Skip to main content

Full text of "Zeitschrift für die Kunde des Morgenlandes"

See other formats


k£^ 


f:yä^ 


'i*r 


...^  '^ 


^■^^■^^  % 


B^H 


Zeitschrift 


für 


die  Kunde  des  Morgenlandes, 


herausgegeben 


▼oa 


Dr.  Cliristian  liassen^ 

brJcatlielieB  ProfeSMr  der  Altindiscken  Sprache  and  Litteratur  aa  der  Rheiaiaek«* 
Friedrich- Wilhelma-Unirersitit ,  ausw&rtigem  Mitflieda  der  Köaiglirh  Baieriachea 
Akademie  der  Wissenschaften,  der  Asiatischen  Gesellschaften  zu  Pari*,  London, 
Caicutta,  Batavia  und  Boston,  der  Königlich  Norwcsiachen  GeaeUschaft  dar  Wis»«n- 
•chaften  au  Urontheim  und  der  ethnologischen  Gesellschaft  su  Pari«,  Cerrea|ioDdeBtea 
der  Königlich  ITraDxösischea  Akademis  der  Insckrifiea  uad  acköaea  Wiaaeaarhifua. 


-»-»^^MOtC****- 


Fünfler  Band. 

Mit  zwei  lithographirten  Tafelu 


H.  B.  KOEXIG. 
1844. 


95 


^^^Atp. 


1014  112 


♦ 


Verzeichnis^  der  IHitarbeiter* 


Herr  Dr.  O.  Böhtlingk  in  Petersburg. 
,j    Professor  Dr.  H.  Brockhaus  in  Leipzig. 
„  *        „  „    H.  V.  Ewald  in  Tübingen. 

yy  „  ,y    H.  L.  Fleischer  in  Leipzig, 

j,    Regierungsrath  Dr.  H.  C.  v.  d.  G  a  b  cl  e  n  t  z  in  Altenbnrg. 
„    Professor  Dr.  J.  Gildemeister  in  Bonn. 
„    Director  Dr.  G.  F.  Grotefend  in  Hannover. 
„    Professor  Dr.  Hupfeld  in  Halle. 
„  j,         ,j    J.  G.  L.  Kosegarten  in  Greifswald. 

3,    Dr.  Ad  albert  Kuhn  in  Berlin. 
„    Professor  Dr.  Ch.  Lassen  in  Bonn. 
yf  ,y  ^;    J.  Müller  in  München. 

j>  •        },  jy    C.  F.  Neumann  in  München. 

j,  •        „  „    A.  F.  Pott  in  Halle. 

«  *        ff  „    E.  Rüdiger  in  Halle. 

9,  f,  „    T.  Roorda  in  Delft. 

„    Geh.-Regierungsrath  Prof.  Dr.  F.  Rücke rt  in  Berlin. 
„    Professor  Dr.  A.  W.  von  Schlegel  in  Bonn. 
}f  ff  jj     A.  Stenzler  in  Breslau. 

ff    Professor    „    Wüstenfeld  in  Göttingen. 


^. 


Inhalt  des  fünften  Bandes. 


Seite 
I.  Die  Religion  und  der  Staat  der  Sikh.    Von  C. 

F.  Neumann 1 

n.  Uebcr   einige  Syrische  Gedichte  des  Gregorius 

Barhebräus.  Von  P.  Zingerle 49 

IIL  Kurdische  Studien  von   E.  Roediger  und  A.  F. 
Pott.     III.  Naturgeschichtliches   aus  der  Kur- 
dischen und  andern  Sprachen  Westasiens  (Fort- 
setzung von  Bd.  IV.  S.  280.).  Von  A.  F.  Pott.      57 
IV.  E,  Quatremere    Ueber  Phoeuicische  Inschriften. 

In  abgekürzter  Ucbersetzuiig  von  J.  Gildemeister.    84 
V.  Erklärung  seltener  biblischer  Wörter  von  Saa- 

dias  Gaon.  Von  Leopold  Dukes 115 

VI.  Die  3Ioslemischen  Schriftsteller  über  die  Theorie 

der  Musik.  Von  /.  G.  L.  Kosegarten 137 

VII.  lieber  die  Aethiopischcn  Handschriften  zu  Tü- 
bingen. Von  H.  r.  Ewald. 164 

VIII.  Ueber  den  Titel   des  Masüdischen  Werks  ^ij^ 

w^5>L>wl  Von  J.  GUdemeister 202 

IX.  Ueber  eine  in  Aden  neu  entdeckte  Hiuijaritische 

Inschrift.  Von  H.  v.  Eicald. 205 

X.  Himjaristische  Alphabete  und  Verwaudtes.  Von 

J.  Gildemeister 211 

XI.  Bemerkung  zu  einer  Miftheilung  des  Megasthe- 
nes  in  Bezug  auf  Indische  Geschichte.  Von  Th. 
Benfey 218 

XII.  Bemerkungen   über    dieselbe   Stelle  des  Mega- 
sthencs.  Von  Chr.  Lassen 232 

XIII.  Zur  Theorie  des  ^loka.  Von  J.  Gildemeister.     .  260 

XIV.  Aus  Dscharni's  Diwau.    Von  F.  Rückert.     .     .  281 


ISeite 
iXV.  Untersuchungen  über  die  ethnographische  Stel- 
lung der  Völker  im  Westen  Indiens  (Fortsetzg. 
von  Bd.  IV.  S.  488.).     Von  Chr.  Lassen.     .     .  337 
XVI.  lieber  die  Saho-Sprache  in  Aethiopien.  Von  H. 

V.  Ewald. 410 

XVII.  Von  morgenländischen  Sprachvergleichungen  in 

Deutschland.    Von  demselben.      ......  425 

Uebersichten  und   Beurtheiluugen: 

1.  lieber  das  Puschtu  oder  die  Sprache  der  Afgha- 
nen von  Bernh.  Dorn,  —  Ein  erster  Vorsuch 
über  den  Accent  im  Sanscrit  von  Otto  Boethlingk. 
Von  H.  V.  Ewald. 435 

2.  The  Journal  of  the  Asiatic  Society  of  Bengal. 
Vol  VII.  Vol.  VIII.  Vol.  IX,  I— VI.  Von  Chr, 
Lassen 444 

3.  Die  Götter  Syriens,  von  F.Nork.    Von  G.      .    470 

4.  The  Dabistan,  or  school  of  manners,  translated 
j.            by  David  SheUj  aud  Anthony  Troyer.  Von  Chr. 

?i«        Lassen 473 


Zusätze^  und  Terbesseriinseu. 


Bd.  IV,  S.  372,  letzte  Z.  lies  Bu  Wolke,  K'ätaka. 
»    —    ]»    373j  z.  18  lies  dahin  für  dahier. 

9    —    »   375,  Z.     6  lies  önf^  als  ein  besonderes  Wort  getrennt. 

9    —    »   479  flgd.  sind    folgende  Berichtigungen,    zum  Theil   nach 

Ouseley's  damals  nicht   zugänglicher   Oriental 

Geography,  nachzutragen : 

»    —     »   479,  Z.    1  statt  Kohistan  bis  Ghänem  1.  Kohistan  de* 

Abu  Ghänem. 
»    —    »   479,  Z.  18  statt  aber  1.  oben. 
»    ■ —    »  480,  Z.  15  statt  sieben  I.  sieben  Bergen. 
»    —    »   482,  Z.  15  und  18  statt  bei  ihnen  u-ird  nicht  zum  Gebet 
gerufen  1.  Niemand  belästigt  sie ;  aus  derOr. 
Geogr.  ergiebt  sich,  dass  ^^Lu  nicht  ^jLo 
zu  lesen  ist,  sondern  ^jLaj^   obgleich  in  dem 
Bfts.  das  v_j  sonst  einen  Punkt  zu  haben  pflegt 
»    —    »   482,  Z.  17  statt  so  sind  es  —  Baluk'  1.  so  sind  es  frucht- 
bare Berge,  auf  denen  die  Bäume  kalter  Ge- 
genden  wachsen  und  Schnee  (_^^',   nicht 
^_^)  fällt. 
Bd.  Y,  S.  18rt,  Z.    6  von  unten  lies  egziabchaer, 
»    —    »  190,  Note  3)  lies  eben  für  oben. 
»    —    »  191,  Z.  18  lies  enttäuscht  für  getäuscht. 
»    —    »   —     letzte  Zeile  lies  Vogris  für  Vagris. 
»    —    »  195,  Note  1)  Z.  4.  fehlt  das  Wort  Aera  hinter  Aetkiopische. 
»    —    »  206,  Z.  23  f.  streiche  das  erste  darauf. 
»    —    »  207,  Z.  9  von  unten  lies  letzterem. 

»  —  »  26b',  Z.  20  ist  zu  den  Worten:  * ausschliessen  mussm  fol- 
gende Note  weggeblieben:  *)  Dies  zeigt  sich 
auch  in  dem  Gebrauch  ungewöhnlicherer  For- 
men, z.  B.  MB  in,  15663:  vedivilagnamadh- 
yeva,  wofür  sonst  Immer  das  auch  in  deuLezi- 
cis  allein  aufgeführte  vedi  vorkommt. 
»    —    »  337,  Z.  1  statt  V.  1.  XV. 


% 


y 


Die  Religion  uud  der  Staat  der  ISikh. 


Unter  allen  clvilisirten  Völkern  und  zu  allen  Zeiten 
gibt  es  eine  kleine  Anzahl  Menschen,  welche  mit  dem  Un- 
verstände und  der  Verdorbenheit  der  Massen  Mitleiden  he- 
gen und  sie  zu  einem  bessern  glücklichern  Leben  erziehen 
möchten.  Diese  Wackern  suchen,    wenn  dem  Willen  die 
Kraft  nicht  mangelt,  vor  Allem  die  schlau  ersonnenen  oder 
in  der  Zeit  zufällig  entstandenen  Religionszwiste  zu  be- 
seitigen und  dann   auf   den    Fundamenten    der    Selbstbe- 
herrschung, der  Tugend  und  Gerechtigkeit,  in  dem  gött- 
lichen Ideale  verherrUcht,  die  ganze  menschliche  Gesell- 
schaft von  neuem  aufzubauen ;  damit  alle  denkenden  Wesen 
mit    einander   befreundet    und    Ruhe    und    Glückseligkeit 
heimisch  würden  auf  Erden.    Ein  Mann  dieser  höhern  Ge- 
sinnung war  Nauak,  der  weise  menschlich  gesinnte  Leh- 
rer der  Sikh.  Gleich  wie  Schakia,  der   Stifter  des  Bnd- 
dhaismus,  der  älteste  bekannte  Reformator  des  Brahmanen- 
thums,    war  auch  Nanak    der  Kriegerkaste    entsprossen. 
Die  Kschatrias    stehen  nämlich  der  Geistlichen  und  Ge- 
lehrtenkaste am  nächsten;  ihnen  sind,  die  Vedas  ausge- 
nommen, alle  andern  Mittel  der  Geistesbildung,    nament- 
lich die  zwei  grossen  Dichtwerke  der  Nation,  Ramayana 
V.  i 


und  Mahabharata^  geöffnet.  Sie  sind  deshalb  eher  im 
Stande^  durch  das  dicke  Truggewebe  der  Priesterzunft 
zu  schauen  und  sich  eine  reinere  menschliche  Fühlweise 
zu  erwerben.  Nicht  so  die  übrigen  Glieder  des  Hindu- 
staates 5  ihnen  sind  alle  Bildungswege  abgesperrt ;  sie 
sollten  ewig  Kinder  bleiben^  damit  sie  leichter  am  Gän- 
gelbande geführt  werden  könnten» 

Nanak,  von  seinen  Anhängern  Baba  und  Guru,  Vater 
und  Lehrer,  wohl  auch  Nirinkary  der  Allgegenwärtige  ge- 
nannt^ ward  in  dem  Dorfe  Talwandi^  jetzt  Rayapur  an 
dem  Ufer  des  Bayah  oder  Hyphasis,  des  Distriktes  Bhatti 
im  Kreise  Lahor^  geboren;  er  war  der  einzige  Sohn  sei- 
nes Vaters  Kalu^  welcher  gemeinhin  nur  in  Verbindung 
mit  dem  Namen  seines  Klans  genannt  wird^  Kalu  AVerdi. 
Schon  in  frühen  Jahren  zeigte  der  Jüngling  eine  Nei- 
gung, dem  gewöhnlichen  Leben  zu  entsagen  und  sich  der 
Welt  des  Geistes  und  der  Reinheit  zu  widmen,  was  sei- 
nem den  äussern  Dingen  ergebenen  und  sie  allein  schätzen- 
den Vater  höchst  unangenehm  war.  Vergebens  waren  alle 
Versuche,  den^  in  seinem  Sinne,  ungerathenen  Sohn  zu  ei- 
nem weltlichen  Geschäfte,  zu  den  Freuden  des  Gewinnstes 
und  des  Reichthums  zu  verlocken;  der  einfältige  fromme 
Nanak  verstand  sich  nicht  hierauf.  Mit  dem  Gelde,  das 
zum  Salzhandel  bestimmt  war,  ernährte  er  die  halbver- 
hungerten Fakir,  und  glaubte  so  das  allerbeste  Geschäft 
gemacht  zu  haben.  Der  Gewinn  dieser  Welt,  sprach  er 
zu  dem  erzürnten  Vater,  ist  vorübergehend  und  werthlos  ; 
ich  habe  die  Armen  gespeist,  ich  habe  für  dich  ein  Ver- 
dienst eingesammelt,  das  ewig  dauern  wird.  Kalu  Werdi 
fügte  sich  endlich,  auf  Zureden  des  Ray*}  oder  Dorf- 
schulzen Bolar,  und  überliess  den  Sohn  seinem  unwider- 


1)  Ray  bezeichnet  einen  niedrigem  Grad  als  Radsciiah. 


stehlichen  Hange  oder  Schicksale.  Nanak  begab  sich  nun^ 
in  Beo-leitung  eines  treuen  Dieners  und  eines  Musikanten 
auf  Reisen ;  er  besuchte  alle  heiligen  Orte,  alle  berühm- 
ten Tempel  Indiens  und  hatte  hier,  wie  die  Legende  be- 
richtet, mit  Jogi  und  Fakir,  die  durch  wundervolle  Ka- 
steiungen sich  zu  Herrn  der  Naturkrafle  emporschwan- 
gen, viele  Kämpfe  zu  bestehen.  Nanak  sey  aber  nicht 
bloss  selbst  allen  ihren  dämonischen  Zauberkünsten  glück- 
lich entgangen,  sondern  habe  es  auch  verstanden,  seine 
unvorsichtigen  Begleiter,  welche  nicht  selten  an  den  Ge- 
fährten des  Don  Quixote  erinnern,  ihien  mannichfachen 
Schlingen  zu  entziehen.  Herrschaft,  Reichthura  und  Frauen« 
reiz,  nichts  vermochte  den  mit  sich  selbst  klaren  Lehrer 
von  seinem  grossen  Vorhaben:  die  in  Sekten  und  Reli- 
gionen zerfallene  Menschheit  zur  Einheit  Gottes  zu  sam- 
meln und  aufzurichten,  abzubringen. 

Von  den  Indischen  Wallfahrten  ging  Xanak  nach  Mekka 
und  Medina,  wo  er  mit  HeiHgen  und  Gelehrten  des  Islam 
vielfach  verkehrte  und  die  Einheit  und  Allgemeinheit  Gottes 
.  allenthalben  predigte.  Jetzt  sprach  er  es  offen  aus :  er 
sey  gekommen,  eme  Aussöhnung  des  Islam  mit  dem  Brah- 
manismus  zu  bewirken,  was  die  Schechs  und  Mulla,  das 
grösste  Wunder  das  seine  Lebensbeschrciber  uns  berich- 
ten, wohlgefällig  angehört  hätten.  Nanak,  heisst  es,  sey 
auf  diesen  Reisen  auch  mit  dem  Padischah  Baber  bekannt 
geworden,  welchem  er  seine  monotheistische  Lehre  mit 
Festigkeit  und  Entschlossenheit  verkündete  ;  sie  habe  dem 
hochbegabten  Fürsten  so  gefallen,  dass  er  den  Lehrer 
bat,  bei  ihm  zu  bleiben,  und  reichlich  für  ihn  soro-en  wollte. 
Ist  diese  ganze  Erzählung  nicht  erfunden,  so  ist  doch 
so  viel  gewiss:  der  Guru  der  Sikh  hatte  keinen  beson- 
dern Eindruck  auf  den  Eroberer  Hmdostans  her\-orge- 
bracht.  Baber  berichtet  üi  seinen  Denkwürdigkeiten  über 


die  unbedeutendsten  Kleinigkeiten^  erwähnt  aber  des  be- 
rühmten Nanak  mit  keinem  Worte.  Viel  wahrscheinlicher 
ist  die  Angabe^  Nanak  habe  mit  Dschnyani  Kabir  ')^  dem 
Stifter  einer  berühmten  monotheistischen  Sekte  Indiens^  viel- 
fach verkehrt  und  seinen  Schriften  Manches  entnommen. 
Es  sind  jedoch  die  Lehren  dieser  und  aller  andern  Frei- 
denker dem  Wesen  nach  dieselben.  Die  äusserlichen  Ce- 
remonien  der  Religionen^  sagt  Kabir  und  seine  Genossen^ 
sind  gleichgültig ;  wer  in  der  Welt  lebt^  richte  sich  nach 
ihnen ;  diejenigen  aber^  welche  der  Welt  entsagen,  mögen 
ihre  Gedanken  bloss  dem  einen  höchsten  Wesen  zuwen- 
den^ ihm  Lieder  singen  und  sich  alles  eiteln  Prunkes  des 
äusserlichen  Gottesdienstes  enthalten.  Wer  da  weiss  was 
Leben  ist^  fügt  der  erhabene  Lehrer  hinzu^  der  wird  das 
seinige  benutzen ;  nicht  zum  zweiten  Mal  wird  er  es  er- 
halten. Wer  die  Menschen  kennt^  wird  nach  seiner  eige- 
nen Kraft  und  Einsicht  leben;  nicht  von  Andern  wird  er 
es  erbitten^  sondern  das  eigene  Wasser  selbst  sich  holen. 
Wenn  Wahrheit  in  der  Seele  brennt,  so  vernichtet  sie 
alle  weltlichen  Sorgen.  Es  haben  die  Lehrer  des  Ostens 
und  des  Westens  ihr  Leben    in    Forschungen    verzehrt. 


1)  Dschnyani  Kabir  bedeutet  der  Weise,  der  Höchste;  es  ist  dies 
wahrscheinlich  blos  ein  Titel  dieses  berühmten  Sektenstiflers. 
Malcolm,  Sketch  of  the  Sikhs  iin  dem  eilfteu  Band  der  Äst atic 
ResearcheSf  auch  besonders  gedruckt  London  1812,  wonach  wir 
cltiren,  145)  sagt  irrthümlich,  Kabir  wäre  ein  Sufi  gewesen  und 
hätte  zu  den  Zeiten  des  Schir  Schah,  welcher  Humaiun  vertrieb 
und  von  1540 — 1554  regierte,  gelebt.  Wenn  überhaupt  ein  Mann 
dieses  Namens  jemals  gelebt  hat,  und  wer  möchte  dies,  sobald 
man  auf  Indische,  Göttliches  und  Menschliches  vermischende 
Erzählungen  fussen  muss,  mit  Sicherheit  behaupten,  so  lebteer 
unter  Sekander  Lodi  (1488—1517)  und  war  dann  der  Zeitge- 
nosse Nanak^s.  Wilson,  Religious  iSects  of  the  Hindus,  in  den 
Asiat.  Res.  XVI.  53—56. 


Wie  oft  habe  ich  nicht  über  das  menschliche  Geschlecht 
geweint^  und  Niemand  hat  mit  mir  geweint.  Wer  mein 
Wort  versteht ,  wird  theihiehmen  an  meinem  Leid ;  er 
wird  mein  Genosse  werden  und  ebenfalls  Thränen  ver- 
giessen  *). 

Nanak  würde^  so  wenig  wie  Kabir  und  alle  diejenigen, 
welche  sehr  hohe  Begriffe  von  der  3Ienschheit  hegen  und 
diesen  gemäss  Anforderungen  an  sie  stellen,  ein«  aus- 
serliche  Religionsgesellschaft  gegründet  haben,  wenn  er 
nicht  Schüler  und  Nachfolger  gehabt  hätte,  verständigern 
oder  gemeinern  Sinnes,  die  die  Welt  kannten  und  betro- 
gen. 3Ian  mag  mit  Kabir  hierüber  klagen  und  weinen ; 
man  wird  sich  aber  am  Ende  gestehen  müssen,  dass 
Sklavenseelen,  welche  der  Tugend  unfähig,  auch  der 
Freiheit  unwürdig  sind  und  betrogen  werden  müssen.  Na- 
nak selbst  wies  als  einfacher  menschlicher  Lehrer,  nicht 
als  Gesandter  des  Höchsten,  nicht  als  göttliche  Emana- 
tion, den  Muselman  wie  den  Hindu  auf  die  Einheit  Got- 
tes hin ;  er  glaubte,  es  sey  hinreichend  einen  Gott  zu 
erkennen,  sich  die  würdigsten  Begriffe  von  ihm  zu  machen 
und  nach  diesen  alle  unsere  Handlungren  und  Gedanken 
einzurichten^).'  Nanak  hat  niemals  die  Wunderkraft  in  Au- 


1)  Wn-sON  a.  a.  0.  67.  70.  Es  ist  dies  ein  Auszug  aus  den  höchst 
merkwürdigen  Sachis,  die  Kabir  zugeschrieben  werden.  Muham- 
medaner  behaupten,  Nanak  habe  seine  Weisheit  einem  Sind  Hu- 
sain  zu  verdanken.  Siyar  ul  Mutakherin  d.  h.  Darstellung  der 
neuesten  Zeit.  By  Mir  Gholam  Hussein  Khan.  Revised  by 
BRiees.  London  1833.  I.  110. 

2)  Dies  ist  der  Inbegriff  aller  natürlichen  Religionen.  Lessing,  über 
die  Entstehung  der  geoffenbarten  Religion,  in  den  Sämmtlichea 
Werken,  Berlin  1835,  \111.  185.  Die  Religion  innerhalb  der 
Gränzen  der  blossen  Vernunft.  Vorgestellt  von  Immanuel  Kant. 
Königsberg  1794.  Lessing  und  Kant  stehen  auf  derselben  Stufe, 
auf  Welcher  bereits  Kabir  und  Nanak  standen. 


Spruch  genommen.  Ganz  anders  seine  Sikh^  seine  Schü- 
ler; sie  haben  auch  ihren  Lehrer^  damit  er  den  andern 
Propheten  und  Religionsstiftern  nicht  nachstehe^  für  einen 
Avatar  oder  Gottmenschen  ausgegeben  und  ihm  viele 
Thaten  und  Reden  angedichtet.  Nach  der  Ansicht  der 
Weisen  Hindostans  schreiten  nämlich  alle  die  geistigen 
wie  .die  physischen  Kräfte  stufenweise  zu  einer  gewissen 
Höhe  empor  und  sinken  dann  in  derselben  Weise  wieder 
hinab;  bis  Geist  und  Körper  ganz  verkrüppeln  und  dem 
Untergänge  zueilen.  Ist  es  so  weit  gekommen,  dann  er- 
scheint Vischnu  der  Erhalter  und  Erretter  des  Weltalls, 
in  Menschengestalt;  um  die  gesunkeneu  Wesen  wieder  zu 
sich  emporzurichten.  Solch  ein  verkörperter  Vischnu  ist 
Nanak  den  Sikh ;  in  diesem  Sinne  ward  das  Evangelium 
des  Lehrers  nach  seinem  Tode  von  den  Aposteln  seines 
Glaubens  bearbeitet  und  gedeutet.  Man  liest  nun  in  den 
Büchern  des  N^anak  und  seiner  nächsten  Nachfolger,  gleich- 
wie in  den  andern  heiligen  Schriften  der  verschiedenen 
Religionsgenossen;  eine  Menge  hochfahrender  Prophezei- 
ungen und  Wundergeschichten,  aus  welchen  wir  zur  Be- 
zeichnung der  Denk-  und  Vorstellungsweise  dieser  Jünger 
einige  Bruchstücke  mittheilen  wollen. 

Siehe,  am  Ende  der  Zeiten,  so  lautet  das  göttliche 
Wort  der  Sihk,  wird  Zwiespalt  in  der  Welt  entstehen, 
die  Sünde  wird  siegen  und  das  Weltall  von  Grund  aus  ver- 
derbt werden.  Ein  Volk  wird  gegen  das  aiulere  kämpfen 
und  sie  werden,  wie  Bambusstäbe  hart  an  einander  ge- 
rieben, sich  gegenseitig  zu  Asche  verbrennen.  Die  Vedas 
werden  missachtet,  denn  man  wird  sie  nicht  verstehen; 
es  wird  die  Finsterniss  der  Unwissenheit  über  das  Herz 
der  Menschen  sich  lagern.  Jeder  wird  seinen  eigenen  Weg 
.gehen ;  der  Eine  betet  den  Mond  an,  der  Andere  die  Sonne ; 
diese  wenden  sich  zur  Erde,  zum  Himmel,  zur  Luft,  zum 


Wasser  und  zum  Feuer,  während  jene  den  Höllenrichter 
verehren.  Irrthum  und  Wahn,  eitle  Sinnenlust  und  thörichte 
Kasteiunsfen  reichen  sich  die  Hände.  Und  so  entstanden 
aus  einem  wahren  Urgebilde  eine  Menge  schlechter,  wider- 
wärtiger Weisen.  Und  siehe,  des  Uebels  war  noch  kein 
Ende.  Der  Freund  Gottes,  Muhammed,  erschien,  rief  zwei 
und  siebzig  neue  Sekten  ins  Daseyn  und  verbreitete  Krieg 
und  Zwiespalt  über  einen  grossen  Theil  der  Erde.  Die 
Tempel  wurden  niedergerissen  und  auf  ihren  Trümmern 
Moscheen  errichtet ;  Kühe  und  alle  hülflosen  Wesen  wur- 
den ohne  Erbarmen  geschlachtet  und  die  im  Sinne  der 
Moslem  Ungläubigen,  Hindu  und  Armenier,  Griechen  und 
Abyssinier  als  Feinde  verfolgt.  So  machte  das  Laster  sich 
weit  und  breit  im  Weltall. 

Jetzt  erhob  die  unterdrückte  Tugend  ihren  Klageruf 
zu  dem  Throne  des  Allmächtigen;  er  schuf  Nanak,  um 
die  ausgeartete  verworfene  Welt  zu  erleuchten  und  zu  er- 
neuen. Der  heilige  Mann  verkündete  Gott  den  Höchsten 
aller  Wesen  hienieden  und  tränkte  mit  dem  Nektar,  der 
seine  Füsse  gewaschen,  die  durstigen  Jünger').  Wahr- 
heit, Tugend  und  Gerechtigkeit  erhielten  ihre  frühere  Kraft 
wieder ;  die  vier  Kasten  wurden  zu  einem  Volke  umge- 
bildet und  eine  einzige  Weise  der  Gottesverehrung  ein- 
geführt ;  das  unvernünftige  kindische  Spiel,  vor  den  Füs- 
sen der  Götzenbilder  den  Kopf  zu  bücken,  ward  abge- 
schafft und  die  in  Laster  versunkene  Welt  zur  Reinheit 
erhoben. 

Als  Nanak  seine  Reisen  vollendet  hatte,  fährt  die 
biblische  Geschichte  der  Sikh  fort,  stieg  er  zum  Sumeru, 


1)  Dies  bezieht  sich  auf  dieEiaweihuiigsceremomeii  der  Sikh.  Siehe 
weiter  unteB. 


8 


dem  Indischen  Olympus,  empor,  wo  er  von  allen  Weisen 
und  Heiligen  begrüsst  wurde.  Jeder  wünschte,  Nanak 
möge  sich  zu  der  Gottesverehrung  in  seinem  Sinne  be- 
kehren. Da  erscholl  plötzlich  die  göttUche  Stimme  in  der 
Versammlung  und  sprach :  Nanak  soll  eine  eigene  Re- 
ligion stiften,  und  sein  Name  werde  der  Freudenruf  des 
Kali  Juga,  des  verderbten  Zeitalters.  Von  dem  Himmel 
auf  Erden  zurückgekehrt,  verkündete  der  Allgegenwärtige 
dem  Hindu  wie  dem  Muselman,  dass  sie  beide  ohne  wahre 
Frömmigkeit  nicht  bestehen  werden  vor  dem  Throne  der 
Allmacht,  dass  ihre  Gebete  nicht  erhört  werden  und  dass 
der  Satan,  all  des  religiösen  Formelwesens  ungeachtet, 
das  Erdenrund  beherrsche.  Nanak  ward  vom  Himmel  ge- 
sandt, der  Menschheit  eine  Schrift  mitzutheilen,  worin  die 
verschiedenen  Namen  Gottes  in  einem,  in  dem  Namen 
Gottes  des  Herrn,  sich  vereinigen ;  wer  anders  ihn  nennt, 
der  fällt  der  List  des  Teufels  anheim,  dessen  Füsse  wer- 
den mit  den  Ketten  der  Sünde  und  des  Elends  gebunden. 
Moslem,  spricht  der  Guru,  Moslem,  ihr  habt  die  Tempel 
zerstört  und  die  heiligen  Schriften  der  Hindu  verbrannt; 
ihr  habt  in  Blau  euch  gekleidet  und  liebt  es,  dass  euer 
Ruf  von  Haus  zu  Haus  verkündet  werde.  Ich  aber,  der 
ich  die  ganze  Welt  gesehen  habe,  weiss,  dass  der  Hindu 
von  Hass  erfüllt  ist  gegen  euch  und  eure  Moscheen.  Ich 
bin  von  dem  Herrn  gesandt,  die  widersprechenden  Glau- 
benssatzungen zu  vereinigen ;  desshalb  beschwöre  ich  euch, 
leset  diese  heilige  Schrift  und  eure  eigene.  Das  Lesen 
ist  aber  ohne  Gehalt,  wenn  man  der  Lehre  nicht  gehorcht ; 
denn  Gott  hat  gesagt,  es  wird  Niemand  ohne  gute  Werke 
selig  werden.  Der  Allmächtige  wird  nicht  fragen,  zu  wel- 
chem Volke,  zu  welchem  Glauben  gehörst  du;  sondern 
er  wird  fragen,  was  hast  du  gcthan  ?  So  vernehmt  denn, 
dass  die   Zwistigkcitcu    zwischen    Muselman  und    Hindu 


eben  so  ungerecht  als  gottlos  sind.  Hundert  tausend  Mu- 
hammede^  eine  Million  Brahmas ,  Vischnus  und  hundert 
tausend  Ramas  stehen  vor  dem  Throne  des  Allerhöchsten ; 
sie  alle  werden  untergehen,  Gott  allein  ist  unsterblich. 
Menschen^  in  dem  Lobe  Gottes  vereinigt,  wie  schämt 
ihr  euch  nicht,  euch  gegenseitig  anzufeinden  I  Es  zeigt 
dies  deutlich,  dass  ihr  vom  Bösen  beherrscht  seyd.  Der 
allein  ist  der  wahre  Hindu,  dessen  Her^  gerecht  ist;  der 
allein  ist  der  wahre  Muselman,  dessen  Leben  rein  ist. 

Eines  Tags,  erzählt  einer  der  Apostel,  hörte  Nanak 
eine  Stimme  vom  Himmel  herab,  die  rief:  Nanak^  komm 
herbei!  Wie  hätte  ich  Macht,  antwortete  der  Baba,  in 
deiner  Gegenwart  aufrecht  zu  stehen!  So  schUesse  die 
Augen,  erschallte  die  Stimme  ^).  Gott  trug  ihm  nun  auf, 
sein  Sendbote  zu  werden  auf  Erden ;  Nanak  hielt  sich 
aber  dieses  heiligen^  schwierigen  Amtes  unwürdig.  Wohlan, 
sprach  Gott,  ich  selbst  will  dein  Lehrer  seyn,  damit  du 
der  ganzen  Menschheit  Lehrer  werdest.  Mich  zu  lereh- 
ren,  allgemeine  Menschenliebe  und  Reinlichkeit'-,  dies  sind 
die  drei  Gebote,  die  deine  Jünger  befolgen  sollen.  Sie 
sollen  die  Welt  nicht  verlassen ,  sondern  darin  leben, 
zum  Heile  aller  Wesen ;  denn  meinen  Athem  habe  ich 
allen  eingeblasen.  Was  ich  bin,  bist  auch  du,  zwischen 
uns  waltet  kein  Unterschied  ^).  Wa  Guru,  Heil  dem  Leh- 
rer, erscholl  es  jetzt  aus  dem  Munde  der  Gottheit,  und 
Nanak  erschien,  Licht  und  Freiheit  auf  Erden  zu  ver- 
breiten. 

Keine  Religion  verdient  mehr  den  Namen  Religion 
des  Friedetis,  als  die  des  Nanak.  Waffen  lege  an,  sagt 
der  treffliche  Mann,    aber  solche,    die  Niemand  Schaden 


1)    Mau  erkennt  leicht  die  NachaliinuDg.  Zweites  Buch  Mose  Kap.3. 
8)    Das  heisst,  keine  Einsiedler  oder  Mouche  werden. 


10 


bringen  5  Vernunft  sei  dein  Panzerhemd^  wandle  die  Feinde 
in  Freunde^  Gottes  Wort  sey  deine  einzige  Waffe^  denn 
wie  wundervoll  sind  nicht  die  Pforten^  ist  nicht  der  Pal- 
last^  worin  die  Gottheit  thront  und  Alles  regiert.  Unzäh- 
lig sind  die  Stimmen^  die  sie  preisen ;  Luft^  Wasser  und 
Feuer;    Isvara,  Brahma  und  alle  andere  Gottheiten;  die 
Propheten,  Weisen  und  Einsiedler^  alle  preisen  dich !   Es 
ist    der   Herr  der  Wahrheit^    der   Wahre    und   wahrhaft 
Gerechte.    Er  ist   und  war^    er  geht  vorüber   und    geht 
nicht  vorüber^  er  erhält  Alles^  das  erhalten  wird.  In  die- 
ser Weise  geht  es  noch  lange  fort  in  dem  Adi  Granth  '). 
Nanak  müht  sich  vergebens  ab^,    gleichwie  so  viele  an- 
dere treffliche  Männer  aller  Zeiten  und  Völker^  das  Un- 
aussprechliche auszusprechen^  das  Unbegreifliche  begreif- 
lich zu  machen.    In  dem  Sinne  dieses  Deismus  oder  Ide- 
alismus ward  auch   der  äusserliche  Gottesdienst,  dessen 
man  nun  einmal  nicht  ganz  entbehren  konnte,  eingerich- 
tet.   Die  ursprünglichen  Tempel    der   Sikh    sind  einfache 
schmucklose  Gebäude,    aus  welchen   jede  Abbildung  der 
Gottheit  verbannt  war.  Der  Gottesdienst  dieser  östHchen 
ReHgionsgesellschaft    ist    so    äusserst  prunklos,    dass  er 
sich  der  Weise  der  Englischen  Unitarier  nähert.  Es  wer- 
den Lieder  gesungen  zum  Lobe  des  Höchsten,  zum  Lobe 
des  Lehrers  der  Milde  und  des  Erbarmers ;  alsdann  wird 
die  heilige  Schrift  in  der  Gemeinde  herumgereicht  und  ihr 
Geld,  Blumen  und  Früchte  geopfert.     Diese  Gegenstände 
sind   das   Eigenthum  des  Priesters,  welcher  zufallig    den 
Gottesdienst  leitet ;    am  Ende  theilt    er  dafür  allerlei  ge- 


1)  Die  einzelnen  Abtlieilungen  des  Adi  Granth  heissen  Pidi,  Trep- 
pen, denn  sie  füliren  zur  Erkenntniss  des  Waliren.  Malcolm 
169.  Der  Sikh  Geistliche,  auf  welchen  Malcolm  sich  häufig  be- 
ruft, Mar  nach  Wii-sON  (Asiat.  Researches  XVU,  237.)  ein  Mann, 
der  alles  Vertrauen  verdiente. 


m   11 

weihte  Süssigkeiten  unter  die  Mitglieder  der  Gemeinde 
aus,  wie  dies  auch  bei  den  Sekten  der  Vaischnavas 
Sitte  ist,  zu  welchen  die  Sikh  gehören  *). 

Solch  eine  einfache  und  nüchterne,  jeden  Sinnen- 
reiz verschmähende,  jedes  phantastische  Gebilde  aus- 
schliessende  theologische  Lehre  durfte  nur  auf  wenige 
Sikh  oder  Jünger  '^}  rechnen.  Auch  war  in  der  That  das 
Häuflein  sehr  klein,  als  Nanak,  zu  Kirtipur  an  den  Uf^rn 
des  Rawi,  seine  körperliche  Hülle  abstreifte  und,  wie  Mo- 
ses, seinen  Lieblingsdiener  Lehana  zu  seinem  Angad  oder 
Stellvertreter  ernannte.  Er  hatte  keinen  seiner  Söhne  und 
übrigen  Verwandten  hiezu  würdig  befunden.  Dies  war  auch 
der  Fall  bei  dem  Tode  des  Angad  (1552),  welcher  eben- 
falls die  beiden  Söhne  überging  und  seinen  treuen  Diener, 
den  Kschatria  Amera  Das  zum  Lehrer  der  kleinen  Gemein- 
de einsetzte.  Ihm  folgte  (1574)  sein  Schwiegersohn 
Rain  Das,  der  die  alte  Stadt  Tschak  zum  heiligen  Platz 
der  Sikh  erhob  und  sie  auch,  nach  seinem  Namen,  Ram- 
daspur  nannte.  Nach  einem  berühmten  Wasserbehälter, 
welchen  der  Guru  hier  graben  liess,  ward  der  Ort  Amri- 
ta  Saras,  später  in  Amritsir  zusammengezogen,  das  ist 
Behälter  der  Unsterblichkeit,  genannt  "*).  Amritsir  ward  in 
der  Folgezeit  ein  heiliger  Wallfahrtsort  fiir  alle  Hindu  und 


1)  Wilson,  Asiat.  Research.  XVll.  233.  239.,  wo  einige  Kirchen- 
lieder nütgetheilt  sind,  die  aber  weder  in  ästhetisclier  noch  in 
wissenschaftlicher  Beziehung  von  Werth  sind. 

2>  Das  Sanskritwort  Sikscha,  Jünger,  lautet  in  dem  Dialekte  des 
Fünfflussgebietes  Sikh,  woher  die  Anhänger  Nanak-s  den  Namen 
erhielten.  '       ' 

.33  Saras  heiast  in  mehreren  Indischen,  aus  dem  Sanskrit  stammen- 
den Dialekten,  Wasserbehälter  und  Amrita,  Unsterblichkeit.  Die 
Uebersetzuug  Brunnen  der  Unsterblichkeit  bei  Ui'kgsl  iKasch- 
mir  tittd  das  Reich  der  Sikh.  111.  400.)  ist  ungenau. 


12 


erhob  sich  dadurch  zu  einer  bedeutenden  reichen  Handels- 
stadt. Es  herrscht  hier  ein  regeres  Treiben,  als  sonst 
irgendwo  im  Pendschab ;  die  Läden  prangen  mit  allen 
Waaren  Hindostans.  Das  heilige  spiegelklare  Wasser- 
becken, eine  grosse  Seltenheit  in  diesem  Land^  bildet  ein 
Viereck  von  ungefähr  hundertfünfzig  Schritten  im  Umfange 
und  erhält  wahrscheinUch  von  lebendigem  Quellwasser 
seine  Nahrung,  In  der  Mitte  des  Beckens  erhebt  sich  ein 
prachtvoller  Tempel  des  Hari  oder  Vischnu^  der  mit  ei- 
nem kunstreich  gearbeiteten  goldenen  Dach  gedeckt  ist; 
eine  grosse  goldene  Thüre  führt  in  das  Innere^  welches 
nach  allen  Seiten  mit  Marmor  ausgelegt  ist.  Von  Wes- 
ten her  führt  eine  Brücke  zum  Tempel,  in  dem  der  erste 
Guru  der  Sikh  thront^  wo  er  dem  gläubigen  Volke  und 
den  Neugierigen  für  Geld  und  andere  Geschenke  den  Se- 
gen spendet.  Es  müssen  die  Waschungen  zuvor  in  an- 
dern Richtungen  vorgenommen  werden ,  ehe  die  Pilger 
zur  heiligsten  Seite ^  g^g^^^  Osten,  zugelassen  werden. 
Ringsum  des  Wasserbehälters  sind  Tempel  und  Wohnun- 
gen für  Guru  und  Fakir ;  auch  wird  ein  kleines  leeres 
Gebäude  gezeigt,  wo  Ram  Das  sein  ganzes  Leben  verweilt 
haben  soll  *).  Der  Sohn  und  Nachfolger  des  Ram  Das, 
Ardschun  Mal  oder  auch  bloss  Ardschun  genannt,  hat 
die  Schriften  seiner  Vorfahren  in  einem  Buche  verzeich- 
net, das  gemeinhhi,  um  es  von  dem  Werke  des  zehnten 
Lehrers,  Govind,  zu  unterscheiden,  Adi  Granth,  erstes 
Buch,  genannt  wird. 

Das    Adi  Granth  ist  in  Versen  gesclirieben,   besteht 


1)  HuKORi.,  Kaschmir.  111.  404.  Der  Baron  zahlte  den  Segen  des 
Sikhpabstes  mit  einem  (Sack  Rupien;  dafür  ward  er  aber  auch 
Maharudschah  Lord  Baron  Hügel  8ahib  Bahadur  titulirt.  Auch 
Burnes  ha4  eich  hier  einen  Segen  geholt.   Travels  1.  Ifil. 


m    13 

aus  zweiundneunzig  Abschnitten  und  enthält  die  Schriften  der 
ersten  fünf  Lehrer  mit  den  Erläuterungen  und  Zusätzen  des 
sechsten  Ardschun  Mal.  Später  wurden  noch  andere  Schrif- 
ten der  Vaischnav  as  dieser  ersten  heiligen  Schrift  der  Sikli 
hinzugefügt ').     Die  Jünger  des   Nanak  organisirten  sich 
nun  durch  das  Adi  Granth  förmüch  zu  einer  eigenen  reli- 
giösen Sekte,    welche  die  Vedas  wie  den  Koran  verwarf 
und  deshalb  die  Feindschaft  der  Hindu  und  Moslem  in  glei- 
chem Grade  erregte.  Ardschun  (1606)  ward  ein  Opfer  die- 
ses gemeinschaftlichen  Religionseifers,  und  sein  Sohn  Har 
Govind    vertauschte  deshalb     das  Wort  Gottes  mit  dem 
Schwerte,  um  an  den  Mördern  sehies  Vaters  Rache  zu 
nehmen.    Die  friedliche  pliilosophische  Gemeinde  des  Na- 
nak   wurde  jetzt  in  eine  Rotte  wilder  Krieger,    in    eine 
tollkühne  Räuberbande  umgeschaflfen,  welche  weder  Er- 
barmen übte  noch  Erbarmen  fand  bei  seinen  glaubenstol- 
len Gegnern.    Zwei  Schwerter,  schrie  der  erste   kriege- 
rische  Guru  seinen  Jüngern    zu,    zwei  Schwerter  trage 
ich  im   Gürtel ;  das  eine  diene  zur  Rache  meines  erraor- 
deten  Vaters,  das  andere  zur   Vernichtung    der  Wunder 
Muhammeds.  Damit  seine  Anhänger  desto  kräftiger  wür- 
den, gestattete  ihnen    der  Guru  alle  Fleischspeisen,     die 
Nanak  verboten  hatte;    nur    des  Kuhfleisches  sollten  sie 
sich  enthalten.  Die  Thaten  Har  Govind's  und  seiner  Nach- 
folger Har  Ray,  Har  Krischna  und  Tegh  Bahadur,  bis  auf 
Guru  Govind,  den  Sohn  des  letzten  *},  erheben  sich  aber 


1)  aL\LC0LM  31.  Wilson  238. 

2)  Auf  Har  Gowind,  dessen  Todesjahr  1 644  angesetzt  wird,  folgte 
sein  Enkel  Har  Ray,  der  im  Jahr  1661  starb,  und  diesem  Har 
Krischna  bis  1664.  Nun  entstand  ein  Streit  über  die  Nachfolge 
zwischen  Ram  Ray,  dem  Sohne  des  verstorbenen  Guru,  und 
Tegh  Bahadur,  dem  dritten  Sohne  Har  Gowind's.  Tegh  Bahadur 
erhielt  den  Beifall  derSikh,  ward  aber  im  Jahre  1675  von  Patna, 


14 


nicht  über  die  in  den  Östlichen  Ländern  gewöhnlichen 
Meutereien  und  Raubzüge;  sie  sind  spurlos  vorüberge- 
gangen und  der  Beachtung  umverth.  Anders  gestalten 
sich  aber  die  Verhältnisse  nach  dem  Tode  des  Tegh  Ba- 
hadur  (1675)^  der  auf  Befehl  des  fanatischen  Orangseb 
hingerichtet  wurde.  Das  Oberhaupt  der  Religion  ward 
auch  nicht  einmal  zum  Scheine  eines  Verbrechens  beschul- 
digt, sondern  geradezu  als  Ketzer  angeklagt  und  ermor- 
det. Dieser  glaubenstolle  Despotismus  empörte  auch  das 
ruhigste  Gemüth  unter  den  Jüngern  und  rief  zur  uner- 
bittlichen Rache  auf.  Es  ist  der  höhere  Mensch  zur 
religiösen  und  politischen  Freiheit  geboren^  wird  er  die- 
ser^ alles  Andere  weit  überwiegenden  Güter  beraubt,  so 
tritt  er  in  den  Naturzustand  zurück ;  er  erklärt  der  Ge- 
sellschaft ,  die  seine  angebornen  Rechte  verhöhnt ,  den 
Krieg :  Mord  und   Rebellion  werden  Pflicht. 

Thoren  sind  wir^  eitle  Thoren^  so  sprach  der  jugend- 
liche Govind  zu  seinen  Genossen^  wenn  wir  jetzt  noch 
dem  verfolgungssüchtigen  Muselman  vertrauen.  Was  uns 
in  Güte  versagt  wird^  das  soU^  das  muss  das  Schwert  uns 
erringen.  Behalten  wir  die  Frömmigkeit  für  uns  und  keh- 
ren den  Stahl  gegen  «tinsere  Feinde.  Diese  Rede  machte 
Eindruck  auf  die  tapfern  verfolgten  Genossen.  Wie  den 
alten  Skythen^  so  ward  auch  den  Sikh  Eisen  und  Staiil 
von  nun  an  eine  Gottheit^  zu  der  sie  sich  im  Gebete 
richteten,  und  dies  um  so  lieber,  da  mancher  tapfere 
Mann  hoffen  mochte,  im  Kampfe  gegen  seine  Verfolger 
sich  Hab  und  Gut  und  selbst  eine  Herrschaft  zu  errin- 
gen.   Wer    weiss  nicht,  wie  vielen    Vorschub  weltliche 


wo  er  wohnte  und  wo  sich  eine  Kapelle  des  Sikh-Gottesdion- 
stes  befand,  nach  Delhi  gebracht  und  daselbst  ohne  alles  Recht 
und  Gesetz  öffentlich  enthauptet. 


15 


Vortheile,  sinnliche  Genüsse  allenthalben  und  zu  allen 
Zeiten  dem  Religionseifer  leisten.  Nanak  wollte  das  In- 
dische Kastenwesen  und  den  Religionsunterschied  über- 
haupt abschaffen ;  alle  Menschen  sollten  in  der  Anbetung 
des  höchsten  Wesens  vereinigt  werden.  Govind  baute 
fort  auf  diesem  breiten  Ftmdamente.  Die  niedrigsten  Glie- 
der der  untersten  Kaste ^  hiess  es,  seyen  gleich  den 
Brahmanen  und  Kschatria;  die  Nation  möge  zu  einem 
einzigen  Körper  zusammenwachsen^  damit  sie  desto  mehr^ 
desto  eher  im  Stande  sey^  das  verhasste  Joch  des  Islam 
abzuschütteln.  Govind  fühlte^  dass^  um  so  grosses  zu 
vollbringen^  um  so  tief  gewurzelte  Vorurtheile  auszu- 
rotten^ menschliches  Zureden^  Vernunft  allein  nicht  aus- 
reiche. Er  wagte  es  deshalb^  nach  dem  Muster  vieler 
seiner  Vorgänger^  eine  Prophetenrolle  zu  spielen.  AVas 
menschUche  Kraft  und  menschliche  Einsicht  auf  den  Men- 
schen nicht  vermag,  das  soll  im  Namen  der  Gottheit  zu 
Staude  kommen. 

Das  höchste  Wesen,  erzählt  Govind  in  dem  Buche 
des  zehnten  Herrschers  ^) ,  befahl  mir  in  dem  Kali  Juga 
zu  erscheinen.  Ich  für  meinen  Theil  wäre  lieber  unge- 
boren und  in  dem  Anschauen  der  Allmacht  versunken  ge- 
bheben. Es  sprach  aber  Gott :  Ich  habe  dich  zu  meinem 
Sohn  erkoren^  dartlit  du  die  vollkommene  Religion  den 
Menschen  offenbarest.  Tritt  hinaus  in  die  Welt,  erhebe 
die  Tugend  und  verfolge  das  Laster.  Was  nun  der  Höchste 
zu  mir  spricht^  das  verkünde  ich  den  Menschen ;  ich  bin 
der    wahre  Knecht  Gottes  ;   daran  zweifelt  nicht :    darum 


1)  Desima  Padischahka  Granth.  Dieses  Buch  wird  von  den  Sikh 
für  eben  so  heilig  gehalten,  wie  das  Adi  Granth  selbst.  Die  Cte- 
schichte  des  Guru  Gowind  nach  niuhammedanlschen  Quellen,  in 
dem  Siyar  ul  Mutakherin.  I.  113,  stimmt  in  den  wesentlichen 
Punkten  mit  den  Angaben  der  Sikh  zusammen. 


16 

werde  ich  sprechen  und  den  Mund  nicht  verschliessen. 
Ich  spreche  nicht  eines  Menschen  Wort,  sondern  das  Wort 
Gottes ;'  ich  kleide  mich  nicht  nach  der  Norm  eines  Ir- 
dischen, sondern  folge  der  Vorschrift  des  Höchste  n ;  ich 
bete  keine  Steine  an  und  ahme  die  Religionsgebräuche 
der  Welt  nicht  nach.  Ich  spreche  den  gränzenlosen  Na- 
men aus  und  habe  mich  zum  höchsten  Wesen  emporge- 
schwungen. Jeder  der  frühern  Avatar  hat  eine  besondere 
Religion  gestiftet ;  aber  sie  erkannten  nicht  das  höchste 
Wesen,  sie  erkannten  nicht  die  wahren  Grundsätze  der  Tu- 
gend und  Gerechtigkeit.  Alle  frühere  Lehren  sind  unnütze ; 
diese  meine  Lehre  präge  dir  tief  in  die  Seele  ein  :  in  kei- 
ner andern  Lehre  wird  es  dir  Wohlergehen,  die  meine  nur 
erfasse  mit  ganzem  Herzen.  Siehe,  als  ich  bereits  die 
Worte  des  Höchsten  einige  Zeit  in  dieser  Weise  verkün- 
det hatte,  da  erschien  mir  Durga  Bhavani  *),  die  Göttin 
des  kriegerischen  Muthes,  in  einem  Traumgesichte,  von 
wundervollem  Glänze  umstrahlt.  Sie  hielt  ein  strahlen- 
des Schwert  in  ihren  Händen,  reichte  es  mir  hin  und 
sprach:  Erobere  die  Länder  der  Muslim;  es  sollen  viele 
derselben  durch  dieses  Schwert  erschlagen  werden.  Hier- 
auf erwachte  ich  und  rief  begeistert  aus:  dieser  Stahl 
diene  mir  und  meinen  Jüngern  zum  Schutze,  denn  in  sei- 
nem Glänze  strahlt  mir  immer  die  4ttajestät  der  Göttin 
entgegen.    Drum  sollt  ihr  immer  Stahl ^)  an  euch  tragen; 


1)  Durga  Bhawant  ist  eloe  der  Frauen  des  Kerstörenden  Princips, 
Siva. 

8)  Viele  rolle  kriegerisclie  Völker  liaben  bekanntlich  Ihren  Waffen 
göttliche  Verehrung  erwiesen;  wie  noch  heutigen  Tags  die  Kal- 
mücken zu  thun  pflegen.  Vallas,  Sammlungen  über  die  Munffo- 
tischen  Völker  II.  218.  Olcg  und  seine  Begleiter  schwuren,  wie 
Nestor  sagt  (Schloezkr,  111. 887),  nach  Russischem  Brauch,  bei 
Ihren  Waffen. 


17 

heili»-    sey   euch  der  Stahl :  der  Schutz  des  Allstahles ') 
komme    über  euch.     Ihr    sollt   nicht  mehr  Sikh,  Jünger, 
sondern  Singh,  Löwen,  heissen^).  Wo  immer    ihr  einem 
Muselman  begegnet,  erschlagt  ihn,  ihr  habt  das  Recht  da- 
zu, wo  immer  ihr  einem  Hindu  begegnet,  prügelt  ihn  durch, 
beraubt  ihn  seines  Gutes  und  theilt  es  unter  euch ;    ihr 
habt  das  Recht  dazu.     Die  Länder  zu  verderben,  wo  der 
Muselman  herrscht,  sey  euer  Sinnen,  sey  euer  Trachten. 
Auch    in    den    äusserlichen    Einrichtungen    traf  Guru 
Govind    mancherlei  Veränderungen.    Da    der  Unterschied 
alles  Kastenwesens  aufgehoben  war  und  auch  der  Gerinsr- 
ste  als  Proselyt  angenommen    ward,  so  fanden  sich  na- 
türlich  viele    Mitglieder    der   untern  Kasten  ein,    welche 
froh  waren  aus  der  furchtbaren  Sclaverei  des  Brahmanen- 
thums    errettet    zu    werden.     Es    ward    nun    eine  eigene 
schmutzige   Einweihungsceremonie  angeordnet,  um   in  die 
Chalsa    oder  Kirche  der  Sikh  aufgenommen    zu  werden; 
es  sollte  dadurch  symbolisch     die   unbedingte   Gleichheit 
aller  Älitglieder  der  Kirchengemeinde  angedeutet  werden. 
Man   lehrte    zuerst  den    Convertiten  seine  Pflichten,    ^''on 
nun  an,  heisst  es,  rausst  du  ein  Krieger  werden  mit  Leib 
und   Seele;    die  Kirche  zu  vertheidigen  und  ihre  Feinde 
zu  vernichten  sey  künftig  deine  einzige  Richtschnur.  Kopf- 
und  Barthaar  lass  waclisen ;   in  Blau  kleide  dich  von  Kopf 
zu  Fuss;  Stahl   musst  du  immer  bei    dir  traaren,  in  die- 
ser  oder  jener   Form.     Ist  dies  geschehen,  so  wird  der 
Neubekehrte  der  Kirchengemeinde,    welche,  aus  Nachah- 
mung des  Pandschayat,  des  Indischen  Schöppengerichtes, 
wenigstens  aus  fünf  Personen  bestehen  muss,  vorgestellt 
und  erhält  aus  der  Hand  des  Guru  fünferlei  Waffen:  ein 


1)    Serv  loh. 

8)    Früher  führten  bloss  die   krieo;erischen  Radschputen    diese  Kh- 
renbenennung. 

V.  2 


18 

Schwert^  Bogen  und  Pfeil^  einen  Dolch,  einen  Spiess  und 
eine  Flinte.  Der  Diakon  wendet  sich  nun  zu  ihm  und 
spricht  die  Worte  :  ,,Dieser  hier  ist  dein  heiliger  Lehrer, 
und  du  bist  sein  Jünger/^  Es  wird  dann,  während  der 
Gemeinde  einige  Abschnitte  des  ersten  Buches  und  des 
Buches  des  zehnten  Herrschers  vorgelesen  werden, 
Zucker  und  Wasser  in  ein  Gefäss  gethan  und  mit  einem 
Dolche  umgerührt.  Ist  dies  zu  Ende,  so  ruft  die  ganze 
Gemeinde :  Heil  der  Kirche  des  Lehrers !  Heil  und  Sieg 
dem  Lehrer !  Heil !  —  eine  Litanei,  die  fünfmal  wieder- 
holt wird.  Der  Neubekehrte  und  der  Lehrer  waschen 
sich  in  der  Zwischenzeit  mit  dem  Zuckerwasser  die  Füsse 
und  murmeln  ein  Gebet  in  wohlklingenden  Versen,  zum 
Lobe  des  alleinigen  Gottes,  das  mit  folgender  Strophe 
beginnt:  Allenthalben  bin  ich  gewesen,  habe  mancherlei 
Gattungen  der  Frommen  gesehen,  Jogi  und  Jati,  heilige 
Kasteiungen  übende  Männer,  in  Anschauung  der  Gottheit 
versunkene  Männer,  nach  den  verschiedensten  Weisen  und 
Sitten.  Alle  Länder  habe  ich  bereist,  aber  das  walirhaft 
Götthche  nirgendwo  gefunden.  Ist  das  Gebet  zu  Ende, 
dann  trinken  Beide,  Lehrer  und  Jünger,  das  schmutzige 
Fusswasser,  während  die  Gemeinde  mit  überlauter  Stim- 
me einfällt:  Heil  der  Kirche  des  Lehrers!  Heil  und  Sieg 
dem  Lehrer!  Heil!  Hiemit  ist  das  Pahal  oder  die  Ein- 
weihungsceremonie  zu  Binde*). 

Gott  allein,  sagte  der  Guru  zu  seinen  Genossen,  ist 
der  Herr  seiner  Kirche;  sie  bedarf  keines  sterbUchen 
Menschen.  Ich  bin  jetzt  euer  Führer  und  werde  auch 
nach  meinem  Tode  es  bleiben.   Leset  das  Buch  und  rich- 


1)  Malcoi-m  180.  folg.  Phinsep  Origin  of  the  Sikh  Power  in  the 
Pu nj ab.  Ciilcutta.  1834.  217.  G.  Foicstkb,  Beise  von  Bengalen 
nach  England.  Deutsch  von  Meiners.  Zürich  1796.  I.  296. 


19 

tet  euch  nach  seinen  Vorschriften  5  wer  der  Kirche  treu 
ergeben  ist,  dem  werde  ich  immer  beistehen.  In  diesem 
theokratischen  Sinn  hat  Govind  seine  Kirche,  seinen  Staat 
geordnet ;  es  sollten  die  Singh  eine  föderative  Repnbük 
bilden,  an  deren  Spitze  ein  Richter  oder  Herzog  ge- 
stellt wird,  um  den«  Staat  nach  aussen  hin  zu  vertreten 
und  zu  schützen.  Der  Richter  steht  aber  unter  der  Kir- 
che, handelt  bloss  in  ihrem  Geiste  und  ist  ihr  verant- 
wortlich. Jede  Gaugemeinde  steht  unter  einem  eigenen, 
von  dem  Gau  gewählten  Grafen,  dessen  Amt  es  ist,  den 
Heerbann  anzuführen  und  im  Frieden  die  Beschlüsse  der 
Genossenschaft  zu  vollziehen.  Bei  ^\-ichtigen,  alle  Bür- 
ger oder  Glaubensgenossen  betreffenden  Angelegenheiten 
werden  die  Häupter  der  Gaugemeinden  zu  einer  Versamm- 
lung nach  Ainrit«ir  be^chieden,  welche  Guntmaia  '),  Ver- 
sammlung des  Lehrers,  genannt  wird  5  denn  der  Lehrer 
oder  heilige  Geist  spricht  und  handelt  hier  durch  seine 
versammelte  Kirche.  Die  Häuptlinge,  welche  allein  die 
ganze  Kirche  repräseutiren,  werden  durch  eiue  von  Go- 
vind angeordnete  Klasse  kriegerischer  Geistlichen,  Akali 
oder  die  Unsterblichen  genaimt,  zu  der  aUgemeinen  Syn- 
ode beschieden.  Die  Akali  sind  die  Wächter  der  Kirche 
und  des  Gesetzes;  sie  sind  die  Sittenrichter  über  die 
Häuptlmge  und  alle  Genossen  der  Gaugemeinden.  Ihrer 
heUigen  geistlichen  Macht  ist  Alles  unterworfen ;  des- 
halb sind  sie  auch  allgemein  gefürchtet.  Selbst  der3Ia- 
haradschah  Ranadschit  Singh  war  gezwungen  oder  hielt  es 
für  staatsklug,  in  der  höchsten  Blüthe  semer  Macht,  von  die- 
sem übermüthigen  Tempelorden  mancherlei  Unbilde  zu  er- 

1)  Das  Indische  Wort  mala  ist  nach  seinem  Urspnuige  und  seiner 
Bedeuti«.  mit  dem  Germanischen  mote,  in  Wittenagemote,  und 
dem  hej^en  Englischen  meetitig  Terwaadt.  (A.  d.  V.  Es  ist  wohl 
eher  das  Sanskritwort  matha,  Sitz  der  Lehrer  einer  Secte.  A.d.H.) 


20 

tragen.  Sie  ziehen^  bis  an  die  Zähne  bewaffnet^  in  grossen 
Banden  im  Lande  herum;,  rauben^  morden  und  trei- 
ben allerlei  Unfug  im  Namen  des  unsterblichen  Guru. 
So  ehemals^  und  so  heutigen  Tags  noch.  Man  sieht  sie 
in  einzelnen  Häuflein  im  Fünfflussgebiete  herumziehen, 
in  jeder  Hand  ein  blosses  Schwert^  %5wei  an  beiden  Sei- 
ten^ auf  dem  Rücken  eine  Flinte^  an  den  Armen  drei  oder 
vier  an  den  Rändern  scharf  geschliffene  Stahlringc,  wel- 
che sie^  wie  behauptet  wird;  mit  solcher  Sicherheit  zu 
schleudern  wissen,  dass  sie  ihrem  Gegner  damit,  auf 
sechszig  bis  achtzig  Schritt^  ein  GUed  vom  Leibe  abhauen 
können^).  Jeder  Sikh  oder  Singh  ohne  Ausnahme  kann 
in  diesen ;  so  wie  in  die  andern  geisthchen  Orden^  de- 
ren mehrere  im  Pendschab  sind,  aufgenommen  werden. 

Während  eines  Gurumata  sollen  alle  Fehden  aufhö- 
ren, alle  Leidenschaften  schweigen  und  alle  persönlichen 
Bestrebungen  der  Häuptlinge  auf  die  Seite  gesetzt  wer- 
den. Nur  das  allgemeine  Wohl,  das  Gedeihen  der  Kir- 
che sey  die  Richtschnur  ,  des  Denkens  und  Handelns. 
Haben  die  Häuptlinge  um  das  Becken  der  UnsterbUch- 
keit  sich  niedergelassen,  so  bringen  die  Akali  das  erste 
Buch  und  das  Buch  des  zelmten  Lehrers  Govind  her- 
bei;  vor  welchen  die  ganze  Versammlung  sich  tief  ver- 
neigt und  ausruft ;  Heil  der  Kirche  des  Lehrers !  Heil 
und  Sieg  dem  Lehrer !  Heil !  Es  werden  dann^  nach  ei- 
ner Vorschrift  Nanak's:  zu  essen  und  Andern  zu  essen 
zu  geben f  Kuchen  aus  Weizenmehl ^  Butter  und  Zucker 
der  heiligen  Schrift  dargebracht  und  mit  einem  Tuche 
bedeckt.      Die    Akali    erheben    sich    und  mit  ihnen  die 


1)    OsBOBNS,  Court  and  Camp  ofRunjeet  Singh.  L|g|k)n  1840. 143. 
.    folg.  Die  Seite  144  abgebildeten  Akali  sehen  in tE|  That  furcht- 
bar genug  aus. 


21 


ganze  Versammlung  zu  einem  Gebete ,  das  von  Musik 
begleitet  wird.  Ist  dies  zu  Ende^  «o  gemessen  Alle  ohne 
Unterschied  von  den  Kuchen^  um  in  dieser  sjinbolischen 
Weise  die  Einheit  und  Gleichheit  aller  Gläubigen  zu  be- 
urkunden. Nach  der  Mahlzeit  erheben  sich  dieAkaU  neu- 
erdings und  rufen:  Häuptlinge,  das  ist  ein  Giirttmata. 
Hierauf  erhebt  sich  die  Versammlung  nochmals  zum  Ge- 
bete^ rückt  ganz  nahe  an  einander  ^  und  der  Xachbar 
spricht  zum  Xaclibar  mit  lauter  Stimme :  Das  heilige 
Buch  ist  unter  uns,  lass  uns  schwuren,  allen  innern  Zwist 
zu  vergessen  und  einig  zu  seyn  im  Geiste.  Dieser  Augen- 
blick religiöser  Begeisterung  wird  von  der  leitenden 
Priesterschaft  benutzt^  alle  Feindseligkeiten  auszugleichen 
und  die  Gedanken  der  Versanunlung  bloss  auf  das  all- 
gemeine Wohl  der  Kirche  und  des  Staates  zu  richten. 
Die  Gegenstände,  worüber  die  Sirdar  zu  Rathe  sitzen, 
werden  von  einem  eigens  hiezu  ernannten  MitgUede  der 
Versammlung  vorgelesen.  Die  Beschlüsse  eines  Guru- 
mata  sind  für  alle  Sikh  verbindlich ;  wer  ihnen  wider- 
strebt, wird  aus  der  Kirche  gestossen  und  hat  wahr- 
scheinlich auch  das  Leben  verwirkt.  Die  erste  heilige 
Synode  der  Singh  ward  von  Govind  selbst  zusammen- 
gerufen und  geleitet. 

Niemand  ist  verpflichtet,  bei  der  Gaugenossenschaft, 
wozu  er  ursprünglich  gehört ,  zu  bleiben,  er  kann  sie, 
wenn  ihm  der  Häuptling  oder  irgend  etwas  in  der  Mark 
missfallt,  verlassen  und  sich  in  einer  andern  niederlassen. 
Dies  Bewusstsein  gibt  dem  gemeinsten  Sikh  ein  Gefühl 
von  Freiheit  und  Selbständigkeit,  wie  es  sich  selten 
in  der  übrigen    kleinmüthigen   Bevölkerung  Hindostans  *) 


1)    Kant  hat  vortrefflich  die  Gnmde  entwickelt,  warum   der  Hin- 
duismus die  Bevölkerung  kleinmüthig  macht.    Die  Bellgion  in- 


21t 

findet.  Andererseits  bildet  das  Recht  der  Freizügigkeit  eine 
sichere  Schranke  gegen  ein  grausames  Willkürregiment 
von  Seiten  der  Häuptlinge.  Will  der  Sirdar  seine  Unter- 
gebenen nicht  verlieren^  so  muss  er  sie  freundlich  und 
menschlich  behandeln.  Deshalb  hat  der  freie  Landmann 
wie  der  Pächter  nirgendwo  in  Indien  ein  besseres  Loos^ 
als  im  Fünfflussgebiete.  Der  letztere  soll  zwar  gesetzlich 
die  Hälfte  des  rohen  Ertrags  an  den  Grundherrn  als  Ab- 
gabe entrichten  5  dieser  begnügt  sich  aber  gewöhnlich  mit 
einem  viel  geringern  Zins.  Nur  die  Unterthanen  muham- 
medanischen  Glaubens  werden  furchtbar  gedrückt;  sie 
dürfen  weder  laut  beten  noch  Rindfleisch  essen  ;  sie  dür- 
fen keine  Processionen  halten  und  sich  nur  selten  in  den 
wenigen  Moscheen  des  Landes  versammeln.  So  tief  hat 
während  der  langen  blutigen  Religionskämpfe  der  Wider- 
wille der  Sikh  gegen  alles  Muhammedanische  Wurzel  ge- 
schlagen^ das  s  sie  selbst  einen  Widerwillen  gegen  die  Per- 
sische und  Arabische  Sprache  haben  ^  weil  sie  wähnen^ 
diese  Idiome  hängen  mit  dem  Islam  zusammen').  Des- 
halb hasst  auch  dfer  Muselman  den  herrschenden  Sikh  auf 
den  Tod  und  mordet»  ihn  unbarmherzig^  wenn  es  im  Ge- 
heimen geschehen  kann'^}. 

Zwistigkeiten  über  geringfügige  Gegenstände  werden 
durch  ein  Dorf-  oder  Schoppen-Gericht,  das,  nach  alter 
Indischer  Sitte^  wenigstens  aus  fünf  Personen  bestehen 
muss  und  deshalb  Pantschayat  genannt  wird,  entschie- 
den. Wichtigere  Gegenstände  werden  vor  eine  Gau-  oder 
Pürstenversammlung   gebracht    und  nach  dem  herkömm- 


□erhalb  der  Gränzen  der  blossen  Vernunft.    Zweite  vermehrte 
Auflage.  Königsberg.  1794.  284. 

l)    MvRRAY,  in  Phinsbp's  Origin  of  tke  Sikh  power.   191. 

8)    WooD,Jo«r/jfy to thesource of the riverOxus.London  1841,84. 


23 


liehen  Gewohnheitsrechte  der  Hindu  entschieden.  Es  ist 
aber  dieses  Gewohnheitsrecht  nirgendwo  verzeichnet^  son- 
dern bloss  im  treuen  Gedächtniss  der  Aeltermänner  auf- 
bewahrt. Jeder  muss  sich  ohne  Ausnahme  diesen  Ge- 
meindegerichten unterwerfen.  Die  Dorf-  und  Gau-Genossen 
leisten  sich  gegenseitige  Hülfe,  um  gestohlenes  Gut  wie- 
der zu  erlangen  ;  der  Dieb  wird  nach  dem  Gutdünken  des 
Beschädigten  und  nach  dem  AVerthe  des  gestohlenen  Ge- 
genstandes gezüchtigt ;  doch  kann  eines  Raubes  wegen 
Niemand  mit  dem  Tode  bestraft  werden.  Der  Mord  wird 
aber  von  der  zur  Rache  verbundenen  Verwandtschaft  nur 
mit  Blut  gesühnt ;  es  muss  in  diesem  Falle  Gleiches  mit 
Gleichem  vergolten  werden.  Der  Angeschuldigte  kann 
aber  auf  ein  Gottesurtheil  sich  berufen ;  er  kaim  zur  Probe 
der  Unschuld  seine  Finger  in  siedendes  Oel  stecken  oder 
mit  blosser  Hand  eine  glühende  Pflugschaar  eine  Strecke 
weit  tragen.  Kommt  er  unbeschädigt  durch,  so  ist  seine 
Unschuld  über  allen  Zweifel  erhaben.  Ein  einsichtsvoller 
Geistlicher  der  Sikh,  der  mehrere  Jahre  in  Calcutta  lebte, 
sprach  mit  Begeisterung  von  dem  Verwallungs-und  Ge- 
richtswesen seiner  Glaubensgenossen.  Hier,  pflegte  er 
zu  den  Engländern  zu  sagen,  wird  dem  Beleidigten  schnell 
zu  seinem  Rechte  verhelfen,  während  ihr,  durch  wun- 
derliche kostspielige  Formen,  durch  langwierige  und  är- 
gerliche Schreibereien  hingehalten,  kein  Ende  zu  finden 
wisst.  Unser  Gerichtswesen  ist  für  edle  freisinnige  Men- 
schen eingerichtet,  das  eure  für  gemeine  verschmitzte 
Schurken  *).  Diese  republikanischen  Einrichtungen  waren 
für  eine  Genossenschaft,  welche,  wie  die  alten  Römer, 
bloss  aus  Kriegern  und  Ackerbauern  besteht,  vortreflFlich 


1)  Malcolm  188.  Murkav  a.a.O.  193.  Die  Klagen  über  das  lang- 
wierige kostspielige  Englische  Gerichtsverfahren  sind  allgemein 
in  Indien. 


24 


geeignet.  Sie  wurden  aber  bald^  sowohl  durch  die  Herrsch- 
sucht der  Grossen  wie  durch  die  Zügellosigkeit  der 
Massen,  untergraben.  Man  findet  heutigen  Tags  nur  ge- 
ringe Reste  der  Weise  des  ehemaUgen  Gemeindewesens 
im  Fünfflussgebiete. 

Als  nun  der  junge  Guru ,  durch  diese  und  andere 
Einrichtungen^  welche  sämnitlich  aus  dem  Gefühle  her- 
vorgingen^ die  zersplitterten  Hindu  zu  einer  einzigen  Na- 
tion umzuschaflFen^  die  im  Stande  wäre  die  Fremden  aus 
Hindostan  zu  vertreiben:  als  Govind  eine  tapfere^  auf 
Leben  und  Tod  kämpfende  Kriegerschaar  zusammenge- 
bracht hatte,  trat  er  dem  Padischah  Orangseb  und  seinen 
fanatischen  Statthaltern  offen  und  kräftig  entgegen.  Ihr 
macht,  so  soll  er  dem  Fürsten  zu  Delhi  geschrieben  ha- 
ben, aus  Hindu  Äluselman ;  dies  ist  durch  eure  Religion 
erlaubt.  Den  Hindu  war  bis  jetzt,  durch  götzendieneri- 
sche Brahmanen  überlistet,  die  Aufnahme  neuer  Gläubi- 
gen nicht  gestattet  *)  ;  ich  habe  aber  den  reinen  Glau- 
ben der  Altvordern  wieder  aufgerichtet,  —  ich  werde  aus 
Muselman  Hindu  machen.  Sieh  dich  vor  in  deiner  er- 
träumten Sicherheit,  ich  werde  den  Sperling  lehren,  den 
stolzen  Adler  zu  Boden  zu  schlagen^).  Govuid  war  un- 
ermüdlich in  den  Kämpfen  gegen  die  Muselman  ;  doch 
konnte  er  sein  Ziel  nicht  erreichen.  Der  Guru,  sagen 
seine  Jünger,  prlanzte  den  Baum  ;  er  sollte  aber,  gleich- 
wie viele  andere  Propheten,  die  reife  Frucht  nicht  ge- 
messen. Seine  wiederholten  Kämpfe  hat  Govind  selbst, 
in  dem  Buche  des  zehnten  Lehrers,   auf  eine  Weise  be- 


1)  Es  werden  bekanntlich  int  Brnbrnanismus  keine  Proselyten  an- 
geuummeu;  wie  wäre  dies  auch  bei  einer  Kasteneintheilung 
möglich  V 

2)  Malcolm  74.  Unter  dem  Sperling  sind  die  verachteten  Kasten 
zu  verstehen. 


schrieben,    die    an  die  ergreifenden  Heldenlieder  Ossians 
erinnert^    an    die    jungen  Krieger,    die  dieser  besungen, 
„den    Vätern    gleich    an  Ruhm/*     Govind    spricht    nicht 
bloss  von  sich ;   er  lässt  auch  seinen  Genossen  vollkom- 
mene   Gerechtigkeit  widerfahren.     Wie    ein  die    Wälder 
verzehrender    Flammenstrom     stürzten    sie  sich  auf  ihre 
Gegner;   siehe,  wie  Kripal  wüthet,    wie  er  seine  Keule 
schwingt  und  dem  hochmüthioren  Chan  den  Schädel  ent- 
zweischläfft.   Gleich  wie   Krischna    ein   irden    Gefäss  mit 
Butter  zertrümmert,  so  leicht,  spricht  der  begeisterte  Guru, 
erschlug  er  den  Häuptling,  verspritzte  sein  Blut  und  zer- 
streute seine  Gliedmassen  im  offnen  Felde.     Xand  Chan 
ward  von  furchtbarer  Wuth  ergriffen ;   mit  Gewalt  schleu- 
derte er  den  Speer  und  schwang  den  Degen.     Der  De- 
gen zersplitterte,  da  zog  er  den  Dolch,  um  die  Ehre  des 
Stammes  der  Sondi  zu  wahren.  Und  siehe,  mein  mütter- 
licher Onkel  Kripal  kam  nochmals  herbei  und  vollbrachte 
nochmals   Kriegerthaten,  würdig  eines  ächten    Kschatria. 
Der  gewaltige  Krieger,  obgleich  selber  von  einem  Pfeile 
getroffen,  hat  mit  einem    andern    einen    mächtigen    Chan 
vom  Pferde  zu  Boden    gestürzt.    Wo    die    Schlacht    am 
stärksten  war,  wüthete  der  Kschatria  Sahab  Chand  und 
erschlug  einen  wilden  Fürsten,    einen  Krieger  aus   Cho- 
rasan.  Nun  kreischten    die  blutdürstigen  Gespenster  und 
Geister  nach  Mord  und  Todtschlag ;  das  tolle  Haupt  der 
Dämonen  lachte  laut   auf  vor  Freude    und  traf  die  Vor- 
bereitungen zu  seinem  schrecklichen  Mahle,  und  die  hung- 
rigen Geier  flogen  hin  und  her,  nach  dem  Raube  gierig. 
Als  nun  auch  ich  von  einem  Pfeile  verwundet  wurde,  da 
legte  ich  den  Bogen  an  auf  den  Gegner  und  ein  Gleiches 
thaten  alle  Genossen.  Ich  zielte  auf   den  jungen  Helden 
Hari  Chand,  einen  ausgezeichneten  Fürsten  unter  den  hundert 
Tausend  der  Radschah.  Er  fiel,  und  sein  ganzes  Heer,  von 


26 


Bestürzung  geschlagen^  wendete  sich  um  und  floh  vom 
Schlachtfelde.  Durch  die  Gnade  des  Höchsten  ward  uns 
der  Sieg  zu  Theil^  und  nun  erschollen  unsere  Triumph- 
gesänge. Alle  Krieger  waren  erfreut,  und  wie  Reger^  fie- 
len die  Reichthüiner  auf  uns  hernieder*). 

Govind  focht,  mit  welchselndem Glücke,  sein  ganzes 
Leben  lang  gegen  die  Moslem  und  ihren  Padischah  Orang- 
seb.  Zwei  seiner  Söhne  wurden  gefangen  und  auf  grau- 
same Weise  hingerichtet,  ein  dritter  fiel  im  Kampfe  und 
an  seiner  Seite  eine  grosse  Menge  der  tapfersten  Singh. 
Der  Guru  nahm  sich  dieses  so  zu  Herzen,  dass  er  auf 
kurze  Zeit  des  Verstandes  beraubt  wurde.  Er  blieb  aber 
dem  Vorsatze,  sein  Volk  aus  dem  muhammedanischen  Joche 
zu  befreien,  unerschütterlich  getreu  und  starb  als  ein 
Märtyrer  für  die  Freiheit  seines  Vaterlandes.  Balladur 
Schah,  der  Nachfolger  des  Orangseb,  suchte  den  gewal- 
tigen Krieger  und  sein  unbeugsames  Gefolge  durch  Milde 
und  Freundlichkeit  zu  gewinnen.  Govind,  so  lautet  we- 
nigstens eine  Angabe,  erhielt  im  Dekkan  ein  kleines  Le- 
hen, konnte  aber  auch  hier  seinem  Lebensplane,  gegen 
die  Muselman  zu  kämpfen,  nicht  entsagen.  Von  dem  Dolche 
eines  Afghanischen  Kriegers  getrofi'en,  starb  er  (1708)  zu 
Nander,  eine  Stadt  am  Godaveriflusse,  vier  und  zwanzig 
Meilen  von  Haiderabad    entfernt*^).    Mit   Recht    sind    die 


1)  Malcolm  54.  G.  Foksteh,  Reise  I.  392.  Die  NacIiricliteQ  dieses 
tüchtigen  gewaadteu  Reisendeu,  dem  Moorckoft  und  alle  dieje- 
nigen, welche  nach  ihm  dieselben  Länder  besuchten,  vollkommnc 
Gerechtigkeit  widerführen  lassen,  stimmen  beinahe  durchgängig 
mit  den  Angaben  Mulcohirs  überein.  Höchst  lächerlich  klin- 
gen die  Zurechtweisungen  des  Stubengelehrten  und  V'ielschrei- 
bcrs  Meiners,  welcher  Forster  häufig  belehrt,  (z.  B.  II.  07),  wie 
er  sich  hätte  benehmen  sollen. 

3)    Nandcr,  Hauplort  des  gleichnamigen  Distriktes,  liegt  lOo  3<  uördl. 


f7 


Sikh  seines  Lobes  voll  und  stellen  ihn  auf  eine  Stufe  mit 
Nanak.  Guru  Govind^  sagt  einer  derselben,  ist  der  zehnte 
Avatar ;  er  war  als  Löwe  geboren  und  zeigte  sich  als 
Singh  sein  ganzes  Leben  lang:  er  vernichtete  die  ruch- 
losen Türken  *)  und  erhöhte  den  Namen  des  Herrn.  In  den 
Schlachten  konnte  ihm  Niemand  widerstehen,  weder  die 
Hadschah  der  Hindu  noch  die  Chane  der  Muselman.  Auf 
Befehl  des  Ewigen  hat  der  Guni  die  wahre  Erkenntniss 
unter  den  Menschen  verbreitet  und  die  Kirche  eingerich- 
tet. Govind  gründete  den  Staat  der  Singh  und  hat  da- 
durch die  ganze  Welt  mit  Angst  erfüllt.  Die  Tempel  und 
heiUgen  Plätze,  die  Begräbnisse  und  Moscheen,  sie  alle 
hat  er  veijjvüstet,  vernichtet,  er  hat  die  Vedas  und  die 
Puranas,  die  sechs  Schastras  ^^3  und  den  Kor^  verworfen ; 
er  hat  das  Gebet  der  Moslem  abgeschafft  und  ihre  Sul- 
tane erschlagen;  alle  Sekten  hat  er  verwirrt  und  ver- 
nichtet. Als  auf  den  Befehl  des  Guru  Govind  die  Singh 
zum  Schwerte  griffen,  erzitterten  die  Türken ,  und  die 
Glaubensnomien  Muhammeds  ^^1lrden  abgeschafft.  Die 
Trommel  des  Sieges  rollte  in  der  Welt,  und  Furcht  und 
Schrecken  waren  verschAvunden.  So  ward  die  dritte  Re- 
ligion gegründet  und  nahm  tägUch  zu  an  Macht'). 


ßr.  770  38'  östl.  L.  von  London.  An  dem  Orte,  wo  Grovind 
starb,  ist  ein  Erziehuugsinstitut  der  Sikh  errichtet,  wo,  wie 
Heber  erzählt,  im  Jahre  1818  dreihundert  junge  Leute  erzogen 
wurden. 

1)  Hier  werden  einmal  ganz  richtig  die  Beherrscher  Hindostaas 
Türken  und  nicht,  wie  gewöhnlich,  Mongolen  genannt. 

2)  So  werden  auch  die  sechs  Angas  oder  Wissenschaften  genannt ; 
Aussprache;  religiöse  Handlungen;  Grammatik;  Poetik;  Astro- 
nomie und  Auslegung  der  Vedas. 

3)  Malcolm  190.  Die  Sikh  nennen  ihre  Religion,  neben  dem  Isluiii 
und  Brahnianismus,  gewöhnlich  die  dritte. 


28 


Guru  Govind  hatte  keinen  Sohn  hinterlassen ;  eine  Pro- 
phezeiung^ hatte  überdies  die  vom  heiligen  Geiste  be- 
wegten und  geleiteten  Führer  auf  zehn  beschränkt.  Des- 
halb w  ard  jetzt  weder  eine  Versammlung  der  Gläubigen 
zusammengerufen  noch  ein  neuer  Lehrer  und  Führer  ge- 
wählt. Gott  allein,  sagte  ja  der  sterbende  Guru,  ist  un- 
mittelbar der  Beschützer  und  Leiter  seiner  Kirche.  Der 
vieljährige  Freund  und  Begleiter  des  verstorbenen  Guru, 
Banda  mit  Namen,  hielt  die  junge  Gemeinde  zusammen ; 
er  forderte  sie  auf,  die  Verwirrungen,  welche  nach  dem 
Tode  Orangseb's  in  Hindostan  entstanden,  zu  benutzen  und 
wegen  der  erduldeten  Drangsale,  wegen  der  Ermordung 
des  Guru  und  seiner  ganzen  Famihe  an  ihren  Verfolgern 
Rache  zu  nehmen.  Der  Statthalter  des  Kreises  Sirhind, 
welcher  die  unmündigen  Söhne  Govind's  hatte  hinrichten 
lassen,  ward  zuerst  als  Opfer  auserkoren.  Dieser  Befehls- 
haber und  alle  seine  Truppen  wurden,  da  kein  Pardon 
ertheilt  wurde,  bis  auf  den  letzten  niedergehauen;  ein 
gleiches  Loos  traf,  nach  der  Einnahme  Sirhind's,  die  un- 
schuldigen Kinder  und  die  Frauen  eines  andern  muham- 
medanischen  Grossen.  Den  grössten  Theil  der  Einwohner 
der  Stadt  frass  das  unerbittliche  Schwert  dieser  Wüthe- 
riche ;  alle  öffentlichen  Gebäude  und  Moscheen  wurden 
niedergerissen.  Durch  solch  einen  Erfolg  begeistert,  glaub- 
ten die  Sikh,  von  nun  an  könne  ihrer  Macht  nichts  mehr 
widerstehen.  In  der  That  unterwarfen  sie  sich  auch,  wäh- 
rend eines  Zeitraums  von  wenigen  Monaten,  alles  Land 
zwischen  dem  Setledsch  und  der  Dschumna,  setzten  selbst 
über  diesen  Fluss  und  machten  verwüstende  Streifzüge 
bis  nach  Mittelindien.  Jede  nur  ersinnlichc  Gräuelthat 
ward  gegen  die  Unterthanen  des  Padiächah  Bahadur  ver- 
übt; wer  sich  nicht  alsbald  zu  dem  Glauben  der  Sikh  be- 
kennen und  ihre  Tracht  amichmcn  wollte,  der  ward  ohne 


alles  Erbarmen  eine  Beute  des  Todes').  Balladur  Schah 
beeilte  sich  nun^  den  Krieg  mit  den  Maharatten  und  den 
Radschputeuj  den  ihm  sein  Vater  hinterlassen  hatte^  vor 
der  Hand  wenigstens  durch  einen  Waffenstillstand  zu  en- 
den*)^ um  dann  alle  seine  Streitkräfte  gegen  die  Sikh 
richten  zu  können  (1709).  Von  der  Niederlage,  wel- 
che die  Sikh  jetzt  erlitten,  erhoben  sie  sich  aber  wäh- 
rend der  Wirren,  die  nach  dem  Tode  des  Bahadur  Schah 
(1712)  das  grossmongolische  Reich  zerrütteten,  schnell 
zu  neuer  Macht  empor.  Dieser  Fürst  ist  walirscheiulichj 
wegen  seiner  Hinneigung  zu  den  Schiiten^  von  den  Sun- 
niten verffiflet  worden.  Bahadur  war  nämlich  so  unbe- 
sonnen^  mit  sunnitischen  Geistlichen  und  Gelehrten  reli- 
giöse Zankgespräche  zu  halten  und,  wenn  wir  einem 
Schiiten  glauben  dürfen,  sie  sämmtlich  zu  besiegen.  Zu 
welchen  Verbrechen  aber  Sekteneifer  und  beleidigte  Ei- 
telkeit verleiten  können,  weiss  Jeder,  der  die  Begeben- 
heiten der  Weltgescliichte  und  die  geheimen  Falten  des 
menschhchen  Herzens  kennt  ^). 

Als  der  Padischah  Ferochsir  den  Thron  seiner  Väter 
bestieg  (1713),  waren  die' Sikh  die  Herrn  eines  grossen 
Theils  der  nordwestlichen  Länder  des  grossmongolischen 
Reiches.  An  ihrer  Spitze  stand  der  wilde  Banda,  welcher 
darauf    ausging,    das    volksthümliche    Gemeinwesen  des 


1)  TheSiyar  ul  Mutakherin^  25  sagt  mit  Unrecht,  Guru  Govind 
wäre  damals  noch  am  Leben  gewesen  und  Schah  Bahadur  sey 
selbst  gegen  ihn  gezogen. 

2)  Gbant  Duff,  Histury  ofthe  Mahnrattas  I.  43.  Malcolm  79. 

3)  Eradet  Chan  bei  Jox.  Scott,  Histury  of  Dekhan  II,  64,  Der 
Schute,  welchen  Bahadur  als  Koranleser  an  einer  Moschee  an- 
stellen wollte,  ward  von  der  Congregation  der  Hanefiten  in 
Stücke  zerrissen.  Siyar  ul  Mutakherin  27,  wo  diese  letzten 
Ereignisse  im  Leben  Bahadur^s  auf  sehr  anschauliche  Weise  er- 
zählt werden. 


30 

Guru  Govind  aufzuheben  und  sich  eine  Krone  zu  er- 
werben *).  Anstatt  des  von  Govind  angeordneten  Grusses 
sollte  man:  Sieg  der  Religion!  Sieg  der  Kirche!  sagen. 
Die  blaue  Kleidung  so  wie  Fleischspeisen  jeder  Art  wur- 
den verboten^  dann  auch  andere  Veränderungen  vorge- 
nommen^ ohne  die  Versammlung  der  Häuptlinge  oder  die 
Akali  darum  zu  befragen.  Diese  Unsterblichen,  deren  Ein- 
fluss  und  Macht  gebrochen  werden  sollte,  waren  natür- 
lich solchen  Neuerungen  sehr  entgegen;  viele  von  ihnen 
büssten  ihre  Beharrlichkeit  bei  den  hergebrachten  Ein- 
richtungen mit  dem  Tode').  Die  meisten  Sikh  fügten  sich 
aber,  aus  Furcht  vor  der  unmenschlichen  Grausamkeit 
dieses  Mannes,  der  neuen  Ordnung.  Die  Aufmerksamkeit 
des  neuen  Herrschers  von  Delhi  ward  alsbald  auf  das 
Pendschab  gerichtet.  Lahor  war  von  den  Sikh  eingenom- 
men und  der  Statthalter  ermordet  worden.  Der  Komman- 
dant in  Kaschmir,  ein  tapferer  Türkischer  Häuptling  aus 
den  Gegenden  jenseits  des  Oxus,  erhielt  den  Befehl,  ein 
neues  Heer  zu  werben,  um  diesen  Mord  zu  rächen  und 
das  Land  von  den  Sikh  zu  reinigen.  Banda  und  seine 
Schaaren  wichen  vor  der  Tapferkeit  und  der  Uebermacht 
der  frischen,  durch  das  Indische  Klima  noch  nicht  ver- 
weichlichten Turanitruppen  zurück  ;  ein  grosser  Theil  der 
Sikh,  mit  dem  Anführer  an  der  Spitze,  flüchtete  nach 
einer  nördlichen  Bergfeste  ^)  und  erduldete  hier  alle  Drang- 
sale des  Hungers  und  des  Durstes.  Sie  mussten  sich  end- 
lich den  Truppen  des  Padischah  ergeben.     Die  abgema- 


1°)  Im  Siyar  ul  Mutakherin  109  heisst  es  ausdrücklich,  Banda 
wollte  sich  eine  Krone  «rkumpfen. 

2)  Malcolm  83. 

3)  Malcolm  nennt,  80,  die  Feste  Loghad,  hundert  Englische  Meilen 
nordöstlich  von  Lahor  gelegen;  im  Siyttr  ul  Mutakherin  117 
heisst  sie  Gandaspur. 


«I 

gerten  Gefangenen  wurden^  nachdem  ihnen  Hände  und 
Füsse  gebunden  waren,  enthauptet  und  in  den  nahen  FIuss 
geworfen.  Nur  die  Anführer  sparte  man  für  einen  Triumph- 
zug  auf;  sie  \vurden  auf  lahmen  und  schlechten  Esebi 
und  Kameelen  nach  Delhi  geführt.  Bei  ihrem  Einzug  in 
die  Hauptstadt  setzte  man  Jedem  eine  papierne  Kappe 
auf,  und  eine  Anzahl  Köpfe  der  Genossen,  auf  Spiesse 
gesteckt,  ward  vor  ihnen  hergetragen. 

DieWuth  des  gemeinen  feigen  Haufens  zu  Delhi,  der 
von  Glaubenshass  und  Kache  beseelt  war,  kannte  keine 
Gränzen ;  hätten  sie  nicht  die  Turanitruppen  beschützt, 
so  wären  die  Sikh  lebendig  zerbissen  worden.  Auf  Be- 
fehl des  Padischah  wurden,  in  den  Gängen  des  Basars, 
täglich  hundert  der  Gefangenen  enthauptet ;  kemer  von 
ihnen  bekannte  sich  zum  Islam ,  keiner  flehte  um  sein 
Leben.  Die  Singh  stritten  sich  im  Gegentheile  um  die 
Ehre,  wem  zuerst  die  Seligkeit  des  Märtyrthums  zu  Theil 
werden  sollte.  Endlich  kam  auch  die  Reihe  an  Banda. 
Man  gab  ihm  den  Sohn  in  die  Haud  und  befahl  dem  Va- 
ter, ihm  eigenhändig  die  Gurgel  entzweizuschneiden; 
Banda  gehorchte  sogleich,  ohne  einen  Laut  von  sich  zu 
geben.  Jetzt  ward  ihm  selbst  mit  glühenden  Zangen  das 
Fleisch  vom  lebendigen  Leibe  gerissen,  bis  er  unter  den 
furchtbarsten  Qualen,  die  er  mit  der  grössten  Standhaf- 
tigkeit  ertrug,  sein  Leben  geendet  hatte.  Banda's  Gesicht 
hatte  einen  angenehmen  Ausdruck  und  zeugte  von  Ver- 
stand und  Einsicht;  dies  bewog  einen  Vertrauten  des 
Ferochsir,  das  Haupt  der  Sikh  mit  folgenden  Worten  an- 
zureden: Es  ist  mir  unbegreiflich,  dass  ein  Mann,  aus 
dessen  ganzem  Wesen  so  viel  Verstand  und  Scharfsinn 
leuchtet  und  der  auch  in  der  That  ausserordentliche  Be- 
weise seiner  mannichfachen  Fähigkeiten  sreffeben  hat:  es 
ist  unbegreiflich,    dass  solch  ein  Mann  sich  so  schreck- 


32 


lieh  ruchlose  Thaten  zu  Schulden  kommen  lassen  konnte, 
die  ihm  nothwendig,  in  dieser  wie  in  jener  Welt,  zum 
Verderben  gereichen  müssen.  Banda  soll,  ohne  das  Ge- 
sicht zu  verändern,  hierauf  Folgendes  erwidert  haben: 
Wenn  die  Menschen  in  dem  Grade  lasterhaft  und  schlecht 
werden,  dass  Redlichkeit  und  Gerechtigkeit  keinen  Schutz 
mehr  finden  auf  Erden,  dann  erweckt  die  Gottheit  ge- 
wöhnlich solch  eine  Geissei,  wie  ich  war,  um  die  böse 
Rotte  zu  verderben.  Sind  die  Menschen  gehörig  bestraft, 
dann  wird  ein  anderer  Mann  bestellt,  um  den  Züchtiger 
zu  züchtigen.  So  wenigstens  lautet  die  Nachricht  in  den 
freilich  parteiischen  Berichten  der  muhammedanischen  Ge- 
schichtschreiber *).  Nach  dieser  grossen  Niederlage,  nach 
der  Hinrichtung  ihres  Häuptlings  und  ihrer  vorzüglichsten 
Anführer  suchten  und  fanden  die  kleinen  Häuflein  der 
entronnenen  Sikh  in  den  Alpenlandschaften  und  Schluchten 
am  südlichen  Abhänge  des  Himalajagebirges  eine  sichere 
Zuflucht.  Sie  standen  wohl  zu  diesem  Zwecke,  um  sich 
einen  Rückzug  offen  zu  halten,  schon  seit  längerer  Zeit 
mit  den  einheimischen  Radschah  dieser  Gegenden  in  freund- 
lichen Verbindungen.  Die  Singh  erschienen  zuerst  wie- 
derum im  offenen  Lande,  während  der  Wirren,  welche 
nach  dem  Rückzuge  Nadir  Schah's  in  Hindostan  sich  er- 
hoben ;  wir  finden  sie  als  Räuber  und  Wegelagerer  auf 
ihrem  alten  Tummelplatze,  im  FünfFlussgebiete. 

Die  Lasten  der  Landbesitzer  dieser  Gegenden  waren 
nach  dem  Rückzuge  Nadirs  unerträglich;  die  unglück- 
lichen Unterthanen  des  grossmongolischen  Reiches  sollten 


1)  Siyar  ul  Mutakherin  180.  Scott,  Dekkan  II.  145.  Es  giebt  eine 
Sekte  der  Sikh,  welche  behauptet,  Banda  sey  entkommen,  dann 
eines  ruhijs^en  Todes  gestorben  und  habe  seine  zwei  Söhne  als 
Lehrer  der  Kirche  hinterlassen.  Malcolm  82. 


33 


die  ausgeleerten  Staatskassen  zu  Delhi  durch  ihren  Schweiss 
wieder  anfüllen ;  man  war  unbarmherzig  genug,  ihnen^  die 
ohnedies  so  viel  gelitten  hatten,  noch  zuzumuthen^  die 
Beute  und  den  Rauh  des  Eroberers  zu  ersetzen.  Die  Be- 
wohner des  Pendschab  waren  aber  ärger  gepeinigt  als 
die  anderen  Provinzen ;  da  sie  vermöge  des  Friedens 
Nadir  gehörten,  so  verlangte  man  von  ihnen,  dass  sie  die 
Summen  erschwingen  sollten,  zu  welchen  3Iuhammed  Schah 
sich  verpflichtet  hatte.  Wird  ihm  die  bürgerliche  Gesell- 
schaft unerträglich,  so  tritt  der  Bessere  und  Tüchtigere 
hinaus,  ergreift  das  Räuberhandwerk  und  wird  der  Feind 
aller  derjenigen,  die  sich  der  bestehenden  T>Tannei  fü- 
gen, die  durch  Dulden  oder  Handeln  sie  unterstützen. 
Es  tritt  der  Mensch  in  den  ursprünglichen  Zustand  vor 
der  Gründung  der  grossen  Staatenvereine  zurück  und  ist 
vollkommen  in  seinem  Rechte.  So  auch  die  Landbesitzer 
aus  dem  Dschatstamme  im  Pendschab.  Um  sich  von  dem 
sklavisch  gehorchenden  Volke  und  den  muselmanischen 
Herrn  auch  äusserüch  zu  trennen,  schwangen  sie  die 
Fahne  des  Guru  Govind.  Wah  Gurudschiki  Fateh,  Heil 
und  Sieg  den  Ji'mgern  des  Guru,  ward  das  Losungswort, 
unter  welchem  sie  sich  schaarten  und  gegen  ihre  Tyran- 
nen erhoben.  Die  Heiligkeit  dieser  Formel  entschuldigte 
Mord  und  Raub;  in  ihrem  Namen  konnte  man  jede 
Schandthat  begehen. 

Die  Bauern  des  Pendschab  vertauschten  jetzt  die 
Pflugschaar  mit  dem  Schwerte.  Rottenweise  Hessen  sie 
sich,  vermittelst  der  Einweihungsceremonie  des  Wasch- 
trankes, unter  die  Fahnen  des  Guru  Govind  anwerben, 
wählten  dann  ihre  Hauptleute,  fielen  Dörfer  und  Städte 
an,  raubten  und  mordeten.  Es  waren  dies  anfängUch 
Banden  von  zehn  bis  zwanzig  Personen,  in  dem  Hindi- 
dialekte des  Landes  Dscharwi  oder  Stras§enräuber  ge- 
V.  3 


34 

nannt,  welche  ohne  allen  Zusammenhang  unter  sich  selbst^ 
auf  eigene  Gefahr  und  zum  eigenen  Vortheil^  auf  Beute 
ausgingen,  wovon  allen  Genossen  gleiche  Theile  gereicht 
wurden.  Der  Name  eines  kühnen  glückHchen  Anführers 
ward  bald^  wie  dies  zu  geschehen  pflegt^  auf  einer  grossen 
Landstrecke  bekannt;  er  hatte  nun  am  meisten  Zulauf;, 
zu  ihm  zogen  die  grössten  Waghälse,  die  wildesten 
grausamsten  Kerle.  Der  erste  Raub  ward  gewöhnlich  auf 
gute  Interessen  angelegt :  man  schaffte  sich  damit  bessere 
Waffen ;  man  rüstete  sich^  um  grössere  Züge  unterneh- 
men und  reichere  Beute  machen  zu  können.  Bald  fühlte 
die  Bande  sich  kräftig  genüge  ganze  kleine  Distrikte  zu 
besetzen  5  hier  wurden  nun  zum  Trotze  der  Statthalter 
von  Lahor  offene  Lager,  Dehras  geheissen,  aufgeschlagen, 
aus  welchen  in  der  Folgezeit,  wie  aus  denen  der  rö- 
mischen Legionen,  mehrere  grössere  Ortschaften  und 
Städte  hervorgegangen  sind.  Wenn  der  Heerbann  der  Se- 
mindare, wenn  die  ilmen  an  Anzahl  überlegenen  Reiter- 
schaaren  der  Nawab  sich  versammelten  und  die  Banden 
umzingeln  wollten,  so  liefen  die  Räuber  eilends  in  den 
verschiedensten  Richtungen  auseinander,  zogen  sich  dann, 
wie  vorher  verabredet,  nach  einem  bestimmten  Vereini- 
gungsplatze zurück,  in  die  Moorlande  des  Nordens  oder 
in  die  schwer  zugänglichen  Thäler  der  südlichen  Abhänge 
des  Himalaja.  War  die  Gefahr  vorüber,  hatte  sich  die 
Landmiliz  aufgelöst  und  waren  die  Truppen  der  Regie- 
rung in  ihre  Garnisonen  zurückgekehrt,  dann  brachen  die 
Sikh  aus  ihrem  Verstecke  hervor  und  begannen  das  Räu- 
berhandwerk von  neuem.  So  verfuhren  sie  auch,  sobald 
der  Afghane  Ahmed  Schah  das  Fünfflussgebiet  überzog; 
nur  einigemal  waren  die  Jünger  Govind's  unvorsichtig 
genüge  sich  von  den  Durani  überraschen  zu  lassen,  und 
wurden  daim  schonungslos  niodergcmotzelt.  Eine  Nieder- 


35 

läge  unfern  Lodianah  (1762)  ist  unter  dem  Namen 
Chalu  Ohara  oder  das  Blutbad  berühmt;  es  sollen  nach  ei- 
ner Angabe  fünf  und  zwanzig,  nach  einer  andern  viel 
wahrscheinlichem  zwölf  tausend  Mann  auf  dem  Platze 
gebUeben  seyn*). 

Unter  diesen  Umständen  erhoben   sich  die  Vorfahren 
des  Ranadschit  Singh  schon  ziemlich  frühe  zu  überwie- 
gender Macht.    Von  dem  Bauersmann  Disu,    dem  Urahn 
der  fürstlichen    Familie  des  Pendschab,  ist  weiter  nichts 
bekannt^  als  dass  er  ein  Dschat  war  aus  dem  Sansi  Klane 
und  drei  Hufen  Landes  besass  mit  einem  Brunnen  darin ; 
nach  den  Brunnen    wird  nämlich    im    Pendschab    an  den 
Plätzen,  wo   die  Flüsse  zur  Bewässerung  nicht  verwendet 
werden  können,    der  Besitz    gerechnet*);    dieser  Bauer 
wohnte    in  dem  Dorfe   Sukardschak^    in    dem    Distrikte 
Mandschhi,  zwischen  dem  Ravi  und  Bayah  gelegen-   Sein 
Sohn  Xodh  Süigh  freite   um  die  Tochter  eines     benach- 
barten Gutsbesitzers,  Gulab  geheissen^  welcher  sich  be- 
reits zur  Religion  des  Nanak  bekannte.  Der  Uebertritt  zu 
dem  Glauben  der  Familie  der  Braut  war  die  Bedingung 
der  väterlichen  Einwilligung  ;  der  junge  Bauersmann  schlug 
ein;  er  verkaufte  sein  Erbe,  gürtete  ein  Schwert  um  die 
Hüften^  nahm  eine  Fünte  auf  den    Rücken^    setzte  sich 
aufs  Pferd  und  ward  Freibeuter  in  der  Bande  eines  be- 
rühmten  Häuptlings.  Kapur  Singh.    Nach  dem  Tode  des 
Nodh  (1760)  verschmähte  es  sein  Sohn  Tscharat  Singh, 
unter  einem  Hauptmann  zu  dienen ;    er  trennte  sich  von 
der  Bande  und  war  glücklich  genug,    mit   Hülfe    seiner 


1)  Pbixskp,  Origin  of  the  Sikh  Power.  24.  85. 

2)  HuKGEL,  Kaschmir  und  das  Reich  der  Siek.  111. 339.  In  dem  Fünf- 
iassgebiete  hat  der  beste  Boden  ohne  Wasser  keinen  Wertt, 
bringt  kerne  Ernte,  sondern  nur  nnbranchbares  Gr«stnippe. 


36 

Brüder  eine  neue  auf  die  Beine  zu  bringen^  die  bald  durch 
Kühnheit  und  Glück  einen  grossen  Ruf  erlangte.  Durch 
den  Einfluss  der  Familie  seiner  Frau  erhielten  die  Räu- 
ber in  einem  Dorfe  unfern  Lahor  einen  sichern  Schlupf- 
winkel, der  vortrefflich  gelegen  war  zu  Raub-  und  Plün- 
derungszügen gegen  die  reichen  Bewohner  der  Kreishaupt- 
stadt. Tscharat  erhielt  bald  einen  grossen  Ruf  und  ausser- 
ordentlichen Zulauf;  die  nächste  Umgegend,  selbst  die 
Strassen  Lahor's  wurden  unsicher.  Der  Afghanische  Statt- 
halter musste  sich  endlich  zu  einem  Kampfe  mit  den 
verwegenen^  an  Zahl  täghch  zunehmenden  Banden  ent- 
schliessen.  Seine  eigenen  Truppen  dünkten  ihn  aber  nicht 
hinreichend  zu  diesem  Unternehmen ;  der  Commandant  von 
Lahor  entschloss  sich  nun  in  einer  unglücklichen  Stunde^ 
andere  Sikhbanden  in  Sold  zu  nehmen,  um  sie  gegen  die 
mächtigen  Haufen  des  Tscharat  zu  führen.  Sie  gingen^ 
wie  zu  erwarten  war^  mitten  im  Treffen  zu  ihren  Brüdern 
über;  der  Afghane  musste  sich  glücklich  schätzen^  auf 
einem  flüchtigen  Pferd  entrinnen  und  seine  Schmach  in- 
nerhalb der  Mauern  Lahors  verbergen  zu  können.  Sein 
ganzes  Lager^  all  sein  Kriegsgeräthe  fiel  in  die  Hände 
der  treulosen  Sikh  (1761). 

Was  half  es^  dass  Ahmed  im  folgenden  Jahre  her- 
beieilte und  die  Räuberhorden  züchtigte^  dass  er  den 
Tempel  der  Sikh  zu  Amritsir  in  die  Liift  sprengen  und 
den  heiligen  Wasserbehälter  mit  dem  Blute  und  den  Ein- 
gewciden  der  heiligen  Kühe  verunreinigen  liess^  —  ein 
furchtbares  Verbrechen  in  den  Auffcn  der  Jünger  des  Guru 
Govind.  Kaum  dass  die  Nachricht  erging^  der  König  der 
Durani  sey  über  den  Indus  zurückgekehrt^  so  krochen 
die  Sikh  aus  ihren  nördlichen  Thalschluchten  und  Sumpf- 
waldungcn  hervor^  strömten  haufenweise  nach  Amritsir 
und  hielten  eine  Volksversammlung,  um  sich  über  die  Un- 


^ 


ternehmungen,  wie  man   an   dem    Feinde   blutige    Rache 
nehmen  könne^  zu  berathen  ;  es  hatte  nämlich  für  den  Au- 
o-enblick  die  gemeinschaftliche  Gefahr  alle    Bandenführer 
vereinigt.  Zuerst  zogen  die  Räuberschaaren  nach  dem  be- 
nachbarten^ von  Muhammedanern  bewohnten  Kasur.    Der 
Ort  ward  eingenommen  und  rein  ausgeplündert.  Durch  den 
Erfolg  ermuthigt  und  durch  die  grosse  Beule  j  die  sie  in 
Kasur  machten^  zu  weiterem  Raube  angetrieben^  beschlossen 
die  Sikh    ihre     ganze  Macht    zu  veremigen,     sie    sollen 
damals  bereits  vierzig  tausend  Bewaffnete  gezählt  haben^ 
und  Sirhind  anzugreifen.  Die  Muselman  A\Tirden  geschla- 
gen und  der  Befehlshaber  dieses  bedeutenden  Platzes  blieb 
selbst  im  Treffen.  Die  Wuth  der  glaubenstollen  Sikh  gegen 
diese  wichtige  volkreiche  Stadt  kannte  keine  Gränzen ;  denn 
hier  wurden  die  Söhne^  hier  ward  einer  Sage  nach  Guru 
Govind  selbst   durch  Wasir  Chan^  den  Statthalter  Orang- 
seb's^  zu  Tode  gemartert.   Sie  machten  Sirhind  zu  einem 
Schutthaufen   und  auch  nicht    ein  Haus  blieb  unversehrt. 
Sirhind  ist  heutigen  Tags  noch  den  Sikh  ein  verhasster 
Ort.  Einen  Stein  gegen  diese  verruchte  Stadt  zu  werfen^ 
drei  Ziegel  von  den  Wällen  abzubrechen  und  sie  in  die 
benachbarten  Flüsse  Setledsch  oder  Dschamna  zu  schleu- 
dern^  gilt  für  eine  verdienstliche  Handlung  unter  den  Jün- 
gern Govind's  *). 

Ahmed  erschien  neuerdings  (1763),  ohne  aber  gegen 
die  flüchtiffen  Sikh  etwas  ausrichten  zu  können.  In  den 
Ruinen  Sirhind's  hörte  er  von  einem  Aufstande  zu  Kan- 
dahar ;  er  musste  mitten  im  Sommer  längs  des  westlichen 
Ufers  des  Setledsch  und  der  Wüste  nach  3Iultan  und  von 
da  nach  der  Heimath  eilen,  um  daselbst  die  Ruhe    her- 


1)    Prixskp  86.  Elphinstonb,  Xrcount  of  the  Kingdom  of  Cabuh 
II.  .358. 


38 

sustellen*  Seine  Durani;  Balutscheii  und  üsbeg  litten  furcht- 
bar, sowohl  von  der  Hitze  Indiens  wie  von  der  Kälte 
Afghanistans,  wo  sich  damals  der  Winter  sehr  früh  ein- 
gestellt hatte.  Nur  noch  einmal  zog  der  König  nach  Hin- 
dostan  (1767);  aber  auch  diese  Heerfahrt  blieb  erfolglos. 
Wie  Raben  umschwärmten  die  Sikhreiter  das  nach  der 
Heimath  zurückkehrende  Heer  der  Durani,  beunruhigten 
bald  diese  bald  jene  Seite,  plünderten  das  Gepäcke  und 
mordeten  die  Nachzügler.  Hielt  man  Stand  um  sie  zu 
züchtigen,  so  waren  sie  in  der  Eile  auf  und  davon.  Dies 
erregte  solch  einen  Missmuth  unter  den  Afghanen,  dass 
sie  gradezu  erklärten,  in  Indien  würden  sie  nicht  mehr 
dienen.  Ahmed  musste  also  der  Nothwendigkeit  nachgeben 
und  die  Sikh  in  den  beiden  Provinzen  Lahor  und  Sirhind 
gewälu-en  lassen.  Ihre  Macht  verbreitete  sich  nun  in  der 
grössten  Schnelle  über  diese  Länder;  Lahor  ward  ge- 
nommen (1764)  und  unter  vier  Häuptlinge  getheilt.  Je- 
der Sirdar  suchte  unter  der  allgemeinen  Verwirrung,  so 
weit  seine  Macht  reichte,  Land  an  sich  zu  reissen.  Die 
zahlreichen  Häuptlinge  erkannten  Niemand  als  Oberherrn ; 
Niemand  hatte  das  Recht  sie  zur  Rechenschaft  zu  zie- 
hen ;  es  waren  auch,  nachdem  die  ursprünglichen  Einrich- 
tungen im  Laufe  der  Zeit  ihre  Geltung  verloren,  keine 
allgemeinen  Satzungen  vorhanden,  nach  welchen  eine 
Herrschaft  eingerichtet  und  ein  bürgerliches  Regiment  ge- 
führt werden  konnte.  Zu  einem  tüchtigen  bewährten  Häupt- 
ling schlugen  sich  Verwandte,  Freunde  und  Abenteurer, 
welche  säramtlich  auf  ein  gleiches  Ziel  losgingen.  Nicht 
um  die  Gunst  des  Herzogs  noch  «m  Sold  diente  und 
gehorchte  man  dem  Führer;  gleiche  Theilung  alles  Er- 
worbenen, sey  es  liegende  oder  fahrende  Habe,  Menschen 
und  Vieh,  sie  wurden  beide  nur  als  Sache  betrachtet,  war 
die  stillschweigende  Bedingung.    Das  eroberte  Land  gc- 


hörte  gleichmässig  der  ganzen  .Genossenschaft,  Misal  ge-  '-' 
nanut;  dem  Herzog  gebührte  im  Kriege  die  Anführung, 
mid  auch  im  Frieden  hatte  er,  nicht  durch  ein  Recht, 
sondern  durch  seine  Stellung  und  sein  Ansehen  bei  der 
Genossenschaft^  eüie  Art  schiedsrichterlicher  Gewalt.  Man 
gehorchte  ihm  nur  in  so  weit  als  es  das  eigene  Interesse 
oder  in  gefahrlichen  Zeitläuften  das  Wohl  des  Ganzen  er- 
heischte. Jede  Genossenschaft  handelte  übrigens  in  allen 
vorkommenden  Angelegenheiten,  wie  es  ilir  gut  dünkte, 
ohne  nach  dem  Treiben  der  Andern  zu  fragen.  Doch  fan- 
den beim  Beginne  des  Sommers  und  Winters,  im  April 
und  Oktober,  zu  Amritsir  Versammlungen  aller  Häupt- 
linge und  Gaugrafen  statt,  wo  über  die  allgemeinen  wich- 
tigen Interessen  des  Volkes,  wie  über  grössere  gemein- 
schaftliche Kriegszüge  der  streitenden  Kirche,  Dal  genannt, 
berathen  und  Beschluss  gefasst  \\'urde.  Bei  solchen  feier- 
lichen Gelegenheiten  badete  sich  Jeder  zuerst  in  dem  hei- 
ligen Weiher,  ging  dann  zu  der  Gurumata  und  sprach, 
wie  Einsicht  und  Vortheil  es   geboten. 

Das  Haupt  der  Genossenschaft  hatte  die  Verpflich- 
tung, die  Länder,  Städte  und  Dörfer,  je  nach  dem  Ver- 
dienste der  Einzelnen  und  in  Verhältniss  zu  den  Rossen 
und  Summen,  die  er  zur  Bande  mitbrachte,  unter  die 
Gesellen  zu  vertheilen.  Dem  Anführer  ward  zuerst  sein 
Theil  ausgeschieden,  der  natürüch  den  des  gememen  Freien 
weit  übertraf,  und  dann  erst  den  Andern  die  Marken  und 
Aecker  Landes  angewiesen.  Sie  gehörten  ihnen  von  nun 
an  als  freies,  keiner  Abgabe  unterworfenes  Eigenthum^); 
doch  durfte  Niemand  sein  Gut  an    einen    fremden,    zur 


1)  Dem  Kundigen  wird  die  Aehnlichkeit  mit  den  Einrichtungen  der 
Deutschen  Stänune,  nachdem  sie  sich  innerhalb  der  ehemaligen 
Provinzen  des  Römischen  Reiches  niedergelassen  hatt«n,  nicht 
entgehen.  Gblmm,  Deutsche  Rechtsalterthümer  846. 


40 


Genossenschaft  nicht  gehörigen  Mann  verkaufen.  Er  konnte 
aber^  wenn  ihn  die  Noth  dazu  zwang,  sein  Loos  ver- 
setzen und  bestimmen,  wem  und  unter  welchen  Bedingun- 
gen das  Erbtheil  zufallen  solle.  Stirbt  ein  Sikh,  ohne  einen 
letzten  Willen  zu  hinterlassen,  so  wird  -mit  dem  Erbe 
nach  dem  verschiedenen  Gewohnheitsrechte  in  den  ver- 
schiedenen Klans  verfahren.  Bald  wird  alle  liegende  und 
fahrende  Habe  gleichmässig  unter  die  männlichen  Nach- 
kommenschaft vertheilt,  nur  dass  der  älteste  Sohn  ein 
doppeltes  Loos  erhält  5  bald  wird  das  Besitzthum  in  gleiche 
Theile  an  die  Mütter  vertheilt,  zum  Besten  ihrer  Söhne ; 
bald  auch  als  Majorat  betrachtet  und  ungetheilt  dem  äl- 
testen Sohne  überlassen.  Es  sind  dann  zum  Unterhalte 
der  Jüngern  Familienglieder  eigene  Landestheile  ausge- 
schieden. Stirbt  ein  Sikh,  ohne  männliche  Sprossen  zu 
hhiterlassen,  so  erben  die  Wittwe  oder  Wittwen,  der  äl- 
teste Bruder  oder  seine  männliche  Nachkommenschaft.  Um 
den  Streitigkeiten  über  die  Hinterlassenschaft  so  viel  als 
möglich  vorzubeugen,  wirft  der  männliche  Erbe  ein  weisses 
Kleid  über  die  Wittwe  oder  Wittwen,  steckt  ihnen  einen 
Ring  durch  die  Nase  und  sie  werden  jetzt  als  seine  recht- 
mässigen Frauen  betrachtet*}.  Sie  müssen,  so  will  es  die 
Landessitte,  dieser  Nothwendigkeit  sich  fügen  und  in  den 
Harem  des  neuen  Besitzers  wandern.  Sind  weder  Söhne 
noch  Brüder  und  Neffen  vorhanden,  so  theilen  gewöhn- 
lich die  Wittwen  unter  sich  nach  gleichem  Masse  ;  wie 
es  aber  bei  ihrem  Tode  gehalten  wird,  linden  wir  nir- 
gendwo angegeben.  Unter  solchen  Erbgesetzen  ward  das 
Besitzthum  nach  und  nach  in  viele  Theile  zersplittert; 
die  Gemeinen  verarmten  und  verloren  bald,  einem  mäch- 
tigen Häuptling  gegenüber,  ilircn  ganzen  Einfluss,  —  ein 


1)    So  auch  bei  den  Afgluineu. 


41 

Umstand^  welcher  viel  zur  schnellen  Erhebung  der  Macht 
des  Tscharat  Süigh  und  seiner  Xaehkommen  beigetragen 
hat.  Die  wenigen  bedeutenden  Familien  der  Muhamroedaner 
und  Hindu^  welche  sich  unter  der  eisernen  Herrschaft  der 
Sikh  behaupten  konnten^  verliessen  deshalb  die  Anord- 
nungen ihrer  Gesetzgeber^  des  Manu  und  Muhammed ;  sie 
haben  besondere  Erbgesetze  entworfen,  damit  das  Be- 
sitzthum  des  Hauses  beisammen  bleibe  und  sie  nicht  aller 
Macht  ^  alles  Einflusses  in  dem  Gemeinwesen  beraubt 
würden'). 

Selbstwelir  und  Selbsthülfe  war  die  Norm  in  allen 
Streitigkeiten  der  Genossen  untereinander;  beide ^  der 
Beleidigte  wie  der  Beleidiger,  forderten  ihre  Verwandt- 
schaft, ihre  Freunde  und  Mannen  auf  und  es  begann  dann 
eine  Blutfehde,  Gaha  genannt,  welche  so  lange  dauer- 
te, bis  sich  die  Parteien  zu  einem  Austrage  oder  Sühne 
verstanden.  Aus  diesem  Grunde  \vurden  alle  Höfe  mit 
Gräben  und  Schanzen  umgeben  und  selbst  die  Häuser 
in  den  Städten,  wie  in  den  mittleren  Jahrhunderten  des 
Westens,  burgartig  gebaut.  Die  unterworfenen  Provin- 
zialen  sind  ganz  zu  Knechten  herabgesunken  und  dem 
Willen  ihres  Herrn  preisgegeben ;  er  mag  Geldstrafen 
über  sie  verhängen,  sie  einsperren  und  auf  andere  Weise 
misshandeln,  —  der  Provinziale  kann  bei  Niemand  klagen^ 
Niemand  kann  ihm  helfen.  In  einem  spätem  Zeitraum  der 
staatlichen  Entwicklung;  des  Sikhvolkes  hatten  die  Sirdar 
die  Macht  errungen,  zur  Sühne  grober  Verbrechen  und 
Vergehen  Geldstrafen  zu  erheben,  welche  nach  demReich- 
thum  des  Schuldigen  angesetzt  wurden.  Es  ward  und  ist 
dies  heutigen  Tags  noch  eine  reiche  Fmanzquelle  für  die 
Häuptlinge  und  ihre  habsüchtigen  Beamten ;    es  werden  zu 


1)     Pkinsep  33.  35,    19&— 801. 


