habe ich in den letzten Jahren oft geäussert; und
ich erkenne dankbar alles , was sie bei dem neuen Eifer,
welcher üi jüngster Zeit in das Missionswesen gekommen
ist, schon gethan haben. Aber zweierlei sollten diese Ar-
beiter nie vergessen: einmal nicht sich selbst, durch die
wechselseitige Eifersucht unter einander, weil der eine in
Diensten Rora's ist und der andere in denen Englands; und
leider zeigt auch Hrn. d'Abbadie's Beispiel , dass hier die
bei weitem grössere Schuld auf Seiten der römischen Send-
linge ruhet. Wer sein Höchstes darin setzt, dem jetzigen
Rom zu dienen^ der hat den besten Theil seines Geistes
schon anderweitig verschenkt: und was wird der übrige
dem Christenthume und der Wissenschaft viel nützen!
Zweitens sollten sie die Wissenschaft nie vergessen, wie
sie sich unter uns ausgebildet hat und fortwährend aus-
bildet; die Sprach-Wissenschaft dient nicht bloss durch das,
was sie bereits enthält , sondern auch durch die Richtung,
die sie dem Geiste gibt, bei einem noch unbe^Pluten Ge-
genstände sogleich nach den wahren Kennzeichen und Un-
terscheidungen zu fragen; sowie der Pflanzenkundige wohl
weiss, worauf er bei einer neuen Pflanze besonders zu
sehen und wie er sie wissenschaftlich eben so kurz als
sicher zu beschreiben habe. AVäre Hr. d'Abbadie mit einer
vollkomranern Kenntniss dessen, was Semitisch ist, zu der
so merkwürdigen Saho-Sprache gekommen: so würde er
sie nicht bloss richtiger aufgefasst, sondern auch deutlicher
und sicherer beschrieben haben. Indess danken wir ihm
auch so für das was er bringt.
Hat doch gerade im Gebiete der äthiopischen Sprachen
schon vor anderthalb Jahrhunderten Lüdolf den Europäern
aller Art und Farbe das beste Beispiel gegeben, wie ein
Gelehrter würdig wirken kann. Er, ein evangelischer Staats-
mann, aber nichts weniger als ein Secten-Christ, unternahm
424
seine grossen äthiopischen Arbeiten alle in der Hoffhnng^
durch sie zur baldigen Wiederbelebung eines ganz erstor-
benen christlichen Volkes zu wirken: diese menschliche
Hoffnung täuschte ihn, das äthiopische Volk ist noch jetzt
nicht viel aus seinem Schlafe erweckt, und lange Zeiten
vergingen, ehe auch nur die Europäer seine Werke in dem
Sinne benutzten, der seinem Wunsche entsprochen hätte.
Aber nun sehe man, welche ungemeine Veränderung hierin
seit den letzten zehn Jahren eingetreten ist^ wie Franzosen
und Nichtfranzosen , Evangelische und Römische an den
Ufern des rothen Meeres sich glücklich schätzen, eines der
Werke Ludolf's besitzen und lesen zu können: und man
wird erkennen^ dass eine wahre Mühe um eine grosse Sache
nie vergeblich angewandt seyn kann.
Ich benutze diese Gelegenheit, den Freunden der
äthiopischen Literatur die Nachricht zu geben, dass eine
Sammlung neuer äthiopischer Handschriften, etwa eben
so stark , wie die oben Seite 164 — 201 näher von mir
beschriebene, durch Herrn Krapf's preiswürdige Bemü-
hungen iH Ort und Stelle erworben, hier in Tübingen
nächstens erwartet wird. Hr. Krapf ist im letzten Jahre
(wie es heisst) in Folge französischer Umtriebe plötzlich
aus dem Königreiche Shoa gewaltsam verbannt, ist dann
in den Wüsten geplündert und mit genauer Noth dem Tode
entronnen, hat aber dennoch wieder das Reich Tigre besucht
und dort die neuen Handschriften erworben. Jetzt aus
allen äthiopischen Reichen ausgeschlossen, wird er (so ist
wenigstens sein bewundernswerther Eiitschluss) im tiefen
Süden bis zum Aequator hin Roiche besuchen, von denen
wir kaum die Namen wissen und wo dennoch Uoberreste
eines alten Christenthums noch zu finden seyn sollen.
Im Februar 1844.
Ewald.
435
3LVII.
Von morgeiiläiidlscliep Spracheuverglel-
chimg in Deutschland;
mit Rücksicht auf das Buch :
Ueber das Verhältniss der ägyptischen Sprache zum semi-
tischen Sprachstamm. Von Theodor BENrBY. Leipzig:
F. A. Brockhaus. 1844. XVI. und 366 S. in 8.
Diese Zeitschrift, so wie sie ihrem Plane nach ent-
worfen und bis jetzt gleichmässig fortgesetzt ward, dem
reinen Zweck der Wissenschaft dienend, ist ihrem Wesen
nach allen Streitigkeiten fremd und muss gelehrte Zänke-
reien, sofern die deutsche Lcsewelt daran überhaupt noch
Vergnügen findet, solchen Zeitblältern überlassen^ welche
sie drucken zu lassen für nützlich halten.
Allein es können Zeiten kommen, wo die AVissenschaft,
auch die harmloseste und eingezogenste, nothwendigaus ihrer
Ruhe hervortreten muss, will sie nicht durch Stillschweigen
mehr gefährden lassen, als sie vor ihrem eigenen Gewissen
verantworten kann. Wird eine Wissenschaft nicht etwa von
solchen, die sich nicht zu ihren Kennern und Ausübern rechnen,
sondern in ihrem eignen Lager von solchen verhöhnt und
thatsächlich schwer verletzt , welche sich ganz so stellen,
als gehörten sie zu ihr; so ist auch der ruhig der Kraft
der Wahrheit vertrauende Mann nicht zu gut, um sich
nicht so bald und so entschieden als möglich dem Einreissen
verderblicher Richtungen entgegeuzustemmen ; denn wer
je über die Möglichkeit des Bestehens eines menschlich
Guten nachgedacht hat, der wird finden, dass alles Gute
unter Menschen (und dahin rechnen wir auch jede echte
426
Wissenschaft) nur dadurch keimt, gedeihet und sich erhält,
dass die stets neu wuchernde Saat verderblicher Richtungen
stets noch stärker sogleich im Entstehen abgewehrt werde,
damit sie nicht gross geworden vielleicht für lange Zeit
jeden Fortschritt zum Bessern hemmen.
Nun sind zwar die morgenländischen Wissenschaften, wie
sie gegenwärtig in Deutschland getrieben werden können, von
der Art, dass die Männer, welche sie mit reiner Liebe und
mit ernstem Erfolge betreiben, an ihnen zugleich die beste
Schule des Lebens hai>en, und dass man hier entweder
ein tüchtiger oder gar kein des Namens würdiger Gelehrter
werden muss. Auf diesen unermesslichen Gebieten regt
sich allerdings seit etwa zwanzig Jahren ein neuer Geist
in Deutschland immer mächtiger, welcher mit einer Gründ-
lichkeit und iu einem Umfange, die beide frühcrhin unbe-
kannt waren, solche Stücke menschlichen Wissens ergreift,
welche doch irgendwo einmal ernster angcfasst werden
müssen; wir sind nun wenigstens einmal so weit, dass wir
begreifen können^ welche Art hier allein erspriesslich sey:
aber bei allen einzelnen Erkenntnissen, die nun gewonnen
sind, ist die Menge des noch wenig Erforschten oder ganz
Unbekannten hier so ungeheuer, dass schon deshalb diese
Studien, wenn sie wahre Früchte tragen sollen, zu den
schwierigsten gehören. Es kommen die vielen andern
grossen Schwierigkeiten hinzu, mit welchen diese Wissen-
schaften unter uns zu kämpfen haben, und die ich hier
nicht in der Kürze aufzählen kann ; schon dass in Deutsch-
land fast jede Anwendung dieser Studien im Volksleben
fehlt und der deutsche Geburts- und Geldadel ganz andere
edle Leidenschaften Hebt (z. B. wie wir eben in Baden er-
lebt haben, das sich Todtschiessen im trägen Frieden) als
die Leidenschaft, seinen Geist durch die heitre Strenge
der Wissenschaft zu läutern, liegt wie ein schweres Blei-
gewicht auf diesen Studien. Allein mögen sie noch so
schwierig seyn^ desto mehr können und müssen sie die
427
stärken , welche sich mit voller Seele ihnen ergeben ; wer
in ihnen etwas wahrhaft nützliches und dauerndes leisten
ivill, der mnss woh! (hätte er es sonst noch nicht orethan)
seinen Sinn von Neid, Hass und andern Krebsschädca der
Art reinigen; und entweder hier wird man ein wahrer und
durch nichts zu beugender Freund echter Wissenschaft odef
nirgends. Ja man glaubt wohl nicht umsonst, dass ebeu
dadurch diese jungfräulichen Wissenschaften für edlere
Geister einen ganz eigenihümlicheu Reiz haben , sowie
dass gerade in diesen weiten Gebieten alle wahrhaft aus
Liebe arbeitenden Gelehrten sich leicht gegenseitig erken-'
neu und schätzen müssen.
Aber leider muss man bereits eine sehr bedenkliche
Seite dieser Wissenschaften bezeichnen, die sich in den
letzten Jahren gebiWet hat und welche leicht noch weiter
um sich greifen könnte. Die Untersuchungen über die
letzten Gründe aller Sprachen und ihren Zusammenhang
im Grossen können nicht mehr vermieden werden: sie
drängen sich auf, sie dienen uns über manches ganz neue
Aufschlüsse zu geben, und einmal mit Macht unter uns
begouneuj müssen sie allmähiig sich vervollkoraranen oder
wieder in das Nichts zurücksinken, woraus sie empor-
tauchten. Man wird leicht ermessen, mit welchem Nach-
drucke ich dies gegen die behaupte, welche wegen ein-
zelner Missgriffe lieber an allen höhern Sprachuntersuchungen
verzweifeln, oder welche das Gebiet dieser Forschungen
gegen das Weseu der Sache in zu enge Grenzen ziehen,
z. B. vor den Wurzeln einer Sprache eine gespenstische
Furcht haben. Allein dies Feld ist schon an sich so dor-
nenvoll, da man bei jeder besondern Sprache die seltene
Geduld und Geschicklichkeit haben muss, zuvor wo nur
irgend möglich, alles Einzelne genau zu verstehen, ehe
»man über höheres, auch nur annäherungs^veise, eine richti-
gere Vorstellung sich bilden kann. Seitdem nun aber in
jDeutschland das Zauberwort «Vergleichende Grammatiku
428
erscholl, oder vielmehr seitdem mau dies Wort (obwohl
die Sache selbst der Sprachvergleichungen laugst vorhanden
gewesen war) für etwas Bedeutendes anzusehen anfing: ist
damit eine Büchse aufgethan, aus der die Wissenschaft
mit immer neuen Uebehi beschenkt zu werden fürchten
muss. Das "Vergleichen wird wie zu einer Handwerks-
arbeit; man untersucht nicht zuvor die beiden Sprachen
oder Sprachstämme, welche man dem Leser zum Besten
vergleichen will, jede für sich in allen auch den feinsten
Adern und Sehnen^ man lernt nicht jede Sprache erst aus
ihrer eigenen Literatur so vollständig als möglich, und
macht sie sich zu eigen, wie einen ebenso geliebten als
gefügigen Besitz, wie ein Heiligthum, das man sich theuer
erworben und daher nie wieder verliert oder gar miss-
braucht: man liest nur die gangbaren gedruckten Gram-
matiken und Lexica der einen oder der andern Sprache,
die man dem Leser verglichen auftischen will , nimmt hier
einen Fetzen und dort einen, wirft die zusammen und setzt
sie dem Leser vor — aber (weil man meist zugleich Auf-
sehen erregen will) nur nicht in bescheidener Stille, denn
wie würde dann das Werk sich selbst empfehlen? nein unter
Verhöhnung des fremden Werkes, aus dem man die paar
Fetzen genommen, unter Schreien und Lärmen am Alarkte,
ja mitten im V^ ersuche offenbarster Sinnverdrehung nicht nur
verständlicher, sondern auch ganz treffender und uolhwen-
diger Worte Anderer.
Die letzte Hälfte der hier entworfenen Schilderung
trifft freilich nicht alle Werke dieser Richtung; sie sind
zum Theil sehr harndos. Alle haben nur das miteinander
gemein, dass man jetzt, nachdem der Missbraiich, den sie
treiben, völlig au den Tag gekommen ist, nicht ernstlich
genug vor dem Übeln Beispiele warnen kann , welches sie
geben. Geht dieses \' ergleichen so fort^ so geht eben da-
mit auch alle gründhche Kenutniss morgenländischcr Spra-
chen und jeder wahre Fortschritt auf diesem Gebiete unter;
429
und gewöhnt man sich in der morgenländischen Sprachen-
kunde an ein solches arbeitsscheues verworrenes Treiben^
so ist nicht abzusehen^ warum nicht nächstens auch die
Volksgeschichte, die Literaturgeschichte und jedes andere
Feld morgenländischer Wissenschaft von solchen, die sich
für Wissenschaftsmänner ausgeben, ähnlich verwüstet werden
sollte. Ich habe seit vielen Jahren keine Gelegenheit vor-
übergehen lassen, sowohl mündlich als schriftlich vor diesen
bedenklichen Abwegen zu warnen : ein Aufsatz, den ich in
diesem Sinne in den G. G. A. 1835. St. 120. niederlegte,
hat wohl damals einigen Lärm erregen, aber die dort aus-
gesprochenen Wahrheiten hat niemand umstossen können.
Das W^erk aber, von dem jene kurze Schilderung voll-
ständig gilt, ist das obengenannte des Hrn. Theodor Benfey.
Dass das Koptische mit dem Semitischen irgend eine Ver-
wandtschaft zeige, haben schon manche frühere Gelehrte
gemeint, und hier war nichts weniger zu machen, als die
erste Entdeckung. Was jetzt zu thun ist, besteht allein
in der genaueren Untersuchung und Vcrgleichung beider
Sprachslämme durch alle ihre Theile, damit deutlich werde,
wieweit sie miteinander übereinstimmen oder von einander
abweichen; zu diesem Zwecke ist zwar weniger das Se-
mitische erst genau zu erforschen^ da es besonders gram-
matisch schon so genau erkannt ist, wie wenige andere
Sprachen, als das Koptische, da für dieses in neuern Zeiten
zwar Champollion, Peyron, Tattara, Rosellini viel gethan
haben^ die eigentlich geschichtliche Sprachforschung aber,
wie sie in Deutschland eingeführt ist, in ihm noch alles zu
thun vorfindet. Allein wiewohl das Semitische den Vorrang
genauerer Erkenntniss unter uns besitzt^ so ist es doch
von Jedem, der es mit dem Koptischen vergleichen oder
sogar (wie Hr. Benfey) es durch das Koptische erklären
will, zuvor genauer zu verstehen; es ist in seinen Litera-
turen zu erkennen^ oder trauete sich Jemand zu, es ohne
alle Kenntuiss seiner Literaturen, bloss aus vorhandenen
430
Grammatiken nützlich Vergleichen und erläutern zu können,
80 würde der doch wenigstens diese Grammatiken genau
lesen und verstehen müssen; und sollte sich jemand sogar
auf die Vergleichiing eines ganz besondern Sprachtheiles
beschränken wollen (wie Hr. Benfey in seinem Werke nur
einige Pronomina und deren Anwendung abhandelt), so kehrt
tlie Forderung^ dann wenigstens die wenigen Abschnitte
der Grammatiken j welche man gerade vergleichen will,
sorgfältig zu verstehen, wo möglich noch dringender wieder.
Dass nun Hr. Benfey, wie sein Werk zeigt, von den
semitischen Literaturen nichts versteht und alles, was er
vom Semitischen beibringt, rein aus den neuern Gramma-
tiken weiss, möchte noch hingehen; es ist nicht gut und
muss seiner eignen Absicht schaden, doch wir wollen so
viel von ihm nicht fordern, vielleicht hat er dann wenig-
stens die Grammafiken desto sorfffältisrer anffjsehen. Allein
auf dem Gebiete der semitischen Grammatiken traten ihm
nicht nur meine Werke , insbesondere die verschiedenen
Ausgaben meiner hebräischen Grammatik: es trat ihm auch
mein Name entgegen und mein Geist^ und weil an jenem
sich zu reiben gegenAVärtig einiges Aufsehen in der ge-
lehrten Welt machen kann^ dieser aber, wie es scheint,
nicht so leicht zu begreifen ist, so beschloss er, meinen
Geist bei Seite zu lassen, meinen Namen aber dafür desto
mehr zu verhöhnen , und damit bei der Welt sich selbst
einen Namen, sowie in der Wissenschaft sich V'^erdienste
zu erwerben. Weil ihm nun aber, zumal in Göttingen, wo
er Privatdocent ist, auch das gar nicht -anders auszuführen
war als dadurch, dass er sich in einen künstlichen Hass
gegen mich versetzte (denn ich sinne umsonst darüber
nach, was ihm denn eigentlich den Hass eingegeben haben
könne}, der Hass aber, wie jede unedle Leidenschaft vor
der Welt verhüllt werden muss^ so wirft er sich mit voller
Begier in die Kcihc derer, welche die Thate» und Werke
431
des sei. Geseuiiis lobpreisen; denn so scheint man ja um
so sicherer auf mich schmähen zu können.
Nun ist das Verhäitniss zwischen mir and Gesenius
ein ganz, anderes, als es auf den Gassen von raüssigen
Leuten besprochen wird, und als die begreifen, welche von
semitischen Literaturen und Sprachen nichts wissen. Da
ich mich, soweit es in Kürze geschehen konnte, in der
Vorrede zum ersten Bande der Geschichte Israels darüber
ausgesprochen habe, kann ich das unverständige Wesen
solcher, die hier keine Stimme haben, ganz ruhig sich selbst
verzehren lassen; will dagegen ein ebenso sachkundiger,
als von reiner Liebe zur Wissenschaft erfüllter Mann jenes
Verhäitniss ausführlich darlegen, so könnte der vielleicht
ein zur Zeit recht nützliches Werk damit ausführen.
Auch was Hr, Benfey mich zu lästern vorbringt, kann
ich ganz übersehen: die Wissenschaft semitischer Gram-
matik steht bereits fester als er begreift, und ein Lästerer
kann hier nicht lange auf Leser und Zuhörer rechnen ; auch
ist es ein eignes Geschick, dass, da es doch nicht so sehr
zu verwundern wäre, wenn man in so schwierigen Sachen
den einen oder andern Fehler mir nachwiese, Hr. Benfey
mit aller Gier nicht das Mindeste hat aufspüren können,
was wirklich dafür gelten könnte; der grösste Theil dessen,
worüber er schreit, beruht rein auf seiner eignen Unwis-
senheit und Verdrehung: ein ganz geringer besteht in Sa-
chen, die er geflissentlich aus den frühern Ausgaben meiner
Werke hervorsucht und in den neuem (auch in der Gram-
matik von 1842^ welche er noch sehr wohl benutzen konnte)
hätte anders finden können. Und während er sich anstrengt,
seinen Lesern (als wären die alle so dumm, solches zu
glauben) fast durchaus nur Schlechtes von mir zu sagen,
nimmt er dennoch so überaus wichtige und durch alle meine
verschiedenen Bearbeitungen semitischer Grammatik fest-
gehaltene Wahrheiten stiilschweigend von mir an, wie dass
der Imperativ erst aas dem Imperfectum stamme.
432
So droht denn durch gewisse Christen ebensowohl wie
durch Juden (Hr. Benfey ist Jude) auch in die raorgen-
ländischen Wissenschaften ein Geist zu fahren, welcher
uns nur zu sehr daran erinnert, in welcher Zeit und in
welchem Lande wir leben. Es ist der Geist von 1830,
aber nicht der lautere, welcher sich damals in vielen Ländern
stärker regte, sondern der ihm beigemischte unsaubere,
der nun, da jener gedämpft ist, ganz allein herrschen und
lieber alles andre ausser sich zerstören möchte; da dieser
nun in Deutschland sich sonst nicht regen kann , so hat
er sich in die Labyrinthe der Literatur geworfen, wobei
sich die Ohnmacht aller Censur so klar au den Tag stellt;
und weil es in Deutschland keine Minister zu stürzen gibt,
so muss man Üniversitäts-Professoren in den Staub ziehen,
je besser sie »sind desto mehr. Aber noch stehe ich für
Hrn. Benfey und alle Leute seiner Art aufrecht.
Was der blinde Hass hervorbringen musste, hat er
hier gebracht: Hr. Benfey, nicht einmal die gangbaren
Grammatiken sorgfältig lesend, verkennt und verdrehet
das Richtigste. Ich lehrte schon seit 1830 in der arabi-
schen wie in der hebräischen Grammatik^ dass die Endung
der zweiten Person fem. singul. des Imperfects ^r ihr n
nur zur Unterscheidung des selbständigen Modus von dem
unselbständigen habe, veranlasst durch die häufigen Per-
sonen des Plurals, welche sich auf -ün endigen. Diess
ist so richtig und lässt sich so leicht noch weiter verfolgen,
dass ich neugierig wäre den Mann zu sehen, welcher diese
Wahrheit umstossen könnte. In der That bringt Hr. B.
nicht im mindesten etwas besseres, da die Endung, welche
bisweilen im Syrischen ...iXa- geschrieben wird und die er
bloss aus der ersten besten syrischen Grammatik entlehnt,
ganz anders geschichtlich verfolgt werden muss, als er
diess thut: aber da er sich nicht einmal die Mühe giebt,
meine Worte zji verstehen, verdreht er meine Ansicht da-
433
Lin^ als »laubte ich, jenes blosse n mache den Plaral ans
und die Pluraleudung sei an den Singular gehängt. — Ich
lehre ferner, das seltsame n welches vor Vcrbal-Suffixen
eingeschaltet erscheint und welches die frühern Gramma-
tiker Nun epenthelicum nannten, übrigens aber ganz uner-
klärt Hessen*), zeige sich mehr bei dem Imperfectum als
bei dem Perfectum : Ilr. B. schreit auf^ es zeige sich nur
vor dem Imperfectum ; aber hätte er auch nur die zweite
der von mir angeführten Stellen in der Quelle aufgesucht,
so würde er gesehen haben ^ welchen guten Grund ich
hatte, dies zu behaupten. — AVeiter lehre ich, die arabi-
schen Feminin-Endungen ^^j., <L seien ursprünglich von
der gewöhnlichen g_ nicht wesentlich verschieden, sondern
als Nebenarten dieser zu betrachten: dies, im Einzel-
nen richtig verstanden, wird sich gar nicht anders denken
lassen^). Hr. B. fasst nicht nur die völlig verkehrte An-
1) Wie dies im Hebräischen jetzt erscheint, hängt es durchaus mit
dem Wesen des Tones zusammen, wie ich dies so darstellen
musste; hiemit ist jedoch die Frage, woher das n selbst komme,
noch nicht erledigt: ich habe indessen diese Frage in der Gram-
matik von 1848 bereits kurz beantwortet und beantworte sie aus-
führlicher in der jetzt gedruckten grossem Grammatik.