42 

dem  Endzwecke  alle  3Iittel_,  alle  Peinigungen  angewen- 
det^ um  wirkliche  oder  Scheinverbreclier  zum  Geständ- 
niss  zu  bringen.  Zahlen  muss  Alles,  der  Gewinnende 
ein  Geschenk;  der  Verlierende  eine  Strafe.  Auch  das 
scheusslichste  Verbrechen  kann  das  erste  Mal  mit  Geld 
gesühnet  werden;  wiederholtes  Blutvergiessen  wird  aber 
mit  dem  Verluste  der  einen  oder  beiden  Hände^  der  Nase 
und  Ohren  bestraft.  Die  Todestrafe  kommt  nur  in  äusserst 
seltenen  Fällen  zur  Anwendung.  Das  gestohlene  Gut  muss 
die  Gemeinde  oder  der  Häuptling  ersetzen  ;  wollen  sie  sich 
nicht  hiezu  verstehen^  so  wird  ihnen  zur  Vergeltung  das 
Vieh  fortgetrieben  oder  die  Ernte  weggenommen.  Wenn 
die  Fussstapfen  des  gestohlenen  Viehs  zu  den  Gemarken 
eines  Dorfes  nachgewiesen  werden  können ;  so  muss  die 
Gemeinde  für  das  Gestohlene  haften  oder  die  Fussstapfen 
jenseits  ihrer  Gränzen  nachweisen.  Wegen  dieser  Grän- 
zen  entstanden  aber,  nach  der  Niederlassung  der  Sikh  im 
Fünfflussgebiete ^  viele  Streitigkeiten.  Die  früheren  Eiu- 
und  Abtheilungen  aus  der  Herrschaft  des  Padischah  von 
Delhi,  die  von  den  Kanundschis  oder  Normgebern  be- 
richtet werden,  waren  aufgehoben ;  die  Gemeinden  suchten 
bald  dieses  bald  jenes  Land  an  sich  zu  reissen^  und  die 
Zwistigkeiten  über  Marken^)  und  Almendi  führten  nicht 
selten  zu  Mord  und  Todtschlag.  Obgleich  später  allent- 
halben Fünfmännergerichte  '^)  angeordnet  wurden,  um  das 
Recht  zu  finden,  so  gehören  doch  die  Zwistigkeiten  über 
die  Marken  heutigen  Tags  noch  zu  den  am  häufigsten 
vorkommenden'). 


1)  Das  Wort  nämlich  in  dem  Sinne  des  6esanimt«igenthums  einer  6e- 
oossenschaft  genommen.  GaniM,  Deutsche  Hechlsaltert/i.  497. 

8)  Das  Pantschayat,  wie  andere  bürgerliche  Gebräuche  der  Hindu, 
findet  sich  auch  bei  den  8ikh. 

3)    PjuKPKP  34.  801, 


43 


Neben  diesen  gleich  berechtigten  Genossenschaften  gab 
es  noch  drei  andere^  die  aus  den  verschiedenen  Verhält- 
nissen der  Häuptlinge^  welche  bereits  bestanden^   als  sie 
sich  ursprünglich  zusammenfanden^  hervorgingen  oder  aus 
den  Bedinffunsren,  unter  welchen  einzelne  Genossen  auf- 
genommen  wurden.   Häuptlinge  geringer  Macht  schlössen 
sich  nicht  selten  an  mächtige  Misal  an  und  erhielten  zur 
Belohnung  ihrer  Dienste,    je    nach    dem    Gutdünken  der 
Markgenossenschaft^    mehr  oder  weniger    Hufen  Landes. 
Crefiel  den  Misaldar,  wie  diese  Häuptlinge  genannt  werden^ 
die  Verbindung  nicht;  so  konnten  sie  ihr  Besitzthum  ver- 
äussern und  sich  nach  einem  andern  Gau  begeben.  Nicht 
selten  waren  die  Sirdar  auch  von  einem  mehr  oder  minder 
zahlreichen  Gefolge  oder  Gesinde  umgeben_,  das  den  Befeh- 
len des  Herrn  unterworfen  war.  Die  Ländereien,  welche  dem 
Gefolge  aus  dem  AUod  des  Herrn    angewiesen  wurden, 
können  aus  diesem  oder  jenem  Grunde  wieder  eingezo- 
gen werden;   doch  ist  es  auch  den  Tabadar,  so  heisst  dieser 
Stand  unter  den  Sikh,  gestattet,  dem  Häuptling  den  Dienst 
zu  kündigen  und  zu  gehen,  wohin  Vortheil  oder  Lust  Um 
zieht.  Nicht  selten  verleiht  der  Sirdar  kleine  Theile  seines 
Besitzthums  an  arme  Verwandte  oder  dürftige  Glieder  der 
Genossenschaft,  an  Glücksritter  oder  Günstlinge,  welche 
dafür  sich  zu  allerlei  Dingen,  namentlich  zu  Kriegsdien- 
sten verpflichten  müssen  und  deshalb  Dschagirdar  heissen. 
Zieht  der  Häuptling  zum  Kampfe  aus,  so  müssen  sie  auf- 
sit^n,    sich    wohlgerüstet  um  ihn    versammeln  und    auf 
eigene  Kosten  dienen ;  diese  Lehen  können  zu  jeder  Zeit 
wieder  eingezogen  werden.    Die  Markgenossenschaft  hat 
natürhch  hiebei  gar  keine  Stimme ;  denn  es  handelt  sich 
ja  bloss  um  das  freie  Eigenthum  des  Sirdars,  welches  er 
nach  Belieben  verwerthen  kano.  Es  stand  übrigens  einem 
Jeden  frei,  einen  Theil  seines  ächten  Eigenthums  für  wohl- 


44 

thätige  Zwecke^  an  geistliche  und  Bildungsanstalten  zu 
vermachen ;  die  Hufen  Landes  gehörten  dann  diesen  from- 
men Stiftungen  auf  ewige  Zeiten ;  Niemand  ist,  unter 
keinerlei  Verwand^  befugt^  sie  ihnen  zu  entreissen. 

Zwölf  Misal  oder  Markgenossenschaften  waren  jetzt 
vorhanden,  welche^  das  dienende  Gesinde  nicht  mitge- 
rechnet^ siebzig  tausend  berittene  Krieger  liefern  komiten. 
Die  gemeinschaftliche  Gefahr  hatte  diese  frechen  Haufen^ 
welche  auch  dem  ärgsten  Verbrecher  die  Aufnahme  ge- 
statteten^ verbunden  und  bis  jetzt  von  gegenseitigen  blu- 
tigen Fehden  abgehalten.  Als  sich  aber  die  Durani  aus 
dem  Pendschab  zurückzogen  und  das  Schwert  der  Rache 
nicht  mehr  über  den  Häuptern  der  Jünger  Govind's  schwebte^ 
fielen  sie  selbst  über  einander  her  und  zerfleischten  sich 
gegenseitig.  Es  war  des  Rauhens^  Brennens  und  Mordens 
kein  Ende ;  Gräuel  auf  Gräuel  folgten  in  unendlicher 
Reihe.  Die  Geschichte  der  Sikh  dieser  Zeiten  bildet  ein 
würdiges  Seitenstück  zu  dem  verruchten  Treiben  der 
Nachkommen  des  merowingischen  Chlodowig.  Unter  den 
zahlreichen  Raubrittern  ragten  aber  bald  Tscharat  Singh 
und  Maha  Singh^  Vater  und  Sohn,  hervor ;  nicht  weil  sie 
menschlicher,  weil  sie  milder  gewesen  wären,  als  die  an- 
dern mord-  und  blutdürstigen  Gesellen.  Keineswegs.  Un- 
ter den  Reiterschaaren  der  Sikh  hatten  solche  Eigen- 
schaften keinen  Werth ;  ja  sie  galten  im  Gegentheile  für 
schandbare  weibische  Schwäche.  Tscharat  Singh  und  Maha 
Singh  erhoben  ihre  Macht  und  ihren  Namen  durch  grän- 
zenlose  Gewaltthätigkeiten;  wo  diese  nicht  ausreichten, 
nahmen  sie  zu  Hinterlist  und  Vorrath  ihre  Zuflucht.  Solch 
ein  wildes  gefahrvolles  licben  kommt  selten  zu  hohem 
Alter;  Tscharat  starb  (1774)  und  hatte  noch  nicht  die 
fünfzig  erreicht.  Der  Räuberhauptmaun  konnte  jetzt  seiner 
Familie,  die  aus  zwei  Söhnen  und  einer  Tochter  bestand, 


45 

eine  Herrschaft  hinterlassen,  mit  einem  jährlichen  Ertrage 
von  sechszig  tausend  Gulden  schweren  Geldes.  Maha 
Singh^  der  älteste  Sohn  und  Erbe,  war  damals  bloss 
zehn  Jahre  alt ;  da  hielten  mehrere  untergeordnete  Häupt- 
linge die  Gelegenheit  für  günstig,  sich  mit  den  Ihrigen  von 
der  Markgenossenschaft  zu  trennen,  um  selbständige  Herr- 
schaften zu  gründen.  Die  Freunde  des  Maha  Singh  handelten 
schnell  und  entscheidend ;  bevor  noch  die  Pläne  dieser  Sirdar 
ganz  reif  waren,  wurde  einer  derselben  mit  Heeresmacht 
überzogen  und  als  Verräther  der  Genossenschaft  durch 
den  Verlust  des  Landbesitzes  bestraft.  Dies  schreckte  die 
Andern   ab  und  der  Misal  ward  zusammengehalten. 

Unter  den  Hindu  verloben  die  Aeltern  oder  die  näch- 
sten Verwandten  nicht  selten  Kinder  von  zwei  bis  drei 
Jahren;  die  Sikh  haben  diese  wie  viele  andere  brahma- 
nische  Sitten  beibehalten.  Die  Heirath  wird  in  der  er- 
sten Zeit  der  Mannbarkeit,  im  eilften,  zwölften  oder  drei- 
zehnten Jahre  geschlossen.  Maha  Singh  war  ebenfalls 
von  seinem  Vater  als  Kind  mit  einem  Mädchen  des  Dschind 
Klanes  verlobt  worden;  im  zwölften  Jahre  geschah  die 
Vermählung  auf  dem  östlichen  Ufer  des  Setledsch,  un- 
ter dem  Zuströmen  einer  Menge  Häuptlinge  des  Sikh- 
volkes.  Zwei  Jahre  hernach  (2  November  1780)  ward 
ihm  der  Sohn  Ranadschit  geboren.  Die  Pocken  befielen 
das  Kind  in  so  heftiger  Weise,  dass  eine  Zeit  lang  selbst 
sein  Leben  in  Gefahr  schwebte;  nur  grosse  Geschenke 
an  Brahmanen,  an  heilige  Einsiedler  und  Kirchen,  so  glau- 
ben die  Aeltern,  haben  den  Sohn  vom  Tode  errettet.  Aber 
auch  das  inbrünstigste  Gebet  der  Frommen  war  nicht  im 
Stande,  das  Augenlicht  unversehrt  zu  erhalten.  Rana- 
dschit verlor  ein  Auge,  und  auf  seinem  Gesicht  blieben 
eine  3Ienge  widerlicher  Spuren  dieser  furchtbaren  Krank- 
heit zurück,  die  sich  niemals  verloren. 


46 

Um  diese  Zeit  hatten  die  Bhangdschi^)  Sikh^  die 
mächtigste  Genossenschaft  des  Volkes^  Multaii  und  Bha- 
walpur  eingenommen  und  in  diesen  reichen  Städten  nach 
ihrer  Weise  furchtbar  gehaust.  Dies  zog  ihnen  die  Ra- 
che der  Durani  auf  den  Hals.  Timur  kam  eilends  von 
Kabul  herbei  (1781);  die  Räuber  wagten  es  den  Afgha- 
nen in  einer  offnen  Schlacht  entgegenzutreten^  erlitten 
aber  solch  eine  furchtbare  Niederlage^  dass  die  ganze 
Genossenschaft  auf  einige  Zeit  gesprengt  wurde  ;  sie 
konnte  sich  von  jetzt  an  nie  mehr  zur  ehemaligen  Stärke 
emporschwingen.  Ein  grosser  Theil  derselben  wendete 
sich  zu  Maha  Singh  und  die  Macht  dieses  Häuptlings 
ward  dadurch  sehr  erweitert  '^}.  Noch  mehr  war  dies  der 
Fall  durch  die  Verlobung  seines  Solmes  Ranadschit  mit 
Mehtab  Kunwar,  aus  dem  Hause  der  Ghanni^)  Sirdars^ 
so  wie  durch  den  kräftigen  Beistand,  welchen  Maha  Singh 
dem  Ramgharia  ^)  Sirdar  und  dem  Radschah  des  Gebirgs- 
landes  Kangra  in  einer  Fehde  mit  ihren  Nachbarn  leistete. 
Jetzt  schon  war  Maha  Singh  der  mächtigste  Fürst  des 
ganzen  Fünfflussgebietes;  nach  und  nach  ward  es  Sitte^ 
in  allen  Streitigkeiten^  wo  die  Selbsthülfe  nicht  ausreichte, 
ilm  zum  Schiedsrichter  der  kämpfenden  Parteien  zu  er- 
nennen. Hiedurch  entstand  eine  verhältnissmässige  Ruhe 
und  Ordnung^  wie  man  sie  seit  vielen  Jahrzehnten  nicht 


1)  Die  Genossenschaft  hat  ihrea  Namen  von  dem  häufigen  Gebrauche 
eines  Rauschlrankes,  aus  den  Blättern  der  Hanfpflanze  bereitet, 
Bhang  genannt;  sie  war  damals  die  mächtigste  und  konnte  xeho 
tausend  Reiter  ins  Feld  stellen. 

8)    Prixsbp  48.  Elphinstonk,  Cabtil  11.  359. 

3)  Der  Ort  Ghanni  liegt  östlich  von  Lahor;  diese  Genossenschaft 
zählte  drei  tausend  Heiter. 

4)  Ramgharia  ist  ebenfalls  ein  Ort  östlich  von  Lahor;  diese  Ge- 
nossenschaft zählte  drei  tausend  Reiter. 


47 


wekannt  hatte.  Mit  Freuden  sah  die  Masse  der  Bevöl- 
kerung emer  dem  allgemeinen  Räuberwesen  steurenden 
Herrschaft  entgegen  *}. 

Maha  Smgh  starb  bereits  im  siebenundzwanzigsten 
Jahre  seines  Alters  (1 792)  ;  er  vrird  von  seinen  Lands- 
leuten als  ein  Muster  eines  ächten  vollkommenen  Sir- 
dars  gepriesen.  3Iaha  war  tapfer  und  klug  und  steuerte 
rasch  auf  das  Ziel  los,  um  Recht  und  Menschenleben 
unbekümmert.  In  seinem  siebzehnten  Jahre  kündigte  er  der 
eignen  Mutter  den  Gehorsam  und  Hess  ihr  nicht  den  ge- 
ringsten Einfluss  auf  die  Regierung.  Später  ermordete 
sie  der  Sohn  mit  eigener  Hand  5  er  wollte  sie  in  einem 
Ijiebeshandel  mit  einem  Brahmanen  überrascht  haben^  — 
eine  Gräuelthat^  welche  dem  Fürsten  in  den  Augen  sei- 
ner verwilderten  Landsleute  nicht  im  Geringsten  schadete. 
Nach  dem  Tode  dos  Maha  übernahm  die  Mutter  Rana- 
dschit's  die  Vormundschaft  ihres  jungen  Sohnes,  des  ein- 
zigen^ welchen  der  Sirdar  hinterliess^  und  die  Regierung 
des  Landes ;  sie  ward  hierin  durch  den  ersten  Beamten 
des  verstorbenen  Fürsten^  Lachu  Singh,  unterstützt. 

Von  einer  eigentlichen  Erziehung  Ranadschit'S  war 
keine  Rede ;  niemals  lernte  er  irgend  eine  Sprache  le- 
sen oder  schreiben.  Wozu  jugendliche  Lust  und  Muth- 
willen^  wozu  die  früherwachte  Sinnlichkeit  des  südlichen 
Landes  und  aufbrausende  Leidenschaften  ihn  antrieben^ 
dies  Alles  ward  ihm,  vielleicht  mit  Absicht^  in  vollem 
Masse  gestattet.  Wahrscheinlich  wünschten  die  Vor- 
münder^ der  Jüngling  möge  sich  zu  Grunde  richten, 
damit  ihnen  die  Herrschaft  bliebe.  Das  wilde  Feuer  des 
Vaters  floss  in  den  Adern  des  Sohnes ;  dem  erhabenen 
Muster  des  Maha  ahmte  Ranadschit  nach;    es  ward  nun 

1)    Prinskp  46. 


48 


jedes  Verbrechen^  durch  angebliche  kindliche  Pietät^  ge- 
heiliget oder  doch  wenigstens*  beschönigt.  Auch  hatte 
der  Jüngling  an  seinem  Onkel  Dal  Singh  einen  würdigen 
Rathgeber.  Zuerst  suchten  sie  die  Vormünder  aus  dem 
Wege  zu  räumen.  Den  ersten  Minister  Lachu  sandte  man 
gegen  einige  aufrührerische  Gutsherrn ;  auf  diesem  Zuge 
ward  er,  bei  Gelegenheit  eines  Wortwechsels,  der  zu- 
fällig entstand  oder  absichtlich  hervorgerufen  wurde^  er- 
mordet. Der  junge  Ranadschit  und  sein  Onkel  geriethen 
in  Verdacht;  sie  hätten  diese  That  veranlasst.  Bald  dar- 
auf ward  die  Mutter  des  jungen  Fürsten  *),  unter  einem 
ähnlichen  Verwände^  welchen  der  Vater  bei  der  seinigen 
angewendet  hatte^  vergiftet  (1797).  Jetzt  war  der  jun- 
ge Sirdar  sein  eigner  Herr  ;  er  athmete  freier  und  suchte 
auf  der  Bahn  fortzuschreiten,  die  Vater  und  Grossvater 
ihm  vorgezeichnet  hatten.  Ranadschit  verstand  es,  durch 
Gewalt  und  Hinterlist,  die  republikanischen  und  aristo- 
kratischen Einrichtungen  seines  Volkes  zu  brechen  und 
an  deren  Stelle  eine  unvernünftige  Willkürherrschaft 
zu  errichten ;  wie  sie  so  häufig  gefunden  wird  in  der 
Geschichte  des  Morgenlandes. 

Carl  Friedrich  Neumann. 


>♦©»«>- 


1)  Es'  scheint  dies  eine  Sitte  der  jungen  Despoten.  So  heisst  es  !n 
einem  Bruchstüclce  der  Geschichte  des  Sallustius:  Mithridates 
extremu  pucritia  regnum  ingressus,  niatre  veneno  interfecta. 
Doss  JNero  dasselbe  that,  ist  bcliannt. 


49 


II. 

Heber  einige  Syrische  Oediclite 

des 
Ciresorlus  Barliebraus. 


Bereits  vor  mehreren  Jahren  schon  erschienen  einige 
fnr  Freunde  der  Syrischen  Sprache  nicht  uninteressante 
Blätter  unter  dem  Titel:  Ore^orü  Barbebraei 
carmina N^iaca  —  edidit  Caesar  a  Lengerke. 
Regiomonti  Borussorum  1836.  Die  kleinen  darin  enthaltenen 
Gedichte  sind  als  Frühlingsliedchen  und  Nachahmungen 
Persischer  Dichtkunst  nicht  ganz  ohne  Verdienst ;  mit  den 
Leistungen  Herrn  li  e  n  g  e  r  k  e's  aber  bei  ihrer  Herausgabe 
kann  man  wenig  zufrieden  seyn^  da  sowohl  der  Text  als 
auch  die  Uebersetzung  öfter  sehr  fehlerhaft  ist. 

Es  wird  zwar  in  irgend  einer  gelehrten  Zeitschrift 
wahrscheinlich  schon  über  diese  Arbeit  gesprochen  wor- 
den sejTi ;  da  aber  der  Unterzeichnete  in  seinem  Alpen- 
winkel keine  Beurtheilung  noch  kennen  gelernt  hat,  hält 
er  es  nicht  für  ganz  überflüssig^  seine  Bemerkungen  über 
dies  Werklein  bekannt  zu  machen,  falls  noch  wirklich 
keine  Stimme  darüber  laut  geworden  wäre*).     Fern  von 


1)    Eine Recenjsion  vonRosoieKR  findet  sich  in  derHallisdien  ALZ. 
1837.  n.  70;    beide  Beurtheilungen,  obgleich  im  Ganzen   über- 
einstimmend, haben  ihr   Eigenthümliches.     Dem  Herrn  Verfasser 
des  obigen  Aufsatzes  ist  es  auch  unbekannt  eebUeben,dass  1837- 
V.  4 


50 


jeder  gelehrten  Bibliothek  kann  ich  übrigens  Manches  im 
Texte  nur  aus  wahrscheinlichen  und  leicht  sich  darbie- 
tenden Conjecturen  verbessern.  Möge  diese  Arbeit  als 
ein  kleines  Scherflein  zur  Kunde  des  Morgenländischen  mit 
gütiger  Nachsicht  hingenommen  werden. 

Zuvörderst  muss  ich  schon  in  der  Vorrede  von  Hn.  L. 
ein  paar  Aeusserungen  rügen.  Der  Herausgeber  klagt 
nämlich^  wie  Eichhorn,  Herder  u.  A.^  dass  man  bei  Durch- 
suchung der  Syrischen  Gedichte  ,^ad  vepres  et  du- 
meta  relegatus'^  scheine.  Schon  zweimal^  nämlich 
in  der  Vorrede  zu  der  (1833  bei  Wagner  in  Innsbruck  er- 
schienenen) Heiligen  Muse  der  Syrer^  und  indem 
Vorwort  zu  den  (1840  bei  Rauch  in  Innsbruck  erschie- 
nenen) Harfenklängen  vom  Libanon  habe  ich 
mich  gegen  die  aus  Unkenntniss  der  bessern  Syrischen 
Gedichte  entstandene  ungerechte  Verwerfung  der  Syri- 
schen Poesie  freimüthig  und  nachdrücklich  erklärt,  und 
glaube  bei  Unbefangenen  nicht  ohne  Erfolg  die  Ehre  der 
Syrischen  Muse  gerettet  zu  haben.  Es  Hessen  sich  in 
der  That  aus  dem  h.  Ephraem,  den  Ofßcieu  der  Maroni- 
teuj  den  Märtyrerakten  so  viele  Gedichte  von  wahrem 
und  grossem  poetischen  Werthe  zusammenstellen^  dass 
sie  eine  hübsche  Chrestomathie  abgäben^  für  die  ich  schon 
lange  einen  Verleger  wünsche.  Es  fehlt  den  Syrern  we- 
der an  lieblichen^  noch  an  erhabenen  Gedichten^  weder  an 
feurigen  lyrischen  Ergüssen,  noch  an  schönen  Beschrei- 
bungen. 

Ferner  kann  ich  mit  Hu.  L.  nicht  einverstanden  seyn. 


38  die  Particulae  II-IV  der  Carmina  erschienen,  jedoch  wie  es 
scheint  niclit.  in  den  Huchhaiuicl  gencbcn  sind,  von  denen  wc- 
nigstens  die  /.weite  einer  gründlichen  Kritik  von  Uobdigkr 
H  A  L  Z.  Aug.  18.S8.  8.  öSl-SS  unterzogen  ist. 


51 

wenn  er  diese  Syrischen  Gedichtlein  für  Nachahmungen 
Arabischer  Gedichte  hält ;  wer  die  Arabische  und  Per- 
sische Poesie  kennt ,  wird  sie  mit  mir  eher  für  Xachah- 
mungen  Persischer  Dichtkunst  ansehen^  die  so  gerne  vom 
Frühlmg;  der  Nachtigall  und  Rose  singt. 

Gehen  wir  nun  zu  den  Gedichten  selbst^  und  zur 
Beurtheilung  des  Textes  und  der  Uebersetzung  über. 

Im  1.  dieser  Liedchen  über  den  Lenz  und  die  Rose 
steht  im  2.  Verse  voo*,  nach  L.  rursus.  Allein  das 
Metrum  (das  12sylbige^  oder  das  4sylbige,  so  dass  3 
Verse  in  Einen  verbunden  sind)  fordert  noch  eine  Sylbe, 
und  so  glaube  ich^  man  müsse  ImSjcim  lesen.  Rursus 
heisst  im  Syrischen  vSoZ* 

Das  Gedicht  heisst  wörtUch  übersetzt: 
,^Sieh,  der  Nisan    ist  gekommen,    und  tröstet  (and)  be- 
lebt die  Betrübten^ 
Und  mit  Blumen  kleidet    er  Berg  und  Feld   in  Herrlich- 
keit. 
Zur  Hochzeit  der  Rose  ruft  und  versanunelt  er  als  Gäste 

die  Blumen, 
Und  dass  aus  dem  Brautgemach  der  Bräutigam  hervor- 
gehe, bahnt  er  den  Weg.^^ 

D.  h.  der  Frühling  bahnt  der  Rose  den  Weg.  Rose 
ist  im  Syrischen  männlichen  Geschlechtes,  darUm  wird  sie 
als  Bräutigam  eingeführt.  Ganz  falsch  übersetzt  v.  L. 
„Et  qui  ex  thalamo    egressus  est,  sponsus  viam  calcat. 

Das  ia^  im  2.  V.  muss  in  ]'ia^  verwandelt  wer- 
den, des  Metrums  wegen ,  wenn  man  uicht  dem  V»  ei- 
nen Vocal  geben  will. 

Im  2.  Gedicht  muss  im  1.  V.  das  o  des  vorletzten 
Wortes  zu  A^^]  gesetzt  und  .  ..q^  oAo^.|  gelesen 
werden.     Das  Wort    Zoioj   ist  als  Nebenwort  gleich- 


52 

wie  gebraucht.  Anstatt  des  unbekannten  l^v^oo)  schlage 
ich  vor  y  ]rftCnvr>  vexatloues^  oder  jl^uoco  impetus ,  in- 
cursus  zu  lesen.  Unbegreiflich  ist^  dass  v.  L.  übersetzte : 
Imago  sponsarum  ornata  est,  anstatt:  sponsarum 
instar,  ecce^  ornati  sunt  flores  u.  s.  w. 
Wörtlich  übersetzt: 

„Wie  Bräute,    sieh,    sind    geschmückt    die  Blumen   des 

Feldes , 
Und  haben  von    den  Angriffen    des  Sturms  des  Winters 

Freiheit  erlangt. 
Sieh ,  gelöst  ist  die  Zunge  der  Cicade,  und  mit  Gesum- 
me singt  sie, 
Und  steigt  auf  den  Stengel  der  Narzisse,  und  die  Myrthe 
flüstert  der  Rose  zu.^^ 
Im  3.  Ged.   1.  V.  muss    das  2QiD?  wieder    adverbi- 
aliter  mit  gleichwie  übersetzt   werden.    L.  wieder  falsch : 
Ecce  rosae,  imago   sponsarum.     Das  ^ücu»  kann 
Blumen  überhaupt  bedeuten. 
Das   Liedchen  lautet: 
Sieh,  die  Blumen  gehn    wie  Bräute    aus  den  Brautge- 
mächern 
Geschmückt    hervor    und  brüsten    sich    prangend    in  der 

Schönheit  der  Farben. 
Sieh     sinnlos  ward  die  Cicade  aus  Liebe  der  Blumen , 
Und  singet  wie  ein  Dichter  der  Rose  zu  mitten    in  den 
Gärten.^^ 
Im  4.  Gedicht  ist  meiner  Ansicht  nach  im  1.  V.  das 
,itmoti^]  ,o  zum  Subjekt  f^o    zu   beziehen;  das  >aAaa)jb 
im  2.  V.  heisst,    wenn  ich  nicht  irre,   hier    „verstellt, 
nicht  ganz  entfaltet,    gleichsam  heuchlerisch   nur 
zum  Scheine,^^    welche  Bedeutung  es  im  Testamente 
des  h.  Ephraem  hat.    Das    a\L^\M    »"»  3.  V.  ist  die  1. 


53 


Person  des  1.  Aorists,  nicht  ein  Hauptwort,  wozuv.  L. 
es  macht,  und  daher  im  Lexicon  freilich  nicht  als  sol- 
ches zu  finden.  Das  folgende  JLgdj^A^  im  nämlichen  V. 
ist  passiv  oder  reflexiv  und  heisst:  'sich  schamlos  preis- 
gebend,  offen  sich  darstellend. 

Somit  heisst  dies  Gedicht  wörthch  verdeutscht : 
,,Eine  kleine  Zeit^    da  die  Rose  noch  neu  (frisch)  war 

(d.  h.  nicht  ganz  entfaltet  ?), 
Wollte  sie  sich  verbergen    und  verstellter  Weise  mitten 

im  Garten  bleiben. 
Dann  sah  ich  sie  offen    sich  darstellen  in  den  Schenken, 
Und  sich  hingeben    den  Ausschweifenden,  wie  eine  Buh- 
lerin/^ 

Man  vergleiche  damit  v.  L.  unrichtige  Uebersetzung : 

,,Tempus  brevissimum  quum  fuisset,  rosa 
recens  cupivit  occulle  morari  in  ornatu  medio  horti; 
tunc  faciem  suam  quum  develaret  in  taberna,  ani- 
mam  suam  adiecit    ad  prodigos  meretricis  simillima. 

Bei  dem  5.  Ged.  wage  ich  im  3.  V.  die  Vermu- 
thung,  das  ^Q^  sey  zu  lesen  ^ic\^,  ond  bestehe  aus 
dem   anführenden  j    und    der  Inlerjection  t^^  ohel 

Das  folgende  j^  ist  pleonastisch.  (Vergleiche  Hoffmann 
Syrische  Grammatik  S.  320.  n.  6.  und  Agrellii  supple- 
menta  pag.  210.).  Das  misertus  est  von  ^Q,^^gibt 
keinen  passenden  Sinn,  ist  nur  gezwungen. 

Wunderbariich  übersetzt  v.  L.  die  letzten  Worte  des 
4.  V.,  laos  (]^'o  ^  Plural)  mit  Stern,  astrum,  d.  h. 
Ixisoo«  Etwas  solches  kaim  doch  nur  von  oberflächli- 
cher Eile  kommen.  Wie  kommen  etwa  Rosen  in  einen 
Stern?    Aber  ohne  Dornen  ist  keine  Rose. 

Wörtliche  Uebersetzunar : 
Zur  Rose  sprach  ich:    „Warum    willst  du   in  der  Hand 
und  am  Busen  seyn 


54 


Jedes  Schweigers^  Trunkenen,  Wollüstlings  und  Schlem- 
mers V^ 
Die  Rose  entgegnete:     ,;He  du,    schweig'  und  entferne 

von  mir  das  Geschrei ! 
Denn    mein  Leben    ist  dem  Untergange   nah   und  in  die 
Gesellschaft  der  Dornen  gekommen." 

Dafür  V.  L.  im  3.  V.  miserere  mei  apud  tc 
und  im  4.  V.  vita  mea  aliud  in  astrum  perveuiet! 

6.  Ged.  Im  2,  V.  hat  v.  L.  nicht  ganz  treu  über- 
setzt:  Quidni  abdit  se  formositas,  daesheisst 
O^idni  abdis  formositatem  tuam.  Das  \  .]  '^ 
im  nämlichen  V.  heisst  nicht  c  a  s  t  e  ,  wie  er  übersetzt, 
sondern  ist  das  Adjcctiv  sehr,  herrlich,  schön. 
Den  4.  V.  hat  er  wieder  durch  astra  anstatt  Spinae 
entstellt.  Das  \Mjl]Z  im  1.  V.  wird  besser  mit  ausge- 
lassen seyn  als  nach  v.  L.  mit  contemtui  te  ex- 
ponis  gegeben.  |]Qi»  im  8.  V.  hier  aestus,  nicht  tem- 
pestas. 

Das  Gedicht  heisst  verdeutscht: 

Zur  Rose   sprach  ich:    „Warum    willst    du    ausgelassen 

seyn,  wie  ein  Lüstling? 
Warum  verbirgst  du  deine  herrhche  Schönheit  nicht  zur 

Zeit  der  Hitze  V" 
Die  Rose  entgegnete :  „Predige  du  dir  selbst ! 
Denn   lieber  ist    mir  Liebeslust    als    an  Dornen    gereiht 

(unter  Dornen)  zu  seya.**^ 

D.h.  nachv.L:  quam  quod  in  astra  recipiarü 
Das  7.  Ged.  bietet  wieder  manches  zu  verbessern 
dar.  Zuerst  fragt  es  sich,  ob  im  2.  V.  das  ]£u-.x— •.,♦ 
diese  ungewöhnliche  Form,  nicht  in  ]A^i  ^  zu  verändern 
sey.  Das  VVvy»  eben  dieses  Verses  ist  entschieden  Par- 
ticip.  Aphel  von  \L_i!'.     Entschieden    unrichtig    hat   ferner 


55 


V.  L.  im  3.  V.  das  ^pj  für  ,_,oup5  angesehen.  End- 
lich glaube  ich,  das  unsyrische  |<^  V^  des  4.  Vers,  in 
yvr>%<  verändern  zu  können. 

Der  gütige  Leser  halte  nun  beide  Uebersetzungen 
zusammen. 

V.  Lengerke:  ^^Rosam  increpavi:  Cur  te  emancipas 
Omnibus,  et  delirationis  ebrii  simillima  in  pe- 
ctore  tibi  omnis  est  praevaricatto.  Rosarespon- 
dit :  quod  morbo  laborat  vita  mea,  et  splendor  mens 
ecce  fugit.  Quid  est,  cur  avara  sim?  Quousque  ardor 
suus  pulchritudini  reprimendus  est? 

Dagegen  verdeutsche  ich: 
Die  Rose  schalt  ich:    „Warum  willst  du  dich  jedem  hin- 
geben, 
Und  gleich  einer  trunknen  Sinnlosen  *)  nimmt  dich  jeder- 
mann an  den  Busen  ?^^ 
Die  Rose  entgegnete:  „Kurz  ist  mein  Leben,  und  meine 

Herrlichkeit,  sieh,  vergeht. 
Warum  soll  ich  geizig    sevn?    Hält  wohl  die  Schönheit 
ihre  Glut  zurück  ?^ 

Im  8.  Ged.  endlich  ist  folgendes  za  corrigiren: 

Den  2.  V.  übersetzt  v.  L.  „Nee  permitte  ei,  ecce, 
te  rapiendam.^^  Wegen  des  ]  <n  ecce,  und  des  5  vor  dem 
^  scheint  mir  das  -«^^y  ]a\  J^  .m  /rv>V^/  \}  zu 
übersetzen:  Lass  ihn  nicht!  denn  sieh,  er  raubt 
dich/^  Der  Sinn  ist  wenig  verschieden.  —  Im  letzten 
V.  ist  f.  1  (T>  wohl  richtiger  mit  rubus  zu  übersetzen,  als 
mit  odiosi,  worunter  v.  L.  feindliche  Thierchen  versteht, 


P 


1)  Wenn  ]AaJL«  Substantiv  ist,  muss  es  heissen :  Nach  der  Ra- 
serei eines  Trunkenen^  Der  Text  des  letzten  Verses  ist  mir 
als  nicht  gut  abgeschrieben  verdächtig.  "Wegen  des  Sinnes  die- 
ses 7.  Ged.  ist  das  öte  in  dea  ersten  8  Versen  zu  vergleichen. 


Cicaden   u.  d.  gl.     Man   vergleiche    des  Sinnes     wegen 
die  ^Ibari  Spinae  im  5.  u.  6.  Gedichte. 

Uebersetzung : 

Zur  Rose  sprach  ich^  da  der  Gärtner  sie  pflückte : 

^;Slich  ihn  mit  dem  Dorne  und  lass  ihn  nicht !  Denn  sieh^ 
er  raubt  dich!'^ 

Die  Rose  entgegnete:  ;,Von  meinem  eignen  Sinne  hat 
er  dies  gelernt. 

Damit  er  meine  Schönheit  aus  der  Gesellschaft  der  Dor- 
nen entferne.'^ 

Diese  Bemerkungen  bieten  sich  jedem  der  Syrischen 
Sprache  Kundigen  leicht  dar.  Leid  ist  mir  nur,  dass  ich 
keinen  Codex  zur  Besserung  des  Textes  benutzen  und 
also  nur  aus  Vermuthungen  manches  ändern  konnte. 

Weit  entfernt  übrigens,  der  Ehre  des  gelehrten  Herrn 
V.  Lengerke  nahe  zu  treten,  erkläre  ich  hiemit  auf- 
richtig, dass  ich  ihn  als  einen  eifrigen  Beförderer  des 
Syrischen  Studiums  und  besonders  als  einen  Verehrer 
des  h.  Ephraem  hochachte,  über  dessen  Schriften  er 
sich  mit  vielem  Lobe  ^)  äussert. 

Er  wird  der  Syrischen  Sprache  zu  Liebe  es  daher  nicht 
übelnehmen^  dass  ich  die  Gedichtlein^  deren  Herausgabe 
sein  Verdienst  ist^  in  manchen  Stellen  gegen  seine  An- 
sicht erklärte. 

P.   PlUS    ZlNGERLE^ 

Prof.  zu  Meraii  in  Tirol. 


»M9I< 


1)  Comnicnlatio  II.  ilc  studio  lilcraruin  Syriucaruin  coinmcndando, 
png.  39.  und  tu  der  Vorrede  zur  Coiuaionlatio  criticu  düKphrae- 
mo  S.  S.  lutcrpretc. 


57 


III. 

Kurdische   Slndieii 

von 

E.  Roediger  und  A.   F.  Pott. 

(Fortsetzung  von  Bd.  IV.  S.  260.) 


III. 

nratiirfr^sehlektllches  aus  der  Kurdisrhen 
und  anderu  Sprachen  ül'estasiens. 


■^♦o»«- 


3»    Pflanzen. 


Kurt  Sprengel  hat  im  I.  Theile  seiner  Geschichte  der 
Botanik  1817.  so  viele  schwache  Anfänge  zu  einer  sy- 
stematischen Pflanzenkunde,  z.  B.  bei  den  Arabern  und  selbst 
bei  den  Rabbinen,  berücksichtigt,  dass  man  nicht  einsieht, 
aus  welchem  Grunde  des  im  Bundehcsch  §.  XX\TI.  bei 
Anquetil  Zend-Av.  II.  p.  403 — 407.  vorfindlichen,  sicher 
schon  auf  älterer  üeberlieferung  beruhenden  Versuchs  ei- 
ner Pflanzeneintheilung  nirgends  von  ihm  gedacht  wird. 
Auch  fehlen  dort,  um  nicht  von  der  Indischen  Flora  und 
deren  einheimischen  Benennungen,  welche  letztern  damals 
nur  noch  wenig  bekannt  waren,  zu  reden,  die  Pflanzen- 
namen  des  Persischen  Sprachkreises  beinahe  völlig,  ob- 
schon  sich  nicht  das  mannichfache  Interesse  wird  abläug- 
nen  lassen,  dass  sich  gerade  an  diese  knüpft.  Die  Ver- 
gleichung  ergiebt,  dass  fast  sämmtliche  Pflanzennamen  im 
Bundehesch,  welche  Anquetil  glücklicher  Weise  aus  dem 
Originaltexte  in  den  Noten  verzeichnet  hat,  sich  aufs  eng- 


58 

ste  an  die  Persischen  anschliessend  dergestalt^  dass  sie  in 
der  Pehlvisprache  grösstentheils  nur  Lehngut  zu  seyn 
scheinen.  Unser  Absehen  in  gegenwärtigem  Aufsatze  geht 
nur  auf  das  Sprachliche;  sollte  dessen  imgeachtet  der 
Botaniker  sich  daraus  die  eine  oder  andere  Notiz  zu  sei- 
nen Zwecken  aneignen  können^  desto  besser.  Da  es  uns 
zunächst  nur  um  Aufhellung  der  Kurdischen  Benennungen 
von  Naturgegenständen  zu  thun  war_,  das  Interesse  der 
Sache  uns  sodann  aber  bald  über  die  ursprüngliche  Ab- 
sicht hinausführte,  ohne  dass  wir  uns  irgend  eine  Art  von 
Vollständio'keit  als  Ziel  unseres  Strebens  hätten  vorstecken 
können  noch  wollen^  so  mag  es  Entschuldigung  finden^ 
wenn  manche  Pflanzen,  von  denen  wir  den  Kurdischen 
Namen  nicht  wissen^  dennoch  besprochen  worden  sind^ 
sobald  sich  über  andere  orientalische  Benennungen  dersel- 
ben schien  eine  sprachlich  nicht  unwichtige  Aufklärung 
geben  zu  lassen.  Dahin  gehört,  ausser  den  Pflanzennamen 
im  Bundehesch,  ein  grosser  Theil  von  botanischen  Aus- 
drücken, welche  Du  Gange  in  seinem  GIoss.  Graeco-bar- 
barura,  ohne  deren  Herkunft  nachzuweisen,  aufführt.  Diese 
sind  nämlich  von  ihm  zumeist  handschriftlichen  Glossen- 
sammlungen, die  augenscheinlich  nach  Arabischen  Quellen 
von  Griechen  für  Griechen  zu  ärztlichen  Zwecken  verfasst 
wurden,  entnommen  und  entweder  Arabischen  Ursprungs 
oder  doch  in  der  Arabischen  Sprache  üblich  gew^orden,  wenn 
gleich  in  jenen  Sammlungen  mit  Griechischen  Charakteren, 
oft  sehr  ungenau  und  kaum  kenntlich,  wiedergegeben. 
Deren  vollständige  etymologische  Erläuterung  wäre  nicht 
nur  für  die  bevorstehende  Wiederausgabe  des  Ducangi- 
schen  Glossars  ein  Bedürfniss,  sie  würde  auch  zur  Be- 
stimmung der  Synonymik  mancher  Pflanzen,  die  im  Mit- 
telalter offlcinell  waren,  und  mithin  zur  Geschichte  der 
Pflanzenkunde  in  jenem  Zeiträume  überhaupt  von  einigem 


69 

Werthe  seyn,  zumal  hierauf  Sprengel  gleichfalls  nicht  ge 
achtet  hat.  Von  uns  fordere  man  nicht  die  Lösung  einer 
Aufgabe,  welche  wir  uns  nicht  stellten :  es  soll  uns  freuen^ 
wenn  der    bloss   gelegentliche  Beitrag,    den  wir  liefem- 
andere,  mit  dem  Gegenstande  Vertrautere  dazu  bewegt. 

Die  hauptsächlichsten  Pflanzenabtheilungen  von  zum 
Theil  gar  wunderlicher  Art  im  Bundehescb  bestehen 
kürzUch  in  folgenden: 

1)  dar  (kurd.  dar)  und  2)  derakht,  p.  v:j»3^»>,  aus  Sanskr. 
drihita  (grown^  increased),  wie  p.  jÄi*0  st.  diihi/rt  {Toch~ 
ter), umfassen  Bäume  mitungeniessbarer  Frucht.  —  3)  miteh, 
p.  8^;  sind  Fruchtbäume.  —  4)  djordah,  Getraidearten.  — 
5)  goul  (p.  ^  Rose)^  Blumen.  —  6)  saperem,  p.    ^jf^y 
s.  später  ozzimo.    —  7)  tereh,  p.  »y   Gast  I.  180.  —  8) 
arzareh,  d.  i.  „tout  ce  qui  renferme  beaucoup  de  parties*^ 
Anq.  II.  405.^  p.  ^j^\  und  ^UjI  Ar.  Cibi  condimentura^  sive 
herbae  sunt    olerave.  Gast.   I.  6.  Bei  Gz.  S.  212:  plan- 
taggine,   erba   —    avezdr;    foglie  di  pi  —   belk   (p.  v^j) 
avezar.  —    9)  gw'ah   (herbe),   kurd.  ghiä  (erba)    Gz.^  gia 
(Heu)   und  giha  (Kraut)  Klpr.,  im  Bulbassi  ghiyah  (grass) 
bei  Rieh  p.  396.,  p.  Li   (herba  sicca),  sLJ'  (herba,  pec. 
recens.    germen    et  pabulum  virens.     Planta  et    foenom, 
herba  sicca)  Gast.  —  10)  vahar,  ,.tout  ce  qui  porte  du  fruit 
ou    s'c'panouit    sans    avoir    ete    travaille    par  la  main  de 
l'homme,  et  paroit  dans  la  saison  (qui    lui   est  propre)^^ 
Anq.  II.  405.,   d.  h.  wohl  im  Frühlinge,  worauf  der  Na- 
me hindeutet.  Bei  Rieh  I.  134.  ist  kurd.    bahara  eine  Ge- 
traideart,  die  im  Frühjahr  gesäet  ^^^^d  und  künstliche  Be- 
wässerung erfordert ;  welches  letztere  freilich  der  obigen 
Bestimmung  entgegen  wäre.  Im  Buchar.  heisst  der  Win- 
terwaizen  gatidum,  der  Sommerwaizen  aber  gandtim  baheri 
(eig.  Frühlings waizen,    von  J>-^    Frühling).     Klapr.    As. 
Polygl.  S.  242. 


60 

Baum  —  dar  (albero)  Gz.  S.  87«  (pianta^  arbore)  S.  212., 
dahr  (Baum)  und  dar  (Holz)  Klpry  der  sie  fälschlich  (s,  o.) 
mit  p.  v:>.3»jL>  vergleicht.  Arm,  dsarr,  Sskr.  dum  ran.  (wood, 
timber),  auch  dru  m.,  drula  m.,  druma  m.  (a  tree),  woran 
sich  Griech.  daQvlhog'  r]  dQvg,  maked.  nach  Hesych.,Pha- 
vor.^  Sqvq,  ÖQVjiiog,  ÖQtog  und  doQV  (hasta),  ÖQvvr]  s.  öqüittj 
(hölzerne  Wanne^  Trog),  Irl.  doire  (Holz)  und  </a/r  (Eiche) 
u.  a.  Diefenb;  Celt.  I.  S.  160  fg.  lehnen.  Mit  Sanskr.  faru 
dagegen,  das  nicht,  wie  die  vorigen,  zu  drihy  ruh  (crescere) 
gehören  möchte,  und  von  tri  (to  proceed)  stammen  soll, 
stimmt  vielleicht  besser  Engl,  iree  u.s.w,,  wenn  nicht  viel- 
leicht durch  das  r  Hemmung  in  die  Lautverschiebung  kam. 
—  Für  Baum  auch  assa,  a.  Lac,   Güld.  '' 

Holz  —  dar  (legno  Gz.  S.  176.,  nach  98.  auch  bastone, 
also:  ein  Stück  Holz)  und  so  auch  Güld.,Klpr.,  p.  bMen. 
BK.,  Sskr.  däru.  Im  Bulbassi  dar  (tree),  im  eig.  Kurd.  dar 
(wood)j  Lorist.  tscheleg,  Feileh  heimeh  b.  Rieh  p.  396.  p. 
»,4^  Gast.  I.  565.  —  Tschöp  (spina,  per  scheggia  di  le- 
gno) Buch,  tschilb  (Holz),  p.  »-j^,  ^j^' 

Mit  dar  und  seinen  Verwandten  sind  nun  mehrere  Wör- 
ter componirt,  wie  z.  B.  im  Sanskr.  devadäru,  suradäru^ 
fivadäruj  pitaduru  (Pinus  devadäru),  amaradäru,  auch  frij 
snigdha,  pidä  (Pinus  longifolia),  gudadäru  (Zuckerrohr), 
brahmadäru  (Morus  Indica)  und  mit  taru  z.  B.  dirghataru, 
bodhitaruj  fäkataru,  läkshutarUj  latäfarUj  viratarUj  deva- 
taru,  welcherlei  Composita  sich  auch  im  Germanischen  zahl- 
reich finden.  Grimm  U.  529.  Im  Pchlvi  schemdar  (Parbre 
a  poil)  Anq.  II.  404.  405.  j  im  Pers.  yj  äJ  (ulmus),  vrgl. 
^^tXi^u*«*  Gast.  I.  358. ;  J\0  iki>yM  (alnus  j  eig.  rothes  Holz) 
Gast.  I.  357.,  turc.  -Ut  ^js. 

Albera  (so  ;  wahrsch.  albero,  Schwarzpappel  im  Flo- 
rentinisclien),  sorta  di  pianta  —  spindar,  bei  Rieh  I.  143. 
ispindar  (a  poplar),  das  wohl  so  mit  dem  Afgh.  speen 
(white)  componirt  ist,  wie  Pers.  ^t Juä*«  (um  eins  der  beiden 


61 

d  gekürzt)  Populus  alba,  Cast,  Pehlvi  sapid-dar  (le  peup- 
lier  blanc)  Anq.  H.   404.  mit  p.  ^M-*;  Sanskr.  pr^7a;  dass 
in  spindar  der  Nasal  eingeschoben  sein  sollte,  wie  in  simhel 
(baffi),    schumbet    (feria),    hat  wenig  Wahrscheinlichkeit. 
^imaxÖQa     bei   Ktesias  hat  V.    Kennedy     leicht    aus  p. 
yXfJü*  und  ^L=>  (Carduus,  spina)    als  Weissdorn  erklären, 
da  er  sich  um    des    Ktesias  ausdrückliche  Uebersetzung 
des  Worts  yXvKV  rjdv   nicht  schiert.    Reland^  Diss.  I.  229. 
erklärt  den  zweiten  Theil  darin  aus  Qvy,jj>  (comedere), 
den  ersten  unpassend  aus  Lio   (gratum,  delectabile),    an 
dessen  Stelle  Tychsen  hinter  Heeren  s  Ideen  p.  xÜLä  (mentis 
impos,  perturbatus,  pec.  prae  amore)  vorschlägt,  welches 
allerdings  in  den  Namen  einiger  Obstarten  vorkommt.  Un- 
ter Voraussetzung,  das    Wort    sey  wirklich    Indisch  und 
nicht  Persisch,  passte  Sskr.    svädukära   (delicate  in  taste, 
dainty),    dessen  sv  in    den  Persischen    Idiomen    zu  khv 
hätte  werden  müssen,   ziemlich.   —    Kurd.    katcak  Pappel 
Rieh  I.   105.,  p.  t.  ^j^  (platanus)  und  ^ly>  jl^öI  (po- 
pulus alba)    s.  u. 

Weinstock  —  dare  tri  (arbore  d'uva,  wie  altnord.    tin- 
tri,  eig.  Weinbaum,  dessen  zweites  Wort  folglich  mit  dem 
kurd.  tri  nichts  gemein  hat.)   Gz.    S.  276.  280.    vgl.   287. 
Das  Alban.  öo'ia^  Weinstock,  zeigt  vielleicht  nur  einen  zu- 
fälligen Anklang.  Im  Dialekte  der  Sorani  ist  »JU  j'  Wein- 
beere; der  erste  Bestandtheil  folglich  kurd.   tr\  (uva)  Gz.,^ 
bei  Rieh  I.  144.  trae  (grapcs),  p.  398.  im  eig.  Kurd.  terea; 
im  Lorist.  aber  engheer,  Buch,  angthj  p.  ,_^t    (uva),   im 
Hindi,  ausser  däkha,  dräkshä,  auch  angüra  (grape),  ccyxovQ 
(uva)  Add.  p.  6.ad  Du  C,  ayyovQiöa  (uva  acerba).    Pehlvi 
angour  (la  vigne)  Anq.  II.  406;   aber  p.  404.   dafür  kalma, 
a.  ^Sf  Hebr.  aiD.  —  Usi  tri  (grappolo  d'uva).  Das  p.  »^' 
(cortex  uvae)  Cast.  1. 183.  wird  man  wohl  kaum,  das  zweite 
Wort  zu  erklären,  für  geeignet  halten.  Usi  oder  usek  allein 
bedeutet  grappolo,  uva  Gz.  157.   2S0.  und  entspricht  ent- 


62 


weder  dem  türk.  f^^S,  uzum,  v.  Schubert^  Reise  in  das 
Morgcnl.  I.  247.,  mit  Aufgeben  des  Schluss-m,  oder  dem 
p.  (^Lü^  (botrus  uvae),  ^^  (granum,  acinus_,  et  semen 
uvae ;  auch  botrus  uvae),  i.^*«iXfi  (acinus,  s.  granum  uvae) 
Cast.  Im  Lex  Petrarchae  p.  249. :  Uva  pers.  angur^  koman. 
xuxum  {^\^,  fjy^'  —  Tiendek  (acino)  Gz.  S.  83.,  p.  *jtJ 
sji^.  Ungeachtet  in  letzterem  das  zweite  d  fehlt,  stimmt 
dendek  (grano,  semenza  di  qualunque  pianta,  o  d'uva)  S. 
157.  auch  in  diesem  Sinne  vortrefFüch  zu  *u!l)  (granum). 
Dem.  y5o!j  (granum),  so  dass  der  Anklang  an  »AiJ  (fru- 
ctus  s.  baccae  lauri)  wohl  als  rein  zufällig  gelten  muss. 

—  Trockne  Weinbeeren  heissen  im  Dialekt  der  Sorani 
' yty  eben  so  nach  Gz.  mevis  (zibibbo,  uva  secca),  p.  ja^a: 
viell.  vom  p.  _^  (vitis).  Im  Lex.  Petrarchae  p.  249. : 
Zebibum,  pers.  majus,  koman.  churu  xuxum.  Der  italiä- 
nischc  Name  zibibbo  rührt  von  dem  Arab.  ^-ajoj  Cast.  11. 
1008.  Zibibbo  nero  wird  durch  mevts  mit  resch  schwarz 
und  z.  rosso  durch  m.  sor  rotli  unterschieden.  Forskai, 
Descr.  Anim.  p.  164.  hat:  Uva  Corinth.  ^jÄ^mI^  oder 
zebib  dörbeli  ^J^J'>  "r^-^j  *us  Aleppo;  sodann  eben  da: 
zebib  djaebbel  aus  Griechenland.  Medicis :  muizidj  go^  j-a. 

—  Besslra  (agresta)  Gz.,  vgl,  a.  8_»*o  (dactylus  immaturus). 

—  Wein:  scharab  Klpr.,  p.  v-»L_-i,  woher  p.  .!j  »-»l—^ 
(piucerna),  aiuQcxTCTaf),  accqamuQr^g  Du  C.  Mei  (eiusylbig) 
tVein,  Gz.,  p.  ^,  erklärt  sich  vielleicht  besser  aus 
Sanskr.  madya  (id.)  als  auf  die  Bd.  III.  Heft  I.  S.  61.  an- 
gegebene Weise.  Vgl.  Castell.  II.  2010.  (^öU  (mel  al- 
bum)  mit  Sskr.  madhu  Honig,  aber  »oLo  (vinum).  —  Most: 
Ijnu^  bei  den  Sorani. 

Quercia  —  dare  berrü  d.  h.  arbor  glandum;   hern),  p. 

l,Jj,  Eichel,  vgl.  Sprengel,  Gesch.  d.  Bot.  I.  223.  Kurd. 
palut,  Oss.  ballass.  Eiche,  Klpr.  As.  Polygl.  S.90.  —  Ta- 
rdsch  (qucrcia,  altra  specie,  che  resta  bassa  senza  grosso 


63 

tronco)  Gz.  S.2^..  auch  alboretti,  che  non  crescono  piü  che 
all'  altezza  d"un  uomo  S.  83.  und  boschetto  d'alberi  piccoli 
infnittuosi  S.  101.  kann  demzufolge  nicht  nr^n  Jes.  44, 14. 
seyo,  wenn  Sprengel  I.  21.  daraus,  dass  dieser  Name  mit 
andern  Eichenarten  zusammengestellt  werde,  zuvermuthen 
ein  Recht  hat,  es  werde  darunter  Quercus  ilex,  die  iramer- 
grüuende  südliche  Eiche,  verstanden.  Mongol.  Isarassou 
(ebene)  Klapr.  Me'm.  reL  a  TAsie  T.  HI.  p.  349.  klingt 
wenigstens  sehr  ähnlich,  doch  scheint  Afgh.  tirkh  (brush- 
wood)  noch  näher  gelegen.  —  Hindi  sitävriksha  (oak). 

Gehört  hieher  auch  kurd.  dariben  (the  terpentine  tree) 
Rieh  1.143.?  Es  würde  etwa  Baum  des  Geruchs  bedeuten; 
von  beert  Codore)  Gz.  S.  197.^  im  eig.  Kurd.  biett,  Lorist.  bit 
(sraell)  Rieh  I.  398.,  wie  p.  ^syiJ^O  (lignnm  aloes). 
Boe  heissen  im  Pehlvi  die  wohlriechenden  Pflanzen  Anq. 
n.  406.,  p.  _^.  und  i^^  (odor),  0^->^  ^^^^  valde  odori- 
feraj.  Vielleicht  jedoch  thut  Gr.  raQi{ind^og ,  ziQuiiOvgj 
TQefU&og,  TQifudiygf  falls  damit  jenes  Wort  übereinkommt, 
Einspruch.  Xach  Schneider  im  Gr.  Lex.  wäre  ztQfiiv&og 
die  älteste  Form,  entsprechend  dem  Byz.  reoueiTir/^,  tqs- 
f-icaiivT^  Du  C ,  türk.  ^-jy:jL4  Jj,  Terpentin.  Der  Möglich- 
keit eines  Wechsels  von  m  und  b,  so  wie  des  Abstossens 
eines  End-Linguals  im  Kurdischen  ungeachtet,  muss  man 
doch,  dariben  mit  zei)äßivd^og  zu  identificiren ,  Bedenken 
tragen,  schon  um  des  t  vorne  im  Griech.  willen,  wenn  man 
darin  nicht  etwa  Sanskr.  täru  suchen  will.  Entnahm  der 
Grieche  das  Wort  aus  dem  Orient,  so  Hesse  sich  die 
oben  versuchte  Etymologie  vielleicht  nur  unter  der  Vor- 
aussetzung retten,  dass  der  zweite  Bestandtheil  dem  Frä- 
sen tialpart.  auf  end  von  qJujjj  (odoratum  esse)  gleiche. 
Durch  Mittheilung  des  Hrn.  Prof.  v.  Schlechtendal  er- 
fuhren wir,  dass  Kämpfer,  Amoen.  exot.  p.  414.  von  dem 
Persischen  Baume  Kasitdaan  spricht,  der  eine  Art  aus  der 
Gattung  Pistacia  zu  seyn  scbeme^  und  ib.  p.  409.  die  Pistacia 
silvestris  s.  Terebinthus  mit   dem  Namen  Ben  oder  Wen 


64 

bezeichnet.  Vgl.  Pehivi  ven  (\e  Pistachier  sauvage)  Anq. 
II.  406.  und  später:  Myrobalanen.  Dieses,  vielleicht  selbst 
mit  kurd.  been  (Geruch),  wo  nicht  mit  Sskr.  väna  (A  per- 
fume,  a  fragrance),  verwandte  Wort  dürfte  nun  wohi  je- 
denfalls in  dariben  gesucht  werden  müssen  \  dagegen  Ara- 
zudaan  erinnert  an  kurd.  kazuvän  (Bottina,  arbore  frutti- 
fero),  benist  kazuvän  (Gomma  dell'albero  bottina).  Es  will 
uns  nämlich  bedünken,  als  ob  der  uns  unbekannte  Baura- 
name  bottina  nichts  sey  als  eine  europäisirte  Form  vom 


y  oj 


ar.  .^^^  (Terebinthus  arbor)  Gast.  II.  331.  oder  Hebr. 
0>3i?3  Gen.  43.  11.  Nuces  terebinthinae  bei  Gast.  II.  332., 
nach  Sprengel  Gesch.  d.  Bot.  I.  23.  die  Früchte  von 
Pistacia  vera.  Mit  benist  vergleicht  sich  bei  Gast.  II.  383. 

os.*«Uj  Pers.  Resina  terebinthina,  also  i.  q.  [»IxjJI  (iUc  Gast. 
11.  2774. ;  nicht  ganz  unverwandt  scheinen  wvxa«Lo  und 
wAAJwLo  Mastiche,  resina,  et  fructus  lentisci.  ib.  I.  143. 
Zu  kasudaan  oder  kazuvän,  welches  letztere  beinahe  wieder 
auf  den  Einschluss  des  Wortes  ven  rathen  lassen  könnte, 
hat  sich  noch  keine  Parallele  finden  wollen ;  denn  das  p. 

cy^ij^  Nom.  herbae,  quae  odore  malum  aurantium  refert, 
an  citrago  ?  Gast.  I.  455.  oder  gar  -y^^n,  nach  Sprengel 
I.  181.,  die  Windenart  Galystegia  sepium  R.  Brown,  bei 
Diefenbach  Gelt.  I.  S.  87.  mit  dem  Kelt.  ouvßLrr^s,  Epheu, 
verglichen,  möchten  wenig  geeignet  seyn,  in  Vergleich  ge- 
zogen zu  werden.  —  Kvßaaia,  bei  Du  G.  GIoss.  App. 
p.  1 16.  Terebinthus  erklärt,  ist  wohl  der  kyprische  Terpentin 
von  Pistacia  terebinthus  L.,  s.  Schcdel  Waarenlex.  Art. 
Terpentin,  und  Forskai,  Descr.  Anim.  p.  161.  ,^yJ>  LLuCJU-j. 
Es  wäre  in  xvßäoia  das  (),  vcrmuthlich  durch  Versehen, 
weggeblieben.  — ImSanskr.  vrikuj  sttradhiipaj  yakslindhüpa, 
dhvpunga  (Turpentine) ;  sulaveshla  Terpentin  vom  Sal- 
Bauinc,  ^lipishta,  vom  ^aral,  d.  i.  Pinus  lougifolia. 

Ganella  (Zimmt,  wie  Kavüa  bei  Du  G.)  —  dartshini 


Gz.  S.  106.;  daQüirr;  Du  C.  App.  p.  53.,  ferner  im  Gloss. 
selbst  Taor'^i^vr^  und  vreQxri^rjvi^f  welches  letztere  aber 
wohl  wegen  des  k  mit  P.  vi>«-i>jJ  zusammengesetzt  ist. 
Im  Lex.  Petrarch.  in  Klpr.  Me'm.  rel.  a  l'Asie  T.  HI.  p.  217. 
Canella,  Pers.  Darzani,  Koman.  Darfini,  ^^^jLx^  .?3,  und  Flos 
cinnamoroi — Gul  dar^ini  j^jc^Sj  ^ .  Afgli.  ,^^-U:;^  Jlj  (Ca- 
nelle)  in  Me'm.  1. 1.  p.  452.  Nikolaus  Myrepsikus  habe  A. 
Juyo  .!^.  Zimmt,  in  uqoevlxov  corrumpirt,  bemerkt  Sprengel 
I.  194.  219.  Hindi  däratschini  (cinnamon).  „Chald.  »:^3m, 
p. ^-yo  .tj  s.  j^juo^lj  Cinnamomum.  J>^  notat  omne  quod 
oblongum  et  ligneum  esl'^  Reland^Diss.  misc.  T.  II.  p.  288. 
Die  subjective  Bedeutung  ist  demnach  lignum  Sinense, 
aus  ^^y*:^o  oder  ^^y*f^y  Sskr.  Tshtna.  Gildemeister,  de  Reb. 
Ind.  p.  37.  —jJUjuo,  cinnamomum,  bei  Cast.  1. 392.  ent- 
hält im  zweiten  Worte  schwerlich  eine  Verstümmelung 
des  vorigen,  in  welchem  Falle  der  Name  China's  zwei- 

mal  darin  steckte,  sondern  p.  -^J  (grati  odoris  res  quaevLs} 
Cast.  I.  261.  —  Kosttschen  übersetzt  Anq.  II.  406.  durch 
la  canelle,  so  dass  auch  darin  der  NameChina*s  enthalten 
ist,  wiewohl  man  sonst  eher  den  Kostus  als  den  Zimmt 
in  dem  Worte  zu  suchen  geneigt  wäre.  —  Mau  hat  hier 
ohne  Frage  nicht  an  den  ceylonischen  Zimrat  von  Cinna- 
momum zeylanicum,  woher  Sinhalam  sowohl  alsNamevon 
Ceylon  als  für  Cassia  hark,  im  Sanskr.,  vielmehr  ganz  ei- 
gentlich an  Cinnamomum  ludicum  vel  Sinense  zu  denken, 
der  von  Cinnamomum  aromaticum  N.v.  E.,  einem  in  China 
und  Cochiuchina  wild  und  cultivirt  vorkommenden  Ge- 
wächse, herstammt.  Siehe  Kosteletzky,  Medizinisch-phar- 
mazeutische Flora  S.  489.  Während  sonst  die  Gcntilnamen 
oft  sehr  vag  und  ungenau  Waareu  beigelegt  werden,  indem 
man  diese  nicht  immer  nach  ihrer  ursprünglichen  Heiraath^ 
sondern  manchmal  nur  nach  ihrer  vermittelten  Herkunft  be- 
nennt, ja  selbst  zuweilen  die  Gentiladjective  geradehin  nur 
ganz  im  Allgemeinen  so  viel  als  ,, ausländisch^  fremd ^'  vor- 
V.  5 


66 

stellen,  ist  also  die  obige  Benennung  gewiss  in  schärfer 
begrenztem  Sinne  zu  nehmen.  —  Kivvaf.ni}/^ov,Klvva[.ioVy 
^ioap  2  Mos.  30;,  24.  vgl.  Sprengel  I.   15.  (Zimmt)  und 

KiwccßaQi,  att.  ziyyaßaQi,  p.  .Lxi  Cast.  I.  430.,  aber  oÜi-ii 
(cinnabaris,  minium)  ib.  380.,  GvvdßQt  Du  C.  App.  p.  177., 
A.  Ji-^j-,  Cas^.  IT,  1017.,  iQr^cpovQ  Du  C.  App.  p.  84,,  Zin- 
nober, auf  China  zu  beziehen  ist  sehr  verführerisch^  um 
so  mehr  als  tschinapishta  Ceig.  Chinakuchen  j  dann  Minium 
or  red  lead)  dahin  deutet.  Nichts  desto  weniger  hat  v. 
Bohlen  vollkommen  Unrecht,  ein  angeblich  Sskr.  Wort 
chinavari  zu  fingiren,  und,  um  die  Täuschung  vollständig 
zu  machen,  dies  vorn  nach  Englischer  Weise  mit  ch  zu 
schreiben.  Dadurch  ist  auch  mein  Freund  R.  Wiegmann 
(Malerei  der  Alten,  Hannover  1836.  8.221.)  in  Betreff  der 
Etymologie  von  JüvväßaQi  irregeführt,  ohne  dass  dies  je- 
doch dort  nachtheiligen  Einfluss  auf  die  Untersuchung  ge- 
habt hätte ;  cinnabaris  ist  übrigens,  wie  er  zeigte  keineswegs 
bloss  Zinnober,  sondern  auch  Name  eines  vegetabilischen 
Products.  Bloss  aus  Unwissenheit  und  falscher  Gewohnheit 
sprechen  wir  in  dem  Namen :  China  das  ch  in  Deutscher 
Weise  aus,  während  diese  von  Spaniern,  Portugiesen  und 
Engländern  herrührende  Schreibung  vielmehr,  in  Gemäss- 
heit  mit  dem  Sanskr.,  in  weiterem  Sinne  auch  das  trans- 
gangetische  Indien  umfassenden  Worte  (Gildem.  Reb.  Ind. 
p.  77.)  :  Tschina,  die  Aussprache  Tschina=  Ital.  la  Cina  (aber 
auch  China  geschrieben)  erfordert.  S.  Klaproth,  As.  Po- 
lygl.  S.  357.  Sina  ist  nach  dem  Arab.  ^^^jyo  gemodelt^ 
aber  auch  schlechtere  Aussprache  als  q*^  Tshin.  Demzu- 
folge muss  man  es  als  schlechthin  unmöglich  erachten,  dass 
in  obigen  Wörtern  die  ersten  Sylben  ^KivvcO  mit  Sskr. 
Tshina  übereinstimmten  3  in  Lehnwörtern  entspricht  nie  Grie- 
chisches y  dem  sanskr.  palat.  tsh  =  Engl,  ch,  Kai.  ci  (Hall. 
Ihb.  1838.  S.  444.),  und  es  wäre  durchaus  unhistorisch,  die 
jetzige  verderbte,  beinahe  gerade  in  ihr  Gegentheil  umgc- 


&7 

drehete  Aussprache :  China  (mit  Deutschem  ch)  und  Zimmt. 
Zinnober  (mit  z  für  Lat.  c  vor  ij  Zimmt  noch  hhiten  mit 
einem  müssigen  /  aus   cinnamomum)    für  das  Griechische 
geltend  zu  machen.  —  Isid.  Origg.  XVII.  p.  543.  und  eben 
so    Reland    Diss.   I.   215.  leiten   Kivvcciuouor  von    Kütra 
Hebr.  (n:p)  und  ctfuofiov  (vgl.  Kuodäuojuov)  und  Isidor sagt 
ferner:  Amomum  vocatur^    quod  veluti   odorem   cinnamomi 
referat.  Nascitur   in   Syria  et  Armenia  cet.  Nach  Ezech. 
XX\^I.   19.  brachten  die  Javan    Meusal  7■^lz^  ni]:^  Kassia 
und  Zimmt  (vgl.   KiraQTp'^  Kinr^,  species   Casiae,  Du  C, 
and  KiTTia  aus  Diosc.  Sprengel  1. 148.  vgl.  S.  15.^  und  Frz. 
canelle,  Kaneel)  nach  Tyrus,  und  zwar  aus  Jemen  (Kosen- 
müUer,  Bibl.  Alterthumsk.  III,  182.,  vgl.  Tuch,  Kommentar 
zur  Genesis  S.  210.),  also  gewiss  aus  Indien  über  Arabien, 
so  dass  hier  noch  wahrscheinlicher  der  Ceylonische,  als  der 
oben  erwähnte  Indisch- Chinesische  Zimmt  zu  verstehen  seyn 
möchte.  Movoovlov  Du  C.  hiess  eine  vorzügüche  Art 
Zimmt  nach  Mosul,  womit  zufolge  Sprengel  Gesch.  d.  Bot. 
I.  147   das  Kap  Guardafui  gemeint  sein  soll.  IMoi).  tcq- 
oivr^y  TU  ävOi^  rov  Kirafiiuiiov  Du  C.  aus  dem  durch  seine 
arabisch -griechischen  Glossen  besonders   wichtigen  Lexic. 
Reg.  Cod.  1843.  zu  Paris.   Das  Wort  fiov?.  ist    unstreitig 
verderbt,  kaum  jedoch  aus  dem  vorigen  Worte,  viel  eher, 
da  die  Zimmtblüthen,  flores  Cassiae,  s.  Schedel  Waareu- 
lex.  unter  dem  Art.,  Avie  oben  bemerkt,  ^jij^JiO  ^  heissen, 
aus  yov).,  selbst  wenn  sich  die  alphabetische   Ordnung  in 
dem  angeführten   Lexikon  gegen   diese   Vermuthung  auf- 
lehnen sollte.  —  Kurd.  kakiilla   (cinnamomo)    Gz.  S.  112. 
Aehnlich,  aber  doch  vielleicht  ganz   unvenvaudt  sind    die 
Wörter  für:     Maudel    (s.  u.),    sodann    bei   Cast.   I.   424. 

idälä  Xom.  medicamcnti  (etwa  Sskr.  KäkoWi)  Ar.  Carda- 
momum  vulgare  G.,  KaxovÄs,  t6  liyo^evov  xäxc'ov,  was 
nach  Einigen  ebenfalls  C.  vulgare,  wozu  die  Pehlvi-Form 
Käkore  (le  cardamon)  Anq.  II.  406.  recht  gut  stimmen 
würde.  Vgl.  noch  Forsk.  Descr.  Anim.  p.  149.  und     JLsIäJJ, 


68 

eine  Art  Agallochum,  bei  Gildem.  Reb.  Ind.  p.  68.  — Re- 
land  a.  a.  O.   hält   auch  Kccqtiiov  bei  Ktesias  (Herod.  in. 

111.  hat  an  dessen  Statt  Käocpsa,  Rinde)  für  P.  iiy>  (ein- 
namomum}^  o3  (arboris  cortex;,  ut  Cinnaraomum^  cassia) 

Cast.  T.  427.  Forsk.  Descr.  Anim.  p.  149.,  und  das  an- 
geblich Ceylonische  Koredhu.  Im  Malayischen  und  Tamu- 
lischen  Kartivae  (Laurus  Cassia)  zufolge  C.  Ritter,  Erdk. 
Th.  V.  S.  823.,  der  ebendaselbst  auch  von  den  Kardamo- 
raen  handelt.  —  Buchar.  ugh'tiän  (Laurus  Cassia)  aus  dem 
Arab.  Klpr.  As.  Polygl.  S.  250.  —  ^eXlxcc  Du  C.  vgl. 
Gc(liiily.a,  A.  Krs^uLw  Sprengel  1. 219.  Das  Blatt  davon  heisst 
im  Sanskr.,  ausser  päkarandshana,  auch  tamälapatra^  Ar. 
_?tX**»^  wohin  das  gezogen  wird,  was  die  Griechen  vom 
fÄaXaßa&QOv  sagen.  Sprengel  I.  219,  Cast.  II.  2472.  und 
siehe  weiter  unten.  B&kv^stirahhivalkala  (The  Laurus  Cassia 
or  its  hark),  surasa  (Cassia  bark),  gudatvntscli.  —  Tqi- 
tpt]div,  TQiipldeiov'  ^vloxivvccftiofiov  Du  C.  p.  1615.  ist  wohl 
nur  Deminutivform  von  ZQiipig  und  folglich:  zcrstossener 
oder  geriebener  Zimmt.  —  Im  Magyar,  fahaj  (aus /a  Baum 
und  haj  Haar;  Schaale),  der  Zimmt. 

Das  Beiwort:  Chiuesisch  ist  auch  unstreitig  enthalten  in: 
Gomma  gotta  (medicina)  —  raventtschini  Gz.  S.  156. 
Theilt  das  Gummigut^  welches  nach  Kostelctzky  S.  1971. 
von  Garcinia  zeylanica  u.  s.  w.,  doch  s.  Dulk,  Preuss. 
Pharmakop.  Ausgabe  3.  Th.  I.  S.  534.^  ge\yonnen  wird, 
etwa  seiner  gelben  Farbe  wegen  den  Namen  mit  dem  Rha- 
barber, welchen  die  Chinesen  ,,das  grosse  Gelb^^  und  die 
Mongolen  sArtra  -  mo</ow  (Gelbholz)  C.  Ritter,  Erdk.  Th.II. 
Bd.  I.  S.  184.  nennen?  Forsk.  Descr.  Anim.  p.  157.  hat: 
Gutta.  cXijUt  V)  i-  c-  Robb  Rhabarbari.  Ex.  Ind.  Purgans. 
Rabarbaro  (medicina)    —   rahvdnt  (so,  mit  h)  Gz.  S. 

225.,  P.  cxi^tj  Cast.  I.  288.  Ueber  den  Rhabarber  und 
seine  Heimath  hat  Ritter  a.  a.  O.  S.  179 — 186.  eine  aus- 
gezoichncte  Untersuchung  angestellt.  S.  180.  bringt  derselbe 


69 

aus  einem  Gloss.  Graeco-Ar.  bei  Salmas.  bei:  octßavtt 
z^ivr^'  TO  ()eov,  und  CaQaßavT t  tlIvt^'  t6  ^iov ßdnßaQOv, 
das  sey  Reviaud  Sini  =  Hheoo  Sinense,  oder  Revand  Chini. 
Gast  II.  3487.  Vgl.  CaQußavirC ivjj  t6  ()iov  ßcxQßaQOv. 
Du  C.  App.  ad  Gloss.  p.  77.  und  QaßavTir^ivtj  Gloss.  p. 
1279. ;  das  erstere  vielleicht  mit  Pers.  j  oder  ;t  (ex).  Bei 
Du  C.  Gloss.  p.  1580.  und  Add.  p.  5.ist  aQeßavTit^r^vij 
auf  unstatthafte  AVeise  zerrii'Seu.  Rheumrhaponticum  Spren- 
gel, Gesch.  d.  Bot.  I.  148.  —  Ist  nuu  jener  orientalische 
Name  aus  Rha  ponticum  entstanden,  oder  umgekehrt,  durch 
Missdeutung,  letzterer  erst  aus  jenem?  Vgl.  Reubarbarum 
und  reuponticum  Sprengel].  190. 194.,  ()ioi' ßäoßaQOv  u.s.w.j 
besonders  S.  219.  tX3»^,  als  die  ächte  Rhabarber  (Rheum 
palmatumX  doch  s.  Dulk,  Preuss.  Pharmakop.  Th.l.S.830. 
ff.  Im  Lex.  Petrarchae  in  Klapr.  Me'm.  rel.  a  1  Asie  Th.  III. 
p.219.  Reubarbarum^  Persisch  und Komanisch  raitand,  Jü^.. 
Für  die  erste  Ansicht  scheint  das  analoge  Rha  barbarum 
zu  sprechen^  obschon,  wenn  man  einmal  rha  (angeblich  nach 
der  Wolga  benannt)  für  sich  als  besonderes  Wort  betrachtete, 
^uch  der  Zusatz  nahe  genug  lag.  Ferner  heisst  im  Kurd. 

Assenzio  pontico   —  ghiäbend  Gz.  S.  95.    aus  bLa_^ 
(herba)  s.  o.^  und  Pontus,  wie  uns  dünkt«  Bei  Gast.  I.  264. 

II.  781.   f^ß  iJy»^^  (also  mit  dem  Zusätze:    Türkisch) 

Absinthium  Ponticum,  quia  circa  Pontum  frequens:  unde 
semen  contra  vermes  coUigitur^  et  ex  Chorasan  deportatur 
Halebum.  Ital.  Semesanto,  unde  Lat.  Sementina.  Nach  Sche- 
del's  Waarenlex.  Bd.  II.  u.  d.  W.  Zittwersame  soll  Der- 
rnani'iurki  die  ordinäre  Sorte,  die  beste  dagegen  Z?^rw<i«i- 
Shira%i,  Wurmsamen  von  Sehiraz,  seyn.  Siehe  auch  Dulk, 
Preus.s.  Pharmakop.  Th.  I.  unter  Cinae  semen.  „Die  Blüthen- 
nkörbchen  von  Artemisia  santouica  L.  (^^avdovixr^y  Absin- 
'ithium  marinum  Du  C.),  als  Wurm-  (oder  Zittwer-)  Samen. 
»Das  ganze  Gewächs  wird  in  den  Apotheken  von  Astrachan 
»als  Absintliium  ponticum  aufbewahrt.«  Kosteletzky  S.700., 


70 

aber  Wurmsamen  wird  auch  von  Absiothienarten  (eben  da 
S. 698—  99)  entnommen,  ^tDarmne  daschtih  (le  D.  des  deserts), 
la  Sementine  de  Perse«  Anq.  ZÄv.  II.  398.  aus  obigem 
iu^üund  j_^i^*^  (in  deserto  existens)  vom  u^-iii^  Kurd. 
dest  Wüste.  Sprengel  I.  158.201.:  zytver  (ArtemisiaSan- 
tonica)  und  pontischer  Wermuth  (Artemisia  ]!0ntica  Cato 
cap.   159.)  S.   119.  Ausserdem   im   Pers.    äJL^    Cast.  I. 

388.  und  ^5^*5»  222.  (Abrotanum  vel  Absinthium  pon- 

O    ...      JJ... 

ticum^    s.  sementinum);   ^y^    (austerus  sapore  2.  se- 

mentina.  Absinthium  marinum)  Cast.  I.  466.  —  Kurd.  me- 
dshever  (assenzio)  Gz.  —  Afgh.  nagedunah,  iu^JsJT^ü  Ab- 
sinthe. —  Du  C.  App.  p.  170.  hat  ro  ccßQOtavov  ro  ^Aq- 
fj.Eviy.dv  10  leyöixevov  otj^^Aq (,isvi.  GIoss.  p.  1377.  glx- 
aQf.tsvt].  p.  1496.  oi)x,  to  aßqoTOvov.  p.  1414.  Govyi.  Bei 
Castell.  II.  3742.,  vgl.  die  Syrische  Form  2487.,  g^  Ab- 
sinthium Ponticum.  Sprengel  1. 223.  bestimmt  diese  Pflanze 
als  Artemisia  ludaica  L.,  schecha  bei  Rauwolf  (Sprengel 
I.  356.),  von  der,  wie  man  ehemals  glaubte  (s.  Dulk  1. 354.), 
der  Zittwersame  kommen  sollte.  Eine  Artemisia  wird  jeden- 
falls gemeint  seyn;  vielleicht  Artemisia  Abrotanum  Linn., 
die,  unter  andern,  auch  als  Wurmmittel  dient.  Forsk,  Flor. 
p.  LXXIII.  giebt  semsaek  vel  msaek  (Artemisia  abrotan.?) 
an,  aber  Descr.  Anim.  p.  146.  Schiah,  ^^  als  Achillaea 
Ageratum  (juyrjQurov).  —  Du  C.  App.  p.  18.:  avxxidav 
und  p.  17.  ungenauer  avöidav^  TOGEQicpov,  6  nkcctvxvfiivog, 
tOTL  de  levxog  xal  f-ielag.  Du  C.  führt  als  Erklärung  Ab- 
synthium  bei^  und  uipvvd^iov  0-aXätJGiov,  riveg  ds  xal  oeQÜpiov 
xalovöL  bei  Theophrast  ist,  zufolge  Sprengel  I.  159.,  Ar- 
temisia maritima.  Chald.  ^^\^  (Absyuthlum)  Cast.  II.  25. 
539.  Du  C.  Gloss.  p.  1176:  nixavoxxidav,  (ti^a  iativ^ 
t6  Tilazvxvfuvov  (s.  auch  xsQafiir?^);  wahrscheinlich  mit 
Fers.  ^Aj  (radix).  Die  Belfusswurzel  von  Artemisia  vul- 
garis Llnu.  ist  bei  uns  officinell.  Dulk  Preuss.  Pharmak. 
I.   137. 


71 

Bosco  —  orman  Gz.,  T.  qU.^I  (silva),  Kirg.  urtnan 
KIpr.  Mem.  rel.  a  TAsie  T.  IIJ.  p.  353.  Bei  Rieh  im  Bulb. 
arman  (forest),  Lor.  zor.  eig.  Kurd.  hesheh,  bei  KIpr.  As. 
Polygl.  S.  299.  kurd.  besehe,  p.  *Ji^  Cast,  1. 160.  Ob  auch 
Ital.  bosco,  Busch  u.  s.  w.,  die  Klaproth  herbeizieht,  ver- 
waodt  seien,  steht  sehr  zu  bezweifeln;  mit  mehr  Grund 
dürfte  man  an  tieIou,  ara&fwg  ivhov  Du C.  denken.  Sonst 
hat  Klaproth  auch  »i^^cA  (Wald)  als  Kurd.,  Tscherkess.  m^**, 
womit  das  (wenigstens  bei  Cast.  nicht  vorfindliche)  Grund- 
wort p.  *-i^,  Eiche,  in  qUümmX^,  Eichwald,  übereinkom- 
men soll.  Bei  Forsk.  Flor.  p.  XXXIV'.  Türe,  mesiae  vel 
meisjae  (Quercus  robur)  und  neugr.  fiiaaa{Q.  eerris),  Türk. 
xi^  (quercus).  —  Selva,  boscoso  —  rel  Gz. 

Oriental  plane  —  tchinar  Rieh  1. 105.  106. 161.,  Pehivi 
ischenar  Anq.  II.  404.,  p.  .U=>  (Platanus  arbor.  2.  Populus 

alba  nigrave)  Cast.  I.  213.  A.  ß^  H.  587  und  )Lo  II. 

3209.,  schinar  (Platanus  orientalis)  Forsk.  Flor.  p.LXXV. 
—  p.  yj^\yi  Ahornbaum.  Siehe  oben  Pappel. 

Cypresse  —  selvi,  »turc^^L«  pro  ^-m  a.p.«  Clod.  lex. 
Türe.  p.  159.,  Alban.  aeXßly  Pehivi  sarv  a.  a.  O.,  Hindi 
sarta. 

Ginepro  —  atrest  Gz.,  wahrsch.  p.  ^.\  (Sabina,  ju- 
niperus)  und  {j^^j^  (Sabina  arbor).  — 

Sabina  —  Du  C.  App.  p.  73.  tnxovX,  Cast.  1.9.  II.  9. 
292.  J^(  Ubhul  effertur.  Sabina  et  baecae  ejus  s.  fructus. 
Du  C.  Gloss.  p.  431.  inXovX  (mau  verbessere  imxovl), 
aaßira. 

Cast.  II.  634.  ^^^^  Pers.  Daemonum  arbor,  sc.  Sa- 

binae  species  Indica ;  est  arbor  procera  instar  juniperi, 
multa  in  terrilorio  Kasmir,  folia  habet  splendida,  provenit 
in  montibus.  Et  cum  Pers.   ^    Lac  hujus  arboris.  Vgl. 


■•*  72 

Cast.  I.  285.  Das  ist  ohne  Frage  Sanskr.  devadurif,  d.  h. 
Deorum  (nicht,  wie  die  Perser  Sskr.  deva  zu  dev  um- 
deuteten^ Daemonum)  arbor^  womit  Pinus  devadaru^  aber 
auch  zufolge  Wilson  in  Bengalen  Uvaria  longifolia  (Jkäsh- 
Ma</arM)  und  in  Dekan  Erythroxylon  sideroxyloides  bezeichnet 
werden.  Vielleicht  Du  C.  vtevtsqov,  s.u.  — Auch  die  Syrer 
haben  einen:  Baum  Gottes,  dovßad-,  was  aber  xQVGoy.6(.irj 
ist.  Sprengel  I.  228.  Cast.  II.  642.  —  Sskr.  snigdha  (eig. 
ölig)  und  snehaviddha   (Pinus  devadaru)  u.  s.  w. 

Du  C.  Gloss.  p.  351.  i'Qsli(.i,  ra  xovy.ovtccQia  (nux 
pinea);  p.  1722.  läßß  i^^elei^i  oder  /a/?s/?aA£^^/^ 
Wohl  Cast.  II.  1053.  und  1096.  unter  c:  ^^t  wo>  Bac- 
cae  foras  subnigrae,  intus  albae,    molles,    gustu    suaves 

atque  esculentae.  Das  erste  Wort  ist  jedenfalls  «.-.o-  Bacca, 
grauum  u.  s.  w.  —  Du  C.  App.  p.  195.  %a/r>;  aävanccQ, 
ia  OTQoßilcc.  Cast.  II.  1096.  nr.  p.:  jjJLaoJ!  w^:>-  Nux  pinea 
von  ßy-*»  Pinus  pinea.  Sprengel  I.  223.:  jL^aJl  jiy^*o 
Pinus  halepensis,  von  welcher  der  Zapfen  jj^  heisst. 
Du  C.  p.  1008.:  vtalyov^ct'  tcc  OTQoßila,  vielleicht  zu 
schreiben  vr'^.  wegen  p.  »j^Jb»  Nux  Indica.  Pinastri  conus, 
et  ipsae  nuces.  it.  Fructus  pistaciis  similis.  Cast.  1.21 1. 
und  3  jJt>  Nux  avellana.  Strobilus.  II.  556.  Vgl.  Schedel, 
Waarenlex.  Art.  Pineen,  Pinculen  (Pineae  nuces).  Du  C. 
App.  p.  46.  yavov  und,  vermuthlich  richtiger,  yQccvov  p. 
51.  —  Du  C.  Gloss.  p.  1008.  vtbvteqov,  xovxovvaQia  lv~ 
dix^,  vielleicht    Sanskr.    devadaru  (Pinus  devadaru);  denn 

nach  Cast.  I.  482.  ist  p.  jIä^sj^  Pinus,  pinastri  species. 
2.  Papaver,  und  aavanccQ  ix^ivr),  xovxovvaQia  ^Ivdixu 
bedeutet  wörtlich  pinus  Indica.  Dass  das  zweite  Wort 
P.  (^lA-A^  (Indiens)  sey,  lehren  viele  Beispiele.  So  oben 
Tamarinde  unter  d.  W.  Elephant.  —  Ferner:  oavvax^ 
ixx^v^h  ifvl^ov  ^IvöiHOVj  d.  i.  wahrscheinhch  das  Blatt  von 
Lauras  Cassia,  ,^\>J>S>  ^v>Lm  Forsk.,  Descr.  Anim.  p.  148. 


73 


Siehe  oben  unter:  Zimmt,  und  Cast.  II.  2472.  ^^1—'. 
P.  -v>U,  sjLw  Cast.  I.  322.  Malabalhrum:  quod  a  Ta~ 
malabaira  (Sskr.  tamälapatnif  auch  supatra,  gandshadshuta) 
Indorum  formatum,  quo  foliura  Indicum  designant.  ^ETixth 
(ftXXov  "irdixöv  Du  C.  Gloss.  p.  432.^  allein  App.  p.  73. 
tTCix^X'  (pv)J.ov  i^dioofcov.  —  Nicht  minder  Du  C.  p.  1555. 
t^aßuQ  aLaxxivTiyXtQXQOS  hStxog,  was  in  T'Caßaqg  iy- 
Xtvti^  xeyxQog  i.  geändert  werden  muss,  (^JJJ'  (j«j^L>  s. 
ob.  miglio.  Zr^tao,  xlyxQog  ^Ivöixog.  Du  C.  App.  p.  78.  — 
Ausserdem  ib.  p.  202.  ut.i7ii]xiY%iy  xvöionov  ^Irdixör,  d.  i. 

wohl  der  Sache  nach  s.  a.  a.  Ar.  u^  Cydonium  Indum. 
Cast.  n.  3758.  —  Endlich: 

Kardamomen  —  Du  C.  p.  1344.:  aer^Tuqa  ixxtv  tI 
(lies  Ixxiyti),  xäipvxov  ^Ivdixov.  p.  628.  xaxpixov,  recentioribus 
Graecis  Cardamomum  appellatur^  quod  semina  in  ordincm 
digesta  quibuslibet  thecis  involventibus  quasi  capsis  conge- 
rantur.  Ib.  aej^ra^arCava/,  p.  1376.  dix^scf,  p.  1353. 
aevTUQaxiC,  (T£vra<)aTr/xX'*'«Matth. Silvaticus!  Capsia, 
i.  Seitaragi.  DuC.  App.p.  170.  otxrct^aT^Xtdog,  xa(//ixov 
^IvÖLxoVf  p.  171.  aiTQa^.  —  In  Aegypten  cÄrt5Ä«w, Karda- 
mom^  von  Schubert^  Reise  in  das  Morgenl.  Th.  II.  S.  18., 
unstreitig  dasselbe,  als  bei  Forsk.  Descr.  Anim.  p.  149. 
JL*  w*:>  (Cardamomum),  mit  Wechsel  zwischen  1  und  n. 
Vgl.  T*>,  v)>Ä*  und  ^\^  mit  ]yi  Cardamomum  vulgare 
minus.  Cast.  n.  303.  Bei  Forsk.  1.  1.  ^^^^^^  ^'5  (C, 
majus},  s.  V.  Zimmt,  und  -ccis^-ii^  (C.  minus)  Cast.  I. 
383.  —  Hindi  iluyatshi,  elä  (cardamoms),  Sskr.  elu  Car- 
damoms,  the  seed  of  tlie  Eletteria  cardamomum^  orAIpinia 
Cardamomum:  it  applies  to  both  the  large  and  small  car- 
damom^  but  most  commonly  to  the  former;  tsharmasam- 
bhava,  eig.  hauterzeugt;  bahulä,  tshhardikaripu ^  elikä, 
korangi,  bald,  sükskmdj  gulmi  (small  cardamoms),  mesha, 
bhrtngaparniku  (small  or  Guzarati  cardamoms)^  kanyä, 
kumärikä  (eig.  Mädchen),  göpaiä,    ludakdphalaj     surabhi- 


74 

tvatshf  divyagandhä  (Large  cardamoms).  üeber  den  Un- 
terschied beider  Sorten  s.  Dulk,  Preuss.  Pharmak.  l,  234. 

BpQccTt],  xsÖQog  /nsyccXy],  rj  dyqia  xT^TiaQtaaog.  Du  C. 
App.  p.  41.  rii^a  jffn«/«,  arbor  cupresso  similis,  soIi  orienti 
cognita.  In  Rosoh  hascliana  inter  10  genera  cedrorum  nu- 
meratur.  Cast.  II.  450.  Vgl.  Sprengel  I.  22. 

Weide  —  Kurd.  sughuit  (willow)  Rieh  I.  105.^  Türk. 

o^-i^-jw,  öjf^  (salix).  —  Im  Pers.  Jua_j  und  ,^^-0, 
Buchar.  hid,  bei  Du C.  (.mir,  rj  hia,  Weide;  dziä  Du  C. 
p.  150.^  vgl.  Cast.  II.  89.  \h\  (salix).  —  Kurd.  shorabi 
(Weeping-willow)  Rieh.  —  Du  C.  p.  1338.  Ga(pöäcp,9i\ier 
p.  1332.  ocivoacp'  6  xvXog  T/jg  häag,  ar.  v«ä«iäjo  (Salix 
subserrata  Willd.)  Sprengel  L  25.  224.  Bei  Forsk.  Flor.p. 
LXXVI.  S.  Babylonica,  bei  Rauwolf  ^rard  (Sprengel  1.256.), 
ar.  Vt^'  —  Pers.  tjLÄw«  <-Xju  seheint  dasselbe  mit  Pehlvi 
premeschk  Auq.II.  407.  —  Zaqvaßä  Du  C.  BeiMatthacus 
Silvatieus:  Zarnah,  sunt  folia  arboris  magnae  non  facientis 
fruetum,  similis  salici,  habcns  odorenj;  ut  odor  Citri.  Ob 
zarnah  bei  Rauwolf  Salix  Aegyptiaca  sey,  fragt  Sprengel 
I.  356.,  während  er  S.  224.   ^jj    geradezu  so  deutet. 

Cast.  I.  309.  II.   1089.  nr.  4.  ^^j^  Pers.  Plantae  odo- 

rätae  nomen.  (Crocus.  Bos  silvestris.  Arbor  magna,  haud 
pomifera^  in  monte  Libano  Gig.). 

Sambuco  —  ghid  ghenly    cioe   erba   puzzolente.  Vgl. 

P.  (jÄJjüS'  i.  e.  foetens  corpore.  1^  Ovum  foetidum  2^ 
Sambucus  Cast. ;  aus  lAii ,  ^s^yj^  (foetens)^  das  mit  Sskr, 
gandha  (Geruch)  verwandt  ist.  Dieselben  Elemente,  als  das 
Persische,  nur  in  umgekehrter  Ordnung,  enthält  Kurd. /e«cA 
ghenl  (cadavero  d'animali,  quando  puzza)  Gz.  S.  103.  Auch 
im  Lith.  smirdeles,  Attich,  von  smirdziu  (foeteo). 

Ebano  —  ebanus,  Hindi  äbaaüsa,  A.  ^jtyXiSy  aus  dem 
Griech.  sßevog,  wie  die  beibehaltene  Nominativcudung  be- 
weist. Das  Wort  ist  aber  Hebr.  D>??n  (Diospyros  ebenum) 


75 

Sprengel  I.   14.   —  Bei  Forsk.  Flor.  p.  XCVI.  j^^  und 

j«-«äwi^.  —  Pers.jxi;  (Ebenus.  Lignum  quoddam^  quod  ex 
India  affertur^  egregiis  arcubus  paraodis  idoneuni}^  iS^-fA- 
—  Sskr.  tinJu,  iindukaj  tindiila,  sphürdshaka,  gdfara,  ken- 
dtika  (Diospyros  glutinosa),  ktilaka,  käkatinduka,  kendu 
(D.  tomentosa)j  käkendttj  kälaskandha  (D.  raclauoxyloo)^ 
sindhuputra  (eig.  Sohn  der  Seej  eine  Art  Ebenholz). 

Baumwolle  —  loka  im  eig.  Kurd.^  P.  &yjj  Gossipiura 
a  folliculis  cxtractum.  Cast.  I.  496.;  petnmek  in  Lorist.  Rieh 
I.  398.  Pam6/<(cottone^bombace)  Gz.,  bambUjGü\d.,bambru 

KIpr.,  Tscherk.  bambi,  Oss.  bompag,  P.  ä-IjLj,  T.  ^  *aJLj- 
ouj  (gossypiam), Walach. biimbacu, Alban. Tiu^jiovXy Ung. 
pamut,  bei  Du  C.  ßd/ußa^j  ^Tiafinaxi,  ßofirtaxiov,  im 
Lex.Petrarchae  Pera. pamba  (a^^^^undKom&nischmagugh, 
Das  MLat.  botnbax  erinnert  stark  anbombyx  (Scidenwiirm) 
und  lässt  beinahe  auf  einen  Orientalen  Ursprung  des  Worts 
rathen,  wie  unwahrscheinlich  dieser  auch  aus  anderen 
Gründen  wäre.  Dass  die  Stadt  Bombay,  wie  v.  Bohlen 
muthmasst^  daher  den  Namen  führe,  oder  auch  vielleicht 
umgekehrt  die  Baumwolle  von  der  Stadt^  bestätigt  sich 
meines  Wissens  durch  nichts.  Pehlvi  pembeh  (cotonnier) 
Anq.  II.  405.  —  Poln.  batcelna,  Lith.  bawilne  sind  slavisirt 
aus  dem   Deutschen   batimwolie;    Lith.  heisst    die  Wolle: 

wilna.  —  Ar.  ^^\y>'  Gossipium  et  Pers.  auJu  v.\y>-  qs. 
^üaäjj^  per  apocopen,  Nux  gossipü  Cast.  II.  511.  er- 
klären vielleicht  gossypium  und  gossympintis.  —  Aus  Ar. 
^,  Baumwolle,  erklärt  Sprengel  I.  19.  182.  221.  nicht 
nur  Engl,  cot^on,  Kattun,  sondern  auch  n;r:,  xi-^iöv]  doch 
heissen  Flachs  und  Leinwand  sehr  ähnlich  q1  *'^^;  Kurd. 
ktän  (lino).  Im  Sanskr.,  kshumu^  mälikä  (Liuum  usitatis- 
simum),  umä  aus  ve  (in  einigen  Formen  u\  weben.  — 
Sskr.  tüla  mn.,  tülapitshu;  karpäsa  (cotton),  -t  (cottou- 
tree),  p.  (j*lj/  Carbasus,    linteum  ex  gossj'pio    ad  con- 


76 

ficiendas  tunicas.  Gast.  I.  444.:  Hindi  kapäsa,  rüi,  semhala 

(colton). 

Zizypha  —  sindshov  Rieh  I.  197.,  ^Iv^ifpay  ^k^ivfpu 
Du  C,  so  dass  also  %izyphus,  Span,  azufeifa,  Jujube,  Ital. 
giuggiolo  vielleicht  ein  n  eingebüsst  haben.  Vgl.  Sprengel 
I.  180.  216.  Gast.  II.  3666.  und  Etym.  Forsch.  II.  36. 
Im  Pers.  Ou^sM.*^  und  ^X^^Xm.  ;  aus  dem  Griech.  ^^^yKM, 
Gast.  I.  388.  -  Im  Sskr.  svuihiphala  ie\g.  süsse  Frucht) 
karkandhuj  kala;  pitshtshhuladalä  (Z.  juj üb a),  ÄwÄo/a,  ku~ 
valtty  kolij  grhhti,  ghontä,  batlara^  gridhranakhi_,  kantakin, 
verata. 

Du  G,  App.  p.  30.  aTdifi'  6  (mftvog.  Hebr.  "ran  m. 
(Rhamnus),  ira  Plur.  Zizyphus  Spina  Ghristi,  nach  Sprenge! 
I.  12.  Gast.  IL  89.  In  Du  G.  Gloss.  p.  149.  araÖTJfi.  Nach 
Gast.  1.  c.  i.  q.  g>-*^  Lycium^  rhamni  species.  Du  G. 
p.  155.  ttvöi]%l,a,  l)a/iivov  (pvXlcc;  p.  19.  fälschlich  mit  v: 
avai^t^.  Forsk.  Flor.  p.  LXIII.  GVL  Lycium  Europaeuui, 
nach  Sprengel  I.  216.  aber  Zizyphus  Spina  Christi. 

Du  G.  ^avXkv^  /cAei; (Lycium;  lotus).  Gast. II.  1165. 

nr.  10.:  ;;q^^>  Succus  tov  \jat:os>-  (lycii  herbae  Gig.)^ 
qui  oculis  indi  solet.  aXavov^  arundo  aquatica.",  vgl.  II. 
1192.  Nach  Sprengel  I.  11.  216.  ist  ^jiiC3s>  Lycium  Rau- 
wolfii. 

Du  G.  Gloss-  p.  1655.:  (pa'ila^axctQcct,  aber  p.  970. 
(.instla,  Zax«(>a^,  ^6  IvxiQv*  Wahrscheinlich  Gast.  II. 
3005.  nr.  4.  ^r^^  Lycii  genus,  und  so  auch  vermuth- 
lich    das   unter    5.,    jedoch    ohne   Bedeutung    augeführte 


Du  G.  p.  1410.:  öoi'xxaif,  Itvmüavd-ct  rj  axay^a. 
'iSym  Spinosa  arbor;  cum  UsaJ!  Spina  alba.  Gast.  II.  3711, 

Du  G.  p.  1139.:  nedovciQ  oder  nedovctQTj  tu  uv^ij 
tov  ylvxaxävd^on.  Wahrscheinlich  Gast.  I.  74.  77.  Oj^\  «>L 
qs.  a,vef.ioq)6qYi%ogy  quod  autumni  tempore  cam  pondcre  ad- 


77 

modura  levem  ventus  per  campos  pen-olvat  et  asportet. 
Spina  alba^  quo  delectantur  cameli  cct. 

B8QßeQT;g  Du C.  Gloss.  p.  189.,  unsQ^neQig^BeT" 
beris,  Osyacantha,  p.  971.,  Berberize,  Sauerdorn,  Beissel- 

*       '^'^ 
beere^    Passelbeere    Dulk    I.   181.,  Ar.  (j^;b    ^\   i.  q. 

-AJt  et  \j^j^  jts^y  Pers.  Zirisjc.  Cast.  I.  51.  II.   155. 

Du C.  Gl.  p.  1008. :  vTSQaiacci-  6 aoTiakadvg.  Sprengel 
Gesch.  d.  Bot.  I.  80.  156.  erklärt  aa.^u/xc^og  für  Spartiuni 
villosum  W.  und  eine  andere  Art  für  Sp.  horridum  Sibth., 
aber  ^^L*-i-yÄ  Jo  I.  222.  für  Sp.  spinosum^  vgl.  Cast.  II. 
899.,  wo  dieser  Ar,  Dar  SJisJan  durch  Aspalathus,  erysi- 
sceptrum  wiedergiebt. 

Du  C  Gl.  p.  374,:  tlxäqd,  ay.axia^  wahrscheinlich 
Ar.  JbyJ  (Acacia  vera)  Sprengel  I.  225.,  mit  beibehal- 
tenem Artikel. 

MovQ'  TO  Of4VQviov  Du  C.  Hobr.  la  (Art  Acacie,  wel- 
che die  Myrrhe  liefert)   Sprengel  I.  26.  88.,  jA  (Mjnrrha) 

Fofsk.  Descr.  Anim.  p.  158.,Ar.  »-*  Arbor  mjTrhae  Cast. 
II.  2129.  nr.  21.  von  -na  (amarus  fuit).  Daher  auch  viel- 
leicht xvvafiovQ'  6  xöoTog  6  rttxQog  Du  C.  App.  p.  104., 
oder  wohl  richtiger  xova/novQ  p.  113,,  nicht  mit  .^./.-.^^^ 

oder  Ja.*M3  (Tamarix  Orientalis),  auf  dessen  Blättern  sich 

i>  > 
ein    Honig   erzeugt,    Sprengel    I.  217.,    noch    mit    _bj*s5 

Costus,  Sskr,  kushlha  (Costus  speciosus),  sondern  vielmehr 

mit  Pehlvi  kouste  (Coloquinte;  s.  sp.). 

Lorbeer  —  vTUQfiovT'  t]  dacpvr]  Du   C.  ist    vielleicht 

corrumpirt  aus  Ar.  c>-*^jJ5  Arbor  Lauri  Gigg.^  vi:/»-«^^'»^ 
Pers.  Laurus.  Cast.  II.  662.,  indem  man  fälschlich  darin 

^b,  Baum  suchte.  Pers.  v:>-ä-».PJ  Laurus.  Cast.  L  282. 
—  Du  C.  p.  1332.:  aavxi^aQOvkyct^'  tj  daqyi],  Ar.  AM 
(Laurus  nobilis)  Cast.  II.  2709.  mit  _5\Ä  (arbor).  Forsk. 
Descr.  Anim.  p.  150,  154.:  AaAA  el  ghar  (baccae  lauri).  — 


78 

Unstreitig  gehört  in  Betreff  seines  ersten  TheiJes  hieher 
auch:  ai^sQOvnax'  sl^og  öivÖQOu.  Du  C.  p.  1356.  App. 
p.  168.,  vgl.  Forsk.  Flor.  p.  CIX.  CXVII. 

Sumach    —   Du  C.  Gl.  p.  1411.:    oovf.i(xy.i   (Rhus), 

a.  ^Uw  (Rhus  coriaria)  Sprengel  I.  183.  Cast.  II.  3562. 
"Po,  Qovdiv,  y.al  QOvS^iv  ro  aofiaxiv.  Du  C.  App.  p.  165. 

Du  C  p.  1535.:  TaQ(ps'  fivQixrg  ra  qivXXa.  Cast.  II. 
1576.  nr.  9.  Is-b  Tamarix  arbor  s.  Myrica.  Forsk.  Flor. 
p.  LXIV.  Tamarix  gallica. 

Oleander  —  x^q^ay^equ,'  iq  l)ododdg)vr].  Du  C.  App. 
p.  197.,  i.  q.  apud  Cast.  I,  234.  ;,,pers.  «;^y>  i.e.  Ve- 
neiium  asinorum.  Frutex  s.  arbor  venenifera  parva;  Colo- 
cynthis :  quod  folia  ejus  et  flores  asinis  canibus  aliisque 
animalibus  venena  sunt.  Diosc.  IV.  82.  et  Raphanus  sil- 
vestris.  It.  Neroon  rhododaphne,  s.  Oleander.",  vgl.  Pehlvi 
khirzerd  (le  Laurier  rose)  An q.  ZA v.  II.  407.  Der  Oleander 
(Neriura  odorum)  steht  im  Rufe^  den  Pferden  tödtlich  zu 
seyn,  was  mehrere,  Etym.  Forsch.  II.  425.  erwähnte  Sans- 
kritbenennungen desselben  ausdrücklich  bezeichnen^  und 
giftig  ist  er  allerdings.  Kostelctzky  S.  1061.  Sskr.  kara- 
viraka  (A  poison,  the  poisonous  root  of  the  Oleander).  Die 
Plin.  XII.  18.  erwähnte,  ebenfalls  den  Pferden  tödtliche 
Pflanze  im  Lande  der  Ariani:  „Frutex  pestilens  raphani, 
folio  lattri,  odore  equos  invitante,  qui  paene  equitatu  orba- 
vit  Alexandrum  primo  introitu :  quod  et  in  Gedrosia  accidit^* 
ist  vielleicht  keine  andere.  Das  Ar.  jc-J^^  (Nerium  Olean- 
der) Sprengel  I.  216.  scheint  aus  dem  Griech.  (/;  dyQia) 
dacpvj^  i.  q.  (wdodäfpvt]  ib.  142.  entstellt.  Oleander  190.  ist 
ein,  aus  Gr.  (wöödavÖQOv  umgestaltetes  Wort,  und  zwar, 
weil  der  Lateiner  darin  sein  laurus  hören  wollte,  s.  Du  C. 
Gloss.  Lat.  lauriendrum,  welches  sich  dann  noch  später 
gewissermassen  zu  oleum  hinbeugte.  —  Siehe  ausserdem 
Du  C.  App.  p.  54.  d£YÖQOQ6dnvyü.\\c\\7iiy.Qodcccpvr^  mxAvLöiov. 
—  Im  Sskr.  fdlakumhha,  und  ftetapushpaka  (Nerium ;  the 
white  variety),  sugandhikusuma  (A  sort  withyellowish  flo- 


79 

wers).  Vitandä  The  Oleander  plant  (Nerium  odorum), 
^atapräsa,  hrikara,  laladambti. 

Sskr.  visha  (venenum)  bezeichnet  auch  A  vegelable 
poison  (Aconitum  ferox);  d.  i.  \J*-*:i  Herba  Indica  vene- 
nata,  Napellus,  thora.  Gast.  I.  161.  If.  345.  Wenn  an  der 
zweiten  Stelle  gesagt  wird,  es  wachse  vorzugsweise  diese 
Pflanze  in  Sindiae  urbe  J^^,  so  scheint  das  eine  Ver- 
wechselung mit  Sskr.  halähala,  hulahulOf  huhala  u.  s.  w. 
(A  sort  of  poison),  Hindi  halähala  (venom),  um  so  mehr 
da  Sskr.  huhähala  als  n.  eben  dieses,  als  fem.  auf  -  u  aber 
a  small  mouse  bedeutet^  Castellus  an  der  zweiten  Stelle 
zufolge  aber  J^y*  jjÄ-o  Aniraalculum  simile  muri,  quod 
inter  radices  illius  plantae  vivit^  ejusdemque  antipharma- 
cum  habetur.  Vgl.  Gast.  I.  559.  II.  849.  JoJü?,  Jj?:^, 
(3L^  Toxicum  Lethale,  aut  certe  ejus  species.  Gummi 
napelli.  —  Aconitum  Xapellus  ist  bekanntlich  der  bo- 
tanische Name  eines  giftigen  Strauches.  Siehe  auch  Wils. 
V.  tatsanäbha. 

Datura  —  Sskr.  Jhatfüra,  Iliodi  dhatüra  (Thornapple), 

P.  »^'_^&  et  iJplj  (vgl.  Datura  Tatula  Sprengel  I.  349.) 
Cast.  I.  170.255.  U^3857.  Datura  i.  q.  ^U  j^b^  (eig. 
nux  Daturae),  Datura  metel  Sprengeil.  215.  Auch  dieser 
zweite  Name  findet  sich  im  Sanskr.  5  nämlich  mätula 
(D.  metel),  vielleicht  verwandt  mit  matta  (eig.  intoxicated 
und  auch  Datura)^  mohana,  purimoha  (Stadt  berauschend), 
khala  (^schlecht),  kanaka,  kanfaphala  (dornenfrüchtig ;  Stech- 
apfel), trihatputali  (eig.  grosse  Bignonie),  ^atha,  sumana^ 
kharadüshana  (Eseln  schädlich,  Avegen  seiner  narkotischen 
Eigenschaften),  dhüstiira  und  dhttrtta.  Verwandte  mit  dem 
letzten  Namen  in  abendländischen  Sprachen  s.  Comm.  Lith. 
II.  p.  36.  und  vgl.  Sskr.  ridhura  (perturbatus,  agitatus) 
Lassenii  Anthol.  —  Siehe  noch  besonders  Forskai,  Descr. 
Anim.  p.  151.  und   Cast.  II.  52. 

Hellebonis  —  xctqßax  Du  C.  Gloss.  p.  1732,    App. 


80 

p.  196.,  wo  auch  ungenauer  laQßai,  ou->  Cast.  11. 1389. 
nr.  12.  xaQfi'Ticci  ianrjt,  6  eUßoQog  levxog  (Pers.  Ju-y* 
weiss  Cast.  I.  232.).  XaqfXTiccg  ^aiä,  6  i.  6  fielag,  mit 
Pers.  »La«  schwarz^  »La«  v-äj^-  1.  1.  2xaQg)j^  (elleborum 
nigrum)  Du  C.  Gloss.  p.  1383.,  xaQTtöv  App.  p.  94., 
iaöfpaT  (eil.  niger).  —  ^Aaxkrjda,  xai  ^Avcc(pr]GTog,  6 
iXsßioQog  6  Xevy.6g  Du  C.  App.  p.  29. 

Hyoskyamus  —  nkvt,  (folia  hyoscyami)  und,  wohl 
nicht  ganz  genauj  nevt,  und  Tie'Qo  (hyoscyamus)  Du  C, 
jPwu  (H.  pusillus,  muticus,  reticulatus)  Sprengel  I.  215. 
Cast.  II.  375.  H.  Datora  Forsk.  Descr.  Anim.  p.  155.^ 
aber  »;>>Lj  Flor.  p.  LXIII. 

Sandelholz  —  Vgl.  darüber  C.  Ritter  Erdk.  Th.  V. 
815 — 823.  Im  Sskr.  und  Hindi  tshandana,  DnCoavsTccv, 
aavTav,  Cosm.  Indicopl.  TCccvdavav  im  Accusativ,  pers. 
qv\a:>-  und  JiAa^  (Sandalinura  lignum)  Cast.  I.  215.  Bei 
Sprengel  1.214.  j^-aoUw  JiAä^o  (Sirium  myrtifoHum,  weis- 
ses Sandelholz)  aus  Macassar  (Celebes)  und  China; 
-♦i>t  JtX-JLo  (rothes  Sandelholz),  Sanskr.  kuts/iandnna^ 
Ptcrocarpus  santalinus  Sprengel  I.  222.  —  Mix  (weisses 
und  rothes  Sandelholz)  Du  C.  (jloss.  p.  922.,  was  noch 
den  nächsten  Anklang  an  DUaS«  oder  D»aaS«  (Pteroc.  san- 
talinus, nach  Sprengel  I.  19.)  gäbe,  vorausgesetzt  dass  Sx 
beibehaltener  Arabischer  Artikel  sey.  Vgl.  Cast.  II.  1985. 
Das  daselbst  erwähnte  Indische  sercandoj  bei  Schedel, 
Waarenlex.  Art.  Sandelholz :  sarcanda  als  der  Baum,  wovon 
das  gelbe  und  weisse  Sandelholz  komme,  hat  nichts,  wie 
a.  a.  0.  Castellus  mcint^  mit  den  Seres  zu  thun,  sondern 
ist  vielmehr  Sskr.  säragandha  (Sandal  wood),  eig.  Geruch 
als  Essenz  habend^  sonst  auch  sugandha.  —  Külika  (A  black 
kind  of  Sandal),  filodbhava  (A  superior  sort  of  Sandal 
wood,  either  the  white  or  brass  colourcd  sort.) 

Agallochum.  —  P.  v.  Bohlen  (Ind.  Handel  S.  71.)  hat 
das  Wort  aus  einem  zwar  sprachgerechten,  allein  in  Betreff 


81 

des  Suffixes  bloss  fingirten  Sskr.  a ff aru-kam  gebeutet,  wo~ 
gegen  Gildenieister,  Reb.  Indd.p.  65..  meint,  es  erkläre  sich 
aus  Sskr.    affurti    mit   einem    muthmasslichen  Prakritworte 
rukkha  st.    Sskr.  rriksha  (Baum),  welche  Ansicht  im  Zi- 
geunerischen ruk  (Baum)  Graffunder  S.  39.   einige  Unter- 
stützung findet,  obschon  auch  rohi  im  Sanskr.  selbst  Baum 
bezeichnet.  Siehe  auch  Benfey,  Griech.  Wurzellex.  I.  Bd. 
S.  148.   und   vgl.  a>S~»K    (Excoecaria  Agaüocha)   Sprengel 
I.  24..  das  Aloeholz,  bei  demselben  225.  J>^  (Lex.  Pe- 
trarchae  p.  218.  PeM.  etid  Lignum  aloes)   und      -s^LcT 
welches  letztere  aber  nach    S.  220.  Aquilaria   ovata,    ein 
wohlriechendes,   geflecktes  Holz^   ist.  Siehe   bei    Schedel, 
Waarenlex.,  die  Art.  Alocholz,  Agallociiehulz,  Calambac- 
holz,  Adlerholz,  die  von  verschiedenen  Bäumen  zu  stammen 
scheinen.  Sskr.  agarUj  aguru  Agaliochum  (Aquilaria  agal- 
locha  Roxb.)^   auch    agnikushtha    (Feuerholz)^  kushthaka, 
vanatshandana,  rarshika,  kantshukinj  löha;  lohiia   (A  red 
kind   of  Agaliochum).     Käkatunda  A  dark  kiud    of   Ao-al- 
lochain,  sonst  kdlägtirtt.  ^A'/äXh')xov  und  aquilaria  sind  of- 
fenbar   europäisirte    Formen    mit   falscher  Etvmolo«ne    

»'•wo 

Pers.    ^J3^   ^ignum  aloes  [also  dasselbe  Wort  als  aloe] 

und  Agaliochum)  Gast.  I.  47. ;  ^^^JtX  46. ;  ^IäJ  c>w* 
558. ;  t^yiJiO  (Geruchsholz) :  ^<^^.  u.  s.  \v.  Xylaloe, 
Agaliochum  II.  1612.;  ^f>  Agallochi  genus  optimum 
3601. 

Frutli  —  meta  Gz.  S.68.,  Buch,  meiva,  P.  «^^  (miveh 
et   meiveh)  Fructus  quivis.  Pehlvi  miveh  Anq.  ZAv.  s.  o. 

—  ifVÄ-/(frutta)Gz.  S.130..  A.  i^y'i  —  JT^r«  cfrntta  nuova) ; 
schwerlich  doch  durch  Verwechselung  von  k  statt  »i,  noch 
auch  mit  kev,  blau,  bei  Rieh,  statt  grün,  verwandt? 

I V)      Musa  paradisiaca  aus  Ar.  -^  Gast.  11.  2011.  Sprengel 
1.217.,  Sskr.  mofshä  the  plantain  (Musa  sapientam).  Streun 
im  Realwörterb.  hat  Platin,  Plantin,  Plantain,  Pakona,  Pa- 
V.  6 

i 


82 

tona^  Musa^  Pisang  (der  Malayische  Name  Schleierra.  l'Infl. 
p.  536.),  Bananes  als  Synonyma.  Vgl.  C.  Ritter  Erdk.  Th. 
V.  S.  878.  Der  Zusatz  sapientum  ist  nicht  etwa  durch 
Musa  hervorgerufen  worden,  sondern  durch  Plin.  XII.  12.^ 
wo  die  Frucht  als  Speise  der  sapientes  (gymnosophistae) 
Indorum  angegeben  wird.  Sskr.  uyatatshtshhadä  (lang- 
schattig)^  kadali  von  den  grossen  Blättern,  vgl.  Theophr. 
hist.  4,  5.  Sprengel  I.  69.,  hhänuphalä  (Sonnenfrüchte  tra- 
gend, weil  man  deren  der  Sonne  darbringt),  mandshiphaläy 

gutshtshhaphald,  nagaruushadhi,  surataru. 

% 
Kokosnüsse  —  Pers.  ^j^  Cast.  I.  521.^  Ar.  J^j^y 

(Cocos  nücifera)  Sprengel  L  189.  223.,  a^yk'Kl.Kx  Cosm. 
Indopl.^  Sskr.  nädlMla,  nälikeraj  ndnkeraj  nänkeluy  Hindi 
näriynla.  Ritter,  Erdk.  Th.  V.  S.  834.  ff.  Was  von  Bohlen, 
Indien  I.  38.,  behauptet,  und  worin  Ritter  (Erdk.  Th.  V., 
wo  er  von  S.  834.  jenen  Baum  bespricht)  ihm  beipflichtet, 
dass  jenes  Wort:  saftig  bedeute,  beruht  auf  der  Herleitung 
aus  nurika  (watery)^  die  aber  nichts  weniger  als  gewiss 
genannt  werden  kann.  —  Payodhara  (milch-  oder  wasser- 
haltig}^ karakämhhas  (iü  der  Schaale  Wasser  habend), 
khänodaka  (beim  Zerreissen  Wasser  habend),  käufikophalaj 
mundaphala  (kopffruchtig,  aus  myt'iologiscnen  Gründen), 
kürtshafekhara  aus  kürtsha  (a  bunch)  und  ^ekhara  (sum- 
mit),  phalake^ara  (an  der  Frucht  faserig),  dir4fhapädup%t 
(langer  Baum),  sutunga  (sehr  schlank)  und  hmga.  Sprengel 
I.  189.:  »Kosmas  Indicopl.  spricht  von  der  Kokospalme 
'»unter  dem  Namen  ccQyelXia,  von  dem  süssen  weinichteu 
wSafte  derselben,  den  man  Qoyxoaovqa  nenne,  wie  noch 
»jetzt  sura  der  Saft  der  Kokospalme  hcisst.  Für  das  Reifen 
»der  Frucht  gebraucht  er  den  Ausdruck  rayyii^ti:  dies 
»Wort  erinnert  an  den  nialabarischen  Namen  der  Kokos- 
»nuss,  tenga.u  Mit  letztcrem  stimmt  wohl  kaum  obiges 
ttinga;  allein  stirä  ist  im  Sskr.  spirituous  liquor.  und  der 
Kokosbaum  heisst  daher  surukara  (Palmwcin  hervorbrin- 
gend). In  (loyxooov^Mx  bezeichnet  violleicht  das  erste  Wort : 


^«8 

Baum  (Sskr.  rfthi,  Zig.  ruk),  vgl.  ob.  Agallochnm.  Im  Pers. 

> 
bei  Cast.  I.  334.  y«  Zythum^  vinum^  vel  potus  ex  oryza 

confectus.  ^oQoad siog,  olvoTtoiög,  als  Indische  Gottheit^ 
Athen.  I.  24.^  vielleicht  mit  Sskr.  deca  (Gott).  S.  noch  Reland 
Diss.  T.  I.  p.  230.  und  suri,  Saft  aus  den  Knospen  der  Kokos- 
palme, in  Strehlin^  techn.  Wörterb.  unter:   Cocosbaum.  — 

Cast.  II.  263.  f^j^  K'ux  Indica  major,  vulgo  Cocos. 
Sanskr.  bäla. 

üaXadovQj  ßEXedioQ,  ro  avaxuQÖiov  Du  C^  .S^ 
(Semecarpuß  anacardiuni)  Sprengel  I.  217.^  Cast.  ü.  168. 
Forsk.  Descr.  Anim.  p.  156.  Gildem.  Heb.  Indd.  p.  220. 
XQiGoßalavog  Sprengel  I.  173.  Sanskr.  rirarriksha  The 
marking  nut  plant  (S.  anacardium),  dahana,  vishusya, 
vranakrtt. 

Muscatnüssc  —    Du  C.  (.loaxonäoi^ov  (nux  myristica, 

nux  aromatica)  von  Myristica  moschata.  Du  C.  von  ijAo- 

tiaxEQ  sagt :  Macer  est  Cortex  ncali  Punici,  doch  wohl  mit 

Unrecht,  da  uay.ert  vielmehr  die   Schaale  der    Frucht  von 

M.  moschata.  Sprengel  I.  161.    —  Du  C.  p.  1159.:    ■^ita- 

718^8,  ro  ficcKSQ,  und  auch   Tiäanaaa,  netfnsg,  Pens. 

Beshese  (Macis)  im  Lex.    Petrarchae  in  Klapr.   Mem.  rel. 

a  l'Asie  p.  218.,  d.   i.   Pers.  jbiJ    (Macis^  cortex  nucis 

myristicae)  Cast.,  fc*wLj>*o  (Macis)^  aber  >,**n'>l  \y>.  (Nux 

myristica)  und    Syi\y>'    Cast.  ü.    510.  i.  q.  xovanoa 

Da  C.  App.   p.  113.,    im  Lex.  Petrarchae  1.  L   Pers.  joosa 

(nuces  moschaXae).     Bei  Sprcagel   J.   225.   u*vj  L-j  (Mus- 

eatttösse)    und  ^  ,t  ■■,^,.,.  IUj  (Macis).    —  Du  C.  GIoss. 

p-  271,    dudovi^    App.   p.  55.    deoöovie.     Kauay^e 

Glos»,  p.  558.   -^  Pers.  o^^^"^  (vierfarbig).   —  Hmdi 

dshäyaphala  CXutmeg).  Sskr.  lata,  surabhi,  samudränta. 

(Fortsetzung  folgt.) 

A.  F.  Pott. 


»*©♦•- 


84^ 


IV. 

Etieiine  Quatreinere 

lieber   Phönicische    Inschriften. 

In  abgekürzter  UebersetaEuitg  0* 

l>t@tC) 

lieber  die  ]¥unildeit  und  ihre  l§(praehe* 

(Journal  des  Savans  1838  p.  397—405.) 

Der  Name  Nmniden  ist  eine  jener  wunderlichen  Be- 
nennungen^ welche  oft  von  fremden  Nationen  ,  sey  es 
aus  Unwissenheit^  oder  aus  irgend  einem  unerklärlichen 
Einfall^  einem  Volke  beigelegt  wurden^  mit  dem  sie  durch 
Zufall^  Handel  oder  Krieg  in  Beziehung  kamen ^  und 
welche  dann  von  Mund  zu  Mund  fortgepflanzt^  von  der 
Geschichte  besiegelt  und  endlich  selbst  von  denen  aner- 
kannt wurden,  die  sich  am  meisten  gegen  so  missbräuch- 
liche  Bezeichnungen  hätten  wehren  sollen.  Das  Wort 
Numiden  hat  bekanntlich  kein  Analogen  unter  den  zahl- 
reichen Stammnameu  des  nördlichen  Africa  gehabt  und  ist 
nichts^  als  eine  sonderbare  Verunstaltung  des  Griechischen 


1)  (Bei  dem  neuerlich  wieder  so  lebhaft  geweckten  Interesse  fUr 
die  Phönicischen  und  Puoischen  Sprachdenkmale,  bei  der  Un- 
sicherheit, welche  in  der  Erklärung  der  meisten  Inschriften  noch 
herrscht  und  jeden   Fortschritt  der   Methode^  jede  Berichtigung 


85 

roficcöeg,  welches  mit  seiner  weiten  Bedeutung  so  gut  ein 
Volk^  als  das  andre  bezeichnen  konnte,  da  alle  Libyschen 
Stämme  ein  Hirtenleben  führten.  Polybius  ist  wahrschein- 
lich der  erste,  der  das  Wort  JSofiadeg  von  einer  bestimm- 
ten Africanischen  Nation,  mit  Ausschluss  der  übrigen^ 
gebrauchte,  und  in  einer  Weise^  die  sich  natürlich  erklärt. 
Als  die  Römer  den  Krieg  gegen  Carthago  nach  Africa 
verpflanzten,  waren  die  weiten  Länder  von  dem  Carkha- 
gischen  Gebiete  an  bis  zum  Flusse  Mulucha  von  zwei 
grossen  nomadischen  Stämmen  ohne  Nationaleinheit^  den 
Ma£isylen  und  den  Massaesylen,  bewohnt,  die  unter  zwei 
Königen,  jene  unter  Massinissa,  diese  unter  Syphax  stan- 
den. Nach  Besiegung  des  letzteren  übertrugen  die  Römer 
sein  l^and  als  Belohnung  für  die  ihnen  geleisteten  Dienste 
dem  Massinissa,  und  seit  dieser  Zeit  bildeten  die  Massy- 
len  und  3Iassaesylen  vereinigt  ein  ausgedehntes  Reich 
unter  einem  einzigen  Fürsten,  das  sich  nach  Appian  vom 
Mulucha  bis  zu  den  Gränzen  von  Cyrene  erstreckte,  aber 
schon  bald,  nach  Jugurtha's  Niederlage,  der  Römischen 
Republik  einverleibt  wurde.    Die  Massylen  und  Massae- 


des  Einzelnen  dankbar  anzuerkennen  gebietet,  und  bei  den  son- 
derbaren Vorurtheilen,  welche  über  diesen  Gegenstand  noch  unter 
uns  zu  Tage  kommen,  hat  es  nicht  unzweckmässig  geschienen, 
QuATHEMKRK's  Qeueste  dahin  gehörige  Arbeiten  durch  diese  Zeit- 
schrift in  einem  weiteren  Kreise  bekannt  zu  machen,  als  sie 
sonst  wohl  geworden  wären.  Sie  sind  in  verschiedenen  Artikeln 
des  Journal  des  Savans  enthalten,  die  sich  zunächst  auf  6k- 
sKNiirs  Monumenta  bezichen,  und  erscheinen  hier  ihrem  wesent- 
lichen Inhalt  nach  vollständig,  so  jedoch^  dass  sowohl  der  ei- 
gentliche Bericht  über  das  genannte  "Werk,  als  auch  die  ver- 
schiedenen einleitenden  Betrachtungen  über  den  Umfang  und  den 
Verlust  der  Phönicischen  und  Carthaglschen  Literatur  wegge- 
fallen sind.  Die  dadurch  entstandene  aphoristische  Form  dieser 
Bemerkungen  wird  ihrem  Werthe  keinen  Eintrag  ihun.  J.Gildk- 

MKISTBR.) 


86 


sylen  waren    die  ersten  nomadischen  Völker,  welche  die 
Römer   kennen  lernten ,    und    obgleich,    seit   jener  Zeit, 
Massinissa  alles  versucht  hatte,  um  sie  an  ein  civilisirtes 
Leben  zxi  gewöhnen,   waren  sie  doch  noch  unter  seinem 
JEnkel  nach  Sallust's  Bemerkung    (Jug.  54.  90.)  fast  mit 
nichts,    als    ihrer  Viehzucht,  beschäftigt.   Aus    derselben 
Quelle  (ibid.   19.   80)  wissen  wir,  dass  die  Gaetulen,  ein 
anderes  Hirtenvolk,  zur  Zeit  des  Jugurthinischen  Krieges 
den  Römern  noch  fast  unbekannt  waren.  Polybius  wählte 
zur  charakteristischen  Bezeichnung  dieses  muthigen,  ab- 
gehärteten Menschenschlages,  der  für  Rom  als  Verbün- 
deter   eben    so  nützlich,    wie    als  Feind    gefährlich  war, 
den  Namen  No/tiädESj  der  unter  der  ungewöhnlichen  Form 
Numidae   in   das  Lateinische  überging  und  von  den  Rö- 
mischen Geschichtschreibern  angenommen,  bis  auf  die  mu- 
hammedanische  Eroberung    den  Bewohnern  dieses  Theils 
von  Africa  bUeb.    Es  ist  sehr  merkwürdig,  obgleich  noch 
von  Niemandem  ausgesprochen,     dass    die  einheimischen 
Völker  des 'nördlichen  Africa  bis  jetzt  im  Arabischen  mit 
einem  dem  obigen  vollkommen  entsprechenden  Namen  be- 
zeichnet werden.    Da  diese    Behauptung    auf  den  ersten 
Blick    paradox  scheinen  könnte,    beeile  ich  mich  die  Be- 
weise dafür  vorzulegen.     Die  von   den  Eingebornen  ge- 
redete Sprache  findet  man  häufig  mit  dem  Namen  Chauvia 
(Voyage   de   Peyssonnel   I.    438)    oder   Schowiah   (Shaw 
Travels  I.  223)  bezeichnet  und  die  Völker,  die  sie  spre- 
chen,   heissen  ebenfalls  Schäwi  '»^.*)^.      In  Makriz  's  Ki- 
tab-alsolük  (ms.    673,    t.   II.  fol.  347  v.)  wird  gesagt, 
dass    ein  Vezir    des  Reiches   Fez    die  Schäwi  zu   Hülfe 
rief  und    ihnen    beträchtliche  Geldsummen  sandte,    qI — 5' 
j*^   JU*    fi-^^    '^^^^    ^^'-'^^     wdÄXw!  (Ad,    und  etwas 
später    (348    r.)    dass    die  Schäwi  die  Stadt  verliessen: 
iiJL^.JuLt    qc    iü^UJt    J»=»j.      Ueber  die  Bedeutung  des 


Wortes  kann  kein  Zweifel  seyn ;  es  gehört  nicht  der 
Berbersprache  an^  sondern  der  Arabischen  und  bezeich- 
net einen  Nomaden,  einen  Hirten.  Ihn  Khaldun  (Proleg. 
fol.  54  r.)  sagt :  ^l*it  qjv>^  ^j^^  ^^I^  Vt*^^  ^4) 
\^j)>i\  ^yi  ^♦JJ'Jc^  jJlx:  qI/  ^  ;;Die  Zenatah  im  Maghreb 
waren  Schäwi  (Hirten)  und  zahlten  den  gleichzeitigen 
Königen  Tribut"^  und  an  einer  andern  Stelle  (ibid.  46  r.  v.) 

^Ji\   3   >,*l.ö.di  jt   (^^3f^    »^S  r^)*^'    ^Laj^*^    c^'ilt 

^^Diejenigen  Völker,  die  von  Ertrag  der  Heerdcn,  z.  B. 
der  Rinder  und  Schafe  leben,  sind  vorzugsweise  Nomaden, 
weil  sie  Weiden  und  Wasser  für  ihr  Vieh  suchen  müssen, 
da  das  Umherziehen  für  dieses  vortheilhafter  ist.  Sie 
heissen  Schawi  d.  i.  solche,  die  Schafe  und  Rinder  be- 
sorgen, und  sie  entfernen  sich  nie  weit  in  die  Wüste, 
weil  dort  gute  Weiden  mangeln."  Derselbe  Schriftsteller 
sagt  anderswo  (Geschichte  t.  VI.  fol.  89  v.) ;  c^lj^t  f^^ 
^yj^"^^  'ij^Lii  «AjuudJt  (jj^i  yac  qjSjäX«.  ,,Einige  von  ih- 
nen sind  in  Aegypten  und  den  Dörfern  von  Said  zerstreut, 
wo  sie  theils  Schuici  (Hirten),  theils  Fellah  (Bauern)  sind ;" 
fol.  112  r.:  w^Li  ^1^  „wandernde  Hirten;"  VII.  299  r.: 
K^^LäJb  t>^1  ,,er  blieb  allein  mit  den  Schäwi  (Hirten);" 
^LbL-Jt  ^\^^  ^5  Jai:>\^  AJ^I-^l  'iSi^  ,,Befehl  über  die 
Schuici  (Hirten)  und  Aufsicht  über  die  Heerden  des  Sul- 
tan." An  einer  andern  Stelle  (II.  7  r.)  wo  er  von  den 
Arabern,   die  sich  mit  Kameelzucht   beschäftigen,  spricht, 

fügt  er  hinzu     *UJJ  ^  fU— äÜ  ^^  Xj^I ^^^5   o'    Ui' 

L^  («{w'U^  qL5'  Uj  tÄJI^  „so  wie  die  Schuiri  sich  aus- 
schliesslich der  Schaf-  und  Rindviehzucht  widmen,  von 
der  sie  ihren  Unterhalt  ziehen.^'  Dieselben  bezeichnet  er 
anderswo    durch  yü^  «Lfc  ^>^^  (\\.    36  v.  VII.   16    r.). 


88 

Aus  diesen  Stellen  geht  hervor,  dass  das  Wort  Schäwi 
keineswegs  der  Berbersprache  angehört,  dass  es  rein 
Arabisch  ist  und  im  Allgemeinen  Hirt  bedeutet,  dass  die 
nordafrikanischen  Völker  diesen  Namen  von  ihrer  Lebens- 
weise erhalten  haben,  und  dass  schauvia  die  Sprache  eben 
dieser  Hirtenstämme  bezeichnet.  Die  Arabischen  Eroberer 
in  den  Städten,  denen  an  den  einheimischen  Bewoh- 
nern dies  hartnäckige  Festhalten  an  den  Sitten  und  der 
Lebensweise  ihre  Voreltern  auffallen  musste,  benannten 
sie  nach  ihrem  Hirtenleben,  ohne  wahrscheinlich  zu  ahnen, 
dass  dieselben  in  viel  altern  Zeiten  aus  demselben  Grunde 
von  den  Griechischen  und  Römischen  Eroberern  einen 
ganz  analogen  Namen  erhalten  hatten. 

lieber  die  Geschichte  der  Numiden  will  ich  mich  hier 
nicht  verbreiten :  aber  ein  Punkt  verdient  in  hohem  Grade 
eine  gründlichere  Erwägung.  Gesemus  hat  in  mehreren 
Stellen  seines  gelehrten  Werkes  über  die  Phönicischen 
Inschriften  behauptet,  dass  die  Punische  Sprache  die  der 
Numiden  gewesen  sey.  Da  ich  dieser  Meinung  nicht 
beitreten  kann,  werde  ich  die  Gründe,  auf  die  dieser 
schätzbare  und  kritische  Gelehrte  seine  Annahme  stützt, 
prüfen.     Es  sind  folgende. 

1 .  Sallust  giebt  als  Quelle  seiner  Nachrichten  über 
den  Ursprung  der  Numiden  Punische  Schriften  an,  die 
er  sich  erklären  Hess,  und  die  von  dem  König  Hiempsal 
verfasst  seyn  sollten. 

2.  Cicero  (gegen  Verres  IV,  40.)  erzählt,  dass 
Massinissa,  die  von  seiner  Flotte  aus  dem  Junotempel 
auf  Malta  geraubten  grossen  Elephantenzähne  wieder  an 
ihren  Ort  bringen  und  mit  einer  punischen  Inschrift  ver- 
sehen liess,  des  Inhalts,  dass  dieser  Tcmpelraub  ohne 
sein  Wissen  geschehen  und  gleich  wieder  gut  gemacht 
sey.    Nun  aber  sagt  Valerius  Maxiinus,  Massinissa    habe 


89 

die  luschrift  gentis  suae  literis  eiugraben  lassen.  Woraus^ 
nach  Gesemus,  die  Identität  der  Numidischen  und  Pu- 
nischen  Sprache  folgt. 

3.  In  einer  in  Africa  gefundenen  Inschrift,  die  nach 
Gesesius  Ansicht  von  dem  König  Hiempsal  herrührt^  hat 
der  Name  der  Alassaesylen  eine  vöIUg  hebräische  Form. 
Auch  die  Numidischen  Personen-  und  Ortsnamen  erklären 
sich  leicht  und  natürlich  aus  der  Punischen  oder  Hebrä- 
ischen Sprache. 

Es  sind  dies  Gesemus  sämmtHche  Argumente  ;  deren 
Bündigkeit  wir  nunmehr  zu  untersuchen  haben. 

Die  Stelle  des  Sallust  hat,  irre  ich  nicht^  keineswegs 
den  Sinn,  den  ihr  der  gelehrte  Verfasser  beilegt.  Die 
Worte  Jug.  17:  libri  Piinici  gui  regis  Hiempsalis  dice- 
bantiir  bedeuten  nicht  nBücher  die  Hiempsal  rerfasst  haben 
sollleu.  sondern  r)die  dem  Hiempsal  gehört  haben  solllen.u. 
Aus  Plinius  18,  5.  ist  bekannt,  dass  die  Römer  bei  der 
Eroberung  Carthagos  die  Punischen,  in  der  Bibliothek 
dieser  Stadt  befindlichen  Bücher  ihren  Verbündeten  schenk- 
ten. Gewiss  erhielt  Massinissa,  der  treue  Freund  Roms 
und  unversöhnliche  Feind  Carthagos,  davon  den  beträcht- 
lichsten Theil,  und  diese  sorgfältig  von  Hiempsal  bewahrten 
Bücher  waren  ohne  Zweifel  bei  der  Eroberung  der  Nu- 
midischen Hauptstadt  Cirtha  den  Römern  wieder  in  die 
Hände  gefallen.  Uebrigens  würde  auch  bei  der  Voraus- 
setzung ,  dass  diese  Bücher  in  der  That  von  Hiempsal 
verfasst  gewesen,  daraus  nichts  zu  folgern  seyn.  Gewiss 
musste  die  Punische  Sprache  bei  den  Numiden  sehr  ver- 
breitet seyn;  da  die  Carthagischen  Heere  stets  aus  ihnen 
ergänzt  wurden,  mussten  Officiere  und  Soldaten  mit  einer 
Sprache  vertraut  werden,  die  sie  alle  Augenblicke  reden 
hörten.  Auf  dieselbe  Weise  hatte  nach  Polybius  I,  80. 
der  Gallier  Autarites  und  seine  Gefährten    in  dem  Gär- 


90 

thagischcn  Lager  die  Pimische  Sprache  gelernt^  auf  dieselbe 
Weise  später  Jugurtha  die  Lateinische,  als  er  unter  Scipio 
Aemilianus  vor  Numancia  diente  (Sali.  Jug.  101).  Von  der 
andern  Seite  war  das  Punische  die  Sprache  der  Politik, 
des  Handels,  der  Literatur  und  folglich  musste  ihr  Stu- 
dium für  alle,  die  einen  etwas  höheren  Rang  in  der  Ge- 
sellschaft einnahmen,  für  alle,  die  wissenschaftliche  und 
literarische  Kenntnisse  suchten,  unerlässlich  seyn.  Folgt 
daraus,  dass  im  achtzehnten  Jahrhunderte  der  grosse  Frie- 
drich, Gustav  III,  die  Kaiserin  Catharina  Werke  in  Fran- 
zösischer Sprache  geschrieben,  dass  die  Russen  und  Türken 
1774  ihren  Friedenstractat  in  derselben  Sprache  aufgesetzt 
haben:  dass  damals  Preussen,  Schweden,  Russen  und 
Türken  keine  andre  Sprache  als  die  Französische  gehabt 
haben  ?  Ist  ein  Reisender,  der  in  Labore  Französisches 
Commando  hört,  zu  dem  Schluss  berechtigt,  dass  der 
Dialekt  des  Pendschab  derselbe  ist,  den  man  in  Frank- 
reich spricht?  Die  Numiden,  die  eine  rohe  und  unvoll- 
kommene Sprache  besassen,  gebrauchten  aller  Wahrschein- 
lichkeit nach  mit  Vorliebe  die  feine  und  gebildete  Sprache 
Carthagos,  gerade  wie  die  unterrichteten  Männer  dieses 
Volkes  seit  der  Arabischen  Eroberung  sehr  eifrig  die 
Sprache  ihrer  Sieger  studirten  und,  einige  wenige  Aus» 
nahmen  abgerechnet,  die  von  Berbern  vcrfassten  Werke 
Arabisch  geschrieben  sind. 

Die  Stelle  des  Valerius  Maximus  gegen  Cicero  ge- 
halten hat  ebensowenig  Beweiskraft.  Es  ist  allerdings 
wahrscheinlich,  dass  die  Inschrift  Massinissas  in  Puni- 
schen  Charakteren  war,  denn  es  ist  zu  bezweifelii,  dass 
die  Numiden  unter  seiner  Regierung  eine  besondere  Schrift 
gehabt  haben  sollten.  Die  Sprache  der  Inschrift  konnte 
die  Numidischc  seyn,  aber  es  ist  nicht  einmal  nöthig 
dies  anzunehmen,  und  wahrscheinlich  bediente  sich  Mas- 


91 

sinissa  absichtlich  der  Punischen  Sprache  sowohl  als 
Schrift.  Valerius  Maximus^  der  bei  früheren  Schriftstel- 
lern von  einer  von  Massinissa  gesetzten  Inschrift  las, 
musste  natürlich  glauben^  dass  er  die  bei  seinen  Unter- 
thanen  gebräuchUche  Sprache  und  Schrift  angewandt 
habe. 

Die  Numidische  Inschrift  endlich,  auf  deren  Zeuguiss 
man  sich  mit  so  vieler  Sicherheit  beruft,  drückt  sie,  auch 
vorausgesetzt,  dass  sie  richtig  gelesen,  richtig  erklärt 
sey,  ^nrklich  aus,  was  man  sie  sagen  lässt?  Ich  meines 
Theils  kann  mich  nicht  überzeugen,  dass  ein  Monument 
von  so  scheusslich  barbarischem  Stil  von  einem  Könige 
Numidiens,  von  eincun  Sohn  Massinissas  errichtet  sey. 
Sicherlich  waren  die  Numiden  bei  ihrem  Soldaten-  und 
Hirtenleben  schlechte  Künstler  ;  aber  ein  König,  der  durch 
ein  öfFenthches  Monument  seinen  Namen  verewig«!  wollte, 
hätte  leicht  und  mit  wenig  Kosten  aus  Carthago  oder 
einer  andern  Punischen  Stadt  Arbeiter  verschreiben  können, 
die  im  Stande  waren,  eine  einigermassen  menschliche 
Figur  zu  machen,  anstatt  der  plumpen  Caricatur  auf  dem 
Monument. 

Zweitens,  das  Wort  Hakembaalj  welches  Gesextus 
zu  lesen  glaubt,  hat  nach  meiner  Meinung  mit  dem  Na- 
men Hiempsal  nichts  zu  thun;  ich  kann  unmöglich  Rau- 
ben, dass  die  Numiden  Punische  Namen  so  sonderbar 
verunstaltet  hätten,  während  wir  sonst  wissen,  dass  die 
von  den  Numiden  wirklich  anffenommenen  Phöuicischen 
Namen  gar  keine  Veränderung  erlitten.  Dies  beweisen 
Namen  \neAdherbal,  Bomilkar  u.a.  hinlänglich.  Der  Name 
Hiempsal,  der  ein  ganz  fremdes  Aussehn  hat,  hat  daher 
nichts  mit  Hakemhaal  gemein  und  kann  nicht  für  Punisch 
angesehen  werden. 

üebrigens    würde    die  Existenz  Panischer  Inschriften 


92 


auf  Numidiscliem  Gebiete  nicht  beweisen  ,  dass  Einge- 
borne  sie  hätten  setzen  lassen.  Ohne  Zweifel  waren  in 
Cirtha  und  anderen  Städten  viele  Carthager^  welche 
Kriegsunglück^  Handel  oder  andere  Motive  dahin  geführt 
hatten^  und  die  in  dem  fremden  liande  ihre  Muttersprache 
und  ihr  Alphabet  beibehielten. 

Die  Etymologie  des  Wortes,  welches  nach  Gesemus 
dem  Namen  Massaesylen  entspricht,  scheint  mir  sehr 
zweifelhaft.  Hat  je  ein  Volksname  mit  einem  Wort  an- 
gefangen^ das  opera,  facta  bedeutet  ?  Ich  werde  sogleich 
meine  Ansicht  über  den  Ursprung  dieses  Namens  mit- 
theilen. 

Die  Personennamen  der  Numiden^  diejenigen  wenig- 
stens, welche  uns  Griechische  und  Römische  Historiker 
aufbehalten  haben,  sind  trotz  der  Versicherung  des  Hn. 
Geseniü§;,  der  Phönicischen  Sprache  fremd.  Die  Worte 
Massinissa,  Gulussttj  Hiempsal,  lugurthuj  Massiva^  Gauda, 
Massugrada,  Narava  ,  Nabdalsa  u.  s.  w.  können,  wie  ich 
mit  Sicherheit  zu  behaupten  wage,  nicht  auf  Hebräische 
Wurzeln  zurückgebracht  werden.  Gesexius  Bemühungen 
zu  diesem  Zwecke  haben  nur  zu  unbefriedigenden  Re- 
sultaten geführt.  Wenn  man  die  Numidischen  Städte- 
namen untersucht,  wird  man  gleichfalls  nur  ganz  unge- 
w^öhnliche;  dem  Punischen  völlig  fremde  Formen  finden. 
Eine  Ausnahme  bildet  nur  die  Hauptstadt  Cirtha,  deren 
Name  allerdings  Phönicisch  ist  und  Stadt  bedeutet.  Aber 
dies  erklärt  sich  leicht.  Als  Syphax  sie  gründete,  hatte 
das  bis  dahin  unter  Zelten  lebende  Nomadenvolk  kein 
Wort  für  den  Begriff  Stadt,  und  musste  der  Sprache 
seiner  Nachbarn,  d.  h.  der  Carthager,  den  Namen  der  neuen 
Stadt  entlehnen.  Ganz  so  und  aus  demselben  Grunde 
haben  später  die  Berbern  das  Arabische  ääjJw«  Stadt  mit 
einer  leichten  Veränderung  in  ihre  Sprache  übergenommen. 


Nach  Sallust  (Jug.  78)  war  Leptis  Magna  von  den 
Sidoniern  gegründet;  aber  die  Einwohner  hatten  in  Folge 
häufiger  Vermischung  mit  den  Xuraiden  ihre  Sprache 
verändert.  Daraus  folgt;  dass  nach  der  Ansicht  dieses 
Geschichtschreibers  die  Numidische  Sprache  von  der  Phö- 
nicischen  ganz  verschieden  war. 

Endlich  wird  meine  Behauptung  noch  durch  die  Bilin- 
guis  von  Thugga  bestätigt  ;  da  dies  3Ionument  sich  in 
einer  zu  dem  alten  Numidischen  Reiche  gehörigen  Stadt 
findet ;  ist  höchst  wahrscheinlich  die  Inschrift  in  unbe- 
kannter Sprache  wirklich  Numidisch.  Es  lässt  sich  we- 
nigstens nicht  annehmen^  dass  beide  Inschriften  in  der- 
selben Sprache  und  nur  in  verschiedener  Schrift  aufge- 
setzt seyen.  Vielmehr  ist  mit  Wahrscheinlichkeit  vor- 
auszusetzen^  dass  eüie  die  Uebersetzung  der  andern  sey. 
So  weit  man  davon  nach  den  bis  jetzt  bekannt  gemachten 
unvollkommenen  Copien  urtheilen  kaim,  ist  es  ein  Grab- 
stein^ zu  Ehren  eines  Xumiden  errichtet  und  dessen  lange 
Genealogie  enthaltend.  Eines  Numiden^  sage  ich,  denn 
die  Punische  Inschrift  scheint  mit  einer  fast  barbarischen 
Nachlässigkeit  eingehauen  zu  seyn^  die  andere  dagegen, 
obschon  sie  verstümmelt  ist;  mit  viel  mehr  Sorgfalt  und 
Genauigkeit;  welcher  Umstand  immer  ein  grosses  Hin- 
derniss  für  die  gänzliche  Entzifferung  sein  wird*).  Die 
Namen  auf  diesem  Stein,  die  der  Numidischen  Sprache 
angehören,  haben  sonderbare,  unbekannte,  von  den  so  cha- 
rakteristischen sonstigen  Phönicischen  ganz  abweichende 
Formen. 


1)  (Seit  obiges  geschrieben  ist,  sind  zwei,  von  einander  unabhän- 
gige Versuche  dazu  gemacht  worden,  welche  Gesknics  unbe- 
greifliche Irrwege  in  Lesung  dieser  Inschrift  rerlassen  und  das 
Problem  seiner  endlichen  Lösung  ziemlich  nahe  gebracht  haben: 
der  ein^von  Wurm  in  Jahn's  Xeuen  Jahrbüchern  für  Phitol. 


94 


Es  ist  gewiss^  dass  lange  vor  Ankunft  der  PhÖnici- 
schen  Colonien  die  Nordküstc  von  Africa  mit  nomadi- 
schen Urbevvohnern  besetzt  war^  die  eine  wahrscheinlich 
von  der  Phönicischen  grundverschiedene  Sprache  redeten. 
Wenn  sie  mit  den  Tyrien  und  Sidoniern  in  Beziehung 
traten^  wenn  sie  von  ihnen  neue  Bedürfnisse  lernten  und 
dadurch  fremde  Wörter  in  ihre  Sprache  aufnahmen^  so 
lag  darin  sicherlich  doch  kein  Grund^  die  Muttersprache 
ganz  aufzugeben  und  die  der  Asiatischen  Kaufleute  an- 
zunehmen. Ein  Hirtenvolk  ändert  weder  Sprache^  nodi 
Sitten  jC;,  und  ebensowenig  haben  die  Araber  bis  heute 
die  ihrige  unter  jenen  Völkerschaften  heimisch  machen 
können. 

Nun  aber  hat  es  gegeben  und  giebt  noch  jetzt  eine 
Sprache,  die  mit  geringem  Unterschied  von  Aegypten  bis 
zur  Küste  des  Atlantischen  Oceans  geredet  wird.  Dies 
Idiom,  das  wir  mit  den  Arabern  das  Berberische  nennen, 
aber  das  bei  den  Eingebornen  schiiah  oder  tamazigt  heisst, 
ist  mit  keinem  andern  verwandt ;  alles  bezeugt  sein  hohes 
Alter ;  ihm  fehlen  viele  Wörter,  die  sich  bei  einem  dem 
Hirtenleben  fremden  Volke  unfehlbar  gefunden  hätten; 
es  kann  durch  keines  der  erobernden  Völker  in  das  Land 
gebracht  sein.  Es  ist  daher  mit  aller  Walirscheiulichkeit 
anzunehmen^  dass  diese  Sprache  seit  den  ältesten  Zei- 
ten xow  den  Nomaden  Nordafrica's  geredet  wurde^  und 
dass  die  Numiden,    d.  h.  die  Äla^^ylen  und  Massaesylea 


1888.  Bd.  XXIII.  p.  27;  der  andre  ganz  kürzlich  vou  dem  als 
glücklicliem  Entzifferer  bereits  i-ühmliclist  bekannten  Mn.  Ds 
SAUiyCV  im  Februurheffc  des  Journal  Asiatüpie  1843.  Letzte- 
rer hat  naiiientlidi  die  Nominn  propria  und  die  Oeknnouiie  der 
Inschrift  auf  eine  fast  Ka»^-  befriedi«ende  Art  bestimmt,  >väh- 
rend  ersterer  ein/.elne  Buchstaben  und  einige  Appellati va  rich- 
tiger gelesen  im  haben  scheint.)  * 


dieses  nämliche  Idiom  redeten^  das  trotz  so  vieler  Um- 
wälzungen und  Eroberungen  sich  bis  jetzt  mit  wunder- 
barer Beharrlichkeit  erhalten  hat. 

Vielleicht  kann  noch  folgende  Bemerkung  zur  Be- 
stätigung dienen.  Wir  haben  gesehen,  dass  viele  Nu- 
midische  Namen  mit  der  Sylbe  mas,  zuweilen  mis  anfingen. 
So  die  Namen  der  Massylen  und  Massaesylen^  die  Xaraen 
Massinissüj,  Massira,  MassugraJa  u.  s.  W.  Nun  heisst  ma* 
in  der  Berbersprache  Sohii^  und  es  scheint  sehr  natürlich 
anzunehmen,  dass  die  Berbern  die  Namen  ihrer  Stämme 
mit  diesem  Wort  anfingen,  grade  wie  im  Arabischen  das 
gleichbedeutende  _j-u  oder  0J3  stets  vor  dem  Namen  der 
Stämme  steht.  Ebensowenig  kann  es  auffallen,  dass 
Personennamen  damit  beginnen.  Ganz  analog  bezeichnen 
auch  die  Araber  jemanden  ohne  seinen  eigentUchen  Na- 
men bloss  durch  ein  dem  Namen  des  Vaters  oder  Gross- 
vaters vorgesetztes  Ehn,  und  nennen  sich  noch  im  heuli- 
gen Europa  viele  Juden  Jacobsohn,  Levisohn,  Mendelssohn. 


Erster  Artikel. 

Heber  Gesenlus  Illoniinienta  Pltoenieia. 

(Journal  des  Savans  1838.  Oct.  p.  624 — b'37.) 


Unter  den  Ursachen,  welche  in  der  Erklärung  der 
Phönicischen  Monumente  so  zahlreiche  Irrthümer  ver- 
anlasst haben,  hebt  der  Verfasser  vorzüglich  zwei  hervor, 
die  Nichtbeachtung  der  Gesetze  der  Palaeographie  und 
die  Willkür,  mit  welcher  man  ohne  Unterscheidung  Wörter 
aller  Dialecte  in  den  Inschriften  fand.  Er  hätte  noch  zwei 
andere  hinzufügen  können,  die  bisher  eben  so  schädlich 
gewirkt    haben.    Einestheils    hat    man    nämlich   oft  nicht 


96 


zum  Voraus  untersuchen  wollen,  welchen  Gegenstand  man 
in  einem  vorliegenden  Älonuraent  zu  erwarten  hahe.  Man 
kjann  indess  als  ein  fast  ganz  sicheres  Factum  annehmen^ 
dass  ein  isolirter  auf  dem  Lande  gefundener  Stein  nur  ein 
Grabstein  oder  ein  Votivmonument  sey.  Wenn  allerdings 
diese  so  einfache  und  natürliche  Regel^  von  der  mir  noch 
keine  Ausnahme  bekannt  ist^  ausserordenthch  die  Wich- 
tigkeit der  Inschriften  verkleinert,  so  entsteht  doch  auf 
der]n andern  Seite  der  Vortheil  daraus,  dass  der  Interpret 
auf  einen  engen  Kreis  beschränkt;  in  welchem  er  nur 
Nomina  propria^  Namen  von  Gottheiten  und  wenige  an- 
dere Wörter  erwarten  darf,  der  Gefahr  des  Irrthums  fast 
gar  nicht  ausgesetzt  ist  und  nicht  in  Versuchung  ge- 
räth,  wilde  und  widersprechende  Vermuthungen  aufzu- 
stellen^  wie  sie  diese  Art  gelehrter  Thätigkeit  endlich 
lächerlich  gemacht  und  ihr  bittere  und  übelwollende  Kri- 
tiken zugezogen  haben. 

Andererseits  muss  die  Sprache  derartiger^  für  obscure 
Personen  errichteter  und  blosse  Votiv-  oder  Grablegenden 
darbietender  Denkmäler  durchaus  die  des  gewöhnlichen 
Lebens  seyn  und  sich  nicht  über  die  einfachste  verständ- 
lichste Prosa  erheben.  So  oft  daher  ein  Interpret  darin 
seltne,  poetische  Worte^  die  sich  ausschliesslich  nur  in 
den  schwersten  Büchern  des  A.  T.  finden^  zu  sehen  glaubte^ 
kann  man  mit  Recht  schliesscn^  dass  die  Erklärung  zum 
wenigsten  sehr  zweifelhaft  sey,  und  dass  der  Ueber- 
setzer  sich  durch  leeren  Schein  habe  täuschen  lassen. 

Die  erste  Inschrift,  welche  die  Aufmerksamkeit  des 
Verfassers  auf  zieh  ziehen  musste,  war  ohne  Zweifel  die 
Bilinguis  von  Malta,  welche  zuerst  Bahthelemy  bis  auf 
einen  nachher  von  Bayer  gefundenen  Buchstabon  richtig 
entzifferte,  llr.  Gesemus  glaubt  in  der  zweiten  Zeile 
']12'S  servus  luus   für  MJS  servus   ejus  lesen  zu   müssen j 


97 


aber  ich  gestehe  dem  unmöglich  beipflichten  zu  können. 
Wie  wäre  es  anzunehmen^  dass  die  beiden  Errithler  des 
Monuments,  die  in  der  ganzen  Inschrift  von  dem  Gott 
Melkart  in  der  dritten  Person  reden,  an  dieser  einzigen 
Stelle  die  zweite  gebraucht  hätten?  Ich  weiss,  dass  ein 
solcher  Weclisel  des  Genus  sich  häufig  in  den  Schriften 
der  jüdischen  Propheten,  m  den  Psalmen  findet ;  aber  dies 
sind  poetische  Werke,  in  denen  der  Verfasser  in  der 
Begeisterung  sich  nicht  um  eine  vollkommene  Regelmässig- 
kcit  der  Verbindung  zu  bekümmern  hat.  Da  man  aber 
in  Inschriften,  deren  Sprache  im  höchsten  Grade  prosaisch 
ist,  ohne  die  augenschemlichste  Gewissheit  zu  haben, 
unmögUch  eine  so  auffallende  Anomalie  zulassen  darf,  so 
ziehe  ich  die  alte  Lesart  nzv  vor.  Ein  zweiter  Punkt, 
über  den  ich  die  Bleinung  des  gelehrten  Philologen  nicht 
theilen  kann,  ist  die  Erklärung  des  •'~:  u^5  durch  ^-:  r'K 
vir  vovens.  Der  Einwurf  gegen  meine  früher  geäusserte  An- 
nahme, dass  die  Assimilation  des  i  eine  wesentliche  Schwie- 
rigkeit und  ohne  Beispiel  sey,  erledigt  sich  durch  die 
noch  während  der  Blüthe  der  Hebräischen  Sprache  ge- 
bräuchüche  Form  ^,  zwischen  welcher  und  dem  ursprüng- 
lichen "i?rK^  jenes  t»  in  der  Mitte  steht'). 

Die  zweite  von  Gesexius  behandelte  Inschrift  ist  die 
zuerst  von  dem  Fürsten  von  Torremuzza  bekannt  ge- 
machte, von  der  sich  ein,  jedoch  unvollständiger,  Gyps- 
abguss  im  Antikencabinet  der  k.  Bibliothek  befindet. 
Barthelemy  hat  seine  Erklärung  dieses  Monumentes  nicht 
publicirt,  aber  das  von  ihm  im  Journal  des  Sarans  (1761, 
Dec.  p.  84)  mitgethcilte  Alphabet  bezieht  sich  augen- 
scheinlich darauf.  Nachdem  Gesemus  die  Arbeiten  von 
SwiNTOX,  O.  G.   TvcHSEv,  Kopp  und   Drummoxd,    deren 


1)     (S.  u.  S.  101.) 

V. 


in  der  That  keine  eine  strenge  Kritik  aushält,  angeführt 
hat^  entscheidet  er  sich  für  folgende  Lesung  und  üeher- 
setzung: 

I  2zn  nü2  Di«  f]io  I  n^  mn  rh^z  np2  I  S";,:  i2p  ah-j  nn  nn 

Conclare  domus  aeternae  (^est)  sepulchrum.  Depositus  est 
pius  in  hoc  claustro.  Spiritus  remissionis  (^eslj  mater  igno- 
miniae^).  Ilannibal  filitis  Bar  Malech. 

Aber^  frage  ich,  darf  man  das  auf  einem  Monument 
solcher  Art  erwarten?  Können  quasi-philosophische  lie- 
flexionen  in  Inschriften^  die  wie  bemerkt  nur  Grab-  oder 
Votivlegenden  enthalten,  Platz  finden  ?  Irre  ich  nicht^  so 
ist  der  Sinn  ein  ganz  anderer.  Ich  lese  nämlich  folgen- 
derraassen : 

2:n  nü3  nxi  1:2 
-b^2  ^2C•;^  p  S>* 

Conclave  domus  aeternae,  sepulchrum  fabricatum;  moaU'- 
mentum  nuruum  mearum  Jadhemed  et  Emboschet,  Hannibal 
filius  Ebed-Molek. 

Die  ersten  Worte  haben  keine  Schwierigkeit  und  sind 
von  allen  Auslegern  auf  dieselbe  Weise  gelesen,  lin  findet 
sich  mehrere  Male  im  A.  T.  als  cubiculnm,  conclave,  pe- 
netrale.  Prov.  7,  27  steht  z.  B.  ri.ia  n^ri  die  Kammern  des 
Todes.  Der  Ausdruck  domus  aeterna  für  Grab  erinnert  au 
die  Stelle  des  Diodor  I;  51,  nach  der  die  Acgypler  ihre 
Häuser  Gasthäuser  und  das  Grab  die  ewige  Wohnung  des 
Menschen  nannten.  Das  Wort  VSlj  oft  defectiv  2V?  ge- 
schrieben, entspricht  dem  häufigeren  n2i*n.    Das   Nomen 


1)    (Oder  vielmehr  la  den  Addeudls   S.  4«S.:    j-iiraa  X91Q  m 
Spiritus  mansuftus  sine  dedecurt.) 


propriom  "^W^-  bezeichnet  manus  gratiosa,  manus  pulehra 
wie  in  dem  Roman  vom  Tristan  die  Geliebte  dieses  Ritters 
Iseiilt  aux  bellesrnai HS  hcisst.  Das  Wort  l^^S'ps:  eigentlich 
Mutter  der  Beschämung  kann  in  weiterem  Sinne  für  pudica 
genommen  und  als  weiblicher  Name  betrachtet  werden. 
Das  letzte  Wort  haben  die  Erklärer  einstimmig  *]Sm2  ge- 
lesen^ aber  ich  kann  unmöglich  in  einer  Phönicischen 
Inschrift  die  rein  Syrische  oder  Chaldäische  Form  12  an- 
nehmen. Man  kann  sich  leicht  überzeugen^  dass  in  den 
Inschriften  das  "^  das  als  kleiner  Kreis  den  Au«en  ei- 
nes unerfahrenen  Künstlers  leicht  ein  blosser  Punkt  oder 
ein  zufälliger  Fehler  der  Vorschrift  scheinen  konnte,  oft 
genug  ausgelassen  ist;  andere  Beispiele  werden  in  der 
Folge  vorkommen,  und  überall  wird  man  augensdieinlich 
sehen,  dass  der  Fehler  eben  nur  dem  Steinhauer  zuzu- 
schreiben ist.  Danach  stehe  ich  nicht  an,  auch  hier  ein 
r  herzustellen  und  '\>'p  "^5?  Diener  Moloch' a  zu  l^en. 


Zweiter  Artikel. 

(Journal  des  Savans.  1843.  Sept  p.  513—531.) 


Keuentdeekte  Athenii^he  Ini>$c]trlfi«). 

Ein  Fragment  einer  Platte  von    Hymettischem  Mar- 
mor wurde  am  4.  Mai  1841   zU' Athen  in  der  Nähe  des 


*)  Vor  etwa  zwei  und  dreissig  Jahren  besass  der  Spa- 
nische Generalconsul  zu  Tunis,  Arnoldo  de  Solar 
einen  Marmor  mit  einer  langen  und  schönen  Phö- 
nicischen Inschrift,  der  in  den  Ruinen  von  Ledschem 
dem  alten  Tysdrus,  gefunden  war.  Hr.  Dusgate, 
damals  Englischer  MarineofTicier,  hatte  diesen  Stein 


100 


Piraeus  in  dem  Garten  des  Chioten  Alexander  Conto- 
stavli  ausgegraben^  auf  der  zwei  Inschriften^  die  eine  in 
Griechischen^  die  andere  in  Phönicischen  Charakteren^  be- 
findlich sind.  Hr.  Raoul-Rochktte,  der  davon  eine  Copie 
erhielt^  theilte  mir  dieselbe  sogleich  mit,  und  am  folgen- 
den Tage  legte  ich  der  Academic  der  Inschriften  eine 
Erklärung  der  beiden  Texte  vor.  Der  Griechische  Theil 
enthält  nur  eine  Zeile  in  Majuskeln^  während  die  Phö- 
nicische  Inschrift  aus  zwei  Linien  in  viel  feineren  Charak- 
teren besteht.  Das  Griechische  kann  also  keine  wörtliche 
Uebersetzung  seyn^  es  giebt  aber  den  Phönicischen  Text 
in  abgekürzter  Weise^  und   lautet: 

A^EFTE^YMIEAHBIO  Y^UQNIA 

d.  i.  Äsepte,  Tochter  des  Symselemos,  aus  Sidon.  Die  Na- 
men Aseple  und  Symselcmos  sind,  wie  man  sieht^  der 
Griechischen  Sprache  völlig  frerad^  was  freilich  bei  einer 
Sidonierin  nicht  auffallen  darf. 

Die  beiden  Phönicischen  Zeilen*)  übertrage  ich   fol- 
gendermassen  in  Hebräische  Schrift 

bv3  ]a  Sn^  p  »an  ^Sy]a\y^<  p  bs]n» 

und  übersetze :  Ego  Isbat,  filia  Aschmun-schillemj  Sidonia. 
Hoc  qiiod  statuit  mihi  Itten-Baly  filiiis  Aschmun-lsillah , 
heri  meij  filii  Schaül-min-'Baal. 

Den  Werth  der  in  dem  ersten  Namen  auf  das  Aleph 
folgenden    Buchstaben    kann    man    wegen    ihrer    unvoll- 


oft  gesehen.  Was  daraus  geworden^  weiss  ich  nicht. 
Hr.  von  Solar  ist  todt,  und  über  das  Schicksal  der 
Yon  ihm  gesammelten  Monumente  habe  ich  nichts 
in  Erfahrung  bringen  können. 

S.  die  erste  Lithographie  zu  diesem  Hefte. 


101 


kommenen  Form  nicht  ganz  sicher  bestirrimch ;  tndeiss 
zeigt  die  Griechische  Umschreibung  ziemlich  deutlich^  dass 
man  darin  »  und  d  sehen  muss.  Der  Xame  Asehmun- 
schillern,  der  im  Griechischen  zu  2'y'1/3E'^/firM0^  verkürzt 
ist,  enthält  den  des  Phönicischen  Gottes  Aschmuriy  mit 
welchem  man  auch  sonst  Eigennamen  gebildet  findet.  So 
ist  wahrscheinhch  für  Abdemon  bei  Jos.  c.  Ap.  p.  449 
Ahdismon  zu  lesen.  Das  Wort  nSt?  könnte  D?.^  integer 
ausgesprochen  werden,  ich  ziehe  indess  '^y?  retribitit  vor, 
so  dass  der  ganze  Xame  die  Bedeutung  Aschmun  retribitit 
hat,  wie  denn  überhaupt  die  Phönicische  Sprache  gern 
Namen  von  Personen  aus  dem  Namen  einer  Gottheit  und 
einem  im  Präteritum  oder  Futurum  stehenden  Verbum  zu- 
sammensetzte. Aehnhche  Beispiele  finden  sich  in  ziem- 
licher Anzahl  in  den  Inschriften.  Das  feminine  Adjectiv 
rny,  mit  vier  Buchstaben  geschrieben,  bestätigt  die  AVahr- 
nehmung,  dass  die  Phönicier  in  ihrer  Schrift  fast  überall 
die  quiescirenden  Buchstaben  ausliessen.  Ganz  so  steht 
auf  den  Münzen  von  Sidon  C3"T2f. 

Das  folgende  Wort  tj^  habe  ich  durch  quod  übersetzt. 
Schon  früher  habe  ich  gesagt,  dass  dies  wahrscheinlich 
das  Relativum  ""T^x  war,  das  im  Phönicischen  sein  1  ver- 
loren hatte,  wie  es  später  im  Hebräischen  auch  noch 
das  s  einbüsste.  Hr.  Gesemus  hat  meiner  Äleinunor  nicht 
beitreten  wollen^  und  die  seinige,  dass  das  fragliche  Wort 
dem  Hebräischen  vj^n  vir  entspreche,  beibehalten.  Ich  be- 
daure  indess,  erklären  zu  müssen,  dass  die  von  diesem 
schätzbaren  Gelehrten  angeführten  Gründe  mich  keines- 
wegs überzeugt  haben ,  und  muss  auf  meiner  frühern 
Deutung  bestehen.  Irre  ich  nicht,  so  giebt  es  keine  unter 
allen  Phönicischen  und  Pimischen  Inschriften,  in  der  das 
Wort  ü't*  mit  Sicherheit  nachgewiesen  werden  kann.  In 
einer  Votivinscription,  die  Hr.  Falbe,  ehemaliger  Dänischer 


102 


Generalconsul  zu  Tunis^  aus  Africa  mitgebracht  hat;  ist 
die  weihende  Person  eine  Frau:  ist  dabei  anzunehmen^ 
dass  die  Phrase  habe  mit  den  Worten  ms  xin  vir  vovens 
anfangen  könne?  Erklärt  man  aber  mit  mir  das  Wort 
durch  ">TüS;  so  erhält  man  den  ganz  natürlichen  Sinn  hoc 
quod  vovit.  Ferner  müsste,  wäre  der  von  Gesenius  voraus- 
gesetzte Sinn  der  wahre^  nothwendig  der  Artikel  vor  dem 
Substantiv  und  vor  dem  Participium  stehen;  ')'j^n  ü»^?^  ; 
derselbe  Fall  tritt  in  der  vorliegenden  Inschrift  ein  und 
die  Phrase  müsste^  um  nicht  sprachwidrig  zu  seyn^  eine 
analoge  Wendung  haben,  während  bei  meiner  Erklärung 
der  sehr  einfache  und  natürliche  Sinn  entsteht :  hoc  quod 
finxitj,  statuit  mihi.  In  einer  der  Maltesischen  Inschriften 
Uesst  man  nach  dem  Namen  des  Errichters  des  Monuments 
]3K  Dtr  v;^^.  Kann  mau^  frage  ich,  hier  anders  übersetzen  als : 
qui  posuit  lapidem?  Zwei  Zeilen  weiter^  nach  dem  Namen 
des  Gottes  Baal-Hamman,  heisst  es  iin  Sd  "au  ^ü,  wovon 
der  einzige  und  wirkliche  Sinn  der  ist:  qtiia  exaudivit  omnia 
verba  ej'us^').    In  den  Citischen   Inschriften  findet  sich  be- 


1)  (Geinuint  siud  die  vou  Gkskmus  als  Melitensia  3  and  4  bezeich- 
neten, deren  erstcre  Ifr.  Ouatiikmeiik  nacli  obigen  und  einigen 
später  gegebenen  Andeutungen  so  liesst: 

'^   jQ     323  Monumentum  Molek- 

-izrüTK    Sya  Baalis       qui      posu- 

-aS  • .  •    CD  it         ...  Ba- 

"X  ]Qn  hy  alt    Uammano    lapi- 

yaUU?X   XI  dem,   quia   exaudivit 

T13T  73  umniii  ejus  verba. 

Die  drei  durch  Punkte  bezeichneten  Charaktere  könnten  in  diesem 
Zusammenhange  etwa  rpll  gelesen  werden  (die  von  allen  ;;«;- 
wühnlichen  abweichende  Form  des  letzten  Buchstaben  scheint 
am  leichtesten  auf  n  zu  führen),  diesVerbum  im  Sinne  von  be- 
stimmen, d.  i.  weihen  genommen,  da  die  Bedeutung  insculpsit 
(und  daher  auch  ein  etwaiges  xiTW)  nicht  passend  crsclieint.  Die 


lOS 

ständig  nach  dem  Wort  n2X*3  monumenttim  und  vor  dem' 
Namen  dessen  ^  der  den  Grabstein  gesetzt  hat^  das 
Wort  WX,  das  auch  hier  wiederum  nur  durch  das  Rcla- 
tiyum  qui  übersetzt  werden  kann.  Ich  ersuche  Iln.  Gksenius, 
diese  Gründe  zu  erwägen^  und  hoffe,  dass  sie  ihn  zur 
Annahme  meiner  Meinung  veranlassen  werden*). 

Ich  komme  zu  einem  Worte,  das  bis  jetzt  Niemand 
erkannt  hat,  ungeachtet  es  in  den  Phönicischcn  Inschriften 
häufig  genug  vorkommt,  nämlich  zu  dem  Wort,  welches 
ich  K;p»  lese  und  durch  e/finxit,  formarit  übersetze.  Irre 
ich  nicht,  so  ist  dies  Vcrbum  aus  dem  Griechischen  tly.iov 
Bild  entstanden.  Es  darf  keineswegs  überraschen,  dass 
Griechische  Lehnworte  schon  früh  in  die  Sprache  der  mit 
Griechenland  in  so  ausgedehnten  Handelsverbindungen 
stehenden  Phönicier,  insbesondere  der  Cyprischen  ein- 
gedrungen sind,  da  die  Insel  Cyprus  mit  Griechischen 
Colonien  ganz  bedeckt  war.  Und  gerade  bei  diesem  Wort 
ist  es  keine  willkührliche  Vermuthung,  da  auch  das 
Syrische  das  ebenfalls  aus  elxtav  gebildete  ^n.  in  dem- 
selben Sinne  hat,  welches  sich  von  dem  Phönjcischen 
bloss  durch  Abfall  des  finalen  n  unterscheidet.  Zum  Be- 
leg könnte  ich  mehrere  Citische  Inschriften  citiren ;  da  ich 
aber  über  diese  noch  im  Einzelnen    handeln   werde,   be- 


Weodung  erläutert  das  ganz  analoge    i^'^pT    1127  K3*t  iO^n 
UCüb  einer  Palmyrenischeu  laschrift. 
Seine  Erklärung  der  Melit.  4  ist: 

"jS'S    3»i*3  MunumentuiH  Molek 
~t?*7K  "1DN  Asari      qui      pusu- 
HviS  n  it    Baali 
^2><t,  lapidem 
.  .  .  .     ) 

1)    (Es  darf  nicht  unerwähnt  bleiben^  dass   gleichzeitig    Gesknius 
den  vir  vovens  aufgegeben  hatte  im  Thesaurus  p.  1345.)        b 


104 


halte  ich  mir  bis  dahin  vor,  zu  zeigen,  dass  das  Wort 
iii  ihnen  stets  in  derselben  Form  und  mit  demselben 
Sinne  vorkommt. 

In  der  vorliegenden  Copio  scheint  der  nunmehr  fol- 
gende Name  mit  einem  >  anzufangen :  'i2Y\\  Diese  Form 
scheint  auf  den  ersten  Blick  dem  Phönicischen  Sprach- 
gebrauch nicht  ganz  angemessen  5  so  oft  nämlich  in  den 
Inschriften  ein  Nomen  proprium  aus  einem  Substantiv  und 
einem  Verbum^  sey  es  im  Präteritum  oder  Futurum^  zu- 
sammen gesetzt  ist^  steht  allemal  das  Verbum  nach  dem 
Substantiv^  wovon  zahlreiche  Beispiele  in  meinen  folgen- 
den Erklärungen  vorkommen  werden.  Man  könnte  daher 
in  der  Copie  einen  leichten  Fehler  voraussetzen  und 
Statt  '  ein  a  lesen^  so  dass  die  wahre  Form  S2  "inp  Baalis 
donum  wäre.  So  findet  sich  auf  einer  unter  Römischer 
Herrschaft  geschlageneu  Münze  von  Carthago^  als  Name 
eines  Suffeten,  Muthom-Baal  d.  i.  Sya  "inc  Indess  da  wir 
der  Phönicischen  Sprache  bloss  auf  eine  kleine  Zahl  we- 
nig charakteristischer  Inschriften  hin  nicht  mit  Bestimrat- 
heit  eine  Namenform  absprechen  dürfen^  halten  wir  uns 
besser  an  die  Texteslesart.  Ohnehin  finden  wir  in  der 
Geschichte  den  von  zwei  'lyrischen  Königen  getragenen 
Namen  Ithobalf  der,  wenn  ich  nicht  irre^  von  Josephus 
etwas  verunstaltet  und  Ittenbal  zu  lesen  ist^  so  dass  ei 
dem   in   unserer  Inschrift   vollkommen  entspräche. 

Das  Wort  bi  steht  hier  für  Sv2.  Schon  früher  hatte 
ich  Gelegenheit  und  werde  sie  noch  oft  haben  zu  be- 
merken^ wie  leicht  das  V  von  den  Verfertigern  der  Phö- 
nicischen und  Punischen  Inschriften  ausgelassen  worden 
ist;  es  scheint  selbst,  dass  in  der  gewöhnlichen  Sprache 
der  Buchstabe  oft  clidirt  wurdc^  besonders  in  dem  Wort 
S'J2y  wofür  man  Si  sagte.  Dies  zeigt  sich  in  dem  Namen 
der  Königin  S^rx,  und  ebenso  war  in  dem  Babylonischen 


ins 

Dialekt  die  Form  Si  in  Gebrauch.  Der  Name  nSv  '[nvH 
heisst  Aschmnn  prosperavit. 

Das  Wort  ^21  übersetze  ich  durch  herus  mens  und 
nicht  durch  sponsus  meus.  Für  dieses  hätte  ^w»^<  oder  »S?2 
stehn  müssen.  Das  Wort  -1  bezeichnet  nie  den  Gemahl ; 
es  bezeichnet  entweder  den  Herrn  eines  Sclaven^  oder 
einen  Lehrer,  oder  den  Meister  in  Beziehung  auf  Schüler. 
Aus  der  Stellung  des  Wortes  ^31  geht  deutlich  hervor, 
dass  nicht  Ittenbal,  der  das  Monument  errichten  Hess, 
sondern  sein  Vater  Aschmun-tsillah  der  Herr  der  be- 
nannten Frau  war. 

Ich  lese  weiter  S" 3  ]a  Snu  und  erkläre :  der  vom 
Baal  Geforderte.  Der  Name  ist  allerdings  ziemlich  lang, 
aber  man  braucht  nur  die  Bibel  aufzuschlagen,  um  ähnliche, 
aus  einer  kleinen  Phrase  bestehende  Namen  zu  finden, 
in  denen  der  Name  Gottes  mit  einem  Substantiv  oder 
Verbum  verbunden  ist.  So  heisst  der  Vater  Serubabels 
Si^^nSxu  d.  h.  ich  habe  Gott  angerufen^  und  es  liessen  sich 
eine  Menge  anderer  Beispiele  beibringen.  Selbst  in  den 
ersten  JahrlAnderten  des  Chri<tenthums  wählte  man  der- 
gleichen Namen  häufig;  die  Carthagische  Kirche  bietet 
uns  in  einem  Jahrhundert  drei  Bischöfe  dar  mit  Namen 
Quod-vult-Deus,  Deo-gratias  und  Habet-Deum. 

Iiisehrift  von  ]%'ora. 

Eine  in  Pula^  dem  alten  Nora  in  Sardinien  entdeckte 
Inschrift  ist  auf  verschiedene  Weise  von  Arri,  Gesemüs 
undBENARY*)   erklärt  worden.     Der   erstere  hat   nachher 


1)  CDem  gelehrten  Verfasser  ist  die  von  Wuum  in  den  Netten 
Jbb.  für  Philol.  1S38.  Bd.  XXIII.  p.  28.  versuchte  Deutung: 
Domus  principis,  qui  et  dux,  quem  pater  Sardon  beavit; 
huic  pax  obtinyat,  Malchuttano,  filio  principis^  filii  ducis 
L  —  ae  (hdoS)  uQbekanut  geblieben.  Die  gegen  Hd.Quatrkmk- 
RB^s  Lesung  möglichen  Einwendungen  liegen  zu  Tage.  Ueberhaujit 


106 

seine  Deutung  gegen  die  der  beiden  Letzteren  zu  verthei- 
digen  gesucht.  Gesenius  erklärt  sie  in  .folgender  Weise; 

Domus  capitis  (j.e.dormiforimn^principis,  qtii  QeraQ  paier 
Surdorum.  Pacis  amans  ille.  Pax  contingat  regno  nostru. 
Ben  Rosch  filius  Nagidi,  L  —  ejisis  (_,jAc  nomine  gentilicio 
dubito'^0- 

Ich  meinestheils  möchte  keine  dieser  verschiedenen 
Erklärungen  annehmen^  die  mir  in  der  That  zu  wenig 
natürlich  und  zu  wenig  den  Gesetzen  der  Hebräischen 
Sprache  angemessen  erscheinen.  Die  folgende  scheint 
wenigstens  das  Verdienst  einer  grossen  Einfachheit  zu 
haben. 

«n  Tun  phl 

^  p    1U2 

hvj  KH  dS 

DK  []l3  'Dhl 

1  \i  p>S  % 

Monumentmn  Rosch- Sar  filii  Rosch-Ah-sart  filii  Schalern 
Uschlucensis,  filii  Asalitten,  filii  Roschj  filii  Nur  lisch- 
lucensis. 

Zur  Rechtfertigung  dieser  Deutung  diene  folgendes. 
Zunächst  sieht  man  leicht,  dass  am  Anfang  der  Inschrift 
zwei  Buchstaben  fehlen:  dass  das  Wort  t\i  für  n>a  Haus 
nicht  in  der  Bedeutung  6?r«/>' gebraucht  werden  konnte,  ohne 
wenigstens,  wie  in  den    Maltesischen    Inschriften,    durch 


vermisst  man  eine  nähere  Nachricht  über  die  Beschaffenheit  des 
offenbar  nicht  vollsläiidiKcn  {Steines,  aus  der  hervorginge,  wo 
und  wie  viel  etwa  eu  ergänzen  sein  müchte.) 


m 

ein  hinzugefügtes  dS7  die  Formel  domus  aeterna  zn  bilden. 
Es  ist  dalier  wahrscheinlich,  dass  die  beiden  Buchstaben  s*3 
durch  einen  Bruch  des  Steines  verloren  gegangen  sind,  so 
dass  auch  hier   das  gewöhnlich  vorkommende  Wort  ri2]ra 
montimentum  gestanden  hat.  Das  Nomen  proprium  wi  kommt 
vermuthlich  von  rfX"!  Haupt.  Nach  dem  folgenden   u  sind 
entweder  einer  oder  zwei  Buchstaben  weggefallen :  im  crste- 
ren  Fall  könnte   mau   ein  •"  hinzufügen,   um  -'ü  Anführer 
zu  bilden,  im  letzteren  hätten  wir  aS\r  ü"!   Rosch  schalem 
als  Eigennamen^  welche  Lesart  mir  vorzuziehen  scheint. 
Die  Stadt,  aus  der  der  Gestorbene  gebürtig  war,    findet 
sich  nicht  angegeben,    vielleicht  weil  dies  eine  bekannte 
Sache  war  und  er  aus   der  Stadt  stammte,  in  der  er  be- 
graben wurde,  nämlich  aus  Nora  selbst.  Unmittelbar  nach 
dem  so    gewonnenen  Nomen  proprium  müssen    wir   das 
Wort  Sohn  erwarten,  daher  ich  glaube  p  lesen   zu  müs- 
sen. Das  Wort  \r'  kommt  noch  einmal  vor  als  Name  des 
Vaters  des  vorher  benannten.  Darauf  folgt  ein  Wort,  wel- 
ches ich  itri»(n  lese.   Da  es  den  Artikel  hat  kann  es  nur 
zweierlei  bezeichnen,  entweder    einen  Amtstitel  oder  ein 
Adjectiv  zur  Bezeichnung  der  Herkunft.  Im  letztern  Fall 
müsste    es  nothwendig  auf»  ausgehen,   daher   es   nur  ein 
Titel  seyn  kann  mit  der  Bedeutung  :  le  pere  chef.  Dies  mag 
der  Titel  der  ersten   Magistratsperson  der  Stadt  gewesen 
seyn;  in  ähnlicher  Weise  hicssen  nach  dem  Zeugniss  des 
Pentateuch  die  kleinen  Könige  der  Philister  "jS^z  »2X   Vater 
des  Königs,   trugen   die  Könige    von   Edessa   den   Namen 
Abgurj  und  noch  mehr  entspricht  der  Bedeutung  nach  der 
Titel  Ata-beg.    In    dem  folgenden  Wort,   das  ich  ^ciSüKn 
lese,  finde  ich  das  Adjectivum  zu  Usellis ,   einer  Sardini- 
schen Stadtj   und  wenigstens  ist  es  natürlicher  hier  einen 
Bewohner  dieser  Insel,  als  einen  Africaner  zu  sehen.  Nach 
dem  folgenden  i  scheint  der  Steinhauer  das  ]  des  Wortes 
p  vergessen  zu  haben.  Danach  lese  ich  p^ScN.  Wenn  hier 
nicht  etwa  ein  Fehler  in  der  Zeichnung  seyn  sollte,  ist  an- 


108 

zunehmen,  dass  in  diesem  Dialect,  wie  in  vielen  andern, 
das  T  in  S  überginge  so  dass  bsK  für  den  in  Phönicischen 
nominibus  propriis  so  häufigen  Namen  des  Gottes  ids  stände, 
und  das  ganze  Wort  bedeutete:  gegeben  von  Asal  (^Asar) 
In  der  letzten  Zeile  müssen  zwei  Buchstaben  \vee<refallen 
seyn;  wir  finden  bei  dieser  Annahme  das  obige  Wort  »DlSuN, 
aus  Usellis. 

Inschriften  von  CStiiim. 

Als  Bauthelemy  sich  erijstlich  mit  dem  Studium  der 
Phönicischen  Monumeiite  beschäftigte ,  schrieb  der  da- 
malige Marineminister  Graf  von  3IorvilIe  auf  seine  Bitte 
an  den  Französischen  Consul  in  Cypern  und  beauftragte 
ihn,  die  durch  Pococke  bekannt  gewordenen  Citischen  Mar- 
mortafeln nach  Paris  zu  schaffen.  Der  Consul  erwiderte, 
dass  sie  sämmtlich  kurz  vorher  in  den  Ofen  gebracht 
und  zu  Kalk  gebrannt  seyen.  Zur  Wiederauffindung  der 
Originale,  die,  nachdem  sie  so  viele  Jahrhunderte  lang 
von  der  Zeit  und  den  Barbaren  verschont  geblieben,  in 
der  Mitte  des  achtzehnten  Jahrhunderts  und,  wie  es  scheint, 
durch  Europäische  Hände  spurlos  untergingen,  bleibt  nicht 
die  mindeste  Hoffnung  und  wir  sind  daher  zur  Erklärung 
der  Inschriften,  abgesehen  von  dem  einen  nach  Oxford 
gebrachten  Steine,  auf  zwei  genaue  Copien  Porters  und 
die  überaus  nachlässigen  Abschriften  Pococke's  beschränkt. 
Die  Oxforder  Inschrift  blieb  die  einzige,  mit  w  elcher  man 
sich  ernstlich  beschäftigt  hat,  bis  in  neuester  Zeit  Ge- 
SENius  eine  fast  vollständige  Uebersctzung  der  Inschriften 
lieferte.  Da  ich  indess  von  ihm  in  vielen  Punkten  ab- 
weichen muss,  lege  ich  hier  eine  neue  Deutung  dieser 
Monumente  vor. 

Die  erste  und  längste  Inschrift  ist  unglücklicher  Weise 
die  von  Pococke  am  nachlässigsten  behandelte,  so  dass 
ihre  sümmtlichcn  Buchstaben    auf  die    sonderbarste  Art 


109 

entstellt  und  fast  unleserlich  geworden  sind.  Hrn.  GeseMüs 
Scharfsinn  hat  dieser  Schwierigkeit  wegen  keine  voll- 
ständige Entzifferung  gewagt.  Ich  werde  mehr  unter- 
nehmen: ich  glaube  die  Inschrift  vollkommen  herstellen 
zu  können.  Da  dies  aber  nur  durch  Conjecturen  geschehen 
kann,  die  vielleicht  auf  den  ersten  Anblick  zu  kühn  er- 
scheinen werden,  so  muss  ich  die  Entzifferung  der  übri- 
gen Inschriften  voraus  schicken. 

OiLf Order  Inschrift'). 

Kein  Phönicisches  Sprachdenkmal  hat  die  gelehrte 
Kritik  so  viel  beschäftigt^  als  diese  Inschrift.  Nach  den 
Versuchen  Barthelemy'Sj  Swinton's,  Akerblad's^  Sacy's, 
Fabricy's,  Kopp's,  des  verstorbeneu  Caussin  de  Perceval, 
dessen  in  der  Academie  der  Inschriften  gelesene  Abhand- 
lung unedirt  geblieben  ist,  und  Hamaker's  hat  Gesemus 
folgende  Erklärung  gegeben: 

Ego  Abdosiff  filius  Abdsttsimij  filius  Hori  (jhunc)  eippum 
ei  quae  per  vitam  meam  consuevit  mecum  super  cuhili  meo 
placido  in  aetum  omru  posui  Amath- Astarte,  filia  Thomaej 
filii  Abdmelichi, 

Ehe  ich  meine  eigne  Lesung  vorlege^  erlaube  ich 
mir  über  die  vorstehende  einige  Bemerkungen.  Zunäclist 
kann  ich  mich  nicht  überzeugen^  dass  der  alleiu  stehende 
Buchstabe  s  im  Phönicischen  habe  für  is  qui  oder  ea  quae 
gebraucht  werden  können.  Wenn  dafür  directe  Beispiele  in 
den  Phönicischen  Monumenten  vorhanden  wären^  so  müsste 
man  sich  allerdings  dem  Augenschein  ergeben^  bis  jetzt 
aber  ist  dafür  nicht  das  Mindeste  beigebracht.  Zweitens 
bezieht  sich  der  Ausdruck  "n3  per  vitam  meam,  so  oft  er 


1)  (Ewald's  Erklärung  dieser  Inschrift  im  vorigen  Bande  der 
Zeitschrift,  mit  der  die  obige  am  nächsten  zusammentrifft,  konnte 
dem  Verfasser  noch  nicht  bekannt  seyn.) 


110 

auf  den  Citischen  Monumenten  vorkommt^  nie  auf  eine 
Person^  die  die  Gefährtin  des  Verstorbenen  während  seines 
Lebens  gewesen  wäre^  sondern  immer  nur  auf  die  Er- 
richtung des  Monuments:  D^'ns  riXJQ  Monumentum  per 
vitam  positum.  Das  Verbuni  ]"□'  in  der  Bedeutung  wohnen 
existirt  weder  in  der  Hebräischenj  noch,  die  Arabische  aus- 
genommen^ in  einer  der  verwandten  Sprachen.  Ist  ferner 
dieses  der  Ausdruck  für  einen  solchen  Fall?  Kann  man 
sagen :  eine  Frau^  die  auf  meinem  Bett  gewohnt  hat?  Wahr- 
scheinlich hätte  man  sich  doch  des  eingeführten  und  ge- 
wöhnlichen Wortes  :i3*j  cuhavit  bedient.  Ist  es  ausserdem 
glaublich;  dass  das  Masculin  gebraucht  sey,  wo  von  einer 
Frau  die  Rede  ist?  Dazu  kommt ^  dass  der  Ausdruck 
Mina  3Dua  cubUe  requiei  meae  doch  nicht  wohl  ein  materi- 
elles Bett  bezeichnen  kann,  sondern  eben  nur  das  ewige 
Ruhebett;  das  Grab.  Auch  ist  nicht  glaubUch,  dass  die  Phö- 
nicier  das  Suffix  der  dritten  Person  Sing.  Masc.  durch  ein 
K  am  Ende  ausgedrückt  hätten.  Endlich  macht  in  dem  Ver- 
bum,  welches  Geseniüs  nt<  a"a>  liesst^  das  n  sicherlich  ei- 
nen integrirenden  Theil  des  Wortes  aus,  wie  die  obige 
Athenische  Inschrift  unzweifelhaft  gezeigt  hat.  Eben  so  ist 
eine  Erklärung,  die  in  n«  eine  Abkürzung  von  >nt<  sieht, 
durchaus  unzulässig. 

Auf  den  ersten  Blick  sollte  es  scheinen,  als  ob  nach 
den  Arbeiten  so  vieler  gründlichen  Gelehrten  eine  so 
kurze  Inschrift  keine  Schwierigkeiten  mehr  darbieten  könnte. 
Nichtsdestoweniger  ist  es  sehr  gewiss,  dass  einige  Worte 
noch  dunkel  sind  und  der  Sinn  im  Ganzen  keinesweges 
so  fest  gestellt,  dass  neue  Versuche  überflüssig  wären. 
Daher  ich  die  folgenden  Vermuthungcn  der  Prüfung  der 
diesen  Gegenstand  ihrer  Aufmerksamkeit  werth  schätzen- 
den Gelehrten  vorlege. 

Akkrulau's  Lesung  der  ersten  Zeile  scheint  mir  un- 
widcrsprechlich.  Nur  füge  ich  seinen  Bemerkungen  hinzu, 
dass  das  Wort  idx  Asar  in  -iDNTTi  bei    den    Phöniciern 


111 


eine  sehr  wichtige  Gottheit  bezeichnet  zu  haben  scheint, 
da  man  es  in  vielen  Namen  findet.  In  der  von  Barthe- 
LEMY  erklärten  Maltesischen  Inschrift  liest  man  Ebed  Asar^ 
der  Diener  Asar's,  und  Asar-schamary  der  von  Asar  Be- 
schützte, jenes  auch  in  der  23.  Inschrift  von  Citiura.  Jo- 
sephus  c.  Ap.  p.  449  erwähnt  einen  König  von  Tyrus  Na- 
mens Bodezor;  ich  glaube,  dass  man  hier  Abde%or  d.  i. 
Ebed  Asar  lesen  rauss.  Der  Cultus  dieser  Gottheit  muss 
ebenfalls  bei  den  Assyrern  sehr  verbreitet  gewesen  seyn, 
da  man  drei  damit  zusammengesetzte  Namen  ihrer  Kö- 
nige kennt:  Teglat-P?tal-Asar,  Schalman-Asar  und  Asar^ 
Haddon.  Die  vouAkerdlad  angenommene  Identität  desiD;« 
mit  dem  Aegyptischen  Osiris  scheint  mir  überaus  zweifel- 
haft. Eine  andere  nnedirte  Inschrift,  davon  die  Academic 
der  Inschriften  eine  Copie  besitzt,  enthält  den  Namen 
TK  *S^  Molek-Asar, 

Die  zweite  Zeile  beginnt  mit  den  beiden  Buchstaben 
cS  ,  die  eine  w^irkliche  Schwierigkeil  darbieten  und  alle 
bisherigen  Erklärer  in  grosse  Verlegenheit  gesetzt  haben. 
Unter  allen  bisher  vorgeschlagenen  Conjecturen  befrie- 
digt mich  keine.  Ich  weiss  nicht;  ob  die  meinige  glück- 
licher seyn  wird. 

Zunächst  könnte  man  den  zweiten  Buchstaben  für 
fehlerhaft  eingehauen  halten  und  mit  einem  Jod  statt  sei- 
ner ^S  mihi  lesen.  In  der  That  wäre  diese  Vermuthung 
nicht  übermässig  gewagt,  da  man  die  Figur  nur  umzu- 
kehren braucht,  um  ein  Jod  für  Mem  zu  erhalten.  Da 
aber  der  Charakter  hier  sehr  bestimmt  gezeichnet  ist, 
möchte  ich  nicht  zu  diesem  Mittel  greifen.  Wenn  also 
eine  andere  Vermuthung  nöthig  ist^  lässt  sich  annehmen^ 
dass  ein  V  entweder  am  Ende  der  ersten  oder  am  An- 
fang der  zweiten  Zeile  von  dem  Steinhauer  vergessen 
sey,  welches  das  Wort  dS?  aeternitas  gebildet  habe.  Ein 
solcher  Fehler  darf  nicht   überraschen^   da    es  sich  nicht 


112 

von  einem  öffentlichen  Monument  handelt^  dessen  Errich- 
tung sorgfältig  überwacht  seyn  würde^  sondern  von  dem 
Grabstein  einer  blossen  Privatperson^  dessen  Besorgung 
Arbeitern  überlassen  war^  die  ohne  Zweifel  nicht  son- 
derlich in  der  Sprache  bewandert  waren,  und  sich  we- 
niger um  Correctheit,  als  um  Symmetrie  der  Zeilen 
kümmerten. 

Bei  einer  genauem  Untersuchung  der  Phönicischen 
und  Punischen  Inschriften  überzeugt  man  sich,  dass  die 
Steinhauer  regelmässig  das  Vy  das  gewöhnlich  nur  in 
einem  kleinen  Kreis,  in  einer  Art  Punkt  besteht,  ausge- 
lassen haben.  Beispiele  davon  habe  ich  schon  angeführt 
und  noch  mehrere  werden  später  vorkommen,  so  dass 
das  Fehlen  des  JT  wohl  keinen  treffenden  Einwurf  gegen 
die  Richtigkeit  meiner  Erklärung  abgeben  kann.  Ich  lese 
demgemäss  oSy  nasa  monumentum  perenne.  Gerade 
so  heisst  in  der  Inschrift  des  Fürsleu  von  Torremuzza 
[Melit.  2.]  ein  Grab  üSl?  ni  domus  aeterna. 

Sodann  lese  ich  nj;2p>  und  übersetze  efformati,  eßnxi. 
Man  sehe,  was  ich  oben  über  die  Lesung  und  den  Sinn 
dieses  Verbums  gesagt  habe,  von  dem  weitere  Beispiele 
bei  einzelnen  Citischen  Inschriften  noch  vorkommen  wer- 
den. Ich  hatte  in  einer  früheren,  vor  längeren  Jahren  in 
der  Academie  der  Inschriften  gelesenen  Abhandlung  diese 
Deutung  vorgeschlagen,  aber  zugleich  erklärt,  dass  ich 
sie  bestimmt  verwerfe;  aber  seitdem  hat  mich  die  ent- 
deckte Athenische  Inschrift  und  ein  genaueres  Studium 
der  übrigen  Citischen  belehrt,  dass  diese  Annahme  die 
einzige  ist,  die  sich  mit  der  Bestimmung  der  Monumente 
und  dem  Sinn  ihrer  Texte  vereinigen  lässt.  Das  N  macht; 
wie  bemerkt,  einen  integrirenden  Theil  des  Wortes  aus 
und  das  n  rauss  daher  das  Afformativ  der  ersten  Person 
seyn. 


113 

Es  folgen  die  Worte  zhvh  Tina  22tTi  ^V  stiper  Iccttim 
qnietis  meae  in  aelerninn. 

Die  drei  letzten  Buchstaben  der  Zeile  sind  bis  jetzt 
von  Allen  sSd  gelesen,  ohne  dass  Jemand  diesem  Worte 
hätte  irgend  einen  zulässigen  Sinn  geben  können.  Ich  glaube, 
dass  man  darin  sbl  sehen  muss,  welches  mit  den  drei  er- 
sten Buchstaben  der  folgenden  Zeile  tiünSi  etuxori  meae 
giebt.  Auf  der  von  Barthelemy  erklärten MaltSischen  In- 
schrift hat  das  t  eine  der  vorliegenden  sehr  ähnliche  Figur. 
Das  folgende  Wort  lese  ich  mit  Sacy  mnw'i  n!2«S  servae 
Astüjfes,  und  halte  es  für  den  Namen  der  Gattin  dessen, 
der  das  Monument  errichtet  hat.  Man  setzte  also  im  Phö- 
nicischen,  wie  im  Syrischen,  wenn  zwei  im  Dativ  und  in 
Apposition  stehende  Noraina  auf  einander  folgten,  das  Lamed 
vor  beide.  So  steht  auch  in  der  Inschrift  von  Malta  "j'-j^S 

Zur  Vergleichung  dient  der  auf  einer  Citischen  In- 
schrift vorkommende  Name  einer  Frau  -jS^Z  n*:x  Dienerin 
Moleks.  In  TakiedJin  Fäsi's  bibliographischer  Geschichte 
der  berühmten  Mekkaner  (ms.  II.  fol.45.r.)  wird  eine  Frau 
Namens  X^'ö  *a^»JI  iCoi,  die  Dienerin  des  Allbarmherzigen 
Fatimah,  im  Kitub Alaghuni  \\L  fol.  159.")  eine  andere  Na- 
mens v_jIpJI  iU\,  Dienerin  des  Allgütigenj  erwähnt.  In  dem- 
selben Werke  (I,  136  r.)  redet  ein  Araber  eine  Frau, 
die  Um  gastlich  aufgenommen,  mit  äU!  'm\  L   an. 

Die  folgenden  Worte  sind  ohne  Schwierigkeit  und 
heissen  filiae  Tomi,  filii  Ebed-Molek.  Ebed-Molek  lese  ich, 
Diener  des  Moloch,  nicht  Ehed  Melek  Diener  des  Königs^ 
welches  mit  dem  Artikel  heissen  müsstc  Ebed  hammelek._ 
Auch  würde  diese  Form  dem  constanten  Gebrauch  in  iXcix 
Semitischen  Sprachen  widersprechen,  in  denen  das  Wort 
ebed,  abd  in  der  Composition  stets  einen  göttlichen  Namen 
nach  sich  hat.  Das  Arabische  Abdalmelikj  das  zunächst 
diese  Regel  umzustossen  scheinen  könnte,  bestätigt  sie 
vielmehr,  denn  es  ist  sicher,  dass  es  nicht  Diener  desKö- 
V.  8 


114 

nigs,  sondern  Diener  des  höchsten  Königs,  Gottes,  be- 
zeichnet. 

In  einer  schon  ohen  angeführten  Inschrift  und  in  einer 
andern,  ebenfalls  der  Academie  gehörigen  finde  ich  die 
beiden  Nomina  propria  Molek-Baal  und  Molek-Asar,  die 
aus  den  Namen  zweier  Gottheiten  zusammengesetzt  sind. 
Diese  Namenform  war  besonders  bei  den  Aegyptern  ge- 
bräuchhch.  In  den  kirchlichen  und  andern  Schriftstellern 
findet  man  auf  jeder  Seite  Namen  wie  Sarapamon,  He- 
raclamoriy  Besamon,  Nilamdn  und  ähnhche. 

Ich  lese  und  erkläre  also  die  ganze  Inschrift  folgeuder- 
massen : 

-kSt  obyb  mna  32ujd  hv  n«:p»  »ma  aSi"!?] 

Ich  Ebed  Asar,  Sohn  des  Ebed  Sesem,  Sohnes  Hor's,  habe 
dies  ewige  Monument  zu  meinen  Lebzeiten  über  meinem 
Ruhebett  für  immer  errichtet  für  mich  und  meine  Gattin 
Amat  Aschtoret,   Tochter  Tom's^  Sohnes  des  Ebed  Molek. 


-<j|©»o- 


115 


V.    * 
Erklärung  seltener  blbliseher  Wörter 


von 
Saadlas   Gaoau 


Zum   ersten   Male  aus    einer  Oxforder  Handschrift   be- 
kannt gemacht  und  erläutert 


von 
E<eopold  Itukes« 


Dieses  Docament  des  allerersten  Anfangs  der  hebräischen 
Lexicographie,  "welches  zwar  zaweilen  genannt,  aber  nicht 
bekannt  war,  verdanke  ich  der  Güte  des  Hrn.  Prof.  v.  Ewald, 
welcher  es  hev  seiner  Anwesenheit  in  Oxford  copirte.  Der- 
selbe hatte  auch  sehr  gehaltvolle  Auszüge  aus  den  bis  jetzt 
sehr  wenig  bekannten  Uebersetzungen  und  Commenlarien 
des  Saadias  zu  Job  und  den  Psalmen  aus  genannter  Stadt 
mitgebracht,  welche  bald  von  seiner  kunstgewandten  Hand 
der  OefiFentlichkeit  übergeben  werden  sollen,  wodurch  die 
Exegese,  welche  demselben  bereits  so  viel  verdankt,  aber- 
mals eine  wesentliche  Bereicherung  erhalten  wird.  Eine  kri- 
tische Notiz  über  die  Werke  des  Saadias  vom  Schreiber  die- 
ses   wird  sich  diesen  Mittheilungen  anschliessen. 

Da  in  genannter  Abhandlung  dieses  Documenta  welches 
eben  den  Lebern    dieser    Zeitschrift   vorgelegt    wird,    näher 


llj» 


besprochen  und  sein  Verhältniss  sowohl  zur  Exegese  über- 
haupt, als  zu  den  Werken  des  Saadias  insbesondere  bestimmt 
dargelegt  ist ,  so  können  hier  einstweilen  die  allerkürzesten 
Andeutungen  genügen. 

Die  Aufgabe  dieser  Abhandlung  des  Saadias  ist  singu- 
lare biblische  Wörter  dureh  die  Mischna  und  den  Talmud 
zu  erklären,  eine  Methode,  welche  schon  durch  den  Talmud 
selbst  begründet  war  ,  denn  die  Talmudisten  erklärten  ih- 
rerseits wieder  singulare  Wörter  der  Mischna  durch  bibli- 
sche Worte  '),  wovon  auch  Saadias  Gebrauch  machte,  vrgl. 
No.  35,  54,  62,  80,  85.  Dieser  Versuch  des  Saadias  wurde 
später  von  den  Exegeten  und  Lexicographen  benutzt,  und 
auch  von  ihnen  diese  Methode  befolgt. 

Erwähnt  wixd  diese  Abhandlung  tles  Saadias  von  dem 
berühmten  Grammatiker  und  Lexicographen  Jona  ben  Gan- 
nach  (auch  Abulwalid  Marwan)  2)  ^  welcher  diese  Methode 
nachdrücklichst  empfiehlt.  Bei  andern  jüdischen  Schrift- 
stellern des  Mittelalters  ist  diese  Abhandlung  nicht  namcnt- 
h'ch  erwähnt.  Später  wurde  sie  von  Wolf  ^) ,  Gesenius '•), 
Rappoport  5)  und  Munk  <^)  genannt. 

Die  Zahl  der  Wörter  wix'd  von  allen  diesen  Schriftstel- 
lern auf  70  angegeben,  wozu  sie  allerdings  das  Wort  '}'^:?So!:N 
berechtigt,  aber  wie  der  Leser  selbst  sehen  wird,  sind  ihrer 
89.     Es  befindet  sich  diese  Abhandlang  in  der  Bodlejanischcn 


1)  Diesen  Gegenstand  iu  seiner  ganzen  Ausdehnung  habe  ich  in 
einer  Abhandlung:  über  die  Sprache  des  Talmuds  zu  eutwik- 
keln  gesucht.  Hoffentlich  wird  sich  bald  eine  Gelegenheit  dar- 
bieten, dieselbe  bekannt  zu  machen. 

2)  Auszüge  aus  dessen  hebr.  Würterbucb,  so  wie  ausJehuda  ben 
Karisch  grammatischen  Arbeiten ,  haben  die  Freunde  der  Lite- 
ratur ebenfalls  von  Hrn.  Prof.  v.  Ewa.ld  zu  erwarten. 

3)  Bibl.  heb.  nr,  859. 

4)  Geschiclite  der  heb.  Spraclie  und  Schrift  S.  99. 

5)  Bikure  Haitim   1828.  S.  30.  Note  45. 

6)  Nutice  sur  Rabbi  Saadia  Gaou.  Paris  1838. 


117 

Bibliothek  Cod.  Huntington  573.  Weil  aber  in  der  Hand- 
schrift sowohl  die  zu  erklärenden  Wörter  aus  der  Bibel, 
als  die  zur  Erklärung  aus  dem  Talmud  angeführten  nicht 
nach  den  Stellen,  wo  sie  sich  finden,  sondern  ganz  nackt 
hingestellt  sind ;  so  mnssten  diese  Stellen  aufgesucht  und  be- 
merkt werden,  was  bei  dem  Talmud  keine  leichte  Arbeit  ist. 


(n'y  T"b  n2^)  '^•'"12:  nswa  ficr  er  '75'^s  (1 

Das  Wort  'j2-i^  2  Chr.  2, 15  bedeutet  so  viel  du  brauchst 
uud  ist  dasselbe,  wie  das  in  der  Mischna  vorkommende  ']'^~)^ 
er  braucht,  er  muss. 

Alle  Ausleger  geben  dieses  Wort  so. 

iii'y  a"r  mnins)  rrns:^-!  or«-  c:in  (2 

Das  Wort  d:\\  Esther  1,8  heisst  zwingen,  wie  im  Tal- 
mud crixrr  wer  bewältigt. 

Eben  Esra  zu  dieser  Stelle  erklärt  es  beinahe  eljen  so 
und  bringt  als  Beispiel  ^i:  cri«  J«':?  n  r3T  Dan.  4,  6. 

\Jü^  fjs}\  Xxl  Q*  pjoü  (3 

p:c^  Sprüche  29,  21  kommt  von  dem  arabischen  rntt- 
fauniq. 

Dieses  im  Qämüs  gar  nicht  vorkommende  Wort  muss 
mundartig  einerlei  sein  mit  vüiJLi*  ,  welches  der  Qamüs  durcri 
C^  zart  erklärt.  Eben  so  Eben  Esra  zu  dieser  Stelle  und 
David  Rimchi  in  seinem  Wörterbuch  u.  d.  W.  *) 

Das  Wort  mbra  2  Kön.  23,  5  bedeutet  die  Bilder  des 
Thierkreises  j  wie  im  Talmud. 

David  Kimcbi  (Wörterbuch  Art,  ^T:)  sagt  darüber 
p  iNnps  initTnün  ^■^rTls  "jirja  "^^ztz  „Weil  sie  in  ihrem  Laufe 
zu  fliessen  scheinen  (ä-'bn:),  daher  heissen  sie  mrT33". 


1)  Dieses  Wort  ist  im  Talmud  häufig  z.  B.   (N  :>  T  D  p  3)  "»013  pSQ» 
],er  ist  mehr  verweichlicht." 


118 


?i3i:m  nann  ^^"^^^n  abiu  n3i£s'(5 
Das  Wort  n3i25  Spr.  25, 13  heisst  wie  die  Kälte,  jwie 
in  Talmud  i-;Di:m  in  der  Kälte. 

Eben  so  Eben  Esra  und  Kimchi  (Art.  pS). 

Das  Wort  mm-is^nn  2  Kön.  14, 14  heisst  Vermischung, 
wie  in  der  Talmudstelle:  <iie  Kinder  würden  vermischt. 

Die  chaldaische  Uebersetzung  giebt  dieses  Wort  mit  -^in 
N''i'^i'^  die  Söhne  der  Grossen.  Rascbi  und  Rimcbi  u.  d.  W. 
folgen  hierin  nach. 

pn  •'sm  p»  (N  p":i)  ^^p^ii   msj«   (^^  c*   pra  (7 

(^  S>  n  72  aü}) 
Das  Wort  pta  Esther  7,  4  bedeutet  Schaden,    wie    im 
Talmud  rfie  Väter  der  Schäden  d.  h.  Hauptschäden  u.  s.  f. 
Eben  so  Eben  Esra  und  Kimchi  u.  d.   W. 

n^m5>X3  müN  •nas»  (8 
Das  Wort   "nns^    Job  21, 10  heisst  schwängern,    wie  im 
Talmud  eine  schwangre  Frau. 

Eben  so  die  chaldäische  Uebersetzung  y^'a'l'ü  nmn,  wel- 
cher Raschi,  Eben  Esra  und  Kimchi  u.  d.  W.  folgen. 

(t's  ?in  »"a)  n'n^nb  a-^^n  i<n'^^^  (9 
NtTnii  Dan.  3,4  heisst  <ier  Ruf,  wie|:  er  »imä*  e«  ausru- 
fen lassen. 

Eben  so  alle  Ausleger. 

(3%  ü^  p"3)  na-'bi  'inj«  Nai  tbj«  naba  (lo 
näb  Ex.  3, 2  heisst  die   Flamme ,   wie  im  Talmud   er 
macht  es  brennen. 

In  der  Polyglotte  ist  es  ebenfalls  ^j^  (zünden)  übersetzt. 
Donasch  ben  Librat  ^)  erklärt  dieses  Wort  eben  so,  welches 
Eben  Esra  in  seinem  Buche  Scfatk  jether  No.  140.    bestrei- 


2)  Im     Manuscript    steht    hier    augenscheialich    fehlerhaft     ''TS^ 

3)  Vergl.  raeiue  vurläuni^e    Notiz    über    Donasch    ben  Librat  im 
Literaturblutt  de^  Orieuts  1843.  No.  11.  13.  15. 


119 

tet.  Letzterer  erkliärt  dieses  Wort  wie  Sra  in  der  Mitte, 
welcher  Meinung  auch  Raschi  und  Rimchi  (Art.  nr)  sind. 
Letzterer  cilirt  auch  die  Meinung  des  Saadias,  ohne  ihn  zu 
nennen.  Die  chaldäische  Uebersetznng  stimmt  übrigens  mit 
Saadias  iiberein. 

ms-ia)  rn-j;:rr  ^^2  N?  (a":>  r'-ria»)  ]mu)p»  n^«a  (11 

'  ^     II  u 

(3  y  rt  S 

DTcJ^  Nu.  6,3  heisst  etwas  Eingeweichtes,  wie  im  Tal- 
mud: im  Wasser,  worin  etwas  eingeweicht  wurde. 

Vergi.  Sefath  jetJier  No.  56.  Raschi  stimmt  mit  Saadias 
überein,  eben  so  Eben  Esra  und  Rimchi  u.  d.  W. 

(i*":?  3  »*^aw')  ^•'■'r:  -t  :rn3^-«m  (12 

Das  Wort  cnn-^im  Dan.  1, 10  heisst  ihr  werdet  rächt 
schuldig  machen j  wie  im  Talmud:  dieser  ist  schuldig. 

(=:*c)  -i':::s  -^.izz  Nr  -'s  (13 

"lOD  2  Chr.  23, 8  heisst  befreien  ,  weggehen  lassen, 
wie  im  Talmud  T!::3  er  ist  befreiet  von  einer  Sache. 

Die  Wörter  "11:23  und  a"^Tl  sind  im  Talmud  oft  gebraucht 
und  sind  sich  entgegengesetzt. 

('t  -1x^2  '.-!  p-iD  r.az)  ''p':iia')  pai»  imsy  (14 

"irriny  Micha  1, 11  heisst  seine  Schätzung,  wie  im  Tal- 
mud man  schätzt  (]'^n^"!w\). 

Es  wäre  diese  Stelle  demnach  so  zu  übersetzen:  „er  wird 
von  euch  nach  Gutdünken  nehmen"  d.  h.  nach  seiner  eigen- 
willigen Schätzung.  Rimchi  in  seinem  Wörterbuche  (Art. 
1a2»)  bringt  diese  Erklärung  im  Namen  des  Jona  ben  Gannach. 
Vergl.   auch  dessen  Commentar  zu  dieser  Stelle. 

(ü"y  ö  t":>)  yinaa  ^lörn  msrn  ^riin  (15 
n^'^bn  Hiob6,  55  heisst  das  Eiweiss,  wie  in  der  Stelle: 
Chelmon  heisst  das  Aeussere  des  Eies. 

Rimchi  u.  d.  W.  erwähnt  diese  Erklärung,  ohne  Saa- 
dias zu  nennen.  Es  wird  daselbst  auch  eine  andere  Erklä- 
rung gegeben  *). 


4)  Es  sei  erlaubt  eine  Stelle  aus  dem  Wörterbuche  des  angefuhr- 


130 


5)  (t  ^»  pnsD  na^)  m'nü'^"^  ly  in'nn'^1  (16 
irtl/ai'j  Jes.  38, 21  heisst  aufstreicJwn,  wie  in  der  Stelle: 
bis  er  das  tieireide  gestrichen  hat. 

Eben  Esra  zu  der  angeführten  Stelle  deutet  auf  das  Ara- 
bische hin,  ohne  das  "Wort  zu  nennen.     Es  ist  -rj*  salben. 

ten  Donascli  hieherzusetzen,  welcher  sich  hier  an  Saadias  Er- 
klärung anschliesst. 

"T"'-)!  DSU  ü-Jü  U5'.  üJ<  ma^rn  "inn  d^ü  lü"»  üi<  n^nnoi  mabn 
^löNn  Nin  ü^irnn  riT  "^nansi  NbsM  ^"im  ""lä^i  5>:;n^/"o  tö^n 
n:s>m  üyo  niü  (  d  a'-"  sri<)  np"^  [ü'^spr]  ü:i>üt  i:2D  D2>ü  tu''  -^^ 
d5>ü:D  i7ji>ü  -im  Ti^^na  inw  p^mm  (n  •>  u^'p  l:*;:!-in)  "^^iJjb 
C't  ':»  m31i)  nj3\Nü  las-üi  b*<T  ('n  j*'*'  'la'ixjn)  pü}n  ^UJ? 

'»);i?o  !:DN-'  Nb  "^^N  niriir;  -m  Nim  ^'-ip»:!  nan  mairnb 

,:•.  ?7373N  pJI^   pnSi   Nim   mU573    pUJb"J   nr-J  Dem  Sinne   nach: 

„Du  (Menachem  ben  Saruk)  übersetzest  diese  Stelle:  Ist  Ver- 
stand in  dem  Geifer  eines  TValinsinni^en,  du  nimmst  das  Wort 
tZD2>U  für  Einsicht  wie  in  der  Stelle  (Job  12,  20)  „er  nimmt 
die  Einsicht  der  Alten".  Dies  ist  unrichtig,  sondern  man  ver- 
steht darunter  das  Eiweiss,  welches  mau  ohne  Salz  nicht  geniessen 
kann.  Das  Wort  Ö5>£3  heisst  hier  Geschmack."  Wie  Mena- 
chem das  Wort  m^;:}!  als  wahnsinnig  erklären  konnte,  da  es  im 
der  Bibel  und  im  Talmud  auch  gesund  sein  bedeutet,  ist  hier 
nicht  angegeben,  lieber  Menachem  vergl.  Vorläufige  Notiz 
a.  a.  O.  No.  12,  wo  auch  einige  Proben  aus  dem  Hamb.  und 
Leidner  Codex  mitgetheilt  sind. 
5)  Die  hiehergehürige  Stelle  aus  dem  Donasch  mag  hier  ebenfalls 
einen  Platz  finden. 

■»n  i3i2i>  ]\m  Nin  binn  pn^urr  ):v  iniaiT  ninsi  irri^j^i 
1ÜD  vpn  nTi  ;i")?nn  a-^a^a  pujbi  ■):?üiöör)  rtjiüö  ^'^^p  cdn 
pu))?a  nNtrr  tib?3i  inn  muj^jri  pvübn  ö:n  nxi  hdt  hn 

nnp  nOIÜT  n5>^^  pianril  nnUJ^J  „Du  erklärtest  das  Wort 
in*^/3i1  umwickeln,  dies  ist  unrichtig,  es  ist  in  der  Bedeutung 
der  Mischna  zu  nehmen,  welche  Bedeutung  es  auch  im  Ara- 
bischen hat ,  wo  sich  das  tl  in  5  verwandelt,  wie  dies  dort 
öfter  der  Fall  ist  u.  JDf.« 


m 

(n":>  n"i3^3)  rrb^SD  lö^i  np»  N^rr:)  ^p3?i^  (17 
^ipsb  Lev.  25,  47  heisst  t/ewi  Haupt  einer  Familie,  wie 
in  der  Talmudstelle :  was  die  Hauptsache  ist. 

In  der  Polyglotte  ist  es  ebenfalls  6y^^  TVurzeln  über- 
setzt. Eben  Esra  zu  dieser  Stelle  scbeint  auf  diese  Erklä- 
rung zu  zielen ,  ohne  S^dias  zu  nennen.  Kimchi  u.  d.  W. 
hat  sich  an  die  talm*dische  Auslegung  gehalten.  Onkelos 
giebt  dies  Wort  gar  nicht  wieder. 

(N*   i"^)   l-^rn    yST;   Ö"^D*ID5   DIU   CTST    (18 

0'<s2  Hab.  2, 11  heisst  ein  Stück  Holz,  wie  im  Talmud 
=:''2"23  Balken. 

Raschi    und  Kimchi   sagen    dem    Sinne    nach    dasselbe. 
Vergl.  auch  Aruch  u.  d.  W. 
(n"^  ü"s  fnos)  no-i^ö  n?  rsN"^  «r  r«"iw"'a'a)  ■'::'  iss^a  (19 

ias:23  HL.  1,  12  heisst  so  \iel  wie  in  der  Talmud- 
stelle no"''iJ  sich,  anlehnen. 

Die  Stelle  wäre  demnach  zu  übersetzen :  »während  der 
König  auf  seiner  Leime  sass«  u.  s.  f.  Bei  Kimchi  u.  d.  W. 
wird  diese  Erklärung  im  Namen  des  Jona  ben  Gannach  ge- 
geben. 

(n":?  n's  »"a) ir^saio  n«  "lö«  Nri rn"«aNn dn '^öj*  "jüo:  (20 

Das  Wort  p32  Jes.  28,  25  heisst  bezeichnet,  wie  das  tal- 
mudische 'i^'^D  Zeichen. 

Von  Raschi,  Eben  Esra  und  Kimchi  eben  so  erklärt. 

«3n'n3>3   mj^nb    rsi    !=;^mTi3n    -iu:n    O'^ncr:    ^'■^72    (21 

Das  Wort  ü-^in^D  2  Kön.  23, 11  heisst  Umgehung,  wie 
das  talmudische  mi<i*)D  Weichbild. 

Raschi  zu  dieser  Stelle  gesteht ,  dass  er  die  Bedeutung 
dieses  Wortes  nicht  kenne.  Kimchi  erklärt  es  wie  Saadias, 
ohne  denselben   zu  nennen. 

•»:«  ^SQi  ]i\oi<-j  nitö  £:">-iXÄn  (22 
V.  8* 


122 

D'''ni:S3  Klagl.  1,  3  bedeutet  Grämen^  wie  das  talmudi- 
sche litü  Gränze,  Gemarkung. 

Eben  so  Raschi  zu  dieser  Stelle.  Eben  Esra  erwähnt 
diese  Erklärung  ebenfalls,  ohne  Saadias  zu  nennen.  Er  selbst 
hält  dieses  Wort  für  den  Plural  von  "iliön  p  (Ps-  118,4), 
welcher  Meinung  auch  Rimchi  u„  d.  W.  sich  anschliesst. 
Derselbe  erwähnt  übrigens  (a.  a.  0.)«auch  die  Meinung  des 
Saadias,   ohne  denselben  zu  nennen. 

n::)'>nn  ni^DJ2r^  (a":>  rt"p  plrin)  nu)a  ^^  inD^nn  ^nna  (23 

(f<  3>   N  13   m3) 

']nri3  Dan.  9,  24  heisst  bestimmt  (eigentlich  ausgeschnit- 
ten), wie  das  talmudische  niiTin  ein  Stück  d.  h.  ein  be- 
stimmtes Stück. 

Eben  so  Rimchi  u.  d.  W.  In  dem  Commentar  zu  Da- 
niel, welcher  dem  Saadias  zugeschrieben  wird,  ist  dieses 
Wort  gar  nicht  eiklärt. 

(_i"3>  t"3  iria)  n-nTöa  b^  tan^  fiNi-iJi  ^iiisf  tan^a  (24 

t=!n:33  Jer.  2,  22  heisst  befleckt,  wie  das  talmudische 
tans  ein  Blutflecken. 

Diese  Erklärung  tritt  bei  Raschi  und  Rimchi  nicht  so 
bestimmt  hervor. 

<>)('t  nniJz  'z  p^iö  na^)  tzs-^irüa  imaD'ip  ^/-i  nsTaD'na'«  (25 


6)  Donasch  tritt  der  Erklärung  des  Saadias  bei.     Der  Artikel  lau- 
tet   bei    ihm:    (ffil'^3    ^"1^)     inü    pirHa    DN^m     I^I^önS'' 

Nijaa  Nb  Pins  hp'O'n  !:5>  •'Tü-'biü  «in  D-i3  h-'pbn  "^du?  Dr-ii 

;]ipm  5]Da  inrjo-iDT  c;ü3  ir.roo-ou)  p-i*'  nau»»  iiu)r3 
üaisispi  inaüDiS''  ■ji-idst  i"'Dpüä">  poriu^a  maiujb  \i\ü 
tTfi^pan   P]03D  DN    r;2Ni:7on    nasnn   i:innn  nascip-^n 

fiatüDMn  t=l'»2V:ü»DT  „Du  nimmst  das  ns^D'nr)"' von  önr)  {Bauch) 
(es  würde  demnach  übersetzt  werden  müssen,  er  füllt  sich  dtn 
Bauch  damit  u.  s.  f.}j  dies  ist    unrichtig,    denn   wU~lI3     ist  ein 


123 

naöö'ns"»  Ps.  80, 14  bedeutet  zerwühlen,  wie  im  Talmud : 
wenn  es  Ameisen  zerwühlten. 

Wörtlich   bei  Rimchi  u.  d.   W. 

TT!"«  Nbi  nins  Nr  [ifi^]  nnns  (26 

nnriD  Lev.  13,  55  heisst  eine  Verminderung,  ||^e  im  Tal- 
mud mni!  J<r  nicht  weniger. 

In  der  Polyglotte  ist  es  ebenfalls  ÄXl^  Untergang  gege- 
ben. Eben  so  rrl  1  irra|f  Eben  Esra  and  Kimchi  u.  d.  W. 
Raschi  hält  es  mit  CSTins  (2  Sam,  17,  9)  zusammen  und  es 
bedeutet  nach  demselben  eine  Vertiefung.  Onkelos  giebt  es 
4*^n  {iCian,  welches  mit  Saadias  Auslegung  übereinstimmt. 
(  rr  TiV^i^  n  s  niTa)  nvi^a  crnns  T^rr  a-'irVr'!  CrVr^"!  (27 

Das  Wort  Q^irm  1  Köo.  6,  8  bedeutet,  wie  im  Talmud, 
Kammern. 

Kinichi  eben  so  ohne  Saadias  zu  nennen. 

(■^''p  nnuj)  n^c^n":  nb  y^^y  y^n  (28 

yn  Ezech.  13,  10  heisst  eine  Wand,  wie  das  talmudi- 
sche rr^-^rm. 

Eben  so  die  chaldäische  Uebersetzang  nebst  Raschi  und 
Kimchi. 

(13  3?  M  D  T^yd)  r^n'z'O  ix^^".^  ib  r:n\-r  triiD-^rya  ir-st::")  (29 

i;''"::ü:t  lob  18,  3  heisst  wörtlich  verstopft  werden,  wie 
das  talmudische  naöüi  er  hat  sie  verstopft. 

Die  Stelle  wäre  demnach  zu  übersetzen :  „wir  sind  als 
beschränkt  gebalten  in  euren  Äugen."  Eben  so  Raschi.  Kim- 
chi (Art.  nüa)  hat  die  Stelle  wörtlich. 


dreibuchstabiges  Wort,  wovon  man  kein  Zeilwort  findet.  C0^3 
bingegen  ist  ein  vierbiicbstabiges  Zeitwort,  welches  sich  in  der 
Mischua  findet«  u.  s.  f.  Es  mag  hier  noch  bemerkt  sein,  dass 
Eben  Esra  zu  dieser  Steile  die  Erklärung  des  Menachein  er- 
wähnt, ohne  seinen  Namen  zu  nennen  und  ohne  ihr  seinen  Beifall 
zu  gehen. 


124 

(n%  n"D  ö^noE)  m^in-^  nbn''  (30 
nb^"^  Lev.  22,  22  heisst  ein  Geschwüry    wie    das  n^ris-^ 
im  Talmud. 

Eben  so  bei  Rimchi  u.  d.  W.  zu  Ende. 

#     7)  {a"s  n"^  mi?:)  üdis  idid;»  5)12  ^td*'  (31 
):]13  Ps.  48,  3  heisst  hier    ein  Ztveiy ,    wie  im  Talmud : 
sein  Zweig  neigt  sich. 

Kimchi  u.  d.  W.  erklärt  es  Laniltchaß.    Vergl.  die  Note. 

(S  t"d  ts-'r^s)  mbL:?:rT  n\Ni:t:öT  (32 
m4<?D53  Jos.  9,  5  heisst  mit  Flecken  besetzt ,  wie  das 
talmudische  rr'rüü  ein  Fetzen. 

Eben  so   Rimchi  u.  d.  W.  ohne  Saadias  zu  nennen. 

rtT.iiüfa  IrN'-iuj''  man  r7::i>T)  (33 
n353>n  Ruth  1, 13  heisst  sollen  unverheirathet  bleiben, 
wie  das  talniudische  ^T3l5i>  (welches  eine  Frau  hedcntet,  de- 
ren Mann  abwesend  ist,  ohne  dass  man  seinen  Aufenthalts- 
ort kennt). 

Auch  bei  Ripachi    (Art,  Hüiü,    pn).     Rasch!    scheint    auf 
diese  Erklärung  hinzudeuten  und  widerlegt  sie. 


7)  Donasch    tritt    hier   ebenfalls    der    Meinung    des    Saadias    bei. 
Seine  Worte  lauten:      fl')2    nc     (V\:    "^i:?)     r^-^T^I")     5]13   ^ID"" 

nxDiür)  (N  "^  /■'  S'Wi-'^')  nsarr  mobtö  tDs>  y^an  5^:^  tüi^o-j 
rro"»  pjia  ns-^  p^it  '^n   N^psi  nn  ^nt*  TT*::pi  id::>i  isla 

Ca-^mln  It^nsb  pinnm  DTiTM  'nS^  i«"»!  "^3  fJlS»  Du  hast  das 
5)13  IIB''  mit  dem  tlDSll  nU);rU)  in  eine  Rubrik  gesetzt  (das 
fjIS  tlÖ"'  wäre  demnach  zu  übersetzen  eine  schöne  Landschaft); 
dies  ist  unrichtig.  Das  hier  erwähnte'  C]13  ist  in  der  ßibel 
selbst  siugulär,  es  ist  aber  mit  der  Bedeutung  desselben  in 
der  Mischna  (Zweig)  zu  nehmen.  Im  Hebräischen  sind  die 
Wörter  "T^ilp  ,  P]35> ,  S)*)3  synonym.  Der  Berg  Zion  heisst  ei« 
schöner  Zweig,  weil  es  der  Oelberg  ist." 


125 


Jr-n:3  Num.  24, 15  heisst  durchdringend,  wie  io  Talmud  : 
bis  es  durchdringt. 

In  der  Polyglotte  ist  dieses  Wort  mit  ^\jtXi»>  scharf  ge- 
geben. Eben  so  Kimchi  a.  d.  W.  Rascbr  und  Eben  Esra 
erklären  dieses  Wort  gar  nicbt. 

'     (3  p"z)  r,:P2.-2r,^  ]^:*c::"2  ^rs:  (35 

■»:?n:  0badja6  heisst  es  wurden  entblösst,  wie  das  tal- 
mudische  ."f?2 -~  etwas  aufdecken  ,    entblössen. 

Diese  Erklärung  wird  sebon  im  Talmud  (Baba  Kama3b) 
nach  der  cbaldäischen  Uebersctzung  des  R.  Joseph  gegeben. 
Dieser  übersetzt:  T;":"i:rL:"i  ^''riDN  seine  Gv/ieimuisse  sind  ent- 
deckt. Rascbi  erklärt  dieses  Wort  etwas  anders,  bat  aber  anch 
die  Erklärung  des  Saadias.  Eben  Esra  erklärt  dieses  Wort 
gar  nicht. 

n'!:?"'5D  mrü  s'Dd'^w  ^töed  t  (36 
siQz  iSa.  20,3  heisst  ein  Schritt^  wie  das  t-almudische 
m^'iSD  Schritte. 

Eben  so  bei   Kimchi  u.  d.  W. 
im'y  2  0  ]-'::"n-':7)  nr^-i  rü2"!fi  n''-::-!  rc";;  "irc-^::  (37 
Das  p""-:;-!  Esra  3,-7  heisst  Erlaubniss,  wie  das  talmu- 
dische nra-). 

Eben  so  Rascbi,  welcher  eine  ausführliche  grammatische 
Exposition  davon  gicbt.  Eben  Esra  und  Kimchi  u.  d.  W. 
pflichten  bei. 

(a  ^''Tinw)  '\p':2rt  n'^3,  n"YnJ3  »n  nninö  (38 

Das  Wort  rr-n-'j  Jes.  30,33  heisst  Flamme  ^  wie  im 
Talmud  nmna. 

«)  (a":>  n"D  ma-ii)  m-irin  n'-«  C\Vrn  t:^  (39 


8)  Das  \yort  N"'^ln  heisst  im  Talmud  überhaupt  Glied,  einzelner 
Theil.  Die  fyirbelbeine  heissea  rj~nttJa*JnT»"rin;  ein  Leuch- 
ter, der  zu  «cArau^en  ist,  heisst  rivb^n  ?TD  mi^is. 


126 

üwbn  Uohesl.  7,  Sheisst  gegliedert,  kettenartig,  wie  das 
talmudische  m"'bin  Wirbel,  Schrauben. 

Raschi  hält  es  für  Geschmeide  und  beruft  sich  auf  das 
Arabische  ^^^y  Eben  Esra  schliesst  sich  dieser  Meinung  an, 
eben  so  Rimcht^Art.  Ji^rt). 

(^"'j  -i"d  mn^a)  Pi^iroa  ötp^  DciüN  (40 

ÜC3ÜN  Hohesl.  5,  3  heisst  beschmutzen,  wie  das  talmudi- 
sche ?)21l27j  beschmutzt. 

Alle  Ausleger  so. 

(a"3>  t's   73"a)  Vr-^a   pn   tjDb'^jjD   (41 

ü;:b'^55  Dan.  1, 10  heisst  ewcÄ  gleich,  wie  ihr,  wie  da|k 
talmudische  ')'::''),  ^n  ^ei«  Genosse. 

Eben  so  Raschi  und  Eben  Esra.  In  dem  (anächten)  Com- 
mentar  des  Saadias  zu  dieser  Stelle  findet  sich  hier  noch 
ein  nichtssagender  Zusatz. 

(ü":>  t"5>  pbin)  tDi^i^T  nwis  inü^::  la^iT^  n2>a  (42 
inü223  lob  6, 17  heisst  sich   zusammenziehen ,    wie  im 

Talmud :  das  Geflecht  der  Ädern. 

Eben  so  Eben  Esra,  welcher  jedoch    auch    eine    andere 

Erklärung  glebt.     Rimchi  (Xrt.   n^lT)    führt  diese  Erklärung 

im  Namen  des  Saadias  an  9). 

(n"5>    0   ö"a)   STTJAÜn  "«D^S?  (^^  ^y'>   H^']iJ2^  (43 

JTTiJi^a  Hag.  2, 19  heisst  ein  Speicher,  wie  das  talmu- 
dische n^^;^^. 


9)  Es  mag  die  ganze  Stelle  hieher  gesetzt  sein.     tUT'D  !T'^i>D   ')1 
NBÖ3^   NDD  nX2NU)  brS  p^ülrb  n^lT  tTlip  "JV^Ü?-  (la'llT"«) 

ujiTiDJi  isMn  pi  pt:yäU)  -i7oii:3  a-'T'-iön  tsruü  ^iD«  ''Jaa 
•'p-'Qtt  'in*'  iD0J*n3  nafra   in'j::^  'mpü  %"2"'aT  ?]-nnfi  pra 

''xn  1''T':»rt  DQia  piüi^):  ^TOirST  a-^^nsn  R.  SaacUah  erklärt 
diese  Stelle:  „wenn  es  kalt  wird,  schruinpfen  sie  zusamn)eu<<.  Das 
la^lT'^  wird  in  der  talmudischen  Bedeutung  kalt  sein  geuotn- 
men  u.  s.  f. 


127 

Eben  so  die  cbaldäische  Uebersetznng  and  die  Commen- 

tatoren. 

[a'y  t:':?n3">D)  w^or:  «^«3  m3>"'W  ^-^^  ^  t2'»n5«  T,iii2  (44 

Das  Dnr^  Geo.  26, 12  heisst  Mass ,    wie  das  talmudi- 
>che  ii"?rw  sein  Mos*. 

Eben  so  Rascbi,  Eben  Esra  und  Kimcbi  u.  d.  W. 

(!a"y  72 "p  '|"'~")n)  m-ir^  t:*'::"»^  nmm  (45 
rr">iT^fl  Jes.  59,  5  bedeutet  zerschlageit,  wie  in  der  Tal- 

nudstelle  zerschlagene  Finger. 

Kitncbis    Auslegung    in    seinem    Cominentar    zu    dieser 

»teile  nabelt  sich  der  des  Saadias. 

'0)  (n":>  t":  naw)  ncaioa  (^i*^  O^  meciar  (46 


10)  Eine  Stelle  ans  dem  (ungeJruckten)  Wörterbuch  des  Mena- 
chem  benSaruk  (vergl.  meine  Notiz  über  denselben:  Literatur- 
blatt des  Orients  1843.  No.  12.)  dürfte  dem  Leser  vielleicht 
nicht  unwillkommen  sein.     Seine  Worte  (Art.    tjID)  lauten  v;ie 

folgt.  mEEiiijbrr.i  ]T>i:ci  DTiDU}  n"«:  rr^a  p".ab  rnscTür  vr>^ 

C'n  n*"»  D-'^nn)  Tian  -na:!:  i  "»nnn  *^T2i*3  t:"«:»  Ten  tcn  tq 

y^  mcc"!t2b  vm  i-!S;i<a  rN-s^o"^  "»ra   n^{  -'u^  ">••-?-  rrn 

n2*rn  KNT]"'r:?  na:  rmpim  l"";!)  n-"i3  i-^*:n  n-^  ir::? ']■':■':? 

C'a  'j)  "»^uw  "iBoa  n;35W  'nm  -lüx  «in  iNcnn  Tiira): 
•jab    mb   r?   t:-!::?  '7\-iTniijj  r:?  =:i':;p     „Das  msc-icb 

heisst  Reden,  uüd  der  Sinn  der  Stelle  ist,  wie  es  (Psalm  16,8) 
heisst:  „ich  habe  Gott  immer  vor  Augen",  Moses  sagte:  „ihr 
sollt  immer  Gottes  Gebote  vor  Augen  haben«  u.  s.  f.,  wie  es 
auch  (Sprüchw.  3,  3)  heisst  „binde  sie  um  den  Hals  u.  s.  f.* 
Diese  Erklärung,  welche  das  Traditionelle  ganz  umgeht,  klingt 
wie  die  des  berühmten  karäischen  Lehrers  R.  Jefeth,  welchen 
Eben  Esra  zuweilen    citirL     (Vergl.    dessen  Coramentar  zu  Ex. 

4,  2.  4.  5,  5.  15,  4.  19,  8.  12,  27.  25,  4.  Hos.  3,  4.  Joel  2,  6. 
Obad.  1,15.  Micha  5,2.    Habak.  1,4.    Hagi  2,9.    Sechar.  1,8. 

5,  L  11,3.  13,7.  Malach  2, 6. 12.  Psalm.  8,  8.  Daniel  2,  5.) 
Seine    Werte    lauten  (bei    Wolf  BibL    heb.  IV   1095:    ^•^"1nD^ 

C'a  «3  PNpTn'^)   tarn  r«  ^lam  1:23  mamo^a  mcDio 


128 

n^DUiü  Ex.  13, 16  heisst  Kopfschmuck,  wie  im  Talmud 
nsüiü  ein  Kopfschmuck  der  Frauen- 

Kimclii  u.  d.  W.  wie  Saa«lias.  Rasclii  und  Eben  Esra 
erklaren  dies  Wort  etwas  anders. 

(4<"2>  S  ■j-^TüiTp)  ")  \"i2Tin  'lüi.vn  nonna  T,nt>^  (47 

riD'ina  Lev.  19, 20  heisst  verlobt,  wie  in  der  Stelle :  sei 
meine  Verlobte  (■'nenn). 

In  der  Polyglotte  ist  das  Wort  eben  so  gegeben:  Wjia^ 
verlobt.  Eben  Esra  hat  auch  diese  Erklärung,  fügt  jedoch 
auch  eine  andere  hinzu.  Eben  so  Kimchi  u.  d.  W.  und 
Haschi. 

•2)  (a'^  mni^i)  \\^pa  ]^^  Ui'  nnip^  (48 

n'Tipn  Lev.  19,  20  heisst  Strafe,  wie  das  angeführte  tal- 
mudische Wort  *^). 


üi>üii  mir:  iüi>üi  dTTi  ni<s   ?N  ^-^   ^*^^  "in'^ric  i-rN 
tnj<  "^rn  :^ni73  ix^m  p"«^:»;!  piDsa  ^72ia'\s  ^■'■r:5>  pn  ]n::T;i 

D^iJt  -^in  ]iiü?=)  ü^nn  rr-imi  mm^i^n  nnb  ir'^i'a»  a"'\'-i  "iu;\ 

„Ich  deute  das  Wort  rilDü'IÜ  umgeben,  wie  in  der  Stelle 
Ci"n  ;rN  J]Urn  „wende  dein  Gesicht  nach  der  Mittagseite  hin". 
Der  Siua  dieser  Stelle  ist,  wie  das  frühere  ^es  soll  zum  An- 
denken sein  zwischen  deinen  Augen".  Es  ist  der  Gehraiich 
der  Mensciien ,  dass  sie,  um  sich  einer  Sache  zu  erinnern, 
sich  ein  Zeichen  an  die  Hand  befestigen.  Daher  legte  uns  der 
Schöpfer  auch  die  Pflicht  auf  die  Erstgeburten  zu  weihen,  da- 
mit die  Ereignisse  in  Aegyplen  uns  gegenwärtig  sein  sollen. 
Die  Schrift  spricht  in  der  Ansdrucksweise  der  Menschen."  Eben  1 
Esra  (a.  a.  O.)  deutet  auf  die  Erklärung  des  Meuachem  hin, 
ohne  denselben  zu  nennen. 

11)  Im  Ms.  heisst  es  hier  !^D^^^ 

12)  Im  Ms.  heisst  es  hier  ^31~lpl 

13)  Saadias  hat  sich  hier  ganz  an  die    traditionelle  Auslegung  des! 


j 


129 


fn  der  arabischen  Uebersetzang  der  Polyglotte  ist  die- 
ses Wort  eben  so  gegeben  »^^«.X^  bestraft.  Rascbi  und  Eben 
Esra  nebmen  das  Wort  für  Untersuchung  von  der  Wuriel 
"ipa  '*).  Kimchi  citirt  diese  Stelle  des  Saadias  vollständi- 
ger, als  sie  hier  ist  **}.  Vergl.  auch  Sefath  jether  >"o.  9. 
(3":?  a's  ^"a)**»)  i):Oi  mwn  «r^  ^ji^  ^  m-i.VT  (49 

^"iw  Ps.  80,  13  heisst  sie  pflücken  es  ab,  wie  im  Tal- 
mud mwrr  der  Winzer. 

Eben  so   Rascbi. 

(wx'j  n'b  m3-i3)  rrWHD  rrai^a  pwö  wro  (50 
»HD  Ps.  109,  2i  heisst  abmagern,  wie  im  Talmud  ma- 
geres  Vieh 

Eben  so  Kimchi  u.   d.  W. 

noTiD    önJ«    ^nD\>ib   f^yi   ^y>   tzsn?    ■j-'n    iims   (51 

('n  p"iD  Y^H  '7m  nsDö) 
uj-na  Klagl.  4,  4  heisst  brechen  (das  Brod) ,  wie  in  der 
Talmudstelle:  man  soll  nicht  brechen. 