J - CS
2) Wie ibj-M. von Oy^^S, ^^ von ^i\ sich ableiten könne, habe
ich 1830 in der arabischen Grammatik noch nicht erklärt, seitdem
aber mundlich schon oft gelehrt. Mau muss auch hier innere Um-
bildung annehmen, eine ßildungsart, welche das Arabische weiter
als irgend eine andere semitische Sprache ausgedehnt hat. Indem
das a, womit der Stamm solcher Wörter be;;innt, bei der Feminin-
Bildung sich wie in einem krampfhaften Zusammenziehen des Worte»
zu dem a der alten Feminin-Endung - at hiubewegt und mit die-
sem zu a verschmilzt, wird das t dazwischen erdrückt und es ent-
steht eine neue Feminin-Endung, welche von vorn an kein mösliche«
t in sich schliesst und daher auch ganz anders in der Schrift aus-
gedrückt wird. Die weitere Unterscheidung dieser Bildung au
V. 28
434
sieht, die Feminin- Endung sei |bloss -tj tu (o, wie er
schreibt), während der Anfang jeder sichern Einsicht dieser
ist, dass sie vollständig -al oder dafür -aÄ lautete, sondern
er schiebt mir auch diese Verkehrtheit unter, wobei er es
denn leicht hat, jenen Zusammenhang zu läugnen. — Ich
lehre in dem Hebräischen nij< als Zeichen des Accusativs
sei ein altes Reflexiv-Pronomen verborgen, es entspreche
sowohl dem syrischen Aj, welches selbst erst aus dem
äthiopischen kijat verkürzt ist, als dem arabischen Gt wel-
ches hinten nach dem langen Vocale das / abgeworfen
hat*)' Ich will nun gar nicht anführen^ was Hr. B. selbst
aus dem hebräischen nix macht: schon der eine Umstand,
dass er an allen Stellen seines Buches das entsprechende
arabische Wort als Li anführt, ist für ihn bezeichnend
genügt). So könnte ich noch lange fortfahren, Hrn. Ben-
fey's Verfahren in dieser Richtung aufzuzeigen: doch] für
die Leser dieser Zeitschrift habe ich vielleicht schon zu
viel geredet.
Wenn nun Hr. B. so wenig das verstand^ was er in
neuern Grammatiken vollkommen richtig auseinandergesetzt
den zwei Aussprachen ttJ>_j,*M und (^^ ist dann bloss aus dem
Streben verschiedene Bedeutungen uuch im Laute zu trennen her-
vorgegangen.
1) Ich habe die meisten Glieder dieser merkwürdigen Reihe schon
früher dargelegt, weiter ist davon in der jetzt gedruckten grössern
Grammatik die Rede.
2) Allerdings schreiben unsere Lexica auf die Aussage des Qämüs
Lt, woraus Gesenius in seinen Wörterbachern üt gemacht hat:
*
allein so unterrichtend es wäre zu wissen , wie der Qamus der
ersten Sylbe ausser t auch ein a als möglichen Vocal ziischrüibcn
konnte, so steht doch für jeden, der die Literatur kennt, fest,
das* fn den gewöhnlichen punctirten Büchern stets » erscheint.
i
435
finden konnte: wie wird er dann verfahren, wenn er etwas
A'cues über das Semitische aufzustellen unternimmt! Der
hebräische und arabische Artikel Sn J^ soll aus den beideo
koptischen Wörtern kha ro hervorgegangen seyn und ei-
gentlich bedeuten gegen das Gesicht, dann was anbelangt;
das semitische Fürwort n-> ein Wörtchen^ völlig so un-
schuldig wie das deutsche der, soll aus dem ägyptischen
^ 0 d. i. sagen und dem hebräischen Hin znsammengezogea
seyn und eigentlich bedeuten nämlich er; das -anna des
verstärkten Imperfccts im Arabischen soll aus dem bekannten
^ hebr. nsn »i^he entstanden seyn, obwohl man es als das
wahre Leben dieser Wörtchen im Hebräischen und Ara-
bischen bezeichnen niuss, dass sie nur voran gestellt
Sinn haben. Ich denke das ist genug.
Was weiter die allgemeine Sprachphilosophie des Ver-
fassers betrifft, so mögen folgende Beispiele davon genügen.
Die Feminin -Endung -i im Sanskrit, lehrt der Verfasser
sogleich vorn mit grossem Geräusche, sei nichts a^ das
bekannte Pronomen i, das fem. von i (lat. is): aber woher
bildet sich denn nun das » als fem. von i? ist es denn
nicht einleuchtend, dass es nur eine und dieselbe Sprach-
kraft seyn kann, welche hier von dem AVörtchen i ein
fem. i und dort von tiulant ein fem. tudanti bildet? Die
Dual-Endung sey eigentlich w, und dies komme von r«,
dies wieder von dta: sehr wohl^ das ist allerdings greiflich!
aber woher kommt das u in dtau selbst? woher das -au
nicht bloss in Stämmen auf -a sondern euch in allen an-
dern? woher das semitische ai (welches offenbar als Dual-
zeichen dem Sanskrit au entspricht) in -»;j~« und andern
Wörtern? Die bekannte sanskrit Genitiv -Endung -sja
sey eigentlich eine Adjectiv- Endung von der Wurzel aa
d. L seyn (diese arme Wurzel, welche noch immer soviel
herhalten muss, wenn der Spracherklärer nichts weiss!),
436
fivasja bedeute eigentlich seiend von ^ica, und damit sei
das Neuarabische vjj;^'**^^^ ^i V^ Buch (^BesiizJ des
Diebes zu vergleichen.
Doch endUch genug mit Allem. Ich kenne die Werk©
des Hrn. Verfassers zur Erklärung des Indo-Germanischen
nicht weiter als nach den eben raitgetheilten Spuren: Avas
das Semitische betrifft, so muss ich wünschen^ dass er Ge-
duld und Aufopferung besitze, es erst zu lernen. Hr. B. mag
wissen, dass ich ein guter Christ zu seyn mich bemühe:
damit weiss er zugleich, welches meine Waffe sey gegen
seinen zum Glück vollkommen grundlosen Hass; und wie
sogar der Entschluss zu dieser Anzeige seines Werkes
aus nichts geflossen ist als aus reiner Liebe zur Sache
und zu ihm, so werde ich mich künftig freuen, wenn ich
über seine Werke anders urtheilen kann als diesmal. Sollte
er freilich künftig nicht einmal soviel begreifen, aus wel-
cher Gesinnung ich in meinem gelehrten Leben handle: so
wird er auch den Sinn dieser Anzeige seines Buches nicht
erkennen. Die Wissenschaft hat gegen alle ihre Wider-,
sacl^, die gelehrten und die nicht gelehrten, weiter keine
Waffe als die Aufstellung der Wahrheit, sowie der echte
Christ keine als die Liebe: aber diese beiden Waffen wird
mir niemand nehmen.
Bilden sich künftig die Anfänge einer Sprachwissen-
schaft, welche in einzelnen morgenländischen Sprachen
unläugbar schon gegeben sind, durch gute Kräfte unter
uns weiter aus, so wird Deutschland auch dadurch Ruhm
nach aussen sowohl als neue innere Stärkung empfangen:
wie jetzt aber die Sprachvergleichung von nicht wenigen
in Deutschland getrieben wird^ wird dadurch nur die Zahl
der Uebel vermehrt, an denen wir ausserdem schon genug
leiden. Ewald.
Uebersichten und Beurtheiluugen.
I.
Ueber das Puschtu oder die Sprache der Afghanen j ron
Berxb. Dorn. St. Petersburg 1840. 163 S. io 4.
Ein erster Versuch über den , Aceent im Sanskrit. Von
Otto Boehtlingk. St. Petersburg 1843. 114 S. in 4.
Diese beiden umfangreichen Abhandlungen, welche ver-
mittelst der Kaiserlich-Russischen Akademie und innerhalb
der Reiho ihrer Abhandlungen erschienen sind, können uns
lebhaft an die ausgezeichneten Dienste erinnern, welche
diese in neueren Zeiten, was das Morgenländische Fach
betrifft, einzig dastehende Akademie der Wissenschaft lei-
stet. Was man auch immer im übrigen Europa über Russ-
land denken mag, wir müssen eine Regierung preisen, die
mit so grosser dauernder Gunst und dabei so wenig auf
den unmittelbaren Nutzen bedacht, den Anbau von Wis-
senschaften befördert , welche ihrer Eigenthümlichkeit zu-
folge mehr als viele andere solcher Hülfe bedürfen. Zu
Frähn und I. J. Schmidt, welche schon lange Zierden,
sowohl jener Akademie, als dieser Wissenschafton waren^
sind nun in neueren Zeiten Dorn und Boehtlingk gesellt,
jener schon durch mehrere gediegene Arbeilen, insbeson-
dere aus dem Fache des Islamischen, dieser durch sehr
gründliche Kenntnisse im Kreise der Indischen Welt rühm-
lich bekannt.
Die Abhandlung DoRx's ist eine sehr schätzenswerthe
mid erwünschte Fortsetzung zu meiner eigenen Abhandlung
über das Puschtu, welche 1839 im 2. Bande dieser Zeit-
schrift erschien und auf welche Dorn schon Rücksicht
nimmt. Während indess meine Abhandlung (wie Dorn sagt)
die erste in diesem Gebiete und während sie mehr wissen-
schaftlich zusammengedrängt war, ist die Arbeit Doru's,
ohne auf weitere Sprachvergleichung einzugeben, auf
438
grössere Ausführlichkeit in der Erklärung des Afghanischen
selbst angelegt, bestimmt einiges, was mir noch nicht ganz
entschieden war, näher, und giebt vorzüglich aus hand-
schriftlichen Divanen zweier Afghanischen Dichter und an-
deren Quellen dieser Art, eine grosse Menge von Belegen;
einige kleinere Gedichte sind fast vollständig mitgetheilt,
und ist dies also wohl das erste Mal, dass eine Blumenlese
Afghanischer Literatur gedruckt erscheint. Man wird sich
künftig nach diesen beiden Abhandlungen eine ziemlich
genügende Vorstellung über das Afghanische entwerfen
können: da jedoch in dieser Zeitschrift schon mehrfach von
den zwischen Indien und Persien schwebenden Sprachen
die Rede war^}, so v^erwendeu wir den hier zugemesse-
nen Raum wohl besser auf eine nähere Untersuchung der
Arbeit Boehtlingk's über den Accent im Sanskrit.
Was ist eine Sprache ohne Accent? ein Glied ohne
Bewegung, ein Gesicht ohne Farbe. Der feinste und zu-
gleich der eigenthümlichste Geist einer Sprache giebt sich
in der Macht zu erkennen, welche ohne ein einzelner Laut
zu seyu, vielmehr alle Laute jedes Wortes scharf zusara-
menfasst und so jedem Worte erst seinen lebendigen Sinn
mittheilt, und welche doch wieder wie jede menschliche
Macht einer noch höhern unterliegt und nach dieser sich
bei jedem Volke verschieden gestalten und mit jeder Zeit
verändern kann. Man hat wohl die Conjunctionen einer
Sprache ihre feinsten und eigenthünilichsten Bestandtheile
genannt: aber noch feiner und verschiedener ist der Zulaut
(Accent), welcher wie die unentbehrliche geistige Zugabe
erst Wort und Satz belebt.
Desto grösser war der Mangel, dass man bis jetzt den
Accent der Sprache nicht beachtete, welche in Hinsicht
der Laute die erste der Erde genannt werden kann. Die
Schrift als Buchstabenschrift kommt freilich fast bei allen
A'^ölkern spät oder gar nicht zu Hülfe um diesen geistig-
sten Bcstandlheil einer Sprache für das blosse Auge ans-
zudrücken; unter allen semitischen Völkern z. B. haben
nur die Juden ihre heiligen Bücher mit dem Wortaccente
versehen. Das gewöhnliche Sanskrit wird ohne Accente
geschrieben; nur in Veda- Handschriften fniden sie sich,
welche aber nur wenigen Gelehrten unter uns zugänglich
sind; und die zerstreuten Vorschriften der altintlischen
Grammatiker selbst hatte seit Colebrooke (dessen wenige
1) Vgl. Lassen'« Abhandlung Bd. IV. S. 410. f.
439
Worte aber gerade über die Sanskrit-Accente Dr. Boeht-
lingk wider Erwarten ungenügeud fand) kein Europäer
näher erforscht. So hat sich denn der deutsche Heraus-
geber des Panini durch das vorliegende Werk über die
Sanskrit-Accente ein gutes Verdienst erworben, welches
ich um so befriedigter anerkenne, je nielir ich bei den
Vorträgen über Sanskrit -Grammatik wiederholt aufs ernst-
lichste über den Sanskrit-Accent nachgedacht hatte. Dean
es ist zwar unläugbar, dass schon die blosse Betrachtung
aller Wortbildungen einer bestimmten Sprache, sobald sie
tiefer eindringt, die Macht des Accentes an vielen Stellen
erkennen kann, weil manche Bildung ohne den Einfluss
einer solchen Macht anzunehmen gänzlich unerklärlich
wäre; ich habe z. B. immer erkannt, was ich nun ganz
nach Wunsch bestätigt finde, dass in dem so gewaltigen
Wechsel der starken oder schwachen Endungen sehr vieles
vom Accente abhängen müsse; allein um wie viel weiter
als solche, wenn auch nothwendige Annahmen innerer
Nothwendjgkeit, führen sogleich ausführliche und sichere
Zeugnisse, welche uns noch aus dem Leben der Sprache
selbst durch die alten Grammatiker überliefert sind I
Was der Verfasser aus diesen Quellen schöpfen konnte,
hat er mit dem grössten Fleisse zusammengestellt , und
noch dazu durch eine Anzahl gelehrter Anhänge und Er-
läuterungen der Kunstausdrücke solchen^ die künftig die
Frage über den Accent weiter verfolgen wollen, den etwas
mühevollen Weg erleichtert.
Gehen wir nun etwas näher auf eine Sache ein, über
welche der Verfasser selbst nach der bescheidenen Auf-
schrift seiner Abhandlung nur einen ersten Versuch gelie-
fert haben will, so hat das Sanskrit nach dieser Darstel-
lung drei Accente, welche ganz den drei griechischen, dem
Acutus, dem Gravis und dem Circumflex, entsprechen sol-
len. Ich fürchte indess, dass diese drei Namen, besonders
der eines Circuroflexes, nicht ganz wohl gewählt sind und
leicht zu irrigen Folgerungen führen. Ich will nicht weiter
hervorheben , dass der Verfasser §. 4 alle Fälle dieses
Circumflexes aufzählt, welche allerdings wenigstens noch
eine gewisse AehnUchkeit mit dem zu haben scheinen, was
man sonst Circumflex nennt, dagegen aber §. 70 flF. noch
einen ganz andern Fall seines Gebrauches nachholen muss,
welcher mit jenen nichts gemein hat und doch der häu-
figste ist; ferner dass der Circumflex danach auch kurze
Vocale und zwar iu sehr grosser Menge, ja sogar sonst
ganz tonlose Wörter unter gewissen Bedingungen treffen
440
würde, welches alles doch schwer zu denken. Aber f^ägt
man kurz und scharf nach dem wahren Verhältnisse jener
drei Sanskrit- Accente, wie es vorliegt: so lässt es sich,
genau betrachtet, unter das ganz einfache Gesetz bringen,
dass der Gravis einem Acutus nur voraufgeht und das was
Circumflex seyn soll ihm nur folgt. Dies ist folglich wie
ein einziger Laut, der sich dreifach zertheilen kann^ aber
dessen Mittellaut der einzig herrschende ist und die andern
beiden von sich abhangen lässt. Wenn also die beiden
an den Enden nur des mittlem wegen da sind (denn dieser
kann da seyn auch wo jene fehlen, nie aber einer von
diesen ohne jenen), so gibt es eben damit nur einen wahren
Accent im Sanskrit-Worte, nur einen hohen Laut-Anstoss:
und geht diesem eine Sylbe ohne solchen voraus, so senkt
sie sich tief vor ihm und wird deshalb mit dem Gravis
bezeichnet; folgt ihm eine ohne solchen, so ist sie noch
wie ein Wiederhall und Anffang des eben erschollenen
hohen Lautes, nur dass sie (wie einige Grammatiker ab-
weichend lehrten §. 70. Anmerk.), wenn sogleich wieder
eine andre Sylbe mit dem hohen Laute folgt, dann lieber
tonlos bleibt oder sogar den Gravis empfängt. Kurz, das
Verhältniss der drei Avesentlich immer zusammenhangenden
Accente ist musicalisch:
gen schon deutlich seyn kann?) das Zeichen für den Acutus
beständig fehlt; und so geht es auch aus allen den vielen
einzelnen Gesetzen hervor, die der \'erfasser nach den
Grammatikern erwähnt ').
Wie bloss hiedurch das Ganze verständlich wird , so
ergibt sich manches Einzelne nun von selbst. Wo zwei
Vocale, deren erster eigentlich in einer besonderu Sylbe
den Acutus haben sollte, aus zwei Sylben in eine zusam-
menfallen, da genügt das Zeichen, welches eigentlich für
die zweite dienen würde, weil es durch »ich den Acutus
1) Nur dass der Gravi« der Grundton seyn und eigentlich alle Sylben
umfiissen solle die keinen der /-wei andern haben, §. 2. wider-
spricht nicht nur der andern Aussago S- 71., souderu auch dem
Muster aus dem Yeda -Hymnus.
441
voraussetzt, so dass hier bloss eine Abkürzung der Schreib-
art zu finden ist. Ferner ergeben sich Xamen und Zeichen
der drei Accente. Denn die Inder nennen das, was hier
als Circuniflex bezeichnet ist nicht so (dann hätten sie es
eher JJH genannt), sondern ^ ^ i . welches bloss soviel be-
deutet als hell, klar. Der Acutus, welcher oben so ge-
nannt ist, trägt den bestimmten Xamen udätta, d. i. hoch,
hoher Lauf, und wird daher über der Sylbe durch 3 be-
zeichnet: sein gerades Gegenthcil, der Gravis, heisst richtig
aniulättn und würde demnach besser durch Tiefton übersetzt,
Avird aber nur durch einen wagerechten Strich unter, sowiö*
der Svarifa durch einen senkrechten über der Sylbe be-
zeichnet.
Zwar könnte der Verfasser für sich anführen, auch
Wilson übersetze Scarita durch Circumflex: allein dieser
Gelehrte hat uns seine Gründe dafür nicht angegeben:
und wir brauchen nun auch nicht mit dem Verf. Colebrooke
zu beschuliligcn, er habe den Circumflex und den Acutus
schlechthin mit einander verwechselt *)• Sollten diese zwei
Namen überhaupt gewählt werden, so gesiehe ich, nicht
zu wissen, warum lyan sie nicht geradezu umkehren sollte:
aber besser sehen wir das wahre \'erhältniss ein und ent-
halten uns künftig des ungehörigen Namens Circumflex.
Doch der grösste Nutzen dieser Einsicht ist wohl der,
dass wir nun erst auch das innere Wesen des Sariskrit-
Acceiites begreifen. Das Sanskvit hat demnach nur einen
Wort-Accent, der zwar mujsikalisch modulirt ist und da-
durch in seiner Art viel voilkommner und schöner lautet
als ein einzelner im Griechischen oder sonst in einer Sprache
mit mehrern an sich wechselnden Accenten, aber der doch
zuletzt immer nur einer ist Dies ist zunächst das merk-
würdigste: das Sanskrit bleibt sich als altertbümlich kern-
hafte LautspraChe auch hier gleich: es hat noch gar keine
Verschiedenheit und Färbung des Wort-Accents an sich,
während in Sprachen, welche die Rehiheit und Stärke der
einzelnen Laute melir und mehr einbüssen, der Wort-Accent
am Ende so vielfach wird, dass im Sinesischen jedes Wort
mit nicht weniger als 4 ganz abweichenden Accenten ge-
lautet werden kann.
1) N. S. Eine Verwechselung der Sanskril- Namen und Zeichen
muss icli allerdings bei Colebrooke, naclidem ich seine eigneo
Worte eiogeseheu habe, zuaeben : ich behaupte nur, dass auf die
Verwechselung der ^rjVcA/sc/»«;« Xamen nicht viel anliomuie. Warum
sollte man künftig die drei Sanskrit -Xauien nicht entsprechend
durch Tieflaut, Uochlaut und heller Laut wiedergeben können?
44«
Aber dieser eine Accent ist nicht bloss viel umfassender
und daher melodischer als er sonst seyn könnte^ er hat
auch noch eine viel freiere Stellung im j^anzen Umfange
des Wortes. Im Griechischen, Hebräischen und andern
Sprachen der Art wirkt schon das ganze Gewicht und der
Zusammenhang aller einzelnen Laute des Wortes so auf
den Accent zurück, dass dieser nur an gevvissen Stellen
und Sylben des Wortes möglich wird^ auch nur immer
einer im ganzen Worte seyn kann. Im Sanskrit ist der
eine mächtige Accent noch ganz unabhängig von den ein-
zelnen Lauten und Sylben des Wortes, und wählt sich an
jeder Stelle eines längern Wortes die Sylbe aus, welche
hervorzuheben in» Sinne des Sprachgeistes liegt , auch die
erste eines vier- oder noch mehrsylbigern Wortes. Das
Wort, wäre es auch noch so lang, hat im Vocativ, im
Augment, im Üesiderativ- Stamme den Accent auf der
ersten Sylbe; und zwar gilt dies^ wie es scheint, völlig
durchgreifend und ausnahmslos. Die Adjectiva der Nolh-
wcndigkeit dagegen ziehen den Accent immer gegen das
Ende hin, weil ihre ganze Bedeutung auf der zusammeu-
gesetzten starken Endung beruhet ^).