Talmud  gehalten.     In  Cherithut  S.  10a heisst  es:  Sn^lT  "J"«'^:«'} 

\x-ip3    \-!n    pn^i    '-I  n:::x  ?  «in  n^pböT  ä:«^  mipa 

.ST  7T')p':2  yz'^'^'^T't  ;in5  N'':m2  j,\Voher  wissen  wir,  dass  das 
Wort  mips  Strafe,  Schläge  bedeutet?  R.  Isaak  sagte:  das 
Wort  bedeutet,  es  soll  ihm  vorgelesen  werden,  denn  es  heisst 
anderwärts  (wo  die  Rede  von  den  Schlägen  ist) :  der  erste  der 
Richter  liest  vor  (eine  gewisse  Stelle  au»  der  Bibel)"  u.  s.  f. 
Vergl.  auch  Note  15. 

14)  Auch    diese  Meinung    ist    im  Talmud   a/  a.  O.    ausgesprochen. 

31  7\-^r,n  -1"^p33  nü:«  ■'CN  1  ,R.  Aschi  sagte:  es  soll  Unter- 
suchung stattfinden." 

15)  Im  ArL  "ip3   liest  man:    yrdb   ~I^J<   "'S   JT'n^'D     "I  "("ii^i"  nn3T 

ipa  rtt)  nsilw-in  it\-!  mpran»  "'s?  n"Tip3  „Saadias 
schreibt:  es  ist  in  der  Bibel  deshalb  das  Wort  n"ip3  gebraucht, 
weil  die  Schläge  mit  einem  Riemen  von  Ochsenleder  (Tp3) 
ertheilt  werden." 

16)  Im  Manuscript  steht  hier  m*1J<rT.   Die  im  Text  gegebene  Stelle 
befindet  sich  in  Saadias  Commentar  zu  den  Psalmen. 

V.  9 


-^' 


130 

(a'5>  'J:  ^■'Jr'in)  üJiX'in  nx  ^nfri  üMW  rt^lrr  (*^j^  rnn  (52 

?nn  Jes.  18,  5  heisst  abschneiden,  wie  in  der  Stelle  er 
Äat  abgeschnitten. 

Eben  so  Raschl  und  Rimchi  (Art.  TTD)  mit  einer  klei- 
nen Veränderung. 

MN  sinür:  (^>>  ^y^  tu-^ppir^  tanüiü  ö-^-^mü^j  tzaisau)  (53 

Das  a"'"«nro:a  Jes.  25,  6  heisst  zerflossen,  wie  in  der 
Stelle:  er  hat  zerfliessen  lassen  (geschmolzen). 

Rasclii,  Eben  Esra  und  Kimchi  leiten  dieses  Wort  von 
ma  (Mark)  her.     Vergl.  Job  21,  24. 

labwii^)  \i>i?jn  nn-^ib  ')^vjt)  tah  ^n-^ib  "i^ii>  ü-i^^ni^Si  (54 

(n'3>  ü'o  r^:3-i  u)-nü  p'a 

'in"'')^  lob  3,  8  heisst  ihre  Klagen,  wie  das  talmudische 
rirr^ib  ?Är  Klaglied. 

Schon  im  Midrasch  rabha  69  b  wird  diese  Erklärung 
gegeben. 

•^IN^^   JrüiD   'Ti^ä^i   'j^^J  (»~e!y*  cy*  '^'    ^f^'-   n'i\N"!^t  (55 

(n  :s>  a'a  m^iiss) 
mW"!  Esther  2, 9  heisst  sich  gebühren,  wie  in  der  Stelle: 
was  ihm  gebührt. 

,).jaJI  y^J  a-i-iün  nies  (56 
D.  i.  das  Mark  der  Palme.  Lev.  23,  40. 
Eben  so  in  der  Polyglotte.     Vergl.  Eben  Esra   zu  die- 
ser Stelle. 

^Ji1i\  *nr7  p  (57 
D.  i.  die  Orange,  eben  da. 

Eben  so  in  der  Polyglotte.  Es  correspondirt  dem  chal- 
däischen  aTnniV. 


17)  In  einem  handschriftlichen  Conimentar  zu  lob  (vergl.  meine 
Notiz  darüber  in  Zion  II  S.  102)  findet  sich  zu  dem  lob  36,31 
vorkommenden  Wort  T^aiSJJ?  die  Erklärung  von  Saadias  ange- 


131 

Jnas  Arnos  9,9  heisst  Sieft,  wie  im  Talmud. 

(n'y  h'd  l^^in)  Y^  "«rs  ^':r')5  "^^'.^y  int  ^a'ra  (59 

■'Jsra   Ps.  139, 16   heisst  imförmliche  Masse ,    wie  im 
Talmud  ■^'2:",:,  ungeformte  Geräthe. 

Eben  so  die  spätem  Commentatoren. 

(a'y  -'''  p's)  -'DT  v':i-j:  ^•'r^^rr  n"'^  by  (60 

£3-':':::^  1  Sam.  13, 18  heissen  Raubthiere,  wie  das  tal- 
mudische y.2.z. 

Vergl.  Arucli  Art,  yajc. 

'8)  (ü'y  T^'p  nz-J)  .\-:^J5  n":rn  ^-rria  (61 

■'ötra  Ezech.  27,  21  heisst  Kleider,  wie  das  talmudische 
N^z-^ra  das  Kleid. 

Die    clialdäische   UeLersefzung    giebt    diese  "Worte    mit 
NrSn'l  '^'^11'):,^  himmelblaue  fVolie.    Raschi  und  Rimcbi  in  sei- 
nem Commentar  und  Wörterbuch  u.  d.  W.   erklären  so  wie 
Saadias. 
J<m  n-i-rN-ii  '•>  "r:":)  Nn"^2  rc.\üt  N'L:::N'::a  :^\TL:Mt:"^  (62 

rTTiüNüT  Jes.  14,  23  heisst  ausfegen,  wie   das    ähnliche 
Wort  im  Talmud. 

Dieses  Wort  wird    schon    in    Talmud    so    erklärt  (Me- 
gilla  10  b). 

^p-^pa  n^-inö  m^'^nsii  (63 

n''r"'r!'3  Jes.  2,  19  heissen  Gruben,  wie  das  gleiche  tal- 
mudische: ein  Loch. 
{29  Hz>  Ä a)  öw-^C-^YnJ  njn/'a  ^b«)  ww«  ■'a::  nw>j  •.a>»'^':?  (64 

lax-'l:  Kob.  2,  20  heisst  eine  Sache  aufgeben,    wie    das 
talmudische  Wort  «W"'  Verzicht  leisten  auf  etwas. 


führt:  rsnnsn  '\')^'J'<  "'D  Inii«;  „dem  der  es  (das  Getreide) 
durch  das  Sieb  wirft"  Eben  Esra  (a.  a.  O.)  erwähnt  diese  Er- 
klärung ebenfalls  ,  aber  ohne  Saadias  zu  nennen. 
18)  Aus  der  im  Text  bezeichneten  Talmudstelle  geht  hervor  ^  dass 
f{A3^~5  das  Unterkleid  genannt  wurde,  im  Gegensatz  von  ffil-rÖ 
welches  das  Oberkleid  heisst.  Das  fir-D  ''Zt^Jt  wäre  demnach 
„himmelblaue  Unlerkltider-'  zu  übersetzen. 


iH 


132 

Eben  so  Kimchi  u.  d.  W. 

tzJ'^Di^nü  Esra  1, 9  heissen  Schiachimesser,  wie  im  Tal- 
mud: „das  Haus,  wo  man  die  Messer  bewahrt." 

Kimchi  u.  d.  W.  sucht  die  Etymologie  dieses  "Wortes 
aus  der  hebräischen  Bedeutung   derselben  zu  entwickeln, 

ft,tixi  Lgi"^  riilw  ^;7;y^*^^^   O-?^"^    '^^-5    oU^t   ÖTl^lSo  (66 

n'^3i:n  Ruth  2,  16  die  Bündel;  und  ähnlich  nennen  sie 
(die  Leute  im  Talmud)  die  Zange  d:i:z  ,  weil  sie  zusam- 
menfasst. 

Die  chaldäische  Uebersetzung  giebt  es  N^TiSN  ]70  von 
den  gebundenen  Garben,  Eben  so  Kimchi  u.  d.  W.  Raschi 
citirt  eine  passende  Talmudstelle  ^^). 

niwXIJos  Ex.  38,  8  heisst  Spiegel ,   wie  das  talmudische. 
Von  Raschi  und  Kimchi   eben   so  erklärt. 

20)  (S5>  j,'^  nn)  niD^p  ^-^'j  vhi?  h:ip72  scp"'  (68 

Oöip"^  Ezech.  17,  9  heisst   wurmig,    schimmlig  werden 

lassen,  wie  das  talmudische  moDp  hahnig,  dumpf. 

Die  chaldäische  Uebersetzung  giebt  dieses  Wort  mit  ;]üp^ 

abhacken ,  welches  auch  von  Raschi,  Eben  Esra  und  Kiuichi 

angenommen  ward. 

(n'2>   3  53)  ^p3  bu)  ns'n  (*fly>  q'»  tr^nc^n  (69 
tn'^ns^  Hab.  3,  17  heisst  Viehstdlle ,  wie   das  tulmudi- 
schc  Wort. 

Kimchi  eben  so. 


19)  Aus  der  im  Text  angegebenen  Stelle  geht  hervor  das  b'^DH^ 
synonym  ist  mit  fllD'^llS  (zusammengebunden)  und.dass  erste- 
res  Wort  besonders  lose    zusammengebunden  bedeutet. 

20)  Es  hätte  auch  hier  eine  andere  talmudische  Bedeutung  dieses 
Wortes  benutzt  werden  können.  DI&Dp  heissen  iiu  'J'aliuud 
Erdschollen,  Klumpen;  vcrgl.  Nasir  68  a;  Aruch  Art.  TTp« 


133 

^U)"«  7:>5n  MrT   «nn  b:?:a  Nr   p^5^   "pj«  "c  n^:nnr  (70 

T^^nnr  lob  2,  Slieisst  a«  kratzen,  wie  das  talmudische: 
mfl»  </flr/"  nicht  abkratzen. 

Eben  so   bei  Kimcbi  u.  d.  W. 

N'-^rc-^TTC  Dan.  3,  5  heisst  Röhre,  wie  das  talmudische 
rr;rs?0D  die  Röhren. 

(^a'y'i  !=:'"noD)  rras:?»  nsjr^  rrm^D  *n»i:?  (72 

Tun?  Joel  1,  17  heisst  schimmlig  werden,  wie  im  Tal- 
mud :  wenn  das  Brod  schimmlig  wird. 

(Tj'p  nr^)  m^^n-  ncii':^  ^-••n^sii^  (73 

£=;n\*nD'TJ73  Joel  1,  17  heisst  der  Spund,  welcher  im 
Talmud  rjatsQ  heisst. 

So  giebt  es  schon  die  cbaldäische  Uebersetzung  nVin 
■jinnsti-.  Eben  Esra  citirt  eine  andere  Erklärang  dieses 
Wortes  von  R.  Merenas,  welcher  auch  Kinichi  beitritt. 

Laj?  Ä^ulit  »tXP^  o'"***  mr^n  pn«  4<ui:i  (74 

m::£  Arnos  4,  2  bedeutet  wie  im  Arabischen  Brodkürbe. 

Die    chaldäisclie    Uebersetzung    giebt    dieses    Wort    mit 
p^TS'^'nn   fVaffen  welche  Erklärung  von  Raschi ,    Eben  Esra 
und  Kimcbi    angenommen    ward.     Die   zwei    letztgenannten 
geben  jedoch  andere  Erklärungen  von  diesem  Worte. 
(N3>  3  3  p'::)  [■'^■^-id::]  N'^TinNnpu;2N:;r::  '^T:j€■:^v  np^ü:  (75 

ip"a:  RIagl.  1,  14  heisst  emporspringen,  wie  das  tal- 
mudische Nnp'ca  mit  einem  Sprung. 

Die  cbaldäische  Uebersetzung  hat  ip-^Tii«  schwer  werden 
Kimcbi  u.  d.  W'.  citirt  diese  Meinung  im  Namen  des  Ilay 
Gaon.  Raschi  und  Eben  Esra  geben  andere  Erklärungen 
von  diesem  Worte. 

Cr^rs)  lynaa  Tnrjm  inn  in   n^-w  tu  us^n  ^-."nn  (76 

(  w\  r:;"j-:    t  p-is 
->ninn  lob  41,  22  heisst  scharf ,    wie    das    taimudische 
Spitze. 


134 

■Wörtlich  so  Kimchi  u.  d.  W. ,  ohne  Saadlas  za  nennen. 

n'nV3  Jes.  1,  31  heisst  Werg,  wie  das  gleiche  talmudi- 
sche Wort. 

(hd'p  ns)  mn  ^üTD  N-^itiürr  i^iütüö  (78 
'J'^üu^ü  lob  38,  33  heisst  sein  Kreis,   wie  das  talmudi- 
sche Wort  "nDiD  Wechsel  (welcher  eben  deshalb    so    heisst, 
weil  er  von  Hand  zu  Hand  geht.) 
Eben   so  bei  Riracbi  u.  d.  W. 

21)  iDiu>m  -iirsips  o-^^  ""^^  1'"'''  C^ 
•'S"*!)  Nu.  23,  3  heisst  mit  Zwang,  schwer,  wie  das  tal- 
mudische i-DiuJn  mif  iVofÄ. 

Kimchi  bringt  eine  ähnliche  Meinung  im  Namen  des  Je- 
liuda  Cbiug  (Art.  !lDUJ).  Eben  Esra  scheint  auf  die  Meinung 
unsers  Autors  anzuspielen.  Onkelos  giebt  es  ■^T^n"'  allein,  welclier 
Erklärung  Rasclii  beitritt  ^'^).  In  der  Polyglotte  ist  dieses 
Wort  mit  ^^^  i5  in  Stille  gegeben ,  welches  mit  dem  ChaU 
däischen  übereinstimmt. 

Tiitiip  ^üinü  (n!?  nüt)  y^pa   TJsnM  pcüöpp  (80 

(S  ^'b  m\>0 

y*ip  Jer.  46, 20  heisst  Mord,  wie  das  talmudische  y^P'^ 
es  wird  geschlachtet. 

Diese  Auslegung  wird  schon  im  Talmud  (Joma  32  b) 
nach  der  chaldäischen  Ucbersetzung  des  R.  Joseph  gegeben. 
Eben  so  Raschi  und  Kimchi  u.  d.  W. 

l-'-ia  Tai::s»nraj  t^'^sj'^  a-'öi^»  '['•m  (81 

t=i'^;nii:i>  Sprüche  18,  18  gewaltig,  wie  in  der  Stelle: 
wenn  zwei  heftig  in  einem  Processe  agiren. 


21)  Das  hebr.  nSnSI   'laiDJ   (Psalm    51,   19)    giebt    die   chaldäische 
Uebersetzung  ''DU^T  "T'nn. 

22)  Derselbe  setzt  noch  die' Worte  hinau  :  "J'^Ntt)  ''D'JÜ)^  tapiö  pU)-) 
tlp'^nUJ  it^N  yoS  „ruhig  nachdeukeud  imd  schweit^sain'^ 


135 


So  auch  von  Kimclii  u.  d.  W.  erklärt. 
(a'y  'd  niuj)  CDi-ia  \n  r,^y  Jr^n  tr:«<  tz^c-'oi  (82 
ä"iD"'sn  Arnos  6,  11  heissen  Splitter,  wie  in  der  Tal- 
mudstelle :  es  war  zersplittert. 

Wörtlich  bei  Rimchi.  ^ 

nnai:D  Ps.  60,  4  heisst  Jm  Äfl5f  «e  aufgerissen ,  wie 
das  talmudische  u'^i:^  Ai^^ ,  und  wie  im  Targum  zu 
Jer.  22,  14. 

Vergl.  Aruch  u  d.  W.  Auch  Kimchi  u.  d.  W.  erklärt 
es  so. 

(a's  /•>  si>5:2)  r:>;n  nn:>"iyr  ^*'*i"jp  jiwX  rrVr  tr-:  (84 

T3>ir  Ps.  114,  1  heisst  Fremder,  wie  in  der  Talmud- 
stelle: n"!T3>iV;  für  Altsländer. 

Eben  so  bei  Kimchi    u.  d.  W.     Vergl.  Eben  Esras  Se~ 

fath  jether   IVo.  42,   wo    im  Namen    des  Saadias    die  "Worte 

ns'J  '^yj'z  barbarisch  redende  als  Erklärung    des    hier    aufgc- 

fubrten  "jyb  gegeben  ist,  welches  aber  dem  Sinne  nach  eins  ist. 

(i\:>  :2'j  niD^n)  p"»ab  i):  rr^n«  'j?»  u3'':T»j<a-j  (85 

&:')\'<Jib  Ps.  123,  4  heisst  Legionen. 

Vergl.  Sefath  jether  ^o.  11.  Donasch  ben  Librat  be- 
streitet diese  Meinung. 

Törin  les.  14,  12  heisst  loosen,  wie  das  talmudische 
3">TDrn  Loose. 

Diese  Erklärung  wird  schon  vom  Talmud  selbst  gege- 
ben (Sabbath.  149  a).  Eben  Esra  und  Kimchi  erklären  es 
jben  so. 

(3  «'■•  ta-irs)  ^^2:n  nnn«  i^msüi  mmsiT)  (87 
mms  1  Kön.  7,  50  heissen  die  Löcher,  worin  sich  die 
Angel  der  Thür  bewegt,  wie  das  talmudische  n.TiD. 
Eben  so  bei  Rimchi  (Art.  nis). 


-^. 


136 


(S   T  m'T^S'a)  •''^s  Nirruj 
r7::1'^3^{  Koh.  12,  5  heisst  die  Blüthe,  wie  das  talmudi- 
sche ni3rnjf. 

•  Eine  einfacheife  Etymologie  hei  Riinchi  (Art.  i^ii«),  wo- 
mit die  Auslegung  des  Midrasch  zu  dieser  Stelle  überein- 
stimmt. 

{i{s>  s'a  /2>)  i'^  ns^uj  ■'■lA  vmüüs»  isrisi  (89 

iDi^  lob  33,  21  heisst  geglättet  werden,  wie  das  tal- 
mudische  riD'iJ  er  Äflf  geglättet. 

Eben  so  bei  Kimchi  (Art.  f^SÜ)). 
(3>'u  mna?o)  n"'::''i:n  ;]ü2>r)n!:  L^^^^m^j  ni2t:5>7:im  mirbnan  (90 

mDüi»^  les.  3, 23  heissen  Hüllen,  mit  dem  Worte  >]t2Js>n^T!: 
sich  einzuhüllen  verwandt. 

Eben  so  Eben  Esra  und  Kimchi.  Die  chaldäische  Ueher- 
setzung  giebt  dieses  Wort  mit  N''D"i^l\ü  Unterpßihl  ^  Avelches 
auch  Rasch!  annimmt. 


LgJt/^3    ^jdt   'iöjl\   xiaa]    (*  QjOtAAuJt    j^f"*^ 


*)  Erst  nach  Abdruck  des  auf  S.  116  gesagten  zeigte  sich  ,  dass 
in  der  Nuinerirung  der  Artikel  in  dem  eingesendeten  Manu- 
script  ein  Fehler  vorgefallen  und  die  wirkliche  Zahl  der  er- 
klärten Wörter  neunzig  sei.     Daher  ist  ohne  Zweifel  q_^«.»m^i 

der  richtige  Titel,  und  das  bisher  angenommene  qj^;»**'' 
aus  einem  in  Arabischen  Manuscripten  so  häufigen  Fehler 
entstanden. 


f 


137 


IMe  moslemisclien  Scliriftsteller  über  die 
Theorie  der  Musik. 


Die  Herausgabe  des  von  El  ispahani  verfassten  B  u- 
ches  der  Lieder,  in  welchem  häufig  die  Melodien  der 
Lieder  bezeichnet  sind,  veranlasste  mich  über  die  Bedeu- 
tim«*-  der  dabey  gebrauchten  Ausdrücke  weiter  nachzufor- 
schen, und  ich  habe  daher  in  der  Einleitung  meiner  Aus- 
gabe einiges  hierüber  vorgetragen.  Ich  glaube  hier  aber 
noch  manches  Nähere,  wozu  es  dort  an  Raum  gebrach, 
hinzufügen,  und  zugleich  einige  weitere  Proben  aus  dea 
moslemischen  Schriftstellern  über  die  Theorie  der  Musik, 
Arabischen,  Persischen  und  Türkischen  mittheilen  zu  kön- 
nen. Zuvörderst  muss  ich  etwas  über  die  Einrichtung 
jenes  Buches  der  Lieder  sagen,  woraus  sich  erge- 
ben wird,  in  welchem  Zusammenhange  die  musikalischen 
Ausdrücke  dort  vorkommen. 

Das  Gerippe  des  grossen  Werkes  bildet  eine  Samm- 
lung berühmter  Arien,  und  diese  sind  die  ^^ls^  Lieder 
oder  Gesänge,  auf  welche  der  Titel  des  Werkes  sich 
bezieht.  Eine  einzelne  solcher  Arien  führt  in  dem  Buche 
in  der  Regel  die  Ueberschrifl  oyo  vox.  Der  Verfasser  hat 
ein  paar  Hundert  dieser  berühmteren  Arien  zusammengestellt. 
Zuerst  kommen  d i e  hundert  ausgewählten  Arien 
b^U:5\4j!  cy^t  äjUI  welche  auf  Befehl  des  Chalifen  Harun 
arraschid  von  den  zu  seiner  Zeit  vorzüglichsten  Sängern 
V.  9» 


138 

ausgewählt  wurden  ;  dieser  Sammlung  fügt  dann  El  is- 
pahani  noch  eine  lange  Reihe  andrer  hinzu.  Jene  hun- 
dert ersten  werden  in  den  Handschriften  am  Rande 
bisweilen  gezählt,  so  dass  dann  steht:  erste  Arie  der 
hundert  ausgewählten,  zweyte  Arie  der  hundert  ausge- 
wählten, u.  s.  w.  Die  einzelnen  Arien  sind  dem  Texte  nach 
meistens  nur  kurz,  enthalten  gewöhnlich  zwey,  drey, 
vier  oder  fünf  Verszeilen  j  hin  und  wieder  aber  kommen 
auch  längere  vor.  Diese  Arientexte  wurden  meist  aus 
grösseren  Gedichten  angesehener  Dichter  zum  Behuf  der 
Composition  von  den  Componisten  ausgezogen.  Daher 
geschieht  es  öfter ,  dass  El  ispahäni,  nachdem  er  ein 
grösseres  Gedicht  mitgetheilt  hat,  dann  hinzufügt:  «zu 
dem  zweylen  und  dritten  Verse  hat  Mabed  (ein  berühm- 
ter Sänger  und  Componist)  die  und  die  Melodie  com- 
ponirt ;  dagegen  hat  zu  dem  sechsten  und  siebenten 
Verse  El  garid  (ein  anderer  berühmter  Componist)  die 
und  die  Melodie  gesetzt.«  Oft  sind  auch  zu  einer  und 
derselben  Arie  zwey  oder  drey  verschiedene  Melodieen 
von  verschiedenen  Componisten  gemacht.  Aus  den  Be- 
richten über  diese  Arien  besteht  nun,  wie  gesagt,  das 
Buch  des  El  ispahäni.  Die  Berichte  aber  sind  in  fol- 
gender Weise  abgefasst.  Zuerst  setzt  er  den  Text 
der  Arie  hin.  Darnach  sagt  er,  in  welchem  Versmasse 
dieser  Text  gedichtet  scy,  und  von  welchem  Dichter; 
auch  erläutert  er  öfter  einzelne  Ausdrücke  dieses  Tex- 
tes. Ferner  giebt  er  die  Melodie  der  Arien  an,  und 
zwar  so,  dass  er  zuerst  die  Taktart  bemerkt,  bisweilen 
auch  bloss  die  Taktarl.  Hierauf  theilt  er  historische 
Nachrichten  über  den  Dichter  des  Textes  mit,  und 
endlich  historische  Nachrichten  über  den  Componisten  der 
Melodie.  Diese  historischen  Aufsätze  bilden  die  Haupt- 
masse des  Buches,  und  dehnen   sich  oft  ausserordentlich 


139 

aus,  untermischt  mit  zahlreichen  andern  Arien,  welche 
nicht  zur  eigentlichen  Reihe  gehören,  und  Gedichten.  Sie 
erzählen  dann  bald  aus  den  alten  Zeiten  der  heidnischen 
Araber,  bald  aus  den  Zeiten  der  Chahfen.  Bey  mancher 
Arie,  die  zur  Reihe  gehört,  trifft  es  sich  natürhch,  dass 
ihr  Componist  schon  früher  vorgekommen,  und  dort  sein 
Leben  erzählt  worden;  der  historische  Artikel  über  ihn 
fällt  daher  bey  seiner  ferneren  Erwähnung  fort.  Com- 
ponisten,  Sänger  und  Sängerinnen  werden  etwa  hundert 
abgehandelt.  Dichter  aber  wohl  dreymal  mehr.  Ausser- 
dem aber  werden  gelegenthch  eine  Menge  andrer  Com- 
ponisten  und  Dichter  genannt,  die  keine  besondere  Arti- 
kel erhalten.  Die  Einrichtung  des  Werkes  ist  also  un- 
gefähr so  ,  wie  wenn  man  über  deutsche  Arien  in  fol- 
gender Weise  ein  Werk  ausarbeitete: 

# 

»Arie. 

»Willst  dich,  Hektor,  ewig  mir  entreissen, 
»Wo  des  Aeaciden  mordend  Eisen 
»Dem  Patroklus  schrecklich  Opfer  bringt? 
»Der  Text    ist    in  fünffüssigen  Trochäen,    und  von  Frie- 
»drich  Schiller  verfasst.    Mit  dem  Aeaciden  meint  er  den 
»Griechischen  Helden  Achilles,  dessen  Freund  Patroklus 
»bey  der  Belagerung  Trojas  von  Hektor  erschlagen  war. 
»Die  Melodie    ist   im    Viervierteltakt     aus    C     dur    von 
»Johann  Rudolph  Zumsteeg.    Friedrich  Schiller  ist  einer 
»der  vorzüglichsten  Dichter.    Er  ward  im  Würtembergi- 
»schen    geboren,    u.  s.  w.      Johann   Rudolph    Zumsteeg 
»ward  zu  Sachsenflur  im  Odenwalde  geboren,  u.  s.  w.u 
Die  historischen  Nachrichten  verlassen  bisweilen  ganz 
die    persönliche    Geschichte    des  Dichters    oder  Sängers, 
durch  dessen  Erwähnung  sie  herbeygeführt  worden  sind, 
und    schildern  ausführlich    politische  Ereignisse,    welche 


140 

iq  die  Zeit  jenes  Dichters  oder  Sängers  fallen,  oder  in 
entfernterem  Zusammenhange  mit  ihm,  oder  einem  seiner 
Vorfahren,  stehn.  Dadurch  wird  denn  das  Werk  zugleich 
eine  Quelle  für  die  allgemeine  Geschichte  der  Araber, 
sowohl  in  Bezug  auf  die  Zeit  vor  Mohammed,  wie  in 
Bezug  auf  die  Regierung  der  Omajjiden  und  der  frühe- 
ren Abbassiden.  Die  Gedichte,  aus  welchen  die  Arien- 
texte entlehnt  sind,  werden  oft  auch  vollständiger  mit- 
getheilt.  Die  Componisten  verfuhren  mit  dem  Texte  der 
Gedichte,  aus  welchen  sie  ihre  Arientexte  nahmen,  bis- 
weilen ziemlich  frey,  indem  sie  die  ursprüngliche  Ord- 
nung der  Verszeilen  nicht  befolgten,  auch  wohl  einzelne 
Verszeilen  hinzu  fügten.  So  werden  in  meinem  gedruck- 
ten Texte  des  Buches  der  Lieder  S.  87.  zehn  Vers- 
zeilen aufgeführt  aus  einem  Gedichte  des  Omar  ben  Abi 
rebia,  welcher  besonders  als  Liebesdichter  berühmt  und 
berüchtigt  war,  so  dass  man  es  gefährlich  fand,  seine 
Lieder  jungen  Mädchen  hören  zu  lassen.  Dann  fügt 
Isfähäni  in  Betreff  der  Composition  S.  88.  hinzu:  »Der 
Gesang  ist  von  Kardam  (einem  Componisten)  im  ersten 
schweren  Takt  mit  dem  Vorfinger  im  Laufe  des  Mittel- 
fingers (diese  Ausdrücke  beziehen  sich  auf  die  Bünde 
im  Griffbrett  der  Laute)  nach  der  Angabe  des  Ishäk 
(d.  i.  des  Sängers  und  Componisten  Ishäk  ben  ibrahim 
cl  maussili,  welcher  in  einem  grossen  Werke  vor  der 
Zeit  des  Ispähäni  die  berühmteren  Melodieen  verzeich- 
nete) und  zwar  zur  ersten  und  fünften  Verszeile, 
dann  zur  zweyten  und  dritten.«  Ein  solches  Um- 
stellen «ler  Verszeilen  und  öfteres  Weglassen  von  Vers- 
zcilen  des  ursprünglichen  Gedichtes  erschwert  aller- 
dings für  uns  öfter  das  Verstehen  der  Arientexte.  Der 
Ilinzufügung  einer  Verszeile  durch  die  Sänger  gedenkt 
Ispähäni    in    dem  Artikel    über    den  Säuger    Ibn  äischa. 


141 

Er  führt  einen  aus  zwey  Verszeilen  bestehenden  Arien- 
text auf,  und  sagt  in  Bezug  auf  ihn: 

Äxj6\  äLIü  o^t  3  ^j  ^yMi  ÄÄS^i  e)j^^  j^UJfj 

d.  i.  »die  erste  Verszeile  des  Gedichtes  ist  von  Soheir 
ben  abi  solma  ;  die  zweyte  ist  neueren  Ursprunges^  und 
die  Sänger  haben  sie  hinzugefügt ;  den  Verfasser  der- 
selben kenne  ich  nicht.  Der  Gesang  ist  von  Ihn  äischa, 
und  die  Melodie  im  leichten  Takt  des  ersten  schweren 
mit  dem  Ringfinger.« 

Ueber  die  Musiktheorie  der  moslemischen '''jiker  ha- 
ben wir  eine  Abhandlung  von  dem  Franzosen  \  illoteau 
erhalten^  welche  in  der  Description  de  l'Egypte^  seconde 
edit.  par  Panckoucke^  tom.  1 4.  etat  moderne,  abgedruckt 
steht.  Villoteau  war  Musikkeimer,  und  mehrere  Jahre 
mit  dem  französischen  Heere  in  Aegj'pten  gewesen,  und 
hatte  dort  die  damals  übliche  Musik  der  ägyptischen  Ara- 
ber untersucht,  und  manche  Melodieen  aufgeschrieben  mit 
den  europäischen  Musiknoten  ^  nur  setzte  er  diesen  un- 
seren Musiknoten,  da  sie  blos  zur  Bezeichnung  ganzer 
und  halber  Töne  eingerichtet  sind,  bisweilen  Sternchen 
und  andre  Zeichen  vor,  um  die  in  der  jetzigen  ägypti- 
schen Musik,  so  wie  im  Persischen  Musiksysteme,  üb- 
lichen Dritteltöne  zu  bezeichnen.  Das  erste  Ca- 
pitel  bey  Villoteau  ist  überschrieben:  De  la  musique 
Arabe.  Allein  es  müsste  richtiger  heissen :  De  la  musique 
Persanne.  Villoteau  theilt  nämlich  darin  eine  Uebersicht 
eines  Musiksystemes  mit,  welches  ganz  aus  Persischen 


142 

Handschriften  geschöpft  ist,  und  worin  überall  jene 
musicalischen  Kunstausdrücke  gebraucht  werden^  welche 
der  Persischen  Sprache  angehören^  und  nur  in  den  Per- 
sischen Abhandlungen  über  diese  Wissenschaft  gefunden 
werden.  Für  die  Kenntniss  des  Persischen  Musiksystemes 
ist  daher  dieser  Aufsatz  Villoteaus  sehr  brauchbar^  ob- 
wohl nicht  erschöpfend.  Ich  habe  andre  Persische  Hand- 
schriften über  die  Musiktheorie,  als  die  von  Villoteau 
benutzten^  gelesen,  namentlich  das  Werk  q^^5  OcoLiL<j 
Makässid  el  alchän  d.  i.  die  Ziele  der  Melodieen 
von  Abdelkädir,  welches  sich  auf  der  Leidener  Bibliothek 
befindet.  Ich  habe  in  diesem  Werke  dasselbe  System  wie 
in  der  Abhandlung  Villoteaus  gefunden ;  nur  sind  die  Kunst- 
ausdrücke im  Makässid  zum  Theil  etwas  anders,  als  in 
den  vo»"  Villoteau  gebrauchten  Schriften.  Die  Darstellung 
im  Mah.*'4sid  ist  übrigens  ganz  einfach  und  strenge ;  man 
findet  dan'^i  nicht  jenen  blumenreichen  und  schwülstigen 
Styl,  über  welchen  Villoteau  in  seinen  Handschriften  bis- 
weilen 1/lagt.  Uebrigens  ist  es  nicht  eigentlich  Villoteau, 
welche?  a  man  jene  Darstellung  aus  den  Persischen  Hand- 
schriften verdankt,  sondern  dem  damaligen  jungen  Ori- 
entalisten Herbin  zu  Paris,  einem  bald  nachher  verstor- 
benen Schüler  Sacy's ,  welcher  Arabisch  und  Persisch 
verstand,  dabey  Musikkenner  war,  und  die  Auszüge  aus 
den  Handschriften  für  Villoteau  machte.  Villoteau  selbst, 
obwohl  er  mehrere  Jahre  in  Aegypten  zugebracht  hatte, 
verstand  wenig  Arabisch  und  Persisch  ^  wo  er  sich  auf 
Erklärung  Arabischer  und  Persischer  Ausdrücke  einlässt, 
zeigt  er,  %vo  er  nicht  Sacy's  oder  andrer  Gelehrten  Be- 
merkungen zu  Hülfe  nimmt,  die  deutlichste  Schwäche. 
Er  vermag  gar  nicht,  Arabische  Wörter  von  Persischen 
zu  unterscheiden ;  jeden  Augenblick  giebt  er  für  Arabisch 
aus^  was  Persisch  ist.    Etwas  von  der  Arabischen  Volks- 


143 

spräche    hat   er   ohne  Zweifel    durch   den  Aufenthalt  in 
Aeoypten    gelernt ;      aber    zum    Verstehn    geschriebener 
Texte  scheint  dies   ganz  unzureichend  gewesen  zu  se\Ti. 
Das  zweyte  Capitel  bey  Villoteau  ist  überschrieben: 
De  la  pratique  de  la  musique   parmi   les  Egj'ptiens  mo- 
dernes.     Die    hier   mitgetheilten  Nachrichten    sind    sehr 
schätzbar,  da  Villoteau  berichtet^  was  er  als  Ohrenzeuge 
in  Aegypten  vernahm.  Das  von  den  jetzigen   Arabern  in 
Aegypten  befolgte  Musiksystem  ist  das  Persische  mit  der 
Abtheilung  des  Tones  in  drei  Dritttheile,  und  die  dort  üb- 
lichen Kunstausdrücke  sind  grösstentheils  jene  Persischen^ 
welche  sich  in  den  Persischen  Handschriften  finden.    Vil- 
loteau fand    es  anfangs     sehr  schwierig,  die  von  ihm  in 
Aegypten  gehörten  Älelodieen  aufzufassen,    weil  sie  mit 
Verzierungen  überladen  sind.    Auch  über  die  eigentliche 
Quantität    der  Intervalle    blieb  er  lange  zweifelhaft.     Er 
sagt  S.  134:     »Ce  ne  fut  qu'en  examinant    la  tablature 
des  instrumens  de  musique  d  Egypte,  et  surtout  de  ceux 
dont    le  manche    est  divise  par    des  touches  fixes,    que 
nous  commengämes    ä  nous  apercevoir,    que  les  sons  ne 
se  suivaient  pas,    ainsi  que  les  notres,    par  tons  et  de- 
mi-tons.     Alors  nous  reconnümes    qu'un    ton    comprenait 
quatrc    degre's    et    trois  intervalles  egaux,    chacun    d*un 
tiers    de  ton,    et  enfin  nous    füraes  convaincus,    que  cet 
Intervalle  que  nous  n'avions  pu  apprecier    dans  le  chant 
de  notre  musicien,  et  qui  etait  plus  petit  que  notre  de- 
mi-ton  mineur,    ötait  un  tiers    de  ton.     Depuis,  les  ma- 
nuscrits  sur   la  theorie    de  la  musique  Arabe  (richtiger: 
Persanne)    nous   ont    confirmes    dans     cette    conviction.« 
Diese  Beobachtimg  Villoteaus  ist  ganz  richtig,   und  auch 
das  -  oben    von   mir  erwähnte   Persische  Werk    Makässid 
bestätiget    die  Persische    Eintheilung    des  Tones  in  drey 
Dritttheile.  Das  kleinste  Intervall  heisst  in  jenem  Werke 


144 


*Aftj  Rest,  residuum^  welcher  Ausdruck  aus  dem  Grie- 
chischen Xalfifia  stammt ;  das  nächstgrosse  Intervall  heisst 

s^Ärs^  cNju  Seitenintervall^  intervallum  laterale^  das 
dann  folgende  j^^JL^JLb  lXju  Tonintervall^  intervallum 
tonicum ,  d.  1.  der  ganze  Ton.  Nun  wird  im  Makässid 
cod.  Lugdun.  pag.  25.  über  das  Verhältniss  dieser  drey 
Intervalle  unter  anderem  Folgendes  gesagt: 

vi^^^^LäjI    -suo^    ^aäj    2«^3    iXw    [»jijW    ,.jJjt    J^iSj 

ji    VÜVW^t    (J^A^J     X<jÄJ     iNäj      -J     V»j>J^     OwÄJ     J^^^ 
OsÄJj  Ä.LjJ  jl  Ci^^l     Jw^jf  Uli    ^IcnJW  jd     Ut    C>.JJ.^ 

C^V^MXJlj     ^ftj     uVjtJ     viX.AJ     ^..^JL:^     «>Jt4      J     (jLxAb 

ViÜAiAiMO    jl>     «O^!      ^AÄJ      «XäJ      ü\XA)      XÜi     (^^-aJLJö^ 

d.  i.  »Oben  ward  gesagt^  dass  das  residuum  das  kleinste 
Intervall    ist.     Der  Ueberschuss    des  intervallum  laterale 
über    das  residuum  ist  demselben    (d.  i.    dem  residuum) 
gleich^  in  Ansehung  des  Verhältnisses  5  aber  in  der  Strecke 
a — 1}  ist  es  (das  residuum)  beträchtlicher  als  b— g.  Das 
interValium  tonicum  übertrifft  das  intervallum  laterale  um 
ein  residuum.    Das  intervallum  tonicum  ist  demnach  drey- 
mal  das  intervallum  residui^    in  Ansehung  des  Verhält- 
nisses.«     Der  Sinn    dieser   Stelle   ist  also :  »der  ganze 
Ton   wird    bey    uns  in  drey  residua    (oder  Limma)  ab- 
getheilt,  deren  ers  tes  aber  etwas  grösser  als  das  zweytc 
ist;    das    erste    residuum    mit    dem    zweyten  verbunden 
giebt    das    intervallum  laterale ;    kommt    noch    das  dritte 
residuum  hinzu,  so  hat  man  den  ganzen  Ton.«  Es  wird 
diese  Eintheilung  in  der  Handschrift  pag.   13.  auch  durch 
folgende  Linie  deutUch  gemacht : 
a  b  £  d 


145 

• 

Von  a  bis  b  ist  ein  residuum  oder  Limma ;  von  b  bis  g 
wiederum  eins ;  von  g  bis  d  wiederum  eins.  Von  a  bis 
g  ist  das  intervallum  laterale  oder  zwey  Drittheile  ei- 
nes Tones.    Von  a  bis  d  ist  der  ganze  Ton. 

Von  den  Taktarten  oder  oLcUül  des  persischen  Mu- 
siksystems^  welche  in  den  diesen  Gegenstand  betreffen- 
den Handschriften  mehr  oder  minder  ausführlich  abge- 
handelt zu  werden  pflegen^  spricht  Villoteau  nicht.  3Iit 
seiner  ebengedachten  Abhandlung  hat  man  noch  zu  ver- 
binden die  gleichfalls  von  ihm  verfasste  Description  des 
instrumens  de  musique  des  Orientaux^  welche  im  drey- 
zehnten  Bande  der  Description  de  l'Egypte  steht. 

Im    vorigen    Jahre    lieferte  der  durch    seine  Studien 
und  Arbeiten  über  die  Geschichte  der  alten  Musik  rühm- 
lich    bekannte    Hofrath    Kiesewetter    seine    Schrift: 
Die  Musik    der  Araber  nach  Originalquellen   darge- 
stellt j    begleitet  mit  einem  Vorworte  von  dem  Freiherrn 
von  Haramer-Purgstall.   ~  Auch  dieses  Werk  scheint  mir 
richtiger  eine  Schrift  über  die  Musik  der  Perser,  als 
eine  Darstellung    der  Musik   der  Araber^    genannt  wer- 
den   zu  können.       Herr    von  Hammer  übersetzte  haupt- 
sächhch    aus  Persischen    und    Türkischen    Handschriften 
für    den    der  orientalischen  Sprachen    unkundigen    Herrn 
Kiesewetter  Materialien  für  dieses  Werk^    bemerkt  aber 
in  dem  Vorworte,  dass   er  in  der  Musik  Laie  sey.   Herr 
Kiesewetter  benutzte  dann  die  ihm  von  Hm,  von  Ham- 
mer gelieferten  Uebersetzungen  ^     und  die  Abhandlungen 
Villoteau's.      Auch    die  ersten   zwölf  Bogen  meines  Pro- 
oemium    zu  meiner  Ausgabe    des    grossen  Liederbuches, 
worin    aus  dem  Araber    El  färäbi,  der  die  Musiktheorie 
abhandelt,  Auszüge  mitgetheilt  sind^  hatte  Hr.  Kiesewet- 
ter,   und  Hr.  v.  Hammer    benutzte    auch    die  Arabische 
Abhandlung  über  die  Musik,   welche  in  den  Abhandlun- 
V.  10 


146 


gen  der  Brüder  der  Reinheit  steht^  und  etwas  jün- 
ger als  das  Werk  des  El  faräbi  ist.    Nämlich  El  färäbi 
starb  ao.  339    der  Hedschra,    und  die  Abhandlungen  der 
Brüder  der  Reinheit   wurden    nach  Herrn   von  Hammers 
Bemerkung  im  Vorworte   zur  Schrift  Kiesewetters  S.  VIII. 
zu  Ende  des  vierten  Jahrhunderts  der  Hedschra  verfasst. 
Aber  in    der  Darstellung  Kiesewetters    scheint    mir  von 
jenen  Arabischen  Quellen    wenig  Gebrauch    gemacht  zu 
seyn.     Wir  finden  vielmehr    bey  Kiesewetter  jenes  Sy- 
stem, und  jene  Tonweisen^  die  Villoteau  behandelt^    und 
ebenso  das  von  mir  obenerwähnte  Persische  Werk  Ma- 
kässid^    welches    gleichfalls    Hrn.    v.  Hammer   vorlag. 
Wir  treffen  hier  also  jene  Tonweisen  an^  die  durch  rein 
Persische  Wörter^  wie  tAÄ.^3i|^j  i^jß  «Jj-^aj^  :L^-wj3^_^ 
sii>^\j  y  bezeichnet  sind,  und  deren  ich  in  meinem  Prooe- 
mium  S.  34.  gedacht  habe,    Herr  Kiesewetter  sagt  frei- 
lich^ das  von  dem  Araber  El  färäbi  vorgetragene  System 
sey    ein  den  Arabern  fremdartiges  gewesen,  und  El  fä- 
räbi   habe  es  den  Arabern    nur    aufzwingen  wollen,  und 
zwar  ohne  Erfolg ;  das  Persische  System  sey  von  jeher 
bey    den    Arabern    in  Gebrauch   gewesen,    und   auch    in 
Gebrauch  geblieben.      Allein    schon   eine    Geschichte 
der  Arabischen    und  Persischen  Musik  geben  zu  wollen, 
scheint  mir  ein  gewagtes  Unternehmen  zu  seyn.  Meines 
Erachtens  kann  man  zunächst  nichts  andres  thun,  als  den 
Inhalt  der  einzelnen  Werke  über  die  Musiktheorie  erfor- 
schen,   und    die  Ansichten    der  Araber    und    der  Perser 
auseinander  halten.     Ist  dies  ausgeführt,  dann   lässt  sich 
eine  wahrscheinliche  Geschichte  des  Ganges  geben,  wel- 
chen   die  Entwicklung    der  Musiktheorie  bey  jenen  Völ- 
kern nahm.     Schon  lange  vor  El  färäbi  soll  der  ao.  170 
verstorbene  Araber  El  chalil  hon  achmcd  el  ferähidi  über 
Musiktheorie    geschrieben  haben,    sowie    er    auch    über 


149 

Grammatik  und  Prosodik  Schriften  verfasste ;  Ebn  chal- 
lekan  erwähnt  unter  den  Schriften  dieses  Mannes 


y 


^♦ijJi  das  Buch  der  Töne.     Für  die  Geschichte  der 

Anfänge  der  Arabischen  Blusiktheorie  würde  es  gewiss 
wichtig  seyn,  wenn  jenes  Buch  des  Ferähidi  sich  auf- 
finden Hesse.  El  färabi  unterscheidet  allerdings  biswei- 
len seine  Weise  der  Darstellung  und  seine  Terminologie 
von  derjenigen  Art  des  Ausdruckes,  welche  zu  seiner 
Zeit  bey  den  praktischen  Musikern  seines  Volkes  üblich 
sey.  Es  scheint  mir,  dass  er  dasjenige,  was  er  in  der 
Praxis  vorfand,  wissenschaftlich  entwickeln,  und  die  ma- 
thematischen Gründe  dafür  nachweisen  wollte,  und  dass 
er  hiebey  die  Darstellung  der  Griechischen  Musiker,  wel- 
che ihm  ebenso  wie  die  Griechischen  Mathematiker,  be- 
kannt waren,  benutzte,  theils  den  Griechischen  Musikern 
genau  folgend,  theils  von  ihnen  abweichend.  Ganz  in 
ähnlicher  Weise  verhalten  sich  manche  uusrer  gelehrteren 
theoretischen  Werke  gegenwärtiger  Zeit  zu  unsrer  heuti- 
gen gewöhnlichen  musikalischen  Praxis ,  •  indem  sie  theils 
die  Gründe  für  diese  Praxis  entwickeln,  theils  einiges  in 
der  Praxis  gewöhnliche  als  falsch  und  unbegründet  nach- 
zuweisen suchen.  Die  Eintheilung  in  Drittelt  töne 
gebraucht  El  faräbi  nicht.  Er  wendet  nur  die  Griechi- 
schen Intervalle    an ,    ebenso    wie    unsre    abendländische 

Musik,  nämlich  das  .c-i-y-ä  cXju  intervallum  tonicum  oder 
den  griechischen  zovos  d.  i.  den  ganzen  Ton,  und  die 
* — .*.—-gj  residuum  oder  das  Griechische  XeT/^fia  d.  i.  den 

H  a  1  b  t  o  n.  Diese  Arabischen  Benennungen  sind  unstrei- 
tig den  Griecliischen  nachgebildet.  Aber  El  färabi  führt 
an,   dass  auch    noch  andre  Benennungen   für  jene  Inter- 


148 

valle   üblich  seyen ;    z.  B.    der  ganze    Ton  heisse  auch 

BJu«  Spannung,  Dehnung,    welches  eine  andre  Ue- 
bersetzung  des  Griechischen  Wortes  rovog  zu  seyn  scheint ; 

ferner  heisse  der  ganze  Ton  auch  BJyeJi  Juu  intervallum 


rcditus;  der  halbe  Ton  heisse  auch  id»^  Ueberschuss, 
weil  er  der  Ueberschuss  der  Quarte  über  zwey  Töne  sey. 
Hieraus  darf  man  doch  vermuthen^  dass  schon  vor  El 
färäbi  Arabische  Benennungen  der  Griechischen  Intervalle 
im  Gebrauch  waren.  Die  Griechische  öleoig  oder  den 
Viertelton    erwähnt  El    färäbi  gleichfalls,    und    zwar 

unter  dem  Namen  SLi>y  Lösung,  weil  das  Wort  d/eff^g 

Lösung  bedeutet ;  aber  in  seinen  Angaben  über  den 
Umfang  einzelner  Tongebiete  und  Instrumente  macht  er 
von  diesem  kleinen,  wenig  praktischen  Intervalle  eigentlich 
keinen  Gebrauch.  Die  sonderbaren  und  unpraktischen  In- 
tervalle des  chromatischen  und  enharmo nis  chen 
Klanggeschlechtes  der  Griechen  führt  El  färäbi  auch  auf, 
den  Griechen  hierin  folgend.  Aber  diese  Intervalle  werden 
wohl  bei  Griechen  und  Arabern  nur  theoretische  Spitz- 
findigkeiten geblieben,  und  nicht  in  die  Praxis  überge- 
gangen seyn;  sie  entstanden  nur  aus  mathematischer 
Theorie.  El  färäbi  beginnt  damit  zu  sagen,  er  wolle  die 
Musik  der  Alten  abhandeln,  und  er  beschreibt  daher  die 
Intervalla,  Genera,  Octavas,  Modos  und  Systemata  der 
Töne  nach  der  Weise  der  Griechen.  Aber  er  schildert 
auch  die  Instrumente,  welche  die  Araber  gebrauchten, 
und  die  Tonleitern  derselben,  und  was  die  praktischen 
Musiker  in  Anwendung  zu  bringen  pflegten.  Die  von  El 
färäbi  entwickelte  Taktlehro  scheint  von  der  Grie- 
chischen, welche  uns  unvollkommen  bekannt  ist,  und  gros- 
sentheils  mit  der  Prosodik  zusammenfällt,  unabhängig  zu 


149 

seyn.  Dies  war  wenigstens  die  Meinung  eines  mit  der 
Griechischen  Musik  vertrauten  Mannes,  des  Hrn.  Prof. 
Bellerroann  zu  Berlin^  Herausgebers  des  Werkes :  Anonymi 
scriptio  de  musica ;  Bacchii  senioris  introductio  artis  mu- 
sicae;  Berolin.  1841.,  welchem  ich  über  das  von  Elfar&bi 
vorgetragene  Taktsystem  die  in  meinem  Prooemium  zum 
grossen  Liederbuche  enthaltenen  Auszüge  vorlegte. 

Doch  ich  wende  mich  nun  zu  El  farabi  selbst,  um 
einige  Älittheilungen  aus  seinem  Buche  zu  geben.  Die 
Leidener  Handschrift  desselben  führt  auf  dem  Blatte, 
welches  dem  ersten  Textblatte  vorhergeht ,  den  Titel : 
,^r,Lftil  Jc*^  ^^  0<4^  j,j^  ^\  vjL-JU  j^^ÄA^i  Vl^^ 
d.  i.  das  Buch  der  Musik,  verfasst  von  Aba 
nasr  mohammed  beu  mohammed  el  farabi. 
Dass  die  Handschrift  wirklich  das  Werk  des  ao.  339. 
p.  H.  verstorbenen  El  farabi  enthalte,  darf  wohl  nicht 
bezweifelt  werden.  Die  späteren  moslemischen  Schrift- 
steller über  !\Iusik,  namentlich  der  oben  von  mir  erwähnte, 
im  neunten  Jahrhundert  p.  H.  lebende  Perser  Abdelkädir, 
Verfasser  des  Buches  Makässid,  citiren  öfter  Definitionen 
aus  El  färäbis  AVerk,  und  diese  Definitionen  finden  sich 
in  der  That  in  demjenigen  Werke,  welches  die  Leidener 
Handschrift  enthält.  Diese  Handschrift  ist  von  verschie- 
denen Händen  geschrieben,  von  Schreibfehlern  nirgends 
frei,  an  einigen  Stellen,  wo  auch  eine  grobe,  ungelenke 
Hand  schreibt,  sehr  fehlerhaft.  Die  beigezeichueten  Fi- 
guren, welche  Tonverhältnisse  und  den  Tonumfang  ver- 
schiedener Instrumente  darstellen,  sind  zum  Theil  auch 
fehlerhaft,  wie  sich  aus  der  im  Texte  gegebenen  Be- 
schreibung und  Erklärung  jener  Figuren  ersehn  lässt* 
Eine  zweyte  Handschrift  dieses  Werkes  von  El 
farabi  befindet  sich  im  Escurial,  und  Casiri  bezeichnet  sie 
in  der  Biblioth.  arab.  hispan.  tom.  Lp.  347.  also:  Opus 


150 

Abi  nasser  mohamad  ben  raohamad  alpliarabi^  inscriptum 
Musices  elementa,  in  tres  partes  divisum ;  in  quarum 
prima  de  huiusce  artis  principiis,  secunda^de  compositione 
tum  vocum,  tum  instriimentorum^  tertia  de  vario  compo- 
sitionum  genere  disscritur_,  adiectis  notis  musicis  et  in- 
strumentorum  fignris  plus  triginta.  Diese  von  Casiri  an- 
geführte Eintheilung  jener  Handschrift  stimmt  überein  mit 
der  Eintheilung  der  Leidener  Handschrift ;  nur  hat  Casiri 
den  jenen  di*ei  partibus  vorangehenden  introitus  J3-(Xo 
unerwähnt  gelassen,  lieber  jene  Handschrift  des  Escurial 
findet  man  einige  Nachrichten  in:  Toderini  Litteratur 
der  Türkep^  übersetzt  von  Hausleutner^  Th.  1.  S.  261. 
Ebendaselbst  S.  248.  wird  gesagt^  in  der  Bibhothek  des 
Sultan  Abdulhamid  zu  Constantinopel  befinde  sich  ein 
Werk  des  El  farabi  über  Musik,  betitelt:  Medschalul 
Musiki.  Dieser  Titel^  wenn  er  so  richtig  geschrieben 
ist;  könnte  also  etwa  die  Worte  ^^^^-j-Ji  JLs^  Tummel- 
platz der  Musik  seyn;  dieser  Titel  kann  vermuthen 
lassen^  dass  dieses  Buch  des  El  farabi  verschieden  sey 
von  demjenigen^  mit  welchem  wir  uns  hier  beschäftigen^ 
d.  h.  von  dem^  welches  in  der  Leidener  Handschrift  ent- 
halten ist.  Eine  dritte  Handschrift  dieses  Werkes 
aber^  und  zwar  eine  sehr  schöne^  wie  Hr.  von  Hammer 
in  dem  Vorworte  zu  der  obenerwähnten  Kiesewetlcrschen 
Schrift  S.  IX.  bemerkt,  befindet  sich  auf  der  Ambrosiana 
zu  Mailand,  l^eider  habe  ich  die  Texte  der  Handschriften 
im  Escurial  und  auf  der  Ambrosiana  mit  dem  Text  der 
Leidener  Handschrift  nicht  vergleichen  können ;  ohne 
Zweifel  würden  sie  für  den  Leidener  Text  viele  Ver- 
besserungen und  Berichtigungen  gewähren. 

Das    Buch   des    El   farabi   beginnt    in   der    Leidener 
Handschrift  also: 


dÜ5^.ÄJ    0^.^d6    ^jA3t»a>.|    ^xsJ^3    ^Jl    Jx^    iX-*-^ 
*       -  '  '  - 

j  ü  ^  **    *      *«•    u        5        *      3i  ^  ^^      o  3  ^  o«-      <'  j    o  *        ^^a 
O^^  Uiüj  ^  w^?/^    ^^J^    I^OsJC  _^  Q«    L^l 

Uoo—  ^       O  3-'  ^       ^  ^  ^  ^  S^      ^         ^  «  ^        O  IS 

-•     JJ   O"^  w'  -Ü^^-J  ü—  *•  O  — 

«•    ..«  M    •«    «^--j  $  -        «-         o     —  O'  c^       -•       o     *     >.         ^        *^         i  «« 

^swvi^Ai  j,l  ^jk*»*Ju  LUä  ^^Uwj^I  ^-äJUs  JU^I  Ja 

>  ^  o*  o»o^        J  Ji'*  O^J--^*ü->«»  >  OJ 

«        >  *      o  C     5  w  »I  ^     G^  *     *        üi        S  o  ^      oS       '     ü     * 


152 


.-S--.       V  '■  .  '    -  M     'C      ^         O  ,       3  3  Ü  ^       ^        i  ^       o€       ^-. 

j»u\Jij     ^  KCUaoJI       JwIj^'     öAAOS     jjJ^V.    [^     c}*^ 

—      ^   Ow    »O^  ^    ^w    «O         J—                    "         3^m        ^     4r           ^                                 -       ^ 

"^          -  -               ^               ^  •>•', 


4Ä. 


133 


■■'     rf^  ^^  U      ^  >  ^    ^^  O         .      *oC  ^       3  ^ 


m    _     ^   OO^ 


^j^\  ^uJJI  (_yt  I4JW0  J^  U  (j^s».  ^  coL 

U    ^1    .i5JüLÄ.I    ojji    iiW3    0J^3    ÜUasli      ly'<^^"» 
£  £  .  -  -.  ■ 

m:Ijuo  J^  ^   ^Uj^I   JU^  ^U  l*J^    ^L- 


vV*^^  o^  (J^  lU^I  ^^[3    jhM^'^^    ^>*^   cy* 


154 

iJ1i\  ^jU^  J,  ^ftJJj  U  J^jt^'  ^1  Lut^  j*^  ^\j 
,^»>U/o  Jsi  Oji^il  j.  ^üebül  jj^^U  öIjl5\:ü;5I 
öt>v^  Js»!^'^  iwtjbjf    sL-Ä^L    öUsvi,!^  ,y^\  (^ 

.  J  rt«^  Q^  ^^'  lUa^.  ^^'^\    SS^\   aus    Lxiw^ 
^  «»  ••  "^  *•  ^         ^ 

^^  -  £  -     - 

^  -^  «.        »-  ^  ^         ^     ^-^  ^  *• 

Us^    ^♦yo    tXa.!^    CSÄ.I5   ^_5l^    ^^    l-»-va^    (^3^' 

^-UJI   !o>^  j,  Lö  v^AAa^'  j  ^^    er»    '^^'^ 

3iCü-o   j    -•   ü-^x       Ü-—     ^^^     ox         j—      Cf    »«    1""   T"  ^'' 

'  -  £         X 

J^^^^t  j  Lf-^Ji    (♦amÄIIj    U-w^^Äi    iuUAoJI    3    s^3 


^  ^       y     ^  ü  ••  Z««         ^  u  ^o-^.»  ü  «7.  ^  «  >  ^Q^  ^ 


ji)  ..^1  I^^  ^ÜwoIäJI  ij^^ij  Ü^UAoJj  J_^)  ^5 
iLi!  u:;wJti^  er"-"^^  ^i-ouXÄll  je^  0^  ,^J>JI 
Sj-^'    [>:5^"    r^^^^    [>ft^'    CJ^-'^^    e^JS^rJ)^    ^^,2aX^ 


bjJLc  ot^3-£^^!    olliiit  j  »UIsKÄ.  j^üül    ^"3    iaftj 


O'».'  ««  ^        ^        ^  ^<«^U»C 


o  £  ^  ^    Ü    O^,«-  ^.^^  ^<^<  a>       ^4i       ^    O     i  o  £       ^  0<i« 


156 


d.  i.  »Im  Namen  Gottes^  des  barmherzigen^  des  erbar- 
mungsreichen^  und  es  segne  Gott  unsern  Herrn  Mohammed, 
und  sein  Geschlecht,  und  seine  Gefährten  alle!  Du  er- 
wähntest dein  Verlangen  die  Kunst  der  Musik,  welche 
den  Alten  zugeschrieben  wird,  kennen  zu  lernen,  und 
fordertest  mich  auf,  sie  dir  in  einem  von  mir  verfassten 
Buche  darzustellen,  in  welchem  ich  sie  so  zu  erklären 
streben  würde,  dass  der  Leser  es  leicht  fassen  könne. 
Doch  zögerte  ich  damit,  in  Betracht  der  Bücher,  welche 
über  diese  Wissenschaft  von  den  Alten  zu  uns  gelangt  sind, 
so  wie  derjenigen  welche  die  späteren  Männer  verfassten, 
und  diejenigen,  deren  Zeit  der  unsrigen  nahe  liegt.  Denn 
ich  hoffte  in  ihnen  zu  finden,  was  Deinen  Wunsch  befrie- 
digen, uns  es  überflüssig  machen  würde,  ein  neues  Buch 
über  einen  Gegenstand  zu  schreiben,  der  bereits  von  an- 
dren entwickelt  worden.  Wenn  die  früheren  Bücher  schon 
alle  Theile  der  Kunst  vollständig  abgehandelt  haben,  und 
es  verfasst  dann  jemand  noch  ein  Buch,  welches  er  zwar 
sich  selber  bcylcgt,  worin  er  aber  nur  vorträgt  was  schon 
andre  vor  ihm  vorgetragen  und  erschöpft  haben,  so  ist 
dies  etvA'as  Ucberflüssiges,  oder  eine  Thorheit,  oder  eine 
Unredlichkeit ;  wofern  nicht  etwa  der  Fall  eintritt,  dass 
das  von  dem  früheren  Verfasser  Vorgetragene  an  Dimkel- 
heit  leidet,  entweder  wegen  der  darin  gebrauchten  Aus- 
drücke, oder  wegen  andrer  Umstände,  so  dass  alsdann  der 
spätere  Verfasser  es  erläutern  und  leichter  machen  kann, 
indem  er  an  das  von  den  früheren  Aufgestellte  sich  in 
seinem  eigenen  Vortrage  anschliesst,  immer  dahin  stre- 
bend ,  die  Kunst  zu  vervollständigen  in  Bezug  auf  den 
Früheren.  Dem  späteren  Verfasser  bleibt  dann  in  Betreff* 
seiner  Arbeit  nur  das  Verdienst  der  Ueberlieferuog ,    der 


t57 

Erläuterung^  und  der  Aufklärung  dessen,  was  der  andre 
verdunkelte.  Allein  ich  fand  in  allen  jenen  Büchern  einen 
Älangel  an  Vollständigkeit^  so  dass  nicht  sämmtliche  Theile 
der  Kunst  in  ihnen  abgehandelt  werden^  imgleichen  Män- 
gel in  demjenigen,  was  darin  vorgetragen  ist.  In  den 
meisten  derjenigen  dieser  Bücher^  welche  den  theoretischen 
Theil  der  Wissenschaft  entwickeln^  sind  in  der  Darstel- 
lung dunkle  Ausdrücke  gebraucht,  wiewohl  doch  dieVer- 
muthung  fern  liegt,  dass  die  Alten,  welche  sich  mit  dieser 
Kunst  beschäftigten,  darin  zurückgeblieben  seyen,  und  sie 
nicht  vollständig  erforscht  haben,  obgleich  ihrer  eine  grosse 
Zahl  war,  und  sie  in  ausgezeichneten  Männern  bestanden, 
welche  ausserordentlich  eifrig  in  der  Erforschung  der  Wis- 
senschaften waren,  die  sie  allen  übrigen  menschlichen  Gü- 
tern vorzogen ;  ihr  Geist  war  scharfsinnig,  sie  studirten 
die  Wissenschaften  eine  lange  Reihe  von  Zeiten  hindurch, 
der  spätere  unter  ihnen  suchte  den  früheren  zu  erforschen, 
und  die  Nachfolgenden  unter  ihnen  fügten  zu  demjenigen 
hinzu,  was  die  Vorangehenden  ermittelt  hatten.  Nur  sind 
entweder  ihre  Bücher,  welche  diese  Wissenschaft  voll- 
ständig behandeln,  untergegangen,  oder  es  besteht  das^ 
was  von  ihnen  in  die  Arabische  Sprache  übersetzt  worden 
ist,  in  mangelhaften  Schriften.  Daher  habe  ich  es  denn 
für  gut  angesehen,  deinen  Wunsch  zu  erfüllen.  Will  je- 
mand in  einer  theoretischen  Wissenschaft  vollkommen  wer- 
den, so  muss  er  sich  darinn  drey  Dinge  erwerben.  Das 
erste  ist  die  vollständige  Erlernung  ihrer  Grundlagen.  Das 
zweyte  ist  das  Vermögen,  die  aus  jenen  Grundlagen  fol- 
genden Erscheinungen  der  AVissenschaft  zu  entdecken. 
Das  dritte  ist  das  Vermösren,  die  in  dieser  Wissenschaft 
ihm  vorkommenden  Irrthümer  walirzunehmen,  und  das  Ver- 
mögen, die  Meinungen  andrer  Kenner  der  Wissenschaft 
aufzufassen,    aus    ihren   mangelhaften  Behauptungen    das 


15$ 

richtige  auszufindeii,  und  die  Versehii  derjenigen  unter 
ihnen ^  welche  sich  irrten,  zu  berichtigen.  Demgemäss 
haben  wir  das  von  uns  Vorgetragene  in  zwey  Bücher 
gebracht.  In  dem  ersten  Buche  haben  wir  zuvörderst 
abgehandelt  was  zur  Erlernung  der  Anfänge  dieser  Wis- 
senschaft nützlich  ist,  sodann  hinzugefügt  was  an  jene 
Anfänge  der  Wissenschaftj  sich  anschliesst,  und  alle  Theile 
der  Wissenschaft  darin  vollständig  beschrieben ;  in  diesem 
Buche  haben  wir  bloss  unsre  eigene  Ansicht  von  der 
Sache  vorgetragen,  ohne  die  Meinung  irgend  eines  an- 
dern darunter  zu  mischen.  In  dem  zweyten  Buche 
aber  berichten  wir  das,  was  von  den  berühmten  Kennern 
dieser  Wissenschaft  uns  überliefert  ist,  und  erläutern  was 
in  ihren  Reden  dunkel  ist ;  wir  untersuchen  darin  die  Mei- 
nung jedes  einzelnen,  dessen  Meinung  wir  in  einem  Buche 
von  ihm  vorgetragen  finden;  wir  weisen  nach,  bis  zu 
welchem  Punkte  jeder  dieser  Männer  in  dieser  Wissen- 
schaft vorgedrungen  ist,  und  berichtigen  die  Versehen  bey 
demjenigen,  welcher  darin  verfallen  ist.  Das  erste  Buch 
umfasst  zwey  Theile,  einen  Theil  über  die  Einleitung  in 
die  Wissenschaft,  und  einen  Theil  über  die  Wissenschaft 
selbst.  Den  Theil  über  die  Einleitung  haben  wir  in  zwey 
Capitel  gebracht.  Den  Theil ,  welcher  die  Wissenschaft 
selbst  enthält,  haben  wir  in  drey  Abschnitte  zerlegt.  Der 
erste  Abschnitt  betrifft  die  Grundlage  der  Wissen- 
schaft, und  die  allgemeinen  Dinge  derselben.  Dieser  Theil 
allein  ist  von  den  meisten  Alten,  deren  Bücher  zu  uns 
gelangten,  so  wie  von  den  Späteren,  welche  den  Spuren 
jener  folgten,  abgehandelt  worden.  Der  zweyte  Ab- 
schnitt beschäftigt  sich  mit  den  bey  uns  bekannten  In- 
strumenten ;  er  erörtert  ferner  die  Uebereinstimmung  des 
in  dem  Abschnitte  über  die  ürundlogen  beschriebenen  mit 
dem  was  auf  den  Instrumenten  vorhanden  ist;  und  wie  je- 


159 


nes  aus  den  Instrumenten  hervorgebracht  werden  kann; 
er  setzt  auseinander^  was  aus  jedem  einzelnen  Instrumente 
gewöhnlich  hervorgelockt  wird^  und  giebt  eine  Anleitung 
dazu^  wie  aus  jedem  Instrumente  auch  das  hervorgebracht 
werden  könne^  was  bey  demselben  nicht  gewöhnlich  ist. 
Der  dritte  Abschnitt  beschäftigt  sich  mit  den  ver- 
schiedenen Arten  der  einzelnen  Melodieen.  Jeder  dieser 
drey  Abschnitte  ist  in  zwey  Capitel  getheilt.  Demnach 
enthält  .dieses  erste  Buch  überhaupt  acht  Capitel.  Das 
zweyte  Buch  umfasst  vier  Capitel.  Also  besteht  das  Ge- 
sammte  dessen,  was  wir  über  diese  Wissenschaft  aufffe- 
zeichnet  haben^  in  zwölf  Capiteln.« 

El  faräbi  sagt  uns  also  in  diesem  Einwände  seines  Wer- 
kes^  dass  er  über  die  Musik  zwey  Bücher  geschrieben 
habe,  eins  worin  er  nur  sein  eigenes  Svstem  vortruar. 
und  eins  worin  er  die  Systeme  andrer  beschrieb  und  be- 
urtheilte.  Nur  das  erste  dieser  beyden  Bücher  ist  in  der 
Leidener  Handschrift  enthalten.  Ob  das  andre  irgendwo 
vorhanden  ist,  weiss  ich  nicht ;  unstreitig  würde  es  uns 
über  die  Geschichte  der  Arabischen  Musik,  über  das,  was 
jn  dieser  Hinsicht  vor  der  Zeit  El  farabis  bey  den  Ara- 
bern vorgekommen  war,  erwünschte  Aufschlüsse  geben. 
Möglich  wäre  es,  dass  dies  Werk  sich  zu  Constantinopel 
in  der  oben  erwähnten  Handschrift  Medschal  ul  mu- 
siki  oder  Tummelpla  tz  der  Musik  findet;  der  Aus- 
druck: Tummelplatz,  Kampfplatz,  könnte  sich  auf 
das  Vorführen  und  Beurtheilen  der  verschiedenen  Systeme 
beziehen.  Indess,  da  uns  über  den  Inhalt  jener  Handschrift 
durchaus  nichts  näheres  bekannt  ist,  so  müssen  wr  es 
bey  dieser  blossen  Vermuthung  bewenden  lassen. 

Die  Eintheilung  des  ersten  seiner  Bücher  giebt 
El  faräbi  am  Schlüsse  des  eben  mitgetheilten  Einganges 
an,  und  diese  Eintheilung  ist  denn  auch  in  der  Leidener 


160 

Handschrift  befolgt.  Doch  muss  ich  den  Inhalt  der  ein- 
zelnen Capital  hier  noch  etwas  näher  bezeichnen^  damit 
man  einen  ungefähren  Ueberblick  über  das  Ganze ^  "und 
den  Gang"^  welchen  die  Darstellung  darin  nimmt,  gewinne. 
In  dem  ersten  Haupttheile^  welcher  die  Einleitung 
enthält,  werden  schon  vorläufig  einige  Dinge,  z.  B.  In- 
tervallen und  Klanggeschlechter,  abgehandelt,  die  nach- 
her im  zweyten  Haupttheile,  oder  in  der  Wissenschaft 
selbst,  nochmals  und  ausführlicher  untersucht  werden. 
So  steht  auch  im  zweyten  Haupttheile  Abschn.  1.  cap.  2. 
eine  vorläufige  Uebersicht  der  Taktarten ;  aber  hernach 
Abschn.  2.  cap.  2.  folgt  die  ausführhche  Beschreibung  der 
einzelnen  Taktarten.  Es  zerfällt  also  die  ganze  Leidener 
Handschrift  in  folgende  Abtheilungen,  deren  Inhalt  durch 
Ueberschriften  zum  Theil  einigermassen,  zum  Theil  auch 
gar  nicht  angedeutet  ist. 

A.       Ü^Üuajl    ^5    JsÄ^vXjf 

Die  Elnleitun;^  in  die  Kunst. 

Cap.  i.  J^"!>5  i^lÄj«  Fol.  2.  vers.  —  Fol.  13.  rect. 
Handelt  vom  Begriffe  der  Musik,  von  der  Natur  der  Töne 
überhaupt,  Unterschied  zwischen  den  Tönen  der  mensch- 
lichen Stimme  und  denen  der  Instrumente,  Unterschied 
zwischen  praktischer  und  theoretischer  Musik. 


.  ^        t,     ,  .  Q.* 


Cap.   2.  iCxiLÜi  iÜlÄj«  Fol.  13.  rect.  —  Fol.  24.  vers. 

Vom  Unterschiede  der  Töne  in  Ansehung  der  Höhe  und 
Tiefe,  von  den  Intervallen  und  Octaven,  von  der  Be- 
schaffenheit der  Laute  (nämlich  des  Instrumentes,  wel- 
ches Laute  heissl)  und  dem  Tonumfange  dieses  Instru- 
mentes,   von  den  Klauggcschlcchteru  oder  verschiedenen 


161 

Arten  der  Quarte^  wobei  die  diatonischen,  chromatiscnen 
und  enharmonischen  Quarten  der  Griechen  erwähnt  wer- 
den. Die  diatonischen  nennt  EI  färäbi  die  starken  Ge- 
schlechter; die  chromatischen  und  enharmonischen  be- 
zeichnet er  durch  diese  Griechischen,  von  ihm  ins  Arabi- 
sche übersetzten  Ausdrücke,  fasst  sie  aber  auch  wieder 
zusammen  unter  der  gemeinschaftlichen  Benennung  der 
weichen  Geschlechter. 

Die  Kunst  selbst. 

Abschnitt.   1.  J^^'  O*^'   behandelt  die  KcLUoIl  Jyol 

•>  >  i 
d.  i.  die  Grundlagen  der  Kunst;  statt  ^wol  radices,    fun- 
damental   gebraucht    El  färabi  öfter  auch  den  Ausdruck 

oL*«<—g- ?->■**<>  und  oLaäÄnwt  ^  welcher  eine  Arabisirung    des 
Griechischen  GTor/,ila  d.  i.  die  Anfangsgründe,  ist. 

Cap.  1.  ^^^\  iÜLäJ!  Fol.  24.  vers.  —  Fol.  34.  vers. 
Von  der  Entstehung  der  Töne  durch  das  Zusammen- 
stossen  zweier  Körper,  Ursachen  der  Höhe  und  der  Tiefe 
des  Tones^  consonirende  und  dissonirende  Intervallen^  ge- 
nauere Ausrechnung  der  einzelnen,  grösseren  und  klei- 
neren Intervalle. 

Cap.  2.  klsUJ?  Ölijr  Fol.  34.  vers.  —  Fol.  52.  rect. 

Von  den  systematis  sonorum  der  Griechen^  dem  systema 
eoniunctum  und  systema  disiunctum^  von  Griechischen  Be- 
nennungen der  in  diesen  Systemen  enthaltenen  Töne,  von 
den  sieben  Octaven  oder  Schematis  der  Griechen,  von  den 

Xodis  oder  Tropis,  welche  El  faräbi  öljuJuj  d.  i.  Span- 
V.  '   11 


163 

nungeri;  Dehnungen,  nennt^  weil  sie  bey  Euklides 
und  Aristoxenos  Tovog  Spannung  heissen,  ferner  von 
den  Mutationen,  und  allgemeine  Uebersicht  der  Taktarten^ 
weil  die  Mutation  oder  der  üebergang  von  einem  Tone 
zum  andern  in  gewissen  Zeitfristen  erfolgen  muss. 

Abschnitt.  2.  J,liH  ^^S  behandelt  das  ^.^La'J!  jJU: 

d.  i.  die  Wissenschaft  der  Composition,  welche  sich  an 
die  im   vorhergehenden  Abschnitte  vorgetragenen  Grund- 

laffen  anschliesst,  daher  El  färäbi  sie  als  oUJiiaA«^  ,  JUiJ 

,  -  -        £  - 

subiuncta  elementis  bezeichnet.  Es  wird  darin  beschrie- 
ben, in  wie  weit  die  vorhin  geschilderten  Tongebiete  aus 
den  einzelnen  Instrumenten  hervorgelockt  werden  können. 

Cap.  1.  ^y/'iT  i'ilijT  Fol.  32.  rect.  —  Fol.  63.  rect. 
beschäftigt  sich  mit  der  ausführlichen  Schilderung  der  vier- 
saitigen  und  der  fünfsaitigen  Laute,  der  Lage  der  Töne 
auf  den  verschiedenen  Saiten  und  Bänden  dieses  Instru- 
mentes, und  den  Tongebieten  welche  sie  dem  Spieler 
darbietet. 

Cap.  2.  kxiUjT  'i\^\  Fol.  63.  rect.  —  Fol.  91.  rect. 
handelt  von  den  übrigen  Instrumenten  und  ihrem  Tonum- 
fange, und  von  der  Lage  ihrer  Töne,  nämlich  vom  T  u  n  b  ü  r, 
d.  i.  einer  zweysaitigen  Laute,  deren  es  zwei  Arten  giebt, 
eine  Bagdädische  und  eine  Chorassanische,  von  den  Bla- 
seinstrumenten, genannt  Mi s mär  und  Surnaji,  von  der 
Cither,  welche  Rah  ab  genannt  wird,  und  von  der  Harfe, 
welche  bey  ihm  äJUo  Sandsch  heisst. 

Abschnitt  3.  eJLÜi  ^J^i  handelt  von  der  Compo- 
sition  der  einzelnen  Melodien  oder  '9^.j>\  qU^^I  ^-J^^ 
compositio  modorum  specialium. 


169 


Cap.  1.  ^pf  ÄJlijl  Fol.  91.  rect.  —  Fol.  109.  rect. 
von  den  Melodien^  welche  aus  den  Tönen  der  Instrumente 
gebildet  werden.  Hier  wird  zuerst  über  die  verschiedenen 
Systeme  und  Klanggeschlechter  gesprochen^  aus  welchen 
man  die  Töne  zu  einer  einzelnen  Melodie  wählen  kann, 
und  augegeben  welche  Töne  in  dem  einen  oder  anderen 
Systeme  consonirende  und  welche  dissonirende  sind. 
Dann  wird  gehandelt  von  den  anzuwendenden  Mutationen 
oder  Uebergängen  von  einem  Tone  zum  andern,  und  daran 
knüpft  sich  dann  wieder,  wie  oben  Abschn.  l.cap.  2.,  die 
Auseinandersetzung  aller  TaktarteU;,  ausführlich  nach  der 
wissenschaftlichen  Auffassung  El  faräbis,  und  auch  nach 
der  gewöhnlichen  Darstellungsweise  der  praktischen  Mu- 
siker. Endlich  wird  noch  Anweisung  zu  verschiedenen 
Abwechselungen  in  den  Melodien  und  Takten  gegeben. 

Cap.   2.  iUjUÜ!  iüLiüJ?  Fol.  109.  rect.  --  Fol.  123.  rect. 

von  den  Melodien^  welche  aus  den  Tönen  der  mensch- 
lichen Stimme  gebildet  werden,  indem  bei  diesen  letzteren 
nicht  blos  auf  den  Unterschied  der  Höhe  und  Tiefe  zu 
achten  ist,  von  der  Verknüpfung  der  Töne  mit  den  proso- 
dischen  Füssen  der  Versmaasse^  von  verschiedenen  Klassen 
der  Melodien,  welche  man  annehmen  kann  nach  Mass- 
gabe der  verschiedenen  Wirkungen,  welche  sie  auf  das 
Gemüth  hervorbringen. 

Auf  diese  Uebersicht  des  Ganzen  wollen  wir  nun  aus 
den  einzelnen  Kapiteln  einige  Proben  folgen  lassen,  welche 
die  Darstellungsweise  El  faräbis  zeigen  werden. 
(Die  Fortsetzung  folgt.) 

f.  G.  L.  Kosegarten. 


104 


VII. 

lieber  die  Aetliiopisclien  Haiidscliriften 
KU  Tiiliiiigen. 


Bei  vielen  Sendboten  der  Evangelischen  Kirchen  ent- 
faltet sich  in  unsern  Zeiten  eine  eifrige  Thätigkeit^,  welche 
man  auch  vom  rein  wissenschaftlichen  Standorte  aus  nicht 
ohne  wahre  Befriedigung  verfolgt.  Es  ist  die  Wissenschaft 
selbst  in  ihren  mannigfaltigen  Bedürfnissen  und  Hülfelei- 
stungen^  welche  sich  mit  ihrem  christlichen  Bestreben  immer 
unauflöslicher  zu  verbinden  scheint;  und  ein  solches  Ent- 
gegenkommen zweier  nur  nach  oberflächlicher  Ansicht  sich 
widerstrebender  Richtungen  wird,  wenn  es  sich  nur  län- 
ger erhält  und  so  fortschreitet  wie  es  jetzt  glücklich  ange- 
fangen hat,  den  Zwecken  der  Missionen  sowohl  in  den 
fernen  Erdtheilen  höchst  förderlich  seyn  als  auch  alle 
Freunde  der  Wissenschaft  unter  uns  immer  enger  mit  ihnen 
verknüpfen.  Sogleich  das  erste  aller  Bedürfnisse  Evange- 
lischer Sendboten^  das  mit  den  fernen  Völkern  in  ihren 
eignen  Sprachen  verständlich  zu  reden  und  ihnen  brauch- 
bare Uebersetzungen  biblischer  Bücher  zu  geben,  kann  we- 
der ohne  die  Hülfe  einer  guten  Wissenschaft  befriedigt 
werden  (denn  dass  die  in  vieler  Hinsicht  wenig  genügen- 
den Uebersetzungen,  welche  man  früher  oft  drucken  liess^ 
dem  Zwecke  nicht  entsprechen,  hat  man  bereits  zu  eige- 
nem Schaden  hinlänglich  erfahren),  noch  ohne  eine  frucht- 
bare Rückwirkung  auf  die  Fortschritte  der  Wissenschaft 
unter  uns  bleiben.  Und  wenn  einst  eine  allesumfassende 
grosse  Sprachwissenschaft    unter  uns  entstehen   wird^    wo 


165 

nicht  mehr  wie  jetzt  bloss  einige  der  nähern  und  bekann- 
tem Sprachen  berücksichtigt  werden  und  demnach  in  so 
engem  Gesichtskreise  unendhche  Vorurtheile  und  Irrthü- 
mer  entweder  unvertilgt  stehen  bleiben  oder  auch  neu  sich 
bilden,  sondern  wo  alle  zusammen  eine  jede  in  ihrem  wah- 
ren Wesen  und  von  ihrer  rechten  Stelle  etwa  ebenso  be- 
schrieben werden  wie  man  längst  alle  Pflanzen-  und  Thier- 
arten  der  weiten  Erde  übersichtlich  zu  ordnen  und  zu  er- 
läutern angefano^en  hat:  dann  wird  man  einsehen  dass  die 
Bemühungen  unsrer  christlichen  Sendboten  und  die  Bibel- 
gesellschaften dazu  viel  mächtiger  mitgewirkt  haben  als 
der  Verkehr  der  Kaufleute  welche  sich  ja  mit  dem  Ver- 
ständnisse weniger  Worte  eines  fremden  Volkes  behelfen 
können,  oder  als  die  Bemühungen  gewöhnlicher  Reisenden 
welche  wohl  ein  paar  Wortsammlungen  aus  unbekannten 
Sprachen  bringen,  aber  selten  ein  wahres  und  deutliches 
Bild  von  ihnen  zu  geben  gelernt  haben.  Sodann  aber  kön- 
nen wenigstens  Evangelische  Sendboten,  wenn  sie  dem  wah- 
ren Christenthume  genügen  wollen,  nicht  umhin  die  Irr- 
thümer  der  fremden  Völker  zuvor  genauer  erkennen  und 
ihr  ganzes  Wesen  und  Alterthum  sowie  ihre  off"enern  oder 
verborgenem  Kräfte  und  Hülfsmittel  richtiger  auffassen  zu 
lernen,  ehe  sie  auf  eine  im  Grossen  erfolgreiche  Wirkung 
ihrer  Predigt  hoffen:  denn  ich  bin  noch  immer  der  Mei- 
nung dass  man  früher  die  geistigen  Mächte  solcher  Völ- 
ker welche  eigne  Literaturen  besitzen  zu  gering  geachtet 
und  auch  darum  so  geringen  Erfolg  vom  Missionswesen 
erlebt  hat;  und  auch  solche  Völker  wie  die  Taitier  und 
Gallas  wird  man  diesseits  doch  nicht  so  bekehren  wollen 
wie  der  vortreffliche  Minister  Guizot  und  seine  Sendlinge 
es  neuerdings  anzupreisen  scheinen.  Lassen  sich  nun  aber 
die  ächtchristUchen  Sendboten  auf  die  Untersuchung  der 
fremden  Literaturen  ein  oder  sind  sie  wenigstens  nicht 
gleichgültig  für  dieselbe:  so  wird  es  kaum  fehlen  können 
dass   sie  von  Zeit  zu  Zeit  von  dem   unbekannten  Reich- 


166 


tliume  mitthcilen  den  sie  am  günstigen  Orte  auflanden,  und 
ein  wechselseitig  nützlicher  Verkehr  zwischen  Wissenschaft 
und  Mission  wird  sich  auch  auf  diesem  Wege  von  selbst 
anknüpfen. 

Da  Württemberg  unter  den  deutschen  Ländern  ver- 
hältnissmässig  am  thätigsten  die  Missionszvvecke  befördert, 
so  habe  ich  das  Glück  gehabt  seit  den  letzten  Jahren  die 
Universität  meines  zweiten  deutschen  Vaterlandes  sich 
durch  eine  früher  unerwartete  Menge  solcher  orientalischen 
Hülfsmittel  bereichern  zu  sehen.  Die  Namen  Haebehlin 
von  Tuttlingen^  Fjelstedt  aus  Schweden^  Isexberg  aus 
Westphalen^  Krapp  von  Derendingcn  bei  Tübingen,  wer- 
den stets  in  gutem  Andenken  bleiben.  Es  sind  dies  an  sich 
keine  sehr  grosse  Erwerbungen,  weder  glänzende  Geld- 
zahlungen sind  darauf  verwandt  noch  ist  viel  lautes  Lobes- 
erheben  davon  gemacht:  aber  in  ihrem  Zusammentrcflen 
haben  sie  doch,  zumal  bei  einer  Universität  welche  früher 
kaum  einen  ersten  Anfang  solcher  Schätze  besass,  eine 
nicht  geringe  Bedeutung;  und  das  Verzcichniss  der  Orien- 
talischen HaJidschriften  zu  Tübingen  welches  ich  1839  auf 
besondere  Veranlassung  veröflPcntlichte  und  dessen  wich- 
tigster Theil  sodann  in  den  dritten  Band  dieser  Zeit- 
schrift aufgenommen  wurde,  könnte  schon  jetzt  in  einigen 
Zweigen  stark  erweitert  herausgegeben  werden,  da  aus- 
ser den  Zuflüssen  von  den  3Iissionen  noch  Ankäufe  hinzu- 
kamen. 

Für  jetzt  beschränke  ich  mich  auf  den  noch  ganz  jung- 
fräulichen Boden  des  mittlem  Theiles  von  Ost- Afrika,  wo 
die  Evangelischen  Sendboten  sowohl  auf  eine  alte  aber 
längst  erstarrte  christliche  Kirche  fund  Evangelischen  steht 
es  allerdinffs  an  auch  auf  solche  einzuwirken)  als  auch  auf 
eine  überwiegende  Zahl  von  Heiden  und  Moslems  stossen. 
Dort  hat  der  kräftige  FsENBEnr.  die  jezt  herrschende  Mund- 
art des  alten  Aethiopischen,  das  Amharische.  welches  seit 
den  Zeiten   des   unter  Deutschen  nie  genug  zu  preisenden 


167 

HioB  LuDoi.F  •)  in  Europa  so  gut  als  vergessen  war,  so 
gründlich  erlernt  dass  er  es  so  eben  inAVörterbuch  Sprach- 
lehre und  andern  Druckschriften")  allen  Gelehrten  zugäng- 
lich macht  und  zugleich  in  Afrika  selbst  durch  die  Ver- 
breitung solcher  Drucksachen  das  Evangelium  zu  fördern 
hofft.  Die  Sprache  der  Gallas  und  andrer  benachbarter 
Völkei*  nicht  semitischer  Abstammung  eignen  sich  Krapf 
und  IsEN'BERG  immer  vollkommuer  an^  schon  ist  durch  ihre 
beiderseitige  3Iülie  das  Evangelium  3Iatthaei  in  die  Galla- 
Sprache  übersetzt  und  gedruckt  3).  Dieselben  achten  auch 
auf  die  natürlichen  Verhältnisse  jeuer  unbekannten  Länder 
sehr  fleissig,  und  haben  bereits  manche  wichtige  Bemer- 
kung darüber  Englischen  und  Deutschen  Gelehrten  mitge- 
theilt.  Vorzüglich  glücklich  ist  aber  der  unermüdliche  Krapf 
in  der  Aufsuchung  Aclhiopischer  Handschriften  gewesen« 
in  Schoa  und  Efat,  den  südlichsten  Theilen  des  alten  Aethi- 
opiens  wohin  er  aus  Tigre  vertrieben  sich  zurückziehen 
musste,  ist  er  bis  in  die  entlegensten  Klöster  gedrungen 
und  hat  eine  solche  Menge  Aethiopischer  Bücher  zusam- 
mengebracht, dass  der  alte  Hieb  Ludolf,  welcher  bei  aller 
Dürftigkeit  der  ihm  zu  Gebote  stehenden  Hülfsmittel  der 
Vater  und  fast  einzige  grosse  Beförderer  der  Aethiopischen 


1)  Da  alles  ihn  betreffende  eine  besondere  Wichtigkeit  hat,  su 
möge  bei  dieser  Glelegenheit  auch  auf  die  neulich  erschienene 
kleine  Schrift  des  verdienten  Herrn  Prüf.  ^VKIJERs  in  Leyden 
aufmerksam  gemacht  werden:  lets  over  lob  Ludolf,  den 
beroemden  beoefenaar  der  EthiopLsche  Letterkunde  en  Ctcschie- 
denis :  ter  gelegenheid  der  uitgave  en  vertaling  van  twee  door 
hem  opgestelJe  Ethiopische.  hfieven.  1839. 

2)  Xämlich  L'ebersetzungen  ins  Amharische,  da  dies  eine  eigne 
Literatur  noch  nicht  besitzt,  so  dass  nun  in  künftigen  Jahrhun- 
derten unser  Isenberg  von  Afrikanischen  Zungen  als  ihr  Vater 
gepriesen  werden  kann.  Alle  diese  Drucke  sind  1S41 — 43  zu 
London  erschienen. 

3)  1842,  der  Aufschrift  nach  au  Anköbar  der  Hauptstadt  vonShoa, 
in  der  That  zu  London. 


168 


Literatur   in  Europa   zu  nennen   ist^   schier   seine    Freude 
daran  gehabt  haben  würde;   und  noch  weitere  Entdeckun- 
gen dürfen  wir  den  neuesten  Nachrichten  zufolge  von  sei 
ncni  Eifer  erwarten. 

Die  von  ihm  bis  jetzt  gefundenen  Handschriften  hat  er 
zum  grössten  Theile  schon  nach  Europa  gesandt,  wenige 
in  ihrer  ursprünghchen  Gestalt,  die  meisten  in  Abschriften 
welche  er  durch  dortige  Gelehrte  besorgen  lässt.  Zu 
letzteren  ist  denn  gewöhnliches  Papier  gewählt,  welches 
Europäer  in  Aethiopien  einführen:  während  eine  echtäthi- 
opische Handschrift  noch  immer  so  aussieht  als  wäre  sie 
vor  2000  Jahren  geschrieben.  Denn  wie  die  Aethiopen 
überhaupt  auf  einer  Bildungsstufe  stehen  geblieben  sind 
welche  um  viele  Jahrhunderte  hinter  uns  zurück  liegt,  und 
wie  sie  noch  heute  wie  zu  Herodot's  und  Horaer's  Zeiten 
als  die  langlebigsten  Menschen  am  fernsten  llande  der 
Menschheit  auch  die  einfachsten  und  unveränderlichsten 
zu  seyn  scheinen:  so  glaubt  man  beim  Anblicke  ihrer  gros- 
sen Uncialschrift  und  ihrer  Pergaraenbücher  übertausend- 
jährige Handschriften  in  der  Hand  zu  halten,  während  frei- 
lich nähere  Untersuchung  meist  ihr  sehr  junges  Zeitalter 
erweist.  Herr  Krapf  entschuldigt  seine  Wahl  der  Papier- 
handschriften damit ,  dass  er  zur  Abschrift  eines  einzigen 
etwas  starkem  Werkes  nach  der  Landessitte  sonst  wohl 
30  Ziegenfelle  nöthig  hätte,  wodurch  denn  auch  die  Ko 
sten  sehr  bedeutend  steigen. 

Da  Krapf  sowie  die  meisten  deutschen  Sendboten  des 
Evangelium  von  der  grossen  Londoner  Gesellschaft  abhängt 
und  ihr  zunächst  dienen  muss :  so  erklärt  es  sich  wie  er  die 
meisten  Handschriften  nach  England  befördert;  der  Univer- 
sität in  Tübingen  sind  bis  jetzt  von  ihm  zehn,  dazu  einige 
andre  die  mir  jetzt  zu  Gebote  stehen  seinen  alten  Würt- 
tembergischen Freunden  zugesandt.  Wie  bald  nun  die  Eng- 
länder mit  der  Beschreibung  ihrer  Schätze  hervorrücken, 
muss  die  Zeit  lehren :    es  ist  dort  gegenwärtig  wenigstens 


169 

ein  Mann,  Hr.  Th.  Platt^  welcher  die  dazu  gehörigen 
Fähigkeiten  besitzt  und  von  dem  wir  eine  Arbeit  dieser 
Art  erwarten  können.  Damit  indess  die  hierher  gekomme- 
nen Handschriften  nicht  so  lange  verborgen  bleiben  wie  die 
70  Aethiopischen  des  Vaticans^  welche  schon  vor  2  bis 
300  Jahren  dort  waren  aber  erst  jetzt  nach  einem  äusserst 
ungenügenden  V'erzeichnisse  von  der  Hand  des  alten  Rei- 
senden Wansleb  bekannt  gemacht  sind  *) :  scheint  es  der 
Mühe  werth  sie  sofort  etwas  näher  zu  beschreiben.  Auch 
gehören  Aethiopische  Handschriften  noch  immer  zu  den  in 
Deutschland  sehr  seltenen:  und  die  einzige  mir  bekannte 
Sammlung  welche  sich  mit  der  Tübingischen  vergleichen 
Hesse,  die  durch  Rüppel  nach  Frankfurt  gekommene,  ist 
meines  Wissens  noch  nirgends  näher  bekannt  geworden, 
ein  Mangel  den  ich  bei  gegenwärtiger  Arbeit  besonders 
lebhaft  gefühlt  habe.  Von  den  11  Handschriften  Bruce's 
hat  man  eine  zu  London  1827  gedruckte  kurze  Beschrei- 
bung; das  etwa  vor  80  Jahren  zu  Erlangen  erschienene 
Werk  Wincklers:  xaiur/ua  bibliothecae  reg.  Berolinensis 
Aethiopica  ist  mir  unzugänglich. 

Wie  aber  Aethiopische  Handschriften  in  Europa  bis 
jetzt  selten  sind,  so  ist  uns  Aethiopische  Literatur  ein  bei- 
nahe noch  völlig  unbetretenes  Feld:  weder  ihren  wahren 
Umfang  können  wir  sicher  ermessen  noch  viel  weniger 
ihre  Geschichte  und  Entwickelunof  übersehen.  Nirffends 
ist  wohl  in  neuem  Zeiten  ein  so  sichtbarer  Stillstand  ein- 
getreten: denn  was  Hiob  Ludolf  vor  150  Jahren  über  die- 
sen Gegenstand  wusste  und  nach  seiner  Art  sehr  unter- 
richtend niederschrieb,  ist  noch  immer  das  neueste,  ausge- 
nommen dass  seit  den  letzten  Jahrzehenden  einige  Apokry- 


1)  In  dem  Buche:  Script^ltruin  Yeterum  nova  collectio  e  Vaticani« 
codicibiis  edita  ab  Angrlo  Maio.  Tom.  V.  pag.  94—100.  Es 
sind  dort  zusammen  71  Handschriften:  aber  die  letzte,  dasB. 
Hcnocli,  ist  später  hinzugekommen. 


170 

plien  nach  Europa  gebracht  sind  welche  jener  herrliche  Mann 
noch  nicht  kannte.  Freilich  scheint  auch  in  diesem  Afrika- 
nischen Indien  keine  zweite  Sanskrit-Literatur  zum  Vor- 
schein kommen  zu  wollen;  auf  den  ersten  Blick  erscheint 
die  Aethiopische  Literatur  als  eine  ausschliesslich  christli- 
che ;  soviel  wir  bis  jetzt  sehen  können^  ist  sie  dazu  erst  seit 
den  Zeiten  der  Monophysiten  recht  ausgebildet,  und  wie 
ich  glaube  nicht  bloss  von  Aegypten  aus  sondern  auch 
durch  Syrische  Monophysiten  welche  entweder  über  Ae- 
gypten oder  über  das  südliche  Arabien  nach  Habesch  ka- 
men ^) ;  und  dazu  besteht  wohl  ihr  Bestes  oder  doch  für 
uns  WerthvoUstes  bloss  in  Uebersetzungen  aus  andern 
Sprachen,  Dennoch  verdient  sie  weit  mehr  Aufmerksam- 
keit als  sie  bis  jetzt  gefunden^  und  namentlich  würden  sich 
jüngere  Theologen  mit  ihr  nützlich  beschäftigen,  da  sie 
ähnUch  wie  die  Syrische  und  die  Armenische  Literatur  für 
die  ältere  Geschichte  des  Christenthuras  sehr  wichtige 
Denkmale  besitzt  und  dazu  ihre  Sprache  dem  Hebräischen 
so  nahe  verwandt  ist.  Dass  wir  wenigstens  sicher  begrei- 
fen was  sie  enthalte  und  wie  weit  sie  sich  erstrecke,  ist 
unentbehrlich:  und  vielleicht  finden  wir  doch  allmählich  noch 
die  Reste  weit  älterer  Literaturen  welche  in  jenen  Gegen- 
den einst  blüheten  und  die  nur  hier  wie  sonst  an  so  man- 
chen Stellen  der  Erde  durch  die  zu  eifersüchtige  Herr- 
schaft des  jungen  Christenthums  soweit  zurückgedrängt 
seyn  mögen.  Wir  wissen  dass  es  Aethiopische  Codices 
rescripti  gibt  wo  auch  die  ausgelöschten  Buchstaben  Aethi- 
opische sind-):  und  wird  man  gute  christliche  Schriften 
auso-elöscht  haben?  Es  sind  in  den  neuesten  Zeiten  In- 
Schriften    auf  Aethiopischem  Boden  entdeckt  welche  thcils 


1)  Es  Hesse  sicli  eine  lange  Reihe  von  theologischen  Ausdrücken 
nennen,  Mclche  von  Syrien  aus  nach  Aethiopien  gekommen 
seyn  müssen. 

»)  S.  Mai  a.  a.  0.  S.  94  in  der  Anmerkung:  in  solchen  Fragen 
abar  kann  man  dem  Cardinal  Mai  unbedingt  trauen. 


171 

ihrem  lohaltc  theils  ihrcu  alterthiimlichen  Buchstaben  nach 
in  die  vorchristlichen  Zeiten  zurückgehen  *)  ;  und  dass  die 
Himjaritische  Schrift  der  Aethiopischen  verwandt  sei  lehrt 
schon  eine  flüchtige  Vergleichung.  So  öffnet  sich  hier  un- 
streitig für  künftige  Erforschungen  der  mannigfaltigsten  Art 
ein  neues  Gebiet:  und  schon  eine  etwas  sichere  Geschichte 
der  in  so  vieler  Hinsicht  ganz  eigenttümlichen,  auch  schon 
mancherlei  Missverständnissen  ausgesetzt  gewesenen  Aethi- 
opischen Schrift  würde  sehr  lehrreich  seyn. 

Bevor  ich  indess  zur  Beschreibung  der  mir  zugäng- 
Hchen  Handschriften  übergehe ,  scheint  es  gut  hier  das 
kurze  Verzcichniss  von  62  Handschriften  einzuschalten, 
welches  Herr  Krapf  im  Jahre  1840  hieher  sandte  und  wel- 
ches einen  Ueberblick  über  die  schon  damals  von  ihm  be- 
sessenen Bücher  gibt.  Ich  wiederhole  es  hier  ganz  so  wie 
es  nach  Krapfs  Schreiben  in  den  hiesigen  Missionsnach- 
richten vom  Jahre  1841  -)  gedruckt  ist,  füge  jedoch  unten 
einige  Bemerkungen  über  den  Sinn  gewisser  Wörter  hin- 
zu. Zwar  ist  es  bei  einer  überhaupt  so  wenig  bekannten 
Literatur  oft  ganz  unmöglich  aus  diesen  kurzen  Bezeich- 
nungen das  wahre  Wesen  der  gemeinten  Werke  sicher  zu 
erkennen,  wie  auch  unten  aus  der  Beschreibung  einiger 
dieser  G2  Handschriften  welche  wir  wirklich  prüfen  können 
genug  erhellen  wird:  dazu  sagt  Krapf  an  jener  Stelle  selbst, 
er  habe  noch  nicht  Zeit  gehabt  diese  Bücher  zu  lesen^ 
vermuthet  jedoch  es  sei  vielleicht  manches  brauchbare  dar- 


1)  Ich  meine  die  von  Salt  und  die  von  Rüppel  in  seiner  letzten 
Rcisebesciireibung  bekannt  gemachten  grossen  Inschriften,  wor- 
über man  den  Aufsatz  von  Rokoigrr  in  der  Hall.  L.  Z.  1839. 
im  Juniushcfte  vergleiche;  sowie  die  zwei  kleinern  aber  wegen 
der  abweichenden  Art  von  Buchstaben  sehr  merkwOrdigen  In 
Isknbkrg's  dictionary  amiiaric  and  english  pag.  209. 

2)  8.  38.  Man  findet  überhaupt  in  den  TQbingischen  Missionsnach- 
richten  welche  jährlich  erscheinen  manche  bemerkenswerthe 
Nachricht  von  Krapf  aus  Habesch  und  Weigle  aus  Indien. 


172 

in,  da  die  Aethiopischen  Bücher  der  Sage  nach  meist  aus 
Schriften  der  verbrannten  Alexandrinischen  Bibliothek  über- 
setzt seyenO,  woraus  man  leicht  schliessen  mag  wie  wenig 
genügend  die  Bezeichnungen  dieses  Verzeichnisses  und  die 
wenigen  eingestreuten  Bemerkungen  seyen.  Doch  glaube 
ich  es  werde  bei  der  grossen  Seltenheit  Aethiopischer  Bü- 
cher auch  so  vielen  willkommen  seyn.  Die  Schreibart  der 
Aethiopischen  Wörter  darin  ist  von  Herrn  Krapf:  ich  selbst 
folge  (da  Aethiopische  Typen  der  Druckerei  fehlen)  meiner 
sonst  bekannten  Umschreibeart  Semitischer  Wörter. 

1.  Chrysostomus^^. 

2.  Sirachj  Ezra  und  Habela^y 

3.  Ekabani. 

4.  Lehaga  Zadok. 

5.  Seifa  Malakof^^, 

6.  Suaso  5). 

7.  Wudasie  Marjam^^. 

8.  Amada  Mistir  (im  Amharischen) '). 


1)  Zur  Beantwortung  der  Frage  wie  es  mit  dieser  Sage  stehe, 
habe  ich  selbst  einen  Beitrag  gegeben  im  dritten  Bande  dieser 
Zeitschrift  S.  349. 

2)  Ist  wohl  dieselbe  Handschrift  welche  unten  unter  Nr.  6.  be- 
schrieben wird. 

9)  Habela  ist  also  wohl  auch  ein  Apokryphen^  von  der  Geschichte 
Abel's  ausgehend. 

4)  D.  I.  Schwert  der  Göttlichkeit,  wohl  eine  Streitsdirift  gegen 
Ketzer. 

5)  D.  f.  Leitern,  wohl  solche  Wörterbücher  wie  Ludolf  in  der  bist, 
aeth.  IV,  3,  3  sie  beschreibt  und  wie  unten  bei  Nr.  7.  ein  klei- 
nes Beispiel  davon  vorkommen  wird ;  ich  habe  dies  Werk  und 
das  verwandte  Nr.  26  bis  jetzt  vergeblich  von  Krapf  zu  erhal- 
ten gewünscht. 

A)  D.  i.  Lobgesänge  auf  Maria. 

7)  D.  I.  Funken  des  Mysteriums,  da  amada  nach  Isenberg  im 
Afflbarischcn  Funken  bedeutet. 


173 


9.   Tabita  Tahiban  und  Mahlte  Sa  Zegie^). 

10.  Kyrillos'^y 

11.  Organon  Marjam^^. 

12.  4  Evangelien  mit  Varianten. 
la  Ma%afa  Golgatha*}.' 

14.  Turguainie  fidel  ^},    Kalat^}    der   318   zu  Nicaea, 
Baruch. 

15.  Mealad,  Sammlung  von  Beweisstellen  aus  KW  '). 

16.  Kidan^}. 

17.  Hazora  Maskai  *). 

18.  Malka  Michael  >»). 

19.  Saatata  tnaalt  wa  selil^^}. 

20.  4  Bücher  Salomon  und  Hiob  '*}. 

21.  Esma  Keberte  Mariam  *3). 

22.  Melka  Mariam,  Jesus  etc. 

23.  Melixa  Sehm"^*)  etc. 

24.  Abbo  Melk.  v 


1)  D.  i.  der  Stolz  (n*2i*n)  der  Weisen  und  da«  Blutnenlied; 
letzterer  Name  würde  auf  weltliche  Dichtung  hioweisen^  ob- 
gleich Ludulf  bist.  aetb.  IV,  2,  35.  meinte  sie  hätten  nur  geist-' 
liehe. 

2)  Ist  wohl  das  unter  Nr.  7.  beschriebene  Buch. 

3)  Vgl.  Ludolfs  cumment.  in  bist.  aeth.  p.  346. 

4)  D.  i.  dat  Buch  von  Golgatha. 

5)  D.  i.  Dolmetschung  des  Alphabets. 

6)  D.  i.  Aussprüche  der  318  Bischöfe  zu  NIcäa. 

7)  mealad  bedeutet  Sammlung. 

8)  D.  i.  Bund,  Versprechen,  Testament. 

9)  D.  i.  Schutz  des  Kreuzes. 

10)  D.  i.  Bild  MichaeFs,  vgl.  hier  Nr.  22.  23.  35. 

11)  D.  i.  Stunden  des  Tages  und  der  Nacht,  (wenn  lelit  zu  le- 
sen ist). 

12)  Ebenso   zählen   die  Quellen  Bnice^s:     andre  wie   Luiolt  bist. 
aeth.  III,  4,  19.  zählen  5  Bücher  Salomos. 

13)  D.  i.  die  hohen  Namen  der  Maria. 

14)  Ist  mir  undeutlich. 


174 

25.  Kleine  Ahuschdkur  (Almanache)  '). 

26.  Erklärung  des  Suaso. 

27.  Canticum  Canticorum. 

28.  Degua. 

29.  Salam  la  Mariam^)  etC. 

30.  Melka  Guebra  Martfas  Kedas^'). 

31.  Ahho  Gadel  und  Gadela  Guebra  Christas'^). 

32.  Tamera  Mariam^-»^. 

33.  Wudasie  Amlak^~). 

34.  6?e/o/a  Musie  7). 

35.  Melka  Wudasie, 

36.  Kedasie  (Liturgie)®). 

37.  Äewa  Fetrat^). 

38.  Najara  Mariam. 

39.  Masarala  Mariam  ^^'). 

40.  Erklärung  des  Evangelium  Matthael  Cnach  einzel- 
nen Kirchenvätern). 

41.  i?'aMs  Mantasatvi^^')  et  Seraia  Kenie^-^. 

42.  -4m</«  negest  i^)   (ein   mit  Figuren  ausgestattetes 
Zauberbuch). 

43.  Tamera  Jasus. 

44.  Buch  Henoch. 


1)  Siehe  darüber  das  unten  bei  Nr.  6.  bemerkte. 
8)  Ist  bloss  der  Anfang  eines  Marienliedes. 
.3)  Guebra  ist  Diener  des  h.  Geistes. 

4)  Der  Name  Gadel  weist  auf  geistigen  Kampf  bin,  wie  Nr.  .53 
Kampf  der  Apostel. 

5)  D.  i.  Offenbarunrf  der  Maria,  vgl.  Nr.  43. 

6)  D,  i.  Lobpreis  Gottes. 

7)  D.  f.  die  Decke  Mose's,  wahrscheinlich  rin  Aporryphon. 

8)  Vgl.  Ludolf  comment.  p.  340. 

9)  D.  i.  Geschichte  der  Schöpfung. 

10)  D.  i.  Grund  der  Maria.   ' 

11)  Falsch  gedruckt  für  Manfasawi,  vgl.  unten  Nr.  8  h.  11. 

12)  D.  I.  Gesetz  der  Zuckt. 

13)  D.  i.  Schauplatz  der  Könige. 


175 


45.  Dersana  Michael  ')• 

46.  Dersana  Medhanalim^). 

47.  Felha  negest^^. 

48.  Sakoka  DengJiel^). 

49.  Mazafa  Christena  (Tauf-Ritus  etc.) 

50.  Serata  Bieta  Christian  s). 

51.  Retua  Haimanot  (Dogmatik)  *). 

52.  Mazafa  Mistir'^. 

53.  Gadela  Hawarjat. 

^54.  Genzet^)  (aus  Athanasfiis  etc.). 

55.  Mazafat  Tectil  (bei  Trauungen). 

56.  Mazafa  Keder  (bei  Ketzertaufen)*). 

57.  Antiakos,   Wogris  etc.  *"). 

58.  Bar  los  (Mönchsbuch)  "). 

59.  Gezawi^^}  (Bericht  der  kirchhchen  Feste). 

60.  Ardeel  (Gespräch  Jesu  während  der  40  Tage). 

61.  Hamamat^^. 

62.  Dorho. 

Demnach  besass  damals  Krapf  von  den  unten  beschrie- 
benen  Handscliriften   noch  nicht  Nr.    1.   2.   3.   4.  14.  15. 


1)  dersän  bedeutet  Abhandlung,  Homilie,   vgl.    unten  N.   6.  8.  10. 
8)  Med-hena  'alem  ist  der  Welterlöser. 

3)  S.  unten  Nr.  t3. 

4)  D.  i.  Klaffe  der  Jungfrau  (Maria).  — 

5)  S.  unter  Xr. 

6)  S.  vielüiehr  unten  Nr.  10. 

7)  S.  ebenfalls  unten  Nr.  9. 

8)  D.  i.  Bestattung. 

9)  S.  unten  Nr.  12. 

10)  Siehe  unten  Nr.  8. 

11)  Siehe  unten  Nr.  5. 

12)  Sollte  dies  Wort  mit  gizae  d.  i.  Zeit  zusammenhangen?  oder 
vielmehr  mit  dem  bekannten  "yj? 

13")  D.  i.  Leiden,  wohl  in  Bezug  auf  Christi  Leiden. 


176 

woraus  man  abnehmen  kann  wie  viele  andre  Bücher  er  in 
den  letzten  Jahreb  noch  gefunden  haben  wird. 

Ich  gehe  nun  zur  Beschreibung  der  hiesigen  Hand- 
schriften über,  kann  mich  jedoch  in  der  Anordnung  nicht 
nach  Hiob  Ludolf  richten ,  welcher  bloss  heilige  und  un- 
heilige Literatur  unterscheidet  und  alle  kirchlichen  und  the- 
ologischen Bücher  auf  die  heilige  Seite  wirft:  denn  der 
Himmel  verhüte  dass  bei  uns  jemals  die  theologischen 
Bücher  als  heilige  gelten,  und  soweit  sind  doch  selbst  die 
Aethiopen  nicht  gegangen  obgleich  sie  heilige  Bücher  in 
weit  grösserer  Zahl  lieben  als  wir.  Ich  unterscheide  viel- 
mehr vier  Arten  von  Schriften,  und  führe  daneben  bei  je- 
der Handschrift  hiesiger  Universität  die  Zahl  an  welche 
sie  in  der  Bibliothek  führt;  sollten  die  Leser  hier  einiges 
an  sich  weniger  anziehende  vorfinden,  so  hoffe  ich  sie  wer- 
den es  der  Neuheit  des  Stoffes  vergeben. 

I.    Bibllselte  Bücher. 

1.    Kufälie. 

(Ms.  aeth.  4.  80  Blätter  in  4.) 

Zu  den  biblischen  Büchern  im  weitern  Wortsinne  kann 
man  mit  Recht  auch  alle  die  rechnen,  welche  in  der  Weise 
der  altbiblischen  von  ungenannten  Verfassern  aber  meist 
auf  den  Namen  eines  berühmten  biblischen  Helden  gestützt 
fortgeschrieben  wurden^  und  welche  die  Protestanten  als 
Apokryphen  und  Pseudepigraphen  abzusondern  sich  ge- 
wöhnt haben.  Gerade  solche  Bücher,  welche  einst  beson- 
ders in  Aegypten  zu  grossen  Haufen  dagewesen  seyn  müs- 
sen, haben  sich  nun  in  der  Acthiopischen  Kirche  weit 
vollständiger  als  sonst  irgendwo  erhalten,  als  wäre  diese 
Kirche  auch  in  dieser  Hinsicht  plötzUch  unverrückt  da  ste- 
hen geblieben  wo  alle  Kirchen  mit  geringen  Unterschieden 
in  den  ersten  Jahrhunderten  standen  j  da  jedoch  auf  einen 


177 

solchen  Stillstand  nothwendig  ein  Rückschritt  folgt^  so  Ist 
es  nicht  sehr  zu  verwundern,  dass  solche  Bücher  bei  den 
Aethiopen  allmählig  den  kanonischen  immer  näher  gestellt 
sind  und  dort  jetzt  auch  als  dogmatische  Beweismittel  gel- 
ten. Wie  es  indess  auch  mit  der  theologischen  Geltung 
dieser  Bücher  seyn  mag:  für  den  Geschichtsforscher  sind 
sie  immer  von  Wcrthe,  und  die  Aethiopische  Kirche  hat 
sich  durch  ihre  sorgfaltigere  Erhaltung  obwohl  unwissend 
kein  geringes  Verdienst  um  die  Wissenschaft  erworben. 
Schon  sind  in  den  letzten  Jahrzehenden  einige  Bücher  der 
Art  auf  diesem  Wege  in  Europa  wieder  bekannt  gewor- 
den: und  dass  noch  andere  so  aus  übertausendjähriger 
Vergessenheit  unter  uns  wieder  ans  Tageslicht  kommen 
können^  scheint  keine  vergebliche  Hoffnung  zu  bleiben« 

Das  Werk  der  obengenannten  Handschrift  war  unter 
diesem  Namen  schon  Ludolfen  bekannt  Oj  ohne  dass  er 
es  indessen  selbst  gesehen  hatte;  aus  dem  Namen  welcher 
Eintheilnng  bedeutet  kann  man  auch  niclit  das  mindeste 
über  seinen  Inhalt  schliessen.  Sobald  ich  jedoch  die  Hand- 
schrift näher  prüfte,  fand  ich  dass  der  Name  in  derThat  sehr 
abgekürzt  sey  und  schwerlich  der  ursprüngliche  seyn  könne: 
in  dem  Werke  selbst  folgt  immer  ein  Genitiv  darauf  wie 
kufulie  tnavd  el  d.  i.  Eintheilung  der  Tagej  oder  von  ähn- 
lichem Sinne.  Nachdem  ich  mich  mit  dem  Sinne  des  sehr 
weitschweifig  geschriebenen  Werkes  etwas  weiter  vertraut 
gemacht  hatte,  zeigte  sich  mir  bald  dass  es  dasselbe  Apo- 
kryphen seyn  müsse  welches  die  Griechen  deutlicher  xa 
Ia)ßr^).cc7a  die  Jubiläen  oder  auch  Aan:rr^  rivsatg  die  kleine 
Genesis  nannten  -),  und  welches  sich  meines  Wissens  nir- 
gends weiter  als  bei  den  Aethiopen  vollständig  erhalten  hat 


1)  Ludolfi  lex.  aetb.  ed.  altera  p.  412.,  wo  maa  sieht  dass  schon 
das  unten  zu  nennende  Maghafa  Mistir  welches  er  besass  dies 
Werk  anführt. 

2)  Siehe  FABRicn  Codex  apocrj-phus  Veteris  Testament;  Tom.  I. 
p.  848—64  der  zweiten  Aosgabc. 

V.  12 


178 

Da  dieses  Werk  nicht  viel  weniger  als  das  B.  Henoch 
unter  uns  bekannt  zu  werden  verdient^  so  hoffe  ich  bald 
eine  Uebersetzung  davon  veröffentlichen  zu  können,  und  be- 
gnüge mich  einstweilen  auf  sein  Daseyn  aufmerksam  zu 
machen,  ohne  mich  hier  auf  sein  Wesen  weiter  einzulassen. 

Eins  jedoch  möge  hier  noch  berührt  werden,  wodurch 
diese  Handschrift   sich    von    allen    übrigen   unterscheidet. 
Vergleicht  man  nämlich  viele  Aethiopische  Werke,  so  wird 
man  finden  dass  sie  immer  mit  dem  basma  ab  vavald  va- 
manfas  qedüs  oder  mit  ähnlichen  Worten  ebenso  anfangen 
wie  die  Arabischen  Bücher  mit  dem  bismülahj  nicht  selten 
auch  den  Arabischen  Büchern  ähnlich  eine    längere  Lob- 
preisung in  geschmückterer  Rede  voranschicken ;     wie  denn 
die  beiderseitigen   Schriften  ebenso  gewöhnlich  mit  Amen 
schliessen.    Woher  kommt  diese  frömmelnde  Verbrämung, 
welche  sich  der  gesammten  Literatur  der  Araber  und  Ae- 
thiopen  (um  jetzt  nur  bei  diesen  stehen  zu  bleiben)  aufge- 
drungen hat?   ist  es   etwas  so  naheliegendes,    dass  jedes 
Buch   wie  eine  Predigt   erscheinen  muss?  wann   oder  wo 
hat  diese  steife  Einkleidung  so  mächtig  zu  herrschen  an- 
gefangen? und  wie  kommt  es  dass  Völker  die  doch  sonst 
soweit  von  einander    sich  entfernen  wie  die   Christen   in 
Habesch  und  die3IosIims  in  diesen  Sitten  übereinstimmen? 
Diese  Fragen,  welche  man  meines  Wissens  noch  nirgends 
aufgeworfen  geschweige    denn  gelöst  hat,  sind  für  die  Li- 
teraturgeschichte   keineswegs    ohne   Gewicht:    die    ganze 
Literatur   der  alten  Hebräer   weiss  von  einer  Sitte  noch 
nichts  der  man   die  steife  Frömmelei  unter  deren  Zwange 
die  Spätem   so  oft  seufzen  nur  zu  deutlich  ansieht;  auch 
dies  Werk  fangt  ganz  wie  ein  aus  andern  Kreisen  gekom- 
menes einfach  so  an:  %ntu  nngara  kufälie  maväelät   {dies 
ist  die  Geschichte  der  Eintheiluny  der  Tage~),  und  schlicsst 
ähnlich:    bahja  tafa^ama   nagar  zakufälie   maväel  Qhiemit 
ist  zu  Ende  die  Geschichte  d.  E.  d.  T.J,  Wir  müssen  dem- 
nach   schon  aus  dem   völligen  Fehlen    der   gewöhnlichen 


179 

Einkleiduug  bei  diesem  Buche  schliesseo^  dass  es  in  Ver- 
hältniss  zu  so  vielen  andera  Aethiopischen  Büchern  bedeu- 
tend alt  und  von  einer  ganz  andern  Seite  her  zu  den  Ae- 
thiopen  gekommen  seyn  rauss. 

2.    Gadela  Adam. 

(Ms.  aetfa.  auf  206  Blättern  in  4.)  >). 

D.  i.  der  Kampf  Adams.  Diese  Handschrift  welche  mit 
der  unten  Nr.  9.  zu  beschreibenden  erst  seit  einigen  Tagen 
mir  unter  Händen  ist,  enthält  ein  dem  vorigen  sehr  ähnli- 
ches Werk,  worin  zwar  vorzüglich  die  Lagen  und  Ver- 
hältnisse der  ersten  Menschen  welche  Gen.  c.  2  und  c  3 
in  wenigen  grossen  Umrissen  geschildert  sind,  auf  apo- 
krjT)hische  Weise  zu  langen  Darstellungen  umgearbeitet 
werden,  aber  daneben  noch  sehr  vieles  andre  sich  einge- 
schaltet findet.  Da  das  Werk  näher  beschrieben  zu  wer- 
den verdient  und  ich  es  ebenso  wie  das  vorige  bald  weiter 
bekannt  zu  machen  gedenke,  so  möge  hier  diese  kurze 
Nachricht  über  sein  Daseyn  genügen.  Die  jetzigen  Aethi- 
open  berufen  sich  auch  in  ihren  immer  fort-  aber  leider 
nicht  aufwärts  gehenden  dogmatischen  Streitigkeiten  auf 
Aussprüche  dieses  Buches  2):  woraus  allein  schon  erhellen 
würde,  dass  es  wie  spät  es  auch  seyn  mag  dennoch  dem- 
selben Stamme  noch  entsprossen  ist  welchen  wir  hier  den 
biblischen  nennen. 

3.    Saenodos. 
(Ms.  aeth.  7,  auf  407  Blättern  in  4.). 

Dies   ist   das   vorzüglichste    apokryphische    Buch  des 
Neuen    Testaments,    welches    die  Aethiopen    f^t   ebenso 


1)  An  Herrn  Prof.  Lic.  Hoffmann  in  Basel  geschenkt,  dessen  aiu- 
gezeichneter  Güte  sie  die  hiesige  Bibliothek  verd.inkt, 

2)  Tübingische  Missionsnachrichten  Tom  Jahre  1842  S.  44. 


180 

hochachten  als  unsre  kanonischen  Bücher,  und  stimmt  ob- 
wohl unter  starken  Abweichungen  doch  der  fetzten  Quelle 
nach  mit  den  Clementinischen  Canones  et  Constifutiones 
Apostolorum,  auch  Didascalia  gwiannf,  überein.  Ludolf  be- 
sass  den  Anfang  einer  Handschrift  des  Werkes  und  Hess 
was  er  davon  in  Händen  hatte  drudien^);  eine  wie  es 
scheint  vollständige  Abschrift  davon  brachte  Bruce  nach  Eu- 
ropa Biit^  wahrscheinlich  dieselbe  nach  welcher  Hr.  Platt 
eine  mir  leider  jezt  nicht  zugängliche  englische  Ueber- 
setzung  veranstaltete  -}.  Die  nach  Tübingen  gekommene 
Handschrift  ist  vollständig,  zwar  nicht  so  fehlerlos  und  zu- 
verlässig geschrieben  als  die  meisten  andern  welche  Herr 
Krapf  hat  anfertigen  lassen,  doch  an  einigen  Stellen  dem 
von  Ludolf  gedruckten  Texte  vorzuziehen.  Als  ich  zuerst 
unter  allen  hierher  gekommenen  Handschriften  diese  näher 
untersuchte  und  die  vielen  Schreibfehler  in  ihr  bemerkte, 
erschrak  ich  und  fürchtete  alle  übrigen  möchten  von  glei- 
cher Farbe  seyn:  zum  Glück  jedoch  sah  ich  später  bei 
den  meisten  übrigen,  dass  es  auch  unter  den  17  Abschrei- 
bern welche  Hr.  Krapf  in  Bewegung  setzte  doch  viele  Ab- 
stufungen gab ;  und  wenn  Ludolf  im  Allgemeinen  über  die 
Unsicherheit  Aethiopischer  Handschriften  klagt,  so  kann 
ich  versichern  dass  wenigstens  einige  der  hieher  gekom- 
menen von  besserer  Art  sind. 

4.    Kaliementos. 
CMs.  aetb.  t-,  280  Blätter  in  4.). 

Dieses    ziemlich  umfangreiche  Werk  fängt  wörtlich 
60  an: 

»Im  Namen  des  Vaters  Sohnes  und  b.  Geistes  des 
Einen  Gottes.  —  Es  spricht  der  h.  Clemens:  Nachdem 
unser  Herr   und  Gott  und  Erlöser  Jesus  Oiristua    in  den 


1 )  Commcnt.  in  hist.  actir.  p.  .304  ff, 

2)  Sie  finilet  sich  im  .3f)sten  Bande  der  Orimtnl  TransJations. 


m 

Himmel  aufgefahren  war^  trennten  sich  die  Gehülfen  (Apo- 
stel) fcis  zu  den  Enden  der  Welt,  um  die  Geschichte  des 
h.  Evangelium  zu  verkündigen,  die  Völker  zum  Glauben 
und  Wissen  zu  führen  und  sie  in  der  Heiligkeit  der  Wie- 
dergeburt zu  taufen.  Da  nun  deshalb  die  Apostel  sich  Ge- 
hülfen suchten  welche  mit  ihnen  in  die  Länder  reisten,  so 
ualira  mich  Simon  Petrus  und  machte  mich  za  seinem 
Gehülfen,  weil  icli  an  ihn  und  den  der  ihn  gesandt  glaubte 
und  überzeugt  uar  dass  er  das  Haupt  der  Apostel  sey, 
auch  wegen  des  Ausspruches  unsers  Herrn  und  Erlösers 
Jesus  Christus  im  h.  Evangelium  »du  bist  der  Fels  und 
auf  diesen  Felsen  u.  s.  w.«  — Nachdem  er  nun  noch  zwei 
Brüder  genommen  und  zu  seinen  Gehülfen  gemacht  hatte, 
nahm  er  mich  als  ich  eines  Ta^cs  bei  ihm  verweille  und 
brachte  mich  in  meiner  Aeltern  Land  gcnamit  Matrürjä 
(^sic)f  und  oifeubarte  mir  die  Geheimnisse  welche  ihn  un- 
ser Herr  J.  Ch.  auf  dem  Oelbcrge  gelehrt  hatte.  Um  jene 
Zeit  aber  sassen  die  Apostel  und  alle  die  Gläubigen  in 
grosser  Gefahr  und  Unruhe  wegen  der  gottlosen  und  un- 
gläubigen Juden,  da  diese  die  Gläubigen  fortwährend  töd- 
teten.  So  begab  sich  Petrus  hier  fort  und  kam  mit  mir 
in  eine  Stadt  wo  wir  dadurch  viele  Gefahr  antrafen^  dass 
die  ungläubigen  Juden  viel  stritten  und  zankten  wegen  der 
Geburt  der  h.  Maria,  von  dieser  aussagend  sie  sey  nicht 
vom  Geschlechte  David's  gewesen,  um  daraus  das  Kom- 
men unsers  Herrn  J.  Ch.  in  die  Welt  zu  läugnen ;  auch 
gaben  sie  fortwährend  den  Griechen  und  Römern  viel  Geld 
zur  Bestectung,  damit  sie  ihnen  die  Gläubigen  zu  vernich- 
ten hülfea,  die  Apostel  verhinderten  über  das  Gesetz  Mo- 
se's  naclizudenken ,  und  die  erste  Weltschöpfung  nicht 
erfiibren.  Ais  ich  nun  diese  ganze  Mühe  und  Noth  Fühlte 
welclie  von  den  ungläubigen  Juden  über  mich  gekommen, 
forschte  ich  bei  meinem  Lehrer,  bat  ihn  er  möge  mich  leh- 
ren und  mir  sagen  wie  die  erste  Weltschöpfung  gewesen 
(denn  er  kannte  alle  die  Geheimnisse  unsres  Herrn  J.  Ch., 
ich  aber  kannte  die  Griechischen  Sagen  und  Bücher,  Ge- 


182 

heimnisse  und  Wissenschaften),  und  erklärte  so  ihm  mei- 
nem Lehrer  welcher  Verdruss  und  Eifer  über  mich  ge- 
kommen weil  die  Juden  wegen  der  h.  Maria  mich  gezankt 
und  verletzt  hätten :  »ich  habe  keine  Einsicht  in  Gesetz 
und  Propheten^  und  doch  haben  sie  mich  viel  wegen  der 
Schöpfung  Adam's  zur  Rede  gestellt  und  schmähen  mich 
stark  wegen  unserer  h.  Herrin  Maria ,  ich  finde  aber  in 
dem  was  ich  weiss  keine  Antwort  auf  ihre  Bosheit  und 
unheiliffe  Rede.«  Solches  alles  erklärte  ich  ihm  in  tiefer 
Trauer:  da  kam  ein  Eifer  über  ihn  und  er  sprach  zu  mir: 
»ich  will  dir  mein  lieber  Clemens  alles  offenbaren  warum 
du  mich  fragst,  will  dich  über  die  erste  Weltschöpfung 
unterrichten  j  dich  wegen  der  h.  Maria  der  Mutter  des 
Lichtes  überzeugen  dass  sie  ohne  allen  Zweifel  vom  Stam- 
me der  Söhne  Jakob's  ist,  und  dir  erklären  wie  der  Satan 

aus  dem  Himmel  gefallen.« — 

An  dieser  Probe  werden  meine  Leser  wohl  genug  ha- 
ben, um  danach  das  Wesen  eines  Werkes  zu  schätzen 
welches  schwerlich  vor  den  Nestorianischen  Streitigkeiten 
geschrieben  seyn  kann.  Es  zerfällt  in  sieben  ganz  lose 
aneinandergefügte  und  nicht  einmal  in  eine  fortlaufende 
Zahl  gebrachte  Theile  (fol.  1.  62.  80.  152.  206.  216.  240.); 
am  Schlüsse  stehen  die  Worte:  ^beendigt  ist  hier  Cle- 
mens, der  Gehülfe  des  Petrus,  die  Freude  der  Weisen 
und  die  Trauer  der  Verkehrten.«  Man  weiss  aus  Griechi- 
schen und  Lateinischen  Quellen,  dass  dem  Clemens  Ro- 
raanus  ausser  dcnCanones  und  Constitutiones  noch  mehrere 
Werke  von  einer  gewissen  philosophischen  Art  und  Farbe 
zugeschrieben  werden,  wo  er  obwohl  ein  hochstehender 
und  gelehrter  Heide  doch  als  ein  Schüler  Petri  erscheint 
und  von  diesem  sich  fleissig  belehren  lässt.  Ganz  so  er- 
scheint er  auch  In  den  7  unverbundcn  nebeneinanderste- 
henden Stücken  dieses  Werkes :  aber  ob  sie  dem  Inhalte 
nach  eine  Verwandtschaft  mit  den  von  Cotelerius  im  er- 
sten Bande   der  Patres  Apostoüri  bekannt  gemachten  Wer- 


183 

ken  habeu;  bezweifle  ich  nach  deu  Stücken  weiche  ich 
bis  jetzt  vergleichen  konnte  völlig,  und  möchte  sie  auch 
dem  Zeitalter  nach  für  etwas  jünger  halten.  Soviel  wird 
man  immer  zugeben  müssen ,  dass  diese  in  Aethiopischer 
Sprache  erhaltenen  Stücke  noch  aus  demselben  Stamme 
emporgewachsen  sind  welchem  die  bis  jetzt  bekannten  ent- 
keimten: und  wer  künftig  einmal  die  ganze  clementinisch- 
petrinischc  Literatur  nach  ihrer  doppelten  Verzweigung, 
der  gesetzlichen  und  der  philosophischen^  genauer  verfol- 
gen will^  wird  nicht  leicht  die  3Iühe  scheuen  dürfen  sich 
auch  mit  diesen  Aethiopischen  Siebensachen  bekannt  %u 
machen. 

5.    Bartos. 

(Ms.  aeth.  10,  31  Blätter  in  4.). 

Diese  Aufschrift  findet  sich  nicht  nur  in  dem  oben  mit- 
gethcilten  Verzeichnisse  der  62  Handschriften,  sondern 
auch  in  der  Handschrift  selbst  von  Krapfs  Hand:  sie  scheint 
also,  obgleich  ich  sie  von  einer  Aethiopischen  Hand  ge- 
schrieben noch  nicht  gesehen  habe,  jetzt  dort  herrschend 
zu  seyn.  Bartos  ist  nun  nach  Ludolfs  Wörterbuche  die 
Phönikische  Stadt  Berytus,  und  aus  diesem  Namen  un- 
streitig nur  durch  einen  gerade  bei  der  Aethiopischen  Schrift 
leicht  erklärbaren  aber  tief  eingewurzelten  Schreibfehler 
entstanden,  wie  dergleichen  sich  viele  finden.  Aber  was 
lässt  sich  nicht  alles  bei  einer  solchen  üeberschrift  den- 
ken? Erst  die  Untersuchung  der  Handschrift  selbst  konnte 
über  ihren  Inhalt  vergewissern:  und  ich  sah  bald  dass  sie 
nichts  als  Gebete  enthalte  die  keinem  geringern  in  deu 
Mund  gelegt  werden  als  der  Jungfrau  Maria;  das  erste 
soll  Maria  gesprochen  haben  als  sie  in  der  Stadt  Bartos 
sich  befand:  daher  der  sehr  zufällige  Name.  Die  Stadt 
Berytos  wird  auch  in  den  Clcmentlnischen  Sagenkreis 
verwebt »),  und  man  wird  dies  Werk  für  einen  der  letzten 


1)  Siehe  Cotblbbii  Patres  Apostolici  T.  I.  p.  771. 


und  freilich  auch  entartetsten  Sprösslinge  des  biblischen 
Gebietes  halten  müssen.  Wie  gewisse  Türkische  Zauber- 
bücher sich  auch  zu  uns  iu  grosser  Zahl  verirrt  haben, 
so  ist  gerade  dies  Werkchen  in  Europa  die  verbreitetste 
Aethiopische  Handschrift  geworden  und  findet  sich  allein 
im  Vatican  dreimal  9  5  "«d  da  es  bereits  von  Ludolf  unter 
dem  Namen  ^alota  rqiet  d.i. Zaubergebet  beschrieben  ist^), 
mag  ich  nicht  weiter  davon  reden. 

Noch  ein  Werk  ähnliches  Schlages  ist  das  welches 
am  Ende  des  unter  Nr.  8.  zu  beschreibenden  Bandes  steht. 

II.    Tlieoloslsche  Buclier. 

6.     Affa   varq   d.  i.    Chrysostomos. 
(Ms.  aetl).  auf  147  grossen  Pergamenblättern)  ^). 

Diese  Handschrift  enthält  auf  ihren  ersten  drei  Blät- 
tern eine  Lebensbeschreibung  des  Chrysostomos,  genommen 
aus  dem  Tärtkh  des  Georgios  Sohnes  Amid's*),  dem  Bu- 
che Snksur  (d.  i.  ovva^aqLOVj  Heiligeiisage)^  dem  AbU" 
thäkr  d.  i.  dem  Kalender^),  und  dem  Buche  des  Johannes 


1)  Oei  Mai  a.  a.  0.  Cd.  XLII.  L.  LX.,  wo  aber  alle  drei  Male 
falsch  zelole  tiket  gelesen  wird. 

8}  Comm.  bist.  aeth.  p.  349  f. 

8)  Findet  steh  mit  der  folgenden  Handschrift  im  Besitze  des  Herrn 
Oberhelfers  Sakwky  zu  Tübingen,  welcher  sich  seit  über  20 
Jahren  um  die  Mission  so  viele  Verdienste  erworben  hat. 

4)  Der  Name  ist  zwar  nach  der  bekannten  äthiopischen  Lautvcr- 
wechselung  ^^o^{  geschrieben,  aber  gemeint  ist  ohne  Zweifel 
die  Chronik  des  v\a4.c  ^jt,  gewültnlich  bei  uns  Elmakin  ge- 
nannt, welche  bis  in  das  l.'3te  Jahrhundert  hcrabgeht. 

5)  Die  Acthiopen  nennen  den  Kalender,  welcher  oft  auch  eine 
kleine  Chronik  der  Weltgeschichte  gibt,  jezt  allgemein  Abu- 
shakr:  derName  ist  aber  nicht  Aethinpisch,  sondern  vielleicht  aus 
Aegypten  mit  der  Sache  selbst  gekommen ;  auch  kennt  ihn  Lu- 
dolf nicht,  der  doch  einen  Kalender  vollständig  mixtheilt,  com- 
moat.  p.  385  tt. 


Mi 

Madabbr  d.  i.  des  Vorstdiers ').  Scbon  aus  dieser  vor- 
aufgescliicklen  Angabe  der  Quellen  erhellt,  dass  hier  nur 
spätere  Berichte  über  den  Kirchenvater  znsainmengestellt 
sied.  —  Nachdem  sodaim  auf  zwei  Blättern  eine  Uebersicht 
des  folgenden  Inhaltes  gegeben  ist,  hebt  erst  das  eigent- 
liche Buch  mit  einer  neuen  Einleitung  an.  £s  sind  nämlich 
Chrysostoraos  Homilien  über  den  Brief  an  die  Hebräer, 
welche  hier  in  Aethiopisrher  Uebersetzung  ^e^ebcn  wer- 
den :  das  Werk  besteht  ganz  wie  in  der  gedruckten  Grie- 
chischen Urschrift  aus  einer  Vorbereitung  und  34  Ab- 
schnitten, abweichend  aber  von  den  Griechischen  Drucken 
besteht  jeder  dieser  Abschnitte  aus  zwei  Hälften,  dem 
dersän  d.  i.  der  Erklärung  des  Textes  und  dem  tagsä^ 
d.  i.  der  daraus  abgeleiteten  Ermahnung;  auch  im  Einzcl- 
aeo  zeigte  mir  eine  Vergleichung  der  ersten  Horailie,  dass 
wir  hier  kein  bis  jetzt  unbekanntes  Werk  vor  uns  haben. 
ladess  ist  diese  Acthiopische  Uebersetzung  auch  in  sofern 
merkwürdig,  als  gerade  die  Homilien  über  den  Hebräer- 
brief zu  den  Werken  Chrysostomos  gehören  welche  der 
Kritik  etwas  mehr  Mühe  machen")  und  deren  Unächtheit 
einst  von  Erasmus  behauptet  wurde;  weshalb  ich  noch  an- 
merke dass^  die  Nachricht  diese  Homilien  seien  erst  nach 
Chrysostomos  Tode  von  einem  Presbyter  Coustantiuus  her- 
ausgegeben in  der  Acthiopischen  Uebersetzung  fehlt. 

Dagegen  gewährt  die  Handschrift  uns  einen   andern 


1)  Das  .'Ubiopische  sarSi  soll  iaa  madabbr  erkläreo^  dies  ist  alflo 

wolil  das  Arab.  uvX«:  welcher  Schriftsteller  aber  gemeint  sey 

ist  mir  jetzt  nicht  deutlich ;  nach   der  Vorrede  zur  folgenden 
Handschrift    von  Kyrillos   A>'erken   war  er  Vorstand  (Präfekt) 
der   Aeg>rptischen  Stadt  Nikius,   s.  Hartmann^s  fidrisü   Africa 
p.  38b*. 

2)  Siehe  die  Vorrede  zum  12ten  Bande  der  Opp.  Chrysostomi  von 
Montfaucön.  Paris  1735. 


186 

Nutzen.  Die  meisten  hierher  gekommenen  Handschriften 
sind  blosse  Abschriften  welche  Hr.  Krapf  an  Ort  und  Stelle 
verfertigen  Hess,  wenn  er  die  Bücher  selbst  nicht  erwer- 
ben konnte;  er  schreibt  wie  er  einst  17  Abschreiber  zu- 
gleich beschäftigte,  und  da  sich  in  den  Aethiopischen  Klö- 
stern noch  immer  eine  gewisse  gelehrte  Fertigkeit  wenn 
auch  mehr  als  blosses  Handwerk  erhalten  hat,  so  sind  viele 
dieser  Papier-Kinder  gewiss  kaum  geringer  zu  achten  als 
ihre  Vorältern  aus  Pergamen.  Allein  diese  guten  Ab- 
schreiber haben  zwar  nirgends  versäumt  nach  Landessitte  ) 
sich  selbst  und  den  für  welchen  sie  ein  Werk  abschrie- 
ben mit  allerlei  frommen  Wünschen  in  Ueber-  und  Unter- 
schriften flelssig  zu  nennen,  ja  einige  haben  den  Namen 
Krapp  auf  Acthiopisch  bis  zum  Ueberdruss  häufig  ange- 
bracht, wie  aus  stets  neuer  Dankbarkeit  für  ihren  unerwartet 
gekommenen  Lohnherren  (denn  Aethiopien  ist  allen  Nach- 
richten zufolge  das  noch  heutzutage  glückliche  Land,  wo 
man  mit  sehr  wenig  Geld  sehr  viel  erreichen  kanuX  lei- 
der aber  haben  sie  dafür  meist  die  altern  Unterschriften 
weggelassen  welche  uns,  da  wir  von  dem  Gange  der  Ae- 
thiopischen Literatur  bis  jetzt  so  gut  wie  nichts  wissen, 
sehr  lehrreich  gewesen  wären.  Die  vorliegende  Pcrgamen- 
Handschrift  giebt  nun  aber  auf  fol.  5  und  am  Ende  die 
merkwürdige  Nachricht,  das  Werk  sey  auf  Veranstal- 
tung des  Diakons  Abilfatch  Gabra-ebziabchär  (d.  i.  wohl 
Aethiopische  Uebersetzung  von  Abdallah}  Sohnes  des 
Fadl  (ist  wohl  gewiss  JwcaäJ!)  Sohnes  des  Meemana-Pa- 
pas  (d.  i.  Pappapistos)  aus  dem  Griechischen  ins  Ara- 
bische,  dann  aber  von  einem  gewissen  Habakuk  und  Mi- 
chael  dem  Aelhiopen   im  Jahre  des    Erbarmens^)    7015, 


1)  Der  auf  dem  Iczton  BlaUe  der  hier  besprochenen  Uandschrift 
genannte  Theodoros  ist  gewiss  als  der  Veranstalter  der  Ab- 
schrift zu  betrachten. 

8)  D.  i.  der  Schöpfung,  s.  Ludolfi  comment.  p.  ABU  und  uaton  Nr. 


187 

Christi  1500,  und  der  Märtyrer  *)  1239  aus  dem  Arabischen 
in's  Geez  d.  i.  ins  Aethiopische  übersetzt.  Von  Ueberset- 
zungeii  aus  dem  Arabischen  ist  nun  auch  bei  den  h.  Bü- 
chern die  Rede,  wie  schon  Ludolf  bemerkte,  allein,  weil  er 
die  Aethiopischen  Uebersetzungen  für  vormuhammedanisch 
hielt,  nicht  begreifen  konnte  *) :  hier  aber  haben  wir  ein 
nach  der  Zeitbestimmung  ganz  klares  Zeugniss  vor  uns, 
und  da  unter  den  Arabischen  Büchern  nur  die  von  Kopti- 
schen Christen  in  dem  Muhammedanisch  gewordenen  Ac- 
«•ypten  verstanden  werden  können,  so  irre  ich  schwerlich 
wenn  ich  hier  einen  ersten  sichern  Anhalt  für  die  Aethio- 
pische Literaturgeschichte  zu  finden  glaube.  Es  käme  nun 
darauf  an^  dies  weiter  zu  verfolgen. 

• 

7.    Kyrillos. 
V  cMs.  aeth.  auf  128  Pergamen-Blättern). 

Dieser  Band  enthält  1.  auf  4  Blättern  eine  Lebensbe- 
schreibung des  Kyrillos  von  Alexandrien,  des  berühmten 
Gegners  des  Nestorios;  als  ihre  Quellen  sind  hier  diesel- 
ben Bücher  genannt  welche  wir  an  der  Spitze  des  vorigen 
Werkes  fanden,  das  Werk  wird  also  überhaupt  wohl  aus 
derselben  Uebersetzungs-Werkstätte  hervorgegangen  seyn 
wie  das  vorige.  —  Hierauf  steht  2.  bis  zum  23stcn  Blatte 
die  Abhandlung  über  »den  rechten  Glauben  an  unsern  Herrn 
Jesus  Christus,«  an  den  Kaiser  Theodosios  gerichtet ;  An- 
fang und  Ende  stimmt  nach  meiner  Vergleichung  voUkom- 


9.;  der  Ursprung  dieses  Namens  ist  wohl  daher  zu  erklären 
dass  nicht  bloss  wie  bei  uns  die  Menschwerdung  sondern  schon 
die  Schöpfung  des  Logos  als  das  Werk  des  göttlichen  Erbar- 
mens betrachtet  wurde. 

1)  D.  i.  die  aera  Diocletiani,  284  n.  Ch. 

2)  Comment.  p.  295  f.  Ueber  das  Alter  der  AethiApischen  Ueber- 
setzungen biblischer  Bücher  sind  meines  Wissens  noch  keine 
tiefer  gehende  Untersuchungen  angestellt. 


188 

men  mit  der  Griechischen  Urschrift  überein  *).  —  Es  folgt 
3.  (Arne  alle  neueUeborschrift  bis  zum  64  Blatte  die  erste 
der  beiden  Abhandlungen  ähnliches  Inhalts  welche  an  die 
»Königinnen«  gerichtet  sind"):  sie  ist  hier  nicht  als  eine 
erste  bezeichnet,  und  die  andere  welche  sich  sonst  in  Ky- 
riHos  Werken  findet  fehlt  ganz.  Beide  hier  übersetzten 
Abliandlungcn  sind  anders  als  in  unsern  Drucken  genau 
in  Abschnitte  cingelheilt.  • — 4.  Bis  zum  97sten  Blatte  steht 
ein  Gespräch  zwischen  Kyrillos  und  Paliadios  über  den 
Satz  ■ndags  Christus  Einer  sey  ^%u  Man  kennt  die  17 Di- 
alogen mit  Paliadios  in  des  Aiexandriner's  Werken*):  in- 
dess  scheint  der  hier  übersetzte  bis  jetzt  unbekannt  zu 
seyn,  da  er  so  anfängt:  nKt/r.  Der  Lehre  der  h.  Schriften 
kann  durchaus  niemand  je  genug  haben,  am  wenigsten  die 
welcho  der  Weisheit  sich  ergeben  und  die  lebendig  ma- 
chende Wahrheit  in  ihre  Herzen  aufgenommen  haben^  wie 
geschrieben  steht  [hier  die  Stelle  Matth.  4,  4.]:  denn  die 
Speise  des  Herzens  ist  das  Wort  Gottes  und  das  geistige 
Brod  welches  die  Kraft  des  Menschen  stärkt,  wie  im  Psal- 
ter geschrieben  steht.  Pall.  Du  hast  recht.« 

Den  Rest  der  Handschrift  füllt  eine  Menge  kleiner 
Homilien  und  Briefe,  zum  Theil  von  Personen  aus  dem 
Zeitalter  des  Kyrillos  von  deren  Schriften  bis  jetzt  mei- 
nes Wissens  noch  nichts  bekannt  gemacht  ist.  Anfangs 
hat  diese  Sammlung  den  Anschein  als  sollten  Homilien 
nach  der  Reihe  der  jährlichen  Feste  und  Sonntage  gege- 
ben werden:  bald  aber  mischt  sich  fremdesein,  so  dass  man 
merkt  welche  ganz  andre  Sammlungen  der  gegenwärtigen 
vorausgegangen  waren.  Die  einzelnen  Stücke  sind  folgende : 


1)  Nach  der  Aasgabe  welche  mir  ject  sn  Gebote  steht  Paris  1605 
Vol.  11.  p.  673  ff. 

2)  Ebendas.  Vol.  II.  p.  eS€  ff. 

3)  Vg'.  die  zehjDte  Katccbese  des  Kyrillos  von  Jcrusaloai  mü  dor- 
selbeo  Aurüciiria, 

4)  A.  a.  0.  Vol.  U.  i».  335— AW. 


t89 

1.  Homilie  des  Theo  dolos  Bischofs  von  Aidim  in 
lalatien  am  Feste  des  Evang.  Jolanne»  den  Sten  Augus« 
u  Ephcsos  gehaiten  '). 

2.  Des  Kyrillos  von  Alexandri«!  an  dcmsciben 
'este»). 

3.  Des  Severns  Erzbischofs  v©a  Sinope  inPhrygica 
u  Ephesos  in  der  Marienkirche  an  Sonntag  den  15ten 
Lugust  gehalten  ^},  an  welchem  auch  die  nächstfolgenden 
ieben  gehalten  seyn  sollen. 

4.  Des  Akakios  Bischofs  von  Mditenem  Armenien*). 

5.  Des  Juvenalis  Bischofs  von  Jerusalem»!. 

6.  Des  Kyrillos  von  Alexandrien  zwei^  darch  die 
)lgcnde  getrennt  ^). 

7.  Des  Reginas  Bischofs  vea  Constantina  in  Ky- 
ras^ 

8.  Des  Eusebios  Bischofs  von  Heraklea  am  Pontes  ®X 
ft^  Des  TheodotftS  Bischofs  von  Ankyra  in  Galatien®). 

10.  Des  Firmas  Bischofs  von Cäsarca  in  Kappadokien^^. 


1>  PiiKlet  sicit  scbaa  Griechisch  in  GaUaudi  BiblMÜieca  Patrum 
Vol.  IX.  p.  456  ff. 

2)  Siehe  a.  a.  0.  Vol.  II.  p.  45. 

3)  Ist  mir  unbekannt.  Für  Sinope  steht  in  der  Handschrift -Sinotfow. 

4)  Dfeser  Akakios  wird  ia  GallanJi  bibl.  Patrum  T.  IX.  p.  506. 
erwähnt:  Schriften  aber  sind  meine«  Wissens  ven  ihm  nicht 
bekannt. 

5)  Aehnlich  ist  von  diesem  Jnvenalls"  flor  die  Person  bekannt^  s. 
die  Werke  des  Kyrillos  von  Jerusalem  nach  der  Ausgabe  von 
Tontte  (Paris  17S0)  S.  36^  ff.  nnd  XCV. 

6)  Finden  sich  beide  a.  a.  0.  Vol.  ü.  S.  46,  ohne  Angabe  des 
Tages,  auch  in  umgekehrter  Ordnung. 

7}  Ist  mir  unbekannt. 
&)  Ebeoso  imbekauat. 
9)  Ich  habe  den  Anfang   dieser  vergeblich  in  den  gednickten  Ho- 

miiieff  des  Tbeodotos  gesacht. 
1»)  Van   diesem  Firmas   (in   der  Handschrift  Pirmimy   fiden    sich 

bei  Galland  IX.  p.  499—515  Briefe  aber  keine  B««ü« 


190 

It,' Brief  welchen  alle  Bischöfe  der  Synode  an  Jo- 
hannes Bischof  von  Antiochien  schrieben*). 

12.  Homilie  des  Kyrillos  in  der  Kirche  Johannis  des 
Täufers  am  Sonntag  den  28sten  April '^), 

13—14.  Brief  des  Johannes  Bischofs  von  Antiochien 
an  Kyrillos,  und  dieses  an  jenen  3). 

15.  Homilie  des  Epiphanios  Bischofs  von  Kypros 
wegen  des  Glaubens  *}. 

16.  Desselben  über  die  Trinität. 

17.  Des  Proklos  Bischofs  von  Kyzikon,  zu  Weih- 
nachten in  Konstantinopel  gehalten  5). 

18.  Des  Severianus  Bischofs  von  Gabala  über  den 
Glauben  an  die  Trinität  •}. 

19.  Des  Gregorios  Bischofs  von  Cäsarea'). 

20.  Zwei  Homilien  des  Kyrillos  und  die  eines  Unge- 
nannten über  Melchisedek. 

21.  Ueber  die  318  Väter  von  Nicäa;  darauf  ausdrück- 
licher Schluss  der  Handschrift,  woraus  erhellt  dass  die 
Sammlung  des  Uebersetzers  erschöpft  seyn  mochte. 

Eine  Dollmetschung  altäthiopischer  Wörter,  welche  zur 
Zeit   der  Entstehung  dieser  Handschrift  schon  unbekannt 


1)  lieber  diesen  Johannes  vgl.  die  Werke  des  Kyrillos  a.  a.  O. 
Vol.  IL  p.  89  ff.  und  den  Anhang  zum  XlVten  Bande  von  Gal- 
landi  Bibl.  Patrum  S.  151  ff. 

2)  Ist  kurz;  scheint  aber  noch  unbekannt  zu  seyn. 

3)  Siehe  oben  vorher  zu  8). 

4)  In  der  Ausgabe  der  Werke  des  Epiphanios  von  Petav.  Vol.  II. 
p.  851  ff.  finden  sich  zwar  einige  Homilien  ^  aber  weder  diese 
noch  die  folgende. 

.5)  In  der  Ucberschrift  steht  Pesqolos  irrig ;  ebenso ,  dass  diese 
Homilie  über  die  Menschwerdung  handle;  es  ist  vielmehr  die- 
selbe welche  im  IXten  Bande  von  Galland's  Bibliothek  Seite 
U14  ff.  steht. 

6)  Unbekannt^  da  die  Homilie  dieses  Redners  im  Anhange  zum 
XIVten  Bande    von  Galland's  Bibliothek  S.  1#5  verschieden  ist. 

7)  Unbekannt. 


191 

seyn  massten,  durch  die  Worte  einer  bekannten  Aethiopi- 
schen  Volkssprache  findet  sich  sowohl  an  der  Spitze  als 
nm  Ende  des  Werkes.  Ich  würde  diese  Volkssprache  so- 
Fort  für  das  Amharische  halten,  wen»  nicht  für  den  Laut 
mja  ein  Buchstab  hier  erschiene  dar  sich  sowohl  in  Ludolfs 
als  in  Isenberg's  Werken  über  das  Amharische  nirgends 
findet.  Jedenfalls  ist  die  Handschrift  auch  wegen  dieses 
merkwürdigen  Stückes  von  Werth^  und  würde  mit  der 
Für  die  Aelhiopischen  Mundarten  eben  so  lehrreichen  lOten 
von  Bruce  zu  vergleichen  seyn. 

8.    Anteakos. 
(Ms.  aeth.  3 ;  130  Blätter  in  4.). 

1.  Anteakos  ist  die  Aethiopische  Aussprache  für  An- 
tiochos :  und  was  lässt  sich  nicht  alles  unter  einem  Buche 
suchen  welches  eine  solche  Aufschrift  an  der  Slirne  trägt  ? 
Als  ich  das  Buch  zu  prüfen  anfing  und  bemerkte  dass  es 
auch  5?Buch  des  h.  Athanasios«  heisse,  ward  meine  Er- 
wartung zwar  sehr  herabgestimmt,  völlig  aber  erst  ge- 
täuscht als  ich  weiter  fand,  dass  dies  Werk  bereits  mit 
dem  13ten  Blatte  aufhöre  und  nichts  sey  als  eine  Art  von 
höherem  Katechismus.  Die  Annahme  dabei  ist  die,  Ante- 
akos ein  vornehmer  Kriegshauptmann  sey  einst  zu  Atha- 
nasios gekommen  um  ihm  allerlei  Zweifel  und  verwickelte 
Fragen  aus  der  Religion  vorzulegen  und  seine  Antworten 
zu  vernehmen;  das  Werkchen  zerfallt  danach  in  AQQulut, 
jede  von  diesen  in  Frage  und  Antwort,  der  erste  9«' dreht 
sich  um  die  Zweifel  über  die  Dreieinigkeit,  der  zweite  um 
die  über  die  Erschaffung  der  Engel,  der  40ste  beantwortet 
die  Frage  ob  Aerzte  Dämonen  austreiben  dürfen  oder  nicht? 

2.  Bis  zum  19ten  Blatte  stehen  kleine  «Aufsätze  über 
die    [bösen]  Gedanken«    von    Vagris  ^).     In  diesem  ohne 


1)  Vor  diesem  Worte  muss  im  Anfange  des  Buches  die  Präposition 
em  durcli  Schuld  des  Abschreibers  ausgefallen  seyn,  wie  man 
auch  aus  der  entsprechenden  Unterschrift  sieht. 


192 

alle  weiteFe  Bestimmung  gelassenen  Namen  vermuthete 
ich  den  des  Mönches  Evagriosj  dessen  körnige  Aus- 
sprüche zwar  allein  dem  Mönchsleben  zur  Empfehlung 
dienen  aber  von  söltener  Tiefe  und  Wahrheit  sind.  Wirk- 
lich fand  ich  sodann^  dass  es  seine  Schrift  tceqI  xwv  o>a(i> 
XoyiOfj.biv  ist:  sie  ist  hier  jedoch  in  einer  andern  Bearbei- 
tung erhalte»  als  die  gedruckte  Griechische  und  Altlatet- 
nische  ist  *),  und  eine  Vergleiehung  dieses  Aethiopischen 
Textes  würde  einem  neuen  Herausgeber  wohl  nicht  ohne 
Nutzen  seyn. 

3.  Bis  zum  49sten  Blatte  folgt  nach  einer  sehr  ge- 
schmückten Vorrede  Cwelche  meines  Erachtens  schon  all- 
ein das  spätere  Alter  des  Verfassers  darthun  würde)  das 
Ma^gaha  haimunot  d.  i.  Handbuch  des  Glmthens^  wie  es 
gleich  roTTt  heisst,  zum  Gebrauche  für  die  Gläubigen  aller 
Arten,  Mönche  und  Laien,  Weiber  und  Männer  bestimmt. 
Voran  die  Sätze  der  drei  grossen  Coneilien;  dann  der 
Glauben  nach  seinen  einzelnen  arnjä^  d.  i,  Capiteln.  — ' 
Hieran  schliesst  sich  4.  das  Werk:  Faus  manfasäti  d.  i. 
Geistliche  Ar%enei,  eine  Sammlung  von  Canones  der  meist 
»amentlich  angeführten  alten  Kirchenväter  zur  Verbesse- 
nmg  der  an  Geistlichen  bemerkten  Fehler.  —  Merkwürdi- 
ger seheint  3".  von  Blatt  76  an  da«  Werkt  Fragen  nnd 
deren  Beantwortung  von  AbQesmu,  dem  Inhalte  nach  eine 
Aufforderung  an  die  Geistlichen  Laien  zur  Besserung  des 
Lebens.  Wer  dieser  Mönch  Qesmu  sey ,  ist  mir  nicht 
deutlich:  man  sieht  indcss  aus  der  Art  wie  von  ihm  ge- 
redet wird  dass  er  als  Heiliger  verehrt  Avurdej  und  so 
muss  der  Name  enttveder  aus  Kosrnns  entstanden  seyn 
welcher  zweimal  im  Aethiopischen  Kalemler  erscheint 
aber  als  Metropolit  und  Patriarch  -),  oder  ist  vielmcl^r  aus 


iy  in  OaManrfi  BiWiothcc«  P»trnin  T.  VIT.  p.  575—7. 
2)  ÜBter  dem  21  and  9»  Novcm^e^  sowie  dem  3  Mlärx,  a.  Ludolfi 
comm.  p.  vWf^.  410. 


193 

Kosmas  verdorben,  da  mehrere  dieses  Namens  Schriftsteller 
waren  ^  und  auch  ein  solcher  im  Aethiopischen  Kalender 
erscheint-).  Jedenfalls  ist  dieses  Stück  neu  und  verdient 
nähere  Untersuchung. 

6.  Nach  einem  neuen  Eingange  wo  der  Abschreiber, 
den  »Sünder  Johannes  Kropfs  zur  Jungfrau  Maria  beten 
lässt  (man  sieht  also^  dass  das  lautere  Evangelium  in  die 
Seele  dieser  Abschreiber  noch  wenig  tief  eingedrungen 
war)^  folgt  von  Bl.  91  an  der  Jersän,  d.  i,  die  kirchliche 
Rede  ^,des  glückseligen  und  heiligen  Johannes  Sohnes  Ze- 
bedäi  über  die  Grösse  und  Hoheit  der  h.  Jungfrau'*.  Wir 
haben  hier  also  ein  neues  Apokryphen^  wo  der  Apostel 
Johannes  gar  zum  Preise  Maria's  Schriftsteller  wird.  Die 
Einkleidung  hat  viel  Apokalyptisches:  auch  ist  bereits  aus- 
ser der  kanonischen  Apokalypse  eine  apokryphische  in  Grie- 
chischer Sprache  gedruckt  3),  doch  hat  diese  mit  der  hier 
Aethiopisch  vorliegenden  nichts  weiter  gemein.  Als  Probe 
des  Werkes  genüge  die  Uebersetzuug  des  Anfangs:  ^,Er 
[Johannes]  den  der  Herr  wegeta  seiner  grossen  Sitteurein- 
heit  liebte,  den  liebt  auch  unsere  Herrin  Maria  viel,  Aveil 
ihr  Sohn  ihn  liebte  [dies  ist  wie  der  Wahlspruch  des 
Buches] ;  und  sie  redete  ihn  an  und  sprach:  höre  Johannes 
ich  will  dir  im  Geheimen  ein  Mysterium  und  Wunder  er- 
zählen,  welches  durch  keinen  A'erstaud  erkannt,  durch 
keinen  Gedanken  erforscht  und  durch  kein  Auo-e  erschauet 
wird,  was  mein  Sohn  m»d  Geliebter,  mein  Herr  und  Er- 
löser Jesus  Christus  jnir  geoffeubart  hat    als  ich  auf  dem 


1)  Der  Aegj'ptische  Kosmas  mit  dem  Zunamen  Indicopleustes  war 
auch  theologischer  Sehriftsteller ;  die  Akrostichen  eines  andern 
Kosmas  aus  Jerusalem  theiit  Galland  in  der  ßibl.  Paciuni  T. 
XIII.  p,  23t  flF.  mit. 

2)  Unter  dem  1.  und  22.  Junius,  jedoch  in  der  Aussprache  Qos^ 
man,  s.  Ludolfi  comm.  p.  417.  419, 

3)  In  Birch's  Auctarium  codicis  apocryphi  Novi  Test  Fabriciani. 
Havn.  1804,  p.  243  ff. 

V.  13 


194 

Golgatha  betete  in  jener  Mittagsstunde  am  Freitage"  u.  s.  w. 
Ich  denke  die  Leser  haben  hieran  genug. 

9.    Ma^hafa  Mistir. 

(Ms.  aeth.  auf  372  Blättern  in  4.») 

D.  i.  Buch  des  Mysteriums.  Als  ich  dies  Buch  bloss 
seiner  Aufschrift  nach  kannte,  fürchtete  ich  es  möchte  das 
Buch  des  Mysteriums  von  Himmel  und  Erde  seyn,  welches 
Ludolf  gelesen  hatte  aber  sehr  ungünstig  beurtheilte  ^).  Die 
nähere  Ansicht  zeigt  aber  bald,  dass  es  ein  davon  gänzHch 
verschiedenes  Buch  sey  und  dass  man  das  Mysterium  wo- 
von es  sich  nennt/  obgleich  mir  in  dem  Werke  selbst  keine 
dies  Wort  erklärende  Stelle  aufgestossen  ist,  etwas  be- 
scheidener, nämhch  im  Sinne  der  in  der  Aethiopischen  Kirche 
orthodoxen  Dogmatik  nehmen  müsse.  Das  Buch  enthält 
eine  sehr  umständliche  Widerlegung  aller  Ketzereien  und 
fängt  daher  in  der  Einleitung  mit  den  biblischen  Beispielen 
von  Unglauben  und  Empörung  gegen  die  grossen  Lehrer 
an.  Sodann  Averden  bis  Bl.  4  die  Ketzereien,  welche 
widerlegt  werden  sollen,  alle  genau  in  Satz  und  Gegensatz 
aufgezählt:  es  sind  zusammen  27  (nicht  26,  wie  man  nach 
der  Randzahl  leicht  irrig  glauben  könnte);  ihre  Reihe  be- 
ginnt mit  Sabellios,  geht  dann  bis  auf  den  römischen  Papst 
Leo  und  das  Chalkedonische  Concil  herab,  welches  von 
der  Aethiopischen  Kirche  als  einer  monophysitischen  ver- 
worfen wird,  und  schliesst  mit  flen  die  Unsterblichkeit 
läugnendenSaddukäern,' einige  Ketzereien  werden  auch  ohne 
Namen  ihrer  Vertreter  angeführt.  Hierauf  die  ausführlichen 
Widerlegungen,  welche  man  nach  den  Randbemerkungen 
dieser  Handschrift  auch  wohl  an  Kirchenfesten  vorzulesen 
pflegte.  Unstreitig  reicht  dieses  Werk  die  besten  Hülfs- 
mittel  dar  um  die  wahre  Lehre  jener  orthodoxen,  d.  i.  aber  mo- 


1)  Ao  das  Missionshaus  in  Basel  geschenkt. 

2)  Commeiit.  p.  847  f. 


195 

nophysitischen  Kirche  zu  erkennen.  Auch  in  Hinsicht  der 
Darstellung  und  Rede  ist  es  sehr  ausgezeichnet  und  gehört 
wohl  zu  dem  Besten  was  die  Aethiopische  Literatur  im 
kirchlichen  Fache  aus  ihrer  eignen  Kraft  hervorgebracht 
hat.  Als  Verfasser  bezeichnet  sich  am  Ende  jeder  Wider- 
legung ein  gewisser  Georgios,  zwar  in  religiöser  Beziehung 
immer  viel  von  sich  redend  wie  es  gerade  der  Inhalt  eines 
Abschnittes  mit  sich  bringt,  aber  seine  äussern  Verhältnisse 
nirgends  weiter  er>vähnend.  Indessen  findet  sich  am  Ende 
der  27  Widerlegungen  Bl.  328  eine  lange  Unlerschrift, 
welche  meines  Erachtens  vom  Verfasser  selbst  abstammt 
und  nicht  bloss  sein  Zeitalter  bestimmt  sondern  auch  sonst 
wegen  ihres  Inhalts  merk>vürdig  ist,  und  über  die  in  Aethio- 
pien  gebräuchhchen  Zeitrechnungen  ein  neues  Licht  ver- 
breiten kann.  Sie  lautet  wörtlich  übersetzt  so:  „Vollendet 
wurde  dies  Buch  im  Jahre  des  Erbarmens  ^)  6932  nach  Rö- 
mischer Rechnung,  6924  nach  der  Rechnung  von  Africa, 
welches  noch  vor  Rom  die  Predigt  Petri  und  Pauli  hörte, 
6917  nach  der  Rechnung  der  Aegypter,  welche  vom  sie- 
benten Jahre  des  Nero  an  Christen  wurden  da  der  Evan- 
gelist Markos  ihnen  predigte  und  den  Bischof  Anianos  ein- 
setzte, 6992  nach  der  Rechnung  Aethiopiens,  welches  das 
h.  Haus  Gottes  ist  so  an  Christus  glaubte  ohne  die  Apostel . 
im  3ten  Monate  nach  Hebräischer  und  im  lOten  nach  Ae- 
gyptischer  Rechnung  2);  im  zehnten  Jahre  der  Herrschaft 


1)  Dass  damit  die  Jahre  der  Welt  gemeint  seien,,  ist  schön  oben 
bei  Nr.  6  gesagt:  wir  sehen  aber  nun,  was  Scaliger  und  Lu- 
dolf  nicht  wussten,  dass  die  gewöhnlich  so  genannte  Aethiopi- 
sche von  den  .3  andern  abweicht,  welche  offenbar  dieselben 
seyn  sollen  die  Scaliger  Aera  Constantinopolitana  Paschalis, 
Aera  Orientalis  und  Aera  Constantinop.  Lunaris  nennt.  Was 
die  Cnterschrifl  übrigens  bei  den  Ländern  bemerkt,  könnte  für 
die  blosse  Zeitbestimmung  besser  fehlen. 

2)  Die  Hebräische  nämlich  vom  Nisan ,  d.  i.  vom  Frühling  an  ge- 
rechnet. 


196 

Isaaq's')j  ara  27teu  Tage  des  Monats  Pejon"j,  das  ist  am 
20ten  des  Senae  am  Abend,  am  21ten  des  Monats  Che- 
zlrän  9  Tage  vor  dem  Anfange  des  Tamuz ,  am  ....  des 
Römischen  Monats  Julius,  am  Hebräischen  Neumonde;  in 
der  18ten  Epakte^  im  6ten  Pinthion-^)^  in  der  3ten  Indictio, 
der  6ten  Epagomene;  am  2ten  Festtage  des  Evang.  Jo- 
hannes; in  der  Stadt  Sagelä^  am  Mittwoch  um  9  Uhr.« 
Da  es  weiter  keinen  Aethiopischen  König  des  Namens 
Isaaq  gibt  als  den,  welcher  von  den  bis  jetzt  bekannten 
Quellen  freilich  ohne  ganz  genaue  Begränzung  etwa  in  den 
Anfang  des  loten  Jahrh.  n.  Ch.  gesetzt  wird*),  womit  denn 
auch  die  obigen  Jahreszahlen  v/enigstens  im  Grossen  völlig 
übereinstimmen:  so  sieht  man  daraus,  wie  viele  Zeitbe- 
rechnungen  damals  in  Aethiopien  genau  bekannt  waren 
und  wie  mancherlei  Kenntnisse  dort  in  bessern  Zeiten  zu- 
sammengeflossen seyn  müssen. 

Von  Bl.  329  an  folgt  eine  Sammlung  von  Stellen  aus 
alten  Kirchenvätern,  die  der  Verfasser  wie  er  Bl.  371  sagt 
selbst  ausgewählt  und  seinem  Buche  als  Beweismittel  an- 
gehängt hat:  ein  Schreiben  des  Patriarchen  Timotheos  von 
Alexandrien  an  die  Rechtgläubigen  ^),  Aussprüche  des  Gre' 
gorios  Thaumaturyos  und  vieler  anderen.  Diese  Mitthei- 
lungen sind  meist  kurz,  und  ich  habe  noch  nicht  Zeit  ge- 
habt zu  untersuchen  wie  viele  davon  schon  in  der  Grie- 
chischen Urschrift  gedruckt  seyen. 


1)  Welcher  also  damals  König  von  Aethiopien  gewesen  seyn  niuss. 

8)  Gemeint  ist  der  Koptische  Monat  payne,  welcher  allerdings  un- 
gefähr dem  Aethiop.  senne,  dem  Syrischen  chezirün,  aber  dem 
lateinischen  Junius  entspricht,  sodass  der  folgende  Name  Julius 
ein  Schreibfehler  seyn  muss ;  auch  Ist  gewiss  nur  durch  einen 
solchen  der  Tag  des  Römischen  Monats  ausgelassen. 

3")  Steht  für  plinthio/i,  s.  Scaligcr  de  cmendat.  tompp.  p.  091. 

4)  Nach  Ludolf  bist.  11^  6,  4  der  vierte  vor  Zera-jaqob. 

5)  Welches  Schreiben  wenigstens    in   Galland'«  Biblioth-   Pfttfum 
'       T.  VII.  p.  .34.5—50  fehlt. 


197 

10.  Rctua    haimanol. 
(Ms.  aeth.  8;  186  Blätter  lu  4.). 

Dieser  Band  enthält  Iloiuilieu  auf  alle  Feste  im  Jalire^ 
nach  den  Monaten  des  Aethiopischeu  Jahres  (dessen  Anord^ 
nung  von  imserra  weit  abweicht^  geordnet;  von  Blatt  61 
bis  86  findet  sich  auch  eine  seräta  sagJai  d.  i.  eine  Li- 
turgie welche  an  einem  Feste  anzuwenden  scy.  Alle  Uo- 
milieu  werden  einem  Reiudhaimdnöl  zugeschrieben;  man 
könnte  dies  für  den  wahren  Namen  eines  Verfassers  hal- 
ten, der  schlechthin  der  Orthodoxe  (denn  dies  bedeuten 
die  Worte)  genannt  wäre:  allein  weder  findet  sich  von 
dem  sonst  eine  sichere  Spur*),  noch  wird  er  in  diesem 
Bande  als  geschichtliche  Person  näher  bezeichnet;  allen 
Zweifel  löst  aber  Bl.  86,  wo  einmal  hinzugesetzt  ist  ra 
itasamja  semUj,  was  unserra  Anonymus  entsprechen  würde. 
Die  Homilien  sind  also  einem  ungenaimtcn  Rechtgläubigen 
nur  in  den  Mund  gelegt;  und  das  späte  Alter  des  Werkes 
kann  man  auch  aus  seiner  Vorliebe  für  lange  geschmückte 
Einleitungen  schliessen. 

11.  Seräta   kehenat. 

(yts.  aeth.  8;  98  Blätter  in  4.). 

D.  i.  Gesetze  des  Priesterthums,  ein  Werkchen  wel- 
ches bloss  bis  zum  9ten  Blatte  geht;  es  folgt  dann  bis 
zum  20sten  ein  verwandtes  unter  der  Aufschrift:  Gesetze 
der  Kirche")  und  der  Würden  welche  die  h.  Väter  fest~ 
gesetzt  haben  ^   und   noch  ein  ähnliches  bis  zum   25slen: 


1)  Zwar  Ludolf  bist.  aeth.  III,  4,  33  and  lex.  p.  131  hält  ihn  für 
einen  gescbicbtiicheu Eigennamen,  aber  ohne  nahem  Nachweis; 
dagegen  wird  ähnlich  in  dera  Ma^hafa  Mistir  (Kr.  9)  Bl.  92 
der  Dersän  eines  nicht  ,,weiter  bestimmten  Retua-hainiänot  aus 
dem  Lande  Aethiopien''  angeführt. 

2)  Dies  scheint  also  das  Werk  zu  seyo^  welches  Ludolf  bist.  aeth. 
III^  4,  46  anfulirt  aber  seUisi  nicAk  erhalten  konnte. 


198 

Untersuchungen  und  Fragen  der  Väter.  Von  Bl.  25 — 66 
liest  man  dieselben  zwei  Werke  welche  in  der  schon  be- 
schriebenen Handschrift  Nr.  8.  Bl.  49—  90  stehen,  jedoch 
mit  stärkern  Abweichungen  3  sowie  von  Bl.  79  an  die  Li- 
turgie sich  wiederholt  welche  in  der  zuletzt  beschriebenen 
bezeichnet  ist.  Dazwischen  steht  von  Bl.  66  an  die  Rede 
des  Bischofs  von  BehnesäO  Pctros  am  Feste  der  Apostel 
Petrus  und  Paulus  den  5ten  Julius. 

12.    Das  Maßhafa   Qeder. 
{Ms.  aeth.  9;  90  Blätter  ia  4.). 

Enthält  Vorschriften  wie  der  welcher  seinen  Glauben 
verläugnete  oder  mit  Ungläubigen  umging  sich  wieder  zu 
reinigen  habe.  Das  Werk  scheint  mir  vielen  Spuren 
zufolge  zu  den  altern  zu  gehören  und  nähere  Untersuchung 
zu  verdienen  als  ich  für  jetzt  darauf  verwenden  kann; 
sein  Verfasser  ist  weder  vorn  noch  am  Ende  genannt^  ob- 
gleich die  Unterschrift  einer  altern  Handschrift  wirklich 
wiederholt  wird;  und  schon  der  Name  Qeder  ist  weder 
Aethiopisch  noch  sonst  leicht  erklärbar. 

III.    ReelitsbAclier. 

13.    Fetcha  nagast. 
(Ms.  aeth.  5;  418  Biätter  ia  4.). 

D.  i.  das  Recht  der  Könige,  ein  Werk  welches  in 
zwei  Hälften  sowokl  die  kirchlichen  als  die  bürgerlichen 
Rechte  umfasst  und  welches  man  das  Aethiopische  Corpus 
Juris  nennen  könnte.  Dies  werthvolle  Werk,  welches  uns 
auch  für  die  dunkle  Geschichte  der  Aethiopen  viele  Auf- 
schlüsse geben  kann^  war  Ludolfen  noch  ganz  unbekannt^ 
gewiss  bloss  deswegen  weil  es  in  Aethiopien  selbst  zu  den 


1)  In  Oberägypten,  s.  Edrisii    Africa  p.  511.  und  Hamaker^»  Au- 
mcrkuDgcn  zu  der  Expugnatio  Memphidis  et  Alexandriae. 


199 

seltenern  Büchern  gehört.  Ich  enthalte  mich  für  jetzt  in 
eine  nähere  Beschreibung  einzugehen^  da  zu  wünschen  ist 
dass  das  Werk,  welches  auch  in  Frankfurt  sich  finden 
soll,  sehr  bald  unter  uns  ein  Gegenstand  besonderer  Un- 
tersuchungen und  Abhandlungen  werden  möge. 

VI.    Philosophie.    Gesehlehte. 

14.    Maßhafa  Faläsfä. 
(Ms.  aeth.  «j;  S4  Blätter  in  4.). 

ü.  h.   Philosophen-Buch,   ein    Werk   welches    Ludolf 
bloss  dem  Xamen  nach  kannte.  Man  könnte  es  ein  philoso- 
phisches  Spruchbuch  nennen:  es  enthält  Aussprüche  Grie- 
chischer Philosophen  sittlichen  Inhalts,  kürzer  oder  länger, 
mit   oder   ohne  geschichtliche  Einleitungen;  Sokratas  Pia- 
ton Aristoteles,   Pythagoras  Siraouides  Diogenes,  Alexan- 
der Demokritos  und  Galenos  sind  oft  ausdrücklich  genannt, 
noch  häuüger  werden  die  Weisheitssprüche  auf  unbestimmte 
Weise  zurückgeführt.     Indessen   sind  nicht  nur   auch  von 
David  und  Salomo,  sowie    von  so  wenig  bekannten  Wei- 
sen  wie    Hoqar    und  Barzamar  (oder    Barzamahar    S.  72 
vgl.  S.  77)  Sprüche  eingefügt^  sondern  das  Ganze  hat  auch 
sichtbar    ein    christliches   Gepräge    erhallen    und    an    der 
Spitze  steht  zur  Empfehlung  der  Weisheit  ein  weitschwei- 
figer christlich  gefärbter  Vortrag.     Wenn  wir  also  die  Bei- 
träge  der  Griechischen  Philosophen  hier   erst  durch  viele 
Zwischenhände   gegangen   sehen,    so  zweifle  ich  nach  der 
näheren  Ansicht  mehrerer  derselben  doch  nicht  dass  sie  zu- 
letzt aus  alten  zuverlässigen  Quellen   geflossen  sind  ,   und 
wer  sich  die  Mühe   erschöpfender   Vergleichung    nehmen 
wollte,  ßnde  hier  vielleicht  noch  manchen  schönen  Spruch 
welcher  in  den  sonst  bekannten  Quellen  vergeblich  gesucht 
wird.     Jedenfalls   gehört  diese  Handschrift   zu  den  älter» 
und  merkwürdigem  Zweigen  Aethiopischer  Literatur. 


200 

Id.    Zieuä  Aihud. 

(Ms.  aeth.  auf  25t  grossea  Blättern.)  ■)> 
D.  i.  Geschichte  der  Juden.  Ein  Werk  mit  dieser  ganz 
allgemeinen  Aufschrift  kannte  schon  Ludolf  2)^  ohne  es  selbst 
gesehen  zu  haben:  und  gewiss  war  es  dasselbe  welches 
nun  uns  vorliegt.  Aber  was  erwartet  man  nicht  unter 
solcher  Aufschrift?  und  das  seltenste  oder  auch  das  ge- 
wöhnlichste und  nutzloseste  kann  endlich  an  den  Tag  kom- 
men; denn  die  Aethiopischen  Bücher  sind  darin  ganz  den 
Arabischen  gleich,  dass  die  äussere  Aufschrift  meist  so  gut 
wie  nichts  aussagt  und  der  vollständige  Name  eines  Werkes 
erst  hinter  einer  gezierten  Vorrede  unscheinbar  verborgen 
ist.  In  gegemvärtigem  Falle  ist  nun  wenn  nichts  sehr  wich- 
tiges doch  wenigstens  seltenes  ans  Licht  gekommen:  diese 
Geschichte  der  Juden  ist  die  Josefs  Sohnes  Gorion' s, 
welche  auch  nach  den  genauen  Untersuchungen  der  neue- 
sten Zeit  33  erst  um  den  Anfang  des  9ten  Jahrh.  in  einer 
künstlich  wiedererweckten  Hebräischen  Sprache  geschrieben 
wurde  und  über  deren  geschichtlichen  Werth  schon  frühere 
Gelehrte  entschieden  haben.  Aus  welcher  Sprache  und  wann 
dieser  Aethiopische  Gorionides  übersetzt  ward,  darüber  be- 
lehrt uns  hier  keine  gefällig  verschonte  Unterschrift:  doch 
da  es  auch  Arabische  Uebersetzungen  des  Werkes  giebt^) 
und  wir  schon  oben  das  Arabische  als  Mittelglied  in  sol- 
chen Fällen  vorfanden,  so  werden  wir  immerhin  mit  Recht 
annehmen  können  dass  das  Hebräische  erst  ins  Arabische 
dann  dieses  ins  Aethiopische  übersetzt  ward.  So  reihet  sich 


1)  Eigenthum  meines  werthen  Herrn  CoIIegen  Dr.  Scrmh)   in  Tü- 
bingen. 

2)  Hist.  aetb.  III,  4,  46.;  vgl.  jedoch  coinment.  p.  852. 

3)  In  Zunz's  Geschichte  der  gottesdienstlichen  Vorträge  der  Juden. 
S,  1J6— A4. 

4)  Wie  eine  Oxforder  Handschrift   zeigt,    vgl.    den   Catalog  der 
Handschriften  der  Bodleiana  von  Url.  I.  S.  170. 


201 

deuu  auch  der  Gorionides  den  weitverbreiteten  Volksbüchern 
des  Mittelalters  an. 

Das  aber  hätte  wohl  niemand  erwartet  und  gewiss  am 
wAiigsten  Herr  Krapf  selbst,  dass  die  Geschichte  der  Juden 
schon  mit  dem  89sten  Blatte  auf  eine  freilich  ein  wenig 
versteckte  Weise  zu  Ende  gehen  und  der  ganze  Rest  der 
starken  Handschrift  durchaus  nichts  als  eine  Uebersetzuug 
der  Arabischen  Chronik  des  Aegj-ptischen  Christen  Elmakin 
enthalten  sollte.  Und  doch  ist  es  so:  Diese  Chronik  er- 
scheint jedoch  hier  nur  bis  auf  die  Zeiten  Kaisers  Hera- 
klios  und  den  Anfang  des  Islams  herabgeführt,  ist  folglich 
nur  die  noch  jetzt  in  der  Urschrift  nicht  gedruckte  erste 
Hälfte  des  Werkes  oder  die  alte  Geschichte,  welche  aber 
in  den  Händen  der  Christen  am  meisten  gebraucht,  auch 
wohl  oft  wie  hier  für  das  ganze  Werk  ausgegeben  seyn 
muss^).  Wir  sahen  schon  oben  bei  Nr.  6  und  7.,  dass  dieses 
Tärikh  in  Aethiopien  sehr  beliebt  war :  und  wenn  Elmakin^ 
weil  er  als  christlicher  Gcschichtschreiber  eine  Ausnahme 
anter  so  vielen  muhammedanischen  Chronisten  macht,  unter 
den  Christen  in  Europa  am  frühesten  übersetzt  und  theil- 
weise  gedruckt  wurde,  so  erfahren  wir  nun  dass  ihm  unter 
den  Christen  südlich  vonAegj-pten  eine  sehr  ähnliche  Ehre 
zu  Theil  ward.  Nach  der  Unterschrift  ward  die  Handschrift 
von  Elmakin's  Werke,  aus  welchen  die  gegenwärtige  ge- 
nommen ist,  im  Jahre  1010  der  Diokletianischen  uud  765 
der  Arabischen  Aera  vollendet,  ist  also  eine  verhältniss- 
mässig  sehr  alte. 

So  viel  für  jetzt  über  die  liiesigen  Aethiopischeu  Hand- 
sclurifteu:  ich  hoffe  später  in  dieser  Zeitschrift  auf  das 
wichtigste  ihres  Inhaltes  noch  mehrmals  zurückzukommen. 

H.  Ewald. 


1)  s.  NicolTs  VerzeicHniss  der  Arabischen  Handschriften  der  Bod- 
leiana  S.  48.  501 — i. —  Wir  kennen  also  auch  nun  das  TartÄA, 
woranf  sich  der  König  Claudius  in  seinem  Briefe  beruft,  Lndolfl 
coinuient.  p.  341. 


202 


Till. 

lieber  den  TUel 
deis  masudisclien  ^IV^erkes 


So  oft  bisher  Masüdi's  <.«A^tX.)t  ^^r*  genannt^  ange- 
führt, benutzt  sind,  so  oft  hat  man  diese  Worte  durch 
prata  aurea^  prairies  d'or^  meadotvs  of  gold,  goldene  Wiesen, 
Goldfluren  u.  s.  w.  gegeben,  und  wenn  einer  etwa  an  ei- 
nem so  sonderbaren  Titel  Anstoss  genommen  haben  sollte, 
hatte  er  doch  nicht  die  Mittel  zur  Berichtigung  dieser 
Uebersetzung  in  Händen.  In  der  That  liegt  die  Frage  nahe, 
was  man  sich  eigentlich  unter  dem  Ausdrucke  denken 
könne.  Fluren,  auf  denen  Gold  wächst?  Wiesen,  die  wie 
Gold  glänzen  ?  Das  würden  keine  besonderen  Wiesen  sein. 
Oder  Wiesen,  die  Goldes  werth  sind,  deren  Ertrag  Gold 
einbringt?  Aber  wesshalb  sind  dann  gerade  Wiesen  ge- 
nannt, deren  Produkt  vielleicht  den  geringsten  Werth  hat  ? 
Der  Widerspruch  in  beiden  Worten  ist  nicht  zu  leugnen; 
eine  Wiese  lobt  man  mit  ihrem  üppigen  Wüchse,  ihrer 
Blüthe,  ihrem  frischen  Grün,  wie  ganz  richtig  ein  bekanntes 
Werk  Suyülhi's  ycaiJt  _ -tl  die  blühende  Wiese  heisst,  aber 
mit  dem  Golde  hat  sie  nichts  zu  thun.  Und  wollten  wir 
sogar  dem  Masiidi^  der  uns  doch  keine  Veranlassung  dazu 
gegeben,  eine  noch  so  kühne  Verbindung,  ein  noch  so  fal- 
sches Bild  aufbürden,  wie  wir  es  etwa  bei  unscrn  heuligea 
Dutzendpoctcn,  weil  wir  es  nicht  ändern  können,  dulden: 


203 

wie  passt  dazu  das  einfache,  ganz  prosaische  parallele 
Glied  J>^  O'^'^"-^  "^  Edelsteingntheriy  wobei  sogar  nicht 
einmal  der  Zwang  des  Heimes  einen  incorrecteu  Ausdruck 
entschuldigt  ? 

Eine  Stelle  des  Buches  selbst  wird  erklären,  was  Mas- 
üdi  mit  dem  Worte  gemeint  hat.  Sie  steht  I.  S.  234. 
der  Sprengerischen  Uebersetznng.  Hr.  Sprenger  ("Elmultan 
raeans  meadow  of  goldu}  hat  die  Lesart  der  einen  Leidener 
Handschrift  befolgt :  ^-A^»Ail  __*  qI-JJ^^  (1. ^aamäj»)  »-^^»fcäjj 
und  zweifelt  S.  385.  selbst  an  der  Richtigkeit  dieser  Er- 
klärung. In  der  That  sieht  man  nicht,  wie  das  Wort  Multan 
dies  heissen  könne,  und  ohnehin  haben  die  Araber  eine 
ganz  andere  Bedeutung')  desselben  überliefert,  die,  wie 
anderswo  gezeigt,  ohne  Zweifel  die  richtige  ist.  Daher 
hat  Masüdi  gewiss  geschrieben,  wie  in  dem  andern  Lei- 
dener Manuscript  steht:  «-aP«ÄJI  -ji  qLä^  jr^i«  ^un 
steht  zwar  das  Wort  in  keinem  Lexicon,  auch  in  ge- 
druckten Werken  wird  es  schwerlich  vorkommen,  und  ver- 
schiedene handschriftliche  habe  ich,  wo  der  Inhalt  es  er- 
warten Hess,  vergebeng  durchgesucht:  aber  ich  denke  jeder^ 
der  die  Worte  liesst^  wird  sie  auf  den  ersten  Blick  ver- 
stehen von  einer  Goldwäsche,  die  im  Flusse  von  Multan  sey. 

SachHch  hat  diese  Erklärung  keine  Schwierigkeit. 
Zwar  ist  gegenwärtig  von  Goldwäschen  in  der  Gegend  von 
Multan  nichts  bekannt  geworden,  aber  wen  wird  es  wun- 
dern, wenn  unter  den  Stürmen,  die  über  das  Pendschab 
fuhren,  neben  so  manchen  andern  auch  dieser  Industriezweig 
verlassen  \vurde.  Dass  der  Indus  und  seine  Nebenflüsse 
aus  den  nördlichen  Gebirgen  Gold  herabführen,  steht  durch 
die  folgenden  Zeugnisse  fest.  Ayeeu  Akbaree  II,  133.: 
»In  some  parts  (of  the  Soobah  of  Labore}   by  siftmg  and 


1)  Auch  S.  385.  ist  Sprengers  Uebersetzung:  golden  hoiise^  which 
is  the  meaning  of  Elmultan     ungenau.     Der  Text  sagt  bloss: 


m4 

washing  the  sands  of  Ihe  rivers  they  obtaiii  gold.«  Burucs 
Reise  nach  Bokhara.  Weim.Uebsg.  1,86:  5?Wir  fanden  die 
Fischer  auf  dem  Indus  und  dem  Cabool  mit  dem  Waschen 
des  Flusssandes,  um  Gold  zu  gewinnen,  beschäftigt.  Dies 
wird  mit  grossem  Vortheil  betrieben.  Einige  der  kleineren 
Flüsse^  wie  der  Sivan  und  der  Hurroo  liefern  mehr  Gold 
als  der  Indus^  und  da  ihre  Quellen  nicht  entlegen  sind,  so 
könnte  man  hieraus  die  Ueberzeugung  gewinnen,  dass  die 
Erze  atif,  der  Südseife  des  Hiniulaya  liegen.«  II,  247. :  jjDie 
edlen  Metalle  sind  (im  Pertdschab)  spärlicher  vorhanden, 
indessen  wird  im  Saude  des  Acesines^  da  wo  dieser  Fluss 
aus  dem  Gebirge  hervorkommt^  Gold  gefunden.«  (Nur  aus 
diesen  drei  Stellen  ist  offenbar  genommen,  was  Ritter  Asien 
V.  25.  116.  hat.)  Hassel  Erdbeschr.  XIV.  p.47.  giebt,  ich 
weiss  nicht  auf  welche  Autorität  hin,  an,  dass  der  Behuf 
Goldsand  führe.  Mag  nun  Masüdi,  welches  wahrschein- 
licher ist,  vom  Chenab  in  der  unmittelbaren  Nähe  Multans, 
oder  von  seinem  obern  Laufe  sprechen,  so  ist  sowohl  von  ihm 
selbst,  als  auch  von  seinen  Zuflüssen  das  Vorkommen  von 
Goldsand  bezeugt.  Vielleicht  hat  sogar  an  der  Benennung 
Goldhaus,  die  die  Muslimen  der  Stadt  gaben,  dieser  Um- 
stand eben  so  viel  Antheil,  als  die  Tempelschälzo  der 
Durga  Mülasthäni. 

Und  in  diesem  Sinne  hat  gewiss  Masudi  sein  Werk 
benannt:  Goldwäschen ß  denn  nicht  bloss  passt  dies  nun 
schlagend  zu  dem  zweiten  Titel :  Edelsteiiig ruhen ,  sondern 
auch  zu  dem  Inhalt  und  Zweck  des  Buches,  in  welchem 
er,  diesmal  Weniger  um  systematische  und  erschöpfende 
Darstellung  bekümmert,  als  gesonnen  eine  unterhaltende 
historische  Blumenlcso  zu  liefern,  aus  dem  ungleichen  De- 
tail seiner  riesenhaften  früheren  Compilationen,  die  werth- 
Völlen  Goldkörner  wusch,  aus  ihren  unscheinbaren  Stein- 
massoQ  die  glänzenden  Edelsteine  brach. 

J.  Gildemeister. 


«05 


WJL. 

Heber  eine  in  Affen  neu  entileekte  Him- 
jarisciie  Inselirift« 


Vor  kurzem  ist  in  Aden  von  Arbeitsleutcn  beim  Aus- 
höhlen einer  neuen  Strasse  ein  20  Fuss  unter  der  gegen- 
wärtigen Boden-Oberfläche  verborgen  liegender  Stein  ent- 
dedkt^  welcher  34  Zeichen  Himjarischer  Schrift  in  einer 
Reihe  fortlaufend  enthält  0«  Die  Inschrift  steht  an  einer 
kreisartigen  Platte  von  reinem  und  sehr  festem  Marmor 
über  welcher  sich  Reste  eines  Aufsatzes  zeigen ,  und  ge- 
hörte wahrscheinlich  zu  einem  Altare.  Captain  Haines  in 
Aden  schreibt,  sie  sei  zwar  nicht  so  gut  ausgeführt  als 
manche  andere  die  er  gesehen  habe,  aber  sie  sei  vollkom- 
men deutlich  sowie  ohne  Riss  und  Verletzung;  nur  sei 
unglücklicher  Weise  beim  Sprengen  des  Steines  ein  Stück 
von  ihm  abgebrochen. 

Dem  Unterzeichneten  wurde  ein  getreues  Abbild  die- 
ser Inschrift  aus  Indien  von  dem  bereits  aus  unserer  Zeit- 
schrift rühmliehst  bekannten  Herrn  Dr.  Westergaard  mit- 
getheilt,  welcher  in  Bombay,  wohin  sie  von  Captain  Ilaines 
mit  einigen  Bemerkungen  über  ihren  Fund  geschickt  war, 
mit  eigner  Hand  sie  abzuzeichnen  Gelegenheit  hatte.  Ob- 
wohl nun  zu  vermuthen  steht  sie  werde  über  kurz  oder 
lang  auch  in  Indien  oder  England  bekannt  gemacht  wer- 
den: so  halte  ich  doch  für  nützUch  sie  sogleich  durch  un-« 
sere  Zeitschrift  herauszugeben ,  da  sie  obwohl  kurz  sehr 
klare  und  sichere  Züge  eioer  Schrift  darstellt  von  welcher 


1)  In  dem  hier  beigegebenen  Steindrucke  ist  sie  bloss  des  Raumes 
wegen  in  %wei  Zeilen  vertheilt. 


206 

bis  jetzt  nur  wenige  Denkmale  und  unter  diesen  wiederum 
nur  zwei  zwar  ebenso  zuverlässige  aber  auch  ebenso  kurze 
veröffentlicht  sind,  und  da  die  Entzifferung  dieser  Denkmale 
gerade  in  Deutschland  neulich  ihren  Anfang  genommen  hat. 

Wie  weit  diese  Entzifferung  bis  jetzt  vorgerückt  sei, 
sieht  man  am  deutlichsten  aus  dem  Anhange,  welchen  Rö- 
DiGER  seiner  Uebersetzung  von  Wellsted's  Reisen  in  Ara- 
bien (Halle  1842,  in  2  Bänden)  so  eben  beigegeben  hat, 
nachdem  er  selbst  jahrelange  Mühe  darauf  verwandt.  Man 
ist  an  Rödiger  gewohnt  dass  er  gewissenhaft  ^»d— ohne 
Selbstsucht  zu  Werke  geht^  eine  Tugend  welche  im  ge- 
lehrten Gebiete  wohl  nirgends  so  sehr  den  ersten  Rgng 
einnimmt  als  in  den  schwierigem  Theilen  orientalischer 
Studien.  So  ist  es  ihm  gelungen  am  Ende  der  ersten  In- 
schrift von  Ssanä  und  der  laugen  von  Hi^n-ghoräb  eine 
Jahresbestimmung  zu  finden,  zwar  nicht  (wie  ich  glaube) 
im  einzelnen  genau,  aber  doch  so  dass  die  Zahlen  einer 
unbekannten  Aera  feststehen.  Ferner  sind  einige  Eigen- 
namen klar  geworden,  auch  sonst  taucht  hie  und  da  ein 
Wort  aus  dem  weiten  Meere  uralter  Verzauberungen  mit 
neuem  Leben  hervor:  aber  die  Versuche  einen  zusammen- 
hangenden Sinn  irgendwo  zu  entdecken^  sind  meines  Er- 
achtens  noch  nicht  so  sicher,  dass  solche  die  darauf  keine 
eigne  Wortuntersuchungen  anstellen  wollen  darauf  weiter- 
bauen könnten.  Am  glücklichsten  ist  noch  die  kleine  In- 
schrift von  5  Worten  neben  der  grossen  zu  Hi^n-ghoräb 
erkannt^  jedoch  auch  in  ihr  ist  (abgesehen  von  der  Form 
des  ersten  Wortes)  das  zweite  sehr  gezwungen  gedeutet. 

Aber  sieht  man  auf  die  geringen  und  zum  Theil  sehr 
unzuverlässigen  Hülfsmittel,  welche  zu  Gebote  standen,  so 
wird  man  dennoch  jenen  sparsamen  sichern  Ergebnissen 
ein  gerechtes  Lob  zollen  müssen.  In  der  That  waren  es 
weniger  die  Züge  der  Buchstaben  welche  so  viele  Schwie- 
rigkeit machen  konnten :  obgleich  auch  darin  einiges  schwerer 
zu  entdecken  war  und  noch  jetzt  nicht  sicher  erkannt  ist. 


»07 

Was  aber  bis  jetzt  so  gut  wie  unentdeckt  dasteht  und 
doch  erst  dem  Verständnisse  eines  etwas  grössern  Satzes 
seine  rechte  Sicherheit  geben  kann^  ist  die  Einsicht  in  die 
alte  Himjarische  Sprache  selbst,  von  der  man  zwar  bereits 
80  viel  sieht  dass  sie  eine  Semitische  war,  deren  Eigen- 
thümlichkeiten  aber  im  Vergleich  zu  ihren  N^ielen  Schwestern 
richtig  zu  erkennen  noch  nirgends  ein  rechter  Versuch  ge- 
macht ist.  Es  ist  besonders  diese  für  mich  noch  nicht 
gehobene  sprachliche  Uugewissheit  über  einige  Haupt- 
sachen, welche  mich  abhält  meine  eigenen  ziemlich  stark 
abweichenden  Erklärungsversuche  der  bisher  bekannt  ge- 
wordenen Inschriften  zu  veröffentlichen. 

Die  jetzt  erscheinende  Inschrift  von  Aden,  einem  Orte 
von  wo  bis  jetzt  keine  bekannt  war,  besitzt  nun  sowohl  in 
schriftlicher  als  in  sprachlicher  Hinsicht  besondere  Vorzüge. 
Elk  schriftlicher  übertrifft  sie  noch  die  beiden  von  Ssan'a, 
ncelche  bis  jetzt  die  deutlichsten  und  sichersten  waren.  Auch 
sind  alle  Züge  ihrer  Bedeutung  nach  deutlich :.  nur  über  den 
"genauem  Laut  des  29ten  Zeichens  lässt  sich  alreiten.  Die 
Schriftart  selbst  ist  wieder  eine  etwas  andere  als  die  dre* 
welche  wir  bereits  kennen,  und  die  so  weit  von  einander 
abgehen  dass  man  sich  in  jede  wieder  neu  einarbeiten 
muss.  Am  nächsten  schliesst  sie  sich  zwar  an  die  Art  der 
zweiten  von  Ssan  ä,  entfernt  sich  aber  von  dieser  wieder 
stark  durch  den  einfacher  gewordenen  Strich  des  "!  und 
durch  das  schon  ganz  in  den  Aethiopischen  Zug  überge- 
hende Zeichen  für  ^ ;  man  muss  jedoch  bei  letzteren  die 
Aethiopischen  Handschriften,  nicht  die  Druckbücher  vor 
Augen  haben,  in  welchen  das  "i  sehr  wenig  getroffen  ist. 

In  sprachlicher  Hinsicht  gibt  die  Inschrift  zwar  fast 
nur  Eigennamen,  aber  diese  in  einer  solchen  Verbindung 
dass  sie  auch  auf  andere  Theile  dieser  und  der  übrigen 
Inschriften  ein  Licht  werfen.  Lauten  nämlich  die  durch 
einen  Strich  als  Trennungszeichen  wohl  unterschiedenen 
Worte  in  Hebräischen  Buchstabenzügen  so: 


208 

Dpion  \2  pm  aSSn  aaan  p  aissura 

so  erhellt  1)  dass  der  erste  Eigenname  derselbe  ist,  wel- 
cher sich  als  viertes  Wort  in  der  2ten  Inschrift  von  Ssan'a 
jßndet,  unstreitig  ein  willkommner  Fund,  da  wir  nun  an 
diesem  Namen  nicht  mehr  zweifeln  können.  Dass  die  zu- 
sammengesetzten Personennamen  deren  zweites  Glied  Karib 
lautet  echt  südarabisch  sind,  hat  schon  Rödiger  mit  Recht 
bemerkt:  aber  dann  wird  auch  das  6te  Wort  der  langen 
Inschrift  von  Hi^n-Ghoräb  Z.  1^  welches  Rödiger  ganz 
anders  fasst,  a^DTir  zu  lesen  und  als  Eigenname  zu  be- 
trachten sein. 

2)  ergibt  sich  ganz  deutlich  ein  doppeltes  p  in  der 
Bedeutung  Sohn,  ein  Wort  welches  allen  übrigen  Semi- 
tischen Sprachen  ebenso  gemein  als  dem  Aethiopischen 
und  Amharischen  völlig  unbekannt  ist:  an  welchem  Bei- 
spiele man  schon  abnehmen  kann,  dass  das  Himj arische,  da 
es  weder  mit  dem  Aethiopischen  noch  mit  dem  ge\vöhn- 
lichen  ArabiscWn  zusammenfallen  kann,  eine  sehr  eigen- 
thümliche  Sprache  gewesen  sein  muss.  Steht  nun  aber 
dies  Wort  fest,  so  wird  man  danach  auch  das  4te  in  der 
langen  Inschrift  von  Hi§u-Ghoräb  Z.  8,  das  vorletzte  eben- 
daselbst Z.  6,  und  das  3te  in  der  zweizeiligen  von  'da 
verstehen  müssen^  wie  ich  ferner  glauben  möchte  die  erste 
Zeile  der  vierzeiligen  Insclu-ift  von  Ssan'a,  wo  n2  vorkommt, 
sei  so  zu  fassen:  Abdknläl  —  es  erhörte  ^^  ihn  Ahuli  die 
Tochter  des  Gottes  Gän^). 


1)  innvtJl^nachdem  Aethiop.  ^<t?^^<5  oder Aa^/'nadi dem Hebr.j;;^^ 

2)  gän  lese  ich,  nicht  län,  weil  das  Zeichen  für  l  in  dieser  ganzen 
Inschrift  sonst  anderer  Art  ist ;  ydn  aber  kann  mit  langem  Vo- 
cale  wie  das  Aethiop.  gänaen  einen  Gott   bedeuten^   der  erst 

später  zum  Dämon  wurde.  Neben  ^^ff-  hat  auch  der  O^mus  qU>, 

jedoch  wie  er  sich  ausdrückt  im  PliiralsJnnc.    Mit    der  Göttin 
Ahuli   wäre  dann  der  sonst  hinreichend  bekannte   Götzennam«' 


3)  Das  hinter  p  stehende  Wort  wird  man  demnach 
beidemahle  als  den  Namen  des  Vaters  fassen  müssen,  so 
dass  das  erstemal  Sbn  als  ein  Würdeiiame  hinzugesetzt 
wäre,  dessen  Sinn  freilich  noch  ganz  unsicher*  Die  Inschrift 
kann  vorn  vollständig  seyn,  hinten  aber  lautet  sie,  da  ein 
Stück  des  Steines  verloren  gegangen ,  vielleicht  abge- 
brochen. Was  aber  bedeutet  nun  das  m  womit  das  3te  und 
4fe  Wort  schliesst  ?  Dass  die  Endung  den  Plural  bedeute, 
wird  man  an  dieser  Stelle  doch  unmöglich  annehmen  kön- 
nen: ich  muss  aber  überhaupt  ge»e\\  die  bisherigen  An- 
nahmen bezweifeln,  ob  diese  Pluralcndung,  welche  im  weiten 
Umfange  des  Semitischen  nur  innerhalb  der  schmalen  Gren- 
zen des  alten  Kanaan  sich  findet,  im  Himj arischen  wirklich 
vorkomme.  Habe  ich  recht  gesehen,  so  erscheint  diese  En- 
dung überall  nur  im  Sinne  eines  Genitiv-vVerhältnisses,und 
würde  sich  dann  leicht  erklären  lassen :  ist  aber  eine  solche 
Bildung  auf  den  ersten  Anschein  sehr  auffallend,  so  bedenke 
man  welche  nach  den  bekanntern  semitischen  Sprachen  ganz 
unerwartete  Freiheiten  im  Gebrauche  von  solchen  sich 
hinten  anlehnenden  Wörtchen  das  Aethiopische  aufweise. 

Es  ist  dieser  laugsame  aber  sichere  Weg  der  den  Ur- 
kunden genau  nachgehenden  steten  Vergleichung  und  Zu- 
sammenstellung, welcher  uns  in  den  Irrgängen  dieser  sehr 
vereinzelten  Reste  einer  uralten  Bildung  allmählig  zu  Sicher- 
heiten leiten  kann.  Hier  ist  so  gut  wie  alles  erst  von  vorn 
an  zu  entdecken :  aber  eben  deswegen  thut  man  am  besten 
zuvor  das  aufzufassen  und  festzuhalten  was  durch  seinen 
Zusammenhang  oder  seine  häufige  Wiederkehr  unzweifel- 


^^  zu  vergleichen;  und  eine  Göttin  nnSx  wird  ja  sogleich 
wieder  in  der  5Jten  Zeile  erwähnt.  Wie  übrigens  die  ähnlichen 
Zeichen  für  »7  und  ^  doch  hinreichend  verschieden  sind,  so  wird 
es  sich  in  den  Inschriften  von  Ssanä  auch  mit  denen  für  n  and 
1  verhalten,  welche  Rödiger  meines  Erachtens  nicht  überall  so 
unterscheidet  wie  die  Züge  es  fordern  und  wie  der  Sinn  den 
ich  vorlänfig  gefunden  habe  es  empfiehlt. 

V.  14 


210 


iiaftcr  ist.  So  würde  ich  mich  schwer  entschliessen  in  dein 
'pS^^  der  grossen  Inschrift  Z.  5;,  3.   mit  Rödigcr   das  arab. 

U^t  zu  ßnden.  da  rhu  als  Golf  durch  Schreibart  und  Zu- 
sammenhang  der  andern  Stellen  feststeht. 

Möchten  uns  bald  mehr  solcher  Hülfsmittel  aus  einem 
Lande  zufliessen,  dessen  Wichtigkeit  für  uralte  Bildung 
und  dessen  tiefen  Einfluss  auf  spätere  Völker  wir  früher 
wohl  aus  zerstreuten  Kennzeichen  vermuthen  aber  nicht 
sicher  a-enuff  und  nicht  im  einzelnen  beweisen  konnten.  So 
sehen  wir  schon  jetzt,  dass  die  Araber  ihre  Tar/M  (Chro- 
niken) von  diesem  südlichen  Volke  haben  müssen :  im  Him- 
jarischen  hat  dies  Wort  vollen  Sinn,  auch  deutliche  Ab- 
leitung (von  m'  welches  wohl  wie  im  Aethiop.  Mond^  be- 
stimmt aber  Zeitrechnung  bedeutete),  während  es  für  das 
gewöhnliche  Arabische  ein  bloss  gelehrtes  Wort  ist^). 

Im  April  1843.  Ewald. 


1)  Die  Buchstaben  auf  dem  sog.  Steine  Ali's  wovon  ich  In  der 
Zcitsch.  Bd.  IL  S.  107.  redete  und  welche  allerdings  in  neuern 
Zeiten,  wie  ich  Bd.  IL  S.  483.  und  in  der  Beschreibung  der 
hiesigen  orient.  Handschriften  S.  29.  f.  nachträglich  bemerkte, 
von  den  Muhammedanern  zu  reinen  Zauberformeln  benutzt 
sind,  halte  ich  noch  jetzt  für  ursprünglich  himjarische  aber  durch 
Unwissenlieit  so  weit  entstellte  Zflge  dass  ihre  Entzifferung  für 
jetzt  wohl  unmöglich  ist.  WillJemand  daran  zweifeln^  so  sollte 
er  zugleich  angeben,  zu  welcher  alten  Schriftart  sie  denn  sonst 
gehörten,  da  sie  aus  der  Luft  abzuleiten  denn  doch  die  schlech- 
teste Ausflucht  sevn  würde. 

Die  Fortsetzung  des  im  vorigen  Hefte  erschienenen  Aufsatzes 
über  das  Phönikische  und  Punischc,  welche  ich  in  der  Vorrede  zum 
ersten  Bande  der  Geschichte  Israels  S.  XV.  ankündigte,  werde 
iuh  jetzt  bis  auf  das  nächste  Heft  verschieben,  da  in  diesem  wie 
ich  vernehme  ein  gerade  zur  rechten  Zeit  gekommener  Aufsatz 
eines  berühmten  Pariser  Gelehrten  mitgetbeilt  werden  wird, 
und  da  ich  auch  sonst  gar  keine  Ursache  habe  damit  zu  eilen; 
ich  kann  vorläufig  auf  jene  Vorrede  verweisen. 


211 


1.. 


lliinyarisclie  Alpliabefe   und 
Veriraiidtes* 


Der  obigen  Himyarischen  Inschrift  schliessen  sich  auF 
dem  Steindruck  einige  neue  aus  Arabischen  Handschriften 
gezogene  Alphabete  an ,  deren  Mittheilung  um  der  voll- 
ständigen Uebersicht  willen  nicht  ganz  nutzlos  sein  dürfte, 
wenn  sie  uns  auch  jetzt  in  der  Hauptsache  nichts  Xcues 
mehr  lehren.  Sie  kommen  mit  den  im  ersten  Bande  der 
Zeitschrift  bekannt  geraachten  so  nahe  übercin,  dass  raau 
daraus  auf  eine  und  dieselbe^  und  wahrscheinlich  bei  den 
spätem  Arabern  einzige  Ueberlieferung  schliessen  rauss, 
deren  nächste  Quelle  gewiss  i#  Ibn  Alnadim's  Kitub  alfth- 
rist  zu  suchen  ist. 

Das  unter  B  aufgeführte  Alphabet  fand  ich  auf  dem  letz- 
ten Blatte  der  Leidener  Handschrift  1850,  mit  deren  Inhalt 
es  in  keiner  Beziehung  steht,  obgleich  es  von  der  Hand 
des  Schreibers  hinzugefügt  schien.  Darüber  sind  folgende 
Verse  geschrieben,  davon  der  letzte  Ilalbvers  mit  einer 
kleinen  Veränderung  aus  Ham.  p.  Ili   genommen  ist. 

ikA>Lo  cl»    \^\    »Lc  jöÄJ^  J^3       ts^^   t^*^^    l5***'     t^**^!^ 
Hätte  ich  für  mich  selbst  gearbeitet ,     so    hättest  du   mich 

lässiger  ge fluiden,  in  dem,  wonach  ich  strebe; 
Aber  ich  arbeite  um  meinem  Nächsten  zu  nützen  j  denn  die 

Sättigung    de*    Edlen    ist  Schande  j   tcenn  sein 

Nächster  Iittngert. 

Das  Alphabet  selbst  bietet  etwa  die  fünf  Züge  für 
ö  j^  ^Ji  •«  ^  in  einer  mit  den  Inscliriften  noch  genauer 
zusamnientreifenden  Gestalt  dar,  als   die  bisher  bekannten. 


81« 

Darunter  befindet  sich  ein  deutlich  nach  einem  cursiven 
jüdischen  Charakter  genommenes  Hebräisches  Alphabet, 
das  zur  Vergleichung  ebenfalls  (unter  C)  mit  abgedruckt 
ist.  Die  Züge  sind  hier  um  vieles  entstellter,  doch  so 
dass  sich  der  Grund  der  Verunstaltungen  überall  leicht 
begreifen  lässt;  man  lernt  dadurch  die  ursprüngliche  Aecht- 
heit  und  Treue  jener  Ucberlieferung  der  Himyarenschrift 
desto  höher  schätzen. 

Unter  D  folgt  das  glücklicherweise  erhaltene  *)  Al- 
phabet aus  dem  Pariser  Codex  des  Kitäb  al  fihrist,  von 
welchem  bereits  durch  Roediger  im  I.  Bd.  der  Zeitschrift  S. 
335.  und  durch  GbsexNius  HALZ.  1841.  N.  124.  S.  381.  die 
Rede  gewesen  ist.  Es  ist  durch  folgende  schon  von  Sacy 
Me'm.  del'Ac.  des  Inscr.  L.p.264.  citirte  Worte  eingeleitet: 


J)  Die  meisteo  der  von  dem  Verfasser  beschriebenen  Alphabete 
fehlen  (s.  Rokdiger  a.  oben  a.  0.)^  und  statt  ihrer  ist  ein 
leerer  Raum  gelassen;  nämlich  alle  auf  S.  10— 18  befindlichen. 
Diese  Seiten  bilden,  wie  man  es  in  vielen  der  ältesten  und  besten 
Arabischen  Handschriften  trifft,  eine  von  anderer  Hand  statt 
der  ursprünglichen  verloren  gegangenen  ergänzte  Lage  dieses 
alten  und  unschätzbaren  Mauuscriptes,  zu  welchem,  wie  ich 
1839  bei  kurz  auf  einander  folgendem  Gebrauch  beider  gefunden, 
der  seit  dieser  Zeit  auch  bekannt  gewordene  Leidener  Codex  * 
der  vier  letzten  Abschnitte  des  AVerks  als  dritter  Band  desselben, 
von  einer  und  zwar  correcten  und  offenbar  gelehrten  Hand  ge- 
schriebenen Excmplares  gehört.  Beide  Bände  sind  ungefähr  gleich- 
zeitig im  siebenzehnten  Jahrhundert  aus  dem  Orient  gebracht, 
und  es  ist  um  so  mehr  zu  bedauern  ,  dass  sich  nicht  auch  der 
zweite,  Abschnitt  4-6  enthaltende  Band  in  den  Occident  ge- 
rettet hat,  als  die  im  Besitz  des  Hrn.  von  Hamsikr  befindliche 
neuere  Abschrift  an  Correctheit  weit  hinter  jenem  Manuscrlpt 
zurückstchl. 


Ueber  die  Hitnyarische  Schrift.  Ein  glaubwürdiger  Mann 
hat  t  er  sichert  von  Yatnanischen  Gelehrten  gehört  zu  habetij, 
dass  die  Himyaren  im  Jlusnad ,  verschieden  von  unserm 
Alphabet,  geschrieben  hätten.  Ich  selbst  habe  ein  Heft  aus 
der  Bibliothek  Mdmitn's  gesehen,  betitelt:  JVas  der  Fürst 
der  Gläubigen,  Abdallah  Almämun,  den  Gott  segne ,  ton 
verschiedenen  Artikeln  hat  eintragen  lassen^).  Unter  andern 
fand  sich  darin  die  Hitnyarische  Schrift,  die  ich  genau, 
wie  sie  in  dem  Exemplar  stand,  hier  copirt  hah.-.  Cnpie 
des  Alphabets. 


1)  Sacv's  L'eber:>et2uug  a  ordonne  aux  inttrpretts  de  trtinscrire 
glaube~icli  verliissen  zu  niüsseo^  und  ich  bezweifle  aog^r,  Aass 
die  \\'urte  in  diesem  .Sinne  überhaupt  Arabisch  sein  würden,  du 

wohl  tf:>\Jij\  im  Aecusativ  oder  *>tjüt  i^Jui  (^  oder 
etwas  ähnliches  erfordert  wäre.  (^^'■^  ist  CoUectivform  zu 
Ä.4^  Jj,  die  zwar  in  den  Lexicis  nicht  aufgeführt,  aber  der  ge- 
bräuchliche PJuial  istj  z.  B.  Ibn  Khallikän  X,  p.  71.  Wüstenf. 
und  an  mehreren  gleich  anzuführenden  Stellen.  Ich  nehme  es  in 
der  Bedeutung  Artikel  und  denke  an  eine  Art  Collecfaneenbucb, 
in  welches  der  Khalif  gelegentlich  einzelne  anmerkungswürdige 
Gegenstände  einzeichnen  Hess,  die  in  ahderm  Zusammenhange 
keinen  Platz  hatten,  wie  z.  B.  eben  diese  Alphabete.  Etwas  zu 
bestimmt  haben  Nicoll  und  Pl'sky  Catal.  bibl.  BodJ.  II,  p.  30. 
not.  c,  96,  107_,  109,  348.  und  besonders  519,,  namentlich  wie 
es  scheint  geleitet  durch  die  etymologische  Combiaation  ex- 
posuit  =  interpretatus  est  und  enarravit,  dem  Wort  die  Bedeu- 
tung expositiOj  uarratio,  vita  vindiciren  wollen,  doch  ist  in 
sämmtlichen  angeführten  Beispiele  diese  keineswegs  nothwendig, 
da  es  sich  in  ihnen  immer  noch  von  Artikeln  eioes  historischen 
oder  biographischen  Werkes  handelt.  Eher  hätte  dafür  Ibn 
Arabshäh  Tim.  p.  fir  Calc,  n.  32*.  M.:  X9_jt.x  J,l  LJU»^" 
^..^♦«^♦^Ljj     ^jLkS"],  wo  es  Manger  und  Wlllmet  als  Plural  von 


214 

Allerdings  ist  dieses  Alphabet^  zum  Theil  auch  durch 
durch  das  Hineinschreiben  der  Arabischen  Buchstaben^ 
viel  entstellter;  doch  lässt  sich^  zum  Beweis,  dass  diese 
Entstellung  bloss  von  den  Abschreibern  herrührt  und  nicht 
dem  Verfasser  oder  seiner  Quelle  zugeschrieben  werden 
kann,  die  Uebereinstiramung  mit  den  andern  Alphabeten 
bis  zum  J3  ohne  Mühe  verfolgen;  von  da  an  sind  frei- 
lich nur  noch  einzelne  Buchstaben  zu  erkennen.  Einige 
Züge  stimmen  dagegen  sogar  noch  genauer  zu  denen  der 
Inschriften^  wenigstens  ist  dies  bei  dem  von  Roediger  in 
der  Tabelle  bei  Wellsteds  Reisen  (und  eben  so  von  Ge- 
SENiüs)  als  ijo  aufgeführten  und  trotz  der  Orthographie 
der  Monumente    wohl    als  sicher    zu  betrachtenden  Zei- 


...L*>«»  fassen  und  fälschlich  duces  erklären,  eingeführt  werden 
können.  Aber  diese  Bedeutung  hat  das  Wort  gewiss  erst  er- 
halteii^  seit  es  vornämlich  in  biographischen  Lexicis  und  ähn- 
lichen Werken  gebraucht  wurde ;  zu  der  Stelle  des  Ibn  Alnadim 
würde  sie  nicht  passen  und  jedenfalls  kann  sie  nicht  die  ur- 
sprüngliche sein,  weil  sie  den  gewöhnlichen  Gebrauch  des  Wortes 
für  Artikel    (Kaiila   p.  fö,   ö^,    II,   34;  Abulf.   Geogr.     Pr«: 

IJluo  iU>y ;  Navavi  p.  toi**,  9:  f^^j^^  *'*^/^*  ^^  ^^^  «*y- 
mologischen  Artikel  über  diesen  Namen)  nicht  erklärt.  Sollte 
die  Bedeutung  in  der  That  von  der  gewöhnlichen  des  Verbums 
m"^  y,  iuterpretatus  est;  ausgehn^  so  möchte  es,  da  es  auch  im 
Sinn  von  betiteln,  ein  Buch  benennen  vorkommt  (Catal.  bibl. 
Bodl.  II.  185.  und  iU>jJ  in  der  obigen  Stelle)  wohl  eigentlich 
Rubrik,  in  dem  doppelten  Sinne  dieses  Wortes,  heissen,  sofern 
etwa  die  Rubrik  der  Uollmetsch  des  Inhalts  ist.  Ich  kann  indess 
die  Frage  nicht  unterdrücken,  ob  das  etj'molögisch  so  dunkle 
Wort,  das  gewiss  nicht  mit  n;;^  =  |»>».  zusammenzustellen  ist, 
am  wenigsten  durch  eine  fingirte  Bedeutung  trajecit  flume.n 
(Gbsrmus  Thes.  p.  J2b'3;  Qnn  »nuss  ohnqhin  uothwendig  De- 
nominativ von  Diäin  sein)^  sondern  mit  j»JJ,,  geradezu  die  Be- 
deutung Alphabet  gehabt  haben  könne  und  in  diesem  Sinne  in 
dem  Titel  des  Mämilnischen  Boches  zu  nehmen  sey? 


M 


eben  der  Fall^  und  ebenso  zeigt  sieb  dks  von  Hoediger 
Versuch  u.  s.  \v.  S.  26.  »uf  die  Aactorität  der  frühern 
Manuscriptalphabete  für  j  angenommene  Zeichen  hier  in 
einer  den  Inschriften  durchaus  gleichen  Gestalt. 

Endlich  mag  unter  E  noch  das  von  Sacy  a.  a.  O. 
S.  255.  besprochene  Aethiopische  Alphabet  aus  demselben 
Ihn  Alnadim  abgebildet  werden,  wozu  der  Verfasser  folgende 
von  Sacv  nur  französisch  initgetheilte  Bemerkung  macht : 
Q«  (^-a:^.  t_5-**Ä.  ^^j^  iüusÄ^  t^^f^  ^  r^  ü-i^  Üb 

bcM    0;->  -^  /^  ^  O-?^^^    * — 'IP*   ^^  Lg**y.<^ 

tJj     ^ijj^    ^i->5     0^!^     L5L^»i    y    vJjX^3    ->^^^    ^'^^ 

js^t^  LJx-M_5    LL:^  ^^-^5   yy^\*,   c^'^  cr^*'  ^^-^*  ^^^'^ 

Auch  die  Hahessinier  haben  eine  eigene  Schrift.  Ihre  Buch- 
staben sind,  wie  die  des  Himyarischen  Alphabets,  nicht  ^) 
verbunden,  und  sie  laufen  von  der  Linken  zur  Rechten.  Die 
JVorte  trennen  sie  durch  3  in  ein  Dreieck  gestellte  Punkte. 
Dies  ist  die  Figur  ihrer  Buchstaben ,  die  ich  aus  der  Bi' 
bliothek  Mdmiin's  abgeschrieben  habe.  Beispiel  der  Schrift, 

Die  Buchstaben  o  und  o,    .    und  •         und  ^,  c  und 

c,  Ja  und  Ja  haben  hier  nur  eine  F'igur.  So  gröblich 
entstellt  auch  die  meisten  dieser  Buchstaben  sind^so  lässt  sich 
doch  immer  noch  eine  gewisse  Zahl  sehr  w^ohl  erkennen^ 
und  dieser  Umstand  ist  trotz  der  falschen  Schlussbe- 
merkung hinreichend,  um  das  Alphabet  zwar  für  von  den 
Copisten  verunstaltet^  aber  nicht  gerade  für  visiblement 
controuve  zu  halten. 


1)  Die  Texteslesart  ist  nämlich  ohne  Zweifel  ein  alter  Schreibfehler 
im  Ibn  Alnadim  für  XLaÄ.»  .xc  und  ging  aus  dem  in  altem 
Zeiten  vielgebraochten  und  oft^  z.  B.  von  Ibn  al  Ribthi  und  Ihn 
Abi  Ufaibia  ausgeschriebeoen  Buche  mittelbar  in  Häg'i  Khalfa's 
Werk  (vgl.  Bd.  I.  der  Zeitschrift  S.  337.)  über^  der  das  Kitib 
alfihrist  selbst  nicht  in  Händen  gehabt  haben  kann. 


216 

. .  Bei  dieser  Gelegenheit  mögen  zu  den  bisher  (Roe- 
OIGER  zu  AVellsted  II.  361.)  erwähnten  Aeusserungen  Ara- 
bischer Geographen  über  die  Hi rayarische  Sprache  fol- 
gende gefügt  werden.  Die  eine^  allerdings  weni«*-  aus- 
sagende^ jedoch  nicht;  wie  die  übrigen,  von  Jcjthakhri 
abhängige^  findet  sich  in  den  Anciennes  Relations  p.  115, 
wo  dieselben  vom  Lande  Shihr^  dem  alten  Sitz  der  Ad, 
Himyar,  und  G'urhum  sprechen^  und  ist  freilich  in  Renau- 
dots  Uebersetzung  (Ceux  du  pays  ont  la  Suna  en  Arabe, 
fort  ancienne,  mais  differente  en  beaucoup  de  choses,  de 
Celle  qui  est  entre  les  mains  des  Arabes^  et  eile  con- 
tient  plusieurs  traditions  qui  nous  sont  inconnues)  nicht 
zu  erkennen.  Der  Text  lautet  iCjolc  iLx_jyiJ[j  ioUJI  *>^^ 
i-»j05  \ß>Ji^\  ^-JjÄJ  ^  KijLXJs  Sie  haben  im  Arabischen  einen 
alten  Urdialect,  davon  die  Araber  das  meiste  nicht  verstehen. 
Wichtiger  ist  eine,  so  viel  ich  sehe,  noch  nicht  berück- 
sichtigte, obwohl  längst  (Wahl  Neue  Arab.  Anthol.S.151.) 
gedruckte  Stelle  Masüdis  (I.  348.  der  Sprengerischen 
Uebersetzung),  die  als  unterscheidende  EigenthümUchkeit 
der  Sprache  von  Mahra  angiebt^  dass  das  Suffix  der 
zweiten  Person  (ji  statt  t^  laute.  Die  Nachricht  über 
dieses  Suffix  im  jetzigen  Dialekt  fehlen  noch ;  wenn  aber 
Masüdi  vielleicht  nur  von  dem  SufFix  des  Femininum  hat 
reden  wollen,  so  würde  das  sehr  wohl  damit  stimmen, 
dass  das  Afformativ  des  Perfectum  für  ><6  des  Masculinuni 
im  Fem.  in  der  That  ij^  ist,  und  im  Dual  ebenfalls  ein 
Zischlaut  erscheint. 

Es  sei  vergönnt^  hieran,  Hrn.  v.  Ewalds  Aufforderung 
S.  187  gemäss,  noch  folgende  Notiz  zu  schliessen. 

Der  dort  als  üebersetzer  des  Chrysostomus  erwähnte 
Abilfatch  Gabra-egziabcher,  Sohn  des  Fadl,  Sohnes  des 
Pabdela,  Sohnes  des  Mcemana  Papas,  ist  ohne  Zweifel 
kein    anderer    als    der    malikitische  Diakon    und    spätere 


Metropolitan  von  Antiochien  ^^  i).»iaäjt  ^^  «Ut  yXko  g^^  ^^ 
YLL— j"i!  iM^r^'  *^'^  »■'*^?  w*^  ^*"  ™*  vollständigem  Namen 
Catal.  bibl.  Bodl.  U,   470  heisst,  dem  die  sogenannte  Mel- 
chitische   in  London,    in  Wien    1792    (Paulus  Memorab. 
V.   197.)    und    öfter    in  Schuair  gedruckte  Uebersetzung 
der  Psalmen  zugeschrieben  vrird  und  von  dem    eine   sol- 
che des  Pentateuch  wenigstens  aus  der  Vorrede  und  den 
Randnoten  des  Pariser  Codex  1  (bei  Schnurrer  De  pent.  Ar. 
polygl.  Dissertt.  phil.  crit.   p.  203.   233)  bekannt  ist.    Er 
übersetzte  unter  anderen  Griechischen  Kirchenschriftstel- 
lern   auch    Johannes    Damascenus     (Catal.  Vat.  bei  Mai 
Scr.    vet.    n.  coli.   IV_,    173.)    und  Chrysostomus  in  das 
Arabische    vgl.  Cat.  bibl.  Med.    (wo   eine    karschunische 
Handschrift    davon    befindlich    ist)    p.  37.   130.    St.  Ev. 
Assemani    setzt  ihn    hier  in  das  elfte,  bei  Mai  IV,   178. 
in    das    zwölfte  Jahrhundert ;    sein  Zeitalter    wird    aber 
genau  bestimmt  durch  seine  eigne  Angabe,   dass  er  sein 
Werk  crj-^5  ^^  V'-*^;    davon  sich   ein  Ms.   in  Oxford 
und  das  augebliche  Autograph  im  Vatikan  befindet,    1052 
vollendet    habe.    NicoU.   Cat.    bibl.    Bodl.    p.   25.  26.  30. 
Mai  IV,    304.     Die    geringen  Verschiedenheiten     obiger 
Namen    lassen    sich    leicht    heben:    Pabdela    ist    offenbar 
durch  das  Koptische  vermittelte  Form  für  Abdallah,   und 
die  Worte  meemana  pappas  müssen  d&nn  orthodoxer  Metro- 
politan  heissen.     Entweder  bilden  diese  den  Titel  des  Ab- 
dalla  ben  Alfadhl  selbst,  oder  seines   Grossvaters  Abdalla, 
denn  Abdallae  Archiepiscopi  filius  hat  Assemani  Cat.  Med. 
p.  37,    und  das  Wort  Sohn    ist  ihnen    fälschlich  vorge- 
setzt, ein  Irrthum,  der  eben  so  verzeihlich  ist,  als  wenn 
der  monophysitische  Aethiope  dem  Melchiten  das  Prädikat 
rechtgläubig  beilegt. 

J.  Gildemeister. 


218 


Heiiierkung'  zu  einer  Ulittlieiliiiii^  des 

Iflegastlieiies  in  Bezug  auf  Indische 

Gescliiclite* 


Dem  Megasthenes ,  welchem  wir  so  viele  interessante 
Mittlieilungen  über  Indien  verdanken,  die  um  so  schätzens- 
werther  sind,  da  er  sich  längere  Zeit  am  Hofe  des  Kai- 
sers von  Indien  Tschandragupias^  bei  den  Griechen  Sandro- 
kyptos  u.  s.  w.  genannt,  aufhielt,  schulden  wir  auch  fol- 
gende ,  ihm  ohne  Zweifel  bei  einer  solchen  Gelegenheit 
zugekommene  Notiz  über  die  Geschichte  Indiens.  55 Von 
Dionysos  bis  Sandrokotos  zählen  die  Inder  153  Könige  und 
6042  Jahre«  berichtet  Arrian  (Hist.  Ind.  9  ed.  Raphelii) 
nach  ihm.  Dieselbe  Notiz  hat  Plinius  (Nat.  Hist.  VI,  17 
cd.  Sillig ;  21  ed.  Hard.  §.  59  ed.  Stil.'),  aber  mit  einigen 
Varianten :  35  Von  Liber  Pater  bis  zu  Alexander  dem  Grossen 
(welcher  theilweise  Zeitgenosse  des  Tschandraguptas  war) 
werden  154  Könige  in  6451  Jahren  gezählt;  auch  fügen 
sie  drei  Monate  hinzu.«  So  die  Vulg.;  zwei  der  besten 
(Reg.  I,  113  und  drei  andere  Handschriften  (Colb.  I,  II 
Paris.)  haben  statt  154,  vfie  Arrian,  153;  in  Bezug  auf  die 
Anzahl  der  Jahre  finde  ich  keine  Varianten  angeführt;  es 
scheinen  deren  aber  ebenfalls  zu  existiren  (vgl.  Harduiu 
Nott.  et  Eraendatt.  411,  Äa/ma*.  Exercitatt.  Plin.  697  b  J}.), 
wie  denn  überhaupt  im  Plinius  sich  bei  den  Zahlen  ge- 
wöhnlich sehr  viele  Varianten  finden. 

Diese  Angabe  des  Megasthenes  scheint  auf  den  ersten 
Anblick  von  allem,  was  wir  jn  Bezug  auf  die  ältere  Ge- 
schichte in  den  bis  jetzt  ausgebeuteten  einheimischen  Quellen 
Indiens  finden,  sehr  abzuweichen.   Ich  werde  aber  im  Fol- 


219 

geuden  eine  Combiaatlon  versuchen ,  wodarch  sie  einhei- 
mischen, in  dem  Wesentlichen  ihres  Inhaltes,  so  nahe  tritt, 
dass  sie  für  identisch  mit  iimen  gelten  zu  dürfen  scheint. 
£inige  Punkte  werden  jedoch  noch  unerklärt  bleiben  und 
ich  werde  hier  keioen  Versuch  machen,  sie  mit  Indischen 
Ueberlieferungen  in  Verbindung  zu  bringen,  um  nicht  durch 
Äluthmaassungen  über  Untergeordnetes  die,  wie  mich  dünkt, 
bestimmt  hervortretende  Uebereinstimmung  in  der  Haupt- 
sache zu  trüben.  Eben  so  wenig  werde  ich  mich  hie' 
bevor  diese  Combination  von  andern  Seiten  geprüft  ist,  auf 
Erörterung  der,  wenn  sie  richtig  ist,  sich  daraus  ergeben- 
den, wie  mir  scheint,  nicht  unbedeutenden  Consequenzen 
einlassen. 

Doch  zur  Sache! 

Es  ist  schon  mehrfach  bemerkt,  dass  bei  den  Indern 
ein  fünfjähriger  Cyclus  existirte.  Spuren  desselben  sollen 
sich  schon  in  den  Veden  finden  (Colebrooke,  Miscellan. 
Essays  Vol.  I.,  on  the  Vedas,  p.  106,  107).  Mit  ziem- 
licher Sicherheit  lassen  sie  sich  in  den  Asoka-Ioschriften 
erkennen  (vgl.  Journ.  of  the  As.  Soc.  of  Beng.  1838  p. 
439  in  der  Dhauli-Inschrift  pank  asu  pank'asu  vasesu,  alle 
fünf  Jahre,  vgl.  ebils.  452  und  264j;  eine  Andeutung  sehe 
ich  im  Bhdgavata-Pürana  (111,11,  15);  andere  Erwähnun- 
gen sollen  sich  mehrfach  finden  (Äe/i/fey  in  Asiat.  Research. 
T.  VIII.  p.  227*).  Auf  diesem  fünfjährigen  Cyclus  beruht 
endlich  das  dritte  der  uns  bekannten  Jugasysteme  der  In- 
der (bei  Bentley  a.  a.  O.  mitgetheilt).  Denn  genau  be- 
trachtet ist  es  weiter  nichts,  als  ein  Versuch^  die  bis  zu 
der  Zeil,  wo  dieses  System  gebildet  wurde,  in  Bezug  auf 
die  Zahlenverhältnisse  der  grossen  Periode  gültig  gewor- 
denen Grundsätze,  auch  auf  diesen  wahrscheinlich  für  hei- 
lig gehaltenen  fünfjährigen  Cyclus  zu  übertragen,  welches 
aber  nicht  ganz  gelang  *). 


1)  Das  Zahlenverfaältniss  ist  nämlich  4:  .3:  2:  1  nach  der  Zahl  der 


299 

Sehr  natürlich  und  wohl  die  menschlich  einfachste 
Methode  eine  grössere  Periode *zu  erlangen  ist  die  Multi- 
plication  durch  1000;  so  werden  im  ersten  Jugasystcm  die 
Zahlen  4:  3:  2:  1  durch  1000  multiplicirt  um  die  Zahl  der 
Jugajahfe  zu  erhalten  und  in  allen  drei  Systemen  werden 


Beine^  welche  Dharma,  als  Stier  gedacht^  in  jeder  der  4  Pe- 
rioden {Jugas)  hat.  In  dem  ersten  Juga-System  werden  diese 
zunächst  mit  1000  multiplicirt;  im  Sten  werden  sie  zunächst 
verdoppelt  und  die  dann  .entstandene  Zahl  mit  100  muitiplicirt. 
In  beiden  Systemen  tritt  zu  jedem  Juga  eine  Morgen  -  und 
eine  Abend-Dämmerung,  deren  Zeit  dadurch  bestimmt  wird, 
dass  im  ersten  System  jene  Zahlen  mit  100  multiplicirt  werden, 
im  zweiten  System  dadurch^  dass  sie  erst  wieder  verdoppelt 
und  dann  mit  10  multiplicirt  werden.  Also : 

Istes  System. 

Istes  Juga  4  x  1000  +  4  x  100  x  2  =  4800 

2  «        »      3  X  1000  +  3  X  100  X  2  =  3600 

3  »        ?j      2  X  1000  +  2  X  100  X  2  =  2400 

4  «        «      1  X  1000  +  1  X  100  X  2  =  1200 

2tes  System. 

Istes  Juga  4x2x  100  +  4x2x  10x2  =  960 

2  w    "   3  X  2  X  100  +  3  X  2  X  10  X  2  =  720 

3  ?5    «   2  X  2  X  100  +  2  X  2  X  10  X  2  =.  480 

4  «    >   1  X  2  X  100  +  1  X  2  X  10  X  2  =  240 

Um  diese  Zahlenverhältnisse  auf  den  gegebnen  fünfjährigen 
Cycliis  anzuwenden  mussten  sie  halbirt  werden;  also: 

3tes  System. 


Istes  J 

2  » 

3  » 

4  » 

uga 

2  Jahre- 

1  Jahr    6  Monat. 

1     « 

0    »       6      ') 

isra  .  .  .  . 

5  Jahre. 

Dabei  erhielt  man  aber  keine  Dämnteruug»iLeiten. 


221 

die  Jahre  des  mahäjuga  (des  Götterjuga)  mit  1000  raulti- 
plicirt.  um  die  Jalire  eines  kalpa  oder  Brahmatags  zu 
erhalten. 

Wäre  es  nun  nicht  denkbar^  dass  man  einst,  um  eine 
grosse  Periode  überhaupt  anzuzeigen^  den  fünfjährigen 
Cyclus  des  Mahäjuga  im  dritten  der  in  der  Anni.  erwähnten 
Systeme  mit  '1000  muUipHcirt  habe ,  so  dass  sie  5000 
Jahre  betrug?  Dafür  spricht  der  Umstand,  dass  Gaufama 
Buddha  seiner  Doctrin  eine  Dauer  von  5000  Jahr  bestimmte 
(iSangermano  A  Description  of  the  Burmese  Empire  translat. 
bv  Tandy  p.  38),  womit  augenscheinlich  eine  für  eine 
grosse  Periode  geltende    Zeit  ausgedrückt  werden  sollte. 

Es  wird  sich  nun  wahrscheinlich  machen  lassen,  was 
jedoch  hier  zu  weit  führen  würde^  dass  die  Entwickelung 
des  Jugasystems  in  der  gewöhnhchen  Gestalt,  in  der  wir 
es  kennen,  jünger  ist,  als  die  Trennung  des  Buddhismus 
vom  Brahmathum.  Wenn  man  sich  nun  vor  dieser  und 
überhaupt  in  älterer  Zeit  begnügt  hätte,  1000  Mahajuga's 
des  3ten  Systems,  also  5000  Jahre,  für  eine  grosse  Periode 
zu  nehmen  und  eine  solche  grosse  Periode  an  der  Spitze 
der  Indischen  Chronologie  stand,  welche  den  Brahmauen 
vorlag,  denen  Megasthenes  seine  Mittheilung  verdankte,  — • 
so  wie  später  die  grossen  Jugasysteme  an  die  Spitze  ge- 
stellt wurden  —  so  >vürde  uns  erlaubt  sein,  von  der  dem 
Megasthenes  überlieferten  Zahl  5000  Jahre  abzuziehen ;  so 
blieben  nach  der  Arrianischen  Ueberlieferung  1042  Jahre, 
nach  der  des  Plinius  1451. 

Nach  der  jetzt  gewöhnlichen  Rechnung  der  Inder  be- 
ginnt das  jetzige  4te  Juga,  die  /Tfl/i-Periode ,  im  Jahre 
3101  vor  Chr.;  allein  diese'  Fixirung  ist  spät  und  stimmt 
nicht  mit  vielen,  sich  sonst  vorfindenden  Daten.  Wilford 
berichtet  von  abweichenden  Annahmen  der  Dschainas  (As. 
Res.  IX,  210),  die  ich,  so  interessant  und  wichtig  sie  auch 
zu  sein  scheinen  (z.  B.  950  für  Dschina  gerade  wie  die 
Japanische  Encyclopädie  für    Sakjasinha),    da  manches   in 


2»? 


ihnen  dunkel  ist  und  sie  für  den  nächsten  Zweck,  den  wir 
hier  verfolgen,  gleichgültig  sind,  keiner  Discussion  unter- 
werfen will.  Wir  wenden  uns  vielmehr  zu  den  Puranen 
selbst.  Hier  finden  wir  im  Vischnu-Purana  (in  Wilson's 
Uebers.  p.  484)  angegeben,  dass  von  der  Geburt  des  Pa- 
rikshit  an  (d.  i.  von  Beginn  des  K.  J.)  bis  zur  Krönung 
des  Nanda  1015  Jahr  verflossen  seinj  darauf,  dass  diese 
Angabe  nicht  mit  den  ebenfalls  in  diesem  Purana  sich  fin- 
denden Einzelangaben  über  die  Regierungszeit  der  Dy- 
nastieen  und  der  einzelnen  Könige  in  diesem  Intervall 
stimmt ,  wird  hierbei  gar  keine  Rücksicht  genommen ,  so 
dass  man  erkennt,  dass  es  eine  besondere,  v^ou  diesen  un- 
abhängige Ueberlleferung  ist.  Dieselbe  Nachricht  findet 
sich  auch  bei  Wilforü  (As.  Res.  IX,  86^  87),  wo  zugleich 
hinzugefügt  wird,  dass  in  den  Puranen  die  Regierung  des 
Tschandragupta  1055  nach  Kali-Juga :  also  40  Jahre  später 
gesetzt  werde.  Die  Quelle  dieser  letztern  Nachricht  kann 
ich  nicht  nachweisen  j  allein  es  stimmt  damit 

1)  die  Angabe,  welche  sich  in  seiner  aus  den  Puranen 
geschöpften  chronologischen  Tafel  (As.  Res.  IX,  116  Ta- 
fel) findet,  nach  welcher  die  Nandas  im  Ganzen  40  Jahre 
geherrscht  haben  (Mahänanda  28^  seine  Söhne  12)  ; 

2)  nähert  sie  sich  dem  Buddhistischen  Bericht,  welcher 
den  Nandas  44  Jahre  Regierungszeit  gibt; 

3)  beruht  auf  dieser  Ansetzung  ein  Datum  in  einem 
Mscpt.  der  MacKenzie-Sammlung,  wo  die  Aera  des  Sa- 
livahana  damit  in  Verbindung  gebracht  ist  C  Journ.  ofBeng. 
1838  S.  376).  Diesem  Datum  gemäss  hat  Salivahana  1443 
v»  Kali-J.  regiert;  da  nun  seine  Aera  78  nach  Chr.  be- 
ginnt, so  fällt  Kali-J.  hiernacU  1365  vor  Chr.  Früher  habe 
ich  nun  Tschandragupta' s  Regierungsantritt  312  vor  Chr. 
gesetzt;  addirt  man  %a  dieser  Zahl  jene  1055  (1015  von 
K.  J.  bis  Nanda  und  40  für  die  Nandas),  so  kommen  1367 
für  den  Anfang  des  K.  J.  heraus^  also  eine  Differenz  von 
zwei  Jahren.     So  gewiss  nun  auch   der  Regierungsantritt 


223 

des  Tschandragupta  um  312  vor  Chr.  fällt,  so  ist  doch  die 
Chronologie  dieser  Zeit  noch  nicht  bis  auf  zwei  Jahre  zu 
rectificiren  und^  bei  der  sorgfältigsten  Berücksichtigung 
aller  Momente,  steht  nichts  der  Annahme  entgegen,  dass 
der  Regienmgsantritt  des  Tschatidragupta  erst  von  310 
vor  Chr.  an  gerechnet  werden  müsse.  In  diesem  Fall  be- 
giimt  auch  nach  diesem  Synchronismus  K.  J.  1365  vor  Chr. 

Wir  dürfen  also  die  Annahme  dass,  von  K.  J.  bis 
Nanda  1015,  bis  Aui  Tschandragupta  1055  Jahre  verflossen 
seyen,  für  eine  alte,  mehrfach  gebilligte  nehmen.  Ehe  wir 
jedoch  die  Anwendung  davon  auf  den  Bericht  des  3fe~ 
gasthenes  machen^  wollen  wir  auch  die  abw^Rienden  chro- 
nologischen Angaben  berücksichtigen. 