1) Wie die Sippsciiaft der Adjectiva der Nothwendigkeit (sog.partt.
fut. pass.) entstanden sei, ist eine Frage, die meines AVissens
nocii nirgends genügend beantwortet ist; ich theile deshalb hier
in der Kürze die Ansicht mit, welche ich seit vielen Jahren münd-
lich vortrage. Ks sind Adjectiva, die vom Infinitiv aus sich bilden,
wie man aus solchen Sprachen sieht, die sie noch unisrhreiben
müssen und wo, weil sich keine solche kurze Form dafür aus-
gebildet hat, die Theile der Zusammensetzung unverhüllt und voll
zu Tage liegen, wie im Deutschen, Hebräischen und übrigen Se-
mitischen. Die Endung -tatja (für tuia) geht vom Infinitiv
auf -tu, die andere -anlja von dem im Sanskrit seltenern In-
finitiv auf -ana (welches eben der deutsche- Infinitiv ist) ausj
die bekannten noch kürzern Endungen, bei denen sich die N'er-
kUrzung hinten durch innere Vocalverstarkung der Wurzel selbst
zu ersetzen sucht (wie kiirja) wären für spätere Abkürzungeo
aus jenen zu halten. Ist dieses so, so würden sich daraus, wenn
man es geschichtlich verfolgt, merkwürdige Folgerungen für den
frühesten Zustand der mit dem Sanskrit verwaii<itcn Sprachen er-
geben. Das Griechische z. B. und das Lateinische (wenn dessen
Endung -tidus wie ich vermuthe für -njus oder -ndjus steht)
würde sich erst dann von der Ursprache getrennt haben, als diese
schon zu einer solchen feinen HIMung zweiter Stufe fortjieschritten
war; anders das Deutsche, w-nn sich in dessen Umfange eine
Hildung dieser Art nicht nachweisen lässt (vgl. J. Gkimm 's deut-^che
Grammatik Bd. IV. S. 105.); wie ich denn überhaupt aus vielen
Zeichen schliesse, dass ein Volk, je weiter es geographisch ent-
fernt wohnt, desto früher vom Urstamnu; sich getrennt hat. Soviel
443
Und ist dieser eine Accent so stark und umfassend,
so versteht sicli ferner, wie er im Allgemeinen doch wieder
weit seltener in Anwendung kommt als der griechische.
Allerdings kann ihn ein Wort auch doppelt haben: doch
ist dies ein seltener Fall . und dagegen haben ihn viele
Wörter im Satze gar nicht, nicht bloss wie im Grie-
chischen ähnlich die ihrem Wesen nach immer unselb-
ständigen sich einem vorigen Worte anhängenden , wie
-^; -^ u. a., sondern auch eine Alenge kleinerer Wörter
wenn sie vorangehen und jedes einfache Verbum, wenn es
einem Xoraen folgt, sowie jeder Vocativ, wenn er nicht
vorn steht.
Ist endlich der eine Accent doch seinem Laute nach
so äusserst lebendig und farbenreich, so begreift sich auch,
wie er durch gewisse Veranlassungen bis zu einer Stärke
gesteigert werden kann, wo man ihn in der That Circumflex
nennen könnte. Begünstigt nämlich die Rede bei einem
stärkern Ausrufe, einer Drohung, einer Frage, oder auch
einem Grnsse, einem Segen und in ähnlichen Fällen eine
ganz besondere Färbung des auslautenden Vocals, so dass
der kurze Vocal sich dehnt, der Misch- und Doppellaut
(J, 6; ai, aii) in zwei Vocale auseinandertreten und mög-
licherweise jeder Vocal sich wiederholen kann, so wird
da der Uilätta oder (wir denken doch gewiss folgerichtig,
nur bei Wiederhall des Vocals) der Starita allerdings so
gesetzt, dass man ihn mit unserra Circumflex vergleichen
könnte. Allein dies ist eben nur ein ganz einzelner Fall,
eine Färbung der Rede, und dadurch erst des Accents;
oder noch bestimmter gesagt, dies ist der Satz-, nicht der
Wort -Accent. Der Verfasser handelt über diesen Fall
§. 67—69.
Die Schluss- Folgerung aus alle dem wäre, dass der
Accent im Sanskrit mit dem ganzen Wesen dieser Sprache,
wie es auch sonst erscheint, insbesondere also mit der ihr
eigenthümlichen Lebendigkeit und Bewc<ilichkeit der Laute
im engen Zusammenhange steht. Desto nothwentliger wird
jede künftige Bearbeitung der Sanskrit-Grammatik auf ein
Gebiet sorgfältige Rücksicht nehmen müssen, welches der
Verfasser nacji den etwas schwer zugänglichen QueUeo
ist aber hieraus fQr den Accent deutlich*, dass er auf dieser En-
dung eines Nothwendigkeits-Adjectivs ruhen inuss, weil sie eine
der schwersten und bedeutsamsten in der Sprache ist, ganz wie
im Griechischen -rkoz.
444
zum erstenmale aufgeschlossen hat; es ist jetzt möglieh^
einen Hauptmangel der bisher in Europa gelehrten Sanskrit-
Grammatik zu ergänzen. Auch hat der Verfasser schon
rüstig mit der Anwendung den Anfang gemacht, indem er
den Accent, wie ihn die alten Grammatiker lehren, auf
alle Paradigmen überträgt.
Ewald.
2.
The Journal of the Asiaiic Society of Bengal. Edited by
James Prinsep, F. R» S. Vol. VII, January-December,
1838. Calcutta, 1838. 8".
Dasselbe. Edited by the acting Secretaries. Vol. VIII.
January-December, 1839. New Series. Calcutta 1838. 8".
Dasselbe. Edited by the acting Secretary. Vol. IX. No.
XCVII— CIL Calcutta, 1840. 8°.
Bei der Wiederaufnahme der am £nde des vorherge-
henden Bandes unterbrochenen Anzeige der obigen Zeit-
schrift wird es mir möglich seyn, mich viel kürzer zu
fassen, als bei der früh(.'ren, theils weil mehrere von den
in diesen Bänden enihaltencn Mittheiinngen schon durch
anderweitige Benutzung ihre Beurtheilung oder Bearbei-
tung gefunden haben , theils auch, weil nach der Aen-
dcrung, welche seit dem Ilintritte Prinsep's in der Rich-
tung der Zeitschrift eingetreten, der Gegenstände, welche
für die Leser dieser Zeitschrift von Interesse seyn können,
in zunehmender Abnahme so wenige geworden sind, dass
sie nur noch in sehr beschränkter VVeise vor unser Forum
gehört. Die Leser, für welche jene Zeitschrift zunächst
bestimmt ist, werden wahrscheinlich sehr damit zufrieden
seyn, dass physikalische und statistische Artikel die über-
hand gewonnen haben ; die Freunde der historischen und
antiquaristischen Kunde des östlichen Asiens werden es
aber bedauern, dass auf den lebhaften Eifer der Entdeckung
445
und Erforschung historischer Denkmale so schnell nach
Prinsep's Abberufung ein so plötzlicher Stillstand derartiger
Regsamkeit gefolgt ist.
Aus dem von Prinsep noch besorgten Jahrgange sind
noch die Beiträge zur Sprachkitnde und zur Numismatik
zu erwähnen. Auf dem ersten Gebiete sind die '.vich'igsten
die von Leech über die Sprachen der Völker der Länder
im Westen des Indus. Ich habe diese schon oben IV, 90.
bezeichnet und dort und in diesem Bande benutzt;
die übrigen werden später in dieser Zeitschrift ihre Steile
finden. Ich begnüge mich daher mit der Erwähnung, dass
in diesem Bande noch eine kurze Grammatik des Peng äbi
mit einem Wortverzeichniss und Sprach)»robeu gegebeu
ist, p. 711 flgd., dann kurze Wortverzeichnisse und Phra-
sensammlungen folgender Mundarten; der Barakt, p. 7i7.
der Pushai, p. 731.; der Laghimnii. p. 780.; der Kashgäri,
p. 782.: der Tirhai, ebend,; der Dir, p. 784.; endlich der
der Aimak im Paropamisus, p. 785. Diese sind, wie sie
auch genannt werden, Mongolen, wie jeder sich leicht aus
den Wörtcru überzeugen kann, die hier aufgeführt sind.
Im nächsten Baude steht p. 1. von ihm (der aber jetzt
Leac'H getauft wird), noch: A grammar of the Pashtoo,
or Afghänee langnage, die auch in einem besondern Ab-
drucke vertheilt worden ist; auch hier sind ein kurzes
W^ortverzeichniss und Sprachproben beigegeben. Es sind
vielfache Abweichungen in dieser sehr kurzen Grammatik
von den früheren Mittheilungen über diese Sprache, unter
welchen die von Ewald aus literarischen Quellen ge-
schöpfte allein genügende Sicherheit hat. Leech hat wohl
eine besondere Mundart vor Augen gehabt. Eine andere
Ergänzung unserer Kenntniss dieser Sprachen ist oben
S. 337. besprochen worden. Sonst ist nur weniges zur
Kenntniss Asiatischer Sprachen. Zu der Vergleicluing der
Indochinesischen Sprachen, von welcher schon oben, Ztschft.
III, 175., die Rede war, hat Hr. W. Morton einige Be-
merkungen hinzugefügt, welche zeigen, dass die Aehnlich-
keit der Assamesischen Sprache mit der Bengalischen noch
vollständiger ist, als dort angegeben ward; er bemerkt mit
Recht, dass es eine grosse und zwecklose Verw irrung her-
beiführen würde, wenn man für alle diese accentreichen
Sprachen Lateinische Buchstaben mit Abzeichen anwenden
wollte. Zu derselben Vergleichung fügt Hr. Williams,
p. 707. die entsprechenden Chinesischen und Japanischen
Wörter , die Tübetischen sind von Hrn. Ksoma Körüsi
beigegeben.
446 /
Zur Münzkunde liefert dieser Jahrgang einige sehr
wichtige Beiträge von J. Prinsep. Ich kann mich auch
hier über das meiste kurz fassen, weil die hier beschrie-
benen neuen Griechisch - Baktrisclien und Indoskythischen
Münzen sich jetzt auch in Wilson's Ariana finden und
Hr. Raoul- Rochette eben im Begriffe ist, seine Beschrei-
bung dieses Gebiets der N^umisniatik durch alles neuerdings
hinzugekommene zu vervollstäfidigen. Auch sind wir in
der Kenntniss des Alphabets etwas weiter gekommen, als
Prinsep; doch nicht viel und wäre es ihm beschieden ge-
wesen, seinen Scharfsinn länger diesem Gegenstande zu
widmen, wären wir ohne Zweifel jetzt weiter. Er hat in
dem Aufsatze p. 636.: Additions to Bactrian Numismatics,
and discovery of the Bactrian alphahet, zuerst sein berich-
tigtes Alphabet der 31ünzschrift und die richtige Erklärung
der einheimischen Legenden veröffentlicht; es ist dieses
eine seiner schönsten Entdeckungen und sein Werk, er hat
ohne Hülfe oder Andeutungen von andern das Richtige
gefunden. Ref. muss ihm namentlich nachrühmen, dass
er mit einem Wurfe weiter gekommen ist, al^ Ref. selbst.
Die später hinzugekommenen Berichtigungen des Alphabets,
welche ich für sr-cher halte, habe ich anderswo (IV, 377. fgd.)
angegeben. Prinsep bezieht sich in seinem Alphabete auch
auf die Inschriften der Topen, und seine Angaben sind bei
den Bemühungen, diese zu lesen, sehr zu beachten. Er
halte, wie er es hier ankündigt (p. 646.), auch die Absicht,
sich an diesen zu versuchen. Durch das freundliche Zu-
trauen seines Bruders, Hrn. H. T. Pki.nsep, besitze ich
einige seiner Entzifferungen dieser Inschriften; es sind
darin sehr beachtungswerihe Vermuthnngen , obwohl sie
noch keine Sicherheit gewähren. Kr hat richtig erkannt,
dass die Sprache Prakrit ist. — Ueber eine Klasse der in
diesem Aufsatze beschriebenen 3Iünzen ist es noch nicht
gelungen, zu grösserer Aufklärinig zu gelangen, Ich meine
die merkwürdigen und sehr häuliijen Kadphises-.^lünzen,
auf denen der König in vollständiger Tartarischer Tracht
erscheint, zugleich aber als eifriger Verehrer des Gottes
Civa sich zu erkennen giebt. Sie sind anderswo schon
hinreichend beschrieben '). Die Griechische Legende ist
entweder [iy/Cfy/HYC OOHMO K^UOICHC oder liACl-
AEYC BAClAEiiN MHf'AC OOHMO hAJfDlCHC oder
BACIAEYC HAClAEilN CiirUP OOHMO KAJOICUC).
1) Wilson's Ariana, p. 347. flp:.
2) Die leUte auf den Kupferinünxen. WiLsnx hat in der letzten
Lebende OOMHIV, und so scheint auf einigen Exemplaren zu
stehen. Es kann aber auch so nur Fehler seyn.
447
Die einheimische Legende kommt auch in kürzerer und
längerer Fassung vor, doch meistens in der letzten Weise
und entspricht daim der dritten der (Griechischen.
Prinsep hat, p. 646. nach \'ergleichung sehr vieler
Exemplare diese Legende dargestellt.
Es finden sich in der längeren einheimischen Legende
zwei Wörter mehr als in der Griechischen. Prinsep las:
mahäräg asa rtig udhiräg asa sabatra k a ihu k a mahihnrasa
dhima Makadphifasa nanJata, und erklärte: "des grossen
Königs, de» Königs der Könige, des hier und überall die
Erde besitzenden, Makadphises, des Erretters.« Er schlägt
noch anderes vor, welches jedoch nicht sicherer ist. Wich-
tiger ist seine Bemerkung, dass einige Jlünzeu vor Kad-
phises vavahima darzubieten scheinen, Avelches dem Grie-
chischen OOHJIO entsprechen möchte. Hr. Wilson be-
raevkt mit Recht CAn'ana, p. 258. p. 354 — 356.), dass nach
Prinsep's eigenem Alphabe anders gelesen werden müsse,
etwa : sabatrapha ihatara mahihasa dahitma, und dass
keine dieser Lesarten einen genügenden Sinn gebe; er
erklärt sich zugleich der \'errauthung nicht abgeneigt , dass
die vier Sylbeu vor Kadphises das Griechische OOHMO
darstellen. Diese Vermnthung, welche K. O. Müller gehört,
möchte ich für sicher halten; denn in der einheimischen
Legende steht überall ma vor dem Namen des Kadphises,
vor diesem in einigen deutlich Ä/, oder nach ^4r. pl. XXL no.
17. bei Wilson he. Für 00- müssen in der einheimischen
Schrift entweder auch zwei Vocale stehen oder Consonanten,
welche dem Griechischen Alphabet fehlen, also, da j und h
in der Arianischen Schrift uns bekannt sind und nicht hier
stehen, r. Die Abbildungen stimmen nicht und ich weiss
nicht, ob urahima oder tavahima zu lesen. Die Verglei-
chnng mit den \amen Kmola Kadphises (Ztschft. IV", 397.)
macht es klar, dass die Herrscherlamilic Kadphises in zwei
Zweige zerfiel, Ooemo und Kozola. Durch diese Erklärung
hebt sich der Einwurf des Hrn. C L. Grotefend iDie
3tänzen u. s. w. , S. 90.). — Mit den zwei dem Ooemo
vorhergehenden Woltern, denen nichts im Griechischen
entspricht , weiss ich nichts anzufangen , noch ist es mir
sicher , dass im Xamen des Königs (^Kaphsifasa) phs für
z/(D richtig gelesen wird. In Beziehung auf das letzte
Wort scheint es mir eine unumgängliche Annahme, dass
darin das Indische Wort für gv)zt:o gesucht werden müsse.
Das Haiiptbedenken ist, dass die Genitiv-Endung sa fehlt;
diese scheint aber , so weit sich aus Abbildungen darüber
urtheileu lässt, von der Gatä oder dem hohen Haarzopfe
448
des Civa, der bis an den Rand reicht, verdeckt worden
zu seyn, wie auf der Münze, Arinrta, X, no. 5. auch noch
das ma des folgenden mahurdg asa fehlt. Die Orthographie
dhädurasa für tuturasa oder tudurasa findet sich auch sonst,
wie auf Münzen des Gondaphares, As. J. of B. V'II, 644.
Ariana, p. 343.
Die auch in dieser Zeilschrift (IV, 188. III, 1610 be-
sprochenen ÄJünzen der Satrapen - Könige von Suräshtra,
deren Legenden p. 347. richtiger gelesen und zusammen-
gestellt worden sind, liaben Prinscp die Veranlassung zu
einer anderen schönen Entdeckung gegeben, zu der der
alten Zahlzeichen. Diese kommen auch auf andern alten
Münzen von Guzerat vor (p. 3">0.)j wie in mehrern alten
Inschriften. Eine Tafel stellt die Formen der Zahlzeichen
bei verschiedenen Indischen Völkern zusammen. Bei den
ältesten sind ein paar Bestimmungen noch zweifelhaft. —
Eine andere Gattung von Münzen werden im Aufsatze
p. 414. flgd. beschrieben und abgebildet. Erst zwei Mu-
hammedanische, eine Persische des Husain Shah, geschlagen
zu Isfahan 1694., und eine Indische des Shahab eddin Mu-
hammed, des Stifters der Dynastie der Goriden in Indien,
aus Ghazna 1199. Interessanter ist die Beschreibung von
drei Sassaniden-Münzen, die mit zwei früher in 3Ianikjäla
gefundenen ganz gleich sind, p. 418. Sie sind ihrem Typus
nach ganz Sassanidisch , haben aber ausser den Pelilvi-
Legenden auch Sanskritische. Sie stellen den Kopf eines
Königs und auf der Reverse, wie es scheint, den eines
göttlichen Wesens mit eigenthümlicher Kopfbedeckung dar.
Prinsep hat von den fünf Exemplaren die Legende zusam-
mengestellt; die Indische las er: f/* Hitivira Ahfina k'a
paramefiara (7/* Vähitigun devag'anifa. Er bemerkt, dass
die Sylbe Vä nach dem zweiten p/t unsicher ist , in der
Tliat ist die Gestalt in allen Exemplaren verschieden und
man körnite auch Phä, Kd, Hu oder Ghd lesen; ein bei
Herrn Wilson abgebildetes Exemplar scheint kd zu haben.
Prinsep vergleicht die Titel der Sassaniden in ihren In-
schriften , erklärt airdna mit Iranisch und bezieht derag anifa,
gotierzeugt, auf die Benennung: Abkömmlinge der (»ötter,
welche diese Könige sich geben; er erhebt diese Erklärung
zur Gewissheit durch die Erwähnung, dass in der Inschrift
des Samndragupta {As. J. of H. VI, 979.) dena pntra (nicht
daivap.) Sohn der Gölter als Titel des Sassanidenkönigs
gebraucht wird. Hr. Wilson liest zum Theil abweichend,
Ariana, p. 401. Mit einer \'erbesserung, die ich Herrn
Alexander Cünningham verdanke, lese ich; (>i Hitivira
449
Airärla k'a Pärade^tara ^ri Vdhitigdna d^vag anita; vä
ist aber wie gesagt unsicher und die Sylbe gä enthält wohl
g, aber etwas anderes als d, der Name ist mir auch ganz
unerklärlich. Es fehlt überall das regelmässige Zeichen
des Nominativs. Die Erklärung Priusep's von Hitivira
durch hridirira, tapfer im Herzen, ist unzulässig wegen
des kurzen i in r/ra; nach der Stellung des k'a raüsste
es ein Name oder ein Titel seyn. Pdrada ist ein bekannter
Sanskrit-Völkername, der sonst die Farthcr bedeuten muss,
hier aber wie Paruta in der Keilschrift , Pourttta in Zend
für ein besonderes Bergvolk des östlichen Persiens zu
stehen scheint. Der Name der Parther in der Keilschrift
ist verschieden. Ptolemaios nennt die Bewohner der süd-
lichen Paropamisaden-Iiänder /7ßo//;rßf '). Nach diesen
Bemerkungen möchte ich auf folgende Weise erklären;
»der Hitivira und Iranische Pärada - Beherrscher. Vätigäna
(?) der gottgebohrene.u Einige andere solche Sassaniden-
Münzen mit doppelten Legenden und Indischen Namen sind
von Herrn Wilson beschrieben, Arian. p. 399.
Diese Müi:zen haben ein grösseres Interesse gewonnen,
seitdem es Hrn. Professor J. Olshausen in Kiel gelungen
ist, ihre Pehlvi-Legenden zu lesen. Auf der Reverse hat
er haft haftdd^ sieben und siebenzig, und Khurdsdn Merwd
gelesep, dem letzten Worte geht ein noch nicht erkanntes
vorlrer^). Es ist die hier gemeinte Aera noch nicht zu
bestimmen , der Sitz der Herrschaft , unter welcher diese
Münzen geschlagen wurden, war also Merw in Khorasan.
Hier wurde nun sicher kein Sanskrit gesprochen, noch De-
vanagari im gewöhnlichen Leben gebraucht; wozu also die
Indischen Legenden? Es müssen diese Sassanidcn auch
Indischredende Völker beherrscht haben; wir wissen, dass
solche in Kabuüstan einst weit verbreitet waren und bis
zur Zeit Mahmüd's von Ghazna sich erhalten hatten, zum
Theil es noch sind. Der Name des Königs ist jedenfalls
nicht Indisch. Der Indischen Schrift nach fallen diese
Münzen in die Zeit der letzten Sassaniden. Es wäre noch
manches über die ganze Gattung dieser Münzen zu sagen,
ich darf aber diese Bemerkungen nicht zu weit ausdehnen,
und füge nur noch die hinzu, dass ausser den Pehivi- und
1) BuBNocF, Yapwrt, I, Not. p. C. Die Altpers. Keilinschriften,
S. 99. Ptolem. VI, 18.
2) Die Pehlewi-Legenden auf den Münzen der letzten Sassaniden,
u. s. w. zum erstenmale gelesen und erklärt voo Dr. Jrsxci
Olshausen. Kopenhageo. 184.3.