Hier  erscheint  zuerst  eine  Angabe  im  Bhägav.-Pmr. 
(bei  Wttsox  Vishnu-Pur.  p.  484  n.  81)^  nach  welcher 
zwischen  K.  J.  und  Xanda  1115  Jahre  verflossen  seyen. 
Diese  dürfen  wir,  bei  der  Menge  von  Zahlencorruptionen 
in  den  Puranen,  unbedenklich  als  aus  Corruption  der  Zahl 
1015  hervorgegangen  betrachten.  Das  Bhag.-Pur.  bemerkt 
übrigens  den  Widerspruch,  in  welchem  diese  Angabe  mit 
der  Zahl  steht,  welche  man  durch  Addition  der  Regierungs- 
jahre der  Dynastieen  erhält  und  fügt  auch  diese  hinzu;  wir 
werden  sie  sogleich  berücksichtigen. 

Eine  dritte  Angabe  wird  im  Vishnu-Pur.  —  ohne  dass 
der  Widerspruch  bemerkt  wird,  in  welchem  sie  sowohl  zu 
der  durch  Addition  der  Dynastieen-Jahre  sich  ergebenden 
Zahl,  als  zu  der  Annahme  eines  Intervalls  von  1015  Jahren 
steht  —  letzterer  Angabe  geradezu  angeschlossen  (Vishnu- 
Pur.  p.  485).  Ihr  gemäss  standen  die  7  Rishis  bei  Pari- 
kshits  Geburt  im  Xakshatra  Maffha  und  würden  zu  Nauda's 
Krönungszeit  im  Naksh.  Pürväshadha  stehen,  also  10 Vj 
Naksh.  durchlaufen  haben,  welches  nach  der  mythisch- 
wissenschaftlichen Annahme  ein  Intervall  von  1050  Jahr 
bildet.  Diese  Angabe  allein  theilt  Väju-Pur.  und  5  Hand- 
schriften des  Matsja-Pur.  mit.    Man  sieht,   dass  sie  bloss 


224 

auf  dem  Bestreben  beruht ,  das  Intervall  mit  einem ,  theils 
auf  Mythen  theils  auf  falschen  Beobachtungen  beruhenden, 
astronomischen  Cyclus  in  Harmonie  zu  bringen ;  historischen 
Werth  hat  sie  also  gar  nicht. 

Eine  vierte  Angabe  beruht  auf  der  Zusaramenzählung 
der  Totalzahlen,  welche  für  die  Regierungszeit  der  Dy- 
nastieen  angegeben  wird.  Diese  giebt  als  Totalsumme  des 
Intervalls  das  Bhäg.-Pur.  neben  der  schon  erwähnten  von 
1115  an  und  eine  Handschrift  des  Matsja-Pur.  allein.  Sie 
ist  aber  noch  weniger  historisch,  als  selbst  jene  dritte; 
denn  ihre  Hauptzahlen  sind  runde.  1500  Jahre  für  den 
ganzen  InteMmll;  350  Jahre  (denn  so  haben  Matsja  und 
Bhäg.-Pur.  vgl.  Wils.  Vishn.-Pur.  p.  467  n.  17)  für  die 
die  Saisunagas,  gerade  wie  bei  den  Römern  (vgl.NiEBUHR 
Römische  Geschichte  I,  297,  3te  Ausg.);  weiterhin  sind 
die  Totalsummen  der  Dynastieen  in  demselben  Geist  in 
runden  Zahlen  angegeben;  100  Jahre  für  die  Nandas  und 
noch  weiterhin  von  den  Maurjas  bis  zu  den  Barbaren- 
Königen  750  Jahre  1),  die  Hälfte  von  1500;  nur  eine  Zahl, 
die  Totalsumme  der  Sunakas,  138,  scheint  nicht  fingirt^  wie 
denn  auch  die  Buddhistische  Zahl  für  diese  Dynastie  (138 
ohne  Bhattijo)  ziemlich  nahe  kommt '*)^  und  theils  ihr  zu 
Gefallen,  theils  um  die  runde  Zahl  500  für  beide  Dynastieen 
(die  Sunakas  und  Saisunagas^  zu  erhalten ,  ist  die  runde 
Zahl  der  letzteren:  360  zu  362  erweitert  (ähnlich  wie  bei 
den  Römern  die  runde  Zahl  360  zu  364  u.  s.  w.  umge- 
staltet wurde^  Niebuiir,  a.  a.  0.  298). 


1)  Maurjas  137. 
SuDgas  118. 
Kanwas  45. 
Andhras  4.5». 


750. 
2)  Warum  diese  und  die  Zahl  der  Maurjas^  Sungas,  Kanwas  rei- 
ner erhalten,  die  andern  aber  fictiv  enveiterl  sind,  darflber  an 
einpm  andorn  Ort. 


225 

So  ergiebt  sich  denn  die  Zahl  1013  bis  Nanda,   1055 
bis  Tschandrag ttpta  an  und  für  sich  als  die  unverfänglichste. 
Oben  blieben  uns  nun  von  der   Zahl   des  Megasthenes 
nach  der  einen  Notiz  1042  Jahre  für  die  Zeit  vom  Verlauf 
der  an  die  Spitze  gestellten  grossen  Periode  bis  zu  Tschartr- 
dragupta's  Thronbesteigung,  und  schon  diese   Zahl  weicht 
von  der  Zahl   1055   nur  wenig  ab.  Denken  wir  uns  nun 
aber,  dass  in  der  aniiern  Notiz   (der  bei  Piintus}  in  den 
Zehnern  das  Richtigere  bewahrt,    dagegen   in  den   Hun- 
derten   gefehlt  sei^    so  wird    die  Uebereinstiminung  noch 
grösser,  nämlich   1051   statt  der  erwarteten  1055.  Waren 
aber  jene  Zahlen  in  den    dem  Griechen  und  dem  Römer 
vorliegenden    Exemplaren  des  3Iegasthenes,  mit  Zalüzei- 
rhen  und  nicht  in  Worten  ausgedrückt,  so  war,  wie  dies 
aus  unzähligen  Beispielen  bekannt  ist,  ein  Verlesen  sehr 
leicht  möglich.     Sechs  Tausetui  würde    mit    Griechischen 
Zahlzeichen  IXIX  geschrieben  werden  ;    ob  und  wie  dies 
ein  Römer    für  6400  habe   nehmen  können,  will  ich  nicht 
untersuchen.  Die  Verwechselung  lag,  wenn  man  die  Rö- 
mischen Zahlzeichen  im  Sinn  hat,  nicht  sehr  fem.    Vierzig 
würde  JJJJ  bezeichnet  sein,  fünfzig  dagegen   \J['j  dies 
wäre  schwerhch  zu  verlesen  gewesen ;  wenn  aber,   wie 
sehr  wahrscheinlich,  fünfzig  auch  JJJJJ  bezeichnet  wer- 
den konnte  und  im  Exemplar,  woraus  Arrian's    3Iitthei- 
limg  floss,    bezeichnet    war,    so   musste  es  ein  Grieche 
fast  nothwendig  für  vierzig    nehmen  ;    zwei   endlich    wird 
durch   //  und  fünf  durch  JI  bezeichnet,   und  diese  beiden 
Zeichen  waren  in  der  That  für  einen  Griechen  leicht  zu 
verwechseln,    während    ein    Römer,    wenn   jene    beiden 
Striche  (in  /I)  zusammengeflossen  waren,  sie  sehr  leicht 
für  eins   (/)   nehmen  konnte. 

*     Doch  wenden  wir    uns    zu    der  Könifszahll     Wenn 
«ich  hier  eine  Uebereinstimmung  zeigt,  so  wird  maQ  wohl 
V.  15 


226 

,« 
noch  weniger  Anstand  nehmen^    die    beiden  überlieferten 

Zahlen    —   6042    und    6451   —  geradezu    für    Corrup- 

tionen  von  6055  zu  nehmen. 

Die  Zahl  der  Könige  betrug  1 53;,  nach  einigen  Hand- 
schriften des  Plinius  154.  Denken  wir  uns  nun  ^  dass 
für  jene  grosse  Periode  von  5000  Jahren^  welche  der 
eigentlich  geschichtlichen  Zeit  vorangeschickt  war,  eine 
runde  Summe  von  Königen  angenommen  war,  so  liegt 
schon  von  rein  menschlichem  Standpunkt  aus  die  Zahl 
100  am  nächsten.  Allein  auch  in  speciell  Indischen  An- 
schauungen —  in  den  Mythen  insbesondere  —  spielt  die 
Zahl  100  eine  höchst  bedeutende  Rolle.  Dass  in  diesem 
Fall  jeder  der  Könige  50  Jahre  durchschnittlich  regiert 
hätte,  wird  jeder,  der  Indische  Angaben  von  Regierungs- 
jahren kennt,  noch  höchst  gnädig  finden.  Scheiden  wir 
diese  100,  gleichsam  vorgeschichtlichen,  Könige  ab,  so 
bleiben  53. 

Vergleichen  wir  nun  die  Indischen  Angaben,  so  re- 
gierten nach  Buddhistischen  Nachrichten  von  Anfang  die- 
ses Kalpa  an  28  Könige  (Journ.  ofBeng.  1838  S.  925); 
eben  so  viele  regieren  zunächst  nach  Beginn  des  Kali- 
Juga,  nach  Brahmanischen  Berichten,  als  Nachfolger  des 
Parikschit  (Vishnu-Pur.  von  Wils.  p.  460).  Für  unsere 
Zwecke  ist  der  Beweis ,  dass  diese  Regentenreihe  eine 
rein  mythische  ist,  gleichgültig.  Doch  bemerke  ich,  dass 
er  sich  mit  Leichtigkeit  geben  lässt.  Die  Zahl  28  be- 
ruht, beiläufig  gesagt,  auf  der  Zahl  der  28  Nakshatra's. 
Mit  diesen  28  Königen  gleichzeitig  wird  eine  besondere 
Dynastie  von  Magadha  aufgezählt;  wir  hätten  schon  an 
{ipnd  für  sich .  das  Recht,  sie  bei  unserer  Combination  un- 
berücksichtigt zu  lassen ;  allein  es  lässl  sich  auch  sehr 
wahrscheinlich  machen,  dass  sie  eine  spätere  Erfindung 
»ey  und    schwerlich    zu  Megasthene»  Zeit  schon  von  ihr 


227 

die  Rede  sein  konnte.  Zunächst  kennen  sie  die  Bud- 
dhistischen Berichte,  welche  älter  als  alle  Brahmanischen 
Berichte^  aber  jünger  als  Megasthenes  sind  (die  Ceylone- 
sischen)^  nicht ;  2)  ist  sie  der  Buddhistischen  Darstelluuff 
nach  unmöglich.  Denn  hier  sind  es  erst  die  Xaudas 
welche  die  Dynastie  von  Pätaliputra  (d.  i.  Mao-adhal 
gründen ;  vor  ihnen  ist  Vai<jäla,  vor  diesem  Radschagriha 
und  vor  diesem  Anga  (Bengalen)  der  Sitz  des  Reiches 
gewesen;  3)  finden  sich  auch  in  den  Puranen  Spuren 
eben  dieser  Darstellung,  so  sehr  sie  auch  das  Bestreben 
die  den  Xandas  vorhergehenden  Könige  ebenfalls  als 
Könige  von  Magadha  aufzufassen,  verwischt  hat.  a)  So 
wie  sich  den  Buddhistischen  Berichten  gemäss  Bhattijo 
von  der  Herrschaft  von  Anga  befreite  und  das  unabhän- 
gige Reich  von  Radschagriha  gtündete,  so  hat  nach 
den  Vaju-  und  Matsja-Puranen  Sisunaga  seine  Residenz 
Benares  (in  Anga)  verlassen  und  RadscJiagriha  zum  Sitz 
des  Reichs  gemacht  (Wils.  Vishn.-Pur.  466  n.  8) ;  b) 
wie  die  JVanJas  (nach  Buddhistischer  Darstellung)  den 
Sitz  des  Reichs  nach  Pdt  aliputra  verlegen,  so  hat  nach 
dem  Vaju.-Pur.  (Wils.  a.  a.  O.  467  n.  15)  Udajasva 
der  achte  Aer  Saisunagas  (welcher  trotz  der  abweichen- 
den Stellung,  die  er  in  den  Puranischen  Listen  einnimmt, 
ursprünglich  mit  dem  Buddhistischen  LHagibhaddako,  dem 
4ten  nach  BhaltijOf  identisch  ist)  Pat' aliputra  gegründet. 
Diesem  gemäss  irren  wir  sicherlich  nicht,  wenn  wir  erst 
mit  den  Xandas  das  Reich  von  Magadha  beginnen  la5-, 
sen.  Daraus  erklärt  sich  auch  der  höchst  relevante  Um- 
stand, dass  das  Intervall  von  K.  J.  an  bis  zur  Thron- 
besteigung Nanda's  in  einer  Totalzahl  angegeben  wird. 
Die  Gründung  des  mächtigen  Reichs  von  Magadha  musste 
natürlich  Epoche  machen.  Sobald  dies  aber  bestand  und 
zwar    in    dem    glänzenden    Umfang ,    welchen    es    unter 


228 


Tschandragtipta  erhielt  und  unter  seinen  Nachfolgern  noch 
erweiterte,  musste  sich  natürlich  das  Streben  geltend 
machen;  es  für  ein  sehr  altes  auszugeben.  Dieses  ge- 
schah zunächst  dadurch^  das«  man  die  von  der  Geschichte 
(bei  den  Buddhisten)  bewahrten  nächst  vorhergehenden 
Dynastieen  als  magadhische  in  Anspruch  nahm  und  als- 
dann —  da  der  Glanz  des  grossen  Krieges  dem  Ahn- 
herrn dieser  mächtigsten  Dynastie  nicht  fehlen  durfte  —  • 
noch  eine  mit  den  mythischen  28  gleichzeitige  Königs- 
reihe liinr.u  erfand.  Diese  Erfindung  und  Ausschmückung 
der  Dynastie  von  Magadha  geschah  wahrscheinlich  erst 
zu  der  Zeit  als  die  Maurjas  wieder  in  den  Schooss  der 
Brahmanischen  Religion  zurückgekehrt  waren.  Doch  das 
zu  verfolgen^  liegt  unserra  Zweck  fern  ;  für  diesen  ge- 
nügt es  nachgewiesen  zu  haben^  dass  die  besondere  Dy- 
nastie von  Magadha^  welche  in  den  Puranen  mit  den  28 
Königen  gleichzeitig  gesetzt  wird;  zu  Megasthenes  Zei^ 
nicht  in  Rechnung  kommen  konnte. 

Auf  jene  28  folgt  bei  den  Buddhisten  Bhattijo^  der- 
jenige König;  unter  welchem  Gaufama  Buddha  geboren 
ist  (mit  welchicm  also  ihre  Geschichte  eigentlich  beginnt). 
Brahmanischc  Berichte  lassen  Pradjota  folgen  5  wir  hätten 
schon  an  und  für  sich  Grund  ihn  und  die  ihm  folgfenden 
Könige  mit  jenen  S8  zusammenzurechnen ;  da  wir  die 
erwähnte  Magadhische  Dynastie  für  eine  spätere  Erfin- 
dung erkannten  ;  allein  es  kommt  hier  noch  eine  beson- 
dere Notiz  hinzU;  wodurch  sich  Pradjota  als  ursprünglich 
identisch  mit  Bhattijo  ergicbt.  Ein  Indisches  Werk  Bhä- 
garatdmrita  berichtet,  dass  unter  Pradjota  —  zwei  Jahre 
nach  dessen  Regierungsantrilt  —  Gautama  Buddha  ge- 
bort sey  (A*.  Res.  II.;  190  Trad.  Fr.);  und  indem 
dessen  Regierungsantritt  den  Puranischen  Annahmen  ge- 
ittHIÖ   1(H)1   nach  K.J.  gesetzt  wird,  wird  für  GautamaV 


ft9 

Geburt  1002  angegeben  (ebds.  176).  Mag  nun  dieses 
Werk,  welches  ich  weiter  nicht  kenne  ^  eine  noch  so 
späte  und  noch  so  schlechte  Compilation  sein  ^  so  kann 
es  1)  nichts  destoweuiger  eine  einzelne  richtige  Notiz 
enthalten ;  2)  die  hier  gegebene  Xotiz  zu  erfinden  ist 
gar  kein  Grund  vorhanden  ;  3)  sie  hat  gemäss  dem  System 
der  doctior  lectio  alle  Wahrscheinlichkeit  für  sich^  indem 
sie  allen  übrigen  Nachrichten  za  widersprechen  scheint ; 
4)  sie  findet  durch  folgende  Combination  eine  überra- 
schende Bestätigung ;  nach  Buddhistischen  Xachrichten  war 
Gaulama  Buddha  20  Jahr  alt^  als  Bhattijo's  Nachfolger 
zur  Regierung  kam  (Joum.  ai  Beng.  1838  S.  923); 
nach  Bhagavatamr.  war  er,  wie  eben  bemerkt  ,  2  Jahr 
nach  Pradjota's  Regierungsantritt  geboren  ;  folglich  re- 
gierte Pradjota-Bhattijo  22 — 23  Jahre  und  diese  Zahl 
gehen  die  Puranen  dem  Pradjoia  einstimmig  (Wils.  Vishn.- 
Pur.  446  n.  3)  *).  Der  Umstand,  dass  in  den  Buddhisti- 
schen Berichten  Bhattijo  Vater  des  Bimbisaro  heisst,  in 
den  Puranischen  dagegen  der  Vimbisdra  des  Vaju-Pur., 
welcher  im  Visclm.-Pur.  Vidmisära,  im  3Iatsja-Pur.  Vin- 
dusena  oder  Vindhjaseua,  im  Bhagav.-Pur.  Vidhisära 
genannt  wird,  als  Sohn  des  Kschatraudschas  (im  Vischn.- 
Pur.) ,  Kschemadschit  oder  Kschemartschis  (Vaj.) ,  oder 
Kschetradschaja  (Bhägav.)  bezeichnet  wird,  entscheidet 
dagegen  gar  nicht.  Sonst  müsste  auch  der  Susunaga 
der  Buddhisten,  weil  er  bei  ihnen  an  einer  ganz  andern 


1)  Einen  andren  Grand  far  die  Identificining  von  Pradjota  und 
Bhattijo  giebt  die  Zahl  der  magadhischen  Könige  ab,  welche 
man  als  Zeitgenossen  der  88  ihm  vorausschickte,  verglichen 
mit  der  Zahl  der  von  Vrihadbala  stammenden  llishvakuiden, 
welche  dem  Sakja  vorausgeht  (ViJhn.  Pur.  p.  463.);  docb 
kann  ich  diesen  Grund  erst  au  einem  andern  Ort  discutiren. 


330 

Stelle,  als  in  den  Puranen  steht ,  ganz  verschieden  von 
dem  Sisunaga  der  Puranen  sein,  Udajibhaddako  verschie- 
den von  Udajasva  u.  s.   \v ;   dagegen 

üdajibhatfdako  =  Darbhaka 

Anuruddhako     =  Udajasva 

Mundo  =  Nandavarddhana 

Nagadasako      =  Mahanandi 

Susunaga  =  Mahapadma 

Kalasoko  =  9  Nandas 

Nanda  =  Tschandragupta  u.  s.  w. 

Ein  solches  mechanisches  Gegeneinanderstellen  von 
Listen  führt  zu  nichts ,  sondern  in  allen  ursprünglich 
mythischen  oder  mythisch-gewordenen  Stoffen  muss  nach 
bekannten  Grundsätzen  der  scheinbare  Zusammenhang  zu- 
nächst aufgelöst  und  die  in  diesen  scheinbaren  Zusam- 
menhang getretenen  einzelnen  Faktoren  müssen  für  sich 
betrachtet  werden.  —  Für  unseren  Zweck  ist  es  übrigens 
gleichgültig,  ob  man  uns  zugiebt,  dass  Bhatlijo  und  Pra- 
djota  ursprünglich  identisch  gewesen  seyen,  oder  nicht,  wenn 
wir  nur  das  Recht  wahren ,  ihn  auf  jene  28  folgen  zu 
lassen  und  uns  nicht  nöthigen  lassen,  statt  dieser  die 
Reihe  der  diesen  gleichzeitig  gesetzten  Magadhischen 
Könige  zu  zählen. 

In  diesem  Fall  erhalten  wir  28  raytliische  Könige  der 
ersten  Zeit  des  Kali  Juga.  Darauf  folgen  nach  Brah- 
manischen Berichten  5  mit  Pradjota  beginnende  Sunakasy 
auf  diese  10  Saisunagasy  auf  diese  10  Nandas,  also 
28  +  5+10  +  10,  im  Ganzen  53  Könige;  dann 
folgt  Tschandragupta.  Wir  sehen  also  dieselbe  Zahl  von 
Königen  ihm  vorausgehen,  welche  wir  nach  obiger  Ent- 
wickelung  des  Berichts  von  Megasthenes  erwarten  mussten. 

Ist  diese  Combination  richtig ,    so    existirte    zu    Me- 


t31 

gasthenes  Zeit,  um  es  kurz  ziLsammenzufassen,  folgendes, 
in  seinen  einzelnen  Theilen  mit  Indischer  Ueberlieferung 
und  Anschauungsweise  stimmende^  chronologische  System : 
1)  eine  Zeit  von  1000  3Iahäjuga^  deren  eins  durch  den 
noch  zu  Asokas  Zeit  gebräuchlichen  fünfjährigen  Cyclus 
gebildet  wurde.  In  dieser  Zeit  hätten  100  Könige  ge- 
herrscht, dann  eine  mythische  Zeit  in  welcher  28  Könige 
geherrscht  hätten;  endlich  eine  historische  Zeit  (seit  2 
Jahr  vor  Buddhas  Geburt  datirend),  in  welcher  25  Könige 
(nach  Brahmanischer  Annahme)  regiert  hätten  ;  die  beiden 
letzten  Perioden  umfassten   eine  Zeit   von  1055  Jahren. 

Thkodor  BKNrST. 


2^ 


Bemerkungen   über  dieselbe  IStelle  des 
Ifle^astlienes. 


Die  in  dem  vorhergehen  den  Artik'el  behandelte  Nach- 
richt des  Megasthenes  ist  die  einzige  aus  dera  Alterthume 
erhaltene,  von  einem  Ausländer  herrührende  Berichterstat- 
tung über  Altindische  Chronologie.  Bei  der  bekannten  Un- 
gewissheit  der  älteren  Indischen  Geschichte  und  der  Ver- 
wirrung ihrer  Zeitrechnung  wäre  es  allerdings  sehr  wichtig, 
ein  authentisches  wenn  auch  kurzes  Zeu^niss  eines  Fremden 
zu  besitzen,  aus  welchem  wir  ersehen  könnten,  auf  welche 
Weise  die  Inder  ehemals  ihre  historischen  Ueberlieferungen 
chronologisch  anordneten.  Wenn  dieses  Zeugniss  klarer 
und  unzweifelhafter  Auslegung  wäre,  besässen  wir  ein  vor- 
treffliches Mittel  um  zu  beurtheilen,  ob  die  jetzt  geltenden 
Indischen  Ueberlieferungen  schon  im  Alterthume  dieselben 
waren,  oder  ob  sie  seitdem  Veränderungen  unterworfen 
worden  sind.  Im  ersteren  Falle  wäre  zwar  noch  nicht  ihre 
historische  Wahrheit  erwiesen,  aber  doch  die  Treue  der 
jetzigen  Ueberlieferung,  und  diese,  so  gesichert,  wäre  ein 
gewichtiges  Moment  bei  der  Beurlheilung  des  Werthes 
jener  Ueberlieferungen  selbst. 

Da  Megasthenes  zur  Zeit  des  ersten  Seleukos  in  Indien 
war,  längere  Zeit  sich  dort  aufhielt  und  zwar  am  Hofo 
des  mächtigsten  damaligen  Indischen  Königs,  hatte  er  die 
beste  Gelegenheit,  über  Indische  Geschichte  sich  Kennt- 
niss  zu  verschaflfenj  er  sah  noch  das  alte  von  inncrn  re- 
ligiösen Umwälzungen  und  fremden  Eroberern  unberührte 
Indien;  sein  Zeugniss  müsste  höchst  wichtig  seyn,  wenn 
es  treu  berichtete  und  vollständig:  erhallen  wäre.  Das  letzte 


233 

ist  nun  schwerlich  der  Fall,  wir  besitzen  wohl  kaum  mehr 
als  einen  Auszug;  diesen  üebelstand  können  wir  nicht 
heben,  wir  müssen  zu  benutzen  suchen,  was  noch  vorliegt. 
Das  crstcre  dürfen  wir  nicht  läugncn,  so  lange  nicht  ein- 
leuchtende Gründe  un«  dazu  berechtigen  und  am  wenigsten 
dürfte  die  Krilik  deshalb  seine  Wahrheit  bestreiten,  weil 
etwa  das  Zeugniss  jetzigen  Indischen  Ueberlieferungen 
widerspräche.  Es  kommt  alles  auf  die  gründhchc  und  ge- 
naue Prüfung  an. 

Der  Verfasser  der  vorhergehenden  Abhandlung  hat,  so 
weit  mir  bekannt  ist^  zuerst  den  Versuch  gemacht,  Me- 
gasthenes  Nachricht  mit  vorhandenen  Indischen  in  Einklang 
zu  bringeil.  Dieses  Verfahren  ist  gewiss  das  allein  richtige ; 
wir  müssen  die  Indischen  Elemente  nachweisen, ausweichen 
Megasthenes  seine  Berichte  gezogen  hat,  iind  zeigen,  wie  er 
zu  dem  Er oebniss  gekommen  ist,  welches  er  darlegte;  sein 
Bericht  erhält  erst  dadurch  seine  w^alire  Bestä(igung  und 
eine  solche  ist  im  vorliegenden  Falle  um  so  unentbehrlicher, 
je  weniger  er  zu  den  Geschichtschreibern  des  Alterthums 
gehört^  denen  die  Alten  selbst  ein  unbedingtes  Zutrauen 
schenken. 

Megasthenes  Nachricht  weicht,  wie  auch  Hr.  Dr.  Benfey 
bemerkt,  sehr  von  alle  dem  ab,  welches  »wir  in  Bezug 
auf  die  ältere  Geschichte  in  den  einheimischen  bis  jetzt 
bekanntgewordenen  Quellen  Indiens  finden  j«  er  hält  jedoch 
diese  Abweichung  nur  für  scheinbar  und  glaubt  eine  Com- 
bination  gefunden  zu  haben,  »wodurch  jene  Nachricht 
einheimischen  in  dem  Wesentlichen  ihres  Inhalts  so  nahe 
tritt,  dass  sie  für  identisch  mit  ihnen  gelten  zu  dürfen 
scheint.«  Er  gewinnt  diese  Combination  nicht  aus  den  ge- 
wöhnUch  vorkommenden  Indischen  Darstellungen  der  alten 
Geschichte,  sondern  indem  er  einen  Theil  von  diesen  be- 
seitigt und  an  ihre  Stelle  andere,  einzeln  vorkommende 
und  weniger  beachtete  Angaben  setzt.  Ich  habe  gegen 
dieses  Verfahren   an  sich  nichts    einzuwenden;    die  Kritik 


234 


muss  ihr  Recht  so  schonungslos  gegen  die  Indische  wie 
gegen  jede  andere  Geschichte  ausüben;  nur  muss  sie  bei 
ihrem  Geschäfte^  sowohl  wenn  sie  überliefertes  zerstört, 
als  wenn  sie  eigenes  statt  dessen  aufbaut^  gegen  sich  selbst 
ebenso  strenge  verfahren  und  ihre  eigenen  Grundlagen  ebenso 
scharf  untersuchen,  wie  die  Ueberlieferungen,  welche  sie 
prüft. 

Ueber  die  in  Frage  stehende  Stelle  des  Megasthenes 
habe  ich  seit  langer  Zeit  mir  eine  Ansicht  gebildet,  die  von 
der  von  Herrn  Dr.  Benfey  vorgetragenen  ziemlich  ver- 
schieden ist.  Da  er  selbst  zu  einer  Prüfung  der  seinigen 
auffordert,  ich  es  auch  für  wichtig  halte,  jene  Stelle 
genügend  erklärt  zu  sehen  und  diese  nun  einmal  zur  Sprache 
gebracht  ist,  sey  es  mir  erlaubt,  meine  Bemerkungen  hier 
soffleich  anzuschliessen.  Es  kommt  dann  vielleicht  ein 
Dritter  und  findet  eine  allen  genügende  Erklärung.  Ich  be- 
schränke mich  dabei  ganz  auf  das  zur  Sprache  gehörige; 
Hr.  Dr.  Benfey  knüpft  an  seine  Erklärung  mehrere  Fol- 
gerungen ,  die  im  weiteren  Umfange  in  die  Kritik  der 
Altindischen  Geschichte  eingreifen;  diese  hier  zu  prüfen, 
würde  weiter,  als  hier  zulässig  ist,  von  dem  eigentlichen 
Gegenstande  abführen;  die  vorgetragene  Erklärung  der 
Mcgasthenischcn  Stelle  selbst  muss  aber  hier  geprüft 
werden. 

Ehe  ich  die  einzelnen  Punkte  der  versuchten  Combination 
durchgehe,  muss  ich  zwei  allgemeine  Bemerkungen  voraus- 
schicken. Erstens  verbindet  Hr.  Dr.  Benfey  Brahmanische 
und  Buddhistische  Elemente;  seine  grösste  Periode  ist  den 
Buddhisten  entlehnt,  er  beginnt  die  historische  Zeitrechnung 
mit  der  Geburt  Buddha's.  Die  Verbindung  so  widerstrebender 
Elemente  ist  im  Allgemeinen  bedenklich ;  ich  will  aber  hier 
nur  in  Beziehung  auf  den  besonders  vorliegenden  Fall 
hervorheben,  dass  eine  Zeitrechnung  nach  Buddha's  Geburt 
bei  den  Buddhisten  selbst  nicht  vorkommt;  sie  rechnen 
nach   seinem   Tode,   nach  dem  Jahre  seiner    Verklarung; 


235 

ebenso  die  G'aina  nach  dem  Möxa  ihrer  Tirthankara.  Dann 
sind  wir  ehenso  wenig  berechtigt,  eine  Buddhistische  Zeit- 
rechnung zur  Zeit  des  3Iegasthcnes  bei  einem  Brahmani- 
schen Könige  anzunehmen.  Kandragupta  war  nach  allen 
Nachrichten  ein  Brahmanischer  König  und  an  seinem  Hofe 
galt  gewiss  keine  Buddhistische  Chronologie,-  es  ist  über- 
haupt keine  Spur,  dass  die  Brahmanen  diese  je  angenom- 
men hätten.  Es  ist  mir  daher  sehr  unwahrscheinlich,  dass 
Megasthenes  bei  den  Brahmanen  in  Pataliputra  eine  Zeit- 
rechnung nach  Buddhistischem  Princip  vorfand  und  noch 
mehr,  dass  diese  mit  der  Geburt  des  Buddha  anfing. 

Ich  bemerke  zweitens,  dass  Hr.  Dr.  Benfey  bei  seiner 
Erklärung  nur  auf  einen  Theil  der  Xachricht:  die  Gesammt- 
zahl  der  Jahre  und  Könige  zwischen  dem  Dionysos  und 
K'andragupta  Rücksicht  nimmt.  Aus  Megasthenes  sind 
aber  ausserdem  bei  Arrian  andere  Angaben  über  die  ältere 
Indische  Geschichte  und  Chronologie  erhalten,  die  uns, 
wenn  ich  nicht  irre,  eine  viel  bessere  Einsicht  in  die  Art 
der  ihm  zugekommenen  Mittheilungen  giebt,  als  jene  Zah- 
len. Diese  übrigen  Angaben  vertragen  sich  aber  wenig  mit 
dem  angenommenen  Systeme  und  hätten  jedenfalls  berück- 
sichtigt werden  müssen,  um  die  aus  ihnen  hernehmbaren 
Einwürfe  zu  beseitigen. 

Ich  wende  mich  nun  zu  der  Erklärung  der  Stelle  des 
Megasthenes  selbst  uud  trenne,  wie  Hr.  Dr.  Benfey,  die 
Angabe  über  die  Jahre  von  der  über  die  Zahl  der  Könige. 

Die  6042  oder  6451^^4  Jahre  von  Dionysos  bis  auf 
Kandragupta  werden  zerlegt  a)  in  eine  Zeit  von  1000 
Mahäjuga,  deren  jedes  durch  den  noch  zu  A^öka's  Zeit  ge- 
bräuchUcheu  füijQ  ährigen  Cyclus  gebildet  worden  sey.  Dann 
b)  eine  mythische  Zeit,  in  welcher  28  Könige  geherrscht 
hätten;  c)  endlich  eine  historische  Zeit  (seit  2 Jahren  vor 
Buddhas  Geburt  datirend),  in  welcher  25  Könige  (nach 
Brahmanischer  Angabe)  regierten;  die  beiden  letzten  Pe- 
rioden  umfassten  eine   Zeit   von   1055  Jahre.     (S.  231.)- 


236 


Diese  Jahre  werden  zusammengesetzt  aus  der  Angabe,  dass 
zwischen  dem  Parixit  oder  dem  Anfange  des  Kalijuga  bis 
auf  Nanda  1015  Jahre  verflossen  seyen  5  von  Nanda  auf 
K'andragupta  40.  (S.  222.).  Die  verschiedene  Zahl  bei  Arrian 
und  Plinius  wird  endlich  durch  die  Annahme  ausgeglichen, 
dass  Plinius  in  den  Zehnern  das  richtige  bewahrt  habe,  in 
den  Hunderten  aber  ein  Fehler  sey.  (S.225.).  Die  nach  Ab- 
zug der  5000  übrig  bleibende  1051  Jahre  entsprächen  da- 
durch so  ziemlich  den  obigen  1055  nach  Indischen  An- 
gaben. 

a)  In  Beziehung  auf  die  Vermuthung,  dass  eine  Pe- 
riode von  5000  Jahren  ehemals  an  die  Spitze  der  Indischen 
Zeitrechnung  gesetzt  gewesen  sey,  bemerke  ich  folgendes. 
Eine  solche  Periode  kommt  nirgends  als  gebräuchlich  bei 
den  Indern  vor  und  wird  allein  auf  die  Vermuthung  ge- 
gründet, dass  der  fünfjährige  Cyclus  mit  1000  multipHcirt 
worden  sey.  Der  kleine  Cyclus  von  5  Jahren  ist  allerdings 
wirklich  im  Gebrauch  gewesen  und  der  älteste,  von  wel- 
chem wir  in  Indien  wissen.  Auf  ihn  gründet  sich  der  Fest- 
Kalender  der  Veda,  wie  schon  Colebrooke  aus  einander 
gesetzt  hat;  er  kommt  sowohl  in  G  j'Stis  vor  als  in  Gebeten 
und  die  einzelnen  Jahre  haben  besondere  Namen.  Wie  so 
viele  Einrichtungen  ist  auch  er  von  den  Brahmanen  zu  den 
Buddhisten  übergegangen  und  von  diesen  mit  ihren  Mis- 
sionen auswärts  verbreitet  worden ;  alle  fünf  Jahre  hielten 
sie  grosse  religiöse  Zusammenkünfte^).  Auf  ihn  gründen 
sich  die  Cyclen  des  Parä^ara,  die  zuletzt  auf  die  gewöhn- 
lichen grossen  Perioden  hinauslaufen.  Dass  auf  ihn  ein  be- 
sonderes Jugasystem  begründet  worden  sey,  beruht  auf 
der  zweifelhaften  Auctorität  Bentley's  und  kommt  schwerlich 
in  der  Form,  wie  er  es  darstellt,  wirklich  in  astronomischen 
Werken   vor.     Aber  auch    zuzugeben,   dass   das  von  ihm 


1)  Fahian   ist    bei  ciucr   snichcn     Versammlung   gcgeuwärtig   in 
Kietclia  uder  Iskardii.  S.  Foe  K.  K.  p.  2(i. 


237 

aus  einander  gesetzte  Jugasystera  wirklich  so  vorkam,  so 
finden  wir  nirgends  eine  wirkliche  Anwendung  davon  ge- 
macht und  wenn  er  es  für  eines  der  ältesten  Systeme  er- 
klärt, so  entbehrt  diese  Behauptung  bis  jetzt  jeder  ander- 
weitigen Bestätigung  *).  Wir  können  dieses  hier  ununter- 
sucht  lassen  ,  da  Hr.  Dr.  Benfey  nicht  die  oOOOjährige 
Periode,  wie  sie  bei  Bentley  für  das  Kalpa  oder  einen  Tag 
des  Brahma  vorkommt^  annimmt,  sondern  eine  solche  ent- 
stehen lässt,  indem  der  fünfjährige  Cyclus  mit  1000  mul- 
tiplicirt  Worden  sey.  Dieses  ist  nun  zwar  an  und  für  sich 
möglich^  es  fehlen  aber  nicht  nur  Beweise  für  ihre  An- 
wendung zur  Zeitrechnung  zu  irgend  einer  Zeit  bei  den 
Biahmanen,  sondern  die  ganze  Einrichtung  des  Indischen 
Jugasystems  macht  es  unwahrscheinlich,  dass  sie  je  im 
Gebrauch  gewesen  sey.  Es  wird  dafür  angeführt ,  dass 
Buddha  seiner  Lehre  einen  Bestand  von  5000  Jahren  pro- 
phezeit habe.  Dieses  ist  richtig,  aber  weder  wird  diese  Pe- 
riode weiter  in  der  Buddhistischen  Zeilrechnung  gebraucht, 
noch  kommt  sie  sonst  bei  den  Buddhisten  vor;  die  dem 
jetzigen  Buddha  vorhergehende  Periode  —  und  diese  hätte 


1)  Bentlkv  spricht  »n  der  angeführten  Stelle  ausser  dem  bekann- 
ten Juga«ysteme  von  zwei  besondern,  wiilche  er  aus  dem  sonst 
nicht  bekannten  astronomischen  Buche  Graha  Mang'arl  zieht 
and  {As.  Res.  VIII,  224.)  „zwei  der  ältesten  jetzt  bekannten 
Indischen  Systeme,  welche  in  frühen  Zeiten  zu  chronologischen 
Zwecken  gebraucht  worden  sind/'  nennt.  Es  ist  dabei  bedenk- 
lich, dass  nur  er  und  sonst  niemand  von  einem  solchen  Ge- 
^  brauche  etwas  weiss.  Wenn  er  weiter  bei  dem  zweiten  dieser 
Systeme  ein  Juga  y^a  5  Jahren  Makajiiga  oder  grossen  Cyclus 
nennt  und  diesen  aus  einem  Satja  von  2,  einem  Tretä  von  l'/j, 
einemDväpara  vor  1  und  einem  Kalijuga  von  '/i  Jahre  construirt, 
seist  dieses  wohl  unmöglich  so  in  dem  Buche  selb5t  dargestellt. 
Ein  Weltalter  von  einem  halben  Jahre!  Die  für  ihn  günstigste 
Annahme  ist,  dass  er  Götterjahre  ohne  weiteres  in  menschliche 
verwandelt  hHt,  doch  niuss  ich  solchen,  denen  das  Original- 
Werk  zugänglich  ist,  überlassen,  dieses  aufzuklären. 


238 

man  doch  wohl  zunächst  hier  gewählt,  wenn  man  eine  Zeit- 
rechnung aus  Buddhistischen  Elementen  zusammensetzte  — 
ist  eine  unendlich  grosse ;  die  5000  Jahre  bilden  nur  einen 
kleinen  Theil  des  jetzigen  Weltalters,  welches  bis  zur  Er- 
neuerung und  der  Erscheinung  eines  neuen  Buddha  eben- 
falls eine  unendliche  Reihe  von  Jahren  zu  durchlaufen  hat')- 

Das  Verhältniss  der  Weltalter  oder  untergeordneten 
Perioden  ist  stets  das  von  4:  3:  2:  1.  Wenn  die  grosse 
Periode  von  5000  Jahren  eine  wirklich  gebrauchte  war, 
müssen  wir  auch  für  sie  eine  Theilung  in  die  vier  Welt- 
alter mit  ihren  Morgen-  und  Abend -Dämmerungen  an- 
nehmen; wir  erhalten  hier  dafür  eine  erste  Periode  von 
1600  +  200  +  200,  eine  zweite  von  1200  +  150  +  150,  eine 
dritte  von  800  +  100  +  100,  eine  vierte  von  400  +  50  +  50. 
Es  ist  hier  zwar  das  Zahlen- Verhältniss  der  einzelnen  Juffa 
zu  einander  aufrecht  erhalten^  aber  ich  glaube,  man  kann 
ohne  Bedenken  die  Behauptung  aufstellen,  dass  wenn  die 
Brahraancn  erst  einmal  anfingen  für  ihre  Vorstellung  von 
den  vier  Weltaltern  Zahlen  zu  suchen,  sie  nie  mit  halben 
Hunderten  dabei  rechneten.  Das  einfache  Verhältniss  von 
4,  3,  2,  1.  gab  mit  1000  und  100  multiplicirt  die  natür- 
lichste Form  der  Juga  und  der  Dämmerungen,  wie  es  im 
gewöhnlichen  System  vorliegt  und  dieses  ist  gewiss  das 
älteste  System,  wie  das  einfachste. 

Man  könnte  nun  zwar  sagen,  dass  auf  jene  erste  Pe- 
riode von  5000  Jahren,  die  Megasthenes  vorgefunden  haben 
soll,  die  Eintheilung  in  vier  kleinere  Juga  nicht  angewendet 
worden  sei.  Es  fiele  somit  der  obige  Grund ,  die  Künst- 
lichkeit des  Systems,  weg.  Wir  werden  aber  sehen,  dass 
Megasthenes  die  ganze  Indische  Zq^rechnung  in  vier  Pe- 
rioden einiheilt  und  in  diesen  noch  die  Dämmerungen  un- 
terscheidet; er  setzt  drei  solche  frühere  Perioden  als  ab- 
gelaufen i  durch  eine  Theilung  mit  3  wird  aber  eine  Periode 
von  5000  Jahren  ganz  uuhaudtirlich. 


])  S.  Turnour's  Mahävanaa,  introd.  p.  XXVIII. 


239 

Ich  halte  nach  dieser  Auseinandersetzung  die  Annahme 
einer  solchen  ftinftausendjährigen  Periode  für  sehr  unwahr- 
scheinlich. 

b)  Die  zunächst  folgende  Zahl  1015  wird  in  den  Pnrana 
für  die  Zelt,  die  zwischen  dem  Regierungsantritte  des  Parixit, 
des  ersten  Königs  im  Kalijuga,  und  der  Krönung  des  Nanda 
verflossen  sey,  angegeben.  Da  ich  selbst  diese  für  die  ein- 
zig brauchbare  chronolosrischc  Ausgabe  dieser  Werke  über 
die  ältere  Zeit  halte,  habe  ich  über  sie  hier  nichts  weiter 
zu  bemerken,  als  dass  Hr.  Dr.  Benfey  Recht  hat,  die  Va- 
rianten, die  bei  ihr  vorkommen,  zu  verwerfen;  die  astro- 
nomischen Angaben,  die  dabei  erhalten  sind,  zeigen ,  dass 
nur  1013  richtig  seyn  kann.  Ich  glaube,  wir  müssen  uns 
an  diese  Zahl  allein  halten.  Die  übrigen  Angaben,  wodurch 
diese  Bestimmung  des  Anfangs  des  Kalijuga  gestützt  wer- 
den soll ,  muss  man  ganz  bei  Seite  liegen  lassen.  Man 
geht  dabei  von  der  Annahme  aus,  dass  sich  später  einzelne 
Angaben  über  eine  andere  Festsetzung  des  Anfangs  des 
Kalijuga,  als  die  gewöhnliche  d.  18.  Februar  3102  vor  Chr. 
G.,  noch  erhallen  hätten.  Ich  halte  diese  Annahme  für  un- 
begründet. Wenn  Hr.  Dr.  Benfey  sagt,  CS-221.),  die  Be- 
stimmung des  Kalijuga  sey  spät,  so  kommt  es  darauf  an^ 
was  er  spät  nennt;  dass  sie  nicht  ursprünglich  war  ,  ist 
sicher;  Varähamihira  ist  der  erste,  von  dem  wir  wissen, 
dass  er  sich  des  ^äka  bediente;  Ärjabhatta  rechnete  noch 
nach  dem  Kali  und  da  er  gewiss  diese  Zeitrechnung  vor- 
fand, war  sie  älter  als  er.  Ich  trage  daher  kein  Bedenken 
zu  behaupten,  dass  die  Festsetzung  des  Kali  wie  sie  noch 
gilt  in  den  ersten  Jahrhunderten  unserer  Aera  schon  ge- 
schehen war;  wie  viel  sie  älter  sey,  lässt  sich  nicht,  we- 
nigstens jetzt  noch  nicht,  bestimmen.  Nach  welchem  Grund- 
satze der  Anfang  des  Kali  bestimmt  wurde,  ist  auch  nicht 
klar;  es  ist  wahrscheinlich,  dass  man  dabei  astronomische 
Ueberlieferungen  zu  Grunde  gelegt  hat.  Die  Lehre  von 
den  Weltaltern  und  ihrer  Reihenfolge  muss  natürlich  viel 
älter  seyn ,  als  die  Festsetzung  eines   bestimmten  Jahres 


240 

für  den  Anfang  des  jetzigen.  In  den  Stellen  aus  Arja- 
bhatta  erscheint  der  Anfang  des  Kali  als  gleichzeitig  mit 
dem  Ende  des  grossen  Krieges  der  Kaurava  und  Pandäva 
oder  dem  allgemeinen  Untergange  der  königlichen  Dynastien^ 
mit  welchem  das  Bhärata  schliesst;  in  der  Einleitung  zu 
diesem  Gedichte  wird  der  Kriea:  in  die  Ueberffansfszeit  xon 
Dvapara  zu  Kali  gesetzt,  und  es  lässt  sich  leicht  aus  den  er- 
haltenen Ueb erlief erungen  über  die  Vorzeit  zeigen,  dafs  in 
der  Vorstellung  der  Inder  die  Gränzscheide  für  die  heroische 
Sagenreiche  Vorzeit  eben  das  Ende  jenes  grossen  Krieges 
ist;  aus  der  nachfolgenden  Zeit  erscheinen  nur  Verzeich- 
nisse von  Namen,  die  von  keinen  Sagen  getragen  werden. 
Es  konnte  sich  daher  auch  leicht  der  Anfang  des  jetzigen 
Weltalters,  für  welchen  ein  äusseres  Ereigniss  gesucht 
wurde,  mit  dem  Ende  des  grossen  Krieges  in  der  Vor- 
stellung vereinigen;  die  Zeit  dieses  Krieges  musste  sodann 
den  Bestimmungen  über  das  Kali  folgen  und  so  wurden 
die  Ueberlieferungen,  die  sich  auf  die  Zeit  nach  dem 
Kriege  bezogen,  mit  ihm  in  ein  viel  zu  hohes  Alterthum 
zurückgeschoben . 

Die  noch  geltende  Festsetzung  des  Kali  und  des  grossen 
Krieges  wird  nicht  auf  einmal  überall  durchgedrungen  seyn 
und  dass  man  früher  abweichende  chronologische  Ueber- 
Heferuuffen  darüber  hatte,  lässt  sich  wohl  mit  Zuversicht 
behaupten.  Die  angeführte  Angabe  über  die  Zeit  zwischen 
Parixit  und  Nanda  lässt  sich  als  eine  solche  betrachten. 
Ich  kenne  sonst  nur  eine  von  der  gewöhnlichen  abwei- 
chende Angabe  über  das  Ende  des  grossen  Krieges;  diese 
kommt  in  der  Chronik  von  Kashmir  vor  und  setzt  den 
grossen  Krieg  in  das  Jahr  2448  vor  Chr.  G.  oder  053  Jahre 
nach  dem  Anfange  des  Kali.  Diese  Bestimmung  gründet 
sich  aber  auf  die  eingebildete  Bewegung  der  sieben  Rishi 
und  hat  daher  keine  Gültigkeit;  sie  wird  auf  den  Astro- 
nomen Varäha  Mihira  zurückgeführ( ;  für  das  Kali  hat  die- 
ser die  gewöhnliche  Bestimmung. 

Die  Zeitrechnung  nach   dem  Kali  ist  noch  im  Dckhan 


241 

vielfach  im  Gebrauche  neben  dem  ^akaO  und  überall 
gleichförmig.  Er  ist  wenig  wahrscheinlich,  dass  nachdem 
diese  Aera  so  lange  im  Gebrauche  gewesen  und  nie  auf- 
gehört hat,  gebraucht  zu  werden^  in  späteren  Werken  ab- 
weichende Angaben  über  ihren  Anfang  vorkommen  sollten. 
Wir  wollen  diese  nun  näher  untersuchen. 

Eine  Angabe,  welche  m  der  vorhergehenden  Abhand- 
lung interessant  genannt,  aber  nicht  weiter  gebraucht  wor- 
den ist,  stammt  von  Wilford  her  2)  5  er  führt  ein  chrono- 
logisches Verzeichniss  aus  Assam  an,  welches  die  Gaina 
nach  ihren  Ideen  gemodelt  haben  sollen;  in  ihm  kommen 
ein  Mitrasaha  und  Nrisiuha  vor^  die  er  zu  G  ina  und  Gau- 
tama  macht;  die  Gaina  sollen  den  Anfang  des  Kalijuga 
entweder  1078  oder  1219  vor  Chr.  G.  setzen.  Wilford 
macht  also  den  Mitrasaha  und  Nrisinha  zu  den  zwei  letzten 
Tirthankara  der  Gaina;  diese  heissen  abeur  ganz  anders, 
die  Gaina  geben  für  beide  andere  Zeitbestimmungen,  sie 
haben  ganz  andere  grosse  Perioden,  als  die  Brahmanen 
und,  wie  überall  bei  AVilford,  weiss  man  nicht,  was  er  in 
seinen  Quellen  vorfand  und  was  er  ohne  weiteres  aus 
seinem  eigenen  Kopfe  einschob.  Es  ist  nur  sicher^  dass 
man  mit  seinen  Angaben  nichts  anfangen  kann. 

Aus  Wilford  ist  auch  die  Angabc  entlehnt,  dass  die 
Regierung  des  Kandragupta  1055  nach  dem  Kalijuga  in 
den  Puräna  gesetzt  werde  33.  Dieses  steht  aber  nirgends 
in  den  Puräna,  sondern  ist  nur  Wilford's  Rechnung;  er 
giebt  der  Nanda-Dynastie  40  Jahre  und  bringt  also  aus  der 
obigen  Zahl  1015  mit  40  diese  Angabe  heraus. 

Eine  dritte  Angabe  findet  sich  in  einer  Tamulischen 
Handschrift,  welche  eine  Geschichte  K'öla's  enthält  und 
von  William  Taylor  ausgezogen  worden  ist*).  Es  ist  eine 


1).S.  JoH.v  Wabrex,  Kala  Sankalita.  Madras.  1825.  p.  18. 

2)  As.  Res.  IX,  209. 

3)  Ebend.  IX,  86.  87. 

4)  As.  Journ.  of  B.  Vn,S71.fgd.  Die  im  Text  besprochene  SteUe 
steht  p.  376. 

V.  16 


242 

ganz  späte  Schrift,  welche  nach  der  Herrschaft  der  Mu- 
hammedaner  im  Dekhan  geschrieben  ist.  Sie  beginnt  mit 
Legenden  von  Vikramaditja  und  ^älivähana,  die  in 
vielen  Punkten  von  den  sonst  vorkommenden  abweichen. 
Sie  setzt  den  Tod  des  Cälivähana  in  das  Kalijahr  1443. 
Dieses  gäbe  1365  vor  Chr.  G.  als  Anfang  des  Kali^). 
Taylor  fügt  hinzu,  dass  diese  Zahl  nicht  in  Zahlen,  son- 
dern in  Worten  geschrieben  sey.  Dieses  mag  seyn,  sie 
ist  aber  dessen  ungeachtet  falsch,  weil  sie  mit  den  übrigen 
Daten  der  Handschrift  im  Widerspruch  steht.  Sie  setzt 
eine  Reihe  von  25  Königen  zwischen  Xira.  Kola,  dem  Zeit- 
genossen ^älivähana's,  und  Uttama-Kola,  der  im  Kalijahre 
3535  starb  oder  434  nach  Chr.  G.  Wenn  jene  erste  Zahl 
richtig  wäre,  würde  jedem  dieser  25  ganz  menschhchea 
Könige  über  141  Jahre  Regierungszeit  gegeben  werden} 
giebt  man  ihnen  eine  natürliche,  etwa  15,  erhält  man  ohn- 
gefähr  die  gewöhnliche  Epoche  des  ^älivähana.  Den 
Nachfolgern  des  ^älivähana  giebt  die  Handschrift  1442 
Jahre,  also  so  viel  als  vom  Anfange  des  Kali  bis  auf  ihn; 
dieses  zeigte  dass  ein  willkührliches  Spiel  mit  Zahlen  in 
Beziehung  auf  den   Cälivähana  getrieben  worden  ist. 

c)  Die  dritte  Zahl,  die  40  Jahre  der  Dynastie  der 
Nanda^  wird  theils  auf  die  Buddhistischen  Angaben,  theils 
auf  Wilford-s  begründet.  Ich  kann  aber  keine  von  beiden 
gelten  lassen.  Wilford  kann  die  Angabe,  dass  N^anda  28, 
seine  Söhne  zusammen  12  Jahre  regierten,  nicht  aus  den 
Puräna  haben;  denn  diese  geben  der  Dynastie  einstimmig 
die  Gesammtzahl  1GÜ°).  Wilford  hat  also  die  Angabe 
nicht  aus  den  Puräna,  sondern  aus  sich  selbst.  Wie  kann 


1)  So  auch  James  Prinskp,  der  auch  auf  diese  Stelle  aufmerksam 
gemacht  hat.  Die  Rechnung  ist  aber  nicht  ganz  richtig,  da  die 
Handschrift  den  Tod  ^älivuhaua's  in  Kali  1443  setzt,  seine 
Epoche  aber,  die  78  nach  Chr.  6.  beginnt,  nicht  von  seinem 
Tode,  sondern  von  seinem  Siege  über  die  ^aka  datirt. 

8)  WiLSOW,  Vishnu  P.  p.  468. 


243 


man  aber  auf  die  Angabe  eines  Mannes  bauen ,  der  auf 
derselben  Seite  eben  dieser  Dynastie  137  oder  139  Jahre 
zuschreibt,  ebenfalls  aus  den  Purana  ')? 

Mit  der  zweiten  Angabe^  der  Buddhistischen,  hat  es 
folgende  Bewandniss:  die  Buddhistischen  Geschichten  geben 
der  Dynastie  der  9  Xanda  zusammen  22  Jahre  "1;  vor  ihnen 
setzen  sie  eine  Gesammtregierung  von  10  Brüdern  mit 
ebenso  viel  Jahren.  Wir  dürfen  aber  diese  zwei  Dynastien 
nicht  zusammenrechnen,  als  wären  sie  nur  eine;  die  voll- 
ständiger erhaltenen  Buddhistischen  Quellen  halten  sie  aus 
einander.     Ihre  Zahlen    haben    aber  hier   noch  geringeren 


1)  Ax.  Res.  IX,  87.  Nach  der  ersten  Angabe  fügt  er   eine   Stelle 
aus  dem  Brahmända  Puräna  an;  ich  setze  die  Worte  her:    the 
trords  are  these:    .„Front  the  birih  of  Paricshit  to   Nanda 
(_I  suppose  his  accession  to  the  throne)  there  will    be   1015 
years;  from  Xanda  to  Pitloma  and  the  Ändhras,  836  years." 
Nanda  died  397  years  B.  C.  and  Puloma  in    the  year  648, 
according  to  the  annalsof  China  ;  the  difference  is  975  years, 
instead  of  836.  If  we  suppose,  that  the  836  years  are  to  be 
recJioned,  from  the  end  of  the   dynasty   of  Xanda,  instead 
of  the  death  of  their   progenitor ,    the  numhers   will    agree 
perfectly  tcell.     This  dynasty   lasted,   ei t her  137,  or  i39 
y ears,  according  to   the  Puränas;    tchich,   added  to 
836,  give  exactly  970,  the  number  of  years  required.  Frei- 
lieb, wenn  man  in  den  Puräna  liest,  was  man  gerade  braucht! 
2)  Mahävansa,  cap.  V.  p.  21.  „Kaläsoka  hatte  10  Söhne,   sie  re- 
gierten zusammen  28  Jahre.  Darauf  folgten  9  Brüder,  die  nach 
der  Reihe  Könige  wurden  und  22  Jahre  regierten."  Diese  letzten 
sind  die  9  Nanda.  Im  Commentare  zu   der  Stelle    (s.  bei  Tüb- 
NOUR,  infrod.  p.  XXXVin.)  heisst  es:  „Käläsoka's  Söhne  waren 
10  Brüder.  Die  Benennung  9  Nanda  stammt  daher,  dass  9  von 
ihnen  diese  patronymische  Benennung  hatten.'^  Sie  werden  hier 
also  mit  den  Söhnen  des  Käläsoka  verwechselt.  Im  Dipavansa 
sind  sie  ganz  ausgelassen.    S.  As.J.  ofB.  VII,  930.  Die  Barma- 
nisch-Buddhistische    Geschichte   setzt    Bhadrasena,    den   Sohn 
Käläsoka's  und   9  Brilder   zusammen    mit  22  Jahren,   dann  9 
Nanda  mit  22  Jahren.  S.  As.  Res.  XX,  p.  170. 


244 

Werlh  als  die  Bralimanischeii,  weil  sie  offenbar  zwei  Reihen 
von  Königen  und  ihre  Jahre  mit  einander  verwechseln. 

Es  ergiebt  sich  hieraus,  dass  die  Annahme^  1055  Jahre 
würden  von  Parixit  bis  auf  die  Regierung  des  Kandra- 
gupta  gerechnet,  einer  sicheren  Grundlage  entbehrt.  Eben- 
so unsicher  ist  die  Zahl  des  Megasthenes  selbst  ,  die  in 
doppelter  Gestalt  vorliegt,  und  die  Annahme  einer  an  die 
Spitze  der  Indischen  Zeitrechnung  gestellten  grossen  Pe- 
riode von  5000  Jahren.  Ich  glaube  daher,  dass  die  vor- 
geschlagene Erklärung  der  Nachricht  des  Megasthenes  nicht 
genüge  und  wir  nicht  berechtigt  seyen,  auf  diese  ein  so 
ganz  von  allen  einheimischen  Berichten  abweichendes  Sy- 
stem der  Indischen  Chronologie  zu  bauen. 

Ich  komme  zur  Zahl  der  Könige]  da  hier  beide  Angaben 
für  153  sprechen  und  die  Variante  154  ohnehin  keinen  we- 
sentlichen Unterschied  machte  können  wir  die  erste  als  die 
wirklich  von  Megasthenes  überlieferte  betrachten. 

Hr.  Dr.  Benfey  erklärt  die  Zahl  der  Könige  auf  fol- 
gende Weise.  Erst  werden  100  Könige  angenommen  für 
die  Periode  von  5000  Jahre ,  jeder  mit  einer  Regierung 
von  50  Jahren;  dann  28  mythische  Könige  ;  dann  eine  Reihe 
historischer  Könige,  die  5  ^unaka  (Pradjötaund  4  andere), 
10  ^ai^unaga  und  10  Nanda.  Die  historische  Zeit  fängt 
mit  Pradjöta  an,  der  2  Jahre  vor  Buddha's  Geburt  zu  re- 
gieren anfing.  (S.  S.  226—230.). 

Wir  wollen  die  zwei  Punkte  einzeln  untersuchen  j 
erst  die  Zahl  der  Könige,  zweitens  die  Zeit  des  Pradjöta. 

Eine  Reihe  von  100  Könige  kommt  nirgends  in  den 
Indischen  Ueberlieferungen  vor;  die  Wahrscheinlichkeit 
dieser  Vermuthung  steigt  oder  sinkt  mit  der  vermulheten 
grossen  Periode;  dann  muss  auch  die  übrig  bleibende  Zahl 
der  Könige  53  seyn,  um  sie  zu  rechtfertigen. 

Die  5  ^unaka  und  10  ^ai9unäga  kommen  so  vor  in  den 
Brahmanischen  Verzeichnissen  der  Könige  von  Magadha, 
es  ist  gegen  sie  nichts  zu  erinnern.  Von  den  Nanda  wer- 


145 

de»  aber  nie  in  diesen  Verzeichnissen  10  gezählt,  nur  9^ 
hierin  stimmen  Buddhisten  und  Brahmanen  H.  Doch  kommt 
auf  diesen  einen  weniger  hier  nicht  viel  an.  Die  wich- 
lige  Zahl  ist  hier  die  der  28  Könige^  die  nicht  in  den  In- 
dischen Verzeichnissen  an  dieser  Stelle  vorkommen,  son- 
dern von  Hrn.  Dr.  Benfey  hieher  gestellt  werden.  Die 
Indische  Ueberlieferung  setzt  als  Dynastie  von  Magadha, 
welche  der  der  9""*^**^  vorhergegangen ,  eine  andere, 
Varhadratha  genannt;  sie  zählt  von  ihr  in  Kalijuga  20 
oder  21  Könijje,  nur  ein  Puräna  giebt  32  als  Gesamral- 
zahl,  ohne  so  vielXamon  zu  enthalten;  kein  einziges  giebt 
28').  Dagegen  hat  sie  als  Nachfolger  der  Pändava  in 
Kalijuga  eine  Dynastie,  die  von  Parixit  28  Könige  enthält. 
Diese  wird  an  die  Stelle  der  gleichzeitigen  Dvnastie  von 
Magadha  gesetzt;  die  Gründe  sind  folgende. 

1.  Die  Buddhistischen  Berichte  kennen  sie  nicht  und 
diese  sind  älter  als  die  Brahmanischen.  Trotz  dieser  be- 
stimmten Behauptung  nehme  ich  mir  die  Freiheit  zu  glau- 
ben^ dass  die  Buddhistischen  Verzeichnisse  der  Könige 
vor  Buddha's  Geburt  nicht  einmal  den  Werth  der  Brah- 
manischen haben ,  den  nämlich ,  in  einer  spätem  Zeit 
wirklich  allgemein  geltende  Ueberlieferung  gewesen  zu 
seyu,  und  dass  sie  aus  Brahmanischen  Elementen  mit  vie- 
len Erdichtungen  willkührlich  erweitert  worden  sind.  Ich 
brauche  dieses  hier  aber  nicht  weiter  zu  verfolgen,  da  ich 
sogleich  zeigen  werde,  dass  die  Buddhisten  früher,  als 
Hr.  Dr.  Benfey  zugeben  will,  Könige  in  Magadha  erwäh- 
nen, nur  mit  anderen  Namen.  Denn  wenn  zweitens  be- 
hauptet wird,  die  Buddhistischen  Berichte  könnten  unmög- 
lich der  frühesten  Dynastie  erwähnen,  weil  sie  erst  das 
Reich  von  Magadha  mit  Nanda  anfangen,  so  ist  dem  eut- 


1)  Daher  Nava-Nanda,  die  9  Nanda,  Mahävansa,  iMfrod.f.Lll. 

woraus  Turnour  einen  einzigen  Namen  macht. 
8)  Wilson,  Vishnu  P.  p.  -165 


246 

gegenzustellen,  dass  sie  es  wirklich  thun.  Denn  was  ist 
Räg'agriha  anders  als  das  Reich  von  Magadha  ?  Wenn  sie 
also  Bhattija,  Bimbasära  und  Ag'äta9atru  0  in  Räg'agriha 
residiren  lassen,  so  machen  sie  sie  zu  Königen  von  Ma- 
gadha. Wäre  es  nun  auch  sicher  dass  Nanda  zuerst  Pata- 
liputra  zur  Hauptstadt  gemacht  habe,  so  wäre  das  nur  ein 
Wechsel  der  Residenz,  wie  der  Dynastie  und  das  Reich 
Magadha  bestand  schon  früher.  Wir  haben  aber  auch  hier 
einen  anderen,  und  weit  sichereren  Bericht,  den  der  Chine- 
sischen Pilger,  die  an  Ort  und  Stelle  waren,  dass  Kalä9Ök.a 
die  Residenz  nach  Pataliputra  •  verlegt  habe  2).  Es  mag 
auch  einmal  die  Residenz  in  Vai9äli  gewesen  seyn,  wel- 
ches ja  ganz  nahe  liegt;  es  kann  nichts  desto  weniger 
Reich  von  Magadha  heifsen,  wenn  die  dort  herrschende 
Dynastie  Magadha  beherrschte.  Wenn  nun  unter  den 
mythischen  Dynastien  der  Buddhisten  eine  von  Räg'agriha 
vorkommt,  so  ist  auch  hier  nichts  als  Magadha  gemeint. 
Sie  geben  ihr  25  Könige,  der  einzige  Name,  der  bis 
jetzt  bekannt  geworden  3),  ist  Buddhadatta  und  offenbar 
Buddhistischer  Erfindung.  Ich  muss  endlich  noch  bekennen, 
dass  ich  schwach  genug  bin,  dem  Mahäbhärata  zu  glauben, 
dass  es  eine  alte  Dynastie  von  Magadha  gab ;  doch  will  ich 
hierauf  keine  Rücksicht  nehmen,  da  Hr.  Dr.  Benfey  sich 
bloss  an  die  Buddhisten  hält.  Da  diese  wenigstens  25  Kö- 
nige (und  wahrscheinlich  noch  mehr,  da  wir  diese  Ver- 
zeichnisse nicht  im  Zusammenhange  kennen)  in  Räg'a- 
griha oder  Magadha  vor  Bhattija  anerkennen,  so  erlauben 
sie  nicht,  Bhattija  unmittelbar  auf  die  sogenannten  28  my- 
thischen Könige  folgen  zu  lassen .  Da  Hr.  Dr.  Benfey 
eben  hierauf  das  Hauptgewicht  legt  (S.  228.),  brauche  ich 
andere  in  seiner  Beweisführung  aufgestellte  Gründe  nicht 
zu  erörtern.     Es   mag  seyn,   dass   die  28  Könige,  welche 


1}  Dipavansa,  As.  J.  of  B.  VII,  087.  und  sonst. 

8)  Voe  K,  K.  p.  386. 

9)  Dipavansa,  a.  a.  O.  p.  996. 


t47 

als  Nachfolger  des  Parixit  im  Anfange  des  Kali  stehen,  mi^ 
den  2S  zusammenhangen ,  welche  die  Buddhisten  an  den 
Anfang  des  jetzigen  Weltalters  stellen.  Wenn  wir  die 
Einzelnheiten  dieser  zwei  Reihen  vergleichen-,  zeigt  sich 
deutlich,  dass  die  Buddhisten  sehr  willkührlich  ältere  Ele- 
mente benutzt  und  umgestaltet  haben.  Sie  beginnen  mit 
einem  ihnen  allein  zugehörigen  ersten  Könige  Mahäsam- 
mata;  unter  seinen  28  Nachfolgern  stehen  Namen,  die 
ursprünglich  eine  ganze  andere  Stelle  hatten,  wie  Sagara, 
Bhagiratha,  Bharata,die  nach  Ixvaku  gehören;  zu  Sagara 
fügen  sie  einen  erfundenen  Sagaradeva  hinzu.  Andere 
Namen^  die  ihnen  auch  eigen  sind,  verdoppeln  sie  durch 
Wiederholung  mit  Voransetzung  des  Wortes  mahd  oder 
gross.  Von  diesen  28  leiten  sie  nun  eine  ganze  Menge 
von  Dynastien  ab,  sie  gelangen  erst  spät  zu  dem  Ixvaku, 
mit  welchem  die  Brahmanen  das  Sonnengeschlecht  anfan- 
gen; diesem  schicken  sie  sogar  Aäma  mit  seinem  Vater 
Da^aratha  voraus.  Dem  Ixvaku  geben  sie  noch  84,000 
Nachfolger,  ehe  sie  zu  den  unmittelbaren  Vorfahren  des 
Buddha  gelangen ;  zwischen  dem  Mahäsamraata  und  dem 
Ixvaku  nehmen  sie  252,539  Könige  an  *).  Die  Zahlen  der 
Jahre  stehen  mit  dieser  Zahl  der  Könige  im  Verhältuiss. 
Die  ganze  ungeschlachte  Erßndung  soll  dazu  dienen,  dem 
Buddha  eine  glänzende  Abstammung  zu  geben.  Wenn 
man  hierin  nicht  eine  willkührUchc  masslose  Erweiterung 
früher  vorhandener  Ueberlieferungen,  und  zwar  Brahma- 
nischer,  anerkennen  will,  wird  die  Kritik  nie  und  nirgends 
eine  nachweisen  können.  Die  28  Könige  der  Brahmanen 
gehören  einer  anderen  Dynastie  und  haben  andere  Namen  ; 
sie  sieben  im  Anfange  des  jetzigen  Juga,  wie  die  Bud- 
dhistischen im  Anfange  des  jetzigen  Kalpa;  wenn  ein  Zu- 
sammenhang statt  findet,  ist  es  sicher  nur  eine  Entlehnung 
und  die  Buddhisten  sind  die  entlehnenden.    Es  mag  seyn, 


1)  Mahävania,  Cap.  II.  Dipavanta,  a.  a.  O.  p.  995. 


248 

wie  Hr.  Dr.  Benfey  vermuthet^  dass  die  Zahl  28  der  Zahl 
der  Naxatra  entnommen  sey;  wenn  dem  aber  so  ist^  scheint 
es  mir,  dass  die  Folgerung,  die  aus  dieser  scharfsinnigen 
Vermuthnng  für  die  Gültigkeit  der  zwei  gleichzeitigen 
Königsreihen,  der  Nachfolger  des  Parixit  und  der  ersten 
Dynastie  von  Älagadha,  zu  ziehen  ist,  gerade  die  um- 
gekehrte seyn  muss.  Die  28  Nachfolger  des  Parixit  wür- 
den eher  zu  verdächtigen  seyn,  als  die  20  oder  21  Kö- 
nige von  Magadha,  bei  denen  keine  systematisch  gewählte 
Zahl  sich  zeigt.  Dafür,  dass  die  letzteren  auf  einer  äl- 
teren Ueberlieferung  beruhen,  spricht  auch,  dass  bei  ihnen 
in  einigen  Puräna  die  Dauer  der  einzelnen  Regierungen 
angegeben  wird ;  ich  will  weder  die  Richtigkeit  dieser  Zah- 
len vertreten  noch  behaupten,  dass  die  Zahl  der  Könige 
uns  vollständig  erhalten;  ebenso  wenig  kann  ich  sie  aber 
für  rein  erdichtet  halten  und  glaube  vielmehr,  dass 
unter  den  verschiedenen  Dynastien,  welche  in  den  Anfang 
des  jetzigen  Weltalters  gesetzt  werden,  gerade  diese  noch 
am  meisten  Ansprüche  auf  Gültigkeit  hat.  Gerade  weil 
das  Reich  von  Magadha  in  der  Zeit  nach  Alexander  so 
bedeutend  hervortrat,  ist  es  am  denkbarsten^  dass  die  frühe- 
ren Dynastien  hier  am  sorgfältigsten  aufbewahrt  worden 
sind. 

Ich  kann  nach  dieser  Erörterung  die  vorgeschlagene 
Aenderung,  durch  welche  eine  Dynastie  von  28  Königen 
an  die  Spitze  der  Dynastien  von  Magadha  statt  der  über- 
lieferten von  20  oder  21  gestellt  werden  soll,  nicht  für 
begründet  halten  und  daher  auch  nicht  glauben,  dass  eine 
genügende  Erklärung  für  die  von  Megaslhenes  angegebene 
Zaiil  von  Indischen  Königen  vor  Kandragupta  gefunden 
worden  ist. 

Ich  komme  endlich  zu  der  Behauptung,  dass  die  hi- 
storische Zeit  der  Indischen  Geschichte  2  Jahre  vor  Bud- 
dha's  Geburt  oder  mit  dem  Regierungsantritte  des  Königs 
Pradjöta  auigefangen  habe.     Dieser  wird  mit  dem  Könige 


249 

Bhattija^  unter  dessen  Regierung  die  Buddhisten  die  Ge- 
burt Buddha'S'  setzen,  identisch  gemacht.  Die  Angabe  über 
die  Geburt  des  Buddha  zwei  Jahre  nach  dem  Anfange 
des  Pradjöta  beruht  auf  eine  Stelle  des  Bhägatalämrita, 
welche  Sir  William  Jones  mitgetheilt  hat^).  Ich  übergehe 
die  Gründe ,  mit  welchen  Ilr.  Dr.  Benfcy  diese  Xachricht 
stützen  will^  da  sie  nichts  beweisen  können,  sobald  ge- 
zeigt wird,  dass  die  Stelle  nicht  das  enthalten  kann,  was 
Sir  William  Jones  in  ihr  zu  finden  geglaubt  hat.  Dieses 
geht  aus  der  folgenden  Untersuchung  sicher  hervor, 

Sir  W^illiam  Jones  führt  zwei  Angaben  aus  dem  be- 
zeichoeten  Werke  an ;  eine  Stelle  im  Original,  welche  er 
übersetzt:  «er  (Buddha)  wurde  sichtbar  in  dem  1002ten 
Jahre  des  Kalijuga;«  dann  eine,  deren  Inhalt  er  nur  dahin 
angicbt,  dass  Buddha  2  Jahre  nach  der  Staatsumwälzung, 
durch  welchePradjöta  zum  Throne  gelangte,  gebohren  seyn 
soll").  Pradjöta  wird  in  allen  Puräna  und  gewiss  auch 
iu  Bbägavatämrita,  1000  Jahre  nach  dem  Kali  gesetzt,  also 
passt  es,  wenn  Buddha  1002  nach  dem  Kali  gebohren  wird, 
dass  er   unter  Pradjöta    gebohren    sey.      Die    Buddhisten 


1)  Ort  the  Chronology  of  the  Hindus,  in  ^f.  A««.  II.  oder  Works, 
Yol.  IV.,  1.  fgd.  Ich  führe  aus  der  letztea  Ausgabe  an:  s.  p. 
17.  p.  36.  Das  BhägavatamriU  wird  beschrieben  als  ein  metri- 
scher Commeatar  zu  dem  Bhagavata  Puräna. 
^)  Cm  diese  Erörterung  verständlich  zu  machen,  setze  ich  die  iu 
Frage  kommenden  Dynastien  her: 

Brahmanische  Angaben.  Buddhistische. 

1.    Pradjöta,  Sohn  des  ^unaka 

4  Nachfolger 
8.    ^aif  anäga ; 
^i9uBäga 
Käkavarn'a 
Xemadharman 

Xaträug'as  Bhattija 

Bimbasära  Bimbasära 

Agdta^atru  Agäu?atru. 


«50 

setzen  die  Geburt  unter  Bimbasära's  Vater,  also  sind  Bhat- 
tija  und  Pradjota  für  dieselben  zu  halten. 

Dieses  wäre  sehr  richtigr ,  wenn  das  erwähnte  Werk 
wirklich  jene  Angabe  enthielte;  die  Worte  sind  aber  diese: 

d.  h.  »er  wurde  offenbar,  als  2000  Jahre  des  Kali  ver- 
flossen waren.«  Sir  W,  Jones  hat  dvitaja  Zweiheit,  mit 
dvitija,  der  zweite,  verwechselt ;  wir  wollen  dem  berühmten 
und  um  die  Indischen  Studien  hochverdienten  Manne  das 
Versehen  um  so  weniger  anrechnen^  als  er  noch  ganz  ohne 
die  Hülfsmittel  arbeitete^  die  uns  jetzt  zu  Gebote  stehen, 
üeber  den  Sinn  der  Stelle  kann  aber  kein  Zweifel  seyn. 
Durch  sie  wird  die  andere  Angabe,  dass  Buddha  2  Jahre 
nach  Pradjota's  Thronbesteigung  gebohren  unmöglich; 
das  Bhägavatämrita  kann  Pradjota  nicht  zugleich  1000 
Jahre  nach  dem  Kalianfange  oder  2101  vor  Chr.  G.  und 
2  Jahre  vor  3101—2000  oder  1101+2  d.  h.  1103  vor  Chr. 
G.  setzen.  Es  ist  im  Gegentheil  die  zweite  Angabe  gar 
nicht  wörtUch  da,  sondern  Jones  leitet  sie  durch  Rech- 
nung aus  der  übersetzten  Stelle  ab;  Pradjota  folgte  1000 
nach  dem  Kali,  Buddha  war  nach  seiner  Auslegung  1002  da- 
nach gebohren,  also  kam  Pradjota  2  Jahre  vor  Buddha's 
Geburt  zur  Regierung»  Es  ist  somit  kein  Grund  vor- 
handen, die  versuchte  Gleichstellung  der  Könige  Pradjota 
und  Bhattija  zu  behaupten. 

Dass  eine  Zeitrechnung  nach  Buddha'S  Geburt  und 
dazu  bei  Brahmancn  sehr  unwahrscheinlich  sey,  habe  ich 
schon  oben  erwähnt.  Ich  muss  im  Gegentheil  behaupten, 
dass  die  historische  Zeitrechnung  bei  den  Brahmanen  mit 
dem  Kalijuga  oder  Parixit  und  den  gleichzeitigen  Königen 
von  Magadha  anfing.  Dass  die  jetzt  vorkommenden  Zahlen 
der  Könige^  die  Jahre  der  Dauer  der  einzelnen  Regierun- 
gen wie  der  ganzen  Dynastien  geändert  und  zum  Theil 
willkührlich   bestimmt  worden  sind^    dass    der  Anfang  des 


251 

Kali  zurückgeschoben  worden  ist,  ist  schon  mehrfach  dar- 
gethan  worden. 

Ich  wende  mich  zuletzt  zu  den  übrigen  Angaben  des 
Megasthenes.     Seine  ganze  Darstellung  ist  diese. 

Er  stellt  den  Dionysos  an  die  Spitze  der  Indischen 
Geschichte;  die  Inder  hätten  früher  wie  Wilde  gelebt,  ohne 
Städle  und  Tempel^  in  Thierfelle  oul  Baumrinde  gekleidet, 
von  der  Jagd  und  als  Nomaden  lebend  ^) ;  Dionysos  habe 
sie  besiegt,  zuerst  bei  ihnen  Städte  gegründet  und  ihnen 
Gesetze  gegeben,  sie  den  Ackerbau  und  den  Gebrauch  des 
Pfluges  und  der  Waffen  gelehrt ,  die  Verehrung  anderer 
Götter  und  seiner  selbst  bei  ihnen  eingeführt.  Dass  diese 
Darstellung  Megasthenes  Werk  sey,  braucht  wohl  nicht 
weiter  erwiesen  zu  werden;  er  geht  darin  so  weit,  auch  die 
Einführung  des  Weines,  der  im  eigentlichen  Indien  nicht 
wächst  und  nie  im  Gebrauch  war,  dem  Dionysos  zuzu- 
schreiben. Doch  hat  er  wahrscheinlich  Indische  Ueberlie- 
ferungen  über  die  Könige  der  Urzeit ,  des  ersten  Welt- 
aiters  vor  Augen  gehabt;  namentlich  die  Sagen  vom  Könige 
Prithu  können  verglichen  werden.  Dieses  gehört  aber  nicht 
hieher,  jedenfalls  ist  der  Name  Dionysos  und  die  Ein- 
führung des  gesitteten  Lebens  durch  einen  fremden  Er- 
oberer 3(egastheues  Zuthat. 

Es  heisst  nun  weiter'^):  bei  seinem  Abffanffe  aus  In- 
dien  habe  Dionysos  den  Spatembas,  einen  seiner  Genossen, 
zum  Könige  über  die  Inder  bestellt  j  nach  seinem  Tode  sey 
das  Reich  auf  seinen  Sohn  Budyas  (ßovdvag)  überge- 
gangen; Spatembas  habe  52,  Budyas  nur  20  Jahre  regiert; 
ihm  sey  der  Sohn  Kradeyas  gefolgt  und  von  ihm  an  seyeu 
meistens  in  regelmässiger  Folge  Söhne  auf  \''äter  ge- 
folgt; wenn  die  NachkommenschafL  gefehlt  habe^  seyeo 
nach  dem   Adel   der   Herkunft  Könige  eingesetzt  worden. 


1)  Arr.  Ind.  VII,  2.  fgd. 

2)  Ebend.  VIII,  1.  fgd. 


252 

Es  wird  sodann  sein  Bericht  über  den  Indischen  He- 
rakles eingeschaltet,  von  dem  die  Inder  behaupteten,  er  sey 
bei  ihnen  gebohren.  Wir  können  diesen  Theil  übergehen; 
die  Erwähnung  *),  er  sey  13  Generationen  später  als  Dio- 
nysos, stellt  mit  den  übrigen  Erwähnungen  in  keinem  er- 
kennbaren Zusammenhange  und  trägt  nichts  zu  ihrem  Ver- 
ständnisse bei ;  nur  se0  erwähnt,  dass  ganz  deutlich  damit 
Krishna  bezeichnet  ist**). 


1)  IX,  10. 

2")  Dieses  geht  aus  inclirern  KrwähnuDgeu  hervor.  1)  Er  werde 
vorzüglich  von  den  Surascnern,  durch  deren  Land  der  Jobare- 
floss  und  denen  die  grossen  Städte  Methora  und  Klisobora  ge- 
hörten; es  sind  bekanntlich  die  ^ürasena,  der  Fluss  Jainun:' 
und  die  Stadt  Mathurä^  die  schon  in  Mahilbhärata  als  ein  Haupt- 
sitz  des  Krishna  erscheint.  2)  Er  habe  eine  grosse  Menge  Krauen 
und  Sohne  gehabt;  ihm  werden  {Vishnupiirän'a  p.  4407  591.) 
16100  Frauen  und  180,000  Söhne  gegeben.  3)  Er  solle  nur 
eine  Tochter,  Pandaia,  geiiabt  haben,  welcher  er  die  Herr- 
schaft über  das  gleichnamige  Land,  in  welchem  sie  auch  ge- 
boren ,  hinterliess.  Dieses  findet  sich  nicht  so  in  der  Indischen 
Ueberlieferung,  lässt  sich  aber  aus  ihr  erklären.  Der  Name 
Pandaia  muss  Pändava  sejn;  die  Schwester  Krishuu's,  Ar- 
g'una^s  des  Pauduiden  Frau ,  gebährt  den  Abhimanju,  dessen 
Sohne  das  grosse  Reich  zufällt,  als  alle  Könige  im  grossen  Kriege 
zu  Grunde  gegangen  waren.  Es  scheint  mir  kaum  zweifelhaft, 
dass  dieses  die  Grundlage  der  Megasthenischen  Darstellung  sey. 
Nach  der  Indischen  Sage  hinterlässt  Krishna  keine  Erben.  4) 
Er  sey  die  Erde  und  das  Meer  durchzogen  und  habe  alle  Un- 
gethüme  verfolgt  (es  ist  zu  lesen  und  zu  interpungiren:  ral  xa~ 

&ä^avTa  o,  rt  TieQ  xay.ov  xCvaSoi,  iitv^eiv  x.  r.  i.„  nicht :     xaxov,  *(- 

yaiSo;),  wobei  er  im  Meere  einen  weiblichen  Schmuck  gefunden, 
den  die  Kaufleute  noch  zu  Arrian's  Zeit  nach  Griechenland 
brachten;  er  versteht  darunter  die  Perlmuscheln.  Es  entspricht 
dieser  Erzählung,  die  aber  Erweiterungen  erhalten  hat,  die 
Logende  ( Vishnu  P.  p.  ."^OS.)  dass  Krishna  den  im  Meere  und 
iu  der  Gestalt  einer  Seemuschel  lebenden  Kiesen  Pank'ag'una 
getödtct  und  aus  dessen  Knochen  seine  Muschel  gemacht  habe. 
Die  <^ankha  oder  Seemuschcln  dienen  auch  als  Fraueuschmuck. 


253 


Meffasthenes  hatte  bei  seinem  Berichte  sicher  die  Kö- 
lige  von  Palibolhra  oder  Magadha  vor  Augen ;  wir  müssen 
daher  die  Erklärung  in  den  Angaben  über  die  Anfänge  der 
Dynastien  dieses  Reichs  suchen.  Die  erste  Dynastie  vou 
Ufagadha  im  KaU  wird  abgeleitet  vonKuru,  einem  derKö- 
lige  von  Hästinapura  oder  des  Mondgcschlechts  j  in  diesem 
etzen  müssen  wir  den  ersten  Indischen  König  des  Me- 
yasthenes  suchen.  Das  Mondgeschlccht  stammt  nach  der 
[ndischen  Sage  ab  von  dem  Planeten  Merkur  oder  BitJha, 
der  mit  der  IIa,  der  Tochter  des  Manu,  des  ersten  Gesetz- 
gebers und  des  Urvaters  aller  Königsgeschlechter  ,  dea 
Purüravas,  den  ersten  menschlichen  Köui^:  des  Mondäne- 
schlechts,  erzeugte.  Da  nun  der  Name  Budhas  und  Budyas 
derselbe  ist,  ist  die  Annahme,  dass  Megasthenes  mit  seinem 
zweiten  Indischen  König  den  Budha  meinte,  nicht  abzu- 
iveisen.  Er  konnte  ihn  den  zweiten  nennen^  weil  dem  ganzen 
Geschlechte  ein  früherer  Stammvater,  der  gemeinschaft- 
liche der  beiden  grossen  Königsgeschlechter,  Manu,  vor- 
anffestellt  ward. 

Ist  dicRe  Zusammenstellung,  wie  ich  glaube,  sicher,  so 
Folgt,  dass  der  zweite  Name  der  des  Pururaras  seyn  muss. 
Wir  finden  dafür  Koadevag  und  selbst  in  dieser  Form  darf 
sr  uns  an  unserer  Erklärung  nicht  irremachen;  denn  wenn 
wrir  uns  dafür  ursprünglich  nQccQevag  geschrieben  denken^ 
babcn  wir  eine  Gestalt  des  NamenSj  welche  der  Indischea 
nahe  genug  steht  und  aus  welcher  leicht  die  jetzige  Lesart 
entstehen  konnte.  Es  ist  hiebei  zu  erwähnen,  dass  für  die 
Schrift  Arriaus,  in  welcher  diese  Auszüge  aus  Megasthenes 
enthalten  sind^  es  noch  an  Vergleichung  einer  der  besten 
Handschriften  fehlt. 

Es  bleibt  übrig  zu  sehen,  ob  der  erste  König  der  Mann 
der  Inder  seyn  kann;  denn  diesen  müssen  wir  an  der 
Spitze  der  einen  der  zwei  ältesten  Indischen  Dynastien  finden, 
wenn  wir  glauben  sollen,  dass  diese  uns  von  Megasthenes 
acht  überliefert   worden  ist.     Der  Manu,    welcher  an  der 


254 


Spitze  der  Indischen  Königsgcschlechter  steht,  ist  der  sie- 
bente des  Namens,  der  Sohn  des  Vivasvat  oder  der  Sonne 
und  daher  Vaivasvata  genannt.  Es  ist  aber  hiebei  zu  er- 
wägen, dass  es  ursprüngUch  nur  einen  Manu  gab,  den  Sohn 
des  Brahma,  des  Schöpfers,  dessen  Demiurg  er  ist.  Die 
Hymnen  des  Rigveda  scheinen  nur  noch  diesen  einen  zu 
kennen  und  es  ist  wohl  nicht  zu  bezweifehi^  dass  die  Vor- 
stellung von  7  gewesenen  Manu  und  7  künftigen,  wie  sie 
jetzt  gilt ,  erst  mit  der  Theorie  der  grossen  Perioden  sich 
aus  der  des  einzigen,  ursprünglichen  Manu  entwickelt  hat. 
Diesem  ersten  wird  das  Gesetzbuch  gegeben  und  er  ist  der 
eigentliche  Schöpfer.  Sein  unterscheidender  Beiname  ist 
Sväjambhuva  und^  wenn  man  berücksichtigt,  dass  in  diesem 
Namen  zwei  Laute  sind,  welche  die  Griechische  Sprache 
zu  Megasthenes  Zeit  längst  nicht  mehr  kannte  und  das 
Alphabet  nicht  bezeichnen  konnte,  y  und  r,wird  man  kaum 
Bedenken  tragen,  ihn  in  Spatembas  wiederzuerkennen.  Me- 
gasthenes kann  die  verschiedenen  Manu  verwechselt  oder 
nicht  berücksichtigt  haben ;  es  konnte  auch  zu  der  Zeit 
noch  eine  Ueberlieferung  sich  erhalten  haben,  nach  welcher 
der  erste  Manu  als  Stammvater  der  noch  regierenden 
Könige  aufgestellt  Avurde. 

Ich  halte  mich  nach  dieser  Auseinandersetzung  für  be- 
rechtigt zu  behaupten,  das  zu  Megasthenes  Zeit  die  Dar- 
stellung der  frühesten  Indischen  Geschichte  ebenso  begann, 
wie  jetzt  im  Mahäbhärata  und  den  Puränas.  Die  Ueber- 
cinstimmung  in  der  Sache,  die  Aehnlichkeit  der  Namen 
sprechen  dafür. 

Es  lässt  sich  noch  eine  Wahrnehmung  an  der  Dar- 
stellung des  Megasthenes  machen;  wenn  er  dem  ersten 
Könige  52,  dem  zweiten  20  Jahre  giebt,  diese  Könige  aber 
göttliche  und  mythische  Wesen  der  Inder  sind,  so  ist  kaum 
anders  zu  glauben,  als  dass  die  Inder  ihnen  entweder  keine 
feste  Dauer  ihrer  Regierung  oder  eine  sehr  grosse  be- 
stimmten;  die  Jahre  des  Megasthenes    erregen  daher  den 


255 

Verdacht ,  willkührlich  verändert  oder  erfunden  worden 
zu  seyn. 

Eine  zweite  Stelle  gibt  eine  andere  wichtige  Nach- 
richti^ng  über  die  historischen  Ueberlieferungen ,  welche 
zu  Megasthenes  Zeit  in  Indien  galten.  Sie  ist  leider  lücken- 
haft^ doch  ist  ein  Theil  noch  so  erhalten,  dass  wir  den 
wesentlichen  Inhalt  erkennen  kön;ien. 

Nachdem  er  die  Zahl  der  Könige  und  der  Jahre  der 
Indischen  Könige  von  Dionysos  auf  Sandrokottos  in  der 
früher  erwähnten  Weise  angegeben,  hatte  er  nach  Arrian's 
Berichte  folgendes  hinzugefügt  ^) : 

Im  Verlaufe  dieser  Zeit  sey  dreimal  das  All  zur  Un- 
abhängigkeit gekommen ;  die  Dauer  dieser  Unabhängig- 
keit sey  einmal  300,  ein  anderes  120  Jahre  gewesen.  Es 
fehlt  die  Angabe  über  die  Zahl  der  ersten  dieser  kürzeren 
Perioden. 

Obwohl  lückenhaft,  lassen  diese  Worte  noch  klar  er- 
kennen ,  dass  nach  der  Darstellung,  Avelche  3Iegasthenes 
erhielt  und  raittheilte,  in  der  Vorzeit  drei  allgemeine  grosse 
Umwälzungen  der  Dinge  vorgekommen  seyn  sollten;  die 
dadurch  bewirkte  Auflösung  der  früheren  Zustände  wurde 
nach  Jahren  in  kürzeren  Perioden  bestimmt.  Man  kann 
über  diesen  Sinn  im  Allgemeinen  nicht  zweifelhaft  seyn; 
eine  nähere  Bestimmung  dessen,  was  Megasthenes  unter 
dem  Ausdrucke  Freiheit  oder  Unabhängigkeit  verstand, 
scheint  in  seiner  oben  erwähnten  Bemerkung  zu  liegen^ 
dass  mehrmals  die  regelmässige  Nachfolge  der  Könige 
aufgehört  habe  und  dann  die  vornehmsten  als  Könige  ein- 


1)  Arr.  Ind.  IX,  9.  Die  Worte  im  Original  sind  diese:  —  —  frta 

Sty  OVO  xdi  TtaaaqäxovTci  xa'i  t^axia^Cha'  Iv  St  -coiiTousi  rpl;  »o 
näv  €15  ei.£v^eqtt]v —    tjJv  Se,  xai  e;  TQiaxöata'  Ttjy  3e, 

tixoai  Tt  iittav  xcu.  ixaröv.  Die  Herausgeber  bemerken,  dass  hier 
das  Zeitwort  zu  llBv^tqCtjy  und  die  erste  Zahl  fehle.  Wahr- 
scheinlich fehlt  aber  auch  eine  nähere  Bestimmung  darübefi 
was  unter  iXtu&e^i^  zu  verstehen  sey. 


256 

gesetzt  worden  seyeu.      Er    ineijite    jedenfalls   allgemeine 
Aenderungen  der  bestehenden  Zustände. 

Diese  Darstellung  stimmt  nun  so  genau  zu  der  noch 
allgemein  geltenden  Indischen,  dass  ich  gestehe  nicht  ein- 
zusehen, wie  diese  in  so  wenigen  Worten  genauer  wiederge- 
geben werden  konnte,  noch  wie  man  diese  Uebcreinstim- 
mung  verkennen  kann. 

Wie  jetzt,  waren  damals^  wenn  die  Lehre  von  den 
vier  Weltaltern  galt,  drei  Weltalter  abgelaufen;  Sandro- 
kottos  lebte  Avie  Megasthencs  im  jetzigen  Weltalter  der 
Brahmanen.  Wir  kennen  bei  den  Brahmanen  keine  andere 
Eintheilung  der  als  historisch  geltenden  Zeiten  und  Dy- 
nastien als  diese. 

Die  dreifache  Wiederhohlung  der  Unabhängigkeit,  deren 
Megasthenes  gedacht ,  findet  sich  ebenso  in  der  Indischen 
Ueberlieferung ,  als  eine  wiederhohlte  Vernichtung  aller 
herrschenden  Königsgeschlechter,  Auflösung  des  Bcstehen- 
i^en  und  Bildung  einer  neuen  Periode.  Die  Gerechtigkeit 
und  jede  Tugend^  die  Gesundheit,  die  Kraft  und  das  Le- 
bensalter, der  Segen  der  Werke,  nehmen  ab  im  Verhält- 
niss  zu  den  Weltaltern  und  werden  geringer,  andere  Ge- 
settze  herrschen  in  jedem ;  in  Krita  die  Frömmigkeit ,  in 
Tirctä  die  Erkenntniss,  das  Opfer  in  Dvapara,  in  Kali  bleibt 
mir  die  Freigebigkeit  zurück  ^).  Es  ist  hier  besonders  aber 
dieses  hervorzuheben,  dass  am  Ende  des  Dvapara  alle  Kö- 
nilgc  in  dem  grossen  Kriege  oder  gleich  nachher  zu  Grunde 
gehen;  nur  durch  den  wunderbar  geretteten  Pnrixit  gewinnt 
das  Geschlecht  der  Pändava  eine  künstliche  Fortsetzung 
in 's  neue  Weltalter;  die  übrigen  Familien,  die  aus  der 
früheren  Periode  herstammen,  gehen  auch  alle  nachher  aus. 
Ebenso  tritt  am  Ende  des  driiten  Weltalters  eine  solche 
allgemeine  Vertilgung  ein;  Para^u   Räraa  vernichtet  wie- 


1)  Manu,  l,  81.  fgd. 


257 

dcrhohlt  alle  Xatrijastärame  und  Könige ;  nur  wenige  Nach- 
kömmlinge waren  in  verborgenen  Zuflnchtsstätten  auf 
%vunderbare  Weise  gerettet  worden  und  wurden  als  Könige 
eingesetzt,  weil  das  Unrecht  mit  der  Herrenlosigkeit  alles 
auf  der  Erde  zu  vertilgen  drohte  *).  Weniger  deutlich  tritt 
eine  solche  allgemeine  Vertilgung  des  frühem  Zustandes 
am  Ende  des  ersten  Weltalters  hervor,  obwohl  zwischen 
ihm  und  dem  folgenden  ein  grosser  und  wesentlicher  Un- 
terschied ist,  da  der  ersten  Zeit  besonders  die  Begeben- 
heiten angehören,  welche  nicht  menschlicher  Art  sind,  die 
Thaten  der  Götter  und  Urväter,  der  Daitja  und  Dänava, 
dagegen  mit  dem  zweiten  Weltalter  die  für  menschlich  ge- 
haltenen ersten  Könige  zu  regieren  anfangen'*}. 

Ist  nun  auch  noch  nicht  klar,  welches  Ereigniss  den 
Schluss  des  ersten  Juga  bildete,  so  tritt  dieses  ganz  deut- 
lich am  Ende  der  zwei  folgenden  hervor ;  es  tritt  ein  allge- 
meiner Sturz  der  Herrschaft^  eine  allgemeine  Unabhängigkeit 
von  der  königlichen  Gewalt  ein. 

Es  liegt  in  der  Darstellung  des  Megasthenes  enthalten, 
dass  diese  Auflösung  der  Zustände  am  Ende  der  grösseren 
Perioden  eintrat;  seine  Zahlen  sind  für  diese  viel  kleiner^ 
als  die  für  die  Dauer  des  regelmässigen  Zustandes.  Es 
trifft  dieses  genau  mit  der  einheimischen  Darstellung  zu- 
sammen. Erinnern  wir  uns  zuerst,  dass  am  Ende  wie  am 
Anfange  jedes  Weltaltcrs  eine  kürzere  Periode  eintritt, 
durch  welche  das  vorhergehende  von  dem  folgenden  geschie- 
den wird,  eine  sogenannte  Dämmerung,  auch  Zwischenzeit 
oder  Intervall  genannt.  Von  der  Vertilgung  der  Könige 
durch  Para^iu  Räma  heisst  es  nun:  j,'m  der  Zwischenzeit 
des  Tretä  und  des  Dväpara  erschlug,  von  Zorn  getrieben, 
Rama,  die  Zierde  der  Helden,  oft  die  Königsgeschlechter." 


1)  Diese  Erzählung  ist  am  vollständigsten  und  äcbtesten    im  Ma- 
häbhärata    enthalten,  XII,  Cap.  48,  fgd. 

2)  S.  Vishnu  Pur.  p.  397.  not.  6.  p.  360.  u,  sonst. 

V.  17 


258 

Ebenso  vom  grossen  Kriege:  .,als  die  Zwischenzeit  des 
Dväpara  und  Kali  gekommen,  war  der  Kampf  der  Kuru 
und  Pändava  in  Samantapank  aka'^^^. 

So  weit,  glaube  ich,  sind  wir  im  Stande  die  Nach- 
richten des  Megasthenes  genügend  zu  erläutern.  Die  Ein- 
theilung  der  ganzen  Zeit  in  vier  grosse  Perioden,  von  de- 
nen drei  verflossen  waren;  am  Ende  einer  jeden  ein  grosses 
Ereigniss,  durch  welches  der  frühere  Zustand  der  Dinge 
aufgelöst  wurde;  eine  verhältnissmässig  kürzere  Dauer 
dieser  Uebergänge:  diese  Darstellungsweise  der  für  histo- 
risch gehaltenen  Ueberlieferungen  der  Vorzeit  herrschte 
damals  schon  in  Indien  und  ist  ihm  mitgetheilt  worden. 
Man  leitete  damals,  wie  jetzt,  die  älteste  Dynastie  von 
Magadha  vom  K' andravaiifa  oder  Mondgeschlechte  ab  und 
stellte  Manu  und  Budha  an  die  Spitze.  Die  Erklärung  hat 
sich  uns  aus  der  einfachen  Vergleichung  der  noch  erhal- 
tenen Indischen  Ueberlieferungen  mit  dem  Berichte  des 
Seleukidischen  Gesandten  ergeben,  ohne  die  Nöthigung, 
an  jenen  etwas  zu  ändern. 

Betrachten  wir  zuletzt  die  Zahlen,  obwohl  diese  bei 
der  Unsicherheit  der  wichtigsten  unter  ihnen  uns  wenig 
Aussicht  auf  Erfolg  darbieten.  Wenn  es  richtig  is(^  dass 
seine  Freiheitsperioden  den  Indischen  Sandfijün^a  entspre- 
chen, und  nur  die  zweite  und  dritte  Zahl  erhalten  sind,  so 
bietet  seine  erste  allerdings  eine  erwünschte  Uebereinstim- 
mimg,  da  die  Inder  dafür  300  Götterjahre  setzen,  Mega- 
sthenes ebenso  viele  menscliHche;  aber  für  die  200,  die  wir 
zunächst  zu  erwarten  hätten,  finden  sich  120.  Es  wäro| 
leicht,  hier  eine  falsche  Lesart  zuvermuthen;  doch  scheint 
mir  dieses  Verfahren  nicht  ralhsam,  so  lange  es  nicht  aus 
andern  Gründen  sicher  ist,  dass  Alegasthenes  in  seinen 
Zahlen  Indische  Götterjahre  als  menschliche  gesetzt  hat. 
Man  könnte  dieses  auch  aus  seiner  Gesammtzahlvcrmuthen 


1)  Mahäbh.  I,  V.  272.  288.  Vol.  \,  p.  10.  p.  11. 


!^59 

wollen.  Da  seine  Zählung  mit  dem  Grossvater  des  Pu- 
niravas  anfangt,  also  waiirscheinlich  mit  dem  Treta,  hätten 
Vf'iT  für  das  zweite  und  dritte  Weltalter  6000  Jahre  zu  er- 
warten; denn  so  viel  Götterjahre  enthalten  beide  im  Indischen 
Systeme.  Dieses  giebt  aber  einen  viel  zu  nahen  Anfang 
des  Kalijuga,  42  oder  451  vor  Kandragupta's  Regierungs- 
antritt Ich  verfolge  diesen  Gegenstand  nicht  welter,  da  ich 
kein  3Iittel  weiss,  ihn  aufzuklären.  Nur  dieses  ist  klar, 
Megasthenes  giebt  nicht  die  grossen  Zahlen  der  Inder  5  da- 
gegen hat  er  mehr  Könige  von  Budha  auf  K'andragupta, 
als  die  Inder,  welche  nicht  zwei  Drittel  seiner  Zahl  be- 
sitzen. Ich  schliesse  daraas,  dass  wir  die  alten  Verzeich- 
nisse nicht  unverkürzt  vor  uns  haben. 

Cim.  L(AS>ssN. 


i 


XIII. 
Zup  Theorie  des  Cloka. 


Die  genauere  Untersuchung  des  epischen  Versmasses  der 
Inder  hat  zunächst  den  rein  wissenschaftlichen  Zweck ,  die 
Gesetze  seiner  Bildung  und  ihre  metrischen  Gründe  aufzu- 
finden; daneben  aber  hat  sie  bei  den  ausgedehnten  Massen 
und  der  zum  Theil  unbefriedigenden  TextbeschaiFenheit  der 
in  ihm  abgefassten  Werke  ein  sehr  grosses  praktisches  In- 
teresse für  die  Kritik,  w^elche  ohne  .sichere  Kenntniss  des- 
selben einer  wesentlichen  Grundlage  entbehrt.  Die  wissen- 
schaftliche Untersuchung  ist  vornämlich  darauf  gerichtet, 
welche  Füsse  in  dem  scheinbar  so  regellosen  rQetruni  mög- 
lich und  warum  sie  möglich  sind.  Von  diesem  Gesichts- 
punkte aus  hat  Ewald  in  seiner  1827  erschienenen  kleinen 
Schrift  Veber  einige  Sanskritmetra  aus  unmittelbarer  Be- 
obachtung des  dichterischen  Gebrauches  eine  die  Sache  in 
der  That  erschöpfende  und  unabänderliche  Auseinanderset- 
zung gegeben.  Für  die  Kritik  hingegen,  welche  die  Gesetze 
sucht ,  nach  denen  sie  zu  emendiren  oder  Lesarten  zu  wäh- 
len hat,  herrscht  das  entgegengesetzte  Interesse  vor,  zu  wis- 
sen, ob  ein  Fuss  unter  gewissen  Umständen  oder  unbedingt 
von  den  einzelnen  Stellen  des  (j^loka  ausgeschlossen  ist;  hier 
yt  Gewissheit  nöthig  über  manches  Einzelne,  über  welches 
die  Theorie  ihr  Endurthcil  unbeschadet  ihrer  Richtigkeit  im 
Grossen  einstweilen  noch  offen  lassen  konnte.  Und  in  die- 
ser Beziehung  wird  es  von  vorn  herein  nicht  bloss  lohnend, 


i 


261 


sondern  noth wendig  erscheinen,  vor  allem  Andern  die  Indi- 
schen Grammatiker  zu  befragen,  deren  genaue  und  auf  einer 
viel  breiteren  Basis  ruhende  Beobachtungen  man  in  jedem 
neuen  Falle  von  Neuem  schätzen  lernt ,  und  ihre  Angaben 
an  dem  uns  zu  Gebote  stehenden  Material  zu  prüfen.  Bis 
jetzt  wenigstens  ist  die  Frage  nach  der  Möglichkeit  oder 
Unm^lichkeit  gewisser  Rhythmen  noch  keineswegs  abge- 
schlossen ,  vielmehr  müssen  die  Beobachtungen  in  dieser 
Rücksicht  noch  lange  forlgesetzt  werden. 

Die  Resultate  der  Ewaldischen  Untersuchungen  waren : 
dass  an  der  ersten  Stelle  alle  Füsse  erlaubt  seyen,  an  der 
vierten  nur  der  Dijambus ;  dass  an  der  dritten  Stelle  der 
Dijambus  und  der  ihm  metrisch  gleichstehende  dritte  Epitrlt 
und  an  der  zweiten  Dijambus  ,  dritter  Epitrit  ,  die  beiden 
lonici  und  der  dritte  Paeon  vermieden  würden.  Einige  wi- 
derstrebende Verse  aus  dem  Mahabhärata  wurden  sogleich 
durch  Conjecturen  beseitigt,  welche  sich  nachher  in  der  ver- 
hältnissmässig  so  guten  Calcuttaer  Ausgabe  bestätigt  gefun- 
den haben  (Biig.  III ,  19.  Sund.  1 ,  9.  b.  Hid.  IV ,  23. ,  wo 
diese  indess  c  äkarshatus  hat ,  nicht  c  akrishatus)  ;  indess 
blieb  noch  immer  eine  gewisse  Zahl  derselben  übrig  ,  die 
bald  darauf  durch  Ste>zlers  fleissige  Sammlungen  im  Brah- 
ma Vaiv.  Pur.  Spec.  1829.  p.  9.  noch  vermehrt  ward.  Al- 
lein auch  diese  beruhen,  wie  die  Calcuttaer  Ausgabe  zeigt, 
auf  falschen  Lesarten  ,  welches  im  Eliuzeluen  nachzuweisen 
nicht  überflüssig  ist. 

Im  vierten  Fuss  zunächst  hat  dieselbe  in  allen  Fällen, 
wo  Abweichungen  angegeben  sind,  den  reinen  Dijambus.  Der 
Vers  Ram.  I,  9,  33  (ich  verdanke  die  Notiz  der  verschiede- 
nen handschriftlichen  Lesarten  Hrn.  Lasse>'s  gütiger  Mitthei- 
lung) steht  so  allein  in  dem  Ms.  T.  ,  das  in  dieser  Erzäh- 
lung vom  Rishyacringa  viele  neuere  Zusätze  hat  (Praef.  p. 
XLVI.  LIV),  und  ist  durch  einfache  Umsetzung  des  h  leicht 
zu  corrigiren. 

Ijm  dritten  Fuss  stehen  ebenfalls  die  aus  dem  Mahäbha- 


262 

rata  anAfeführten  Beispiele  in  der  Caicuttacr  Ausgabe  sämmt- 
lieh  richtig.  Von  den  aus  dem  Mmäyana  genommenen  müs- 
sen die  folgenden  wegfallen,  in  denen  der  anstössige  Fuss 
entweder  (vgl.  Praef.  p.  LH)  durch  Zusammenschmelzung 
verschiedener  Lesarten  oder  durch  die  Verbesserung  einer 
zwar  den  richtigen  Fuss  darbietenden,  aber  falschen  Lesart 
entstanden  ist :  I,  5,  6  ;  6,  4.  21 ;  9,  6 ;  13,  54 ;  2^  16 ; 
26,  20;  63,  28,  wohin  auch  die  nicht  angeführte  Stdle  I, 
3,  5  gehört.  Vorläufig  bleiben  dagegen  I,  9,  60,  wo  der 
gedruckte  Text  die  Lesart  aller  Bengalischen  Mss.  bietet,  so 
wie  48, 21  und  63,  1,  wo  sämmtliche  verglichene  Handschrif- 
ten der  Commentatorenrecension  übereinstimmen. 

An  der  zweiten  Stelle  hat  auch  das  Calcuttaer  Mahä- 
bhärata  Nal.  3,  13  den  Dijambus;  von  diesem  Verse  wird  un- 
ten die  Rede  seyn.  Für  den  louicus  a  minori  bleibt  Indral. 
5,  52  gültig;  es  wird  sich  zeigen,  dass  dieser  Fuss  gedul- 
det werden  kann.  Dagegen  sind  von  den  Beispielen  aus 
dem  Ramäyana  I,  9,  16  und  II,  16,  32  Druckfehler,  die  be- 
reits im  zweiten  Bande  verbessert  sind,  und  I,  54, 7  ist  mit 
den  Commentatoren  die  archaistische  Form  jp;^  zu  lesen. 

Die  Form,  welche  die  Indischen  Grammatiker  dem  (^loka, 
bestimmt  haben,  lernt  man  aus  drei  verschiedenen  Schriften 
kennen  ,  nämlich  aus  Colebrooke's  bekannter  Abhandlung, 
Essays  11,  157 ,  aus  Chezy's  Thdorie  du  Sloka.  Par.  1827. 
8.  und  aus  C.  P.  Brown  A  familiär  analysis  of  Sanscrit 
■prosody  Lond.  1837. 8.  Cukzy  erzählt  zwar  von  einem  nom- 
bre  prodtgieux  d'exemples ,  einer  quantile  immense  de 
vers,  die  er  habe  vergleichen  müssen,  um  daraus  die  Theo- 
rie abzuleiten ;  sein  Schema  stimmt  indess  ganz  genau  zu 
Colebrooke's  etwas  unbequem  zu  enträthselnden  Regeln,  und 
wenigstens  können  weder  die  damals  gedruckten,  noch  auch 
die  von  ihm  selbst  herausgegebenen  Texte  zu  dem  nomhrc 
prodtgieux  gehört  haben,  da  diese  eine  andere  Theorie  ge- 
geben hatten,  so  wie  z.  B.  Yag'nadatta  82  an  der  zweiten 
Stelle   der   von  ihm  verbotene  Dijambus  ,   das.  61  au   der 


dritten  der  erste  Paeon  steht.  Bbows  hat  sein  Schema  von 
eiaem  Brahmanen ,  wie  es  scheint ,  in  Madras  erhalten ;  es 
ist  indess  kein  anderes,  als  das  Colebrookeische,  zu  dessen 
Elrklärung  er  es  benutzen  wollte.  Alle  drei  stimmen  daher 
mit  einander  ganz  überein,  nur  hat,  um  dies  gleich  zu  be- 
merken, CoLEBRooRE ,  wic  CS  scbeiot,  nach  einer  andern  Au- 
ctoi|;ität  (er  sagt :  „5  or  7  species",  ohne  sich  näher  zu  er- 
klären) für  den  zw  eiten  Fuss  auch  Dijambus,  dritten  Epitrit, 
zweiten  Paeon  und  lonicus  a  majori  zugegeben  und  fügt 
hinzu :  „no  instance  occurs  of  w  w  —  — ."  Dies  ist  auffal- 
lend, da  gerade  vom  lonicus  a  minori  Beispiele  vorkommen, 
nicht  aber  von  den  übrigen  genannten  Füssen  ,  so  dass  es 
nahe  liegt,  hier  irgend  einen  Fehler  zu  vermuthen. 

Setzen  wir  die  Angaben  der  einheimischen  Metriker  in 
unsere  Ausdrücke  um ,  so  ergeben  sich  folgende  einfache 
Regeln : 

1)  An  der  vierten  Stello  ist  nur  der  Dijambus  zu- 
lässig. 

2)  Ausgeschlossen  sind  an  der  zweiten  und  dritten  Stelle 
der  Dijambus  und  der  ihm  gleiche  dritte  Epitrit; 

3)  an  der  ersten  und  dritten  die  vier  Füsse  ,  welche 
dem  choriambischen  Rhythmus  angehören:  Choriambus,  er- 
ster und  vierter  Paeon  und  Proceleusmaticus ; 

4)  an  der  zweiten  Stelle  die  Füsse ,  welche  mit  zwei 
und  mit  nur  zwei  Kürzen  beginnen  und  schliessen  :  lonicus 
a  minori  und  dritter  Paeon;  lonicus  a  majori  und  zweiter 
Paeon. 

Man  sieht,  wie  genau  diese  Angaben  hinsichtlich  des 
Faktischen  mit  den  von  Ewald  gefundenen  Gesetzen  über- 
einkommen ;  sie  fügen  nur  den  allerdings  sehr  wichtigen  Um- 
stand hinzu,  dass  auch  an  der  ersten  und  dritten  Stelle  ge- 
wisse Füsse  verboten  seyen,  und  gewiss  sind  sie,  bis  auf  das 
allerdings  mögliche  Vorkommen  des  lonicus  a  minori  an 
der  zweiten  Stelle  ,  vollkommen  richtig ,  obschon  ein  gan2 
befriedigender  metrischer  Grund  für  die   Regeln  3.  und  4. 


264 


sich  nicht  auf  den  ersten  Blick  zeigt,   besonders  da  der  lo- 
nicus  a  minori  in  dem  längern  episcJjen  Metrum  regelmässig 
an  der  Stelle  eines ,   wie  Ewald  annahm   und   die  Vedame- 
tren   beweisen ,    ursprünglichen   lambus   erscheint.      Erwägt 
man  indess ,   dass    das  erste  Bildungsgesetz  des  ^loka ,   die 
Eintönigkeit  immer   wiederkehrender  lamben  durch    wider- 
streitende Rhythmen  aufzuheben,  nothwendig  ein  zweites  zur 
Seite  haben  muss,    welches   diese  Freiheit  auf  ihren  Zweck 
beschränkt  und  die  Ausartung  in  einen  fremdartigen  Rhyth- 
mus hindert ,    so   hat   vielleicht  folgende  Auffassung   einige 
Wahrscheinlichkeit.    Von  dem  iambischen  Rhythmus  sind  am 
weitesten  entfernt  der  choriambische  und  der  ionische ,   und 
zwar  letzterer  noch  mehr  als  ersterer ;   näher  steht  wegen 
seines  iambischen  Anfanges  der  Antispast.    Letzterer  ist  bei 
dem  einfachen  ^loka  zu  jenem  Zweck   ausreichend  und  so- 
gar der  angemessenste ,  weil  die  Cäsur ,  vor  der  er  steht, 
seinen  Trochaeus  scharf  und  stark  gegen  den  Schlussiambus 
der  andern  Hälfte  hervorliebt.    Neben  ihm  wird  der  Chori- 
amb  möglich,    ist  aber  offenbar  desshalb  in  viel  beschränk- 
terem Gebrauch,  weil  er  schon  mehr  vom  iambischen  Rhyth- 
mus abweicht.    In  dem  längern  Masse  dagegen,  in  welchem 
der  verunähnlichte  Fuss   nicht  vor  die  Cäsur  fällt  ,  ist  der 
Antispast  dem  lambus  zu  nahe,  um  anwendbar  zu  seyn,  hier 
fordert  das  Ohr  die  stärker   contrastirenden  Rhythmen  des 
Choriamb  und  des  lonicus  a  minori.      Ist   der  letztere  hier 
nothwendig,  so  weicht  er  dagegen  für  den  einfachen  ^/loka 
vom  lambus  zu  weit  ab  und  findet   sich  daher   nur  äusserst 
selten  angewendet.    Noch   mehr   ist  dies  der  Fall  mit  dem 
noch  entfernteren  lonicus  a  majori ,  den  dazu  seiner  Fremd- 
artigkeit wegen  das  an  den  Grundrhythmus  gewöhnte  Ohr 
leicht  als  einen  an  der  zweiten  Stelle  so  entschieden  verbo- 
tenen iambischen  Takt  —  J-  -^  ^  auffassen  könnte. 

Es  folgt  ferner  aus  demselben  Grundsatz,  dass  ein  ent- 
fernterer und  an  einer  Stelle  gleichsam  nur  in  zweiter  Reihe 
zugelassener  Rhythmus    an    den  andern  Stellen    beschränkt 


365 

werden  muss,  damit  nicht  durch  seine  dann  mügliche  Wie- 
derholung ein  fremdartiges  Taktverhältniss  länger  fortge- 
setzt werde.  Daher  ist  der  choriambische  Rhythmus  von 
der  ersten  und  dritten  Stelle  ausgeschlossen,  weil  drei  oder 
auch  nur  zwei  auf  einander  folgende  Choriamben  offenbar 
den  iambischen  Grundrhythmus  aufheben  würden.  Die  lo- 
nici,  obschon  von  demselben  weiter  entfernt ,  können  dage- 
gen an  diesen  Stellen,  die  nicht  seine  eigentlichen  Triiger 
sind ,  stehen  ,  wirken  aber  umgekehrt  auf  die  zweite  Stelle 
zurück,  indem  sie  gewiss  ihrerseits  den  principiell  allerdings 
möglichen  Gebrauch  des  lonicus  a  miuori  gehindert  haben. 
Die  mehrmalige  Wiederholung  anderer  Rhythmen  übt  keinen 
durchaus  störenden  Einfluss,  doch  ist  sie  selten,  und  nur  von 

drei  Antispasten  ^ —  sind  die  Beispiele  hiluüg,  weil  bei 

ihnen  der  lambus  fortwährend  durchklingt.  Man  sehe  Ragh. 
I,  18.  75.  IV,  1.  3.  12.  30.  X,  28.  56.  78.  XII,  56.  81.  95. 
97.  101.  XV,  73.  XVIII,  47.  62.  Rum.  II,  41.  45.  VI,  7.  u.  a. 
Wenn  sich  hieraus  zeigt,  dass  die  Bestimmungen  der 
Indischen  Metriker  keineswegs  willkührlich,  sondern  aus  dem 
Wesen  der  Rhythmen  begreiflich  sind ,  so  ist  ferner  zu  un- 
tersuchen ,  in  wie  weit  sie  dem  w  irklichen  Gebrauch  der 
Dichter  entsprechen.  Um  hierbei  sicher  zu  gehen,  darf  mau, 
so  scheint  es,  Texte,  die  von  Europäischen  Kritikern  bereits 
unter  gewissen  metrischen  Voraussetzungen  recensirt  sind, 
eben  so  wenig  zu  Grunde  legen  ,  als  die  Auctorität  einzel- 
ner ,  wenn  auch  verhältnissmässig  guter  Handschriften  von 
variantenreichen  Werken  ,  wie  Ramäyana  und  Mahäbhärata. 
Man  hat  sich  vielmehr  zunächst  nur  an  Werke  zu  halten, 
welche  uns  schon  aus  Indien  in  einem  im  Ganzen  festen 
Texte  überkommen  sind  ,  wohin  vom  älteren  Stile  unter  an- 
dern Manu ,  vom  neueren  die  von  alten  Commentatoren  be- 
handelten Kunstgedichte  gehören.  Eine  solche  Untersuchung 
wurde,  um  beide  Stilarten  zu  berücksichtigen  ,  an  der  Bha- 
gavadgitä  und  an  den  beiden  Kalidäseischen  Epen  nach  Mal- 
linätha's  Rccension,  wie  sie  in  Stenzler's  Ausgaben  vorliegt, 


angestellt.  Die  erstere  enthält  645  epische  ^loka,  also  1290 
'  Halbcloka,  die  beiden  letzteren  zusammen  deren  706,  d.  i. 
1412  einzelne  Verse,  die  als  solche  gezählt  werden  müssen, 
da  sich  zwischen  dem  ersten  und  zweiten  Halbcloka  nicht 
der  mindeste  wesentliche  ünterscliied  zeigt. 

An  der  ersten  Stelle  bestätigen  sie  die  Angabe  der  In- 
der vollkommen ,  da  kein  von  diesen  ausgeschlossener  Fuss 
auch  nur  ein  einziges  Mal  darin  vorkommt.  *).  Das  Ver- 
■^  hältniss  der  übrigen  Füsse  ist  im  Kum.  und  Ragh.  folgen- 
des :  Zweiter  Epitrit  175  ;  Dispondeus  141 ;  lonicus  a  min. 
138;  Dijambus  133;  erster  Epitrit  123;  dritter  Epitrit  116; 
vierter  Epitrit  110 ;  Ditrochaeus  107  ;  dritter  Paeon  104 ; 
Ion.  a  maj.  96;  Antispast  86;  zweiter  Paeon  83.  Oder  diese 
Fasse    nach    den    Rhythmen    geordnet :    —  w  —  :=:    282 ; 

i=:  251;  —  —^  —249;   ^  -^——242; — 

209;  —  —  -w  w  179.  Die  auffallende  Gleichheit  dieser  Zah- 
len ,  zwischen  denen  der  grösste  Unterschied  der  von  2  zu 
3  ist,  darf  nicht  für  zufällig  gelten ,  und  zeigt  andererseits, 
dass  durchaus  ein  inneres  Gesetz  die  choriambischen  Rhyth- 
men ausschliessen  muss. 

Ganz  auf  dieselbe  Weise  zeigt  sich  an  der  dritten  Stelle 
kein  Beispiel  eines  der  sechs  unstatthaften  Fiisse ,  und  das 
Zahlenverhältniss  der  Rhythmen  bleibt  ziemlich  genau  das- 
selbe, nur  dass  hier  der  Antispast  den  lonicus  a  minor!  et- 
was überwiegt.  Zweiter  Epitrit  205;  Dispondeus  187;  vier- 
,  ter  Epitrit  152;  Ion.  a  maj.  148;  Ion.  a  min.  146;  Ditro- 
chaeus 143;  Antispast  135;  erster  Epitr.  120;  dritter  Paeon 
97;    zweiter  Paeon  80.     Oder   vielmehr  —  «—  —  ±1   348; 


*)  In  Beziehung  auf  Cuim's  Schema   hat  Stbnzlbr   a.  a.  O.    drei 

Beispiele    des   Clioriambus  und    vierten  Paeon    aus  dem  RämA- 

yana  beigebracht.     Aber  auch  hier  fallen  I,  9 ,  17  und  34  aus 

oben   angegebenen  Gründen  weg    nnd   13,  31    ist   Bengalische 

'  iiesart,  wofür  bei  den  Commcntaloren  ein  richtiger  Fuss  steht. 