V. 29
450
Devanagari-Legenden einige und 25war auch die oben be-
schriebene noch eine dritte Art von Charakteren darbieten,
deren Kenntniss uns noch ganz abgeht.
Kurz vor seinem Abgange aus Indien hatte Prinsep's
rastlose Thätigkeit sich einer anderen auch bis dahin kaum
beachteten Gattung von AJünzen zugewendet, denen nämiich,
welche Arianische und alte Devanagnri-Legendcn verbinden.
Er hatte eine Tafel (p. 1047. pl. XXXII.) solcher Münzen
besorgt, konnte aber selbst nicht den Commentar dazu
liefern. Es sind ihrer zwei Abtheilungen; die erste nannte
er Buddhistische Satrapen-Münzen, ich habe diese schon
besonders bei einer früheren Gelegenheit behandelt (IV, 201.);
die zweite (No. 1 — 10.), die er Indo-Baktrisch nannte, hatte
er in dem Briefe, in welchem er mir die Tafel zusandte,
auch richtiger gelesen, als nachher gescheben ist.
No. 2 — 10 haben dieselbe Reverse, sie sind jetzt auch
in Prof. Wilson's Ariana p. 415. beschrieben. Es ist ein
Kaitja oder kleines Buddhistisches Heihgthum, von einem
Sonnenschirm bedeckt; rechts davon ein in vier kleinere
zerlegtes Viereck, aus dem ein Baum mit dreifacher Ast-
verzweigung hervorragt, also ein Indischer Feigenbaum,
ich halte das Viereck für das heilige Gehegte, in welchem
der Baum gepflanzt war, oder ist es eine Terrasse, wie sie
in Ceylon für diese Bäume errichtet wurden? Untftr dem
Kaitja ist ein Monogram oder richtiger wohl ein Sylnbol,
mit der Gestalt beinahe eines allen Devanagari gh^ links
davon zwei, von welchen das obere ein svastika ist, d. h.
ein mystisches Zeichen für einen heiligen Lehrer. Die
Münze bei Wilson pl. XV, No. 23. ist am schönsten er-
halten und am deutlichsten abgebildet. Mit dieser Reverse
stimmen Prinsop'« Münzen 2 — 10. genau, ausgenommen
No. 6. wo der Baum über dem Kaitja steht, und aus einem
neunfach geviereckten Räume sich erhebt, die zwei Sym-
bole dem Kaitja rechts stehen, links aber ein Rad, über
welchem ein Symbol; und No. 7. wo der Baum fehlt und
die zwei Symbole dem Kaitja rechts stehen. Die Reverse
trägt die Arianische Legende.
Die Obverse stellt eine gehörnte Gazelle dar, vor
welcher rechts eine Figur aufrecht steht, nach Wilson eine
weibliche; über dem Rücken des Thiers ist ein Symbol.
Nur No. 6. scheint ein anderes Thier zu haben, die Her-
ausgober dos As. J. nennen es einen Stier, was aber sehr
unsicher ist; das Thier ist auch hier links gewendet, nicht
rechts und die stehende Figur scheint ganz zu fehlen; was
vor dem Thierc steht, ist ganz undeutlich. Es ist diese
451
Münze ganz ohne Legende^ also eine ganz eigenthümliche.
Die Ob Versen haben sonst Legenden sehr aller Indischer
Schrift. Diese Münzen sind theils in Kupfer, theils iu
Silber, und stammen aus dem Peng'ab und dem Duab.
Prinsep las die Altindische Legende: mahärug asa tilg nah
KunandasM amughabhiUisa, die Arianische, die nirgends
ganz erhalten ist:' mahärag asa amäghabhalisa. Hr. Wilson
die erste: mahuräg asa RanakanaJasa ainög/iabAalasa, das
zweite ^doch als zweifelhaft bezeichnet. Hr. Alex. Cüx-
MNGiiAM, wie Prinsep, jedoch amögluibhütisa. Da auf
diesen Münzen die Vocalzcicheu so leicht unsichtbar wer-
den^ dürfen wir wohl überall amoghabhütisa annehmen, ein
passender Name oder Beiname eines frommen Buddhisti-
schen Königs, ''dessen Seyn nicht eitel ist.« Gegen rag nah,
jT^-.y welches allerdings auf Xo. 7. und 4. ziemlich deut-
hch erscheint, erhebt sich der Einwurf, dass es nach ;/ia-
häräg asa überflüssig ist ; Kun andasa oder Kunädasa, wie
es mir zu lesen scheint, hat gegen sich, dass kn eine üble
Bedeutung hat: schlecht. Es werden besser erhaltene Ex-
emplare abgewartet werden müssen, um zur Sicherheit zu
gelangen. — No. \. ist eine verschiedene Münze: eine
stehende, wie es scheint, behelmte Gestalt, mit einer kurzen
Lanze in der ausgestreckten Rechten; erloschene Legende.
Reverse: Reiter auf einem Elephanten mit Spuren von
mahuräg asa und einem zweiten Worte in Arianischer
Schrift. — Die Tafel XL. giebt endlich alte Hindumünzea
von Guanpur, die XLL von Ug'gajini; von den letzten
tragen zwei die Inschrift Ug eninä Q-nä unsicher), die andern
sind ohne Legenden; die ersten haben Altindische Legen-
den, aus denen einige Namen noch zu lesen sind. Da
wir aber noch gar nicht wissen, wo wir diese hinstellen
sollen^ will ich es hier mit dieser kurzen Erwähnung be-
wenden lassen.
Achter Jahrgang und die erate VL<te
des neunten.
Die drei jetzt anzuzeigenden Bände bieten noch mehrere
werthvolle Beiträge dar zur Erweiterung unserer Indischen
Kenntnisse und die Herausgeber haben grosse Ansprüche
auf unsern Dank für ihr eifriges Bestreben, das Journal
im Sinne ihres Vorgängers fortzuführen. Es ist, wenn
man die wissenschaftlichen Bestrebungen in Indien gerecht
beurtheilen will, nothwendig, stets im Auge zu halten, wie
452
verschieden in Indien die Bedingung^eri sind, unter welchen
man sich rein wissenschaftlichen Arbeiten widmen kann,
von denen, die in Europa, oder genauer auf dem Festlande
Europa's im Allgemeinen gelten. Hier ist die Wissenschaft
gewöhnlich ein Amt, nur wenige Begünstigte yjnncn sich
aus freier Neigung der Wissenschaft widmen, diellithedigung
des Staats ist in den meisten Fällen eine unumgängliche
Bedingung der Erhaltung und Förderung wissenschaftlicher
Anstalten und Leistungen. England ist in dieser Beziehung
ganz verschieden; was die Regierung thut, ist eintropfen
im Meere, verglichen mit dem, was Gesellschaften leisten,
die von Privatleuten gestiftet und unterhalten werden. Es
hat beinahe jede Wissenschaft ihre Gesellschaft, ihre Samm-
lungen und Denkschriften. Die Vorzüge und Nachtheile
jedes dieser Systeme gegen einander abzuwägen, wäre
hier zu weitläufig, ich bemerke nur, dass das Englische
System in solcher Ausdehnung nur in einem so constituirten
Lande wie England gedeihen kann, namentlich nur in einem,
in welchem ebenso viele unabhängige Existenzen sind.
Wenn nun aber dieses System auf Indien übertragen wird,
so tritt ein anderes und weniger günstiges Verhältniss ein.
Die Engländer in Indien haben ihre öffentlichen Aemter,
denen sie obliegen müssen, sie kommen gewöhnlich sehr
jung hin und werden gleich mit amtlichen Arbeiten be-
schäftigt, das Klima begünstigt nicht ununterbrochene, an-
gestrengte Beschäftigung. Was daher dennoch freiwillig
und aus Liebe zur Wissenschaft geschieht, darf um so
mehr auf unsern Dank und unsere Anerkennung Anspruch
machen; Männer, die wie Sir William Jones und Cole-
BRooKE zugleich hohe und wichtige Aemter zu verwalten
hatten und doch so grosses für die Wissenschaft gethan
haben^ verdienen eine grössere Bewunderung, als wenn sie
in unabhängigen \'erhältnisse:i in England gelebt hätten.
Bei den aufgezählten Hemmnissen, welche der Hingebung
an wissenschaftliche Bestrebungen in Indien entgegenste-
hen, Klima, Berufsarbeiten, frühe Ilineinziehung in rein
praktische Beschäftigungen, Mangel an vollständiger wissen-
schaftlicher Vorbereitung, ist allerdings nicht zu verkennen^
dass eine Gefahr da sey, es könne ein Nachlassen des Ei-
fers eintreten, es ist am Ende ni« mand da, der verpflichtet
sey, ein übriges über sein Amt hinaus für die Wis-
senschaft zu thnn, es findet sich nicht immer jemand,
welcher seine Umgebung mit Eifer für die Wissenschaft
zu elektrisiren versteht. Es stellt sich daher klar das Bc-
dürfniss heraus, dass von oben herab es Jemanden zum
453
Amte gemacht werde, sich um die Wissenscliaft zu be-
kümmern, mit andern Worten, dass etwas von dem Systeme
des Europäischen Festlandes in Indien eingeführt werde.
Diese Bemerkungen sind durch mehrere Berichte der vor-
liegenden Bände über die Angelegenheiten der Asiatischen
Gesellschaft von Benaralen hervoroforufen. AVir sehen aus
eiuem Schreiben des Hofes der Directoren an den General-
Gouverneur (VIII, 958.). dass der Gesellschaft auf ihr
Gesuch 300 llupien monatlich zugestanden worden sind,
um für ihre naturhistorischen Sammlungen gehörige Sorge
tragen zu können, und einen Custos dafür mit zu besolden;
für andere Zwecke werden Unterstützungen in Aussicht
gestellt, wenn das Bedürfuiss sie erfordert. Dieses ist
sehr dankenswerth, macht es aber von zufalligen Umständen
abhängig, ob die Gesellschaft gerade im rechten Moment
die nöthigen Mittel habe. Man könnte, scheint es, auch
wohl einen Sekretär für das philologische und antiquarische
Fach anstellen, der Gesellschaft eine massige Summe be-
willigen, um Nachforschungen nach Denkmalen und ihre
Sammlung zu fördern, dann um die regelmässige Bekannt-
machung ihrer Verhandlungen zu sichern. Man würde dann
stets einen geeigneten Mann in Indien haben , um die In-
teressen der Alterthurasforschung wahrzunehmen imd es
der Gesellschaft möglich machen, ihre gelehrten Arbeiten
der Welt schneller vorzulegen.
Für die Geographie Indiens ist der wichtigste Beitrag
der Bericht Lieut. J/. Kittue's über verschiedene Reisen ia
das innere noch so unbekannte Waldland zwischen Ben-
galen, Orissa und dem Mahänada, VIII, 137. 367. 474. 606.
671. Es sind dieses Gegenden, welche in der Geschichte
Indiens höchst unbedeutend erscheinen , für die Zukunft
des Landes aber wichtig; sind, da sie sehr anbaufahior und
noch sehr menschenarm sind. Sehr ausführliche statistische
Nachrichten über jetzige Zustände enthält: Report on the
setllement ofthe ceded portion of Azimgurh, hy J. Thomason,
Esq. VIII, p. 77— 13G. Das Gebiet liegt zwischen Aude,
Gorakhpur und Benares. Der March between Mhoic and
Saugor, 1838. VIII, 805., dessen Fortsetzung auch die
Aufschrift: On the Huli in Malica. By Khan Ali, IX, 311.
trägt, rührt gewiss von keinem Orientalen, sondern von
einem Herrn ConoUy her. Der brauchbarste Theil ist die
Beschreibung des grossen Indischen Festes Huli {Hdläkä)^
doch würde sie nur gewonnen haben , wenn sie einfach
gehalten worden und weniger reich an sehr digressiveu,
aber nicht immer triftigen Bemerkungen wäre.
454
Die übrigen geographischen Artikel beziehen sich auf
die Gränzländer Indiens, lieber das kleine Land im Westen
der Indus -Mündung, Las (oder früher Lus) erhalten wir
umständlichere und kürzere Berichte: Account of a Journey
to Beylah, and Memoir on the Province of Lns. By Lieut.
Carloss, J. N. VIII, 184. Some accottnt of a Journey from
Kurrachee to Hinglaj, in the Iais territory^ descriptive of
the intermediate country , and of the port of Soumeanee (I.
Sonm.). By Captain Hart, IX, 135. wozu eine Karte der
Route, IX, 615. endlich eine Notiz über die Kupfergruben
bei Bela, von Cptain De la Hoste. IX, 30. Das kleine un-
bedeutende Land besass vor kurzem eine vergrösserte
Wichtigkeit, weil* von seinem Hafen Sunmiäni eine grosse
Strasse nach Kelat und von da nach Kandahar und Kabul
geht. Das Heiligthum bei Hinglag' im W. von Las, ein
Tempel der Mätä (Mutter) oder Mahämäja, wird viel be-
sucht von Hindupilgern. — Das interessante oberste Catadrü-
thal oder Kanaivar wurde auf Veranlassung der Asiatischen
Gesellschaft aufs neue besucht, vorzüglich behufs einer
genauem Untersuchung der Geologie und der fossilen Ue-
berresle dieses höchsten Himälaja's. In dem Journal of a
trip through Kunaivar, Hungrung , and Spili, undertnken
in the year 1838, etc. By Thomas Hutton, Lieut. VIII, p.
901. IX, 489. 555. wird unsere Bekanntschaft mit diesem
Hochlande nicht nur in geologischer und naturgcschichtliclicr,
sondern auch noch in politischer und socialer Kichtung er-
weitert und vervollständigt. — Dem Gebiet der neuern Geo-
graphie fällt auch der Artikel : A Collection of facts which
tnay he tiseful for the comprehension of Alexander the
GreaVs exploits on the Western banks of the Indus {nith
map^. By A. Court, VIII, 304. zu, denn was der Verfasser,
bekanntlich bis vor kurzem General bei dem Räg'a der
Sikh, ü r Alexanders Märsche eigenthümliches vorträgt,
entbehrt der vollständigen Kenntniss der Alten und der
genauen Abwägung ihrer Berichte, die in Europa ihnen zu
Theil geworden sind; wir logen ihm diesen Mangel jedoch
keineswegs zur Last, eine weitläufige Bibliothek alter
Classiker kann man im Feldlager nicht mit sich herumführen.
Seine Nachrichten umfassen das Gebiet zwischen dem
Indus, Kabul, Khonar und llinduknsch, die Karte ausserdem
das Land bis Kandahar, doch giebt sie nur für jenes Ge-
biet eigentlich neues. Dieses östliche Kabulistan im Norden
des Flusses Kabul ist noch nach den neuesten Ereignissen
beinahe so unbekannt, wie früher , die fanatischen lusufzei
wehren den Fremden den Zugang. Es ist, wie wir jetzt
455
sehen, dasjenige Indische Land, in welchem die meisten
antiquarischen Entdeckungen noch zu machen sind 5 die
Chinesischen Buddhisten, die zwischen 400 — 650. nach
Indien pilgerten , fanden das Land in seiner Biüthe und
reich an reügiösen Denkmalen; Fahian giebt die Zahl der
Klöster auf 500 an. Nach Court's Nachrichten müssen
viele Werke der Baukunst, wenn auch in Huinen^ noch
vorhanden seyn. Er zählt sieben Städte auf, von denen
grössere Ueberreste bekannt sind, ausser kleinern in ihrer
Nähe; zwölf Stellen , wo noch Stüpa sich Gudeu, dazu
noch andere Denkmale. Es scheinen sich auch weitere
Erläuterungen der Chinesischen Nachrichten aus Court zu
ergeben; dass das Land am Suwat bei ihnen Uiljania (Ug-
g'ana) und der Suwad, Suastus der Alten, ^itbharastu
heisscn, ist bekannt. Sie nennen weiter die Hauptstadt
Mengholi oder Mengkieli und setzen sie nahe dem Suwad^
da dessen Quelle 250 Li N. 0. von da lag '). Ich erkenne
darin Manglore oder 3Iangavar bei Court am Ostufer des
oberen Flusses; im Sanskrit nach einer früheren V'ermu-
thung Mangala, vielleicht noch richtiger Mangalavaia. Geht
man nordostwärts von der Hauptstadt zum Indus, und an
ihm aufwärts, dann über die Berge nach dem kleinen Flusse
Thalilo erreicht man die alte Hauptstadt. Diese Route
führt nach dem Tal -Flusse, auf dessen Südufer Ruinen
der alten Stadt Gank al sind. Ich übergehe andere Nach-
richten der Chinesen, die ebenfalls aus den jetzt noch er-
haltenen Denkmalen und Ueberlieferungen scheinen erklärt
werden zu kötinen. Da mehrere Stupa hier von den Chi-
nesen dem A9Öka zugeschrieben werden, würde es beson-
ders wichtig seyn, dass dieses Land genauer untersucht
würde.
Wir verdanken diese Berichte der Verbreitung der
Sikh- Herrschaft in das östliche Kabulistan. Aus dem
Umstände, dass Afghanistan in seiner ganzen Ausdehnung
mehrere Jahre von den Britischen Heeren besetzt gewesen
ist^ hesse sich erwarten, dass wir jetzt mit diesem Lande
aufs genaueste bekannt wären. Diese Erwartung ist aber
sehr wenig in Erfüllung gegangen. Ausser der Erzählung
der Kriegsbegebenheiten beschränkt sich die vermehrte
und berichtigte Belehrung meistens auf die äusserliche
geographische Beschreibung; einiges ist der Naturgeschichte
zu Gute gekommen, zumal der Mineralogie und Geologie;
1) Zur Geschichte, etc. S. 144. Foe K. K. p. 63. p. 59. »79.
456
für die Kcnntniss der socialen Zustände und der innern
Politik hat der Scharfblick und die Thätigkeit Elpiiinstone's
mehr geleistet, als alle die späteren Werke. Seiner um-
sichtigen Thätigkeit verdanken wir noch einen der schätz-
barsten Beiträge dieser Jahrgänge, das Memoir on the
Climate, Soil, Prodtice and Hnsbandry of Afghanistan and
the Neighhouring Conntries. By Lieut. Irwin j VIII , 745.
779. 869. 1005. IX, 33. 189. Es ist diese Denkschrift auf
die Aufforderung und zum Gebrauche Elphinstone-s aus-
gearbeitet worden. Da die damalige Gesandtschaft nur
einen Theil des Landes besuchen konnte, hat vieles auf
mündliche Berichte hin aufgestellt werden müssen; dessen
ohngeachtet bleibt diese Abhandlung für solche, denen es
bei der Länderkemitniss um mehr zu thun ist, als um ein
Wissen der Grade, Namen und Zahlen, eine sehr werth-
volle Mittheilung.
Die übrigen geographischen Artikel beziehen sich auf
die östlichen Gränzländer und Hinterindien. Der erste:
Extracts from the Narrative of an Expedition into the Naga
territory of Assam. By E. li. Grange^ VIII, 445. enthält
nur weniges vom allgemeinern Interesse; Naga oder Berg-
bewohner ist allgemeiner Name für die Avildcn \VaId-
bewohner eines Theiles des Berglandes zwischen Assam
und Silhet; hier geht der Zug in das Gebiet zwischen den
Flüssen Kapili und Dhansiri, die beide nordwärts nach dem
Brahmaputra strömen. Dagegen giebt das Journal of the
tnission which visited Bootan, in 1837 — 1838, under Cptain
R. Boileau Pemberton. By W, Griffith. VIII, 205. 251.
zuerst eine umfassendere, allgemeine, obwohl noch nicht
vollständige Beschreibung dieses Landes, welches als
östliche Fortsetzung des Himälajagebiets für die geogra-
phischen und physikalischen \VMssenschaften grössere
Wichtigkeit hat, als die rohe, grausame und trotz seines
Buddhismus unlitterarische Bewohnerschaft für den Ethno-
graphen und Historiker.
Assam, eines der am reichsten begabten, aber auch,
am meisten vernachlässigten Länder der Welt zog kurze
Zeit die besondere Aufmerksamkeit der Englischen Ver-
waltung auf sich, weil entdeckt wurde, dass iu seinen öst-
lichsten Strichen die Thecpflanzc einheimisch war. Man
erforschte die Arten und die Gegenden ihres Vorkommens,
man zog Chinesen herbei und wollte England mit Indischem
Thee versehen, weil Krieg mit dem wahren Theclande
war. Diese Anstalten werden beschrieben in: Report on
the manufactiire of Tea , and on the extent and produce
457
of the Ten plantations in Assam. By C A. Bruce, Super-
intendent of Tea culture, VIII, p. 497. mit einer Karle
der Theegegend. Dieser Bericht wird sein wissenschaft-
liches Interesse behalten, obwohl die Sache selbst seit dem
Frieden mit China es fiir die Handelspolitik verloren hat;
je mehr Thee man den Chinesen abkauft, desto mehr Zeuge
werden diese kaufen ; es wäre kein Vortheil , aus Indien
Thee zu ziehen und das Unternehmen scheint später ganz
aufgegeben worden zu seyn.
Von Richardson, von dem schon früher Reiseberichte
über die iimeren Gegenden Hinterindiens erwähnt worden
sind (Ztschfi. I, 225. III, 154..), ist hier eine neue Mitlheiiung
dieser Art gegeben: Journal of a Mission from the Su-
preine Government to the Court of Siam, VIII, 1016. IX,
1. 2 49. Dieser Bericht hat schon dadurch einen Vorzug vor
den früheren, dass er iu seiner ausfüiirjicheren Fassung mit-
geiheilt ist; er beschreibt ausserdem noch unbesuchte Theile
Siams. Die Reise geht von Maulmien an der Küste über
die grosse Scheidekette ZN^schcn der Westküste und dem
Siamesischen Stromsysteme bei den drei Pagoden, dann
den grossen Kamburifluss hinunter zur gleichnamigen Stadt,
^vo die Sisaval einmündet, dann nach Bankok. Von der
Rückreise, die von da gerade nordwärts bis Zimrae ging,
ist nur der Anfang in diesem Bande gegeben. Eine grosse
Karte ist beigefügt. — Von dem ebenfalls schon erwähnten
Deutschen Naturforscher J. W. Helfer (oben I\', 498.),
ist die Fortsetzung seiner Berichte über Tenasserim mitge-
tiieilt: Third report on Tenasserim, VIII, 97^1 Fourth re-
port, IX. 155. Sie beschäftigen sich vorzugsweise mit den
Bewohnern und ihren Zuständen, dann mit der günstigen
Lage und der Tauglichkeit dieses Landes, tropische Cul-
turen jeder Art in sich aufzunehmen ; im südlichsten Theile
gedeihen Mangustine und Muskaten, die bekanntlich ein
eigeuthüraliches, höchst mildes Klima erfordern. Der erste
dieser Berichte enthält viele beachtungswerthe Angaben
zum tieferen Verständniss des eigenthümlichen Characters,
der alle sogenannten lliuterindische Völker durchdringt. —
Das von der X'atur höchst begünstigte Land Tenasserim war
vor wenigen Jahren noch so unbekanut, dass die Britten
es nur im Frieden mit den Barmaneu behielten^ weil sie
es diesen nicht zurückgeben wollten. Man kennt und
schätzt es jetzt allerdings besser als früher , doch ist das
innere noch zum Theil so unbekannt, dass die Gränze gegen
Slam nicht anders bestimmt ist, als durch die hohe Scheide-
kette, deren Richtuug verschieden dargestellt wirdj der
FIhss Pakshan^ die Südgränze . mündet um einen Grad
446
weiter nach Süden, als man wusste. Eine berichtigte Karte
des südlichen Tenasserira findet sich bei der: Note on the
Map attached to the report of the Coal Committee , etc.
Bf/ Capt. Macleod, IX, 582. Die Frage, die hier vorzüg-
lich besprochen, aber nicht entschieden wird, ist eine in
geographischer und commerzieller Beziehung wichtige. Das
schmale Land, welches die Halbinsel Malacca mit dem
Körper Hinterindiens verbindet, verengt sich noch mehr
zwischen dem 12ten und 9ten, namentlich zwischen dem
lOten und 9ten Grade n. B. und Älalacca wird beinahe,
was es seiner Natur und Stellung ohnehin im wesentlichen
ist, zu einer wirkUchcn Insel. Man nennt diese Land-
enge Kräh. Es kommt hinzu, dass die meisten Flüsse
dieser Küste zwar kurz sind, aber breite schiffbare 3Iün-
dungen haben; es ist Thatsache, dass man durch Benu-
tzuna: der Flussschiffart, wo diese von beiden Küsten her
ins Innere in derselben geographischen Breite besteht, die
Reise zu Land auf die weniger Tage beschränken kann,
an einer Stelle sogar auf zwei. 'Einige Berichte behaupten,
es wäre an einer Stelle eine Lücke der grossen Meridian-
kette im Innern , nach andern ist dieses aber sehr zweifel-
haft. Durch eine bequeme Queerstrasse dieser Art würde
man die weite und beschwerliche Schiffarth durch die Ma-
lacca-Strasse um die Halbinsel herum sich ersparen und eine
grosse Erleichterung des Verkehrs zwischen den West-
und Ost-Küsten Hinterindiens gew^innen. lieber die rechte
Stelle des kürzesten und bequemsten Durchganges sind
noch Zweifel; genaue Bestimmungen der Lage der Oertcr
im Innern und sogar an einem Theile der Ostküste fehlen,
lieber die eine Verbindungsstrasse sind später genauere
Untersuchungen durch Richardson angestellt worden. Nach
einem Auszuge aus seinem Berichte {^Augshurger Allg.
Zeitg., 1844. No. 237.) segelte er 20 Engl. M. den für
grosse Schiffe fahrbaren Kraw-Fluss von der Mündung
hinauf, dann 8 M. in einem Boote bis zum Siamesischen
Dorfe Kraw; von da bis nach K impohun (Kampun) an
der Ostküste an der Mündung des gleichnamigen Flusses
sind auf dem Landwege 27 Engl. M. Der Kampunfluss
ist ebenfalls schiffbar, wie weit wird nicht gesagt. Die
Gränze ist bei dieser Gelegenheit zwischen Siam und Te-
nasserim festgesetzt worden, es fehlen die Angaben darüber.
Das Gränzland ist sehr fruchtbar und namentlich reich an
Zinn. Wenn der Krawfluss, wie es anzunehmen nöthig
scheint, der Pakshan ist, müsste die bisherige Unsicherheit
über die Lage der Landengo Kraw aufhören.
459
Die Beiträge zur Sprachenkunde beziehen sich mit
Ausnahme der schon erwähnten Mittheiluu;» über das Af-
ghanische auf die Sprachen der ursprünglichen Bewohner
des Himalaja in Nepal und Sikim und des vorliegenden
Landes. Diese Völker waren uns zwar früher durch Kirk"
patrick und Francis Hamillon bekannt geworden, wir er-
halten hier aber über einige unter ihnen genauere Xach-
richtcn, über andere ganz neue, und namentlich neue Bei-
träge zur Kenntniss ihrer Sprachen in folgenden Artikeln:
Note OH the Mechis^ taget her icith a small rocabulary of
the Language. By A. Campbell, Esq. \'III, 623. Note on
the Lepchas of Sikkim. By A. C. IX, 379. und ebend.59'%
Note on the Litnboos, aitd other Hill Tribes hitherto un,-
described, von demselben. Diese Völker gehören^ wie ich
anderswo zu zeigen gesucht habe^ meistens zu dem Tu-
betischen Volke^ dessen Hanptsitze im liöchsten Himalaja
und auf dem jenseitigen Hochlande sind, jedoch finden
sich auch Stämme von ihm in den unteren Theilen dieses
Himalaja; die Bewohner Butans gehören auch zu ihneo.
Das Brahmanenthum hat jüngere und beschränktere Ein-
flüsse auf sie ausgeübt, als der Buddhismus; es ist bei
einigen noch viel ursprüngliches erhalten. Die Xiclitindischea
Bewohner des niedrigen Vorlandes der Gebirge und der
Ebene, wie die Mek'h, haben eine nähere Beziehung zu
den Hinterindisehen Völkern, sie haben sich viel nachgie-
biger gegen die Einwirkung der Indischen Cultur gezeigt
und in dem östlichsten Indien sind viele von ihnen jetzt
als Hindu der unteren Kasten in den Staatsverband ein-
getreten. Ich will hiemit nur auf das verdienstliche von
Mittheilungen, wie die obigen, hindeuten ; da ich schon bei
einer andern Gelegenheit ausführlicher meine Ansichten
über ihre Eigenthümtichkeit, ihre ethnographische Stelluno-
und ihre Beziehungen zu Indien habe vortragen können ij,
vermeide ich hier darauf zurückzukommen.
Zur Erweiterung der Kenntniss der Litteraturgeaehichte
Asiens findet sich kaum ein Beitrag; denn der Artikel:
Sisupäla Badha, or death of Sisupdla by Mdgha. Translated
with annotations, by J. C. Sutherlaad, Esq. VUI, 16,
enthält nur die 20 ersten Strophen des längst bekannt «»-e-
machten Gedichts. Eine andere Mittheilung hat Werth,
als Beispiel vom neuern Stile der Sanskrit-Poesie und von
der Willkühr der neuern Secten, die alte Lehre und My-
1) Indische Alterthiimsfcunde, 1, 441. 457.
460
thengeschichte zur Verherrlichung ihres Sectengotts um-
zuwandehi. Ich meine: The Mahimna{1i) statu, or a Hijmn
to Shiva, wilh an English Iranslation. By the Rev, Krishna
Mohana Banerji. VIII, 355, Also von einem bekehrten
Hindu ^ der wenigstens gut Englisch gelernt hat. Dieser
Lobgesang kündigt sich an als das Werk eines auf der
Erde durch ein Vergehen festgehaltenen Gandharva's;
von einem himmlischen Geiste hätte man ein Recht, eine
besonders schöne Poesie zu verlangen; wer etwas mit der
Indischen Literatur vertraut ist, weiss schon, wie solche
Einkleidungen zu nehmen sind. Das Gedicht gehört der
neuern Zeit^, sein poetischer Werth ist kein grosser, das
Lob des Civa dagegen sehr gross, doch ist der Stil mei-
stens weniger künstlich und bombastisch, als in andern
ähnlichen neuern Ergüssen. Einzelne Ausdrücke haben
schwerlich ein gesichertes Bürgerrecht im Sanskrit, wie
manasa für manasa oder manas und vjäkrofi, Schmähung.
— Von andern Literaturen kommt nur: Specimen of the
Burmese Drama, translated by J. Smith.j, etc. \'in, 535. vor.
Aus dem begleitenden Bericht erhellt, dass bei den Bar-
manen noch Schauspiele aufgeführt werden, denn das hier
übersetzte Stück ist bei seiner Aufführung niedergeschrieben
worden; es soll auch noch Handschriften von Dramen geben.
Die dramatische Kunst scheint bei den Barmanen ohne
Zweifel aus Indien zu stammen^ das Rämäjana und andere
Indische Erzählungen liefern vorzüglich den Stoff. Die
Skizze des Inhalts zeigt im vorliegenden Falle , dass die
Dichtung bei den Barmanen von derselben Maasslosigkeit
und unmotivirten Willkühr beherrscht wird, wie bei den
übrigen Hinterindischen Völkern.
Ein Indisches astronomisches Instrument wird boschrieben
in Description of an Afttronomical Instrument^ presenteJ by
Raja Rum Sing, of Khota, to the Government of India. By
J. J. Middleton, Esq. VIII, 831. Es ist ein Instrument
zur Bestimmung der Tageszeit durch Beobachtung der
Sonne, nach der Inschrift erst im Jahre 1756 verfertigt,
aber nach alter Vorschrift in den Castra. Es ist genau
beschrieben und abgebildet. Astronomischen Inhalts, näm-
lich von den verschiedenen Arten des Jahres handelnd, ist
das kurze Stück aus der früher (IV, 497.) erwähnten von
Hammer'schca Uebersetzung des Türkischen Werks Mohit,
von welcher hier plötzHch eine Fortsetzung auftaucht^
VIII, 823.
Von Denkmalen sind nur zwei beschrieben und abge-
bildet: Proposed publication of Hindu Architeclural remains,
461
VIII, 384. und Note on a pillar found in the Ganges near
Ptibna, and of another al Kurra near Allahabad. By Lieut.
M. Kittoe. ebend. ^1. Im ersten Artikel wird ein schönes
Bild der Pärvati beschrieben. Der hier angekündigte Plan
scheint nicht ausgeführt worden zu sevn, was sehr zu be-
dauern ist. Wenn man überlegt, wie wenige zuverlässige
und mit gehöriger Kenntniss ausgeführte Messungen, Zeich-
nungen und Beschreibungen von den Denkmalen der Alt-
indischen Felsen -Baukunst — von einigen wie von dem
merkwürdigen Tempel in Ag'ajanta giebt es nur eine flüch-
tige Beschreibung — bisher gemacht und ans Licht ge-
fördert worden sind, wie sehr diese Werke der V^erwitte-
rung und den Zerstörungen , welche die \'egetation an
ihnen anrichtet, fortwährend ausgesetzt sind, muss man es
aufs tiefste bedauern, dass nichts geschieht, um sie durch
Beschreibungen der Forschung der Gegenwart und der Nach-
welt so treu und vollständig, wie es noch geschehen kanu^
zu überliefern. Es kann diesfcs von keinem Privatmanne
unternommen werden, nur von der Ostindischen Regierung,
es ist eine Pflicht, die sie der Welt gegenüber zu erfüllen
hat, die nicht schon erfüllt zu haben , ein schwerer Tadel
ist. Erfüllt sie sie nie, wird die Nachwelt eine solche
Gleichgültigkeit gegen die grossen Werke der Vorwelt, eine
solche Knauserei nie begreifen können. Wie kläglich er-
scheint sie in dieser Beziehung im Vergleiche mit der
Französischen, welche uns das alte Aegypten, nachher
Morea, daim Persepolis von befähigten Männern hat unter-
suchen und in grossen Prachtwerken der Welt darstellen
lassen. Sogar das kleine Toscana beschämt sie.
Was zur JMiin%kunde in diesen Bänden beigetragen
worden ist^ lässt sich kurz behandeln. Es sind folgende
Artikel: Account of Coins found at Bameean. By Captain
Hay, IX, 68. Notice of some counterfeit Bactrian coins.
Von Alexander Cunningham, ebend. 393. Notes on Captain
Hay's Bactrian coins, von demsc\hen, ebend. 531. Ich fasse
zusammen was hierüber zu sagen ist. Das südliche Afgha-
nistan hat sehr geringe Ausbeute geliefert; das Land im
Westen Kandahar's bis Seg'istän ist ebenfalls sehr arm
an Griechischen Münzen , und nur an Münzen des Azes,
des Gondophares und der ihnen verwandten Herrscher ist
es reich (IX, 97.). Die hier sehr ungenügend abgebildeten
Münzen sind alle sonst beschrieben, nur eine finde ich sonst
nicht erwähnt; es ist eine des Lysias, welche die Büste
des Königs darstellt mit der Reverse der Dioskuren-Haube
und Palmzweige, wie sie auf Eukratides und Antialkidcs
462
Münzen erscheinen. Die Legende ist die gewöhnliche.
Von Hrn. Alexander Cuniilngham, dem einzigen, der nach
Prinsep's Abgange die numismatischen Studien in Indien
mit Eifer, Kenntniss und Erfolg weiter verfolgt hat, wird
die Nach\veisung gegeben, dass seitdem die Baktrischen
Münzen dort so gesucht und so gut bezahlt werden, schon
mehrere Beispiele von nachgemachten vorgekommen sind.
Zwei^ VIII, 343. ungenügend beschriebene Farthische Mün-
zen sind nach seiner Angabe schon oben IV, S. 206. ge-
nauer beschrieben worden. Gemmen, die um Kandahar
gefunden worden sind, werden beschrieben in: Note of
discoveries of Gems from Kandahar. By Lieut. Conolly,
IX, 97. Sie sind verschiedener Art^ die Deutung noch
unsicher.
Einen solchen Reichthum an merkwürdigen und wich-
tigen Inschriften, Avie ihn der siebente Band darbot, wird
man nicht hoffen dürfen^ so leicht wieder beisammen zu
finden. Doch ist dieser Reichthum keineswegs erschöpft,
wir wissen von manchen Orten^ dass an ihnen viele noch
uncopirte Inschriften sich vorfinden, eine besonders danach
angestellte Nachforschung \vürde auch an andern Orten
ihrer entdecken, der Wunsch der Machthaber würde viele
Mittheilungen von Einheimischen hervorrufen. Die drei
vorliegenden Bände enthalten noch mehrere schätzbare In-
schriften, die ersten Nachfolger Prinsep's haben noch mit
seinem Eifer fortgewirkt. Ich gfche sie einzeln durch.
Sanscrit Inscription on the Slab remoted from above
the Kothoutija gate of the Fort Rotas. By the Editors.
VIII, 693. Sie gehört einem Räg'puten- Fürsten, Vira
Mitra-Sena, aus dem Geschlechte Tömara , welches sich
von den Pandava ableitet, es werden zehn Vorfahren des
Fürsten aufgezählt. Er hatte Rotas, welches hier mit dem
alten Namen Röhittlfva benannt wird, erobert, neu erbaut,
dort Tempel dem ^iva und der Durga errichtet, auch in
Kä^i (Benares) eine Wohnung einem ausgezeichneten Brah-
manen erbaut» Die Inschrift ist in Versen in dem gewöhn-
lichen, übertrieben lobenden Stile, von dem Poeten Civa
Döva. Sie ist datirt Samvat J688 oder 1631. Die Ueber-
setzung der Herausgeber ist bis auf einige Kleinigkeiten
richtig. Sie nehmen an, dass die Eroberung der Feste
Rotas, die hier gepriesen wird, nicht wahr sey, weil der
Herrscher, dem Vira Mitra sie genommen zu haben sich
rühmt, Sher Khan (im Text SPr Shdn, er für r^ geschrieben)
genannt wird und der berühmte Beherrscher Indiens dieses
Namens schon 1540 starb. Diese liüge wäre aber doch
4«3
gar za frech den Zeitgenossen gegenüber gewesen; dazu
wird Geläl eddin Shkh oder Akbar dist. 12. als Zeitgenosse
des Vira.Mitra erwätmt und die Inschrift fällt in das vierte
Jahr des Shäh G ihan. Die Eroberung der ;Feste ist aber
früher geschehen als die Vollendung der Bauwerke und
kann mit Sicherheit in die Regierung G ihangir's ( 16()5 —
1627) gesetzt werden. Shcr Khan jvird nicht als Kaiser
bezeichnet, es muss also ein anderer seyn. Ich halte ihn
für den Sher Afghan Khkn, an den die Nur Mahäl zuerst
verheirathel war und Avelcher von Akbar ein Cagir in
Bengalen erhielt. Er wurde auf Gihängir's Betrieb 1610
ermordet. Ich weiss freiUch nicht, ob Rotas zu seiner
Statthalterschaft gehörte.
Notice of a Grant engrar ed on Copper, fotind at Kumbhi
in the Saugor Territory. By the Editors. VIII. 491. Dieses
ist die^Urkunde über die Schenkung eines Dorfes an einen
Brahmancn von dem Kronprinzen Ag aja Sinha Deta.
Dieser war der Sohn des Königs Vig aja oder G aja Sinha
Deva, dessen ältester Bruder S'ara Sinha hiess. der Vater
Gaja Karn'a. Es ist auch ein Geschlecht von Rag'puten,
das Ktdak'uri genannt und von Kärfavirja. einem der Bha-
rata, abgeleitet wird^ also ein Mondgeschlecht. Die Ur-
kunde ist datirt Samvat 932 oder 875 nach Chr. G. Sie
ist hier im Original und in einer Uebersetzung mitgethcilt, im
Allgemeinen richtig, doch bleiben einige Lesarten, nament-
lich Eigennamen, zweifelhaft, für welche ein Facsimile zu
wünschen gewesen; dieses gilt besonders von der Auf-
zählung der grossen Hofbeamten mit ihren Titeln, die zum
Theil mit denen übereinstimmen, welche vom Lalitäditja iu
Kashmir eingeführt wurden. Ich muss mich jedoch hier
auf wenige Bemerkuu^n über die Avichtigsten Beziehungen
der Inschrift beschränken.
Es -kommen zuerst zwei unerwartete fremde Völker-
namen vor, die Hiina und Turushka. Der Grossvater
Gaja Karna heirathete, heisst es, Availä, «die wie die
Glücksgöttin aus dem Meere der Nachfolger der Hün'a
gebohren ward*).« Also eine Königin aus einem fremden
Geschlecht? Welche Huunen? denn die weissen Hunnen
herrschen jetzt längst nicht mehr am Indus. Lebten noch
Nachfolger von ihnen dort? Schwerlich. Ich möchte ver-
muthen , — die Richtigkeit der Lesart voraussfesetzt —
dass Hun a, wie sie sonst in Erwähnungen von fremden
1) Die LaxBu kam bei der Qairlung des Weltozeaos zum Verscfaeia.
,^
464
Völkern mitlaufen, nur unbestimmter Name für Innerasia-
tische Völker sey. Es könnten vielleicht Türken gemeint
seyn. Doch findet sich auch in einer anderen Inschrift aus
dem Dckhan, Cäka 894. (972.), die Erwähimiig von
Schlachten mit den Ilün a 0- Die Türken sind gewiss mit
Ttirushka bezeichnet. Es heisst bei Gaja Sinha's Thron-
besteigung habe "dej" König von Gug gara sein Reich ver-
lassen, wie der Turushka^ — — andere seyen aus Furcht
zum Ufer des Ozeans geflohen.« Die Prahlerei^ welche
diesen Inschriften eigen ist^ berechtigt uns nicht, dieses
wörtlich zu verstehen, es geht aber daraus hervor, dass
die Turushka an den Westgränzen Indiens damals Macht
besassen. In einer verstümmelten Sanskrit -Inschrift aus
Hund bei Attok am Indus ist die Rede von dem Siege
über «he ndrikta Turushka, jjdie mächtigen Turushka.«
Der Schrift nach gehört sie etwa dem achten Jahrhundert
{As. J. of R. VI, 876.). In der Geschichte Kashmirs wer-
den sie um das Jahr 700 erwähnt. Der Chinesische Rei-
sende Iliuan Thsang findet die ßaktrischen Länder im
Besitze der Thoukieni oder Türken, am weitesten südwärts
in Hupiän auf der Südseite des Hindukush. Sie scheinen
sich nach seiner Zeit weiter nach dem Indus verbreitet
zu haben. Es müssen dieses die Turushka seyn, das Wort
bedeutet demnach in den angegebenen Stellen Türke.
Das Rag'puten- Geschlecht, zu welchem Gajasinha
gehörte, wird Kulak tiri genannt, es ist den Herausgebern
entgangen, dass dieses eine nicht unbedeutende Rollo in
der Geschichte des Dekhans gespielt hat. Es ist nicht zu
bezweifeln, dass es dasselbe ist, welches in andern In-
schriften Kaluk'uri heisst. Es soll, obwohl dieses kaum
richtig gelesen seyn kann, auch Kaiabhuri genannt werden.
(Hindu Inscriptions, hy Walter Ellioi , in J. of the R. As.
Soc. Vol. IV^, p. 19.). Die Herrscher waren ursprünglich
'^
\) J. of the R. A. S. m, 108, Die Worte sind Hünäviparan'eshv-
akampitamatih, wiedergegeben: „Der beständige BescliüCzer der
Uuuavi-Fürstcn (der Könij;e von Hün'adeya)," welches durch Hu-
nawnr oder An«tre (an der Malabarkiiste) erklärt wird. Dieses ist
offenbar unrichtig; auch wäre zu übersetzen : „(der Könifr), dessen
Geist furchtlos in den .Schiachten mit den Huii'a war." Das zweite
Wort ävii;a ist aber falsch we^eu des Metrums, Hiin'(rvi{-a, Herr
der H. erfordert eine unerhörte Form lliin'äri. Das eingeklammerte
Hün'ade{'a lässt vermutheu, dass auch so gelesen werden könne.
Aber auch dieses stellt das .Metrum nicht her. Illin'i'idhi(,^a, „in
den Schlachten mit dem Oberherrn der Hön'a" ist^ die metrisch
richtige, ob auch die waliru Lesart, kann ich nicht entscheiden.