267 


^339;  ^ —  255;  >-  w_  ^  243;  ^—ww 

228. 

An  der  zweifen  Stelle  endlich  erscheint  der  ausgeschlos- 
Ncue  lonicus  a  minori  Bhg.  II  '16  nnd  Kum.  II  18.  Bei  wei- 
tem überM'iegend  ist  die  Zahl  der  Antispaste  und  ersten  Epi- 
trite  ;  sie  beträgt  in  der  Bhagavado^ita  1142,  in  den  beiden 
Kunstgedichten  1293  (Antispast  409,  erster  Epitrit  884).  Die 
übrigen  theilen  sich  so  ,  dass  der  choriambische  Rhythmus 
am  häufigsten  und  bei  Kälidasa  fast  aussch liessend  er^iciut ; 
denn  der  Dispondeus,  der  an  sich  kein  Rhythmus  ist,  geht 
hier  wohl  nur  vom  Antispast  aus. 


1. 

Chor. 

Bhg. 

31 

Paeon  4. 

— 

52 

Paeon  1.  ') 

— 

4 

Proc.  2) 

— 

8 

2. 

Ditroch.  ^) 

— 

6 

Epitr.  2.  ") 

— 

24 

3. 

Dispond. 

— 

12 

Epitr.  4. 

— 

10 

95 


30 


Kai.  28 
-     43 


72 


««  —     33/ 

^       -  «1« 

An  dieser  Stelle  zeigt  sich  zuerst  ein  Unterschied  zwi- 
schen dem  älteren  und  zwischen  dem  späteren  Kunst-Stil,  wel- 
cher offenbar  die  seltenern  Füsse  Ditrochaeus  ,  Epitr.  2. , 
Paeon  1.  und  Proceleusmaticus  mit  Absicht  vermeidet  und 
sich  ihrer  so  einzeln  bedient,  dass  er  dadurch  gleichsam  nur 
sein  Recht  auf  sie  scheint  behaupten  zu  wollen. 

Für  den  kritischen  Gebrauch  ergiebt  sich  aus  dem  Bis- 
herigen Folgendes.  Der  Jonicus  a  minori  an  der  zweiten 
Stelle ,   von  dem  auch    sonst  einzelne  sichere  Beispiele  vor- 


1)  Bhg.  VI  26.  VII  19.  XIV  9.  15. 

2)  Bhg.  III  5.  VI  10.   IX  26.   XI  10.    XIV.  5.    XVIII.  23.  37.  38. 
Eagh.  X  8 

3)  Bhg.  II.  61.  m  7.  37.  VII  17.  XIV  10-  XV  9. 

4)  Kum.  VI  73. 


268 

kommen,  wie  Manu  I  53.  II  85.  IX  101  (Westergaard  Radd. 
p.  293  not.),  ist  unanstössig,  wenn  die  Lesart  sonst  sicher 
ist.  üeber  das  wirkliche  Vorkommen  der  übrigen  unter  3. 
und  4.  ausgeschlossenen  Füsse  sind  zunächst  noch  ausge- 
dehntere Beobachtungen  nach  den  Stilgattungen  nöthig;  je- 
denfalls wird  man  sie  nur  auf  die  beste  handschriftliche 
Auctorität  stehen  lassen  können.  Dagegen  scheint  es ,  als 
ob  Dijambus  und  dritter  Epitrit  an  der  zweiten  und  dritten 
Stelle  nie  zu  dulden  seyen,  denn  diese  greifen  in  das  oberste 
Bildungsgesetz  des  ^loka  ein ,  durch  welches  er  sich  aus 
dem  iambischen  Tetrameter  und  im  Gegensatz  zu  diesem 
entwickelte,  so  dass  sein  Wesen  als  eines  neuen  selbststän- 
digen Metrums  erst  in  dem  Gegenschlag  anderer  Rhythmen 
gegen  den  lambus  des  Schlusses  beruht.  Einen  diesem  Ge- 
setz widerstrebenden  Fall  wird  man  ohne  Bedenken  für  eine 
Corruption  halten  dürfen  und  meistens  Mird  die  Emendation 
nahe  liegen.    Wenn  z.  B.   an  der   obigen  Stelle  Nal  3 ,  13 

>w/    S_/        

der  zweite  Fuss  iva  prabhäm  lautet  (die  Colebrookeische  Re- 
gel Essays  II  71,  dass  pr,  hr,  br,  kr  zuweilen  keine  Posi- 
tion machen ,  wird  man ,  ehe  eine  Bestätigung  dafür  beige- 
bracht  ist,  nicht  anwenden  können,  obschon  sie  in  einem  sol- 
chen Fall  im  Anfang  eines  neuen  Wortes  nach  Analogie  der 
Lateinischen  Prosodie  noch  am  ehesten  denkbar  wird),  so 
ist  gewiss  iva  vibhäm  oder  vielleicht,  den  Schriftzügen  nä- 
her ,  iva  ^ubhäm  zu  corrigiren  und  anzunehmen  ,  dass  der 
seltenere  substantivische  Gebrauch  von  ^ubhä  jenes  prabhä 
als  Glosse  in  den  Text  gebracht  hat.     Wenn  Manu  IX,  48 

bis  jetzt  ohne  Variante  im  dritten  Fuss  mahishyag'ävikäsuc'a 
gelesen  wird,  so  liegt  die  Vermuthung,  es  müsse  mahisTiägä — 
hcisscn  ,  um  so  näher ,  je  leichter  jene  Lesart  aus  der  Re- 
flexion entstanden  seyn  kann,  dass  dem  Sinne  nach  das  Fe- 
mininum erfordert  M'erdc,  einer  Reflexion,  welche  übersah, 
dass  in  dem  vorhergehenden  analogen  Wort  ebenfalls  das 
allgemeine  Masculinum  ushtra  stehe. 


209 

Nicht  ganz  klar  ist  es,  worauf  die  fernere  Angabc  der 
Grammatiker  (Brown  S.  6)  sich  beziehe,  dass  sich  in  eini- 
gen Thfeilen  der  Veden  ,  Gesetzbücher  und  älteren  Puranen 
einzelne  nicht  mit  jenem  Schema  zu  vereinigende  Verse  fän- 
den, die  als  ärsha  und  unabhängig  von  prosodischcn  Gesez- 
zen  betrachtet  würden  ,  wie  dieses  auch  bei  andern  Metren 
geschehe.  Zum  Theil  mögen  sie  hier  die  altern  Gestalten 
des  Cloka  im  Auge  gehabt  haben;  aber  die  Erwähnung  der 
Gesetzbücher  und  Puranen  kann  wohl  nur  auf  Licenzen  in 
dem  eigentlichen  epischen  ^loka  hindeuten ,  der  Art  etwa, 
wie  die  beiden  zuletzt  angeführten  Beispiele  sind,  bei  denen 
allerdings  noch  immer  die  Mögfichheit  eines  alten  Textfeh- 
lers am  leichtesten  zu  vermuthen  und  in  solchem  Fall  jeder 
einzelne  Vers  für  sich  zu  betrachten  ist.  Oder  endlich  kön- 
nen noch  gewisse  vereinzelte,  dem  Schema  nicht  entspre- 
chende Verse  gemeint  seyn,  deren  sich  allerdings  finden  und 
die  mit  Recht  ärsha  heissen  würden.  Dahin  gehört  zunächst, 
dass  der  erste  Fuss  gesetzmässig  auch  fünfsilbig  sein  kann. 
Diese  Erscheinung  ist  meines  Wissens,  eine  kurze  und  nicht 
ganz  genaue  Erwähnung  bei  Westergaard  Radd.  p.  173 
ausgenommen ,  noch  nicht  besprochen ,  und  es  wird  daher 
nöthig  sein  ,  da  sie  nur  durch  Induction  erwiesen  werden 
kann ,  eine  hinreichende  Zahl  von  Beispielen ,  die  aus  dem 
Mahäbhärata  leicht  noch  vermehrt  werden  könnte,  zugleich 
mit  Angabe  der  bekannt  gewordenen  Varianten  herzusetzen. 

g'anameg'ayas-       ya  rag'arshe:       MB.  I,  9 

Der  IName  G'anameg'aya  so  :   MB.  I  20.  97.  303.  1012. 

1058.  1196.  1596.  1598.  1623.  2041.  2073.  2093.  2126. 

2190.  2203.  2214.  2217.  3740.  3742.  3744. 
abhisäryatnä-       nam  anicam  I  1221. 
aparäg'ito       g'yotikacc'a  I   1558. 
aditir  ditir       danu :  kälä  I  2520. 
aparag'ita  :  >     panditakl)  I  2736.      ' 
abhishektuka-      mam  nripatim  I  3.518. 


bnlavat  sapat-       natam  atra  I  4040. 
aparäg'Ita:       kundacjiyi   I  4549. 
upapäclltam       narais  tatra  I  4997. 
abhivadaya-       mähe  brahman  I  5166. 
aiiugamyamä-       no  gandharvais  I  7912, 
anagiyaraä-       no  gandharvais   I  7913. 
upaniyamä-       nam  yaktamc'a  II  1331. 
upagiyamä-       na  närihhir  II   2027. 
abhivädaye       tväm   cirasä  Indral.  V,  20.   Bopp* 

abhiväde  in  der  Calc.  Ausg.  III  1836. 
caranägatam       c'a  tyag'ela  III  10566. 
caranägatä-       smi  te  deva  HI   10941. 
upag'ivanam       kim  svid  asya  III  17356. 
upag'ivanam       c'a  parg'anyo  III  17357. 
purasham  tvida-       mm  vyakhyähi  III.  17404, 
amitaug  ase       tathogräya  V  75. . 
aparäg'ito       nishädacca  V  84. 
9aranagatä-       smi  te  brahman  V  382. 
caranägatam       na  tyag'eyam  V  383. 

Bei  Holtzmann  olme  Variante  aus  dem  Pariser  Ms. 
vrishalipatir       dvig'o  ya9ca  V  1345. 
abliivadayan-        ti  bhavatim  V  3228. 
arunodaye       pradrifyante  VI  63. 
parimandalas       tayor  madhye  VI  204. 
tanulomake-       cada9anäm  Manu  III  10. 

taavoshlhakecadacanam  Ms.  V,  VI,  VII  bei  Loiseleur. 
cacakürmayos       tu  raänsena  Man.  IH  270. 

Ms.  Dev.  lässt  tu  aus. 
prapitamahans       tathadityän  Man.  III.  284. 

prapitämahäncc'adityan.      Ms.    Dev.    bei  Loiseleur.      Aelmlicii 
hat  die  zweite  Caicuttaer  Ausgabe  tu  für  tathä. 
da9alaxanä-       ni  dharmasya  Man.  VI.  93. 

dacalaxauakam  dharniain.  Ms.  Dev. 
mritavastrabhrit       svanaryasu  Man.  X  35. 

Oder  inritav^strabliritsu  nurtslni  Calc.  2. 

Dagegen  inritavastrasvanar;yfisu.     Ms.  Dev. 


271 

avakirnivar-       gam  cuddhyartbam  Man.  XI   117. 

avakirne  vrate  ciidiiyet  Ms.  Bomb,    und  avakimica  cuddbyar- 
tham  Ms.  Wili. 
vishayopase-       vä  c'ag'asram  Man.  XII  32. 
caraaagatas-       ya  bhagavan  Kam.  I,  60,  26  Gorres. 
ag'itcndriyo       'smiti  bhricam  Räm.  I,  66,  19  Gorr. 

Beide  Stellea  so  in  allen  Bengalischen  Mss.  Gorresio  p.  LXXVI. 

Kritisch ,  um  dies  zu  bevorworten,  wird  sich  gegen  den 
grössten  Theil  dieser  Beispiele  nichts  ausrichten  lassen.  Die 
Diction  derselben  ist  so  einfach  uud  nothwendig,  dass  sie 
dem  Sinne  nach  keiner  Emendation  bedürfen  und  nur  eine 
sehr  gewaltsame  zulassen.  Die  angeführten  Variauten  sind, 
wo  der  Sinn  nicht  ganz  derselbe  bleibt ,  schlechter  als  der 
Text ;  sie  sind  äusserlich  namentlich  bei  Manu  sehr  wenig 
beglaubigt  und  tragen  alle  zu  sehr  den  Stempel  absichtli- 
cher metrischer  Emendation  ,  als  dass  sie  nicht  selber  das 
höhere  Alter  der  Texteslesart  verrathen  sollten. 

In  allen  diesen  Beispielen  erscheint  der  fünfsilbige  Fuss, 
I  der  übrigens  auf  die  Wahl  der  Füsse  in  der  zweiten  Stelle 
I  gar  keinen  Eiufluss  übt,  in  der  Form  ^  ^  —  w  — ^  welche 
sichtlich  auf  den  viersilbigen  Grundfuss ^  —  zurück- 
geht. Es  zeigt  sich  darin  der  erste  Ansatz  zu  einer  noch 
freiereu  Ausbildung  des  Cloka,  und  es  ist  in  der  Natur  der 
Sache  begründet,  dass  diese  zunächst  an  dem  ersten  Fusse 
als  dem  freiesten  Statt  finden  und  dass  sie  von  dem  iambi- 
schen  Grundfusse  ausgehn  musste.  Sehr  ähnlich  ist  es,  wenn 
in  dem  längeren  epischen  Metrum  ebenfalls  der  erste  Fuss 
fünfsilbig  wird  (Ewald  a.  a.  0.  S.  18)  ,  ohne  dass  es  je- 
doch dort ,  so  wie  in  diesem,  nothwendig  geworden  wäre 
mit  der  fünften  Silbe  das  Wort  zu  schliessen.  Dem  Wesen 
nach  kommt  die  Umsetzung  des  Fusses  indess  mehr  mit  je- 
ner andern  Erscheinung  in  dem  zweiten  Metrum  überein, 
nach  welcher  für  den  lonicus  der  zweiten  Stelle  —  ^  —  — 
auch  www gesetzt  wird  (Eavald  S.  17).  Diese  Auf- 
lösung der  Länge  in  zwei  Kürzen  bringt  jedoch   etwas  der 


272 

Natur  des  Cloka,  der  die  Silben  zählt,  Fremdes  hinein,  und 
es  ist  desshalb  in  der  Ordnung-,  dass  eine  solche  Freiheit  nur 
in  ihren  Anfängen  geblieben  ist ,  während  sie  im  zweiten 
Metrum  seines  lyrischen  Charakters  wegen  sich  mehr  aus- 
breiten konnte.  Wie  aber  die  Indischen  Schreiber  bemüht  ge- 
wesen sind,  die  Unregelmässigkeit  allmählich  wegzuschaffen, 
zeigen  die  obigen  Varianten,  und  es  steht  zu  vermuthen,  dass 
dadurch  aus  dem  Rämäyana  und  Mahäbhärata  bereits  eine 
grössere  ursprüngliche  Zahl  vertilgt  ist. 

Von  andern  Formen  kommen  dagegen  nur  sehr  selten 
einzelne  Beispiele  vor ;  ich  kann  deren  bloss  ZAvei,  die  sicher 
scheinen,  angeben,  nämlich 

dacacrotrlya-       samo  räg'ä     MB.  I  1722. 

—  ^ — '  —  ^^  — 

uttaräyanam       c'a  kramaco  Man.  VI,   10. 

turäyanamc'a  kramaco  Ms.   Dev. 

Auch  diese  Füsse  lassen  sich  einigcrmasscn  auf  den 
Rhythmus  des  lambus  zurückführen,  da  die  Arsis  auf  der 
dritten  Silbe  bleibt  und  stark  genug  ist ,  die  Verlängerung 
der  einen  vorhergehenden  Kürze  möglich  zu  machen. 

Ausser  diesen  giebt  es  ferner  eine  Reihe  von  ^lokcn 
mit  neunsilbigem  ersten  Päda,  welche  sich  nicht  leicht  den 
bisherigen  beizählen  lassen  ,  sondern  in  denen  eine  Auflö- 
sung des  zweiten  Fusses  Statt  zu  finden  scheint.  Während 
nämlich  die  vier  ersten  Silben  die  regelmässigen  Füsse  zei- 
gen und  zum  grösseren  Theil  so  reich  an  Längen  sind,  dass 
in  ihnen  nicht  an  Auflösung  gedacht  werden  kann,  erschei- 
nen die  fünf  letzten  regelmässig  in  der  Form '-'  —  ^  ^  ^, 
und  so  auffallend  dies  ist,  und  höchstens  in  dem  erM'ähnten  ( 
Verhältniss  des  zweiten  Fusses  in  dem  längern  Metrum  eine 
Analogie  findet,  so  wird  man  sich  doch  kaum  erwehren  kön- 
nen, hier  eine  Auflösung  des  Autispast,  als  des  nächsten  Fus- 
ses  der  zweiten  Stelle,  anzuerkennen. 


V9 


na  tat  cakyam       nivartayitum  MB.  I  3855. 

panvädat       kharo  bhavali  Man.  II,  201,  »• 

paribhoktä       krimir  bhavati  Man.  11  201,  b. 
kenasvit  ^ro-       triyo  bhavati  MB.  III   17332  »• 
cratena  cro-       triyo  bhavati  ib.  17333  »• 
dhritya   dviti-       yavän  bhavati   ib.    17333  *>. 
klm  nu  hitvä      priyo  bhavati  ib.  17362  *• 

manam  hitvä       priyo  bhavati  ib,  17363  ■• 
kirn  DU  bitvä       .rthavan  bhavati  ib.  17362  b. 
kämam  hitvä       -rthavan  bhavati  ib.  17363  b- 
maanän  na  sa       manir  bhavati  MB.  V  1680. 
aväc'ya:  kas-       yac'id  bhavati  MB.  V  3318. 

Einmal  erscheint  an  einer  Stelle  ,  wo  der  Parallelismus 
der  Verse  die  Lesart  zu  sichern  scheint,  vor  diesem  ein  an- 
derer, von  dem  obigen  Schema  ganz  abweichender  funfsil- 
biger  Fuss  : 

kenasvid  dviti-       yavan  bhavati  MB.  III.  17332  b- 
Ferner  fünf  kurze  Silben  nach  vier  langen: 

kimsvit    svapnan         na  nimishati  MB.  III  10648. 
kimsvit  suptam       na  nimishati  MB.  III  17436. 
Endlich  erwähne  ich  noch  folgendes  Verses  : 

cruddham  pitribhyo  na  dadäti  MB.  V  1005. 

der  sich  auf  keine  der  obigen  Weisen  rechtfertigen  lässt  uad 

dahingestellt  bleiben  mag*),  während  den  übrigen  wohl  die 


*)  Man  könnte  statt  daddti  lesen  dadjdt,  obschou  die  umstehenden 
Verse  in  demselben  Sinn  den  Indicativ  haben,  aber  dergleichen 
rein  metrische  Conjecturen  sind  gefährlich,  da  gemeiniglich  die 
.  Corruption  ganz  anderswo  zu  liegen  pflegt  und  sie  die  Entste- 
hung der  falschen  Lesart  nicht  erklären. 

V.  18 


274 


Anerkennung  nicht  zu  versagen  ist.  Auffallend  ist  es^  dass 
in  fast  allen  fünfsilbigen  zweiten  Füssen  das  Wort  bhavati 
steht;  man  könnte  zu  der  Annahme  einer  zweisilbigen  Aus- 
sprache desselben  versucht  seyn ,  falls  sich  diese  noch  aus 
einem  andern  Grunde  wahrscheinlich  machen  Hesse.  Aber 
im  Manu  und  Mahäbhärata  wird  das  schwerlich  möglich 
seyn ;  es  ist  undenkbar,  dass  einerseits  zweierlei  Formen  so 
neben  einander  im  Gebrauch  gewesen,  dass  sie  z.  B.  Manu 
201  a.  und  b.  je  zweimal  unmittelbar  zusammengestellt  wer- 
den konnten,  und  dass  andererseits  davon  ausser  diesem  spe- 
ciellen  Fall  gar  keine  Spuren  geblieben  seyn  sollten.  Für 
die  Vedasprache  lässt  sich  allerdings  aus  den  Imperativformen 
irn  und  ^h  für  irsfrr  und  vt^rrt  RigV.  94,  12.  106,  2  auch 
auf  eine  entsprechende  Indicativform  schliessen ;  allein  in 
dem  gedruckten  Theile  finden  sich  nur  die  Formen  uö(^ 
17,  b.  28,1.  55,4.  95,1  und  iTsnf^  113,10,  und  dadurch 
wird  die  obige  Annahme  wenigstens  vorläufig  noch  zweifel- 
hafter. 

Mit  Recht,  ist  oben  gesagt,  könnten  dies^  Abweichun- 
gen von  dem  regelmässigen  Schema ,  wie  es  die  Indischen 
Metriker  aufstellen  ,  als  ärsha  betrachtet  werden  :  denn  in 
der  That  sind  es  Reste  einer  früheren,  freieren  Gestalt  des 
^loka,  die  vornämlich  im  Mahabhäräta  um  so  leichter  vor- 
kommen können  ,  als  dieses  so  viele  eigenthümlichc  Stücke 
enthält ,  die  nach  Form  und  Inhalt  unbestreitbar  ein  bedeu- 
tend höheres  Alter  haben  müssen,  als  der  eigentliche  Stamm 
des  Epos.  Diese  ältere  Gestalt  des  ^loka  findet  sich  in  den 
vier  gedruckten  Upanishaden ,  deren  Text ,  soweit  bis  jetzt 
ein  Urtheil  darüber  möglich  ist,  ebenfalls  in  einer  im  Allge- 
meinen ganz  treuen  Weise  überliefert  scheint.  In  folgender 
Beschreibung  ihrer  metrischen  Verhältnisse  *) ,   so  weit  sie 


*)  Cime  näheres  Eingehen  erwähnt    sind  sie    bei    WiudiscfatDanu 
Saul(,ara  p.  61. 


275 

den  Cloka  betreifen,  citire  ich  die  Seiten  des  Poleyschen  Ab- 
drucks und  nur  bei  der  Icä  Up.  die  Verszahlen. 

An  der  ersten  Stelle  findet  sich  der  Choriarab  einigemal, 
z.  B.  9,15.  11,16.  155,14,  der  erste  Paeon  15,9  (?) ,  und 
ausserdem  folgende  fünfsilbige  Füsse: 

abhayam  titir-       shatam  param   10,    7. 
pranavo   dhanu:        ^aro  hyätmä  04,  11. 

pratibodhavi-        ditam  matam  15(3,  12.       , 
yad  idam  kimc'a       g  agat  sarvam   17,  2. 

evam  tvayi  nän-         yalheto'sti    Icä  2  b    (falls  hlet  nicht  ilas 

zu  streichen  ist.) 

Auch  an  der  dritten  Stelle  finden  sich  einzeln  die  miss- 
liebigen  Füsse  Dijambus  15,  8.  Ick  2  b;  Choriambus  11,  16; 
erster  Paeon  14, 3.  lonicus  a  majori  Ica  11,  a.  (wo  getrennt 
zu  sprechen  ist:  tad  veda  ubhayam  sa  ha). 

An  der  zweiten  Stelle  treten  auch  hier  in  überwiegen- 
der Mehrzahl  die  Füsse  des  epischen  Masses  hervor :  Auti- 
spast und  erster  Epitrit  96  mal ;  Choriamb  7,  erster  Paeon  4, 
vierter  Paeon  2 ,  Proceleusmaticus  2  mal ;  vierter  Epitrit  7 
mal,  Dispondeus  2  mal,  Ditrochaeus  einmal  (92,  8).  Dane- 
ben aber  finden  sich  die  verbotenen  Füsse  und  fünfsilbige 
'-'  •—  ^  ~^  —  in  nicht  unbeträchtlicher  Menge ,  so  dass  sie 
zusanunengerechnet  den  sechsten  Theil  .sämmtlicher  ^loken 
ausmachen,  und  zwar  folgender  Gestalt: 

Dijambus. 
mrityar  yasyo-       pasec'anam   10,  2.: 
abhayam  titir-       shatam  param   10,  7. 
yatacc'ode-       ti  sürHo  13,  11. 
indriyebhya:        param  mano   17,  12. 
avig'n'anam       vig'änatam  156,  11. 
pratibodhavi-       ditam  matam  156,  12. 
täte  bhiiya  i-       va  te  tamo  Icu  9  b,  12  b. 


276 

Dritter  Epitrit. 

ya:  setur  i-       g'änän''^äm  10,2. 
tarn  deva:  sar-       ve  arpitus  13,    12. 
anyad  evä-       hur  vidyayä  19a  10,  a 
vidyämc'a  a-       vidyarac'a  yas  Ica  11,  »• 
anyad  evä-       hu:  sambhaväd  Ica  13  a. 

Zweiter  Paeon. 
evam  muner       vig  änata  14 ,  8. 
anushthäya       na  ^oc'ati  14,  9. 
buddhicc'ana       vic'eshtati  18,   2. 
yac'c'axushä       na  pacyati  115,  16. 
tat  tvam  pushann-       apävrinu  Ica  15  b. 
krato  smara       kritam  smara  I9U  17,  b. 

Dritter  Paeon. 

yadeveha       tad  amutra  13  ,   13. 
yacc'hrotrena  na  9rinotI  156,  2. 
andham  tama:       pravicanti  I^u  9a  j  12  a. 

lonicus  a  majori» 

nirityo  sa  mrit-       yum  gac'c'hati  13,   16. 
yat'präncna      na  präniti  156,  4. 
tad  eg'ati       tannaig'ati  19a  5  a. 

Fünfsilbig  w  —  w  w  — 
yas  tu  vlg'nä-       navun  bhavati  10,14,  11,4. 
yas  tvavigna-       navän  hhavatl   10,12.  11,4.*) 
apramattas       tadä  bhavati   18,  5. 
atha  martyo       nirlto  bhavati  18, 11.   13« 

avyaktät  tu        para;  purusho  17,  13. 

Ausser  diesem  Beispiele  findet  sich  eine  Reihe  von  sol- 
chen, welche  nicht  unter  obige  Kategorien  fallen  und  die  da- 


*)  Es  sieht  zwar,  weil  ein  Vokal  folgt ,  bhavaly  da  ,  aber  wegfn 
des  parallelen  vorbergelieudeu  Verses  inuss  wohl  bhavati  ge- 
sprochen werden.     Derselbe  Fall  ist  bei  18,  11. 


277 

her  einzeln  zu  behandeln  sind.  Einige  unter  diesen  künnca 
leicht  auf  kritiscHfem  Wege  in  ein  regelmässiges  Mass  ge- 
bracht werden.    Wenn  bei  IcA  5a: 

tad  eg'ati   tannalg'ati       lad  dure  tad  antike 
im  zweiten  Päda  eine  Silbe  fehlt,  so  ist  gewiss  die  Lesart 
in  dem  Abdruck  in  Carey's  Grammatik  tad  düre  taddh'yan- 
tike  die  richtige.    Wenn  umgekehrt  bei  Icä  10  a: 

anyad  evähur  vidyayä       anyad  evähur  avidyajä 

eine  Silbe  zuviel  ist,  so  lässt  gewiss  richtig  eine  Londoner 
Handschrift ,  deren  von  Rosen  ausgezogene  Varianten  Hr. 
Lassen  mir  mittheilt,  das  zweite  'eva  aus.     Der  Vers 

kham  vayur  g'yotir  äpas  prithivi  vicvasya  dharini  93,2 

wird  durch  einfache  Umstellung  der  Worte  äpas  und  prithivi 
richtig.    Der  erste  Pada: 

sthänam  anasamyanti  15,  9 
ist  gewiss  mit  der  Form  iyanti  von  ^  samiyanti   zu  lesen, 
und  dies  zu  den  obigen  Beispielen  des  dritten  Paeon  an  der 
zweiten  Stelle  zu  zählen.     Für  den  scheinbar  ganz   wilden 
Vers: 

sasyam  Iva  martya:  pac'yate  sasyam  iväg'ayale  puna:  1, 15 
ergiebt  sich  ein  zulässiges  J\1ass  (mit  drittem  Epitrit  an  zwei- 
ter Stelle),  w  enn  man  beide  Male  iva  durch  das  vergleichende 
na  ersetzt.    In 

uttishthata  g  agrata       prapya  varan  nibodhata  11,  16 

hat  gewiss  ursprünglich  die  alte  Form  g'ägratana  (Rosen  ad 
RV.  pag.  37) ,  die  auch  sonst  in  diesen  üpanishaden  vor- 
kommt, gestanden,  undi 

g'anam   utmani   maliatl   nlyac'c'het         tad   yac'c'liet    ^änta 

ätmani  11,  15 

würde  metrisch  verbessert,  wenn,  was  freilich  seine  Schwie- 
rigkeit hat,  entweder  das  erste  ätmani  oder  uiyac'c'het  feh- 
len könnte. 

Ein  Vers  hat  eine  Silbe  zu  wenig  und  scheint  diese  nicht 


278 


durch  Auflösung    eines   Halbvokals    gewinnen    zu    können, 
nämlich  :  't 

ya:  sarvag'n'a:      sarvavid     yasya  g'n'Snamayam  tapas  92,  7. 
Zahlreicher  sind  die  Fälle  mit  überzähligen  Silben,  von 
denen  einer  sie  an  erster  Stelle  hat: 

parusha  evedara  ylcvam  karma      tapo  brabma  paramritam 

93,  16  ; 
ferner  fünf  an  dritter  Stelle : 

yas  tvavig'n/unavän  bhavaty      ayuktena  ma-      nasu  sadS  10,  12 

mrityo  sa  mrityum  apnoti     ya  iha  näne-      va  pacyati  13, 14. 16. 

yathodakam  caddhe  9uddham      äsiktam  tadrigeva  bhavati  14,  7 

lad  eva  brahma  tvara  viddhi        nedam  yad  idam        upäsate 

155,  13.  15;  156,1.3.5. 

—       —       v_/       <.— '  v»/    , 

ifävusyam  idam  sarvara         yat  kimc'a  g'agat'yäm  g'agat 

und  endlich  folgender  an  der  ersten  ,   während   zugleich   in 
der  letzten  eine  andere  Schwierigkeit  ist : 

täte  bhüya  i-       va  te  tamo        ya  u  Vidyayäm  rata:  Icä  9b, 

WO  analog  dem  correspondirenden  Verse 

tato  bbüya  iva  te  tamo        ya  u  sambhut'yiim  rata:  19a  12  Ij 

vidyäy^äm  zu  sprechen  seyn  möchte  ;  wenigstens  scheint 
diese  Auflösung  des  ä  auch  ausser  dem  Genitiv  Plur.  z.  B. 
in  mätä  RigV.  89,  4;  in  m4  114,  8  b  nothwendig  zu  seyn. 
Bin  sicheres  Urtheil  über  die  zuletzt  angeführten  Verse 
scheint  allerdings  noch  nicht  möglich  ,  während  es  schwer 
ist ,  sie  metrisch  gelten  zu  lassen  und  namentlich  auch  an 
der  dritten  Stelle  einen  fünfsilbigen  Fuss  anzunehmen.  Eis 
ist  möglich,  dass  die  Lesarten  unrichtig  sind,  und  wer  glaubt 
emendiren  zu  müssen,  würde  vielleicht  in  dem  Vers  ladcva 
das  zweite  idam  streichen  und  na  idam  scandiren ;  für  ff'a- 
yali/äm,  analog  der  Form  ffidiä  für  tfuiiäyäm  (Rosen  ad  Rig\'. 


279 


pag.  21)  ein  g'agati  vermuthen ;  oder ,  was  die  wenigste 
Schwierigkeit  haben  möchte,  in  den  Versen  purusha  (hier 
mit  Streichung  des  eva),  mrityo  und  iato  bhüya  die  Vokale 
trotz  des  ursprünglichen  Visarga  zusammenziehen.  Möglich 
ist  aber  auch ,  dass  der  Verfasser ,  um  gar  nichts  von  der 
Fassung  seines  Gedankens  zu  opfern,  den  ohnehin  hier  viel 
loserem  Vers  geradezu  aufgegeben  habe  und  dass  diese  Verse 
oder  Halbverse  als*  Prosa  zu  betrachten  seyen.  Diese  Ansicht 
drängt  sich  auf,  wenn  man  wahrnimmt,  dass  der  Ausdruck 
vieler  der  obigen  Steifen  uebenstehendeu  Versen ,  zu  denen 
sie  einen  Gegensatz  enthalten  ,  mit  sorgfältiger  Genauigkeit 
nachgebildet  ist,  so  dass  es  offenbar  dem  Verfasser  darauf 
ankam,  die  Antithese  nicht  durch  veränderten  Ausdruck  oder 
veränderte  Wortstellung  zu  schwächen.     Z.  B.  das  obige 

yas  tvavig'o'änavun  bbavaty     ayuktena  manasä  sadä 
verdankt,  wie  in  die  Augen  fällt,  seinen  dritten  fünfsilbigen 
Fuss  lediglich  dem   Gegensatz   gegen   den   in  unmittelbarer 
Nähe  stehenden  ganz  regelrechten  Vers 

yastu  vig'DuDavan  bbavati       yuktena  manasä  sadä. 

Lässt  man  aber  diesen  Erklärungsgrund  hier  gelten,  so  muss 
er  es  auch  für  einige  jener  statthafteren  Licenzen,  z.  B.  die 
Päonen  und  den  Epitrit  im  zweiten  Fusse,  welche  aus  p.  155. 
156  oben  angeführt  sind. 

Wie  dem  aber  auch  seyn  möge,  dieser  Stellen  sind  zn 
wenige,  als  dass  sie  die  Auifassung  des  metrischen  Verhält- 
nisses der  Upauishaden  im  Ganzen  hinderten.  Man  kann 
vielmehr  danach  die  Geschichte  des  Cloka  mit  ziemlicher 
Sicherheit  verfolgen ,  und  drei  wesentlich  unterschiedene  Pe- 
rioden seiner  Ausbildung  erkennen.  Die  erste  von  diesen 
repräsentiren  uns  die  Hymnen  des  Rigveda,  in  welchen  sich 
die  Entwicklung  des  Cloka  aus  dem  iambischen  Dimeter  und 
der  Anfang  des  Rhythmenwechsels  zeigt,  während  das  ent- 
schiedene Vorherrschen  des  Dijambus  au  der  zweiten  Stelle 
das  charakteristische  Merkmal  dieser  Stufe  bleibt.      In  dem 


280 

ZM'eiten  Stadium,  dem  der  Upanishaden,  ist  der  Gegenschlag 
des  zweiten  und  beschränkter  des  dritten  Fusses  schon  ganz 
vollständig  zu  dem  schönen  System,  wie  es  in  den  Epen  er- 
scheint ,  ausgebildet ;  zugleich  aber  sind  die  später  ausge- 
schlossenen in  den  Vedahymnen  unbedenklichen  Füsse  noch 
gültig,  wenn  auch  selten,  und  der  Bildungstrieb  ist  so  mäch- 
tig, dass  er  selbst  anfängt  über  den  dem  Princip  nach  streng 
begränzten  Umfang  der  Silbenzahl  hinauszugehn  und  fünf- 
silbige  Rhythmen  zu  schaffen.  Die  dritte  Stufe  ist  die  des 
epischen  Cloka  im  engern  Sinne;  hier  hat  ein  feineres  rhyth- 
misches Gefühl  auf  gewisse  Füsse  als  störende  verzichtet 
und  die  Freiheit  auf  eine  durch  die  Natur  des  Metrums  vor- 
gezeichnete Gränze  wieder  beschränkt.  Auch  diese  Be- 
schränkung  hat  ihren  historischen  Verlauf  gehabt ,  der  sich 
noch  deutlich  in  dem  Unterschiede  des  Cloka  des  alten  epi- 
schen und  des  Kunst-Stiles  ausprägt.  In  jenem  finden  wir 
noch  den  fünfsilbigen  Fuss  an  zwei  Stellen  in  einiger  An- 
wendung, der  bei  den  Kunstdichtern  bis  etwa  auf  einen  oder 
andern  absichtlichen  Fall  aufhört ;  in  diesem  ist  eine  noch 
weiter  gehende  Beschränkung  des  zweiten  Fusses  auf  den 
antispastischen  und  choriambischen  Rhythmus  nicht  zu  ver- 
kennen. Der  Geschichte  der  indischen  Metrik  im  Grossen, 
so  weit  wir  sie  kennen,  ist  dieser  Bildungsgang  vollkommen 
angemessen  und  er  würde  sich  an  einigen  Metren  auch  im 
Einzelnen  ähnlich  nachweisen  oder  wenigstens  wahrschein-  i 
lieh  machen  lassen.  j 

J.    GlLDESIEISTER.         j 


281 


XIV. 

Aus  DscIiaiuPs  Diivao« 


/  Was  ich  hier  gebe,  ist  ein  kleiner,  und  vielleicht  ein 
erster  Theil  von  reichlichen  Auszügen,  die  ich  bereits  im 
Jahre  1831  gemacht  aus  einer  Handschrift  der  Gotha'- 
Bchen  Bibliothek,  die  sehr  schön  und  correct  geschrieben 
ist,  aber  übel  erhalten,  vieles  darin  verwischt,  verblasst 
und  verschmutzt.  Die  erste  Lage  enthält  lange  Gedichte 
über  Sultan  Husein's  Bauten,  wovon  hier  nichts  benutzt 
ist.  Was  ich  abschrieb  und  übersetzte,  hat  mir  natürlich 
far  den  Augenblick  selbst  gefallen ;  doch  habe  ich  neben 
manchem  Spielenden  auch  einiges  Abgeschmackte  nicht 
fehlen  lassen  wollen,  wenn  auch  nur  um  zu  zeigen,  wie 
die  Anmuth  Persischer  Rede  auch  dieses  erträglich  und 
einigermassen  angenehm  machen  kann. 

Fr.  Rueckert. 


Anin.    Um  den  Persischen  Vers,  den  so  viele  duppelzeitige  Sylben 
I  äusserst  schwankend  machen,  zu  sichern  und  zu  erleichtern,  ist 
1)  das  Jäi  Idbäfet  überall  bezeichnet; 

8)  dasselbe,   wo  es  metrisch  lang,   mit  senkrechtem  Kesra^ 
nach  Analogie  des  senkrechten  Fatha^  zu  bezeichnen  ver- 

su-ht ;  z.  B.  ic^A     Q^  äni  meni,  -  «  o  -  und  ^g^     .•^\ 

äni  meni  —  u  -  (du  bist  der  meinige); 

3)  vor  dem   vokalischen  He  der  Endsilbe,   wo  es   metrisch 
lang,  zuweilen  ein  senkrechtes  Fatha  gesetzt;  z.  B.  lOL 

I 
bade,  «^b  (bade  Wein) 

4)  vor  dem  ^  —  (und),  wo  es  lang,    zuweilen   ein   Dham- 
ma;  eben  so  vorjj'  (du); 

18» 


282 
I 


^-  ...         o  ... 

^JOui\  ^^bj  ^L>  y  t6^  ^t  ^jjir 


•^^^^  j_5^Ls  (_f^j-=*  vi;^*^  *:?-^^  i)^ 

8ü>ji'  (3^^  lA'jj'  i3U>  (3^  -•♦^■^^ 

8.i    *^f>-ic    vi;^tj  fc^^jl^  jtXir^    cl«   Qi^V^oJ 


5)  das  Elif  des  Anfangs,  wo  es  durch  Positiod  den  vorherge-- 
henden  Endbuchstaben  lang  macht,  ist  tiberall  mit  Uauisa  bu-j 

zeichnet  t  j  eben  so  das  Medd^  wofür  jedoch,  da  die  Ein- 
richtung der  Typen  beide  Zeichen  -/.u  conibiniren  nicht  cr-^ 
laubte,  nach  der  Orthographie  einzelner  Arabischer  Manu' 
Scripte  z.  B.   des   der  Liauiasa  ein  doppeltes  Elif  geset 

Ist;  z.  B.  ^^\)  Jyif  bcwed  'an  u  — ,  hingegen  q!  C)j 


283 


I. 
Dsehaml's  lilebe. 

Nie  von  rosemvangiger  Cypresscn  Anuiuth^  Dschami^ 

schweig^ 
Denn -du  bist  in  diesem  Garten  wie  die  Lilie   zun- 

geureich. 


Frisch  vom  Thau  der  Anmuth  seh*  ich  deine  Wang* 

umschwommen ; 

Eben    aus    dem    Beet,    o    Rose,    scheinest   du   zu 

kommen. 


Der  Schönheit  Kaftan  legte  die  Ros'  an  wohlbe- 
flissen ; 

Da  sah  sie  deinen  Liebreiz,  und  hat  ihr  Kleid  zer- 
rissen. 


Wandle  durch  den  Garten !  denn  was  dort  die  Knospe 

still  gehegt, 
Hat   die  Rose   dir    zum   Opfer    auf  die  Schale  nun 

gelegt. 


bewed   an  u  u  -.     Eber  so  unterschieden  ist  ...!t  J 


büd  'an  -  o  -,  von  ^  C>yi  büd  an  —  . 
«)   das'Oj-j::^^  ^^ü  ist,  wo  es  unterscheidende  Flexion,  ünität 
des  Nomens,  und  Optativ  des  Verbums  ist,  nach  der  Hindo- 

o 

stanischen  Schreibweise,  mit  j^  zu    bezeichnen    gewagt 

worden,  z.  B.  (^^  büde  (er  wörde  »eyn)  neben  ^_5<^ 

budi  (du  wärest)  j  ^jüi  jeke  (einer)    neben    ^^^  jeki 
(Einheit). 


284 


•       •>  1: 


-öi   (jÄ-fcJ   vi>s.>.   ^•♦.Ä-o   j^  »i'   iV''^-'  '■^*^ 


»Li    ^LÄ  j^  tV^^^  -./♦^Jiv*   .•♦•i^^ior  *i^ 


285 


Soviel  Herzen  sind  gefangen;    und   wie   lang  noch 

um  die  AVangen 

Legst  du  Locken  Schling'  an  Schling",  und  Geflechte 

IMns  an  Rinsf! 


Wo  4ß    deiner    Locken   Wallen    du  dalilngchst  auf 

der  Flur^ 
Wird  Verliebte  sicher  leiten  Moschusduft  auf  deine 

Spur. 


Von    deiner   Hand    traf   Dschami's   Herz    im    Busen 

dieser   Schmerz ! 

Eh  ihm  das  Herz  abhanden    kommt  ^    leg'    ihm    die 

Hand  aufs  Herz! 


Wenn  nach  Tagen  deine  Wang*  ich  wieder  seh'  vor 

meinem  Aug, 
Hindert   mich    am   Sehen    Augenwasser    bald^    bald 

Seufzer  auch. 


Nach   dir  aus  Sehnsucht  weinend  ging  ich  zu  Cy- 

press  und  Palme ; 

Wohl  hält  sich,  wer  in's   Wasser    fiel,    an    jedem 

schwachen  Halme. 


\,        Ist'S   der    dunkle    Flaum    des    Bartes,     deine    süsse 

Lipp'  umgebend? 
Oder  sind's  Ameisen    wimmelnd,    mit    dem  Fuss  «"» 

Honig  kl^'bend? 


um 

> 

■5*^  J^  O^*^   ^^   C^^^^   7***    "^  8'^l>gJ 


297 


Zwei  türkische  Wildjäger  sind   die  Augen  dein^    die 

schlafen^ 
Und    auf  dem  Kissen  neben  sich  den  Bogen  liegen 

haben. 


Selbst    beneiden    sich    die    Augen    deiner    Wangen 

Weide: 
Heimlich    vor    einander    blicken    sie    auf    dich     all 

beide. 


Gärtner^  lass  allein  im  Garten  mich  nicht  ohne  Lieb- 
chen gehn ; 

Herbst    den  Frühlingsblumen  bringen  möchte  meiner 

Seufzer  Wehn. 


Ich  Spiegel  von  der  Wohlgestalt  des  Freunds  muss 

das  versagen, 

Rostflecke    von  unreinen  Hauchs  Vertraulichkeit  zu 

traffen. 


Jeder    will    nach  seinem  Herzgelüsten  was  für  sich 

von  dir. 
Alle  diese  sind  Schmarotzer^    ich  begehre  dich  von 

dir. 


Du  fragst:   wen  wählst  du,  Dschami,  vom  Heer  der 

Schönen,  sprich !   — 

Da  ich  ein  Auge  habe^    wen    wählt'    ich   wohl  als 

dich. 


288 


,y*^   L>   yi   ^b^    0}i>)   ^^   V*"^  j^ 


Lr^  cr"-^  VJ^>^  ü^  c/^  ü'^^^  ^ 


v:>oLj   Q^^-ii«»-   v^jO    o^y^   *^   ^^!   '^'-^^J 


j;,Lii      dj^.      («i^(AA4J    oÄ>     Q-**^    '»ii'-'*^ 


289 


Jede    Nacht   im  Finstern  lausch'  ich  unter  Fenster  \ 

und  Balkon,* 
Dass  ich^    wenn  ein  Wort  du  redest,    höre  deiuer 

Stimme  Ton. 


Dschami^     da    du    doch  zum  Käufer  nimmer  taugst 

für  jene, 
O    was    hilft    dir    Gold    und    Silber  blasser  Wans* 

und  Thräne! 

Gott !   krause  nicht  die  Brauen !    genug ,    o  schönes 

Kind, 
Dass    tausendfach    gekräuselt    schon    deine    Locken 

sind. 


Beim     Staube     deiuer    Füsse!     des     Lebensquelles 

Fluth 
Erquickt      nicht      so     wie      deines     Lippenrubines 

Gluth. 
f 

Die  Veilchen  des  Bartflnumes,  g^ 

Um  acht  Rosenparadiese  geh  ich  nicht  ein  Zweig- 
lein hin 

Dieser  V^ellchen,  die  dir  spros^sen  an  der  Seite  vom 

Jasmin. 


Die  Silberbarren  der  Arme. 

Schenk'     etwas    einem    Bettler!     zwei    Silberbarren 

fein 
Trägst    du    iii    deinen    Aermelu    an    beiden    Armen 

dein. 
V.  19 


290 


^CU     ^y^Jj    ^^   jV     ^.,;5;J      ^b>      v3J    jJ 


m 


^\j£    _j^Xi^    (_5^    ^,>^i^    V^;^    L57&-^ 


ijÜ   aOuJ    üLs»   vi>N^J   o^^    ^"^ 
^y   L.^Uji  oö/  L^'if  ^0  / 


UT' 


(11 


291 


In  den  Klaff  des  Herzens  kamst  du  durch  des  Au- 
ges lichten  Schein ; 

Offen  war  die  Thür,     du    kamst  zum   Fenster   wie 

der  Mond  herein. 


O  Reh  des  Moschusduftes,  zur  Wüste  wor- 
den ist 

Die  Stadt;  sag  au,  warum  du  aufs  Land  gegan- 
gen bist? 

Entseelt    dahin    sank  Dschami  bei  deines  Abschieds 

Hast  ; 

O  Seelchen ,  sprich ,  warum  du  den  Leib  verlassen 

hast  ! 


Ach^  was  eine  Kerze  bist  du,  dass  du  helle 
Nie  willst  machen  eines  Armen  Kumraerzelle  I 


Hier^  Liebchen,    steht   zu  Dienste  mein  Herz^    mein 

Auge  dortj 
Mishagt    es    dir    am    einen,     kehr'    ein    am    andern 

Ort. 


Niemals  Rücksicht  nalnucst  du   auf  meinen  Wunsch, 

den  stillen, 
Oder     wenn     du's     thatcst,     thatest     du*s    nur  aus 

Muth  willen. 


Am  Morgen  geht  nach  einem  Geschäfte  je- 
der aus^ 

Und  Dschami  steht  m    Thräneu,    bis  du  trittst  aus 

dem  Haus. 


'292 


I 


l'VJV 


iLö    tSr4>^3  (^I-^'SV^'^  JÜÄSJ  O^y*  iC^'^^ 

u^ji^  ^  rV^  >»'  15^  -y^  ^>-^^  ij' 

-X*M.j^S^    .L\>.l»bj    (.5«^^    ''—?•    ^— ?^^b' 


293 


Kein    Ruhebett    verlang'    ich,     o     wohl    mir      jede 

Nacht, 

Im  Staube  deiner  Schwellen  auf  hartem  Pfühl  ver- 
wacht ! 


Du  .schnallst  den  Gurt  zum  Unheil^    und  ziehst  des 

Blickes  Schwert ; 

Siegsbeute  dir  I    dein    Streifzug,     auf    wen    ist    er 

«rekehrt  ? 


Wie     lange      soll     ich    streifen     das    Gässleiu     ab 

und  zu? 
Frag'  doch  einmal:     was    machst    du    dahier?    wen 

suchest  duY 


Dürft'     auf     deiner    Schwell'     ich     als     ein     Hünd- 

<i-  IPv.  lein  wachen, 

Vorrang   einem  Engel  würd'  ich  geben  kaum. 
Eine  Lust  ich  hätte,    dass  zu  meinem  Herzen 
Dräng'     ein     Pfeil,     der    lag'    in     deines    Köchers 

'  Raum. 

*  - 

Wenn     Dschami     bei     deinem     Reitknecht      Guade 

fände, 
Ging',     Deck'     auf     dem    Rücken ,     er    in    deinem 

Zaum. 


Und    willst    du    meineu    Gruss    mit    keinem    Dank 

vergelten, 
So    thu    doch    wenigstens    den    Mund    auf,  um    zu 

schelten. 


294 


^fMlflH 


i-'l^is* 


u^^l^  ^  u^    o-^  (*■**;  lA^'^-^^  (^  er» 

_>— *«  j^^     ob   L>jj^   ii^L>   ^_^  «y   jjfj5^ 


^^5j  ^—ÄXi^Ai  *wjl^j«j  /i_^Lt  ^|j^ 


295 


Heil    dem    Auge,    das    da    fällt    zuerst    auf    deine 

Wangen 

Morgens,  wenn  vor's  Haus  du  trittst  mit  tausend- 
fachem Pranaren. 


Wie    sollt'  ich    ihn    besitzen?    genüge    wenn    einst 

ich  nur, 
Zu    Staub    geworden,    küsse    von  seinem  Fuss  die 

Spur. 
Die    Fiebergluth    der    Liebe ,     die    mir    im    Herzen 

schwillt, 
Der  Heiltrank   ist   im  Becher    des    Todes,    der    sie 

stillt. 
Einst     wo    nach    allen    Seiten    weht    meinen    Staub 

die  Luft, 
An    jedem    Stäubchen    finden    wird    man  der  Treue 

Duft. 
Mit    Blut    darauf    geschrieben    wird  seyn  der  Tren- 
nung Weh, 
Wo  ich  aus  meinem  Staube  hervor  als  Blume  geh. 


Ich  höre,  dass  mit  Bücken  du  nach  einem  Schönen 

jagst, 

Von     einem    Tulpenwangigen    ein    Mal    am  Herzen 

trägst. 

O  thu  es  nicht,  o  thu  es  nicht,  da  du  ein  rei- 
•  zeud   Heer 

Von  schwärmenden  VerUebten  hast  um  dich  so  viel 

du  magst. 

Da  du  in  deinem  Spiegel  kannst  dein  eigen  Ant- 
litz sehn, 

O    sprich,     wie    du    mit    einem    Blick    nach  andrer 

Schönheit  fragst ! 


296 

t8>Xii  ^^jOj    u*>*^  i>Jic   «oii 
s8(A*ii   ^^*^^   kSf^'^   J^  -H    ^ 

C>— *J       J^"-^^      tS*-^      z^'— '^l) 

^1  _jj'    ^^^j^i'    c8,Xo     q'-^'  CT» 

-8jwt    ^^A^l    ^jj^      ,J^   Q>$- 

oW^^  o^-^^  J/^  J"  ^^ 


C8(Xw      ^aJ     SÄj^^^     ^tj       sJl.: 


•jy'  /  jp»  ^J|^^\  s>jJ*  w^^  ^ii^*-^^    *«^ 


297 

Allah,  Allah !    wie  zart  und  fein  du  bist ! 
Welches  Herzweh  und  Seelenpein  du  bist! 

Ich  an  Thorheit  bin  so  gethan  wie  du  weisst^ 
Seit  gethan  so  an  Zauberein  du  bist. 

Deine  Wang'  hebt  aus  Lockenhainen  sich  so 
Dass  ein  Neid  jedem  Rosenhain  du  bist. 

Durch  Rubingluth  der  feuchten  Lipp*  im  Ring 
Aller  Schönheit  der  Mittelstein  du  bist. 

Dir  geweiht  ist  mein  Leben;  sprich,  o  warum 
Nur  geneigt  mich  dem  Tod  zu  weihn  du  bist! 

In  die  Sehnsucht  des  Munds  versunken,  o  Herz, 
Eine  Ameis'  im  Honigwein  du  bist. 

An  den  Mund  denkst  du  stets  und  an  die  Gestalt, 
Dschami,  drum  so  gew^andt  und  fein  du  bist. 


Du  bist  einen  Kuss  mir  schuldig;   wird's  geschehn 

niemaien, 

Dass  ich  sehe  deine  Lippen  ihre  Schuld  be- 
zahlen ? 

m 

In    der   Liebe    Pensum   trog    mein  Herz    den  Preis 

davon,        ^ 
Weil  ich  repetirte  lebenslang  die  Lection. 


19* 


298 

I 
t  


<w       <>, 


äajI  y>^"^  lA^;  »J^  j^t)  L^'ÄÄJ 


•  I 

'^3L*öl     ic;*i    .'..^^^    j}*^    *^— "^^   *&-*a* 

^iüL3.   c> — i:^    ^♦--?;'v>    ^   .^^  y^  j 


299 


Welch'  Heil  kaim  er  dir  bringen,    der  Prediger  der 

Sladt, 

Der,  seinen  Text  auslegend,  nur  auskramt  Flitter- 
staat ! 

Alle    Schöpfungssonnenstäubchen    Seiner    Schönheit 

Spiegel, 
Jeder    Spiegel  trägt    von  Seiner  Wang'  ein  andres 

Siegel. 


Der    du    hältst    wie    mich    in  jeder  Wildniss  einen 

Geistesirren ! 

Dessen    Wangenlicht    die    Himmel    Schmetterlingen 

gleich  umflirren! 

Jakobs    Kummer    ist  ein  Stäubchen  nur  von  meiner 

Kummerzähre ; 

Ehie  Fabel   ist    vor  deiner  Schönheit  Jusufs  Wuu- 

dermähre. 

Wir  verlangen  unser  baares  Leben  nicht  um  un- 
sertwegen, 

Sondern    nur    als    Liebesbettler  es  auf  deinen  Weg 

zu  legen. 

Ist  uns  Haus  und  Hof  verödet,    Dank    dass   durch 

das  Glück  der  Liebe 

An  des  Jammergaues  Enden  uns  ein  Kummerhäus- 
chen bliebe ! 

Herzberaubten    ist    kein    Weg    zu    schwelgen    im 

Palast  der  Lüste ; 

Unser  sei  hinfort  die  Treimung   und  ein  Winkel  in 

der  Wüste 

Dschami,  der  von  einem  Schlucke  Liebes  weh  ent- 
seelt gesunken, 

Weh,  wenn  ihm  vom  Schenken  nun  das  volle  Mass 

wird  zugetrunken! 


300 


iöl»r  vmth'ji'l 


tJiycS  jO  (^]y>-  Q^-^  ^y^^ 


-miYi 


;l  ,•    1 


30t 


So  mit  Armen  möcht'  ich  deine  Mitt'  umfassen, 
Dass  inmitten  keinem  Haar  sei  Raum  gelassen. 


O   geh  vorbei  an  Dschamis  Haupt !    er  hat 
Lust  anzubeten^  wo  dein  Fiiss  auftrat. 


Heute  Perl"  um  Perle  \vein'  ich  meinem  Gram, 
Weil  die  einzige  Perle  mir  ans  den  Augen  kam. 


Hochgewachsen     zwar     ist     die    Cypresse     dieser 

Flur, 
Doch     vor     seinem     Wüchse    scheint     sie     mittel- 

mässig  nur. 


Sag'    nicht    von  jenem   Schalk,    es    sei    ein    Kind 

einfältig ; 
Es    weiss    uro    einen    Kuss    dir  Ausfhlchl'  hundert- 

fälüg. 


Fremd  ward  idi  in  Collegium  und  Universität, 

Indem  mein  Hauptbedürfniss   nun  nach  der  Schenke 

geht, 

Der  Schwall   von  Wissensdünkel  giebt  keinen  Lust» 

geschmack ; 

Willkommen  Schall  der  Flöten  und  trunkner  Scha- 
bernack ! 

Befrag  nicht  den  Stadtdoctor  um  Liebchens  Schön- 

heitsflamm, 

Die   kaum    mit    hundert    Zungen  auslegen  kann  ihr 

Kamm, 


302 


I;:!ui 


_.jw__awL__aj    Lj   IC*''*'    —T^.i     <3^     ;_^— .w»j 
x_3?»j    ^^:^     L>j.:>  3^;S^   u^-J  ^-«~w    ^_5L_>j 


_^3  o'— ^^  o^;^  ;*— <^^  '^  ^^ 


303 


Wo  ist  der  Bundesbrecher,  der  Schenk?  er  komme, 

dass 
Ich  ihm  den  frommen  Trödel  verkauf*  um  ein  paar 

Mass ! 
Von  Liebe  sing  und  sage  I  denn  keine  Sage  scholl 
Lieblich  wie  Lieb'  in  diesem  Gewölbe  sagenvoll. 
Verbrenne  deiner  Mühen  Befiederung  und  Schwing', 
Und  ruhe  deiner  Kerze  zu  Fuss,    o  Schmetterling! 
Vom  Leibesdiener  suche  Herzengeheimniss  nicht. 
Denn    nicht  in  jeder  Muschel  ist  einer  Perle   Licht. 


Dem    Schönheitsreiter  fallen  will  ich  in  den  Zaum, 

den  kecken ; 
Geh'  es  ihm  Anlass,     dass    er    mich    die    Peitsche 

lasse  schmecken  I 

Sieh  hier  mein  Herz,  das  blutige,    Türk  hold  und 

kühn  von  Leibe  I 

Wenn    etwa    für    dein    Pfeilespiel    du  suchest  eine 

Scheibe. 


Was   könnte  jener   Schwelle    an    dir,    o    Dschami, 


liegen, 


Da     hundert     solche     Bettler     an    jeder     Schwelle 

liefen ! 


'»' 


O  Gott,    was  kann  der  Anlass  seyn,  dass  sich  ein 

Fürst  der  Herzen 

Mit    einem    armen    Mann    wie  mir  herablässt  so  zu 

scherzen  I 


304 


fciU,  Ow^J  ol^  o^^^  c^*^  *^  «^-^ 


^M  j^j^  ^ 


Jj      2UÄ^     \^ 


«^U^UJ?    c;--^   j-^>'j^ 


307 


Lerne  Gott  aus  Gott  erkennen^  aus  Vernunft  nicht 

und  Beweisen; 

Braucht    es    Fackel    oder    Kerze  um  die  Sonne  dir 

zu  weisen? 

Komm,  Schenke^  da  den  Becher  nun  in  den  Hän- 
den hält 

Im  Garten  die  Narzisse^  die  Tulipan'  im  Feld. 

Laut    liest    vom    Blatt  der  Rose  die  Nachtigall  ein 

Wort, 

Was     hundert    Commentaren     schwer     auszulegen 

fäUt. 

Du  dessen  Weh  zu  tausend  Malen 
Das  Herz  mir  schlug  mit  tausend  Maalen  ! 
Könnt'  ich  wünschen^    um  zu  tragen  deine  Pein, 
Einen  Leib  mir,    wie  dein  Herz,    von  Kieselstein! 


Um  meines  Aug's  Schlaflosigkeit,    muthwillig  Kind, 

daferne 
Du  sie  nicht  kennst,    fr SLg'  eines  Nachts  den  Mond 

nur   und  die  Sterne. 


Mit    einem    Streich   nicht   möcht'   ich   von  ihm  ge- 

tödtet  seyn; 
Zwei,    dreimal    will   ich    kosten    die    Wonne  dieser 

Pein. 


Zum   Mond  in  jeder    Nacht  dringt  mein  Ach  Gott! 

empor; 

Wie,  Mond,  dringt  es  einmal,  ach  Gott,  zu  dei- 
nem Ohr? 

V  «0 


308 


^iHlsJt 


ol^  V J^  cy.'^  ^^"^  s^^  t^  c^  -  i'J^ 


o 


«^>aj     JJ3    Jj  ^^ß    ^^j— ^ 


OoljjJ     ^L>    f-O^S^.    ^A    *JU    8»>;U?- 


309 


Wo  ist  der   Liebe  Wohnung,    und    wo    der    Busse 

Zell? 

O     diese     Zell'     ist     dunkel^     und  jene     Wohnung 

hell 

Wo  ist  der  Busse  Trinkort,  der  Läebe  Gast- 
mahl wo*? 

Dort   ein  Brack wassertümpfel ,    hier    ein    SQsswas- 

serquell. 

Du  bist  das  Schwarz'  im  Auge  in  Augen  aller  Welt  j 
Was  schadet's  deiner  Farbe,  wenn  sie  in's  Dunkle  ^llt  ? 


O  Schad*  und  Weh,  dass  Dschami  im  Missjahr  der 

Entbehrung 

Umkam  und  nicht  erlebte  die  Ernte  der  Ge- 
währung. 

Verschieb    nicht,    mich    zu    tödten,    aufs    nächste 

Morgenroth ; 
Wer    weiss ,     wer    nächsten  Morgen  am  Leben  ist 

oder  todt ! 

Sonst   war    ich    nicht   zufrieden  selbst  mit  dir  um- 

zugehn. 
Nun    bin    ich    schon   zufrieden    dich  nur  von   ferne 

zu  sehn. 


Ich  bin  die  Frühlingswolke,  du  bist  der  Rosen- 
strauch ; 

Es    ist    mein    Amt    zu    w«inen,     zu    lachen    dein 

Gebrauch. 

Ein  Mond    von  fünfzehn  Jährcheu  brach  Dschami's 

Fingerband, 
Und  nahm   den  fünfzig]  ähr'gen  Ertrag  ihm  aus  der 

Hand. 


310 


^.Jii^   9j^^     juLo:     ..jL_aJL=>    ü     o^ 


i^Lu    8j  jt   (3j^Ia«    _^     jyi 


o^Lj  O    -^^  v-ÄbJ  stXjJ  ä/j^ 


tOL^  ^y  «jy  oy  o«^!«^  L^ 

rkiV,^^  j^Xj(X>  »JcX-yiJ'  -iL«/ 
lk_Äj/  ji  ycö^  ^y^  ^.^  ^^^^j 
siitJ    au«^   O^^    vi>M«c\^.  j^Lj> 


311 


Vom   schlechten    Nachwuchs    dieser    Zeit  darf  kein 

Geschrei  dich  rühren ; 
Lass  dich    von    Kalbsgeblöcke    nicht,     wie   Samiri, 
'*  verfuhren ! 


Ein     Strom     von     Seelen     fliesst     im     Gau     des 

Stolzen ; 
Soviel  Verlieble  sind  um  ihn  zerschmolzen. 


Wer  dich  zierlich  sieht  den  Mailleschlagel  heben, 
Möcht'  als  Ball  dazu  den   eignen  Kopf  dir  geben. 


Spornstreichs  flieg'  ich,  aber  jagend  hinterher 
Folgt  und  überholt  mich  deiner  Reize  Heer. 

Zu  Fusse  kam  des  Wegs  der  Schah  der  Schönen, 
Das  Röckiein  knapp,  das  Mützchen  schief  gesetzt; 

Um  Liebende  zu   tödten,  Blick  und  Braue 
Gespannt  als  Bogen  und  als  Pfeil  gewetzt. 

Zum  Kuss  des  Bodens  drängte  sich  die  Menge, 
Wo  auf  den  Boden  er  den  Fuss  gesetzt ; 

Und  meine  Thräneu,  die  nie  still  stehn  können, 
Still  Stauden  sie   vor   ihm  im  Staube  jetzt. 


312 

JiJL*>  j\    ö^yo\s    ^^^:>   Kßß 
noS^    j^^jyj>^   «U  j\  sS  LiU» 


»L-äi^  vi>U3    U«*-»  «>-ii»   ^  o'^ 


fKfc.      '»    t 


313 

Nicht  Mensch  noch  Engel  fasst  sein  Lob  zusammen ; 
Gewiss  von  Mond  und   Sonne  muss  er  stammen. 

Fragt    nicht    das     Loos,    welch'     andrer    ihn     soll 

lieben  ! 
Auf  Dschami's  Namen  ist  dies  Loos  geschrieben. 


Entflohen  ist  mein  Moschushirsch^  o  weh,         <• 
Entwichen  mir^  das  ich  geUebt,  das  Reh. 

Um  Gott^  gieb  Kunde  mlr^    o  Morgenwind^ 
Wo  meines  Rehes  Weideplätze  sind! 

Aussagen  kann  ich  nicht^   was   mir  geschehn. 
Seit  ich  nicht  mehr  den  holden  Mond  gesehn. 

Die  Leute  sehn's  an  meiner  blut'gen  Thrän'^ 
Ob  ich  nicht  klage  üchou,  was  mir  geschehn. 

Stet«  in  Erwartung  rieht'  ich  früh  und  spat 
Das  Ohr  aufs  Thor,  das  Auge  auf  den  Pfad'. 

Zum  Leicheuhemde  deiner  Locken  Duft 

Nahm  er  in's  Grab,   süss  dufte  Dschami's  Grufll 


Minder  Werth  als  Nichts  erkennst  du  Dschami'n  zu; 
Niemand  kannte  besser  seinen  Werth  als  du. 


314 


sLa^     ^Lw     i'jl^j     ^.**<     33j''       t,XÄX*vO 


'^7 


313 


O    Herzchen,    wenu    Verliebte    du  mit  einem  Blick 

bedenkestj 
Dass  da  mir  aus  zwei  Augen  nur  ein  halbes  Biick- 

chen  schenkest! 


Das  schwarze  Fleckchen  das  du  siehst  im  Grüb- 
chen an  dem  Kinne, 

Ein    Mohrenbab'    ist's,    in    die    Grub'    gefallen    aus 

Leichtsinne. 


Nicht  am  Tubabaume  drüben  werd*  ich  deinen  Wuchs 

vergessen ; 
Kann  ein  Gra-shahn  dich  ersetzen,    schönste    wan- 

dehider  Cypresseu  ? 

Komm  und  ruh*  in    diesem    Herzen^    obschon    eine 

enffe 
Derwischklause   Raum    nicht   hat  für    emcs    Schahs 

Gepränge. 


Falle    Dschami's    Haupt  in  Staub  von  deinem  Fuss, 
Weil  es  doch  dem  Staub  einmal  verfallen  muss! 


Dschami    konnte    nicht    durch    eignen     FleLss    vom 

Liebsten  Kund'  erlangen ; 

O  Genossenschaft  der  Freunde^  lasset  ihn  die  Kund' 

empfangen! 

Ich  wandelte  beständig  den  Weg  der  Gnade  ; 
Da  sah  ich  dich  am  Wege,    und  kam  vom  Pfade. 

20* 


314 

ic'jj^    _J-J5     ^-^A:*.^     Mf*"     *»^ 

CiAiLo      OJO3     £3Ü^.    ^     iSS' 
2UÄMM«     v>^J     2iÜXj     ..^J    ^^    (J^;! 

^y   L>^    B.i'^   ^IJ    ^30   ^Ä^^ 

jui  (Aäj  »j^  (c''^^  .y^  *^0^ 


^.«ajj  j!  (31 — ♦>  jö  ijjt  Q-**>  Ji-_«y 


315 

O  Schönheitsbild;    das  mir  das  schönste  gilt, 
Gebildet  hat  dich  Gott  nach  seinem  Bild. 

Der  Gottschau  Spiegel  ist  dein  Angesicht; 
O  gieb^s  des  Selbstbespieglers  BUckcn  nicht! 

Nein  Gott^  der  Spiegel  und  das  Bild  bist  du; 
Den   AVahn  der  Zwdiheit,  lass  ihn  hier  nicht  zu! 

Geschieden  ist  das  Bild  vom  Spiegel  nie; 
Du  bist  in  ihm  enthalten ;    glaub  und  sich ! 

Wer  nicht  im  Geist  der  Einheit  Faden  fand. 
Dies  Rälhsel  ist  unlösbar  seiner  Hand. 

Ein  Faden  ist;  doch  tausend  Knoten   sind; 
Wer  löst  des  Fadens  Knoten  all  ffeschwind? 

Wer;  wie  Dschami,  von  Knoten  war  umstrickt; 
Heil  ihm;  wenn  er  des  Fadens  End'  erblickt ! 


Woher     immer    eintritt    jener    Mond    mit     offenem 

Wangenlicht; 

Wird  mir  sichtbar  das  Geheimniss:  das  ist  Got- 
tes Angesicht. 

Die  Vollendung  ew'ger  Schönheit  hat  mein  Aug*  in 

ihm  erblickt; 

Ob    er    fest  sich  strickt  den  Gürtel  oder  schief  die 

Haube  rückt. 


316 

K   iii^l— *«  iS   ^jj     ^J>  oilii  ^/«^ 
>  I  ^         -         - 

...  «        >  •• 

»1—5 11    öyi   !iAs>  v_3,L.c    /  Ä— ^Lc  -AM  j 


tl7 

Knecht  der  Anrauth   seines  Waiidelns  bin  ich ,    die 

den  Pilgersniaun 
Bald   zum   rechten    Wege  bringen ,  bald    vom  Weg 

abbringen  kann. 
Dass  mein  Flehn  auf  seinem  Wege  liegt^  was  nützt 

es,  da  sich  doch^ 
Unter  seinen  Fuss  zu  blicken^  trägt  der  Stolze  viel 

zu  hoch. 
Rechn',    o  Scheich^    nicht  Götzenliebe  Herzensmän- 

uern  an   als  Fehl  ! 
Des  Verliebten,  des  Geweihten  Heimlichkeit  ist  Gott 

kein  Uchl. 
Liebeskunde^  die  da   Urkund'  ewger  Herrschaft  ist^ 

wie  nun 
Sollt'    ein    Mann    im    Doctorkragen   sie  mit  Worten 

kurz  abthun? 
Seinen  Freund  im  Fremden  sehen,  das  ist  Dschami's 

Tränke^  ja  ! 
Was  ist  hier  denn  fremde?    nichts    im    Dasein    als 

nur   Er  ist  da. 


Das  edle  Leben  geht  dahin,    wir  nehmens  nicht  in 

Acht, 
Und     keinen     anderen    Ertrag     als     Kummer     hat's 


gebracht. 


Dass  wir  des  Monds    Gefährten    siud^    was    haben 

wir  davou^ 
Wemi     wir     ihm     weiter     kommen    ab    auf    jeder 

Station ! 


Tubabauiu  dein  Wuchs,  die  Lippe  Kauthers  Brunn^ 

Huris   die  Wangen ; 

Wird  der  Paradiesesgarten .  nur    von    deinen  Reizen 

prangen  ? 


318 


t^j  «-^>&:^  cr^*«  o-^^^  j^  L^^  lA^  f^ 


^t  »— lüü  JljJo  uj^-=^  o'^  ;'^j^ 


3!  i-jL-^.    .^♦•^^  ^-^    Jl"-^    rjtV«^  .^«^^ 


319 


Dschami;  g«eb  dir  nicht  vergebne  Müh  mit  Rede- 
zauberei I 

Jene  zauberische  Schönheit  ist  von  deinem  Zauber 

frei. 


Wenn  dich  auf  des  Hauses  Dache  sieht  der  Mond, 

der  nächtlich  wache, 

Macht    ihn    vor    Besrhämunor    bleich    deine    Wanjre 

sonnenirleich. 


Auf  deinem  AntUtz  ist  zu  sehn  der  ew'gcn  Schön- 
heit Feier^ 

Wo    nicht    als    eine    Scheidewand    dazwischen  tritt 

der  Schleier. 


Wer  bin  ich  denn,  um  meinen  Kuss  auf  seinen  Fuss 

zu  drücken? 
0    möge    den    Steigbügel    ihm   zu    küssen    mir  nur 


glücken ! 


Wenn   seine  Lippe    Perlen    streut^    werd'    ich    von 

Kopf  zu  Fuss, 

Der   Muschel    gleich,    ganz  Ohr,    um  einzusaugen 

seinen  Gruss. 


Gott,    nach    seinem   Wangenmonde    lass    mir    diese 

Lust  vergehn, 

Oder    gieb    einmal   in   jeder   Woche    mir    ihn    doch 

zu  sehn! 

Soll  ich  zum  Entsagungsgaue  wieder  wandeln,   da 

o   Leiden, 
Liebchens    anmuthvolles    Wandeln    doch    mir    wird 

den  Weg  abschneiden ! 


320 

0 

y^\     ^^     o-^    O^^     ^    (f^^ 

i 

^X^     OL-Ä^^     l5;-'H^    y    LT^ 

er  j^  L^^=^  u5^^-^^  ^  ^^-^  -^ 
p"  ^h  y^^^  «^tv^  er  ^^  i3^ 

y  vjijj  ^^i^  er  l5^  ^^'  ^J 


Die  Welt  ist  hell  mir  aufgethan  von  dir, 
Die  Schöpfung  eine  Rosenbahn  von  dir. 

Ob  Vollmond  nie  mein  Haus  erleuchten  mag^ 
Voll  Monds  ist  Fenster  und  Altan  von  dir. 

Weil   du  im  Herzensraube  Meister  wardst, 
Nimmt  Lehre  jeder  Abgott  an  von  dir. 

War'  auch  dein  Mund  so  mördrisch  wie  dein  Blick; 
Wem  bUebe  Lebensrettungswahn  von  dir  ? 

O  sag  nicht   stets :    was  spricht  denn  Dschami  an  ? 
Nichts  als  dich  selber  spricht  er  an  von  dir. 


Mein  Hers  liegt  im  Geflechte   deiner  Locke ; 
Wer  bliebe  frei  und  dächte  deiner  Locke  ? 

Die  Herzen  sind  von  diesem  Strick  gefangen  5 
Fangstricke  sind  die  Mächte  deiner  Locke. 

Die  Knechtschaft  deiner  Locke  giebt  den   Adel^ 
Drum  gab  ich  mich  zum  Knechte   deiner  Locke. 

Kein  andrer  Schleier   ziemt  der   Rosenwange^ 

Als  dieser  Musk^  «der  achte,  deiner  Lockc^ 
V.  21 


32t 

y^\ÄA   ö^O    Don    (3^b  jjf   v^; 


_jj  jl    vjLJÜ    ,J   &:5Uc    l>j^    iJ'     JliT    ^^  jj" 
_^ji     Vl-^^     0>^     Ln?^W     v^^5^     .y*^) 

«^J   qI  V— iI^.^_>   .0  ^-;5^  qX;«     ^^^Lm  .-^ 


3f3 

Die  Stelle  deiner  Lock'  ist  überm  Momi«; 
Hoch  sind  die  Hoheitsrechte  deiner  Locke. 


Ein  Glückstag  bricht  für  Dschami  jeden   Morgen 
An  aus  der  Nacht  der  Nächte  deiner   Locke. 


Du  bist  der  Mond^  vor  welchem  sich  die  Somr  aus 

Scham  verhüllt ; 
Du  bist  die  Ros',     um    die  ^ie  Knosp'  im  Schleier 

Weh  erfüllt. 
Mein  Herz,  dem  tausend  Thore  Leids  die  Lieb*  hat 

aufgethan, 
Durch    keine    Pforte    will    es  doch  entlassen  seinen 

Wahn. 
Es  ist  doch  eines  Schahs    Beruf^    das    Reich  wohl 

anzubauu ; 
Wie  magst  du  nur  des  Herzens  Reich  so  im  Ver- 

vi^     d.  falle  schauul 
Der  Zügel  der  Geduld    ist  mir  in  dem   Gelüst  ent- 
gangen, 
Zu  des    Fusskusses    Glück  wie  dein  Steigbügel  zu 

gelangen. 
O  eile  nicht  so  sehr  zu  gehnl   wie  soll  das  Leben 

weilen  ? 
Doch  eben  weil  das  Leben   ja    du   bist,    musst    du 

enteilen. 
Bemühe    nur    die    Lippe    nicht    mit    Dank    auf  alle 

Grüsse! 
Ein    einziger    Dank    genügt,    dass    er    ein    hundert 

Grüsse  büsse. 


324 


^*j    twL— .xij    v>jj  (j«j  t«  o»^ 


yi  l9J)jJ  j.— 'S  y^.  *-^  ^^  ^*  /* 


325 


Scheint,  Dschami  umzubringen,  dir  ein  gutes  Werk, 

i  nun, 
So    mach    nur    dass    du    nicht   versäumst  das  gute 

Werk  zu  thun! 


Verschleudre  die  Pfeile   nicht  allerwärts  ! 
Genug  zur  Zielscheib'  ist  dir  mein  FIcrz. 

Jeden  Morgen  geh'  ich  in  den  Garten,    gleich  dem 

Morgenwinde, 

Ob  ich  einen  Duft  von  dir  bei  neuerblühten  Rosen 

finde. 


Nehm'  ich  von  Fehl  ein  Härchen  an  deinem  Ge- 
sichte wahr. 

So    werde     das    Gesicht    mir    dafür    schwarz    wie 

dein  Haar ! 


Bald  nahst  du  lieb  mir  Armen    dich,    bald    bist   du 

lieber  fern  geblieben  5 

Was  dir  beliebt  und  nicht  beliebt,  ich  lass  mir  dei- 
nen Sinn  beheben. 


Wenn  die  Nacht  kommt,  o  mein  Abgott,  tödtet  mich 

ein  Schwert  von  Gram, 
Und  das  Leben  kehrt  mir,     wenn  im  Morgenhauch 


dein  Odem  ^kam, 

4J         - 


Wenn  ich  dich  im  Mesgid    sehe  (Scelenkibla  deine 

Schau),       _ 

Wünsch'  ich  den  Altar  im  Rücken,  und  vor's  Ant- 
litz deine  Brau. 


336 

>•"  c^Ä  '^'^  (J^.^  ^  ,^*^    t^'— 4^  er» 
-  *  I  *     I  I       " 


327 


Im  Gebet    das   Herz    ist    dir,    der  Blick   der  Kibla 

zugekehrt ; 

Auch  den  Blick  dir  zuzukelireu^  wäre  mir  das  Glück 

gewährt! 

Schone  doch  der  3Iuselmauen^  schau  nicht  um  dich 

Überali ! 

Denn    der    Andacht    Ordnung    kommt    durch  deinen 

Zauberblick  zu  Fall. 

Dich  vor  Augen  ^    wiederhol"  ich  meine  Niederwer- 
fung hier; 

Denn  das  Haupt  empor  zu  richten^  hindert  mich  die 

Scham  vor  dir. 

Die  Versammlung    allerseits  stimmt  am  der  Lobge- 
sänge  Chor^ 

Aber    deine  leisen  VVörtchen  sag*  ich  mir  im  Stil- 
len vor. 
Der    Mueddhin    ward    in    seinem    Ruf   zur    Andacht 

irre,  da 

Er  die  Aumuth  deines  Wuchses_,  der  Geberden  An- 
stand sah. 
Jeder  auf  der  Unterwerfung  Antlitz  liegt  an  seinem 

Ort^ 
Doch  auf  Dschami's  bleicher  Wange  liegt  der  Staub 

des  Gaues   dort. 


So  sehr  hab'  ich  gewöhnt  an  deine  Nähe  mich, 
0   weh  mir  jede  Stunde^  da  ich  nicht  sehe  dich. 

Ich  starb  in  deiner  Ferne ;  wo  ist  die  Zeit  hin,  da 

Den    Glücksglanz    deiner    Wange    mit   jedem  Blick 

ich  sah! 


32$ 

I 

^'     t}\s>     ^♦^r>      y5s-*^^^     yCi^M*J^     ^»♦-w^ 
"  I  I 


_^*    :!jU     ^_j.— .Ä-Cio    Ij    ^^-^a«    _yjC.A^     jjI-SjJ    b 


329 


Die  Well  mit  deiner  Sehe,  mit  deiner  seh'  ich  sie; 
Mein  ist  dies  Aug',    im    Auge   bist   du   der   Stern 

allhie. 

Von  deinem  Glänze  wurden  mir  alle  Schatten  Licht ; 
Geh    ewig    mir,    o    Sonne    der    Schönheit,    unter 

nicht  1 

Seit    du    gingst    wie    der    Schlummer    vom    Auge, 

welches  quillt 

Von    Thränen,    blieb    in  Wahrheit  darin  nichts  als 

dein  Bild. 


Da    es   nicht   mein    Glück   ist  selber  dir  einmal  zu 

nahn  vertraut, 
O    so    sprich    ein   Wort  mit  andern,    dass  ich  höre 
:.:t_   '^?,deinen  Laut! 


0  du  Paradiesesvogel,    könnte  dich  erreichen  wer! 
Des  Verlangens  Netze    spreit'    ich,    ob    dein    Flug 

dich   trag'  hieher. 


Wenn  du  deinen  Schleier  lüpfest,    fällt  Dschami  in 

Sang  und  Schall, 
Denn  du  bist  der  Schönheit  Ros',  er  deine  Sänger- 


nachtigall. 


Der  Gemüthsruh  Samen  sät'  ich ;  doch  das  Traum- 
bild deiner  Brauen, 

Eh  die  Saat  mir  grünte,    kam,    sie  mit  der  Sichel 

abzuhauen. 


330 


t.  ^^^öi    cy^^^  o^^^   O^^^   c^maj 


QÜ-pLi     l::5^    qUj»  j^J     C^^^     ^2y«-iCl^    MiK^i^O 


qL.ac   n:>->5j   p\— JLoil  jO   c>^AwJ>    qI~».    Oj_^ 


331 

Nicht    dem    Paradiesesgärtner    ist   die    Kunst    ver- 

liehn, 
Zarteres    Gewächs    als    deinen    zarten   Wuchs   zu 

ziehn.  4 


Freund  feindselig,     Himmel    ungeneigt;    Gluck   un- 
gefüge ; 
Gott;    wie   da   zu  Stande  bringen  soll  ich  Liebes- 


guüge! 


Deines    Angesichtes     Spiegel    zeigt    ein    Bild    der 

Seele ; 
Wozu    dass    man    alle    Bilder    deiner    Reiz'    auf- 

zälile  ? 


Da  du  so  viel  Zucker  streust  aus  antwortfertVöm 


o^ 


Munde; 


Macht;    mit  dir    Gespräch    anknüpfen;    eine    süsse 

Stunde. 


Zu  weilen  dir  zur  Seiten  geht  nicht  aU; 
Und  dich  zu  sehn  von  weitem  geht  nicht  an. 

Süss  ist  es,    dich  von  Zeit  zu  Zeit  erblicken, 
Unsüss,   dass  es  zu  Zeiten  geht  nicht  an. 


Zur  Blumenzeit  im  Felde ;    sieh;    nicht  Tulpen  sind 

es,    die  da  glühn, 

Sind    Feuer,     die    vom    Staub    empor    Verbannter 

Herzverbranuter  sprühn. 


333 

Q^  v:>.*«v>^   ^^*  jt  pL>  iciOji  oSy   Ot>  j^   viJM-c 

* 


0(A^A^     qL5'   s-*J^  ^^J^^   tA.;L'>'ic>ii   ^jUil   iu   ^-jLs» 


uiN^  ^3  ^üaä^jJ  w^^3  j5j  yiJL^  b  ^_^b>  j^L» 


Dein  Geheimniss  sag'  ich  nicht^  um  das  mein  Herz 

im  Blute  steht^ 

Wie  aus  hefenreichem  Fasse  sich  nicht  Weinesduft 

verräth. 


Dein  Schmerz  verliess  mein  Herz  nicht^  doch  den  Leib 

die  Seei';  es  traf  nicht  ein, 

Was  ich  gesagt:  aufgeben  würd*  ich  mit  der  Seele 

deine  Pein. 


Still   wartend    bracht'    ich    Jahre   zu   im    Staub   an 

deinem  Thor ; 

Der  Geist  ging  mir  vor  Worten    aus,    du    gingest 

nicht  hervor. 


Diese  Rücksicht,  die  er  nimmt  was  kann  sie  from- 
men meiner  Brunst^ 

Da  er  mir  gibt  seine  Blicke,    und  den  andern  seme 

Gunst! 


In  Gemeinschaft  eine    Seele    schickt  sich  schlecht- 

o  Herz  von  Stein! 

Bald  will  er  mit  mir  vertraulich,    bald  vertraut  mit 

andern  seyn. 

Dass    er  mir   unfreundlich   ist,    ist    kein   Verdruss 

doch  ein  Verdruss 

Ist's,  dass  ich  ihn  mir  zum  Trotz  mit  andern  freund- 
lich sehen  muss. 


Dschami's    See!'    ist    im    Gespräch    mit    Liebchens 

Bilde   Nacht  und  Tag; 

Wie    natürhch,    dass  für  andre  nicht  den  Mu^d  er 

aufthun  mag  l 


334 

U"'>  "•     >  ••  •      • 


^^    v;>*»^  y*o  tXj^L>  Oi4J*)   »*ip*«|^  (jjy 


qjI     ci'WWM*«J>^      .li*'     Vi>J*;J       »i>LÄ9   ^IXil 


335 

Vor    deinen    Wangen    haben    die     Götzen     keinen 

Glanz; 
So   lang'    die    Sonne   scheinet,    wo   ist   der  Sterne 

Kranz? 
Vor  Gluth  in  hundert  Stücke  zersprang  mein  Herz, 

die   nun 
Im    Seufzerhauch    sich    einzeln    hervor    als    Funken 

thun. 

Nun  kann  ich  dir  nur  rathen,    Herz,  in  Rathlosig- 

keit 
Zu  leben,  da  der  Rath  uns   entgangen  ist  so  weit. 


Aussicht  auf  Bess'rung  hab  ich  nicht ;  wo  hätt'  ich 

sie?  das  Lieben 

Ist  herb,  das  Liebchen  hart,  das  Glück  unhold,  wie 

sonst,  geblieben. 

Hätt'    unter    Liebchens    Fuss    sein   Haupt   Dschami 

nicht  hergegeben. 

Wie  dürft'  er  unter  Liebenden  es  nun  so  hoch  er- 
heben ! 


Von    deinem    Kummerkrauken    ist  der    Hauch    noch 

übrig  hier^ 
Nimm   in  Verwahr    den  Hauch!     es   ist  sein  letzter 

Hauch  nach  dir. 
Ohn'  eines  Worts  Vermittelung  frag  mich:  wie  geht 

es  dir? 
Zu  ewiger  Barmherzigkeit    Vermittlung    gnügt   das 

mir. 


Tritt  einmal  nur ,  wo  du  wandelst ,  auf  mein  Haupt, 

und  geh  vorbei; 

Denk,   dass  in  deu   Weg   gekommen  dir  Dom  oder 

Distel  sei. 


336 


• 


Cl 

I     "  I 


Wohin  einsam   ich  mich   wenden  mag  nach  meiner 

Sonne  Schein, 

Kommt  der  schwarze  Unglückswächter  mir  als  Schat- 
ten hinterdrein. 


Der  Liebe    Schweigsamkeit  befreit  von   Frage  mich 

und  Plage; 
Nicht  mehr  steigt  wie  in  vor'ger  Zeit   zum   Himmel 

meine  Klage. 

(Schluss  im  nächsten  Bande.) 


-»♦©♦<>- 


337 


V. 

Cntersiicliu^seii  über  die  etlinosraphl- 

scIie  Stellung  der  Völker  im  H^esteu 

Indiens. 

(Fortsetzung  von  Bd.  IV,  S.  488.) 


4)  Die  Braltui  und  Ibre  Sprache» 


a)  Einleitung. 

Nach  den  Untersuchungen  über  die  Sprache  und  die 
Abstammung  der  Baluk'cn   haben  wir  uns  zunächst  an  die 
Betrachtung  der  Brahui  zu  wenden.     Diese  stehen   in    Be- 
ziehung auf  Stamm-  und  Sprachverwandtschaft  ganz  ver- 
einzelt  unter   allen  sie  umgräuzenden   Völkern    da  und  je 
räthselhafter  dadurch  ihre  Erscheinung  ist^  desto  anziehen- 
der und  unabweisbarer  wird  es,    den  Versuch  zu  machen^ 
dieses  Räthsel  zu  lösen.     Das  Hauptmittel   dazu  muss  die 
Erforschung   ihrer  Sprache   scyn;    nur  wenn  es   gelingen 
sollte^    dieser   eine    Stelle   in   einer   grösseren   Familie  von 
Sprachen  zu  ermitteln,   wird  es   möglich   seyn^   auch  dem 
Volke  den  gebührenden   Platz  zu  bestimmen.     Das    Volk 
selbst  besitzt  keine  auch  nur  scheinbar  annehmlichen  Ueber- 
lieferungen  über  seine  Stammverwandtschafl;   in   der  Eth- 
nographie ist  das  Volk  noch  nie  einer   Untersuchung  ge- 
würdigt worden. 

Es  ist   schon   oben  hervorgehoben   worden^    dass    die 

Brahui  von   allen  benachbarten    Völkern,    namentlich  auch 

von    den   mit  ihnen  politisch    eng    verbundenen    und   zum 

Theil  verschmolzenen  Baluk'en,  sich  auf  sehr  markirte  Weise 

V.  2? 


*    du 

durch  den  körperlichen  Typus  unterscheiden,  wo  dieser 
nicht  durch  Mischung  entstellt  oder  verwischt  ist  0-  Eben 
so  scharf  scheidet  die  Sprache  beide  Völker.  Wir  fanden 
weiter^  dass  die  Brahui  sich  als  Urbewohner  ihres  Landes 
betrachten;  die  Baluk'en  dürfen  uns  unbedenklich  als  spätere 
Einwanderer  des  mittleren  und  östlichen  Balukistans  gel- 
ten ;  wir  kenneu  gegenwärtig  in  diesem  "Laude  keine  Be- 
wohner, die  für  älter  als  die  Brahui  ausgegeben  werden 
könnten.  Die  Betrachtung  der  jetzigen  Vertheilung  der 
Wohnsitze  der  Baluk'en  und  Brahui  scheint  die  Ansprüche 
der  letzteren  zu  unterstützen;  wir  wollen  daher  diese  zu- 
erst bestimmen. 

Man  kann  im  Allgemeinen  das  Verhältniss  so  angeben, 
dass  die  Brahui  die  inneren,  centralen,  gebirgigen  Hoch- 
flächen Balukistans  inne  haben,  die  Baluk en  ihnen  hingegen 
im  Westen  und  Osten  in  den  niedrigeren  Gebieten  wohnen. 
Bei  der  oft  schwankenden  Anwendung  der  beiden  Völker- 
namen werden  die  Angaben  über  die  Verbreitung  der  Bra- 
hui-Sprache  wohl  das  sicherste  Kriterien  für  den  jetzigen 
Landesbesitz  der  Brahui  gewähren.  Leech  sagf^}:  „die 
Brahui- Sprache  wird  gesprochen  durch  die  ganze  Khan- 
schaft Kalät,  deren  Gränzlinien  durch  Harraiid,  Shäll,  Ko- 
kak  und  Kech  und  durch  das  Garamsal  genannte  Gebiet 
gezogen  werden  können/'  Diese  Umgränzung  scheint  je- 
doch etwas  zu  viel  den  Brahui  im  eigentlichen  Sinne  nach 
Osten  hin  zuzuschreiben.  Harrand  liegt  an  der  niedrigsten 
Kette  über  der  Indusebene  zwischen  den  Parallelen  von 
Dera  Ghäzi  Khan  und  Mittunkot;  so  weit  reichen  die  Bra- 
hui nicht,  wovon  nachher.  Shall  CQuelta  der  Afghanen) 
bezeichnet  die  Nordgränzc;  wenn  mit  Kokak  Kohak  im  W. 
Pang'ghur's  gemeint  ist,  wäre  dieses  das  Westende  des  Ge- 
biets; Kech(Kcg')  ist  der  äusscrste  Südwestpunkt,  Garamsal 


1)  Ztschft.  IV,  98.  475.  477. 
S)  Am.  Journ.  of  B.  VII,  588. 


339 

(wohl  Garmaer,  das  Gebiet  mit  warmem  Klima)  wird  der 
südliche;  niedrigere,  heissere  Theil  der  Provinz  G'häla- 
vän  seyn. 

Ein  noch  späterer  Berichterstatter,  Masson,  drückt 
sich  kürzer^  aber  im  Ganzen  übereinstimmend  aus.  „Das 
Brahuiki  oder  Kür  Gälli  (AdiS  Patois)  ist  den  Stämmen 
Sahäravän's  und  G'hälavän's  eigeothümUch^^  O-  Er  hat 
ausserdem  viele  Angaben  über  die  Verbreitung  der  Stämme 
der  Brahui^  nur  vermeidet  er  nicht  gehörig  die  bekannte 
Verwechselung^}  der  Namen  des  eben  erwähnten  Volks 
und  der  Baluk'en  und  macht  daher  eine  genauere  Umgrän- 
zung  der  Brahui- Stämme  unsicher  3). 

Die  von  Masson  angegebenen  zwei  Provinzen  Baluk  i- 
stans  sind  in  der  That  wohl  auch  von  Leech  gemeint  und 
andere  Nachrichten  zeigen,  dass  in  ihnen  eben  die  eigent- 
lichen, obwohl  nicht  ganz  ausschliesslichen  oder  einzigen 
Sitze  der  Brahui  sind. 

Die  Ostgränze  Sahäraväns  ist  eine  Reihe  von  Gebirgs- 
zügen, welche  dieses  Bergland  von  dem  Tieflande  Kak'ha 
Gandäva's  trennen.   Es  heisst:  Sahäravän  wird  durch  paral- 


1)  Narratice  of  a  Journey  to  Kalät,   and  a  Metnoir  of  Eastern 
Balochistan,  p.  394. 

2)  oben^  IV^  S.  99.    Masson  giebt  Brahui  als  Form  des  Namens. 

3)  So  sagt  er  in  seinem  besondern  Abschnitte  über  die  Völker  des 
östlichen  Baluk'istan's,  p.  336.:  ^,die  zahlreichen  Stämme,  welche 
als  Baloch  betrachtet  werden,  können  auf  drei  grosse  Klassen  zu- 
rückgeführt werden,  die  Brahui,  die  Rind  und  die  Lumri}^  Er 
lässt  den  dritten  grossen  Baluk'stamm,  die  \harui  (oben  IV,  477.), 
aus  und  macht  die  Brahui  zu  Baluk'en.  P.  346.  „Die  grossen 
Rind-Stämme,  obwohl  nicht  Brahui^  werden  unter  die  allgemeine 
Benennung  Baloch  eingeschlossen.'^  Als  ob  diese  allgemein  fttr 
die  Brahui  wäre.  Er  äussert  p.  338.  dass  es  schwierig  sey,  die 
Brahui  von  den  andern  zu  unterscheiden  und  dass  man  vielleicht 
am  richtigsten  die  fttr  Brahui  ansehe,  welche  die  Brahuiki-Sprache 
sprechen.  Allerdings  und  damit  schlösse  man  vielleicht  ursprüng- 
liche Brahui  unrichtig  aas,  gewiss  aber  keine  falschen  ein. 


lele  Bergzügje,  eine  furchtbare  Barriere,  von  Dädar  und 
Kach  Gandava  getrennt;  es  sind  ihrer  drei,  die  östliche 
Kette  über  Kach  Gandava  wird  von  Stämmen  der  Rind 
(also  Baluk  en)  bewohnt,  die  westHche  von  den  Brahui  *}. 
Die  Kette  hat  keinen  allgemeinen  Namen;  der  Theil,  der 
Kalät  überragt,  heisst  Arbüi,  die  höhere  über  Kach: 
Täkäri^).  Diese  Kette  setzt  südwärts  fort  und  scheidet 
Ghälavän  vom  Sind  und  Induslhale^).  Auch  hier  werden 
Brahui  die  hohen  Berge  besitzen,  da  eben  dieses  Gebirge 
gewöhnlich  das  der  Brahui  genannt  wird. 

Gegen  Süden  ist  die  Scheidewand  eben  so  stark  her- 
vortretend, wie  im  Osten;  ein  Randgebirge  scheidet  das 
innere  Baluk  istan,  das  heisst  hier  G  hälavän,  vom  heissen 
Ufersaum  des  Indischen  Meeres.  So  wie  man  aus  dem 
Thale  des  Puräliflusses  durch  den  Pass  Kohenwat  (bei 
MasS«n  stets  Koharn  Wat)  das  Hochland  erreicht,  flnden 
sich  Brahui  aus  dem  Stamme  Minghal  bis  nach  Kbozdär*); 
wie  hier  im  Osten,  so  auch  im  Westen  G'hälaväns  sitzen 
Brahui,  in  Keg'  und  Pang'ghur;  auch  in  den  Gebieten 
zwischen  dem  Ost-  und  Westende  ^).  Ja  es  werden  Brahui 
an  der  Küste  im  Süden  des  Randgebirges  erwähnt;  da  es 
aber  unsicher  ist^  ob  alle  als  solche  aufgeführten  Stämme 
wirklich  dieses  seyen  —  einigen  möchten  wir  entschieden 
ihre  Ansprüche  darauf  bestreiten  —  wird  es  rathsamer 
seyn^  die  Gebirge  im  Süden  von  Bela  bis  Keg'  als  Gränze 
des  Brahuigebicts  zu  betrachten®). 


1)  p.  308.  p.  328. 

2)  p.  310.  Man  denkt  dabei  an  den  Namea  der  Arabiten. 

3)  p.  387. 

4)  POTTINGKR,   p.   33.      yiASSOTi,   p.   345. 

Ä)  PoTTiNGKH,  p.  304.     Massün,  p.  288.  flg. 

6)  Bei  Masson  im  Verzeichniss  der  Brahuistämme^  p.  338.  —  Ebenso 
erregt  es  Zweifel,  wenn  es  heisst^  es  süssen  Zweige  der  Meh- 
masäoi  im  Gebirge  Luristans,  p.  240.  Sie  werden  auch  wobl  da 
wobnen^  aber  kommen  Brahui  so  weit  nach  Westen  vor? 


341 

Gegen  Westen  werden  Sahäravan  und  G'halavan 
von  der  grossen  Wüste  Baluk'istans  durch  die  sich  von 
N.  nach  S.  folgenden  Gebiete  Nushki,  Kharan,  Mushki 
getrennt;  in  diesen  Zwischenstricheu  sind  ebenfalls  Brahui 
zu  finden,  sogar  einer  ihrer  Hauptstämme,  die  Mirwari; 
aber  ob  auschliesslich,  ist  nicht  ganz  klar;  einer  der  grossen 
Baluk'en  -  Stämme,  die  Xharui,  besitzt  die  grosse  Wüste, 
die  von  Nushki  bis  in  die  \ähe  der  Lora  und  des  Ililmend 
sich  erstreckt  1).  Es  ist  hier  also  noch  undeutlich,  ob  das 
Brahui- Gebiet  ganz  bis  an  die  Gränze  der  Wüste  reiche. 
Gegen  N.  wohnen  in  Mastang  keine  Afghanen,  son- 
dern Dehwar  oder  ansässige  alte  Bewohner,  sonst  Tag  ik 
genannt,  dann  Brahui;  nördlicher  in  Shäll  aber  Afghanen, 
die  Brahui  verbreiten  sich  nur  im  Sommer  mit  4hren  Heer- 
den  über  die  Ebenen  *).  Hier  gränzen  also  beide  Völker 
an  einander. 

Die  eigentlichen  Gebiete  der  Brahui  sind  also  Sahära- 
van und  G'hälavän;  diese  bilden  das  Hochland  Baluki- 
stäns;  im  Osten  und  Süden  liegen  unter  seinen  Randge- 
birgen die  niedrige  Indusebeiie  und  das  Ufer  des  Ozeans; 
im  Nordwest  stürzt  es  steil  zur  Wüste  herab ;  im  Norden 
erreicht  es  nicht  die  grosse  Kette  des  Khog'a  Amrän,  aber 
die  grössere  Erhebung  des  Landes  setzt  noch  im  Sahära- 
van fort  und  von  diesem  Laude  „ist  das  Herabsteigen 
nach  G'hälavän  allmählig,  aber  entschieden"  3). 

Baluk'istäa  i^t  im  Ganzen  ein  unzugängliches  und 
unwirthbares  Land;  die  öde,  wasserarme,  sonucnversengte 
und  stürmische  Küste  des  Meeres  bietet  dem  Handel  keine 
Erzeugnisse,  das  innere  Land  nur  wenige  und  geringe,  der 
Schifffahrt  öffnen  sich  keine  sichern  Landungsplätze.  Nach 
Westen  setzt  sich  das   unwegsame  und  nur   stellenweiso 


1)  Masson-,  p.  338.  p.  883.  flg.     Pottixger,  p.  56.  p.  107. 

2)  Masso.v,  p.  313.  315. 

3)  Ebend.,  p.  337. 


342 

anbaufähige  Bergland  fort  und  erhebt  sich  nach  Kerman 
hin,  wie  in  Buskurd^  noch  höher;  in  einem  grossen  Bogen 
umlagern  dann  die  Wüsten  von  Bunpur,  Kerman,  Seg'istan 
diese  Gebiete;  die  nach  Balukistän  selbst  benannte  dringt 
weit  in  den  Körper  des  Landes  ein.  Die  Gefahren  und 
Mühseligkeiten  der  Wege  queer  durch  das  innere  Land  von 
dem  unteren  Indus  bis  Kerman  bezeugen  genugsam  die  Be- 
richte über  Alexanders  des  Grossen  Durchmarsch.  Die 
allein  gangbare  Verbindungsstrasse  mit  dem  Westen  geht 
aus  von  Kandahar;  über  die  Khoga  Amrau-Gebirge  führen 
vier  Pässe,  von  denen  zwei  verschiedene  Spaltungen  der 
grossen  Route  bezeichnen;  der  bequemste  Pass  Kotal 
Roghanni  führt  nach  Quetta  und  von  da  durch  den  schwie- 
rigen Bolän-Pass  nach  Dädar  und  der  Indusebene  um  Shi- 
karpur  0;  durch  den  südlichem  Kotal  Bed  gewinnt  man 
die  Hauptstadt  des  Landes  Kelät;  die  Strasse  geht  dann 
südwärts  durch  Khozdär  nach  dem  Kohanwat  Pass  im  süd- 
lichen Gränzgebirge  und  durch  ihn  steigt  man  hinab  zu  dem 
einzigen  doch  nicht  guten  oder  sichern  Hafen  Sunmiäni  im 
Gebiete  Las.  Ueber  Mastang  geht  eine  Strasse  von  Kelät 
nach  Quetta.  Andere  Wege  sind  zu  schwierig,  um  Be- 
deutung zu  haben. 

Es  ist  das  Land  ein  hochgelegenes  und  rauhes.  Kelät 
soll  8000,  südlicher  Khozdär  7000  F.  über  dem  Äleere  he- 
gen; es  sind  strenge  Winter  mit  Schnee  und  Eis,  das 
Land  ist  waldarm,  hat  unsichern  Regen,  die  Monsune; 
übersteigen  die  Südkette  nicht,  es  ist  kein  nennenswcrther 
Strom  im  Lande,  die  Flüsschen  vertrocknen  oft  im  Som- 
mer; der  Ackerbau  kann  nur  selten  durch  Bewässerung  den 
Regen  ersetzen.  Beinahe  alle  angebauten  Theile  sind 
Khushk  avväh  oder  solche,  welche  ihre  Trockene  bcjam- 
roern.  Es  sind  viele  öde,  bergige  Striche^  es  kann  nur 
ein  Land  geringen,  in  einzelnen  günstiger  begabten  Thcilen 


1)  Masson,  Journeys,  II,  p.  181. 


343 

oascnhaft  gelingenden  Anbaus  seyn;  neben  unseren  Korn- 
arten  gedeihen  unsere  Obstsorten;  die  Dattelpalme  ge- 
hört nicht  diesem  hohen  Theile  des  Landes,  in  den  Handel 
liefert  es  Assa  foetida  und  noch  das  altberübmtc  Bdellion. 
Es  kann  kein  Land  zahlreich  beisammen  siedelnder  Men- 
schen, grosser  Städte  seyn;  in  der  That,  die  Braliui  sind 
bei  weitem  der  Mehrzahl  nach  Hirten.  Die  Bergflächen 
und  die  Ebenen  sind  an  manchen  Stellen  reich  an  treff- 
lichen Weideplätzen ;  die  Brahui  beziehen  mit  ihren  Heer- 
den  diese  oder  jene  nach  dem  Wcciisel  der  Jahreszeiten. 
Das  Land  kann  nicht  sehr  bevölkert  seyn,  schon  wegen 
der  vorherrschenden  Heerdenzucht,  dann  weil  grosse  Striche 
Landes  eine  Hälfte  des  Jahres  uubcnuzt  liegen.  Die  Brahui 
werden  so  geschildert'):  wenige  Völker  gleichen  ihnen  an 
Thätigkeit,  Kraft  und  Abhärtung,  sie  vertragen  die  Kälte 
der  Berge  so  gut,  wie  die  Hitze  Gandävas.  Sie  nähren 
sich  vorzüglich  von  Fleisch,  welches  sie  halb  gebraten 
ohne  Brod,  Salz  und  Gemüse  in  grosser  Masse  verzehren. 
Sie  sind  sich  sehr  treu,  sind  gastfrei  wie  die  Baluken, 
und  ruhiger  und  fleissiger,  weniger  zu  Raubzügen  geneigt, 
doch  tapferer  und  abgehärteter  als  jene,  und  nicht  so 
habgierig,  grausam  und  rachsüchtig.  Ihre  Gefälligkeit, 
Dankbarkeit  und  Harmlosigkeit  werden  gelobt.  Sie  zer- 
fallen wie  die  Baluken  in  unendlich  viele  Khel  oder  Stämme, 
vier  und  siebzig  werden  aufgezählt,  ein  Verein  von  Zel- 
ten heisst  ein  Toman,  ihren  Oberhäuptern  gehorchen  sie 
mehr  als  die  Baluken.  Durch  ihr  abgesondertes  Leben 
und  den  Mangel  an  Verkehr  sind  sie  unbeholfen  und  unge- 
bildet. Sie  fechten  nicht  mit  Speeren,  sind  treffliche 
Schützen  und  wissen  gut  das  "Schwerdt  zu  führen,  lieben 
sehr  die  Jagd.  Ihre  Heerdeu  bestehen  aus  Ziegen  und 
Schafen,  mit  deren  Ertrag,  Käse,  abgeklärter  Butter  (jGht), 
Wollengeweben  und  Fellen  sie  sich  ihre  fehlenden  Bedürf- 


1)   POTTmCKB,    p.    70. 


344 

nlsse  einhandeln.     Sie  heirathen  alle  unter  sich  und  sind 
Sunniten« 

Die  Brahui  erscheinen  allen  anwohnenden  Völkern  ge- 
genüber als  eigenthümlich;  die  nähere  Aehnlichkeit  mit  den 
Baluk'en  erklärt  sich  aus  der  Gleichheit  der  Naturbedin- 
gungen ihres  Lebens,  wir  AVissen,  dass  sie  in  Sprache  und 
Aussehen  doch  scharf  sich  von  diesen  unterscheiden.  Es 
ist  noch  zu  beachten,  dass  ihre  Masse  gerade  auf  das 
mittlere,  innere  Hochland  zusammengedrängt  ist,  während 
die  Baluken,  die  im  Westen  zu  Hause  sind,  theils  jetzt 
noch  im  Westen  unter  dem  Hochlande  wohnen,  die  Nharui 
nämlich,  theils  in  den  äussersten  Ketten  gegen  das  Indus- 
gebiet und  in  diesem  selbst,  die  Stämme  der  Rind,  der 
Mughsi  CMagghazzi)  und  der  Baluk'en  in  Sind.  Sie  müssen 
sich  also  durch  das  mittlere  Balukistän  hindurch  gezogen 
haben,  ohne  die  frühere  Bevölkerung  vertreiben  zu  können; 
wahrscheinlich  haben  sie  diese  aber  ins  Hochland  zurück- 
gedrängt. Die  Brahui  erscheinen  als  die  älteren  Bewoh- 
ner,    Sie  behaupten  selbst,  Urbewohner  zu  seyn^). 

Die  Dürftigkeit  der  historischen  Nachrichten  über  die 
ähere  Geschichte  Baluk'istans  bietet  keine  Mittel  dar  zu 
entscheiden,  in  wiefern  diese  Behauptung  begründet  sey. 
Es  bleibt  nur  übrig  zu  untersuchen ,  ob  die  Sprache  dazu 
beitragen  könne.  Diese  erscheint,  um  dieses  hier  gleich 
anzuführen,  in  ihrem  Verhältniss  zum  Baiuk'i   als   die  äl- 


1)  PoTTiNGKR,  p.  271.  Lrech  glcbt  an,  a.  a.  0.  p.  539.,  dass  die 
Brnhui  sugeu^  ihre  ursprünglicliün  AVohnsitze  wärea  Aleppo  ge- 
wesen und  vor  20  Generationen  sey  eine  grosse  Anzahl  von 
ihnen  nach  Baluk'iätan  eiiigewundert.  Er  berichtet  es  jedoch  nur 
von  dem  herrschenden  fStumnic  der  Kambarani.  Aehnlicber  Weise 
sprechen  die  Barak!  einen  Arabischen  Ursprung  an.  N.  oben  IV, 
S.  116.  Die  Brahui  lassen  nach  Pottingkii  den  Muhainmed  ihr 
Land  besuchen  und  besit/.en  keine  Ueberlicferungen,  welche  älter 
;iis  der  Islam  vi-ärcn. 


345 

tere  und  zurückgedrängte;  denn  wir  werden  benachrichtigt, 
dass  einige  Brahui-Stämnie,  wie  die  Miiighal,    des   Baluki 
sich  bedienen,  so  wie  die  Khane  und  Sirdär  stets  es  sjirechen,  * 
indem  sie  es  als  vulgär  betrachten,    sich  in  Brahuiki  aus- 
zudrücken *J. 

Für  die  Erforschung  dieser  Sprache  sind  uns  erst  in 
der  neuesten  Zeit  die  Hülfsmittel  dargeboten  worden,  zwar 
nicht  ganz  hinreichende,  doch  sehr  schätzbare  uiid«dic  bei 
sorgfaltiger  Benutzung  eine  Einsicht  in  den  Bau  und  die 
Bestandtheile  derselben  gewinnen  lassen;  wir  verdanken  sie 
wie  die  über  das  Baluki,  zuerst  dem  Lieutenant  Leech,  dann 
Herrn  Masso.v.  Dieser  hat  ein  gutes  Wortverzeichniss 
iiM%ethei!t,  welches  sorgfaltig  aufgefasst  zu  scjti  scheint, 
sein  lauger  Verkehr  mit  dem  Volke  im  Lande  selbst  befä- 
higte ihn  vorzüglich  dazu^).  Er  hat  sonst  ausser  der  oben 
S.  339.  angeführten  Angabe  nur  diese  Worte:  „Das  Bra- 
huiki enthält  nothwendiger  Weise  sehr  viel  Persisches  oder 
Baluki,  und  sehr  wenig  Pashtu,  aber  ein  grosser  Theil 
davon  muss  einer  unbekannten  Wurzel  zugeschrieben  wer- 
den. Das  einzige  Werk  in  dieser  Sprache,  von  welchem 
ich  Nachricht  erhalten  konnte,  war  kein  Original,  sondern 
ein  aus  dem  Persischen  übersetzter  Tractat  über  die  Grösse 
Gottes  und  die  Wunder  der  Schöpfung,  Persische  Schrift 
war  darin  gebraucht  worden." 

Ich  schalte  hier  die  Notiz  ein,  die  Pottlnger  über  das 
Brahuiki  gegeben,  nicht  sowohl  wegen  der  darin  auso^e- 
sprochenen  Behauptungen,  die  ich  zum  Theil  bestreiten 
muss,  als  um  den  Eindruck  zu  zeigen,  welchen  die  Sprache 
auf  diesen  ausgezeichneten  und  genauen  Beobachter  machte. 
Nachdem  er  gesagt,  dass  das  Baluki  sich  dem  Gehör  als 
Persisch  ankündige 3),  fährt  er  fort:    „das  Brahuiki  ist  im 

1)  Massox,  p.  394. 

2)  p.  .398 — i03. 
3}  p.  54. 


d4« 

Gegcntheil  so  verschieden  in  seinen  Lauten  und  seiner 
Bildung,  dass  ich  mich  nicht  erinnere,  je  in  ihm  einen  ein- 
zigen Ausdruck  bemerkt  zu  haben,  der  irgend  dem  Persi- 
schen Idiome  sich  näherte.  Es  enthält  eine  ausgedehnte 
Beimischung  alter  Hinduvi  Wörter,  ein  Umstand  der  aus 
der  Geschichte  erklärt  werden  wird,  und  es  bietet^  wie  es 
das  Ohr  trifft ,  eine  starke  Aehnlichkeit  mit  dem  Peng  äbi 
dar/^    * 

Leech  theilt  zuerst  die  Formen  der  Declination  und 
Conjugation  mit;  das  Paradigma  der  Conjugation  hat  den 
Anschein  nach  einem,  einem  Brahui-Belehrer  vorgelegten 
Muster  gemacht  worden  zu  seyn,  denn  es  ist  viel  voll- 
ständiger an  Formen,  als  die  Sprachproben,  während  einige, 
welche  in  diesen  erscheinen,  fehlen;  es  ist  sehr  nützlich, 
weil  wir  ohne  es  zu  besitzen  keine  genauere  Einsicht  in 
die  Bildungen  der  Verbalformen  uns  verschaffen  könnten. 
Es  folgt  dann  auf  vier  Seiten  ein  Wortvcrzeichniss ,  auf 
dreien  kurze  Phrasen  und  zwei  Liedchen^  die  nächsten 
sieben  Seiten  geben  uns  eine  brauchbare  und  anziehende 
Mittheilung;  es  sind  zwei  Novellen,  die  zweite  ist  die  Ge- 
schichte der  Upak69ä  in  dem  Kathusaritsägara  nach  Isla- 
mitischen Anschauungen  und  Einrichtungen  zugerichtet, 
auch  die  erste  ist  ohne  Zweifel  Indischen  Ursprungs,  aber 
auch  ganz  Mohammedanisch  gefasst.  Wir  erhalten  durch 
diese  eine  wesentliche  Bereicherung  unserer  Hülfsmittel, 
namentlich  lernen  wir  erst  aus  ihnen  die  schlichte  Syntax 
und  den  unbeholfenen  Stil  der  Brahui  kennen,  zugleich 
aber  den  wirklichen  Gebrauch  der  eigenthümlichen  gramma- 
tischen Formen.  Sie  müssen  einem  Märchenerzähler,  wie 
sie  in  Osten  vorkommen^  nachgeschrieben  seyn  und  geben 
ein  interessantes  Beispiel  aus  der  Gegenwart  davon^  dass 
der  reiche  Schatz  Indischer  Dichtung  lebendig  sich  im 
Volke  erhalten,  nicht  nur  in  Indien  selbst,  sondern  dass  er 
auch  nach  dem  unwegsamen  Brahuilandc  den  Weg  gefun- 
den hat.  Die  Uebersetzung  ist  hie  und  da  nicht  ganz  genau 


Uf 

und  zu  frei;  doch  bleiben  nur  sehr  wenige  Stellen,  deren 
wörtliches  Verständuiss  mir  nicht  gelungen  ist.  Es  sind 
hie  und  da  auch  einige  Fehler  des  Drucks  ^  die  ich  nicht 
zu  verbessern  weiss. 


b)    Biiclistaben* 

Die  Brahui  haben  die  Persische  Schrift  angenommen; 
L.  sagt,  die  Buchstaben  sind  ,^die  Persischen,  mit  Aus- 
nahme eines  besondern  /,  welches  dem  Devanägari  ver- 
doppelten 5T  nahe  kommt^  und  eines  /^  welches  mit  starker 
Behauchung  aus  dem  Gaumen  gesprochen  wird."  Es  schei- 
nen also  zwei  besondere  Zeichen  von  den  Brahui  hinzu- 
gefügt worden  zu  seyn.  Ein  th  erscheint,  obwohl  selten, 
in  den  Sprachproben,  jenes  /  wird  in  ihnen  gar  nicht  be- 
zeichnet, was  zu  bedauern  ist,  weil  es  ein  charakteristi- 
sches Element  abgeben  würde,  lieber  das  Lautsystem  be- 
merkt derselbe,  dass  die  Cerebralen  in  Brahuiki  vorkommen; 
eine  andere  Bemerkung  ist  nicht  ganz  klar  abgcfasst  9  5 
es  scheint  aus  ihr  hervorzugehen,  dass  es  zwei  adspirirte 
k  und  ff  gebe ;  die  Proben  geben  nur  ein  kh,  wie  ein  gh. 
Es  sind  allerdings  (pT  und  ^,  und  noch  mehr  et  und  h 
in  der  Aussprache  verschieden;  vielleicht  beachten  die 
Brahui  diesen  Unterschied,  je  nachdem  die  Wörter  In- 
dischen oder  Arabischen-Persischen  Ursprungs  sind. 


1)  Nämlich  diese:  ,,Be-sides  the  NA^ari  consonant  'Cconsonants?) 
the  Brahuiky  makes  use  of  the  Arabie  ^  and  c,  and  in  using 
that  character  the  l  is  sometimes  pronounced ,  like  the  last  n 
in  the  French  non,  or  the  Sanscrit  Anusvära."  Was  das  l  hier 
besagen  soll,  weiss  ich  nicht,  da  e  wohl  einem  r,  nicht  aber  l  in 
der  Aussprache  verwandt  ist.  Es  ist  aber  auch  kein  wirkliches 
r,  nur  ein  Anklang  daran.  L.  muss  die  Fälle  meinen,  wo  er 
ng,  ngh,  ah  schreibt;  das  g  oder  gh  entsteht  hier  jedoch  nicht 
au.s  einem  ursprünglich  Arabischen  oder  Persischen  Ghain. 


348 


Suchen  wir  uns  aus  den  vorgelegten  Proben  eine  An- 
sicht von  dem  Lautsysteme  des  Brahuiki  zu  gewinnen,  so 
zeigt  es  sich  als  ein  einfaches,  weder  durch  das  Fehlen 
gewöhnlich  vorhandener  Laute  unvollständiges,  noch  durch 
das  Vorherrschen  besonderer  Laute  sich  auszeichnendes. 
Es  ist  ohne  harte  Consonantenverbindungen,  neigt  sich 
dagegen  zu  Elisionen  und  Assimilationen  derselben. 

Die  Voeale  sind  «,  i,  u,  e,  q,  die  alle  ausser  o  lang 
und  kurz  seyn  können;  M.  ist  am  genauesten  in  der  Be- 
zeichnung der  Längen,  ein  o  finde  ich  jedoch  nicht.  Auch 
L.  giebt  die  Längen  meistens  an  und  bezeichnet  die  Vo- 
eale genau,  einige  Mal  schleichen  sich  jedoch  trotz  der 
Befolgung  der  Jones'schen  allein  empfehlenswerthen  Vo- 
calbezeichnung  Englisches  ee  für  i,  oo  für  ?«,  u  ein.  Der 
Diphthong  ai  ist  ziemlich  häufig,  %aif^  Frau,  ainüy  heute, 
ewadaij  ehedem,    baghair  (Ar.   yju)  ausserdem.     L.  setzt 

öfters  auch  eij  ob  für  ai  oder  i  oder  einen  besonderen 
Diphthong,  kann  ich  nicht  überall  entdecken;  so  hat  er 
rüpi-nä  im  Genitiv  und  rüpai~nä,  rüpei-je  (Accus.)  neben 
rupet.  Man  erwartet  neben  ai  ein  au ;  dieses  kommt  jedoch 
nicht  vor  und  das  selten  vorkommende  oti  muss  dafür 
stehen ;  denn  ich  finde  doulatmand^  reich,  glücklich,  toukal 
(Ar.  taukW)  khudunä,  Anordnung  Gottes,  soudd  kanningy 
Handel  treiben,  aus  Per.  saudä-gar,  Kaufmann^  ge- 
schrieben. Ob  ou  überall  als  au  zu  fassen,  ist  mir  nicht 
ganz  sicher:  /omä,  Halskette,  1,4.*)  zebou,  schön,  P.  zebä, 
II,  4.  5.  (wo  falsch  zabro),  zabn,  G,  sogou^  fest;  chouj 
G.  muss  aber  das  P._j^  seyn.  Daneben  findet  sich  eine 
Orthographie  mit  dem  Halbvocal  v  nach  Vocalen  am  Ende, 
einmal  auch  vor  einem    folgenden    Consonanteu;     in   der 


1)  Ich  bezeichne  die  zwei  Nnvelleo  mit  I.  und  II.  die  Phrasensamin- 
lung  mit  6.  das  Wurtverzeichniss  von  Lbrch  mit  L.  das  von 
Masson  mit  M. 


349 

Isten  p.  sing,  des  Verbums  ist  dieses  stets  der  Fall,  ar, 
und  daneben  er,  f'r;  hier  ist  aber  die  vollständige  Form  ra. 
Sonst  Purav,  1,  2.  vollendet;  chalav ,  L.  Ring;  darjäv  für 
dq/yd,  Fluss,  G.  avdast  Excremeut,  L.  Ein  ow  in  thow, 
Wind,  M.  Shevmd  enthält  shef,  herunter,  abwärts,  hier  ist 
kein  Diphthong ,  sondern  Erweichung  des  f  zu  r.  Es  sind 
zu  wenig  Beispiele,  um  etwas  auf  sie  zu  begründen. 