465
Vasallen oder ManäaU^tara 4es grossen Karnät'a-Reichs
und zwar iu der Provinz Kaljän'a. Einer von ihnen^ Vig ala,
erhob sich wider seinen Oberherrn, vertrieb ihn im Jahre
1162. und nahm nachher die höchsten königlichen Titel an
(a. a. 0. p. 10.). Dasselbe niuss nach unserer Inschrift
Gaja Sinha früher gethan haben, da er auch die könig-
lichen Titel sich beilegte. In dem hier benutzten Berichte
über das Karuäta-Reich findetsich nichts zur Bestätigung oder
Widerlegung. Der Name Gaja Siuha kommt auch sonst
in diesen Dynastien vor. S. J. of the R. A. S, V, 346.
III, 271. Die Kulak'uri leiteten sich ab vom alten Mond-
geschlechte, als besonderer Stammvater galt der epische
König Kartsvirja, Beherrscher der Haihaja (Inschr. 6.) i)*
Er soll in Mahishmati an der Xarmada geherrscht haben,
in dieser Gegend waren wohl die ältesten Besitzungen
des Geschlechts. Das Dorfj welches geschenkt wird, rauss
nach der Inschrift an der Narmada gelegen haben. — Die
Titel des Gaja Siuha erfordern noch einige Bemerkungen,
weil sie nicht ganz richtig wiedergegeben sind und einige
grosse Schwierigkeiten noch darbieten. Der Ausdruck
^ri VthnaJeva-pudunudhjäta, welches «der höchste der Ver-
ehrer des Civa (Väma)" übersetzt wird^ rauss ganz etwas
anders bedeuten. Cri bezeichnet, dass hier ein Königs-
name zu suchen sey, pädänudhjäta bedeutet nicht Verehrer,
sondern Sohn. Es kommt hinzu^ dass der königliche Titel
vor Väraadeva wiederholt wird. Man vergleiche die ganz
gleiche Fassung der Inschrift des G ajavarma bei Cohhrooke^
Ess. II, 309. Nun steht aber deutlich iu der Inschrift vom
Vater des Gaja Sinha: dessen (des Jacaskarraan) Sohn
war der hochgewaltige, als Gajäkarn a berühmte u. s. w.
Dieses "Wort bedeutet das Ohr Gajä's, der bekannten Stadt
in Bihär, und kann kein Ehrentitel seyn, sondern ist der ei-
gentliche Xarae. Was auch immer die Veranlassung zu dieser
Benennung gewesen seyn mag^ wir können nicht umhin,
1) Es ist merkwürdig, dass in der Inschrift eine Abweichung von der
Puranischeo Ueberlieferung über die Könige der Sage vorkommt.
Es steht nämlich richtig zuerst Purüravas, dann aber Bharata,
„in dessen Geschlecht Kärtavirja am meisten herTorstrahlie."^ Es
gilt Kärtavirja als Nachkömuiling des Haihaja, eines Sohnes des
Jadu (^W'üsun's Vishiiu f. p. 417.3, Bharata stammt aber ab von
einem andern Sohne des Jadu, nämlich Püru und ist später der
Reihe der Geschlechter nach. Es ist wahrscheinlich Bharata ein-
geschoben^ um die bei Wilson a. a. O. erwähnten Bharata abzuleiten.
Elliot giebt nicht die ersten Stammväter an, sondern beginnt erst
mit einem Sankarasu.
V. 30
466
eines von zweien zu Verraulhen. Entweder sind Gajäkarna
und Vämadeva für gleich zu halten; es lässt sich dafür an-
führen, dass in der Reihe der Kälukja-Könige von Karnätä
auch Doppelnamen vorkommen. Oder pädunudhjuta könnte
auch designirter Nachfolger^ nicht blos Sohn bezeichnen.
Dieses wäre aber erst zu erweisen. — Die übrigen Titel
des Königs G'ajasinha machen Ansprüche auf ein sehr
grosses Reich, sie lauten: ^sdes Sohnes von seiner Majestät,
dem Oberkönige der Erdenbeherrscher, dem höchsten Herr-
scher Vämadeva, Seiner Majestät, des Oberkönigs der
Grosskönige, des höchsten Herrschers, des höchsten Grosß-
herrn, des Oberherrn über Trikalinga, des Öberherrn über
die drei durch seinen Arm eroberten Reiche des A9vapati,
des Gag'apati und des Narapati, des glückUchen Herrn
Vig'aja Sinha Deva, des siegreichen ^).«
Ich bemerke zuerst, däss dem Vämadeva ein stolzerer
Beiname gegeben wird, Oberkönig der Mahi^akra, der Er-
denbehcrrscher^ als dem Sohne, der nur Oberkönig der
mahuräg'a heisst; das letztere Wort gilt wenig mehr als
das einfache König. Paraina-mähefvara ist ein sonst unge-
wöhnlicher Titel; er ist hier tautologisch; mähefvara kann
nur Adjectiv von mahefvara, grosser Herrscher, seyn, also
der höchste grosshenlichc. Kann dieses der höchste der
grossen Vasallen bedeuten? Dieses war nach der oben
angeführten Angabe die gevvöhnliche Stellung der Kulak'uri.
Ich vermuthe, weil Mahümand alefvara im Reiche Karn ata
Titel der Grossvasallen war, dass hier parama Mand ale^-
vara zu lesen sey. — Der Name Trikalinga kommt, so
viel ich weiss, sonst nicht vor; Trilinga für das Gebiet
Telingana ist bekannt, kann aber nicht dasselbe seyn, da
kalinga stets die Küste bezeichnet. Gab es eine Einthei-
lUng dieser Küste in drei Gebiete? — Mit dem folgenden
Titel macht Vig'aja Sinha grosse Ansprüche. Die Benen-
nungen Gag'apati, Elephantenherr, Afvapafi, Pferdeherr,
Narapatif Männerherr, mit der hier fehlenden vierten K/ia-
trapatij Sonnenschirmherr, gründen sich auf die der alten
J) Die OrigSualworte sind: sa k'a parama bhat't'araka tnahi^a^
kradhirag'a paramP^vara Qri Vama DPva padanudhjäta pct'
ramabhat' t'äraka mahar(ig'adhirtig'a paramrfrara parama-
mkhegvara TrikalingAdhipati ing'ahhi/g'öpArg'itHfvapati pag'a-
patinarapati-r-Xg'jatrajAdhipati {"rimnd Vig'aja Sinha Ih'va
pater vig'ajinah u. s. w. Ich habe nXtf'ja statt raj/a geschrie-
bea^ wie es wegen upHrg'ita notliwendjg ist.
4
467
epischen Ueberlieferan» unbekannte Vorstellung, dass in
dem grossen alten Indischen Reiche vier Grossvasallen
waren, nach ihren hohen Erb-Aemtern benannt; bei der
Auflösung jenes Reichs machten sie sich unabhängig und
bildeten eigene Reiche: der Gag'apati in Orissa, der Na-
rapati in Dekhan, der A9vapati im Mahrattenlande, der
K'hatrapati in G'ajapur in Rag'putana {Stirling, Orissa, io
As. Res. XV, 225. 254. Fr. Bitchanan, Alysore, III, 471.). -
Die Buddhisten haben auch diese Eintheilung Indiens an-
genommen, wenden sie jedoch auf andere Weise an
(Xote zu Foekoueki j p. 82.). — Es macht Vig'aja Siuha
also Ansprüche auf eine sehr ausgedehnte Herrschaft im
Dekhan, es ist wahrscheinlich viel Uebertreibung dabei.
Es kann diese Macht der Kulak uri auch nur vorüberge-
hend gewesen seyn, da das Reich der Kalukja später noch
bestand.
Bei der zunächst zu erwähnenden Inschrift: Notice of
an Inscription ort a Slab, discorered in Fehruary , 1838,
hy Cpt. T. S. Burt, in Bitndelkhund, near Chhatarpur. —
By the Editors. VIII, 159. kann ich mich kürzer fassen.
Der Ort, woher die Inschrift stammt, heisst Khag'rao, S. O.
von Khatarpur nahe bei Rag agarhi am rechten Ufer des Kena-
flusses, wo noch viele Ueberreste alten Glanzes sind, be-
sonders schöne Tempel und ausgezeichnete Bildwerke. Die
Inschrift verherrlicht die Errichtung eines Tempels und
Bildes des Civa von dem Könige Banga, 1019 Samvat oder
962 nach Chr. G. Sie ist in Versen, die zwar im spätem
künstlichen Stile sind , jedoch besser als in den meisten
Inschriften. Der Text und eine Uebersetzung von J. C. C.
Sutherlaiid sind mitgetheilt; diese ist im Allgemeinen richtig,
der Text nicht ganz fehlerfrei gedruckt. Das Geschlecht
des Königs ist ebenfalls ein mondgebohrencs, sechs Vor-
fahren werden aufgezählt, es ist noch nicht anderswoher
bekannt. Die Herausgeber machen darauf aufmerksam^
dass die Inschrift Samvat 1173. oder 1016. vom Könige
GajavarmaDeva erneuert worden ist und dass dieser viel-
leicht der in der Inschrift As. Res. XII^ p. 357. erwähnte
ist, obwohl dieser andere Vorfahren als Banga hat, jedoch
auch nicht in der Inschrift des Banga als S'achfolger von
diesem erwähnt wird. Es war also ein Thronwechsel ein-
getreten. Ich hebe für die Sprache dieses hervor, dass
der Sohn des Mondes iltandra), der Enkel des Atri, also
der Planet Budha oder Mercur, hier mit dem sonst (mir
wenigstens) unbekannten Namen K' undrdtreja benannt wird.
Einen andern als Budha hier anzunehmen, verbietet di«
468
allgemeine tJebere'instimmung der TJeberlleferung. Noch
auffallender ist es, dass sein Sohn, der erste menschliche
König, der sonst stets Purüravas heisst, hier Väjvarjaman
genannt wird. — Eine wichtige Ergänzung der Geschichte
Guzerats , oder genauer des Theiles der Küste , welchen
die Alten Larike, die Inder Lata (^Lura) nannten, enthält
die Inschrift in dem Artikel: Accounl of Tamba Patra
Plates dug iip at Baroda, with Fascimile and Translation.
VIII, 292. Es ist die Landschenkung eines Königs Karka
aus dem Jahr ^äka 734. oder 812. Er gehörte einer be-
sonderen Dynastie, die ein neues Reich hier gründete, sechs
Vorfahren werden aufgezählt. Gurg'ara erscheint hier als
besonderer Staat, ausserdem \Verden die Könige von Mä-
lava und Gaud'a (Bengalen) erwähnt. Diese Dynastie muss
Nachfolgerin der Balhära's seyn, wenigstens in einem Theile
des Landes. Es ist eine der am einfachsten geschriebenen
und daher zuverlässigsten Inschriften. Die Uebersetzung
ist \on einem Inder Saroda Parshad K akravarti und im
Ganzen richtig, sowohl im gedruckten Texte als in der
Uebersetzung sind einige Stellen jedoch zu berichtigen.
Wenn man alle Inschriften aus diesem Lande zusammen-
stellt, kann man jetzt eine ziemlich vollständige Uebersicht
der Geschichte desselben gewinnen; dieses kann hier nicht
meine Absicht seyn.
Uebcr die übrigen Inschriften ist wenig zu sagen. Ja
Notices of Inscriptions in Behar , communicated by Mr.
Ravenshaw. By the Editors, VIII, 347. sind Nachrichten
von Sanskrit- und Persischen Inschriften; die letzteren
sind raitgctheilt; von den ersteren waren die Abschriften
so ungenügend, dass die Entzifferung der grösseren nicht
gelingen wollte; eirie kleinere ist früher abgeschrieben und
von Colehrooke {Trans, of the H. A. S. I, 201.) übersetzt.
Andere kleine sind Aufschriften auf Buddha-Bildern, welche,
so wie überhaiipt Ueberresto des Alterthums, in Süd-Bihar,
namentlich bei Gaja häutig gefunden werden. Zwei grös-
sere sind auf einer Säule und der Schrift nach bedeutend
alt; eine dritte auf einem Stein befindlich ist in der A^öka-
Schrift. Ein Facsimile einer der ersten ist mitgetheilt IX,
65. mit einem Entzifferungs- unti Erklärungs-Versuche der
zwei Pandit Kamala Kdnta Vidjälanka und Harrimbu-'
näth; ich bezweifele, dass viel richtiges darin scy. Dass
es sehr nützlich und erleichternd ist, bei Arbeiten über
Sanskrit -Texte sich der Flülfe der Pandit zu bedienen,
leuchtet von selbst ein; wie sehr aber auch es Noth thut,
befähigt zu seyn, eine strenge Coutrole gegen sie auszu-
469
üben^ zeigt ein merkwürdiges Beispiel io dem letzten Jahr-
gange. Mau braucht niciit absichtliche Täuschung voa
ihrer Seite anzunehmen, es ist Unfähigkeit, sich einen Be-
griff von dem zu bilden, was Kritik heisst. Wer gute
Sanskrit -Handschriften untersucht hat, wird wissen, dass
wo der Gegenstand ihnen bekannt ist, kenntuissvolie und
sorgfältige Indische Gelehrte sehr richtig Fehler zu emeQ-
diren verstehen ; bei Inschriften sind sie rathlos und können
nicht begreifen, dass für uns nicht ein wilikührlich zurecht
gemachter Text, sondern nur das thatsächlich vorhandene
einen Werlh hat. Das erwähnte Beispiel findet sich in:
Notice of an inscription from Oodeypore tiear Sagur, IX, 545.
James Prinsep kannte schon die Inschrift und hob aus ihr
hervor, dass sie das Jahr des Vikramäditja 1116. und das
des ^älivähana 981 dem 446sten der besonderen Aera des
Udajäditja gleich setzte, diese also im Jahre 613, anfange.
Sagur liegt N. W. von der Quelle des Sonar. Der erste
der vorhin genannten Pandit hat diese Inschrift gelesen,
fand sie aber so fehlerhaft in Beziehung auf Grammatik
und Ausdruck^ dass er darauf bestand, seinen Text und
seine Uebersetzung nicht drucken lassen zu wollen, wenn
nicht seine Emendationcn zugleich beigedruckt würden.
Dieses ist nun geschehen und man kann hierin dem Pandit
nur Recht geben. Denn aus dem was er gelesen hat, würde
auch der scharfsinnige Gane^a keinen Sinn herausfinden.
Dass er aber glaubte, ein so gewaltsam und wilikührlich
zurecht gemachter Text könne irgend einen Werth als
historische Urkunde haben, ist für uns ganz unbegreiflich,
zur Charakterisirung der Vorstellungen eines Indischen
Gelehrten über historische Wahrheit und die Grundsätze
historischer Kritik höchst belehrend. Es werden nicht nur
Worte umgestellt, Casus verändert u. s. w. sondern aus
einer Reihe sinnloser Sylben mit beliebiger Aenderuug ein
ganzer Satz gemacht. Ein Beispiel möge genügen; ich
setze das gelesene über das emendirte:
T. nripati k a ribitdha mulavam rugjam kritvä
E. nripatir-atibiidho dhännikö mälavefo rägjam kritvä
T. ridutä (Lücke) süravira bhavati
E. pradätä svaparabalajutah furariro babhiiva^
T. shalamidait pupindtn bhüsharahd \ tebhjah putrah u. S. W.
E' ausgelassen | tasja putrah u. s. w.
Auf diese Art ist es leicht Geschichte zu machen.
Ich will natürlich nicht versuchen einen so verdorbeuen
470
Text wiederherzustellen, nur bemerken, dass der Namß
der Inschrift snravira, Sonnenheld, viel besser als der neue
füravira oder Heldheld ist, und dass wer aus den vorhande-
nen Elementen seine Hülfsmittel der Emendation sucht, tajöli
putrah gelesen und daraus geschlossen haben würde, dass
im vorhergehenden auch der Name der Mutter vorkommt.
In den Vorbemerkungen wird aus der Verdorbenheit des
Textes geschlossen, dass wegen der verworrenen Zustände
des Landes die Kenntniss des Sanskrits ganz in Verfall
gerathen sey. Man wird sich vergebens nach einem ähn-
lichen Beispiele in irgend einer richtig gelesenen Inschrift
umsehen und da es heisst, dass die Inschrift gut erhalten
ist, muss es an der Ungenauigkeit und Unfähigkeit des
Pandits gelegen haben, dass so wenig zuverlässiges zum
Vorschein gekommen ist.
Zuletzt ist einer wichtigen Entdeckung zu gedenken,
einer neuen Inschrift des Aföka: Inscription fotind near
Bhabra, three marches from Jeypore on thc road to Delhi,
By Capt. Burt. IX, 616. Diese ist von den frühern ver-
füchieden. Da ich hoffe, meine Untersuchungen über alle
A^oka-Inschriften in einem der nächsten Bände der Zeitschrift
mittheilen zu können, genüge hier diese kurze Erwähnung.
C. L.
3.
Die Götter Syriens. Mit Rücksichtnahme der neuesten For-
schungen im Gebiete der biblischen Archäologie von
F. Nork. Stuttg. J. F. Cjist. 1842. 8. pp. VIII, 41
und 198.
Diese Zeitschrift pflegt sich zwar nicht damit zu be-
fassen, ephemere I'roducte des Bucbhundels zur Anzeige
zu bringen; doch kann immerhin auf den ausdrücklichen
Wunsch der Verlagshandlung mit obigem Buche eine Aus-
nahme gemacht werden.
Dasselbe zerfällt i« zwei leicht zu unterscheidende
Thcile. Der eine gehört Hrn. F. Nork au. Die Manipr
471
dieses Schriftstellers ist bereits an mehr als einem Orte
ganz hinläno:lich charakterisirt worden, und er hat sich so
unverbesserlich gezeigt , dass es völlig überflüssig wäre,
auch nur ein Wort darüber zu verlieren. Vor der AVissen-
schaft ist er gerichtet und fallt fortan bloss der Poh^ei
anheim.
Der Polizei" nämlich ist der andere Theil des Buchs
verfallen. Dieser andere Theil ist nicht von Hrn. Xork,
sondern zu ihm hat er einen Mitarbeiter gehabt, allerdings
einen sehr unfreiwilligen. An Movers Werk über die Re-
ligion der Phönicier hat sich diesmal die edle Industrie
versucht, welche fremdes Eigenthura, in dessen Besitz sie
sich gesetzt, zu zerfetzen und zu zerschneiden und dann
in neuer Zusammensetzung und einigermassen unkenntlich
gemacht auf den Trödelmarkt zu bringen liebt. Durch die
erste Hälfte des Buches ziehen sich nämlich grosse Frag-
mente des Movers'schen Werkes , leicht kenntlich an der
klassischen Gelehrsamkeit, durch welche sie sich von den
sehr magern und ungelehrteu Gaben des Verfassers unter-
scheiden, theils in den Text verwebt, theils die Grundlage
desselben bildend und gelegentlich mit den Zusätzen des
Verfassers ausgestattet. Zur Bestätigung dieses Urtheils
werden folgende Belege ausreichen: Der Artikel Baal
Aleon S. 75. 76. steht wörtlich bei Movers S. 25S — 60,
ohne dass dessen die geringste Erwähnung geschähe. Der
Artikel Thammuz ist folgendermassen zusammengeleimt:
S. 80= Mov. 200; 81 = M. 201. 205. 206: 82 = M. 209;
83 = M. 243; 84 = M. 201. 202; 85 = M. 245. 246; 86 = M.
246. 247; 87 = M. 343. 203; 88 = M. 235. Der ursprüngliche
Verfasser ist bloss vorher gelegentlich S. 70 in der Note
erwähnt, um seine Etymologie des Namens anzuführen und
S. 87. innerhalb eines Zusatzes aus Hrn. Norks eigner
Feder gelegentlich citirt. — Der Artikel Aschera ist von
S. 102—115 aus M. 560 — 583, von S. 115—122 aus M.
678—688 copirt. Dadurch dass Hr. Nork S. 102 schon
mitten in dem ausgeschriebenen Stück einmal die Worte :
»sagt Movers, dessen Beweisführung hier w'Örtlich wieder
gegeben wird« einschiebt und S. 115 den zweideutigen
Ausdruck gebraucht: «auch hier folgen wir den Andeu-
tungen Movers« (denselben Sinn hat auch wohl die nRück-
sichtnahme der neuesten Forschungen« auf dem Titel,
welchem Judendeutsch Salze wie der sehr ergötzliche auf
S. 13: "Bei sei ein Dialect von Baal und beide nur La-
bialdialecte für All, der Allah der Araber« >\ürdig zur
Seite stehn), hält er sich für berechtigt, sogleich zwanzig
472
Seiten seines Buchs wörtlich aus Movers herüberzunehmen,
wörtlich sa^e ich, denn solche unwesentliche Veränderungen
wie z. B. S. 114.
Movers S. 581.
Um hier andere Analogien
beizubringen, erinnere ich
an den wahrsagenden Lor-
beerbaum in Delphi u. s. w.
— oder um hier andere Analo-
gien beizubringen, der wahr-
sagende Lorbeerbaum in Del-
phi u. s. w.
sind nicht in Anschlag zu bringen. Durch ähnliche Cita-
tionen eingeleitet finden sich Stücke des Movers'schen
Buches S. 38—40. (M. 329—31.:) ; 62. 63. (M. 423J; 67-69.
(M. 431—34.); 89—90. (M. 197. 198.); ohne irgend eine
Erwähnung 91—93. (M. 590. 91.); 96. (M. 593.); 34. not.
CM. 304.3; 57. 58. (M. 668.); 77. CM. 68.). Die völlige
Unselbständigkeit und Unwissenheit zeigt sich durch die
nachgeschriebenen Druckfehler z. B. S. 66. »die etruskische
Form Hercole auf einer Patera bei Creuzer Symb. Bilder-
heft T. 67, 3« (vielmehr 57.). Zu wissen, dass die etrus-
kische Form Hercle sei und so (eigentlich Herkle) auf
dem angeführten Bilde steht, ist freilich von Hrn. Nork
nicht zu verlangen. Die eigenen Verzierungen, mit denen
er das fremde Gut zu versehen pflegt, sind regelmässig
unbeschreiblich unsinnige Etymologien (terminus kommt z. B.
noch S. 56. von dem '»koptischen Artikel t" und dem he-
bräischen cÄercm [Bann], wozu denn erst ein »Termesu
als Gott der Gränzen erfunden werden muss), unpassende
Vergleichungen unverstandener Indischer und Persischer
Dinge, missrathene Beziehungen auf den Thierkreis und
drgl., und namentlich phallische Andeulungen; denn die
Phantasie des Hrn. Nork ist so verdorben, dass er in Allem,
was ihm vor Augen kommt, einen Phallus sieht.
Indess kein Buch ist so schlecht, dass sich nicht etwas
aus ihm lernen liesse. Aus vorliegendem kann man allerlei
neue Sanskritwörter lernen, z. B. malaka König cS, 33.),
prah, hrah glänzen, leuchten, raya rex (3.), pal, hal strahlen
(13.), hrahas Glanz (13.), pag facio (20), thak (inster sein
(26.), kanna W^eib, verwandt mit yj Auge (30.), rag
rasen, zerstören (33.), mnsch Finslerniss C^6.), sac decken
(124.), u. drgl. mehr, das um So dankbarer anzuerkennen
ist, als diese Wörter in den Lexicis, wie auch in den
Schriftdenkmälern des Sanskrit nicht vorkommen, und wir
ohne Hrn. Norks gütige Mitlhciluug ihre Kcnulniss gänzlich
entbehrt hätten.
Zu Ehren der Verlagshandlung muss noch erwähnt
werden, dass dieses Buch noch einmal unter einem andern
473
Titel ausgegeben ist. Es befindet sich nämlich ganz , wie
es hier ist, in des Verfassers iu demselben Jahr erschie-
nener biblischer Mythologie, nur dass, charakteristisch
genug für diese Art von Schriftstellerei, die Einleitung in
den »Göttern Syriens« um eine Anzahl Seiten verkürzt
ist, und zwar einfach in der AVeise, dass hie und dort
einige Seilen weggelassen wurden. Auf den Titeln ist
davon nichts bemerkt und es ist nur in der Vorrede der
nBibl. Mytli.« kurz angezeigt. Leider werden den Schaden
davon gerade die eifrigen Verehrer des Hrn. Xork zu
tragen haben, die etwa seine Werke auf seinen Namen
hin unbesehen anzuschaffen sich beeilen sollten.
G.
4.
The Dabistan, or school of Manners ^ translated from the
original Persian, with notes and illustrationsj by DAriD
Shea, of the Oriental department ^in the Honorable
East India Company's College; and Asthosy TroyeRj
Member of the Royal Asiatic Societies of Great Britain
and Irelandj of Calcutta and Paris ^ etc. Paris 1843.
3 Vols. 8co.
Das hier aufgeführte Werk bringt uns eine anziehende
und willkommene Bereicherung unserer Kenntniss des Mor-
genlandes in Beziehung auf einen höchst wichtigen Gegen-
stand; sein Zweck ist, die um die 3Iitte des siebzehnten
Jahrhunderts in Asien bestehenden Religionen zu schildern.
Der Verfasser ist ein Muhammedaner und es muss unsere
Neugierde um so mehr rege werden, zu erfahren, wie ein
solcher ihm so widerstrebende Religionen, wie die Christ-
liche und die Indische auffassen und beurtheilen möge, je
weniger es dem Islam eigen ist, sich über seinen beschränk-
ten, ausschliessenden Standpunkt zu erheben.
Es ist daher nicht zu verwundern, dass ein Mann von
so empfänglichem Sinne, wie Sir William Jones, — der
erste Europäer, dem das Dabistän bekannt wurde und zwar
im Jahre 1787, — eine lebhafte Freude über die Ent-
474
deckung dieses Werkes bezeugte. Er drückte sich in einem
Briefe so darüber aus: »Der grösste Theil würde einem
wissbegierigen Leser sehr beachtungswerth seya, aber
einiges kann nicht übersetzt werden. Es enthält mehr un-
gewöhnliche und auserlesene Gelehrsamkeit iersagtrecondife
learning^, mehr unterhaltende Erzählung, schönere Proben
von Dichtkunst, mehr Freiraüthigkeit und Witz, mehr Un-
anständigkeiten und Gotteslästerungen, als ich je in eit)em
einzigen Buche beisammen gesehen habe.« {JVroyer's Pre-
liminary Discourse p. V. oder Works of S. W. J. HI, 110.).
Ich glaube zwar, dass dieses Urtheil in den meisten seiner
Behauptungen zu beschränken ist, es zeigt uns aber, dass
ein wohl bewanderter Keiuier das Buch für sehr wichtig
hielt. Das eigentliche Motiv seiner lebhaften Theilnahme
an ihm erscheint jedoch nicht in der obigen Stelle, sondern
in einer seiner jährlichen Anreden an die Asiatische Ge-
sellschaft, in welcher er erklärt, dass jjer eine glückliche
Entdeckung gemacht habe , welche mit einem Male das
Gewölk vertrieben und ein helles Licht auf die Urgeschichte
Irans und des menschlichen Geschlechts geworfen habe,
welches zu finden er lange verzweifelt habe, und welches
aus keiner anderen Weltgegend hätte tagen können.«
Der Titel des Buchs Dabisfän al Mazähib (qLämoJ
u^! üsJI) bedeutet eigentlich: Schule der Secten; die vor-
gezogene Uebersetzung ist Francis Gladwix zu Liebe
beibehalten worden, der das erste Capitel in das Englische
übertragen hat; es ist wahrscheinlich dieses Stück das-
jenige, welches 1809 ins Deutsche von Dalberg übersetzt
worden ist, das Buch ist mir nicht zur Hand. Das voll-
ständige Fersische Original wurde in demselben Jahre
in Caicutta auf Kosten der Regierung von einem einhei-
mischen Gelehrten nach Vergleichung mehrerer Handschriften
herausgegeben; von diesem Drucke sind jedoch nur sehr
wenig F^xemplare nach Europa gekommen und seinem In-
halte nach blieb das Buch wenig bekannt und den meisten
unzugänglich; sogar einem Dk Sag y war es vor 1821 nicht
zu Gesicht gekommen {Journ. des Sav. 18'il, p. 18. p. 718).
CoLEBHOOKE bcnutzto CS bei seiner Beschreibung einiger
3Iuhammedanischer Secten {Essays, II, 226. aus As. Res.
VII.) und Levüen übersetzte ein Capitel daraus in seiner
Abhandlung über die Seele der Iloshenier (As. Res. XI, 363.).
Für seine vortreffliche Untersuchung über die Aechtheit
des Desälir konnte Ersklne sich auch des Dabistäns be-
dienen; sowie gleichzeitig Vans Kennedy für seine Dar-
475
Stellung der von Akbar beabsichtigten neuen Religion (beide
in Transact.of the Liter. Soc. of Bombay, II, 242,3420. Die
vorliegende vollständige Uebersetzung ist durch die Gesell-
schaft für Uebersetzung morgenländischer Werke in London
veranlasst und auch auf ihre Kosten gedruckt worden. Der
zuerst genannte Uebersetzer wurde durch seinen Tod seiner
Arbeit entrissen, er hat sie nur bis Bd. H, S. 85. fortführen
können; Hr. Troyer wurde darauf eingeladen, die Fort-
setzung zu übernehmen und hat jetzt seine Aufgabe glück-
lich gelöst. Er hatte schon früher sich mit dem Originale
vertraut gemacht und bewies eben damals — was eine
unentbehrliche Begabung eines Uebersetzers des Dabistäu
ist — seine grosse Kenntniss des Sanskrits und seine aus-
gedehnte Indische Gelehrsamkeit durch seine Ausgabe der
Geschichte Kashmir's. Ohne dem sehr verdienstlichen ersten
Uebersetzer sein verdientes Lob zu entziehen, dürfen wir
glauben^ dass das Dabistäu einen viel befähigteren Be-
arbeiter durch den Wechsel gefunden hat. Da mir das
Original entgeht, kann icii keine Vergleichung mit der Ue-
bersetzung anstellen; es ist aber kein Grund vorhanden
zu bezweifeln, dass sie leistet was sie soll. Man erkennt
leicht, dass sie mit Kenntniss, Gewissenhaftigkeit und Liebe
gemacht ist; sie ist klar und fliesseud, einige Dunkelheiten
sind bei dem oft abstrusen Inhalt unvermeidlich. Es ist
eine Handschrift neben dem schon sorgfältig berichtigten
_ Texte der gedruckten Ausgabe benutzt worden, die Les-
arten sind im Allgemeinen sicher iPrel. Diso. p. CXCII.)-
Die Uebersetzung ist reichlich mit gelehrten Erläuterungen
ausgestattet, die seltenern technischen Ausdrücke im Ori-
ginal beigefiigt; in den Abschnitten über die Indischen
Secten war es oft schwierig, die in der Persischen Schrei-
bung entstellten Sanskritwörter herzustellen , ich habe nur
wenige Fälle bemerkt, wo mir etwas anders vorzuzie-
hen scheint. Ein Index der Eigennamen und technischen
Ausdrücke beschliesst das Ganze; eine ausführliche Ein-
leitung {^Preliminary DiscoHrse, I — CXCVII.) behandelt
zuerst die Geschichte des Werks und was wir vom \'er-
fasser wissen , giebt dann die Ansichten des Uebersetzers
über das Desätir, aus welchem Werke der erste Theil des
Dabistän, die Darstellung der ältesten Iranischen Religions-
lehre, hauptsächlich geschöpft ist. Es folgt dann eineUe-
bersicht des Inhalts des ganzen Dabistän. Im dritten Theil
der Einleitung wird der Werth des Werks gewürdigt und
Nachrichten von der Original- Ausgabe des Textes , der Ue-
bersetzung, dem Verfahren und den Hülfsmitteln des \Je-
476
bersetzers gegeben. Der Leser wird hieraus zu seiner
Befriedigung ersehen , dass alles was geschehen konnte,
zur Erläuterung und Brauchbarkeit dieser Uebersetzung
des Dabistän von Herrn Troyer geleistet worden ist.
Der Name des Verfassers ist unbekannt. Sir William
Jones glaubte, er sey Mohsan geheissen worden mit dem
Beinamen Ftlni, der Verfängliche , und ein Kaschmirer.
Gladwin hatte die Nachricht, er sey der Shaikh Mnhammed
Mohsin gewesen, von dem auch eine Sammlung moralischer
Gedichte herrühre. Erskine hat nachgewiesen (a. a. O.
p. 374.), dass allerdings Mohsan Fäni aus Kaschmir, ein
Sufi, Verfasser eines Diväns und Oberrichter von Allahabad
unter Shäh G'ihän war, war, in seiner Biographie jedoch
des Dabistäns keine Erwähnung geschehe. Vans Kennedy
(ebend. 243.) schliesst auf die Verschiedenheit des Mohsan
vom Verfasser des Dabistän, weil der letzte ein zu schlechter
Gläubiger gewesen, um das Amt eines Richters über 3Iu-
hammedaner bekleiden zu können. Doch möchte dieses
nicht allein entscheiden, da die gelehrten Muhammcdaner
dieser Zeit in Indien sich sehr freisinnig zeigen. Trif-
tiger ist sein zweiter Grund, dass Mohsan bis 1646 sein
Amt noch bekleidete, der Verfasser des Dabistän dagegen
1647 in Surat war und die vorhergehenden Jahre auf
Reisen gewesen seyn muss. Die Annahme, dass dieser
Mohsan Fäni geheissen, scheint in der That nur auf eine
irrthümliche Auslegung einer Angabe im Anfange des Da-
bistän zu beruhen, wo einige Verse mit der Bemerkung
aufgeführt werden: »jMohsan Fäni sagt« (I, 3.). Diesen
Versen gehen andere vorher, ein weiterer Bericht über den
Verfasser, wie zu erwarten, wenn er sich selbst meinte,
kommt nicht vor. Es scheint mir daher Erkine's Annahme,
dass man nur aus Missverstand den angeführten Dichter
zum Verfasser des Ganzen gemacht habe, begründet. Jene
Worte sind durch ein Versehen im Drucke ausgelassen.
Erskine hat endlich darauf hingewiesen, dass der V^erfasser
des Dabistän eines Muhammed Mahsan erwähne, von dem
er selbst Berichte erhalten (l)ab. I, 114.).
Ohne des Verfassers Namen zu erfahren, erhalten
wir im AVerke selbst viele Nachrichten über sein Leben.
Diese hat Troyer zusammengestellt p. XIV. Er muss um
1615 geboren worden seyn, sein Todesjahr ist unsicher;
er lebte noch 1653. Da er des Auran<j Zeb nicht gedenkt
— * und ein Mann, der so tolerant in seinen religiösen An-
sichten war, mussto Veranlassungen genug haben, des neu
losbrechenden Fanatismus der Grossmogulischcn Herrschaft
477
zu erwähnen — vcrmnthe ich^ dass sein Werk in den
ersten Jahren Aurang Zeb's geschrieben wurde; dieser
trat die Regierung 1659 an.
Der Verfasser hat einen grossen Theil seines Lebens
auf Reisen zugebracht, sey es als Kaufmann — denn aus
mehrern Stelleu, wie z. B. I, 126. sieht man, dass auch
Kaufleute leicht von der rehgiösen Richtung der Zeit er-
griffen wurden, — sey es bloss aus der Xeigung, seine Kennt-
nisse zu erweitern. Nach einer Stelle scheint er Persischer
Herkunft gewesen zu seyn, er sagt II, 2., dass das unbe-
ständige Schicksal ihn von den Ufern Pcrsiens in das Land
der an die Seelenwandcrung glaubenden Götzenaiibeter ver-
schlagen habe. Doch war er schon als Kind in Indien und
hielt sich dort die meiste Zeit auf; wir finden ihn besonders
in Kaschmir und dem Pengäb, auch in Guzerat und Patna,
einmal auch in der Hauptstadt Kaiingas an der Ostküste;
doch hat er 1643 noch eine Wallfahrt nach einem heiligen
Grabe in Khorasaa gemacht. Ucberalk sucht er die ge-
lehrtesten und hervorragendsten Männer der verschiedenen
Secteu auf und lässt sich von ihnen über ilire Lehren un-
terrichten. Ucber das Judenlhum wusste er nichts genü-
gendes sich zu verschaffen^ bis er einen Rabbiner in Indien
findet; dieser war jedoch Muhammedaner geworden und
seine Belehrung ist nicht zum Besten ausgefallen (III, 293.),
Etwas genauer ist er mit dem katholischen Christenthume
durch seinen Verkehr mit Portugiesischen Priestern bekannt
geworden (II, 305.). Seine Angaben über Indische Reh-
gions-Lehreu und Gebräuche schöpft er vorzüglich aus
Schriften^ doch hat er vieles durch mündliche Belehrung
erfahren, hat viele Lehrer, fromme Männer und Büsser
gekannt, weiss manche Geschichtchen aus ihrem Leben zu
erzählen. Der Schüler eines sehr frommen und verehrten
Brahmanen ist sogar sein Leiter gewesen, bis er für sich
selbst sorgen konnte (11^ 145.). Ebenso vertraut ist er
mit den Häuptern der Parsi-Secten CS. z. B. I, 108.). Er
ist dem Sufismus sehr zugethan und als solcher setzt er
sich über die bornirte Einseiligkeit des strengen Efuslims
hinaus, betrachtet die Wahrheit nicht als ein ausschliess-
liches Eigenthum des Islams und ist eifrig bestrebt ihr
überall nachzuspüren. Dass er über den Islam selbst, seine
Seelen , sowie über den Sufismus wohl unterrichtet war,
versteht sich von selbst. Seine Unpartheilichkeit verdient
ein unbedingtes Lob. Sein eigenes Zeugniss über seine
Verfahrungsweise und die Absichten seines Buchs verdienen
mitgetheilt zu werden CHI, 313.). »Der Verfasser bittet
478
zuletzt zu bemerken, dass, nachdem er häufig die Zusam-
menkünfte der Anhänger der fünf erwähnten Religionen
(der Hindu, der Juden, der Christen, der Parsen und Mu-
hammedaner) besucht hatte, ihn der Wunsch ergriff, dieses
Buch zu schreiben, und was in diesem Werke über die
Religionen der Länder berichtet worden ist hinsichts der
Giaubenslelire der verschiedenen Secfen, ist aus dem Munde
der Häupter jener Secten oder aus ihren Schriften erhalten
worden. Was er ferner über Personen berichtet, die einer
besonderen Secte gehören, so schrieb der Verfasser die
Belehrungen auf, welche ihm von ihren Anhängern und
aufrichtigen Freunden mitgetheilt wurden, auf solche Weise,
dass keine Spur von Partheihchkeit oder Abneigung wahr-
genommen werden möchte. Kurz, der Schreiber dieser
Blätter hat kein anderes x\mt verwaltet, als das eines Ue-
bersetzers.« Seine Wahrheitsliebe und Unpartheilichkeit
können in der That nicht bezweifelt werden und wird auch
von strengen Beifftheilern sehies WerRes, wie De Sacy
und Ekskine anerkannt. Hierin und darin, dass er als
unmittelbarer Augenzeuge aus einer merkwürdigen Periode
der Bewegung in der Religions- Philosophie des Orients
berichtet, liegt nach meinem Urtheile der grosse Werth
seines Werkes. Auch enthält es vielerlei Nachrichten, die
uns sonst fehlen Avürden.
Um den Werth seiner Berichte richtig zu schätzen,
müssen wir suchen, uns näher mit seinen Eigenthümlich-
keiten bekannt zu machen. Dass er Muhammedaner war,
geht aus der Art, wie er des Korans und des Muhammed
gedenkt, wie aus dem ganzen Werke hervor; er ist aber,
wie gesagt, ganz frei von muslimischen Vorurtheilen.
Beziehungsreicher ist der Umstand, dass er zugleich als
ein Sufi betrachtet werden kann. Er sagt, soviel ich mich
erinnere, dieses nicht ausdrücklich, aber es liegt in mehrern
Darstellungen seines Werkes enthalten. Ich führe ein Bei-
spiel an. Er bestreitet (HI, 286. flg.) die I-.ehre der meisten
Aliden, dass der Fortschritt in der Vollendung keine Gränzen
habe. Die Süfi, welche solches lehren, müssen auch be-
haupten, dass Muhammed nicht der vollendete Prophet
gewesen und es fehlt ihnen nicht an eigenen Aussprüchen
desselben, um diesen Satz durch sein Zeugniss zu bekräf-
tigen; so Avenn er sprach: »der, dem zwei Tage gleich
sind, irrete.w Der Verfasser sagt, durch die Gnade meines
Shaikh, des Lehrers der Leute Gottes, über den der Friede
und die Gnade Gottes seyn möge, des Mulana Shah, fiel
über mich den demüthigeu wie ein Sounenglauz und machte
47d
mir es klar, dass der Süfi Grade und eine Gränze der
Vollendung habe; dass er, wenn er diese erreicht hat, dann
auf dieser Höhe verbleibe.« Er giebt die Gründe an; jeder
Zustand habe seine Vollendung, auf einer erreichten Höhe
zu verbleiben sey Fortschritt, die Vervollkommnung eines
forlschreitenden Zustandes vernichte den Fortschritt; er
läugnet also die Behauptung eines endlosen Fortschreitens
in der Vollendung. Die Worte 55zwei Taget, beziehen sich
nach ihm auf die Zeit, die Stelle besage, dass die Fähig-
keit eines Menschen, der sich der Betrachtung hingeben
will, unzureichend sey. Diese Auslegung der Worte, fügt
er hinzu, siud die meines Lehrers. Dieser wohnte in
Kaschmir, wo der Verfasser sich so viel aufhielt, und da
er einer der verehrtesten Lehrer des Süfismus heisst, wird
es unbedenklich seyn, den Verfasser des Dabistän auch
als solchen zu betrachten. Der Eiiifluss des Süfismus zeigt
sich nicht nur, wie auch Hr. Troyer bemerkt, in der Weisc^
wie der V^erfasser Indische Jogi und Sannjäsi mit Der-
wishen und Süfi verwechselt, sondern in seinen Deutungen
Indischer Lehren und Ueberlieferungen. Seine Erklärung
des Begriffs des Acatära, der Götlerverkörperung, fängt
er so an (H , 25.). '^Dieses Dogma wird so von Shidosh,
dem Sohne des Anosh ausgelegt; den Süfi gemäss u. s. w.«
Shidosh gehört selbst der Secte der sogenannten Sipasier,
die aber sehr viel von den Süfi angenommen haben. Bei
einigen Erzählungen, welche aus der alten Indischen Ge-
schichte seyn wollen, aber sehr von der Weise des alten
Epos abweichen, wird das Joga Väsishtha als Quelle an-
geführt (\l, 28. 256.). Dieses' ist die Geschichte der Er-
ziehung des Räma und ein Theil einer Umgestaltung des
Rämäjana im Sinne des Vedänta (nach Colebrooke's Essays,
II, 102. I, SäT. Aus dem Titel könnte man eher auf Joga-
Lehre schliessen.). Im Dabistän wird es auch Indrasä-
hasrajoga Väsishtha, kaum richtig, genannt und ein Theil
war von dem Süfi Mulla Muharamed in*s Persische über-
setzt worden. Man sieht hieraus, dass der Verfasser be-
sonders solche Quellen über Indische Dinge heranzog,
welche unter den Süfi Geltung hatten.
Durch die Annahme des Sufisraus hat unser Bericht-
erstatter zwar die Vorurtheile des Muslim ausgezogen, mit
ihr aber zugleich die höchst willkührliche Art sich zu eigen
gemacht, in welcher die Süfi die Ueberlieferung nach ihrem
Systeme deuten. In Beziehung auf den Koran ist dieses
hinreichend bekannt. Dasselbe Verfahren zeigt sich bei
der Secte der Sipasier, die hier eine grosse Rolle spielen.
480
Es sind dieses keine Zuthaten, die der Verfasser erdacht
hat, sondern er theilt nur mit was ihm vorgelegt worden
war; es herrscht aber eine Neigung bei ihm, mit Vorliebe
Sufische Auffassungen und Deutungen aufzunehmen.
Ein kritisches Verfahren, wie wir es zur Bedingung
machen würden, ist von ihm überhaupt nicht zu verlangen j
seine unbefangene Leichtgläubigkeit geht jedoch etwas
weit. Dass er die Wundergeschichten über die alten Pro-
pheten der Völker im guten Glauben wiederholt, dürfen
wir ihm nicht übel nehmen; allerdings aber, dass er auch
Wunderthaten seiner Zeitgenossen und ihm wiederfahreuo
wunderbare Begebenheiten ebenso treuherzig erzählt. Von
einem Indischen Sannjäsi wird berichtet, dass er Milch
aus Knochen herauszog, und andere Taschenspielereien
verstand (II, 148.); ein frommer Gaina setzt Steine durch
Sprüche in Bewegung (II, 215.), u.sav. Auch die Sipasier
sind grosse Wunderthäter, nicht bloss die alten, sondern
seine Zeitgenossen und Freunde. ''Diese erleuchteten 31änner
haben, wie man berichtet, viele wunderbare und geheim-
nissvolle Werke verrichtet, so z. B. haben sie in der oberen
Welt die Sonnenscheibe verhüllt, sie bei Nacht und die
Sterne bei Tage erscheinen lassen, in der unteren sind sie
auf dem Wasser einhergegangen, haben Thiere verwandelt
u. s. w.« (I, 107.). Wenn er auch meist dieses auf den
Bericht anderer hin erzählt, so hat er auch selbst einen
Sipasier Feuer verschlucken sehen (I, 117.) und er ist von
einem Brahmanen von einer unheilbaren Krankheit in einem
Augenblick geheilt worden, indem jener ein Bild des Pla-
neten Mars in wohlriechendes, geweihtes Wasser tauchte
und ein Gebet an das Gestirn richtete (I, 46.).
Dieses möge hier genügen^ um das Dabistän und seinen
Verfasser zu charakterisiren. Er zeigt ein unermüdetes
Streben, sich mit den Religions- Lehren der ihm zugäng-
lichen Länder vertraut zu machen, er stellt uns wahrhaftig
dar, was er erfuhr, nur ist er geneigt, das ihm mitgetheilt©
im Sinne seiner eigenen Richtung aufzufassen; er ist yon
muhammedanischen Vornrthoilen gariz frei, vermischt aber zu-
weilen die verschiedenou Sectcn mit einander; seinem (ilauben
ist nichts zu stark. Er hat eine ausgebreitete Bekanntschaft
mit seiner Zeit und der in seine Bemühiuigen einschlagenden
Litteratur; da wir jetzt so vieles aus der Asiatischen Litte-
ratur kennen, welches zur Zeit Sir William Jones unbe-
kannt war, beschränkt sich jetzt seine Kenntniss seltener
Art meist auf die Bücher der Sipasier. Die Klage über
Unanständigkeit ist höchst unbillig^ es sind im Ganzen,
481
glaube ich, nur vier Stellen, die Hr. Troyer sich genöthigt
gesehen hat, Lateinisch zu geben; die über Blasphemien
begreife ich nicht; wie kann von eiuem Muhammedaner
erwartet werden , dass er wie einer unserer Theologen
sprechen soll? Die wichtigste Bedeutung des Buchs liegt
aber darin, dass es eine treue Schilderung einer merkwür-
digen Stufe des religiösen Bewusstseyns in den Persischen
und Indischen Ländern darbietet, nicht sowohl in den un-
teren Sphären des Leben» als in den Geistern, welche die
höhere Bildung der Zeit besassen und von ihrer geistigen
Richtung getrieben wurden. Die positiven Elemente des
Islams, des Brahmanenglaubens und der Lehre der Zoroa-
Strier sind so verflüchtigt und "^n Philosopheme aufgelöst
worden, diese einapder aber so verwandt geworden, dass
sie nicht sehr weit davon entfernt sind , in einander zu
zerfliessen. Diese Richtung hatte schon vor der Abfassung
des Dabistäns in den Bemühungen des Kaisers Akbar, eine
neue Religion zu stiften, den ^'ersuch gemacht, sich im
Leben zu verwirklichen. Die Bemühung starb bekanntlich
mit ihm dahin , sein Sohn Gihängir stellte den Islam als
Religion der Regierung wieder her. Als ein Erzengniss
jener Richtung kann man aber solche neuere Indische
Secten betrachten, in welchen Indische und 3Iuhamnieda-
nische Elemente sich mischen.
Ich will jetzt den Inhalt des ganzen Werks kurz an-
geben. Der Verfasser nimmt, wie aus der S. 478. ange-
führten Stelle erhellt^ fünf Religionen an. Er fangt an mit
der AltpersischsH, wahrscheinlich nicht sowohl weil er selbst
Persischer Abstammung war, als weil diese nach seinem
Urtheile die älteste seyn musste. Dieser Theil ist der
merkwürdigste, zugleich aber der am meisten Bedenken
erregende des ganzen Werks, es war dieser, der so sehr
den Enthusiasmus Sir William Jones entzündete. Es wer-
den die Anhänger dieser ältesten Religion mit sehr ver-
schiedenen Namen benannt: Jezdanier, Abddierj.Sipiisier,
Azarier, A%ar hoshang ier und andern; auch giebt es unter
ihnen verschiedene Secten. Es bestand diese Secte noch
zur Zeit des Verfassers und hatte viele uns sonst unbe-
kannte Schriften über ihre Lehre. Das Hauptwerk ist
aber das Desätir, welches eine Darstellung der ältesten
Iranischen Rehgion und Geschichte zu seyn behauptet;
der Bericht im Dabistän gründet sich hauptsächlich auf
dieses Werk. Dieses soll eine Sammlung von Werken der
verschiedenen ältesten Propheten -Könige, der Mahabäd^
seyn; es ist in einer eigenthümlichen Sprache, ^gx Asmäni
V. 31
482
oder himmlische^ geschrieben, von einer Persischen Ueber-
setzung begleitet Das Desätir ist auch gedruckt in Bombay
1820. Die Urgeschichte, die hier vorgetragen wird, wider-
spricht so schneidend allen ächten Ueberlieferungen der
Aitpersischen Geschichte und ist so deutlich Indischen
Vorsleilungen entnommen^ die Religion der Mahabadier ist
so verschieden von allen zuverlässigen Darstellungen der
Altpersischen Lehre, dass es Kritikern, wie De Sacy und
William Erskine, nicht entgehen konnte, dass das Desätir
ein Buch ohne alle Auctorität sey. Hr. Troyer sucht im
Gegentheil diese zu retten. Ich muss es sehr bedauern,
bin aber der Wahrheit d^s Zeugniss schuldig zu sagen,
dass mir diese Rechtfertigung nicht genügt. Ich halte es
sogar für thunlich , bei den Fortschritten , welche unsere
Kenntniss Altpersischer Sprachen und Litteratur jüngst ge-
macht haben, jetzt noch bestimmter und schärfer die lErgeb-
nisse der früheren Kritik zu begründen. Da dieses aber
nicht ohne genaues Eingehen auf alle hier einschlagende
Fragen geschehen kann, behalte ich mir vor, dem Gegen-
staude eme besondere Abhandlung zu widmen.
Erst mit dem vierzehnten Abschnitte des ersten Ka-
pitels gelangen wir zum Zoroaster. Wir erhalten hier die
modernen Legenden über ihn, über seine Zeitgenossen
und die Könige der Vorzeit. Das Zardusht^ Nämeh wird
als Quelle angeführt fl, 214.), wie die Beschreibung der
Visionen des ArdiU Viruf (283.); das erste ist 1276. ge-
schrieben. Auch die Geschichte kommt vor, dass der In-
dische Weise Cf angranffhuk'a von Zoroaster bekehrt worden
(I, 276.), so wie nachher auch Vjüsa (282.). Wenn der
erste, wie es nicht unwahrscheinlich vermuthet worden ist,
der berühmte Indische Philosoph (pankaräU drja ist, kann
die Bildung dieser Legenden erst nach den Sassaniden
geschehen seyn. Die Kritik übt die höchste mögliche Nach-
sicht aus, wenn sie die Entstehung dieser AVundergeschichten
aus Zoroasters Leben überhaupt in die Zeit der Sassaniden
zurückführt.
Es muss hervorgehoben werden, dass besonders Jez-
dänicr (d. h. Sipasier) und ihre Schriften als Gewährschaften
angeführt werden, also die Lehrer der von der Zoroastrischen
unterschiedenen Secte; so z. B. I, 240. 245. 259. 309. 348.
355. 369. u. s. w. In welchem Sinne die Jezdänier die Zoroa-
strischen Ueberlieferungen deuten, möge ein Beispiel zeigen
(I, 259.). »Der Prophet reicht zunächst dem Bishutan
etwas von der gewcihetcn Milch; durch das Trinken wurde
er von Todessciiraerzen befreit und gewann ewiges Leben.
483
Einige Lehrer der Jeisdänier glauben, dass unter ewigem
Leben die Erkenntniss der eigeneji Essenz und der Seele,
die unvergänglich ist, zu verstellen sey; Milch wird er-
wähnt, weil sie die Xahrung der Kinder bildet und die
Wissenschaft die Nahrung des Geistes ist; weshalb Wis-
senschaft mit geheiligter Milch verglichen wird.« Es ist
dieses ganz die Sufische Weise.
Ueber Zoroastrische Werke erhalten wir einige Nach-
richten zweifelhafter Gültifjkei'. Der Naiue ist meistens
Avesta und Zand (I, 239. 244. 249. 2i»(). 350.), doch scrieint
stets nur ein Werk gemeint zu seyn; auch Zandavasta
(263.) und einmal auch Ashtava%and (271.). Es wird nun
ferner behauptet (352. 354.), dass das Buch Zand zweierlei
Art sey, das eine deutlich und ohne räthselhafte Ausdrücke,
das 3Iah oder grosse Zand genannt; das kleine oder Knh
Zand sey in Bildern und Räthseln geschrieben; das erste
enthalte das Gesetz des Mahabäd und sey ein Theil des
Desätir; es sey verloren gegangen unter der Herrscliaft
der Fremden, namentlich der Griechen und Türken; das
Kall Zand war noch erhalten, ging aber zum Theil in
spätem Ucberfällen verloren. Trotz dieser Zerstörung durch
die Griechen (darunter ist Alexander der Grosse zu ver-
stehen , dem die Rarsen sehr unglaublich diese Barbarei
aufbürden) richten sich noch Ardesliir und Niishirwan nach
dem Mab Zand. Als Theil des Desätir ist es schon hin-
reichend als späteres Machwerk bezeichuüt. Es sind hier
Indische und Persische Benennungen gemischt, das h in
Mali konnte in einem alten Persischen Worte unmöglich
sich erhalten. Die Behauptung (35L 35f>.), dass Zoroasters
Lehren in Parabeln und esoterisch verhüllten Worten dar-
gestellt worden seyen, erscheint auch nur als spätere Er-
findung; es heisst ausdrücklich, die Azar Sasanier legten
gar keinen Werth auf den Wortsinn der Zoioastrischen
V'orschriften, sondern nahmen sie figürlich. Ebenso geringe
Gültigkeit hat die Nachricht (275.), dass zur Zeit des Ver-
fassers (um 1650.) die Dusliir in Karman noch vierzehn
vollständige Nosk des Zandavesta besassen, die übrigen
sieben seyen in den früheren Kriegen zum Theil verloren
gegangen. Diesem widersprechen alle anderen Nachrichten;
auch die Namen der einzelnen Nosk sind hier nicht richtig
angegeben. Der Bericht über die Gebräuche der Parsen
ist aus dem bekannten Sadder, dem Ilnndertthore, verkürzt.
Der fünfzehnte Abschnitt berichtet über Alazdak, seine
Lehre und Anhänger, welche zur Zeit des Verfassers die
Tracht der Gueber oder Parsen mit der Muiiammedanischeu
m^
484
vertauscht hatten. Er hatte das dem Mazdak zugeschrie-
Jbene Buch^ Desnad, selbst gesehen^ das aus dem Altper-
sischen ins neue vor nicht langer Zeit übersetzt worden
war. Dieser Abschnitt wird mit einer Bemerkung geschlos-
sen, die ich hersetze, weil sie den Verfasser richtig zu
würdigen beiträgt: «Dieses ist der genaue Bericht über die
Systeme der Parsen, in welchen durchaus nichts aufge-
nommen worden ist, welches nicht entweder ihren eigenen
Schriften entnommen oder aus dem Munde der Anhänger
der verschiedenen Bekenntnisse vernommen worden ist,
weil ihre Feinde ihnen au3 Motiven des Hasses verschie-
dene irrthümlichc Lehren zugeschrieben haben.«
Das zweite und dritte Kapitel behandeln Indische Sy-
3teme und Secten^ sie bilden einen der schätzbarsten Theile
des Werkes, nicht sowohl wegen der Darlegung der höchsten
Principien, auf welche diese Systeme begründet sind, —
diese können wir jetzt in den Originalwerken selbst besser
erforschen — als weil wir hier eine Schilderung des reli-
giösen ZuStandes Indiens in einer bestimmten Zeit erhalten;
es ist ein Bild der Wirklichkeit, reich an characteristischen
Zügen, für die Geschichte der Secten ist manches hier zu
gewinnen. Auch ist der Bericht im Allgemeinen als genau
zu loben, obwohl nicht frei von Miss Verständnissen; es
miscfien sich Anschauungen der Sufi und Jezdanier auch
hier ein. Der Verfasser hat keine Mühe gespart, um sich
richtige Kenntnisse zu .verschaffen; er hatte früher aus
Büchern sich mit den Indischen Systemen bekannt gemacht;
nach einer Berathung mit kenntnissreichen Freunden fand
er sich veranlasst, vieles in seinem ersten Entwürfe zu
berichtigen (II, 3.). — In den zehn ersten Abschnitten
des zweiten Kapitels werden beschrieben: das System der
Mitnunsa, das der Smdrtu (der Orthodoxen, der Anhänger
der Smriti, des Gesetzes), das des Vcdanta, des Sünkhia,
nachher auch das des Njäja und der Materialismus der
K ärvuka, denn die zwei letzten folgen nach dcMi drei
grossen Seelen und stehen vor den Gaina; er betrachtete
wohl auch das logische System des Njäja als nicht streng
orthodox. Die drei grossen Secten sind die Jogi, die
^ükta und Vairugi , die einzeln aufgeführt werden. Was
im eilften Abschnitte Lehre des Buddha genannt wird, ist,
wie Ilr. Troyer bemerkt, die der Gaina. Der zwölfte
Abschnitt enthält Nachtrüge und erwähnt kleinerer Secten;
es ist besonders ein Bericht über die Sikh und den Stifter
ihrer Secte Nanak beachtungswerth ; dann will ich hervor-
jipben, dass durch das Dabistän die sonst gegebene Nach-
485
rieht bestätigt wird, dass es noch kleine Secten in Tndicn
giebt, welche ausschliesslich die Sonne, oder den Mond
verehren. Auch einzelne Elemente, Feuer, Wind, Wasser,
Erde erscheinen als Gegenstände eines besoudem Cultus
CII, 234. flg.).
Den eigenllichen Buddhismus hat der \ erfasser keine
Gelegenheit gehabt kennen zu lernen. Das kurze dritte
Kapitel ist überschrieben Religion der Kera Tahitier. Dieser
Bericht ist nicht aus Keuntniss von Tübetischen Schriflea
geschöpft, sondern, wie erwähnt wird, aus der Mittheilung
eines gelehrten Mannes der Sccte, mit dera der Verfasser
sich nur mit Hülfe eines ihn wenig befriedigenden DoU-
metschers unterhalten konnte. Es ist daher nicht seine
Schuld, wenn die Lehre der Lama und ihre Staatseinrich-
tung mit einem geistlichen und einem weltlichen Herrscher
hier nur in sehr unvollständiger und halb verstandener
Darstellung erscheinen. Vielleicht war der Belehrer nicht
ein Bewohner des grossen Tübets, sondern aus einem der
kleinen Buddhistischen Staaten im östlichen Himalaja. Die
Bezeichnung Kera ist mir unbekannt.
Das vierte Kapitel handelt von den Judettj das fünfte
von den Christen.
Das nächste Kapitel ist bestimmt, in zwei Abschnitten
die zwei grossen Muhammedatiischen Secten zu schildern;
es ist jedoch keine vollständige Darstellung und diese ist
nicht sehr übersichtlich geordnet. Die vier nächsten Ka-
pitel schildern heterodoxe Secten, die mehr oder weniger
mit dem Islam im Widerspruch stehen; da sie weniger als
die anderen bekannt sind, hat dieser Theil einen besondern
Werth. Zuerst die Sädikier, die als ihren Propheten den
Musailiraa, einen Zeitgenossen des Muhammed , verehren.
Dann die Anhänger des Vähid Mahmud, der um 1203. auf-
trat und eine besondere Sccte stiftete, welche ihn über Mu-
hammed stellt, eine besondere Form der Seelenwanderung,
eine eigene Weltschöpfung und eine Chronologie mit Perioden
von 8000 Jahren lehrt, und heftig von Abbas dem Grossen
verfolgt ward. A'ähid soll mehrere Schriften verfasst haben,
das Hauptwerk heisst 3Iiz(in, die Wage, die Theile Nosk,
also nach dem Zendavesta. — Die Rosheniuh sind eine
von Mijän Bäjizid, einem Afghanen aus dem Pengäb, um
die Mitte des sechzehnten Jahrhunderts gestiftete Secte,
die noch bei Afghanischen Stämmen Anhänger zählt; mit
Benutzung des Dabistän's hat Leyüen, As. Res. XI. aus-
führlicher über sie berichtet. Der wichtigste ist der letzte
Abschnitt, welcher die Lehre der Uähija beschreibt; so
486
nannte nämlich Kaiser Akbar die neue von ihm versuchte
Religion, über welche das Dabistän den besten Bericht giebt.
Die zwei letzten Kapitel stellen die Lehren dar, welche
im Sinne des Verfassers die höchsten sind , die Lehren
der Philosophen, die Ergebnisse der eigentlichen Specula-
tion. Am belehrendsten ist der Bericht über die iStifi, mit
denen der Verfasser selbst so v^ertraut war; seine Darstel-
lung enthält eigenthümliches ; sie bildet den Schluss , das
letzte oder das zwölfte Kapitel. Das vorletzte berichtet
über die Lehre der Weisen, wie er sie nennt. Er sagt,
es gäbe zwei Secten dieser Philosophen, eine Orientalische
und eine Occidentalische (III, 139.}; die erste wird als
dieselbe mit der der Jezdanier oder Azarhoshangier be-
zeichnet; Plato und die noch älteren Griechischen Phi-
losophen sollen dieser Schule gewesen seyn. Es wird
diese Orientalische Lehre allein genauer dargestellt (III,
144—147. 162.), sie hat ui der That grosse Verwandtschaft
mit der der Jezdanier. Es ist ein sehr buntes Gemisch
mystischer Philosopheme mit rauhammedanischen, biblischen
und Indischen Vorstellungen. Sie lehrt eine Schöpfung
von Intelligenzen , welche die planetarischen Sphären be-
wohnen, und deren Körper Schatten reinen Lichts sind;
eine Seelenwanderung mit vielen Stufen und Wanderungen
durch verschiedene Gestalten (III, 142. 150. 156.), durch
Himmel und Höllen, deren Ströme die Freuden und Schmer-
zen der wandernden Sedle bezeichnen ; eine sehr künstliche
Deutung der Vorstellungen vom jüngsten Gericht (III, 164.);
zuletzt WMrd alles in eine Welt des Lichts und der Geister
verwandelt. Ihre grosse Weltperiode besteht aus 360,000
Jahren nach dem Worte des Bcrzasp, dem Schüler des
alten Propheten Tahmüras, dem Sohne des Königs Iloshang;
also eine sehr alte Auctorität, die aber etwas verdächtig
wird, wenn wir belehrt werden, dass dieser Cyclus tnahin
k'erkh auf Persisch heisse; denn dieses kann nur Indisch
mahän k'akra^ der grosse Cyclus, seyn. Das Prophetenfhura
ist bei allen Völkern not h wendig und alle .Aussprüche der
Propheten haben eine höhere Bedeutung; dieses wird er-
läutert durch Abu Sinä's Deutung der Himmelfahrt des
Muhammed (III, 177.). Sieht man ab von Anw Ansprüchen
auf Erhaltung uralter Lehren, welche diese »weisen Männer«
machen, die es aber Zeitverlust wäre, ernsthaft bestreiten
zu wollen, und betrachtet daini die Nachrichten, welche
der Verfasser von den sogenannten Nachfolgern dieser
Philosophen raittheilt (111,204.), so ergiebt sich, dass diese
Lehre, wenn ihr ein solcher Name zugestanden werden
487
darf, besonders Parsen in Indien angehörte. Von denen,
welche dem Verfasser persönlich bekannt \\'aren, leitete
sich einer, Xaraeus Ilirbed , von Zoroaster ab, besass
Arabische Gelehrsamkeit, lebte in Lahor und verkehrte
viel mit Europäern: er schrieb Hymnen im Hindi, Arabi-
schen und Persischen an die Majestät des Lichts der Lichter.
Ein anderer. Manir, enthielt sich jeder Art von animalischer
Nahrung. Ein dritter, Kärarän von Shiraz, bereichert seine
Kenntnisse durch Umgang mit Christen und studirt die
Evangelien, noch mehr aber die Werke der Brahmanea
und bekennt sich äusserlich zum Prahmanenthum, obwohl
er innerlich der Lehre der Philosophen treu bleibt; er sang
Lobgesänge, wie sie unter den Ionischen Philosophen im
Gebrauch sind , dem höchsten Gotte, den Intelligenzen und
Gestirnen. Und dasselbe wird von den übrigen berichtet.
Es sind ihnen die heiligen Lehrer aller Völker von gleicher
Würde und Bedeutung , nur im Xamen verschieden , bei
den Indern heissen sie Aratdra, bei den Griechen Hermes,
bei den Muharamedanern Rasül (HI, 210.). Nach diesem
geht, für mich wenigstens, aus allem hervor^ dass diese
Secte nur in der Zeit der Amalgaroation der Richtungen,
wie sie in Indien obwaltete, sich hat bilden können; ihre
Persische Abstammung gab ihr vorherrschend eine Rich-
tung auf die umgestaltete Forra^ welche damals die Zo-
roastrische Lehre angenommen hatte. Diese Secte ist selbst
von keiner grossen Bedeutung; die Erscheinung wird aber
beziehungsreicher, wenn man erwägt, dass die Jezdanier
grosse Aehnlichkeit mit diesen Philosophen zeigen und
unter ganz ähnlichen Verhältnissen und gleichzeitig er-
scheinen. Die Jezdanier treten nun aber mit grossen An-
sprüchen auf, behaupten die älteste aller Religionen treu
überliefert zu besitzen , führen ihre Geschichte über jede
andere in die Urzeit zurück und führen zum Beweise ein
Werk in einer nur ihnen bekannten himmlischen Sprache
an. Da solche enorme Ansprüche wieder vertheidigt werden,
wird es Pflicht der Kritik^ sie aufs neue zu prüfen.
C. L.
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