Zu  ai  und  ou  kommt  noch  oi,  in  der  3ten  pers.  sing. 
des  Futurum ;  karoi,  wird  thun.  Zwei  oder  drei  Beispiele 
von  oa  scheinen  blosse  Druckfehler.  Von  ai  ist  endlich  zu 
unterscheiden  «7,  welches  eine  Casusform  ist  und  wofür 
auch  de,  de^  aber  gewiss  unrichtig  zugleich  ai,  gefunden 
wird;  de  (wenn  es  nicht  für  de  stehÜ  ist  ein  uneigentlicher 
Diphthong,  da  d  und  e  nicht  in  der  Aussprache  mit  einander 
ganz  verschmelzen  können.  Sonstige  Verbindungen  von 
zwei  Vocalen,  die  keinen  Diphthong  bilden,  sind  nicht 
selten  und  entstehen  meistens  durch  die  Casusbildung, 
z.  B.  de-i,  in  der  Sonne;  hüli-dn  ^  vom  Pferde;  selten  wird 
der  Hiatus  vermieden  durch  Ent Wickelung  eines  Ilalbvo- 
cals  aus  dem  i,  wie  hulijdn .  Auch  Fremdwörter  scheinen 
in  Brahuiki  die  offene  Aussprache  vorzuziehen :  g  iidri, 
Holcus  Sorghum;  hüshidr,  aufmerksam,  M.  =  P.  koshjdr'^ 
zidrat,  Ar.  zijtlrat,  Pilgerfahrt,  heilige  Stätte.  So  findet 
sich  auch  daria  M.  gesclirieben  für  darjd,  Fluss. 

Consonanten.  Am  vollständigsten  ist  die  gutturale 
Klasse  vertreten ;  es  sind  k,  kh,  g,  gh  da.  Ich  habe  schon 
erwähnt,  dass  die  Sprachproben  kh  nicht  in  zwei  Laute 
theilen,  so  wenig  als  gh.  Kh  gehört  vorzüglich  Persisch- 
Arabischen  Wörtern^  khuJd,    Gott,  khofd,  Furcht,  1, 1.  Ar. 

\Jfyi>.  Khed^  Schweiss^  das  Sanskritische  steda  mit  Per- 
sischer Verwandlung,  kann  aus  dem  Neupersischen  khai 
^ßyi",  nicht  entstanden  seyn.  K  und  kh  wechseln  in  ei- 
nigen Wörtern,  ob  dialektisch  oder  durch  ungenaue  Auf- 
fassung,  weiss  ich  nicht;  neben  kul,  alle,   L.  kommt  khul 


350 

bei  M.  vor.  Doch  zeigt  das  Brahuiki  keine  Neigung  das 
k  zu  adspirireii  und  kul  wird  wegen  seines  «^  im  Ar.  rich- 
tiger seyn.  Gh  kommt  nur  selten  vor,  ghala,  Korn^  ghivanki, 
grün,  ghwandj,  breit,  ghus,  zornig^  gharib^  arm,  Ar.  X**iic,  w*Jj£, 
sind  die  einzigen  mit  gh  m  Anlaute  vorkommenden.  Im  innern 
erscheint  es  häutiger  karigharj  Stier,  kughaz,  Papier.  Es 
entsteht  aber  ein  gh  in  Br.  aus  dem  Endhauche  der  Wörter, 
wenn  sie  durch  Zusätze  wachsen,  wie  %aifagJi-äe  aus  zaif 
oder  zaifa.  Ich  komme  hierauf  später  zurück.  Das  q  in 
qwan,  Indischer  Feigenbaum,  wird  Druckfehler  seyn,  wie 
sonst  wo  es  vorkommt. 

Die  Palatalen  sind  k'  (wofür  ich  hier  ch  beibehalten) 
und  g'.  Ein  g  h  erschÄnt  nur  in:  kukud' äfine  g  hale,  fange 
die  Vögel,  G.  mit  welchem  Rechte,  weiss  ich  nicht. 

Die  Cerebralen  sind  t  und  rf',  beide  selten  und  wohl 
Indischen  Ursprungs.  Es  wird  et  auch  hier  oft  wie  r  ge- 
sprochen,* so  steht  kokar,  M.  Vogel,  eig.  Hahn,  neben  ku- 
kud' ,  L.  aus  einer  Prakritform  kiiknda  für  Sanskrit  kuk" 
kuta.  Bei  L.  khürk j  nahe,  khttdk,  auf  dieser  Seite}  es 
wird  dasselbe  Wort  seyn. 

Die  Dentalen  t  und  ^  sind  häufig;  das  //t,  welches  wir 
nach  L.'s  Angabe  annehmen  müssen^  findet  sich  nur  selten 
bezeichnet;  es  kommt  besonders  in  this,  gab^  L.  und  den 
dazu  gehörigen  Formen  vor,  während  tenning  bei  M.  ge- 
ben, und  selbst  bei  L.  tes,  du  willst  geben,  geschrieben 
wird.  Sonst  finde  ich  nur  thad-ho,  schneidet,  L.  tholif, 
scheere  den  Bart,  L.  thotc,  Wind,  AI.  im  Anlaute.  L. 
schreibt  nathy  Fuss,  M.  nat,  L.  math^  eine  Ziege  (Jbilly 
goat).  Es  muss  demnach  th  wohl  nur  von  geringem  Ge- 
brauch seyn.  L.  schreibt  sowohl  gud,  als  gudh  für  Kleid^ 
G.  I,  5.  u.  s.  w.  Das  dh  ist  hier  aus  dem  Baluk'i  un- 
richtig angebracht;  er  hat  sonst  nur  dhad-bo,  landet,  wedh 
kar,  belagere.     Ein  dh  gehört  kaum  dem  Brahuiki. 

Von  den  Labialen  ist  bei  p  und  b  nichts  zu  erwähnen} 


351 

f  ist  wieder  selten  und  gebührt,  wie  es  scheint,  besonders 
Arabisch-Persischen  Wörtern,  während  ph  den  aus  Indi- 
schen Sprachen  eingeführten  zugehört;  doch  steht  /?/A-i, 
Alaun  für  Indisches  ph  in  phit  ;  es  wird  auch  di^^^us- 
sprache  unterschieden  seyn.  FUfilj  Pfeffer,  fero%^  Türkis, 
P.  pirozah,  farzand,  Kind,  fakir,  folddj  Stahl  (#f.  poldd)y 
khofa,  Furcht.  Fash,  II,  11,  mit  kanning,  machen^  beisst 
erscheinen  und  ist  Pers.  uili,  offenbar,  deutlich ;  barf,  M. 
Schnee,  auch  Pers.  Fildnj  in  hindk  ßldn  pirand  zidrat,  I,  10. 
ging  zum  heiligen  Sitze  eines  gewissen  Alten,  ist  das  Ar. 
fuldn.  Fahti,  L.  in,  zeigt  die  Brah.  Locativ-Eudöng,  ein 
Beispiel  von  Gebrauch  kommt  nicht  vor.  Phur-ka,  fülle, 
könnte  P.  ptity  voll,  enthalten j  es  möchte  aber  wohl  aus 
dem  Indischen  purn  a  verkürzt  seyn,  mit  ph  für  p,  wie  in 
Paogäbi  bhar-nd,  füllen.  Phttlo,  Nasenring;  phulor^  sie 
werden  plündern;  phuden,  kühl.  F  gehört  aber  auch  ur- 
sprünglich dem  Brahuiki,  arfing  fragen,  u.  s.  w.  und  na- 
mentlich dient  es  zur  Bildung  der  negativen  Form  des 
Verbums,  obwohl  es  hierin  mit  p  wechselt. 

Das  Brahuiki  zeigt  also  nicht  die  Neigung  des  be- 
nachbarten Baluki  zu  aspirirtcn  Consonanten,  obwohl  es 
sie  nicht  vermeidet;  nur  möchten  die  weichen  Adspirirtcn 
nicht  ursprünglich  zur  Sprache  gehören ,  da  gh  selten, 
dh  kaum  und  bh  gar  nicht  vorkommen. 

Die  Halbtocale  sind  j,  r,  i,  w,  daneben  r.  Das^  im  An- 
laut gehört  meist  Persischen  Wörtern,  jdr,  Freund,  y«,  odcr^ 
jdzJa,  eilf ;  jdr-filling,  M.  zählen,  ist  vielleicht  aus  P.  j'dd^ 
Erinnerung,  Gedächtniss.  Es  wird  jefi  und  eii,  gieb,  ge- 
schrieben; da  QS  ein  Brahuiki-Wort  ist^  möchte  «//,  rich- 
tiger seyn,  jdhkf,  kalt,  ist  wohl  einheimisch.  Die  Schrei- 
bung mdljdt'  u.  s.  w.  ist  seltener  als  hulidn,  hdlxdt  und  j 
scheint  wenigstens  kein  beliebter  Laut. 

Ueber  r  bemerke  ich  nur,  dass  es  mit  s  in  mehreren 
Fällen  wechselt  und  am  Ende  öfters  abfällt;  auch  wird  es 


353 

leicht  im   Innern   elidirt,   mär^   Sohn,   Plur.  mdk.     Dieses 
kommt  aber  auch  bei  andern  Consonantcn  vor. 

Ueber  /  finde  ich  nichts  zu  bemerken.  W  ist  der  ei- 
gentl^cjti  labiale  Halbvocal  im  Br.  v  erscheint  am  Ende,  wie 
oben  erv^hnt,  nach  a,  (,  e  und  für  f,  in  shev  für  shef 
(S.  349.);*  so  steht  auch  havda,  Woche,  dagegen  haft, 
sieben,  bei  L. 

Die  Sibilanten  sind  s,  sh,  %.  Das  letzte  möchte  nur 
fremden,  namentlich  Persischen  Wörtern  gehören,  %anu,  Knie, 
»j|-  zamrüdj  Smaragd^  zind,  Leben,  zargar,  Goldschmidt, 
zamzir,  Kette,  -i^^;,  %ehou,  schön  (oben  S.  3480?  »^«, 
Sattel,  ^-  zuy  %uft,  M.  schnell,  t)^«  y  zardäluy  Apri- 
kose, und  einige  andere  ebenso  genau  Persische.  ZU,  Nagel, 
M.  und  das  oft  vorkommende  zaif,  Frau  (zif,  Pers.  ist 
Sünde),  endlich  zäghm,  Schwert^  sind  andern  Ursprungs. 
Ich  finde  nur  einmal  zh^  in  puzhar ,  Haar,  31.  wobei  an 
das  Ar.  shahr  jtJi,  Haar  nicht  gedacht  werden  kann.  Ä 
und  sA  stehn  in  ursprünglichen  Wörtern. 

Die  Nasalen  sind  m,  w,  wy  das  letzte  kommt  nur  am 
Ende  vor;  am  häufigsten  in  der  Casus-Endung  an,  jedoch 
auch  als  ursprünghcher  Endconsonant,  \vie  pun,  L.  Knie. 
Doch  scheint  die  Bezeichnun«:  im  Druck  bei  L.  nicht  re- 
gelmässig  beobachtet  worden  zu  seyn.  M.  unterscheidet 
diesen  Laut  gar  nicht,  doch  wird  er  in  der  Sprache  vor- 
handen seyn  und  wohl  durch  eine  dumpfere  Aussprache 
sich  von  n  unterscheiden.  Das  gutturale  und  das  palatale 
n  werden  auch  hier  nicht  durch  die  Schrift  bezeichnet;  sie 
können  natürlich  nur  vor  Consonanten  ihres  Organs  stehen. 
Das  näselnde  n  oder  ng,  ngh  am  Ende  wird  sogleich  be- 
sprochen werden.  * 

H  scheint  ein  schwacher  Flauch  im  Anfange  der  Wörter 
zu  seyn ;  wir  finden  es  öfters  von  einem  der  Berichterstatter 
gesetzt,  von  dem  andern  weggelassen;  harwat,  Gattin, M. 
arwat,  L. ;   arrafing,  aufraffen,   M.  harfy  nimm,  L.   Dieser 


I 


353 

hat  hichän,  nicsse,  neben   ic/iänä,  niesste;  von  Ar.  ,j«JaÄ, 
niessen,  wird  auch  ^LJac,  '^alsän,  Niessen,  angeführt. 

Ein  leiser  Hanch  muss  im  Br.  vielen    Wörtern  nach- 
hallen; dieser  verhärtet  sich,    wenn  das  Wort  den  Zusatz 
eines  \'ocals  erhält    und   nimmt  dann  die  Gestalt  eines  ph 
oder  rtff  an ;  es  muss  dieser    Laut  seyn ,    den    L.    als  eine 
nasalirende    Aussprache    eines    Ghain    betrachtet.     Ghala^ 
ghal,  II,   12.  ghalla,  Korn,  M.  L.  bildet  waVXvir.ghalaghuie, 
ghalaghuk,  L.  549.     Er  übersetzt  es  548.   durch    Nahrung 
und  ebend.  steht  auch  ghalaghkä,  ohne  Zweifel   falsch;  es 
gehört   uk  wie  äte  zur  Flexion.     Von    zaifa^   zaif,,   kommt 
zaifaghue,  II,  7.  von    tirti  mit   iansfem    Eudvocal  uraghde, 
W,  14.  von  päJshä  ebenso  pädshdghäe,  \,  11.  u.  s.  w.     In 
dem  von  L.    aufgestellten    Beispiele   der  Declinatlon    eines 
Adjectivs  und    Substantivs    (wobei   das  erste  ganz  unver- 
ändert bleibt)  sind  die  Worte:  sharaiigä  narina,  ein  guter 
Mann,  (richtiger  der  gute  Mann);  das  erste  Wort  ist  shar, 
gut,   schön,   welches  in  vielen  der  benachbarten  Sprachen 
wiederkehrt  3  «  dient  als    ein  definitcr  Artikel.     Was  hin- 
zutritt, ist  also  ang.    Ein  anderes  Beispiel  ist  pirangd,  II, 
3.   4.    der    Alte,     dessen    Genitiv  ptrangänä    ebend.   vor- 
kommt.  E^  ist  Pers.  pir,  alt  und  ang  wieder  Zusatz.    Das 
Persische  Wort  hat  kein  hnales  He;  zwar  mag  »^^  pirah, 
welches  kahl  bedeutet,    dasselbe  Wort  seyn,    aber  dieses 
hat   gewiss   nicht  dem  Brahiiiki  eine  Form  pirah  gegeben, 
in  welchem  ohnehin  p\r  sonst  vorkommt  und  pirvi,  II.  3.  er- 
fordert eine  Form  pir.     Man  kann  sich  jedoch  die  Erschei- 
nung des  gh  und  ng  in  den  obigen  Fällen  nur  so  erklären, 
dass   die    Wörter    der    erwähnten    Beispiele    dem   Brahuiki 
dann,  wenn  sie  durch  vocalische  Zusätze  wachsen,  als  »ai- 
fah,  pirah,  uruh  gelten;  das  h  wird  verstärkt  zu  g.    Hier 
waltet  der  mir   noch    unerklärliche    Unterschied ,    dass   die 
Wörter  mit  kurzem   a  meist  ng  setzen,  die   mit   langem  d 
gh  vorziehen. 

Man  kann  hiermit  die  Erscheinung  im  Persischen  ver- 
V.  23 


354 

gleichen ,  wenn  das  latente  finale  He  g  wird  oder  nach 
Persischer  Orthographie ^r  hinzugefügt  wird:  bandah,  Plur. 
bandahgun,  die  Sclaverei  handahgi,  oder  bandagi.  Im  Brah. 
wird  ein  solches  Persisches  h  auch  zum  bleibenden  gh'^ 
so  heisst  dieses  Wort  hier  eben  bandagh,  auch  bandak 
geschrieben.  Für  die  Nasalirung  des  Gutturalen  bietet  das 
Zend  die  Uebereinstimmuiigj  dass  h  für  ursprüngliches  * 
ein  ng  annimmt,  mananghe  neben  manahi.  Diese  Ver- 
gleichungen  beziehen  sich  nur  auf  die  Erscheinung  als  rein 
phonetisch  und  sollen  eine  Verwandtschaft  der  Sprache» 
nicht  andeuten.  f 

Die  sichern  Beispiele  dieses  gh  und  ng  kommen  nur 
nach  a  und  ä  vor  und  wenn  Vocale  hinzugefügt  werden; 
ob  auch  nach  i,  will  ich  später  untersuchen.  Nach  anderen 
Vocalen  finde  ich  gar  keine  Spur  von  ihnen ,  noch  vor 
consonantischen  Zusätzen. 

Hiernach  wären  folgende  Laute  als  die  im  Brahuiki 
geltenden  aufzustellen;  ich  lasse  die  einzeln  vorkommen- 
den, unsicheren  weg: 

Vocale:  a,  ä;  e,  e;  i,  «/  «/,  w;  o. 
Diphthonge :  ai,  äi,  äeß  oij  ou  (=  ati), 
ConsonanteUj  Gutturale:  k,  kh,  g,  gh;  Palatale:  ch  fkjj, 
g' ;  Cerebrale:  t' ,  tt ;  Dentale:  t,  th,  d;  t,abiale:  p,  f 
Cphjj  *;  Halbvocale:  j,  r,  l,  r,  tv;  Sibilanten:  s,  sh,  «/ 
Nasale:  m,  n,  n ;  Hauchbuchstabe:  h.  Von  diesen  be- 
trachte ich  /',  et,  %  als  nicht  sicher  ursprünglich  der  Sprache 
zugehörige  Laute.  Dieses  Alphabet  deutet  auf  keine  be- 
sondere Verwandtschaft  mit  einer  der  bekannten  Sprach- 
klasscn. 

Die  Verbindungen  der  Consonantcn  sind  die  einfachen 
und  natürlichen;  havda  und  shevma.  würden,  wenn  sie  ganz 
sicher    wären,    auf   eine  Neigung    zur   Ausgleichung    der 
Laute  hinweisen;    die  weichen  Consonanten  d  und  m  ver-  ^ 
wandeln  das  harte  f  in  v.   Wir  werden  in  der  That  später  j 
zeigen j    dass  die  Assimilation  der  Consonantcn  tief  in  die  ' 


355 

Sprache  eingreift.  Widersprechende  oder  harte  Verbin- 
dungen, wie  in  eipuds,  L.  eine  nicht  näher  bestimmte 
Bauraart,  kdchin,  ebenso,  kommen  sonst  kaum  vor  und 
mögen  nicht  richtig  gehört  oder  wiedergegeben  worden  seyn. 

c}    l¥oiiieii«    Zalili«ort.    Pronomen. 

Eine    grammatische    Unterscheidung   des   Geschlecht» 
kennt  das  Br.  nach  L.   nicht  mehr.     Wenn  ein  Bedürfniss 
eintritt,    bei  lebendigen  M'esen  das   Geschlecht  zu   unter- 
scheiden, wird  es,  wie  im  Persischen  und  Baluk  i  ^}  durch 
vorangesetzte  Wörter  bezeichnet;    diese  sind  in  der  That 
auch  dieselben :  L  setzt  für  männlich:  narrangä  QiarangdJ, 
für  weiblich  mädaghä,  also  nar  und  mudah  mit  dem    defi- 
niten  Artikel  «.    Mudah  ist  die  acht   Persische  Form,    im 
Baluk  i  ist  tnuthin   das  entsprechende;  nar  ist  ebenso  rein 
Persisch,   für  Mann  giebt  L.    sonst  eine  abgeleitete  Form 
narina  an,  so  dass   nar,    narrangd  nur    diesem   gramma- 
tischen Gebrauch  zu   dienen    scheint.     Eine    ältere   Unter- 
scheidung  des  Geschlechts   durch  die  Form     könnte  viel- 
leicht  darin    erhalten  seyn,    dass   das   Feminin    gh ,    das 
Masculin  ng  vor  dem  Artikel  und  den  Casus-Endungen  hätte. 
Auch  in  den  oben  angeführten   Beispielen  ist  pir  männlich, 
%aif,  weiblich.     Bei  andern  Wörtern,  wie  urä,  Haus,  lässt 
sich  das  Geschlecht  jedoch  nicht  bestimmen  und  es  wider- 
spricht z.  B.  pädshäghäe. 

Zahlen.  Nach  L.  giebt  es  einige  Wörter  im  Br.,  welche 
in  beiden  Zahlen  gleich  bleiben;  in  diesem  Falle  müsse  ent- 
weder die  Form  des  Verbums  bezeichnen,  in  welcher  Zahl 
ein  Wort  stehe,  oder  es  geschehe  durch  ein  Adjectiv  quan- 
titativer Bedeutung.  Die  Beispiele  sind:  huli  tawkr  kek, 
das  Pferd  wiehert  (macht  Lärm),  huli  tawkr  ker,  die  Pferde 
wiehern;    ba%  huli,    viele   Pferde.    Er  fahrt   fort:    „doch 


1)  Oben  IV,  431. 


356 

sagen  einig-e,  auch  dieses  Wort  (Ä?/fi)  habe  einen  Plural** 
und  er  fügt  das  Beispiel  der  Declination  dieses  Wortes 
und  des  Wortes  narina,  Mann^  bei. 

Es  verhält  sich  nun  gewiss  nicht  so,  wie  hier  ange- 
geben ist  und  die  Untersuchung  der  Sprachproben  berech- 
tigt, eine  andere  Darstellung  zu  geben.  Es  sind  allerdings 
Endungen  zur  Bezeichnung  des  Plurals  da,  sie  werden  aber 
oft  weggelassen  und  sogar  auch  dann ,  wenn  gar  keine 
andere  Bezeichnung  der  Mehrzahl  eintritt.  Ich  bezweifle, 
dass  ba%y  Pers.  bas,  als  blosser  gramniatischer  Exponent  der 
Mehrzahl  gebraucht  werde ,  es  steht  überall  in  der  con- 
creten  Bedeutung  für  viel.  Beispiele  für  den  Nichtgebrauch 
sind  nicht  selten:  baz  duz  are(^r),  viele  Diebe  sind,  G. 
baz  skl,  viele  Jahre,  hasht  sad  sälj  800.  Jahre,  irä  tii,  zwei 
Monathe,  daJi  rupei,  10  Rupien,  G.  So  auch,  wenn  eine 
Casusendung  hinzutritt,  wie  duazda  sklnai  paidk  masuni, 
sie  ist  gebohren  (zum  Vorschein  gekommen)  vor  zwölf 
Jahren,  wo  nai  nur  Casus  ist. 

Nach  den  Beispielen,  die  aufgestellt  sind  ^),  wäre  an- 
zunehmen, dass  die  Endung  für  den  Nominativ  des  Plurals 
k  nach  vocalischen  Ausgängen^  äk  nach  Consonanten  sey, 
für  die  übrigen  Casus  dagegen  ein  /  nach  Vocalen,  Ä'/nach 
Consonanten ;  diesem  /  werden  dann  die  Casusendungen 
angehängt,  die  im  Singular  und  Plural  dieselben  sind.  Ich 
glaube  jedoch,  dass  /  auch  dem  Nominativ  des  Pluralis  zu- 
kommt. 


1)  Ich  setze  diese  her: 

huli,  Pferdj  Sing,  N,  hvli,  6.   hulina,D.hcc.huli]ie^  Abi.  htilidn'. 
—  PI.        „   hulikj  „        litäf      f,  Ute,      „        litjän'. 

Sharangä  narina,  ein   guter  Mann;  da    das  Adjectiv   ganz   un- 
verändert bleibt,  lasse  ich  es  weg. 
Sing.  N.  narina,  G.  narlnanä,      D.  Acc.  naAnaie  (I.   ne), 

PI.       „    narinaghäk,  „    narinaghätä,      „      narinayhäUf 

Sing.  Abi.  narinagluin'. 
PI.         „    narinaghiitijän'. 


m^' 


3&7 

K  ist  die  am  häuflgsten  erscheinende  Form  uud 
wohl  richtig  ausschhesslich  dem  Nominativ  zugeschrieben. 
Ich  stelle  hier  die  Beispiele  zusammen,  sie  zeigen  oft  starke 
Zusammenziehungen:  niäk.  Söhne,  aus  mar,  also  für  »laraA;, 
G.  547.  nak,  Füsse^  aus  nut,  f.  tiatäk\  dvxk,  Hände  aus  däy 
6.  549.  ghalaghäk,  Körner,  s.  oben  S.  353.  In  einer  Stelle 
ist  es  aber  Accusativ:  irä  tue  da  ghalaghük  harfennt,  vor 
zwei  3Ionathen  ärndtete  ich  diese  Korner.  Solche  Plurale 
sind  öfters  verkannt :  dk  ttitkk  ira  tu  kngud  bisir,  G.  that 
mulberry  will  ripen  in  two  months,  aber  tut  ist  das  ^Vort, 
auch  im  Pers.  also  Plural,  wie  auch  bisir.  Mnchnak,  L. 
Haarzangen,  ist  als  Plural  bezeichnet.  Nach  Halbvocalen 
und  Nasalen  scheint  blosses  k,  nicht  lik  zu  stehu:  Uumkf 
Brüder,  von  ilum,  G,  547.  rotink,  Eingeweide,  L.  bkhink, 
Armbänder,  L.  pkdink,  Fussketten,  L.  Sark,  G.  547.  in 
pang  sark  tev,  ich  will  fünf  sar  (nicht  sark)  geben.  An- 
dere Beispiele  sind  noch  diese :  hamskeghkk  kul,  alle 
Nachbaren,  n^23.  aus  P.hamskjah;  kuchakäk,  Hunde,  1,10. 
besser  kuchikkk,  M.  hat  kuchik;  saut,  I,  4.  5.  Schmuck, 
PI.  sahtkk,  l,  7. 

Aber  auch  /  scheint  bei  dem  Nom.  Plur.  vorzu- 
kommen; gharibktk  ofk  khush  tnarer  G.  548.  jene  Armen 
werden  froh  teyn,  von  gharib,  wo  dt  den  Plural  bezeichnet,  ä 
angehängter  Artikel  ist,  wie  m  sharangk.  Ein  Beispiel  scheint 
k  und  /  zu  verbinden :  hamrkkt  bashmasü ,  die  Reisege- 
fährten wurden  wach,  von  hamrk;  oder  richtiger  das  k  ist 
aus  dem  h  in  Pers.  hamrkh  entstanden.  Es  sind  dieses  aber 
die  einzigen  Beispiele,  die  ich  gefunden,  eines  Nominativs 
im  Plural  mit  dt  und  /,  wie  dk  und  k.  Die  demonstra- 
tiven Pronomina  bilden  efk,  ofk,  dkfk  von  e,  o,  dk. 

Die  Casus  des  Plurals  ausser  dem  Nominativ  haben 
stets  das  t  vor  den  Endungen,  welche  dieselben  sind,  wie 
im  Singular.  In  einigen  ist  die  Lebereiastimmung  jetzt 
nicht  vollständige  ergiebt  sich  aber  aus  Aer  genaueren  Be- 
trachtung. 


358 

Das  Brahuiki  hat  einen  merkwürdigen  Reichthum  an 
Casus^  die  noch  so  kräftig  und  lebendig  in  der  Sprache 
sind,  dass  diese  des  Gebrauchs  der  Präpositionen  sich  ent- 
schlagen kann,  wie  das  Sanskrit.  L.  hat  die  meisten  auf- 
gezählt, obwohl  er  eine  wunderhche  Theorie  hat,  nach 
welcher  es  keine  Casus  seyn  sollen,  und  führt  sie  nicht 
alle  in  seinem  Paradigma  auf.  Ich  will  sie  der  Reihe  nach 
durchgehen  und  mit  Beispielen  belegen. 

Genitiv:  wä.  Hulink  kurra,  des  Pferdes  Füllen,  L. 
Andere  Beispiele:  mirknsL,  des  Emirs,  G.  shaharnä,  der 
Stadt^  G,  bkvnk,  des  Vaters^  G.  Mekurkna.  Q.  Mekar.J, 
Mekrans,  aus  Mekran,  G.  rüpink,  einer  Rupie,  für  eine 
R.  G.  rupaink,  des  Silbers, silbern^  wo  auch  rüpink  zu  lesen; 
piranä,  und  mit  dem  Axü^cXpirangknk,  des  Alten,  des  Heiligen, 
oben  S.3o3.  Pangtik,  der  fünf^  l,  10.  ktilank,  aller  I,  12, 
Er  steht  gewöhnlich  vor  dem  regierenden  Wort,  jedoch 
nicht  noth wendig:  hukmat  khudknkj  Beschluss  Gottes,  I,  1.; 
pkdshk  sifate  hingas  %aifnä,  der  Fürst  hörte  die  Beschreibung 
der  Frau^  wo  zaifnk  zu  sifate  gehört.  Es  sind  keine  Bei- 
spiele vom  Genitiv  des  mit  seinem  Aflßx  versehenen  Plurals, 
es  fehlt  den  angeführten  pang'nk  und  kulank ;  ich  vermuthe, 
dass  auch  hier  wä  ursprüngliche  Form  gewesen  und  hulitk^ 
narinaghktk  für  -tnk  stehen ;  denn  n  verschwÄdet  z.  B.  auch 
in  tenk,  des  Selbst,  von  ten,  in  numk,  eu<^r,  nank,  unser, 
von  num  und  na/i.     Man  kötuite  auch  fink  vermuthen. 

Dativ  und  Accusativ  worden  durch  e  bezeichnet;  L. 
setzt  nur  to  denote  donation;  aber  e  schliesst  auch  die  mei- 
sten andern  Beziehungen  eines  Dativs  in  sich  und  fehlt  nur 
selten,  wo  der  Accusativ  steht.  L.  setzt  ne  als  gleichbe- 
deutend, diese  Form  ist  jedoch  höchst  selten.  Beispiel: 
dkde  jete,  L.  gieb  ihm,  von  dkd.  Ich  füge  hinzu :  Mulla 
Mansnre  mkr  as ,  dem  M.  Mansür  war  ein  Sohn.  II,  7. 
uraghe^  dem  Manne,  II,  4.  IVmire  pkre^  sie  sprach  zum  i 
Vizir;  wakile  thisf  sie  gab  dem  Vakil,  II ,  8.  Accusativ: 
bashkare  dai%ie,  er  weckte  den  Schneider,  1,  5.;  khkkhare 


# 


359 

lagafetj  sie  zündeten  an  das  Feuer,  1, 2. ;  bandaghe  raikare, 
er  schickte  aus  den  Sciaven,  II,  6. ;  kkreme  wä  karenut,  ich 
habe  dein  Werk  gethau,  II,  8.  von  kkrem;  toukale  khu- 
dä/iä  kare,  er  that  den  Auftrag  Gottes,  II,  3.  er  führte 
ihn  aus;  duje  sakht  karer  zaifwati  (I.  zaifghatf),  sie  leg- 
ten die  Hand  auf  die  Frau,  wo  also  ein  j  eintritt,  um  den 
Hiatus  in  due  zu  heben.  Sonst  wird  diese  Rücksicht  aber 
nicht  genommen  und  es  heisst  z.  B.  fixe  von  /ü,  Monath. 

Der  Accusativ  scheint  nach  einigen  Stellen  sich  dieser 
Endung  entschlagen  zu  können:  trä  rupei  katiekn  khirkjkj 
er  forderte  v^on  mir  zwei  Rupien,  G. ;  dkde  mir  henifene 
khalat,  G.  der  Emir  schenkte  ihm  ein  Ehrenkleid;  doch 
steht  sie  gewöhnlicher:  Haidrkbkde  khanänut,  ich  habe  H. 
gesehen,  G. 

Im  Plural  erscheint  sie  ebenso:  gudsJe  sil,  wasche  die 
Kleider,  G.  548.  von  gud,  a/  die  Pluralendung;  gudäti,  Acc 
PI.  G.  549.  ist  wohl  Fehler  für  e.  Ghalaghkte  kungo,  wer- 
den die  Körner  essen,  G.  549.  %aif  rupaite  dakä,  die  Frau 
band  die  Rupien  ein,  II,  11.  mulkkte  kbkd  karak,  mache 
die  Länder  glücklich ,  G.  pidäte  harre ,  1 ,  11,  reisse  die 
Bäuche  auf,  wozu  Acc.  Sing,  pide,  ebend.  HäaJey  U,  10. 
Geschichten,  Umstände,  von  hit. 

Ne  erscheint  im  Siiugular  sehr  selten;  ich  kenne  nur 
ein  sicheres  Beispiel:  kkhundene  saläm  kes y  mache  dem 
Lehrer  den  Gruss,  von  Pers.  äAAü«</.  Vielleicht  gehört  sälnai 
hieher,  duazda  sklnai  paidk  masuni,  G.  sie  ist  zwölf  Jahre 
gebohren  gewesen,  der  Accusativ  steht  imBr.  in  solchen  Zeit- 
bestimmungen, wie  I,  8.  in  demselben  Wort  e:  dk  khadar 
skle  hinkiie,  sie  war  viele  Jahre  fortgegangen,  während 
vieler  Jahre  fort  gewesen.   Das  Pluralzeichen  fehlt. 

Im  Plural  verbmdet  ne  sich  mit  /  durch  ein  t.  Gudk- 
tine,  die  Kleider,  II,  22.  kukuä utine  g'htUe,  fange  die  Vö- 
gel, G.  romaghktine  shola,  schneide  die  Haare,  vom  Indi- 
schen rdma(nj,  Haar. 


360 

Für  e  5vird  auch  e  gesetzt,  besonders  nach  langen 
Vocalen:  soudkkarenut  tenk  hulie^  G.  ich  habe  mein  Pferd 
verkauft;  kkzie  salkm  kes ,  mache  dem  Kkdi  den  Gruss; 
pädshä.e  sal&m  kes,  U,  6.  7.  u.  s.  w.  Es  sind  dieses  viel- 
leicht nur  Fehler,  so  wie  gewiss,  wenn  ai  11^  4.  in  bäwai 
tenu  päre,  sie  sprach  zu  ihrem  Vater,  für  ösiwe  steht. 

Hiernach  ergiebt  sich  eine  Doppelform  für  den  Dativ- 
Accusativ,  ne  erscheint  in  L.'s  Schema  im  Sing,  huline,  in 
den  Beispielen  im  Plur.  mit  einem  verbindenden  i,  in  gudkt- 
ine^  daneben  ohne  n  in  gudkte;  diese  Form  setzt  L.  allein 
im  Flur.,  während  in  den  Sprachproben  e  vorzugsweise  im 
Singular  gebraucht  wird.  Auf  diesen  Wechsel  der  Formen 
mit  und  ohne  n  bauend  habe  ich  schon  für  die  Genitiv- 
Endung  ä  die  andere  Form  na  als  die  vollständigere  an- 
genommen. 

L.  stellt  auch  einen  Instrumentalis  auf^  dem  er  die 
Endung  ene  beilegt:  zaghm-eriej  mit  dem  Schwerte, 
lat-en  e,m\i  dem  Stocke.  Das  einzige  vorkommende  Bei- 
spiel, welches  hieher  gezogen  werden  könnte,  ist  das  an- 
geführte äkhundene,  welches  jedoch  deutlich  Dativ  ist  und 
das  cerebrale  n  nicht  darbietet.  Ich  muss  es  daher  dahin 
gestellt  seyn  lassen,  wie  es  sich  mit  diesem  Instrumentalis 
verhält.  Da  hier  an  keine  theoretische  Annahme  eines  ein- 
heimischen Gelehrten  gedacht  werden  kann,  bezweifle  ich 
jedoch  nidht  den  wirklichen  Bestand  in  der  Sprache. 
'  Für  die  Richtung  nach  einem  Orte  oder  Gegenstände  hin 
steht  äi;  L.  giebt als  Beispiel:  t  Haidrkbkdai  karrä{l.  katra)^ 
ich  will  nach  H.  gehen.  Wie  hier,  wird  auch  sonst  in  den 
Texten  ai  geschrieben;  ich  flnde  auch  sehr  häußg  ä*»,  ie 
gesetzt.  Dev  Khorksanki,  G.  549.  ich  will  (sie)  nach 
Khorasan  führen.  Haidrktradke ,  G  547.  /enk  chokkrie 
raikare  xaifghke,  II,  8.  er  schickte  seine  Sciavin  zur  Frau ; 
mit  denselben  Worten  artrn/ke,\\,  6.  ztir  Gattin:  tirkg/ike, 
ins  Haus,  II,  14.  Aar  ptrank  zikra/ke  ich  will  gehen  zum 
Schreine  des  Alten ,  G.  539.  sharkg/ike,  zur  Entscheidung, 


361 

I,  12.  aus  Ar.  c  Ji,  woraus  Br.  ahark  wird.  Dieses  gh 
tritt  nicht  vor  allen  Casus  -  Endungen  ein,  das  ä  ist  ein 
wesentlicher  Theil  der  Endung  ke  und  so  unterscheidet  die 
Sprache  den  Dativ  pkäshsie,  11,  7.  von  diesem,  deva  nittne 
pkdshkghke,  I,  11.  ich  >vill  euch  bringen  zu  dem  Fürsten. 
Es  ist  daher  Juwke,  1,7.  Dativ  von  diik  karenut,  ich  machte 
ein  Gebet,  in:  kank  duwke   khudk  kabul  karetie,   meinem 

Gebete  that  Gott  Genehmigung.  Buk  ist  das  Ar.  Leo,  du'k. 

Falsch  ist  die  Schreibart  ai,  weil  dieses  eine  verschie- 
dene Endung  mit  bestimmter  Bedeutung  ist;  wie  I,  9.  Äa;» 
koticalai  sharnk  Qshaharnk^,  gehen  wir  zum  Schulzen  des 
Dorfes;  es  muss  ~äi  heissen.  Kkn  tenk  miilkai,  gehen  wir 
nach  CmsiQcm}  eigenen  Lande,  für  mulkki^  II,  5.  Hinkk 
xtjkrat,  ging  nach  dem  Schreine,  steht  wohl  irrig  ohne  diese 
Endung,  1, 10.  Ebenso  wird  mitunter  ai  falschlich  für  den 
Dativ-Accusativ  der  Wörter  auf  d  d.  h.  für  ke  gesetzt,  wie 
ebend.  warnai  nishkn  tisu,  sie  zeigten  (sie)  dem  Jünglinge, 
fnr  ftamke.  • 

Wenn,  wie  es  scheint,  das  «  dieser  Endung  wesent- 
lich ist,  müssen  ki  und  de,  de  die  allein  richtigen  Formen 
seyn.  Die  Bedeutung  ist  zuerst  die  örtliche^  die  Richtung 
nach  einem  Orte;  in  sharkghki  stand  sie  auch  als  Dativ 
des  Zwecks,  der  Absicht.  Vom  Pluralis  habe  ich  kein 
Beispiel  gefunden. 

Die  Entfernung  vom  Orte  und  daher  übertragen,  die 
Ursache,  wird  durch  die  Endung  an  ausgedrückt;  es  ist 
natürlich  dieselbe  in  bcic^u  Fällen  und  ein  Ablativ.  L.,  der 
beide  Fälle  trennt,  gicbt  diese  Beispiele:  viatkn  asify  eins 
von  zwei  Q.  iratkn  asif),  hulikn  ditar,  Blut  vom  Pferde, 
ustat  (jistkn'J  tluk,  Gebet  aus  dem  Herzen;  M.  giebt 
ust,  Herz;  tapkn  durch  die  Wunde.  Ich  glaube,  die  voll- 
ständige Form  sey  jkn  ;  denn  L.  giebt  im  Flur.  hulitjkn\ 
narinaghktijkn ,  dann  knnjkn  ,  von  mir,  und  andere  Formen 
der   Fronomen;     nur    wird  das  j  nach  gewissen   Conso- 


363 

nanten  ausgestossen.  Pittäny  I,  3.  (er  bildete)  aus  Holz; 
huUän  shef  mar,  steige  ab  vom  Pferde,  G.  daspukän,  aus 
dem  Schnupftuch,  WyW.htnun  ,  aus  Hunger,  H,  2.  wa/aw ,  aus 
dem  Vermögen,  G.  numä  khktarkn ,  euretwegen,  G.  Khalk 
khalas  chokarijkn  ^  er  warf  einen  Stein  wegen  der  Sclavin, 
wie  es  scheint,  aus  Zorn  über  sie,  wenn  hier  nicht  «i 
stehen  muss,  II,  16.  Zaifna.  monaghkn  tikhä^  stellte  sie  vor 
Gesicht  der  Frau,  d.  h.  vor  die  Frau,  II,  13.  von  tnon, 
Gesicht}  II,  16.  Plural.  Da  kul  mirljk.n  (L.  meettjknj  d.  h. 
ee  =  i,  und  t' =  r^  doulatmande,  vor  allen  Emir  ist  er  reich, 
540.  In  baz  tjesa  da  hertjkn  *,  tohat  is  the  price  of  these 
bers,  G.  547.  scheint  die  richtige  Uebersetzung :  wie  viel 
giebst  du  wegen  (d,  h.  für)  diese  Ber.  Das  i  am  Ende 
ist  später  zu  erörtern. 

Zu  der  Bezeichnung  des  Seyns  an  einem  Orte  werden 
mehrere  Endungen  gebraucht,  deren  Unterschiede  nicht 
leicht  zu  fassen  sind.  Das  darin  bezeichnet  /i,  wie  L. 
angiebt.  Sharti,  in  der  Stadt,  g  angati  kaskuney  er  ist  ge- 
storben in  der  Schlacht.  Die  Beispiele  sind  häufig:  bazartiy 
G.  im  Bazar,  pidati,  im  Magen,  G.  uräti,  im  Hause,  G. 
u.  sonst,  tenä  uslatl  pure,  er  sprach  in  seinem  Herzen, 
11,4.  chiding-as  düty{\,-tl)  tenä  karak,  nimm  eine  Schelle 
in  deine  Hand,  II,  21.  zaifna  diity  halko,  sie  griffen  audio 
Hand  der  Frau  (ergriffen  ihre  Hand),  I,  9.  Nach  Conso- 
nanten  ist  die  Form  atX,  ustatx,  g  angati,  doch  ist  dieses 
eh(jr  ein  Bindevocal,  oder  das  schwebende  a  am  Ende  der 
Wörter,  als  ein  eigentlicher  Bestandlheil;  wo  gh  am  Ende 
eintritt,  steht  natürlich  «/ly  har  chdr  dvje  sakht  karer 
zaifghati,  (bei  L.  zaipcaty),  alle  vier  legten  Hand  an  die  Frau. 

Beispiele  vom  Plural  habe  ich  nicht  gefunden ;  dagegen 
finde  ich  eine  Erweiterung  der  Form,  die  eigenthümlicher 
Art  ist.  I,  1.  hinär  sahrusetx,  hinür  muliibo  khofank  g  ug^ 
asetif  sie  kamen  in  eine  AVüstc,  einen  Ort  fürchterlichen 
Schreckens}  d,  h.  Ar.  \j;s\m>  und  das  Pcrs.  «L>,  Ort,  hier  g'dg 


363 

(j^gdgK)  geworden,  fügen  se  mid  ose  vor  der  Endung 
ti  ein.  Da  sich  später  ergeben  wird,  dass  das  Wort  a«/, 
a«,  ein,  zu  as  verkürzt,  als  indefiniter  Artikel  Wörtern 
angehängt  wird^  ist  hier  ohne  Zweifel  dieselbe  Erscheinung. 
Sie  zeigt  sich  auch  bei  andern  Casus, 

Das  daran  wird  durch  zwei  Endungen ^  at  und  ai^  be- 
zeichnet; L.  macht  folgende  Unterscheidung:  „Stellung 
wird  bezeichnet  durch  die  Hinzufiigung  von  a/,  wie:  da 
kasarat  duz  are,  von  kasar,  AVeg,  es  ist  ein  Dieb  auf  jenem 
Wege,  wenn  man  von  einem  Wege  als  einem  ganzen 
spricht,  oder  durch  at,  wie  kasarat  pirü  aragh  ase,  es  ist 
ein  alter  Mann  auf  dem  Wege,  im  beschränkten  Sinne 
redend." 

Die  gegebene  Uebersetzung  (^on  that  road^  scheint 
nicht  ganz  mit  dieser  Auffassung  zu  stimmen  und  der  En- 
dung al  eher  eine  demonstrative,  also  hervorhebende  und 
dadurch  beschränkende  Bedeutung  zuzuweisen.  Ich  suche 
erst  die  Beispiele  zusammen. 

II,  5.  khimat  (=  Ar.  iCjl)  kul  shaarat  Q.  shaharaQ 
bingasii,  alle  Leute  in  der  Stadt  hörten;  die  Stadt  ist  eben 
vorher  erwähnt  worden.  I,  6.  tenä  khudsdnk  barkatat 
(siViS  Arab.  barakat  tS^J  da  zatfe  sä  jeti,  bei  deiner 
Gnade,  o  Gott,  gieb  dieser  Frau  Leben.  I,  9.  khudknk 
pinat  sali,  im  Namen  Gottes  stehe !  pang  sadat  soudä  ka- 
reniit  tenä  hulie,  für  fünf  hundert  verkaufte  ich  mein  Pferd. 
Im  Plural  kommt  at  in  einer  Verbindung  vor,  wo  gleich 
darauf  ai  gleichbedeutend  gebraucht  wird:  II,  6.  zaifa  päre, 
khantijat,  kä%ie(je)  saläm  kes  —  —  kanä  khantijaiy  die 
Frau  sprach,  bei  (meinen)  Augen  thue  dem  Kadi  den 
Gruss,  (sprich,  er  komme  am  Abend},  bei  meinen  Augen. 
11,9.  ebenso  kanä  khantiai,  11,3.  khan/eai  Tür  —  tijai.  End- 
lich auch  mit  dem  indefiniten  as ,  II,  3.  hinä  kasaraseat, 
er  ging  auf  einem  Wege. 

Wir  haben  eben  gesehen,    da?s  ai  in  gleicher  Bedea- 


364 

tung  mit  at  gesetzt  werdea  kaniu  Von  seiaem  Gebrauche 
kommen  sonst  diese  Beispiele  vor:  ffwälai,  im  Korbe,  II, 
14.  khalai  tullf,  setze  dich  bei  der  Mühle  (L.  eig.  Stein 
zum  Zerstossen  des  Korns)  II,  18.  hishhai  Qblshai)  swkr 
marak,  reite  auf  einem  Esel,  G.  helbo  deai,  leget  euch  in 
die  Sonne,  G  ;  dafür  schreibt  M.  de-i  tulingy  in  der  Sonne 
sitzen;  khkkharai  tns,  er  sass  am  Feuer,  II,  16,  «ra 
wakhtai^  uu  welcher  Zeit,  II,  21.  mulläna,  bängai,  bei  dem 
Rufe  des  Mulla  (d.  h.  am  Morgen),  II,  23.  begat,  am 
Abend,  II,  6,  fgd.  auch  begae  geschrieben;  L.  hat  im  Ver- 
zeichniss  unrichtig  begL  Wenn  II,  24.  steht:  Ainkr  tenk 
uräfijm^  so  scheint  urktijki  gelesen  werden  zu  müssen^  da 
es  heissen  soll :  sie  gingen  nach  ihren  Häusern.  Es  findet 
sich  endlich  ai  auch  nach  dem  indefiniten  Artikel  asx 
kasarseai  tnlin(jg)j  um  am  Wege  zu  sitzen,  II,  8. 

Es  scheint  hienach  ai  das  daran,  nn  der  Seiie ,  das 
dabei  zu  bezeichnen,  z.  B.  am  Feuer,  am  Wege,  und  auf 
die  Zeit  übertragen:  bei  dem  Rufe,  am  Abend.  Schwierig 
ist  es  zu  fassen,  in  welchem  Sinne  ai  in  der  Betheuerungs- 
formel  bei  meinen  Augen  steht  und  in  bishai  ist  kaum 
die  Lesart  richtig. 

In  dem  ersten  Beispiel  berührt  sich  at  ebenso  nahe 
mit  tij  wie  sonst  mit  ai)  doch  hat  /i  deutlich  die  Bedeu- 
tung des  Seyns  in  emer  bestimmten  Umgränzung.  At 
steht  wohl  in  allgemeinerer  Bedeutung  für  das  Seyn  an 
einem  Orte;  dann  wird  es  in  Anrufungen  gesetzt  und  steht 
bei  der  Summe,  für  welche  etwas  verkauft  wird.  Den 
Zusammenhang  unter  diesen  Anwendungen  versuche  ich 
nicht  aus  so  wenigen  Belegstellen  aufzufinden. 

Das  darauf  wird  durch  «  ausgedrückt;  L.  giebt  diese 
Beispiele:  huliä,  auf  dem  Pferde;  kata  tikhakh ,  lege  auf 
das  Bett.  Ich  finde  sonst  nur:  Aw/ia  chist  kar,  steige  aufs 
Pferd,  G.  hulijk  swa.r  masut,  ich  kam  zu  Pferde  reitend,  G- 

To  hat  stets  die  Bedeutung  der  Begleitung,  des  Zu- 
sammenseyns  mit  jemand;  L.  neto  hafar,  ich  will  nicht  mit 


365 

dir  gehen.  Sonst:  bariva  ee  (1.  t}  tune  (I.  neto),  ich  will 
mit  dir  gehen,  kank  märas  zaifto  masunij  ein  Sohn  von 
mir  war  mit  der  Frau  gegangen;  bknai  khkchk  tenk  arighto 
iaraghto^  *),  sie  schlief  auf  der  Terrasse  mit  dem  Manne, 
If,  15.  kane  handkdto  harkm  jete ,  gieb  mir  Ehe  mit  die- 
sem. Artralo  von  anrät,  Gattin,  in  tenk  ancafe  karesns, 
11 ,  6.  er  hatte  seiner  Frau  gemacht .  ist  mir  zweifelhaft, 
da  es  leicht  aus  dem  Dativ  fe  entstellt  seyn  karm  und  «r- 
ttaito  heissen  müsste. 

Es  kommt  zwei  Mal  eine  Form  auf  tn  vor,  in  tnkrta^ 
n,  2.  19.  wo  der  Dativ  erfordert  ist ;  ich  wage  aber  nicht 
daraus  einen  Casus  zu»machen,  da  eine  andere  Erklärung 
sich  als  wahrscheinlich  ergeben  wird.  Dagegen  steht  A-, 
ka  in  der  Bedeutung  von  bei,  nahe  bei;  bis  jetzt  habe  ich 
nur  Beispiele  von  Pronomen:  kanek,  bei  mir,  nek,  bei  dir 
und  wahrscheinlich  dkka,  mit  ihneq.  Vielleicht  gehört 
khurkj  nahe,  M.  khudk  (khudfk^,  auf  dieser  Seite,  L.  hie- 
her.  L.  setzt  iskk  für:  bis  dahin;  es  ist  wahrscheinlich 
aus  der  Phrase:  t  Sektrkniskk  kkv,  ich  will  bis  nach 
Sehwän  gehen.  Doch  scheint  is  allein  für  hinzu  zu  stehen, 
z.B.  in  kkzi  his,  II,  19.  hin  zu  dem  Kadi;  Jare  pkdshk  is, 
er  brachte  (sie)  vor  den  Fürsten^  II,  11.  Ich  bezweifele, 
dass  in  jener  Endung  auch  kd  enthalten  ist.  da  is  allein  bis 
zu  zu  bedeuten  scheint.  Ein  kä  erscheint  als  Affix  in  tu  asi 
kd  nd  ndk  duk  g  od  maror,  innerhalb  eines  Monats  werden 
deine  Füsse  und  Hände  geheilt  seyn.  Ich  berücksichtige 
aber  nicht  weiter  solche  unsichere  Spuren.  Der  Vocativ 
auf  «  ist  sehen  und  deutlich  Persischen  Ursprungs,  ja 
khudkwandk,  o  Gott,  I,  6.  khudkjk,  ebend.  ist  eine  andere 
Persische  Form.  Chunakk,  o  kleiner^  steht  in  dem  einen 
Liede. 


►1)  L.  hat  sonst  für  Mann  aragh;  hier  arigh  und  11,  10.  11.  arit, 
M.  giebt  hart,  Gatte.  Wäre  dieses  dasselbe  Wort,  würden  auch 
>Yörter  auf  t  das  gh  annehmeo.  Äragh  konunt  jedoch  zu  oft  vor. 


366 

Fassen  wir  die  Ergebnisse  dieser  Untersuchung  zu- 
sammen^ so  ergiebt  sich  folgendes  Bild  der  Declination  im 
Brahuiki,  so  weit  es  jetzt  schon  zulässig  ist^  etwas  all- 
gemeines aufzustellen. 

Eine  Unterscheidung  des  grammatischen  Geschlechts 
findet  sich  nicht.  Der  Plural  wird  durch  den  Zusatz  eines 
k  oder  /  bezeichnet;  das  k  gehört  besonders  dem  Nomi- 
nativ, es  tritt  nach  Consonanten,  die  nicht  Nasale  und 
Halbvocale  sind,  die  vollständigere  Form  uk  ein.  T  ist 
Pluralzeichen  der  übrigen  Casus,  es  steht  ät  in  den  Fällen, 
wo  uk  gilt. 

Die  Endung  des  Genitivs  ist  /|a,'  im  Plural  wird  das 
n  in  einigen  Fällen  abgeworfen. 

Das  Object  wird  durch  ne  oder  e  bezeichnet,  diese 
Endung  vertritt  den  Accusativ,  zugleich  auch  den  Dativ 
anderer  Sprachen;  ne  erscheint  kaum  im  Singular,  wo  e 
herrscht;  im  Plural  findet  sich  entweder  blos  c,  also  /e, 
oder  mit  einem  vorangesetzten  i  auch  tine. 

Der  angegebene  Instrumentalis  auf  ene  findet  sich 
nicht  in  den  Sprachproben. 

Die  Richtung  nach  einem  Orte  und  dem  Zweck  der 
Handlung  bezeichnet  äi,  auch  «e,  äe  geschrieben.  Für 
den  Ablativ  gilt  «»',  welches  aus  jän    entstanden   scheint. 

Es  sind  mehrere  Formen,  welche  den  Ort  bezeichnen; 
ti  das  Eingeschlossenseyn,  ai  das  Dabeiseyn^  ä  das  Darauf^ 
at  hat  eine  allgemeinere  Bedeutung  des  Scyns  an  einem  Orte. 
To  zeigt  dasZusammenseyn,  die  Bogleitung  au,  Ädie  Nähe. 

Die  Pronomina  haben  dieselben  Casus;  ich  setze 
zuerst  die  Paradigmata  von  L.  her  und  füge  dann  die 
wichtigeren  Beispiele  aus  den  Sprachproben  bei. 

Erste  Person.  Sing.  N.  /,  ich;  G.  kana,  Dat.  kanej 
Abi.  kanjin'j  PL  N.  nan,  G.  nank,  D.  nane.  Abi.  nanjan. 

Kane  steht  für  Dativ  und  Acc.  Kane  nishkn  etabo,  gebet 
mir  ein  Zeichen  (zeigt  mir),  G.  kane  kula  kalkune^  (/  have 
a  coldy  eig.)  mich  schlug  ein  Schmerz^  G.  pxdati  kank,  in 


367 

meinem  Mageu,  G.  kank  arwate,  meiner  Frau,  I,  9.  KhuVxsa 
kanejkn ,  du  furchtest  vor  mir,  G.  kanean  khwajä,  er  for- 
derte von  mir,  G.  kanaiy  bei  mir,  I,  2.  (richtiger  kanki^ 
weil  es  Antwort  auf  dinki,  bei  wem,  ist);  kanki,  kanae, 
l,  7.  basu  kaneai,  I,  19.  komme  zu  mir,  muss  auch  wohl 
kanki  heissen.  Konto  jkri  karak,  mache  Freundschaft  mit 
mir.  II,  6.  kanek,  bei  mir.  L.  nank  urkti,  in  uuserm  Hause ^ 
u.  s.  w. 

Zweite  'Person.     Sing.  N.  ni.  G.  nä,  D.  n«,  Abi.  njkn. 
PI.  num,  G.  numk,  D.  nitme,  Abt.  numjkn. 

Mkk  ne,  dir  Söhne,  G.  für  deine  Söhne,  ne  mkf  arey 
ist  dir  ein  Sohn,  G.  lumnk  ne,  deiner  Mutter,  II,  20.  c/a  nä 
afkl  e,  das  deine  Lage  ist,    II,  17.    wä  bkrnk   mkikn,    aus 
dem  Vermögen    deines   Vaters,     G.    ne  khitdk  hes ,     dich 
brachte  Gott,  G.  Es  steht  also,  wenn  richtig  gedruckt  ist, 
ne  öfters  auch  für  nu  oder  den  eigentlichen  Genitiv.    Näe 
C=    «äi)  (die   Reilie)   ist    an    dich,    bei    dir.    I,    2.     Neto, 
in  bafar    neto ,    ich  will  nicht  mit  dir  gehen ,    G ,    547.  wo 
gleich  darauf:  bariva  ee  tune  in  t  neto  zu  verbessern,  ich 
will  mit  dir  gehen.     Mehrere  Casus  erscheinen  in  dem  ei- 
nen der  kleinen  Liedchen^  welches  ich  wörtlich  übersetze ; 
o  Zftbü,  nane  dir  jeti, 
nä  diik  honenii,   nane  dir  jeti, 
godi  giduna(^na)  nane  dir  jeti, 
nä  diik  phttdenä,    nane  dir  jeti. 
o  Schöne,  gieb  uns  Wasser,    deine  Hände  sind  süss,  gieb 
uns  Wasser;    o   Herrin   des   Hauses,    gieb  uns   Wasser, 
deine  Hände  sind  kühl,    gieb  uns  Wasser  i). 


1)  L.  Oh  zahu!  give  me  a  little  water,  water  front  those  hand* 
must  be  »weet;  give  mt  a  little  water,  o  mistress  of  (thj/  slave's) 
house,  give  me  a  l.  w.,  water  from  those  hands  must  he  cool, 
give  me  a  l.  w.  Des  Sinnes  der  Worte  godi  gidäna  bin  ich 
nicht  sicher,  godi  kommt  weiter  nicht  vor,  gidä  bedentet  sonst: 
Ding,  Sache.  M.  hat  khUd'i,  Haus,  welches  nach  der  Uebersetzung 
L.^s  hier  gemeint  seyn  müsste.  fiei  L,  ist  dik  gedruckt. 


US 

Agar  nnm  pkre  (jmrere)^  numä  kh&tarän  kireme  kev, 
wenn  ihr  (es)  sagt,  will  ich  euretwegen  die  That  thun.  G. 
Ke(J(\)  nutne  khudk  hes,  dass  Gott  euch  brachte. 

Dritte  Person.  L.  lülirt  drei  persönliche  Pronomen 
unter  dieser  Benennung  auf ,  die  zugleich  demonstrative 
sind.  In  der  That  zeigen  die  Sprachproben,  dass  ein  be- 
sonderes persönliches  Pronomen  der  dritten  Person  strenge 
genommen  nicht  vorkommt;  am  nächsten  nähert  sich  die- 
sem Begriffe  od  oder  o.  Dieses,  wie  ed,  e,  bedeutet  ei- 
gentlich jenes,  dad,  da,  dieses.  Diese  setzen  f  vor  das  k 
und  t  des  Plurals  und  verwandeln  das  auslautende  d  im 
Ablativ  Sing,  in  rf*,  wahrscheinlich  eine  Wirkung  des  der 
Endung  an  zugehörigen/,  welches  nach  dem  vorhergehen- 
den d  verschwindet.  L.'s  Angaben  sind: 
od  oder  o.  Sing.  N.  od,  o,  G.  ow«,  D.  ode,  Abi.  od  an . 

PI.  N.  ofk,  G.  0/7«,  D.  ofle,  Abi.  oftjdn  (Jj.  of  tjn'ä). 
ddd,  da.  Sing.  N.  da,  G.  ddnä,  D.  <ia</e,  Abi.  dädtän* 

PI.  N.  däfk,  G.  dilftä,  D.  ddfte,  Abi.  duftjun. 
ed,  e.  Sing.  N.  ed,  e,  G.  enä,  D.  ede,  Abi.  edän . 

PI.  N.  eß,  G.  eftd,  D.  efte,  Abi.  eftjdn. 

Od  wird  wahrscheinlich  und  so  auch  wohl  ed  und  ddd, 
meist  vor  vocalischen  Anlauten  stehen,  o  vor  Consonan- 
ten:  od  ichänä,  er  nicsste,  G.  Doch  ifindc  ich  o  ant  ase, 
dieses  was  ist?  II,  14.  Es  ist  am  häufigsten  demon- 
strativ: o  h\te  i  bingasut,  ich  habe  diesen  Umstand  gehört, 
o  bandugh  g'angati  kasknne,  der  Mann  ist  itj  der  Schlacht 
gestorben.  Onk  war  ptirav  tnas,  seine  Reihe  (zu  wachen) 
war  vollendet,  1,  3.  ona.  bäe,  dessen  Ocfftiung.  Ode  khalk, 
ihn  schlug  er,  II,  1.  u.  s.  w.  Od  für  Accus,  ist  nur  Fehler 
für  ode,  in  piranga.  od  tena  mehtnm&n  (I.  mihmkn)  kare, 
der  Alte  machte  ihn  zu  seinem  Gaste.  ATäsi  odai  g/iusa- 
mas,  der  Kadi  wurde  zornig  über  ihn,  II,  1.  mar  odkn 
peshan  mas,  der  Sohn  ging  von  ihm  (dem  Kadi)  fort,  II,  2. 

Da.  kana.  arwat  e,  diese  meine  Frau  ist,  I,  9.  dade 
jete,  gieb  ihm,  G.  </ä»ä  saile  karak,   (hue  dessen  Anblick, 


369 

G.  </ä/i  (däti)  peha,  in  diesen  (Korb;)  lege  dich,  IT,  14.  Te  in 
date  kanä  chokari  e,  diese  ist  meine  Sciavin,  I,  12.,  weiss  ich 
nicht  zu  erklären:  da  würde  hinreichen  und  jedenfalls  muss 
so  geschrieben  werden;  dä{/e  wird  für  hier  gebraucht, 
aber  passt  nicht  hiehcr,  so  wenig  als  dfifi.  DkflQe) 
khalk,  er  schlug  sie,  I,  II.  äkflk  pide  harre,  reisse  ihren 
Bauch  auf,  I,  11.  dkftk  barkme  kare ,  er  machte  ihre 
Heirath.  Diese  Pronomina,  wie  die  Adjective,  stehen  ohne 
Endungen,  wenu  sie  Substantiven  vorangehen,  wie  da 
ghalaghkk  harfennt,  G.  aber  ich  finde  auch  du  baȟ  tenk 
urktX,  sie  kamen  in  ihren  Häusern  an,  II,  18. 

E  ist  nicht  blos  Fronomen,  sondern  auch  Copula 
(^neben  o,  ü)  und  dritte  Person  Singularis  des  Verburas 
Sern:  da  nä  afkl  t,  o  käzink  ne  afkl e,  ewazirnä  ne  aß.1 
e,  e  tcakiinä.  ne  afkl  e,  dieses  ist  deine  Lage,  und  deines 
Itädis  Lage,  u.  s.  w.  II,  17.  Den  Nominativ  e  oder  ed  habe  ich 
nicht  gefunden,  ede,  ihm,  steht  II;  20.  eftk  pidkte ,  ihre 
Bäuche,  I,  12.  u.  s.  w. 

Als  reflexives  Pronomen  gilt  ten,  dessen  Genitiv  tendf 
des  Selbsts,  als  Possessiv  in  der  Bedeutung  eigen  steht 
and  nach  der  Verschiedenheit  des  Subjects  auf  alle  drei 
Personen,  im  Singular  wie  im  Plural,  bezogen  wird.  L. 
•  giebt  folgende  Casus  an:  N.  tenat.  Selbst,  G.  tenk,  D. 
tene,  Abi.  tenjkn,  dann  tenpaten ,  unter  sich. 

Den  Xominativ  tenat  kann  ich  nicht  belegen,    es  ver- 
hält sich  auch  wohl  damit  anders,  wie  später  gezeigt  wer- 
den wird.     Soudk  karenut  tenk  hufxe,  ich  habe  mein  Pferd 
verkauf!,    G.   ehidingas  düty  C~^0  '^"*  karak,    nimm  eine 
Schelle   in   deine  Hand,  II,   31.    Für    sein  steht  es  häufig, 
I     zaif  tenk  araghe  pkre^    die   Frau   sprach  zu  ihrem  Manne. 
Acc.  f  tene  kasifeva,  ich  werde  mich  tödten,  II,  4.  tenanto 
I     (gedruckt:    tehanto,   wohl  richtiger  tenato)    sikhakh ,    be- 
I     halte  bei  dir  selbst,  G.   Tenpaten  ist  dieser  Stelle  I,  2.  ent- 
i     nommen:  maslat  karer  tenpaten^  sie  machten  eine  Berathung 
mit   einander.    Paten  ist  aber   gewiss  keine   Flexion  und 
V.  24 


370 

findet  sich  als  Wort  nicht  in  Br.  Sollte  pa  nicht  aus  dem 
Persischen  ä«,  ha,  mit,  entstellt  seyn  und  heissen:  sie 
selbst  mit  sich  selbst? 

Ten  in  Br.  wird  nach  den  obigen  Beispielen  ganz  so 
gebraucht  wie  ätman^  Seele,  Selbst^  im  Sanskrit;  es  ist 
natürlich  das  Persische  ten,  welches  ursprünglich  Körper 
bedeutet,  aber  dann  auch  für  das  Selbst  steht.  Auch  in 
Baluk'i  kam  eine  Spur  dieses  Wortes  in  solcher  Bedeu- 
tung vor  1). 

Der  Genitiv  tend  kann  die  Stelle  eines  possessiven 
Pronomens  nur  in  solchen  Sätzen  vertreten,  in  welchem 
der  Besitz  vom  Subject  ausgesagt  wird ;  wenn  der  Be- 
sitzende vom  Subject  verschieden,  muss  eine  andere  Be- 
zeichnung für  sein  und  ihr  eintreten.  Dazu  dienen  die 
Genitive  von  od,  ed^  ddd.  Wenn  ich  nicht  irre,  hat  das 
Br.  noch  ein  anderes  Wort  für  das  Possessiv  der  dritten 
Person.  Mkrta  haft  säl  masj  der  Sohn  ward  sieben  Jahre, 
11,  1,  und  19.  Man  könnte  mdrto  ändern  wollen:  bei  dem 
Sohn  waren  sieben  Jahre;  dieses  ist  aber  ein  willkührhcher 
Nothbehelf.  Heisst  fa,  seiu^  ist  keine  Schwierigkeit;  es  be- 
deutet dann:  seinem  Sohne  gingen  sieben  Jahre  vorüber. 
Läshet  hesum,  (meine  Mutter  ist  gestorben),  er  brachte  ihre 
Leiche,  11,  23.  aus  Pers.  ji,^.  If,  1.  stehen  diese  Worte: 
bdwa{\.  ti)  Itimata  kasko,  Vater  und  Mutter  starben;  Mutter 
heisst  stets  liimOf  es  wird  /«  sein  bedeuten.  II,  14.  arakhtia) 
päre,  ihr  Manu  sprach,  das  Wort  ist  aragh.  II,  21.  I,  15. 
huriwa  ta  dere,  ich  will  fragen,  der  welcher  ist,  wie  II,  14. 
hurev  o  der  e.  II,  19.  fiilli  ferta  khwkningke  käzi  his^  they 
scated  him  in  a  reading  school  under  the  käzi;  es  ist  aber 
nothwendig  tnllifer  zu  trennen,  sie  setzten  ihn  zum  Lesen 
bei  dem  Käzi;  also  ta  ihn.  II,  18.  ta  harkas  tenä  vrdghiie 
hinär f  alle  diese  gingen  in  ihre  Häuser;  ta  also  für  sie. 
Ich  finde  auch  /a,  für  Genitiv  und  Nominativ:  I,  11.  heaunut 

1)  8.  oben  lY,  449. 


371 

tä  sharkghai  Q-ghki'),  ich  brachte  (sie)  zu  ihrer  Bcarthei- 
luDg.  «S'Äam  tamäj  tä  hesur  pät  (bei  L.  tamktk'),  die  Nacht 
traf  ein,  sie  brachten  Holz^  I,  2.  I,  8.  asitti.  pkre,  einer 
von  ihnen  sprach,  es  ist  von  vieren  die  Rede.  Es  scheint 
hiernach  ein  Pronomen  ta,  für  ihn,  sie  und  das  Possessiv 
sein,  ihr,  vorhanden  zu  seyu,  obwohl  selten  gebraucht; 
als  Possessiv  wird  es  andern  Wörlern  angehängt;  von 
Flexionen  ist  nur  der  Genitiv  des  Plurals  gefunden  worden. 

Das  interrogative  Pronomen  der  wird  nach  L.  nur  von 
lebenden  Wesen  gebraucht  und  unterscheidet  nicht  die 
Zahlen:  wi  der  us,  wer  bist  du?  niim  derrure  (^der  ure^j 
wer  seyd  ihr?  Aber  es  heisst  auch:  da  shaharnk  pin  der  e^ 
welcher  Name  ist  dieser  Stadt?  G.  Gen.  </«i/ia  (fürSprwa), 
Dat.  dere,  Abi.  derän .  Ich  finde  ausserdem  dinsJ ,  in 
awalko  irkr  dinii,  I,  2.  das  erste  Mal  bei  wem?  Hat  die 
Endung  dt  ursprünglich  die  Form  nki?  Don,  wie,  II,  6. 
hat  eine  adverbiale  Form. 

Für  "unbelebte  Dinge  soll  ant  gebraucht  werden,    so 
wie  arä:  dieses  auch  relativ  seyn.     Das  erste  lautet  auch 
ante,     Ant   (gedr.    ant^  karinus,  was  hast  du   gethan,  G. 
o  ant  ase,    dieses  was  ist?    11^  14.  aute  (^antej    onä  pds, 
was  sagst  du  von  ihm?    II,  2.     Antai,    warum,    in    antat 
tifesa  ta  {mchitifes  ata),  warum  giebst  du  es  nicht?  G.  ist  die 
einzige  Biegung  des  Wortes,  welche  ich   gefunden    habe. 
Arä  scheint   nicht    flectirt   zu   werden ,     ard    trakhtai ,  zu 
welcher  Zeit,  II,  21.     Arn  steht  auch   für  quodcuuqiie,  L. 
hat  dieses  Beispiel:  ard  iä ä  ki  g'uirkn  e,  kane  hämo  dar~ 
kär  e^  welches  Ding,  das  gut  ist,  dasselbe  ist  mir  brauch- 
bar (Pers.  J^  ^o,  brauchbar,  uöthig).  Wir  sehen  hieraus, 
dass  auch  das  Persische   ki  sich   einmischt,    so   wie   auch 
cÄi,  z.  B.  Chi   wakht,   L.  wann.     Dieses   geschieht  jedoch 
selten.    Häufiger  kommt  das  Persische  Aar,  jeder,  all^vor; 
har  chaxj  alle  vier,  I,  8.  hitrka8=iyj^  Jfj  jedweder,    alle, 
II,  18.  u.  s.  w. 


372 

Hamaj  derselbe,  dasselbe,  kam  schon  eben  vor;  in 
Baluk  i  lernten  wir  es  in  der  Form  hamai  kennen  *),  Aus 
dem  Stamme  dieses  Wortes  harn  mit  dem  Demonstrativ  da 
hat  das  Br.  handa.,  handkd  gebildet ;  zaifas  g  od  kare  handd 
pmtu»,  er  bildete  eine  Frau  aus  eben  diesem  Holze,  I,  3. 
kune  handädto  barkm  jete,  gieb  mir  Ehe  mit  eben  diesem, 
II,  4.  khabar  handdd  «,  II,  16.  eben  dieses  ist  die  Neuig- 
keit. Es  wird  kam  auch  in  dieser  Verbindung  wiederhohlt: 
kank  aregh  (^araghy  are  ham  handkd,  afak  ham  handkd, 
II,  4.  eben  dieser  ist  (soll  seyn)  mein  Gatte,  es  ist  nicht 
(sonst)  ein  solcher  ^j.  Eine  Form  handunos  kommt  in  zwei 
Beispielen  bei  L.  vor:  handunos  i  ut,  handunos  od  e,  wie 
ich  bin?  ist  er ;  ki  wah  wahna  zaifas  asak,  handunos  asak 
kl  lälank  phiuli,  L.  oh  such  a  woman  the  image  of  a  rose. 
Diese  Worte  sind  aber  sicher  nicht  fehlerfrei;  gesetzt  aber 
dass  phiulX  und  wahna  richtig  sind^  müsste  es  wörtlich 
heissen:  ah!  welche  Frau  war  es,  sie  war  eine  solche,  wie 
das  Bild  einer  Rose  (oder  Tulpe?).  Ich  weiss  nicht,  ob 
handunos  Adverbium  ist  oder  Pronomen ,  noch  wie  dunos 
zu  erklären.  Auch  das  Wort  dohko  in  de^  Bedeutung 
solcher  scheint  mir  zweifelhaft,  das  Beispiel  lautet:  dohko 
zabou  znif  as  khanat  bazartly  eine  wie  schöne  Frau  sah 
ich  im  Bazar. 

Durch  die  Spracliproben  belegt  ist  das  aufgeführte 
amro ,  welcher  Art :  o  amro  bandagh  ase,  der  welcher 
Art  Mann  ist,  L.  da  amro  juwäno  zaif  ase-y  I,  6.  ist  nicht 
fragend,  sondern  hcisst :  die  so  beschaffene  Frau  ist  schöiK 
Amarx  darosy  II,  14.  wird  übersetzt:  bringe  (mich)  schnell; 
es  ist  aber  ohne  Zweifel  aus  amro  zu  erklären:  wie  willst 
du  mich  bringen.  Die  Endung  i  scheint  unrichtig,  da  sie 
sonst  nicht  Advcrbia  bildet ;  man  könnte  aus  dieser  Schrei- 


1)  S.  oben  iV,  44A. 

2)  L.  this  shall  be  my  hushand^  hf  or  no  one* 


373 

bung  vermuthen,  dass  amro  aus  hämo,   htun  and  arä  2o- 

samraengesetzt  uod  genauer  hamaro,hamro  zu  schreiben  sey. 

Ein  anderes  Pronoininahvort  ist  khadr,  khadar,  um 
die  Quantität  zu  bezeichnen;  es  erscheint  als  AfTix  zu  den 
Pronomiiialstämraen.  L.  führt  nur  akhadr  für  wie  viel;  auf. 
Nek  rupaije  akhadr  are,  wie  viele  Rupien  «ind  bei  dir? 
bedink  mehnsJ  akhadre,  wieviel  ist  die  Miethe  des  Boots? 
G.  Akhadr  ki  n\  tes,  namo  (KAamo)  khadr  i  haier,  L.  wie 
viel  als  du  giebst,  so  viel  werde  ich  nehmen.  Hamokhadr 
heisst  also:  so  viel.  Eine  ähnliche  Bedeutung  entsteht 
durch  die  Verbindung  mit  da.  So  I,  9.  da  khadar  skle 
hinkne,  so  viele  Jahre  ist  sie  fortgegangen  gewesen,  d.  h. 
sehr  viele.  Da  khadr  g'kickhir,  sehr  viele  Juwele,  I,  12. 
dk  khadr  bring',  II,  13.  so  viel  Reis ,  für  etwas.  Ob  die 
Form  akhas  daneben  richtig  sey,  lasseich  dahin  gestellt;  da 
huHnk  bkhkakhase^  (akhadrase?)  wie  viel  ist  der  Preis  dieses 
Pferdes?  Im  Laute  erinnert  diese  Bildung  an  das  Baluk'i 
ihar,  das  Persische  ier,  Sanskrit  iara^  für  den  Compara- 
tiv  1),  ist  aber ,  wie  man  leicht  sieht ^  ganz  verschieden ; 
denn  es  ist  nicht  ein  Affix  dr,  dar'=  tur,  welches  sich  mit 
Pronominalslämmen  verbindet,  sondern  khadr.  Ich  glaube 
jedoch,  dass  eine  Beziehung  auf  diese  dem  Brahuiki  fremde 
Bildung  insofern  bestehe,  als  dass  aus  dem  Indischen  katara^ 
wer  von  beiden,  das  Brahuiki  ein  Aifi.v  khadar  in  der  Be- 
deutung des  wie  viel  gemacht  hat.  Akhadr  möchte  aus 
aräkhadr  contrahirt  seyn.  3Ian  bedeutet  etwas,  einiges, 
man  tcakht  gidkrengk,  einige  Zeit  verfloss,  II,  5. 

Zu  dem  Abschnitte  vom  Pronomen  gehört  endlich  noch 
folgende  Erscheinung.  Wie  in  Baluk'i  finden  sich  auch 
Anhängsel  von  Vocalen  an  die  Substantive,  seltener  an 
die  Adjective,  welche  hier  wie  dort  am  leichtesten  sich  als 
Pronominalthemate  fassen  lassen.  Ich  habe  oben  S.  353. 
schon  das  ä  in  sharangu  und  pirangk  erwähnt.  Der  Nomi- 


1)  S.  oben  IV,  S.  447. 


374 

nativ  des  letzten  erscheint  11^  3.  4.  der  Genitiv  pirangknk, 
II,  3.  Dass  dieses  u  die  Bedeutung  eines  definiten  Artikels 
habe,  erhellt  aus  dem  Ausdruck  filkn  pirank,  I,  10.  eines 
gewissen  Alten^  wo  das  ä  fehlt,  wie  es  muss.  Der  Ge- 
brauch im  Br.  ist  jedoch  äusserst  selten,  während  es  im 
Baluki  oft  eintritt  und  daher  abzuleiten  scyn  möchte,  da  ä 
nicht  im  Br.  Demonstrativ  ist.  Auch  t  ist  wie  im  Br.  vor- 
handen: da  bertjkn-i  von  jenen  Ber  da;  die  Endung  lautet 
stets  nur  an .  Da  shaharnk  mkljkt  (Ar.  mklijkt,  pl.)  bist 
panch  (sonst  pang^  hazäri,  das  Einkommen  von  jener 
Stadt  ist  25000.  Salami  this,  gab  den  Gruss,  II,  7.  Auch 
dieses  erscheint  nur  selten.  Ai  tritt  ebenso  auf:  päron  da- 
gink  gosälai,  wir  werden  sagen ,  es  ist  das  Kalb  einer 
Kuh ;  es  ist  gosäl  aus  dem  Persischen  gösklah  und  ai  ein 
Zusatz.  Dieses  erscheint  noch  seltener.  Aus  dieser  Selten- 
heit schliese  ich,  dass  dieser  Gebrauch  überhaupt  dem  Bra- 
huiki  nicht  ursprünglich  angehöre. 

Andere  ähnliche  Zusätze  sind  mir  noch  unklar  und  ich 
kann  nicht  entscheiden,  in  wie  fern  sie  auf  wirklichen  Ge- 
brauch begründet  oder  nur  fehlerhafter  Darstellung  zuzu- 
schreiben sind.  So  II,  3.  kasarai  pirü  aragh  ase,  auf  dem 
Wege  war  ein  alter  Mann;  m  ist  sonst  die  verkürzte  Form 
für  sind,  wovon  unten.  Ebenso  v  oder  av,  und  was^  wie 
auch  geschrieben  wird,  gleich  ist,  oti.  II,  14,  da  ghalou 
macht  mas,  das  Korn  war  wenig.  Pürav  steht  für  erfüllt, 
voll,  also  aus  pxir^  und  dkrjkv  für  dkrjk  ist  schon  oben  an- 
geführt. Ist  hier  ein  Zusammenhang  mit  f  in  Jkfk,  u.  s.  w.  ? 

Mehr  Ansprüche  auf  Gültigkeit  darf  das  zugesetzte  o 
machen,  weil  dieses  Pronomen  im  Br.  vorhanden  ist.  Auch 
von  diesem  sind  jedoch  die  Beispiele  selten  und  die  Sache 
unsicher.  I,  6.  g'uwano  zaif  ase ,  man  kann  hier  das  o 
trennen  und  zu  zaif  ziehen:  „schön  war  die  Frau"}  viel- 
leicht auch  in  der  Phrase,  G.  549.  da  shaharle(^-ii)  g' w&no 
gudh  paida  maroi,  wird  das  Tuch  gut  (als  gutes)  in  jener 
Stadt  hervorgebracht?  In  muhibo  khofank  g  ägaseil,  1,1. au 


% 


375 

einem  Orte  der  schrecklichen  Furcht,  hat  das  Ar.  mahxb, 
^„./u^,  furchtbar^  ein  o  angenommen,  dessen  Bedeutung  mir 
ganz  unerklärlich  ist 

Ich  füge  hinzu,  das  a  am  Ende  in  einigen  Wörtern 
bald  steht,  bald  fehlt,  wie  zai'f  und  zaifa,  dieses  ist  bedeu- 
tungslos und  nur  Schwanken  der  Aussprache.  Ein  häufiger 
Zusatz  zu  Substantiven  ist  das  aus  asit,  asi,  eins,  ver- 
kürzte OS  I,  3.  Pirangk  araghe  masid  as  asakj  dem  alten 
Manne  war  eine  Tochter,  u.  s.  w.  Auch  contrahirt,  wie 
warnks,  ein  junger  Mann,  aus  trarnk  und  asj  \j  9. 

Die  Adjective  haben  als  solche  keine  Biegungen,  auch 
keine  Formen  für  die  Vergleichungsgrade.  Die  Beispiele, 
welche  L.  aufstellt,  zeigen,  dass  der  Ablativ  besonders  dazu 
dient,  die  fehlende  Form  zu  ersetzen.  Du  g'uwkn  e,  dieses 
ist  gut;  da  g'uwkn  osit  (asit)  e,  dieses  allein  ist  gut,  L.: 
das  ist  besser;  da  kulkn  g'uwkn  asit  e,  dieses  vor  allem 
allein  ist  gut;  da  edkn  g'uwkn  e^  dieses  vor  jenem  ist  gut; 
da  kul  meettjkn  (1.  mirtjkn)  doulatmand  «,  dieser  ist 
mächtig  vor  allen  Emiren. 

Die  Zahlworter  von  vier  an  sind  Persisch;  s.  oben 
Bd.  IV,  S.  441.  Ein  lautet  assit,  M.  asit,  L.  öfters  ver- 
kürzt asi.  Zwei:  irat,  M.  L.  es  findet  sich  auch  irä.  Drei 
müsitj  M.  musit,  L.  Als  Ordnungszahlen  giebt  L.  nur  diese: 
das  Arab.  awal,  erster,  eh,  zweiter,- mustimiko ,  dritter, 
chkrmiko ,  vierter,  pang'mikoj  fünfter.  Elo  ist  durch  den 
Wechsel  von  r  und  /  aus  irat  abzuleiten.  Das  eigentliche 
Brahui  Affix  imiko ,  womit  mustimiko  gebildet  wird^  ist 
auf  die  Persischen  Wörter  chkr  und  pang  übertragen. 
Nachher  dagegen  awal  kopks,  erster  Pahar,  irktmi  kopks, 
zweiter  P. ,  mustami  k. ,  dritter  P. ,  ehkrme  k.,  vierfer  P. 
Es  ist  aber  awalkoj  irktmikoj  u.  s.  w.  zu  trennen;  pks  ist 
das  Persische  tj-Lj,  Dauer  einer  Wache,  erklärt  durch 
das  Indische  pahar,  aus  S.  prahara,  Nachtwache.  Awalko 
erscheint  in  den  Texten,  awalko  wir  dinkij  bei  wem  das 
erste  Mal?  I,  2. 


376 
d)  Terbuin. 

£beuso  sehr  wie  in  der  Declination  unterscheidet  sich 
das  Brahuiki  in  der  Conjugation  von  allen  benachbarten 
Sprachen  und  hat  hier  noch  entschiedener  seinen  ursprüng- 
lichen eigenthümlichen  Bau  sich  gerettet,  als  in  der  De- 
clination, wo  nach  dem  ersten  Anscheine  Indische  Einflüsse 
vermuthet  werden  könnten^  wie  es  Ja3Ies  Prinsep  gethan 
hat.  Ilicvon  kann  ers  später  gehandelt  werden.  Diese 
Selbständigkeit  ist  um  so  merkwürdiger,  als  der  Wort- 
schatz überfüllt  ist  mit  Persischen  und  Arabischen,  dann 
auch  mit  Indischen  Bestandtheilen.  Um  nur  eines  hier  zu 
erwähnen ,  es  besitzt  das  Brahuiki  eine  eigenthümliche 
Form  des  negativen  Verbums. 

Es  ist  leider  nicht  möglich,  ein  so  vollständiges  Bild 
von  der  Conjugation,  wie  von  der  Declination  aufzustel- 
len. Zwar  hat  L.  sehr  schätzbare  Paradigmata  der  Con- 
jugation mitgetheilt,  die  von  einem  Eingebohrnen  herstam- 
men müssen ;  denn  sie  geben  eine  viel  vollständigere  und 
systematischere  Ucbersicht  der  Verbalformen,  als  aus  den 
Sprachproben  geschöpft  weiden  kann  ,  während  in  diesen 
andere  hervortreten,  die  L.  nicht  unerwähnt  lassen  konnte, 
wie  z.  B.  das  negaüve  Verbum,  wenn  er  aus  den  gesam- 
melten Materialien  eine  Darstellung  der  Conjugation  selbst 
entworfen  hätte.  Man  würde  zu  weit  gehen,  wenn  man 
hieraus  schliessen  wollte,  duss  die  Brahui  ihre  Sprache 
grammatisch  bearbeitet  hätten;  es  darf  aber  wohl  gefol- 
gert werden,  dass  sich  un(er  ihnen  einzelne  Männer  ßnden, 
welche,  wahrscheinlich  durch  Erlernung  des  Persischen 
oder  Arabischen^  einen  Bogriff  von  Grammatik  sich  erwor- 
ben haben  und  dadurch  fühig  werden ,  die  Formen  ihrer 
Sprache  systematisch  zu  ordnen. 

Zu  einer  vollständigen  Erkeuntniss  der  Conjugation  reicht 
das  vorhandene  Material  jedoch  niclil  ausj  denn  tiicils  kom- 


377 

« 

men  Formea  vor,  welche  nicht  in  jener  Aufstellung  be- 
rücksichtigt sind  und  vereinzelt  stehen,  daher  schwer  in 
ein  System  mit  den  übrigen  zu  bringen  sind;  theils  sind 
Abweichungen  in  den  Spracliproben  von  den  Musterbei- 
spielen, von  welchen  es  unsicher  ist,  ob  sie  dem  täglichen 
Sprachgebrauche  oder  einer  ungenauen  Auffassung  zuzu- 
schreiben seyen. 

Das  Brahuiki  hat  einen  Infinitiv,  der  in  ursprünglicher 
Form  auf  ning  ausgeht  und  ein  verbales  Substantiv  bildet; 
L.  führt  die  Worte  in  der  Form   des   Imperativs  auf,    M. 
da^eofen  im  Infinitiv  und  Xlurch  ihn  ersehen  wir,    dass  die 
Sprache    Consonanten    oft    assimilirt     Beispiele;    kanning, 
thun,     die    Flexionen    stammen    meist   von    kar'j    banning, 
kommen,  zu  bas,    bar.     Es  verschwindet  das  n  umgekehrt 
durch  Assimilation,  wie  nerring,  fliehen,  selling,  waschen, 
arraffing,  auflesen,  oder  verschwindet  ganz,  wie  ilhing,  öff- 
nen^ kahing,  sterben.     Da?  n  als  ursprünglich  hinzustellen, 
berechtigen  uns  Formen,  wie  banning,  kanning,  u.  a.  3I.'s 
Verzeichniss  enthält  folgende  Fälle:  am  häufigsten  -nning; 
dann:  -kking,  -khing,  -ghing,    ^ching,    -ting,  thing,  -ning^ 
-fi»9i    -P'^g>    -^»i'Wi    -ring,   -rring,    -ling ,    -Hing,    -sing, 
ssing,  -shing,  -sfing,  -rzing,  -hing  und  endlich  tning.   Es 
verwandelt  also  n  meistens  r,  bei   tn  tritt  nicht  Assimila- 
tion ein,    es  verschwindet  n  nach  zwei  Consonanten,  mit- 
unter auch  nach  einem ;  in  diesem  Falle  wird  wahrschein- 
lich die   vorhergehende   Sylbe   lang   seyn,    wie   in   rnting, 
ärndten,  muching ,  nähen,    obwohl  nicht  überall  dieses  be- 
zeichnet ist.     Wo  zwei  gleiche  Consonanten  vor  ing  sind, 
ist  Assimilation  anzunehmen.    Wir   sehen  €iier  "eine   Nei- 
gung  zur   Entstellung  der    Formen,     dem    Wohllaute    zu 
Liebe ;  andere  Entstellungen  werden  dadurch  w  ahrscheinlich. 
Der    Infinitiv   wird   wie   ein    Nomen    behandelt     und 
kann  daher  Casusendungen  annehmen.     Sala.  kaning  (^kan- 
ning)   g'uwkn   e,     es    ist   gut,    einen    Rath  (Arab.  J^') 
zu  pflegen,    ist  unflectirt.      Tamk  kkrem   kaning te   (Ji),   er 


378 

machte  sich  daran  (eig.  fiel  zu)  das  Werk  zu  thun,  I,  4. 
lamä.  gudh  moghangati  i-ghin.'),  ein  Kleid  zu  nähen^  1,5. 
tamk  pitingati,  fing  an  zu  jammern,  II,  23.  Ohne  Flexion 
aber:  kasarseai  iulm(g),  um  an  einem  Wege  zu  sitzen,  1,8. 
Dev  Khorksknki  kharld  kaninki  (gewiss  kaningi),  G.  549.  ich 
werde  sie  nach  Khorasan  bringen  um  sie  zu  verkaufen,  hat 
das  noch  unklare  i.  Das  locative  ti  erklärt  sich  leicht  als 
Bezeichnung  für  das  Beschäftigtseyn  mit  der  Handlung, 
das  Seyn  im  Handeln.  Die  Absicht  wird  bestimmter  durch 
äe  angedeutet:  tullifer  ta  khwhiangke  (wm^äe),  sie  Hessen 
ihn  (bei  dem  Kadi)  sitzen  zum  Lesen. 

L»  stellt  zuerst  ein  Paradigma  des  Verbums  Seyn  auf ; 
es  sind  folgende  Formen. 

Präsens.  Sing.  1.  *  asit  uty  2.  ni  asit  us,  3.  od  asit  e, 

—  PI.  1.  nanasitun,  2.num  asit  ure^  Z.  ddfkasit  ur. 
Da  asit  ein  bedeutet,  ist  dieses  ein  Beispiel  des  angehäng- 
ten Verburas  Seyn:  ich  bin  allein  u.  s.  w.  Ich  lasse  bei 
den  folgenden  Beispielen  die  Personalpronomen  weg.  Das 
selbständige  Präsens:  ich  bin  u.  s.  w.  lautet: 


Präs.    Sing. 

1.  aret 

PI. 

1.  aren 

2.  ares 

2.  areri 

3.  are 

3.  arer 

Imperfect.  ir)  Sing. 

1.  asut 

PI. 

1.  asun 

2.  asus 

2.  asure 

3.  asak 

3.  asur 

Conjunctiv.     Sing. 

1.  tnasut 

PI. 

1.  tnasun 

2.  masus 

2*  masude  (d'e  =  re.^ 

# 

3.  masuk 

3.  masur,  ich  möchte 
seyn,   u.  s.  w. 

1)  Ich  nenne  dieses  Imperfect  das  zweite,  weil  ich  später  ein  erstes 
nachweisen  werde.  L.  nennt  masasut,  l  was  being,  zweites 
Imperfect,  masunut^  J  had  beeil,  dagegen  Perfect.  Es  sind 
beide   Couipositiouea  mit  Purticipien  und  jedenfalls  das  erste  mehr 


379 


Perfecta  I.  Sing.  1.  masas  »^  PL  1.  meuas  un 

2.  masas  us        2.  masas  ure 

3.  masas  3.  masas  ü 
Perfect  II.  Sing.  1.  masttn  ut  PI.  1.  masun  un 

2.  masun  us        2.  masun  ure 

3.  mas  3.  masun  ü 
Futur.  I.^  Sing.  1.  marev         PI.  1.  maren 

2.  mar  es  2.  mareri 

3.  marek  3.  marer 
Futur.  II.  Sing.  1.  »laro/         PL  1.  maron 

2.  mar  OS  2.  maroJe  Q-re^ 

3.  maroi  3.  maror 
Imper.  Sing.  2.  ni  mar  es    PL  2.  «wm  marere 

3.  orf  mar«  3.  </«/Xr  marer. 

Es  sind  dieses  Formen  der  Future,  ich  werde  später 
noch  andere  Formen  des  Imperativs  nachweisen. 

Das  zweite  Beispiel  bei  L.  harrafing  ijiarraffing,  bei 
M.  arßng),  fragen,  stimmt  nicht  ganz  mit  dem  ersten,  L. 
verändert  zum  Theil  die  Benennungen,  wie  ich  bei  jedem 
Falle  angeben  werde.  Zur  leichlern  Uebersicht  stelle  ich 
die  vorhergehenden  her. 

Praes.  Sing.  1.  harraffiva     PL  1.  harrafon 

2.  harraff^isa  2.  harrafore 

3.  harraffik.  3.  harrafor. 

Der  Pluralis  hat  hier  die  Formen  des  Futur  II..  dessen 
Singularis  in  der  That  als  harrafol  u.  s.  w.  nachher  ange- 
geben wird.  Harraßna  steht  als  1.  pl.  eines  andern  Futurums; 


ein  Perfectum,  als  Iniperfectum,  das  zweite  ein  Plusquamperfect. 
Da  der  Gebraucli  in  der  Bedeutung  öfters  schwankt,  habe  ich  sie 
ihrer  Verwandtschaft  wegen  Perfect  I  und  II.  bezeichnet. 
1)  L.  nennt  dieses  Futurum  das  der  Gegenwart,  ich  werde  jetzt 
seyn;  das  zweite  literal,  I  will  hereafter  be.  Der  Gebrauch  be- 
stätigt dieses,  da  die  erste  Form  und  eine  nahe  verwandte  auch 
die  Gegenwart  bezeichnen. 


2.  harraßre,    3.  harrafir   finden  sich   nicht.     Eji   ist  bei  L. 
hier  gewiss  eine  unrichtige  Darstellung.     Da  ein   Futur  I. 
harrafeva   u.  s.  w.    nicht   aufgeführt   wird,    darf  harrafiva 
als  solches  gelten. 
Imperf.  I.  0  Sing.  1.  harraffeta        PI.  1.  harraffena 

2.  harraffesa  2.  harrafere 

3.  harraffek  3.  harrafera  (^~fer) 
Conjunct.  Sing.   1.  harrafut          PI»  1,  harrafuna 

2.  harrafus  2.  harrafiide  (-re) 

3.  harrafuk  3.  harr  a für 
Per  f.  I.^)  Sing.  1.  harrafesas  ut  PI.  1.  harrafesas  un 

2.  harrafesas  us       2.  harrafesas  ure 

3.  harrafesas  3.  harrafesas  ü 
/»er/.  II.  3)  Sing.   1.  harra/fen  ut   PI.  1.  harraffen  un 

2.  harraffen  us         2.  harraffen  ure 

3.  harraffen  e  3.  harraffen  ur 
Futur.  1.*)  Sing.   !♦  harrafiv          PI.  1.  harraäna 

2.  harrafos  2.  harrafere 

3.  harrafoi  3.  harrufemire 

Es  sind  hier  offenbar  Vermischungen.  3.  PI.  gehört 
nicht  hieher,  2.  3.  Sing,  kommen  gleichlautend  bei  Fut.  II. 
wieder,  der  hieher  gehörige  Singular  stand  oben  bei  Prä- 
sens. Da  Fut.  I.  wohl  nicht  ursprünglich  vom  Präsens  ver- 
schieden ist,  werden  alle  Personen  i  und  vielleicht  e  (wie 
2.  PI.)  vor  den  Endungen  haben. 
Fut.  11.^)  Sing.  1.  harrafot         PL  1.  harrafenun 

2.  harrafos  2.  harrafonure 

(j-fenure) 

3.  harrafoi  3.  harrafenn 


1)  Bei  L.  Imperf.  II.  I  w<w  asking.  j 

2)  L.  Per^.  /  had  asked. 
8)  L.  Imperf.  I  asked. 

4)  L.  zusanuneugeseUtus  Futurum,  /  shall  have  asked.    Diese  Be- 
schreibung Icöonte  nur  aut  ü.  PI.  luigeweiidet  werden. 

5)  L,  Futurum,  /  will  ask. 


381 

Es  ist  klar,  dass  auch  hier  Verwechselung  ist.  Der 
Pluralis  gehört  dem  Perf.  II.,  der  hieher  gehörige  steht 
>ben  bei  dem  Präsens. 

Imperat.  Sing.  2.  harraf  PI.  2.  harrafho 

7a\xt  Erläuterung  dieser  Formen  habe  ich  folgendes  za 
erwähnen. 

Die  Formen  des  Verbiiras  seyn  werden  in  Br.,  wie  in 
lianchen  andern  Sprachen^  aus  mehr  als  einer  A\'urzel  ge- 
»ildet,  wir  müssen  hier  ar  oder  as,  mar  oder  mas  anneh- 
nen  ^),  Die  gewöhnliche  Bedeutung  des  letzten  ist  trerJen, 
lie  ursprüngliche  rauss  gehen  gewesen  seyn,  weil  diese 
loch  deutlich  hervortritt^  wie  in  mär  peshan  mas,  der  Sohn 
png  heraus^  II,  2.  Der  Wechsel  von  r  und  *  kehrt  in  *«r 
and  bas,  kommen,  wieder. 

Das  eigentliche  Verbum  Seyn:  ar  und  <fc  scheint  aber 
luch  nicht  das  ursprüngliche  gewesen  zu  seyn,  sondern 
iieses  ist  das  Uj  welches  durch  viele  Beispiele  gesichert 
vird;  die  3te  P.  Sing,  nimmt  ein  e  an,  wahrscheinlich  ein 
mderes  Thema;  für  u  wird  oft  o  geschrieben,  i  nd  hamroty 
ch  bin  dein  Gefahrte,  II,  3.  aus  hamrä  ot\  für  päre  ho, 
\,  16.  er  sprach,  ich  bins,  muss  ot  QhoO  gelesen  werden; 
landnnos  i  ut,  wie  ich  bin,  G.  541.  Kdzi  säheb  us,  bist 
lu  der  Herr  Kadi?  II,  16.  ni  der  us,  wer  bist  du,  G.  540. 
ti  (m)  ani  khomase  us,  aus  welch  einem  Geschlecht  bist 
lu,  G.  547.  tlurä  khairafi  hiis,,  bist  du  im  Wohlseyn?  G. 
•47.  da  shaharnu  pin  der  e,  welcher  Name  ist  dieser 
itadt,  G.  und  oft.    Ob  i  für  ist  zu  nehmen  ist  in  Beispie- 


1)  Ich  habe  ft-üher  geglaubt,  Ztschft.  IV,  4.59,  die  Wurzeln  ar  und 
mar  auf  eine  zurückführen  zu  können;  diese  Vermuthung  muss 
ich  jetzt  zurücknehmen.  Erstens  kommt  mar  mit  concreter  Be- 
deutung vor,    ist  eine  selbständige  Wurzel  und  nicht  verschieden 

I  von  mas.  Zweitens  komuit  m  gar  nicht  vor  bei  der  Bildung  des 
Futurums  der  übrigen  Verba.  Es  darf  daher  auch  keine  Ver- 
wandtschuft zwischen  dem  Br.  mar  und  dem  Präfix  ma  des  Fu- 
turums in  Baiuki  gesucht  werden.  * 


382 

len  wie  ainu  basunx,  heute  ist  tfs  heiss?  oder  das  prono- 
minale Affix,  ist  mir  unklar.  Niim  derr  ure,  wer  seyd  ihr? 
G.  540.  Die  dritte  Pers.  PI.  wird  gewöhnlich  zu  ii  ver- 
stümmelt^ ein  Fall,  der  auch  in  den  analogen  Formen  sehr 
häufig  ist.  Ghalaghku  {-ghäk)  pnskunn,  die  Körner  sind 
frisch,  nä  duk  hanenn,  deine  Hände  sind  süss. 

Das  e,   welches  hier  allein  steht,   bildet  alle  Personen 
des  Präsens  nret,  u.  s.  w.    Ich  bezweifele  nicht,  dass  diese 
Formen  so  zu  erklären  sind,  dass  das  eigeiitliche  Substan- 
tive   Verbum   et,   es,   e,    en ,    eri,  er,    einer   ursprünglich 
concreten    Wurzel    ar  angehängt   ist,    welche   die   Bedeu- 
tung   seyn    erhalten    hat;    die   Form    bedeutet  eigentlich: 
ich  hin  %u  seyn  u.  s.  vv.      Man    kann    in    et  u.  s.  w.  nicht 
Pronoraina  suchen,  weil  diese  verschieden  sind;  höchstens 
1.  PI.  en    lässl  sich  mit  nan  in  Beziehung  denken.    Ut^  us 
u.   s.   w.    der  Form  as  angehängt,   bilden    das    Iraperfect; 
der  Begriff  der  Vergangenheit  scheint  hier  in  as  liegen  zu 
müssen.     Das   e  der  dritten  P,  Sing,  wird  hier  durch   ak 
eines  Themas  auf  a  ersetzt.     Mit  der  Wurzel   mar   ver- 
bunden bilden  beide  Formen  des  Verbums  seyn :  et  und  o/, 
welches  nur  eine  Variante  für  ut  ist,   die  zwei  Future;  ia 
der  ersten  Person  Sing,  steht  hier  ev,  nicht  et,  in  der  drit- 
ten ek.     Die  Bedeutung  ist  also:    ich   bin   zu  werden.     3Iit 
mas  bildet  ut,  us  u.  s.  w.   den    Conjunctiv,    hier  erscheint 
3.  Sing,  nk,  also  die  bei  ut  zu  erwartende  Form.   Masastä 
und  masunut  enthalten  wieder  ut  und  zwei  Participialfor» 
men,   die  eine  auf  us,   die  zweite  auf  un  von  mas.     Diess 
Formen  lauten  auch  es  und  en  *). 

Es  ist  wahrscheinlich,  dass  eine  vollständigere  Kennt- 
niss  noch  eine  andere  Form  des  Präsens  «S^^w  bieten  würde; 
es  kommt  wenigstens  ase  öfters  für  ist  vor:  Mekurknk 
khisun  ase,  das  Gold  ist  aus  Alekran,  G.  Statt  asak  findet 


1)  M.  hat  päretni,  er  sprach;    eine   sonst   nicht  erscheinende   Font 
And  wahrscheinlich  falsch  für  pareni. 


383 

sich  asj  wie  3Iulla  Mansnre  mär  asy  dem  M.  M.  war  ein 
Sohn,  II,  19.  Ob  asas  richtig  sey,  mit  welchem  Worte 
die  zweite  Erzählung  angefangen  wird,  asas  aragh  as,  es 
war  ein  Mann,  weiss  ich  nicht.  Da  asak  sicher  steht, 
wie  II,  4.  mag  es  leicht  ein  Druckfehler  seyn;  es  wäre 
sonst  eine  Form  wie  masas  oder  3.  S.  Perf.  I.  Die  zweite 
Participialform  auf  en  findet  sich  von  ar  in  diesem  Satze: 
dandangk  ernttt  Cgcdr.  dan  danga.ernut),  ich  bin  müde  ge- 
worden, G.  547.  Das  Wort  müde  ist  dandangti  und  ernut 
=  arenut,  ich  bin  gewesen  ^). 

Sehen  wir  ab  von  den,  den  Consonanten  der  Personen- 
endungeu  vorhergehenden  Vocalen.  die  u,  o  und  e,  in  we- 
nigen Fällen  «,  nur  in  einem  a  (^asak}  lauten,  sind  die  re- 
gelmässigen Personenbezeichnungen  die  folgenden :  Sing.  1, 
tj  ta,  seltener  r,  ta.  2.  *,  sa.  3.  Ar,  welches  jedoch  oft  abfällt. 
PI.  1.  n  (auch  n  geschrieben^,  na.  2.  re^  ri  {de  ist  nur 
falsche  Orthographie,  3  =  ^)^  3.  r,  selten  re,  dagegen  fehlt 
meist  das  e,  ja  sogar  auch  das  r.  Diese  Consonanten  ent- 
sprechen, wie  schon  bemerkt,  nicht  den  Stämmen  der 
Pronomina. 

Die  in  den  Sprachproben  am  häufigsten  vorkommenden 
Worte  sind  wjaÄ=ffjar,  werden^  und  kanning  {für  karning^, 
thuu.  Eine  Menge  Zusammensetzungen  dieser  Verba  mit 
Substantiven,  Adjectiven  und  Adverbien  ersetzen  einfache 
Wurzeln ,  welche  das  Br.  nie  hatte  oder  verloren  hat 
Es  mögen  von  beiden  hier  Beispiele  folgen ,  um  das  auf- 
gestellte Schema  zu  bestätigen.  /  Haidrabädti  (L.  /e)  ird 
\tü  masunut,  ich  bin  zwei  Monathe  in  H.  gewesen.     Sehr 


1)  Dagegen  ist  arete,  6.  548.  wohl  nur  Fehler:  ilum,  eta  khudä, 
chou  oe  (1.  od)  arete,  gwänosit  (I.  asit),  L:  Bruder,  6<itt  weiss 
das,  aber  es  ist  gut,  als  Antwort  auf  die  Frage,  woher  ist  das 
Gold,  Eta  bedeutet  sonst;  gab.  Es  wird  zu  trennen  seyn:  chou 
od  are,  te  (ta)  g'wän  asit,  Gott  gab's,  wie  (P'_^^)  das  ist,  es 
(ist)  einzig  gut. 


384 

häufig  ist  mas,  welches  aus  masas  oder  mastm,  geworden, 
verkürzt  und  ohne  Hülfsverbum  die  dritte  Person  vertritt. 
Ode  muras  mas,  11^  1.  ihm  ward  ein  Sohn,  huwat  bewäa 
mos,  ihr  Vater  ward  erstaunt  (P.  (_y.^),  II,  4.  zargar  bash  mos, 
der  Goldschmidt  wachte  auf,  1,  4.  Mathusalem  hasht  sdl 
zindmas,  M.  lebte  800  Jahre.  Das  diese  Erklärung  von 
ma9  richtig  ist,  ergiebt  sich  daraus,  dass  die  nicht  von  L. 
aufgeführte  Form  mastine,  masuni,  häufig  vorkommt,  d.  h. 
das  Participium  masun  mit  dem  Hülfsverbum  e  und  dem 
zweifelhaften  i.  Ba%  masiinl,  (die  Summe)  ist  gross  ge- 
worden, ist  gross;  därjäv  kharub  tnasune ,  —  —  machit 
masune,  der  FIuss  ist  verdorben  (Ar.  uj^^)^  er  ist  klein 
geworden.  Die  Bedeutung  des  i  als  ein  Delerrainativ-AfBx 
scheint  durch  dieses  Beispiel  erhärtet  zu  werden :  buz  sula 
marek  paidä  masum.  Duäzdä  sklnai  patdä  masuni ,  sie 
wird  viele  Jahre  gebohren  (P,  ?Jujj)  gewesen  seyn;  seit 
zwölf  Jahren  ist  sie  gebohren.  Im  ersten  Satze  kann  » 
nicht  für  ist  stehen,  da  marek  vorhergeht. 

Die  dritte  P.  Plur.  masunn  (für  masun  -ur^  habe  ich 
nicht  gefunden,  dagegen  ist  masn  sehr  häufig  und  eine 
weitere  Zusaramenziehung.  Rai  tnasu ,  sie  gingen  den 
Weg,  sie  reisten  (P.  ^]^  neben  u^j,  Weg),  II,  5.  kul 
peshkn  masu,  alle  gingen  heraus,  II,  18.  kul  hairkn  mqsxL, 
alle  wurden  erstaunt,  I,   10. 

Masut  wird  in  den  Beispielen  als  Präteritum  über- 
setzt, doch  mag  es  auch,  wie  in  dem  Paradigma  angege- 
ben wird,  als  Optativ  stehen.  Düsü  Brahui  masut,  (ich 
habe  die  Brahuiki  Sprache  gelernt),  jetzt  bin  ich  ein  Bra- 
hui geworden,  G.  549.  hulija.  swär  masut,  damdaftrat, 
ich  bin  zu  Pferde  reitend  gewesen,  ich  habe  ausgeruht. 

Von  den  beiden  Formen  des  Futurums  vertritt  die  eine 
zugleich  den  Imperativ,  wie  oben  angegeben  ist.  Da  shä^ 
hartx  g  waho  gudh  paidk  maroi,  wird  iu  der  Stadt  gutes 
Tuch   hervorgebracht    werden  ^    G.  549.  ud   näk  diik  g  od 


385  • 

maror,  deine  Füsse  (und)  Hände  werden  heil  seyn,  ebend. 
Marev  gort,  ich  will  herum  wandelu,  549.  gharibktk  ofk  khtuh 
murer,  jene  Armen  werden  froh  seyn;  bäz  »dl  zind  mo- 
res, sey  lebend  viele  Jahre,  G.  549.  Mare  ist  gewöhnlich 
für  3.  P.  Imper.  zaif  päre,  mubkrak  (^ArSib.J  mare,  die  Frau 
sagte,  er  sey  glücklich.  Die  zweite  Person  Sing,  kann  zu 
mar  verkürzt  werden,  httlijkn  shef  mar,  korara  herunter 
vom  Pferde,  G.  548.  ja  zu  ma,  wenn  dieses  richtig  ist, 
pesha  (sonst  peshän  aus  P.",jiuu,  pesh},  komm  heraus, 
U,  24. 

Eine  häu6ge  Form  der  2.  P.  Sing.  Imper.  ist  marak, 
bei  den  meisten  andern  V'erben  schreibt  L. :  akh.  Khktia- 
tckda  marak,  sey  von  guter  Familie,  oder  geh  C^^  ist  vom 
Heirathen  die  Rede)  in  eine  gute  Familie  {y^\yiJ>y  khii~ 
nitwkdah,  P.  hat  beide  Bedeutungen)  II,  4.  bash  marak, 
stehe  auf,  II,   16. 

Von  kanning  führe  ich  folgende  Beispiele  an.  Karenut, 
II,  7.  8.  9.  10.,  ich  habe  gethan,  soudk  karenut,  ich  habe 
verkauft,  G.  547.  kartnus.  G.  549.  (wohl  karenu»,  wie  zwei- 
mal 547.).  Die  3.  P.  S.  ist  karene,  l,  7.  G.  549.  g'od  ka- 
rene,  verfertigte,  G.  548. 

Die  eine  Form  des  Particips  von  kar  hat  also  die 
Form  en  statt  m«;  ebenso  entspricht  dem  masas  von  kar 
die  Form  kares;  als  3.  P.  Sing.  Perf.  nimmt  sie  noch  as  an, 
wohl  das  angeführte  as,  denn  diese  Participia  können  auch 
andere  Formen  des  HQlfsverbums  anfägen,  als  die  im  Schema 
aufgeführten.  Kizinä.  hUe  Mulla  Mansür  tenä  anca/£Qo 
karesas,  die  Erzählung  vom  Kadi  hatte  M.  M.  bei  seiner 
Frau  gemacht,  ihr  gemacht.  Diese  Erklärung  steht  fest 
durch  die  Conjugation  von  benning  (bei  M.),  hören,  welches 
bei  L.  bing  lautet;  sein  Particip  ist  bingas.  Bingasutj  ich 
.habe  gehört,  G.  549.  bingas,  er  hörte,  II,  7.  PI.  bhigasü, 
II,  5.  aber  auch  bingasas,  er  hat  gehört,  II,  8.  9. 

Aus  der  Form  karek  für  3.  Sing.  Fut.,  wie  I,  10.,  fol- 
V.  25 


386 

gen  kareo  und  kares  für  1.  und  2.  Es  finden  sich  statt 
ihrer  nur  kev  und  kes ,  also  zusammengezogen.  Kkreme 
kev,  ich  will  die  That  thun,  G.  549.  Kes  steht  oft  im  Sinne 
des  Imperativs,  II,  6.  20.  ob  ke,  wie  II,  13.,  dafür  eintritt, 
weiss  ich  nicht;  ke  für  karek,  I,  8.  ist  gewiss  ein  Fehler 
des  Drucks  Eine  Verkürzung  der  3.  Sing,  kek  steht  bei  L. 
539.  im  Plur.  ker,  mit  Präsens-Bedeutung.  S.  oben  S.  355. 
Die  zweite  Sing.  Imper.  lautet  ausserdem  karak,  saht  ka- 
raky  thue  Geduld,  II,  14.  hosh  karak,  thue  Verstand,  II,  4. 
Es  findet  sich  daraus  verkürzt  kar  in  htiltd  chist  kar^  G.  547. 
steige  zu  Pferde.  Die  zweite  des  Plur.  Imper.  erscheint 
in  der  Form  mit  bo,  von  der  später  zu  handeln  ist ;  nabiaht 
CPers.  nuvisht)  kabo,  schreibet,  G.  548.  Vom  Fut.  II.  habe 
ich  nur  karoi,  G.  549.  wird  thun,  gefunden  *). 

Ihrer  Bildung  nach  entsprechen  die  Formen  3.  Sing. 
karek,  kure,  3.  PL  karer,  1.  Sing,  karet  den  Präsensfor- 
men von  «r,  ihre  Bedeutung  ist  aber  stets  die  eines  Im- 
pcrfects.  Man  könnte  diese  von  den  meisten  Verben  vor- 
kommende Form  zwar  in  einigen  Fällen  als  Präsens  auf- 
fassen, in  den  meisten  ist  aber  die  Bedeutung  des  Imperfects 
sicher.  Däftä  barume  kare^  er  machte  ihre  Heirath,  II,  4. 
II,  1.  u.  s.  w.  ne  salkm  iiarek,  sie  machte  dir  einen  Gruss, 
II,  20.  kabre  taijkr  karer,  sie  machten  ein  Grab  fertig 
(Pers.  Lö^  tajjär,  fertig,  und  P.  jji',  Grab,  Ar.  -*ä);  kulf 
karer ,  sie  machten  geschlossen  (entstellt  aus  Ar.  JJü», 
kufl,  Hiegel),  II,  22.  Karera,  in  kul  tcnk  id'  karera,  sie 
machten  sie  alle  zu  ihrer  Schwester,  II,  18.  wird  wohl  karer 
zu  lesen  seyn.  Die  1.  Sing,  karet,  ich  machte,  steht,  l,  11* 
Ich  will  daher  diese  Form  Impcrfect  I.  nennen,  um  ihr 
nicht  einen  ganz  unpassenden  Namen  zu  geben  und  weil 
auch  schon  die  entsprechende  Form  haraffela  als  Imperfect 


1)  I,  7.  steht  zwei  Mal  kanou  in  der  Bedeutung:  ich  machte,  das 
dritte  Mal  gleich  darauf  karenut,  die  erste  Form  ist  ganz  uner- 
hört und  kann  nur  IJruckfebler  seyn. 


387 

Vorkam.  M.  der  mir  von  päning  einige  Biegungen  auf- 
führt, schreibt  pHret ,  1.  Sing,  und  pärt^  I ,  he  did  speak. 
Die  Formen,  welche  aus  der  Wurzel  mit  Zusatz  von  et, 
u.  s.  w.  entstehen,  gehören  also  sowohl  dem  Imperf.  I. 
als  dem  Futur  I.  und  stehen  auch  in  einzelnen  Fällen  für 
Präsens;  nur  1.  Sing,  ist  verschieden,  da  sie  et  oder  ev 
lautet.  Es  ist  also  eine  Form  ziemlich  unbestimmter  Be- 
deutung. Kamt  u.  s.  w.  oder  Imperf.  11.  kommt  nicht  vor, 
diese  Form  ist  überhaupt  seltener. 

Bas,  kommen^   auch  gehen,    zeigt  denselben  Wechsel 
wie  mos,  es  wird  in   den  analogen   Fällen  bar;    M.   giebt 
den  Infinitiv  banning.     Basune,  ist  gekommen,  I,  15.  Plur. 
bastinti   (von   L.   irrig   übersetzt  mit  is) ,    es   hat    hier   den 
Sinn  von  sind  geworden,  G.  549.    Häutig  erscheint  Imperf. 
II.;  die  3.   PI.  ist  basu,  II,   5.  u.  s.  w.  vollständiger  basur, 
II,  23.     Ebenso  2.  Sing,  basus.     Die   öfters   vorkommende 
Form  bas,  er  kam^   würde  nach  dem  Paradigma  3.  S.  von 
basunut  seyu;  sollte  sie  aber  nicht  besser  zu   basu/,  basus, 
basü  gezogen  werden?    sie   wird   ganz   mit  derselben  Be- 
deutung gesetzt.    Fut.  I.  1.  Sing,  barec,  2.  bares,  II,  7.  20. 
3.  barek,  mit  der  Bedeutung :  er  kommt  eben  an,  I,  9.     In 
pädshä  bare  kai  II,   12.  der  Fürst  wird  gehen,   muss  auch 
barek  stehen^  da  kai  keinen  Sinn  an  der  Stelle  haben  ka^; 
ai  hat  hier  freilich   auch   keinen.     Sonst   steht   auch  bare 
statt  barek,  z.  B.  I,  8.  musalman  as  bare,   ein  Muselmann 
wird  kommen. 

Die  2.    Sing.  Imperat.   lautet  barak,   II,    6.  auch  bar, 

II,  3.   Die  Formen  bariva,  barisa  würden  dem  Präsens  kar- 

raffiva,    harraffisa  bei   L.    gehören;     die  Beispiele  p.  5i7. 

barica  ee  tune  (ß.  h.  i  neto),    barisa  ki  kän,    übersetzt    er 

aber  selbst :  /  will  go  wilh  you,  are  you  going  or  how  (die- 

,  ses  ist  aber  ungenau,  es  heisst:  willst  du  gehen?  was,  ge- 

I  hen  wir?),  wie  sie  in  der  That  der  Form  nach  dem  Futu- 

'  rum  gehören. 

Diese  drei   Zeitwörter   sind  am  vollständigsten  in  den 


3S8 

Sprachproben  belegt;  es  wäre  zwecklos,  die  übrigen  alle 
mit  derselben  Vollständigkeit  zu  verfolgen.  Ich  will  daher 
nur  noch  solches  hervorheben,  welches  zur  vollständigeren 
Kenntniss  führen  kann^  und  einige  noch  nicht  besprochene 
Formen  behandeln. 

Eine  nur  in  einem  Beispiele  bisher  entdeckte  Form 
des  Präteritums  ist  diese:  ne  khudä  hatare ,  II,  11.  Gott 
brachte  dich,  nachher  irrig  hatre-,  M.  hat  atning,  bringen, 
und  li.  hatbo ,  bringet.  Es  kann  dieses  nur  eine  Zusam- 
mensetzung der  Wurzel  mit  dem  Präsens  are  seyn. 

Zusammeuziehungen,  wie  sie  bei  kar  vorkommen, 
kehren  in  analogen  Fällen  bei  den  übrigen  Zeitwörtern  wie- 
der. Danning^  tragen,  bringen,  im  Imperf.  I.  3.  S.  darey 
3u  PI.  darer  j  Praet.  I.  3.  Sing,  darene,  3.  PI.  darenüj  I, 
11.  12.,  hat  im  Fut.  1.  dev  und  deva,  1.  Sing.  G.  549.  II,  14. 
Fut.  II.  Sing.  2.  daros,  II,  14.  Päning,  sprechen,  pdre,  er 
sprach,  PI.  purer,  hat  2.  Sing,  pds  A\is\pures,  und  steht  als 
Präsens,  G.  549.  II,  2.  Pdron,  II,  15.  wir  werden  sagen, 
Fut  II. 

Unerklärliche  Wechsel  zeigt  die  Wurzel  tenning  (31.) 
geben.  This,  er  gab,  11^  7.  9.  15.  22.  tis,  II,  11.,  PI.  thisii, 
II,  17.  tisü,  \,  12.  Das  Futurum  lautet  tev,  II,  17.  Dem 
Imperativ  liegt  ein  Thema  et  oder  jet  zu  Grunde  und  eta, 
II,*  18.  scheint:  ich  gab  zu  bedeuten.  Man  könnte  bei  this 
eine  Vcrslümmcluug  des  Parlicips  auf  as  annehmen, 
wir  werden  aber  bei  tuling,  sitzen,  ein  ähnliches  s  ßndeu, 
welches  nicht  aus  as  entstanden  seyn  kann.  Hes,  et 
brachte,  I,  9.  II,  11.  14.  18.,  hesur  PI.  1,  12.  ist  Imp.  U, 
und  hat  ein  ursprüngliches  s,  wie  aus  hesunut,  I,  11.  he- 
sunt,  II,  23.  erhellt.  In  der  letzten  Stelle  könnte  es  pas- 
sivisch zu  seyn  scheinen,  ihre  Leiche  ist  gebracht  worden. 

Einige  Zeitwörter  haben  den  langen  Vocal  ä  vor  den 
Endconsonanten  der  Endungen  des  Iraperfccts  und  in  den 
Participien  auf  an  und  as.  Khuching,  schlafen,  (^khaching 
M,)  khächä,  er  schlief,  PI.  khächür,  II,  11.  18.  22.  Hinäk, 


389 

ging  fort,  I,  10.  11.  hinär,  II,  3.  18.  u.  S.  w.  hindne,  v6\ 
gegangen,  I,  9.  II;,  23.,  während  die  2.  Sing.  Imper.  kurze« 
a  hat,  hinak,  hina^  G.  548.  Khwdjä,  er  verlangte,  PI.  khwa~ 
jdr ,  II,  23.  24.  Von  tamitig ,  fallen,  daher  eintreffen 
und  auf  etwas  verfallen,  beginnen:  shdm  tamd,  (P. ^Li)^ 
Abend  traf  ein,  I,  2.  u.  8.  w.  de  tamd,  Tag  traf  ein,  II,  4- 
tamä  pitingati,  sie  begann  zu  jammern,  II,  23.  Hamode 
bundas  tamdsas ,  daselbst  fand  sich  ein  Holzstoss,  I,  3 
gudd  zaife  sah  tamdne,  darauf  ist  der  Frau  Leben  zuge- 
fallen. Khand,  er  sah,  VI  khandr,  W,  3.24.  I,  10.  i:bcnso 
khandnut,  G.o48.  wogegen  khanat,  G.  54t.  gewiss  nur  Feh- 
ler ist;  I,  11.  steht  khandt,  ich  sah;  aber  khanoi,  wird  sehen, 
G.  549.  khanisa,  du  siehst,  mit  Präsens- Bedeutung,  II,  16. 
Solcher  Bildungen  mit  langem  d  sind  noch  andere;  mit  » 
finde  ich  sali,  stehe,  salis,  blieb  stehen,  I,  9.  M.  gicbt  sel- 
ting,  stehen.  KhuUbo,  furchtet,  L,  khulisoy  du  wirst  fürch- 
ten, G.  548.  und  sonst  noch  einige.  Die  Infinitive  zeigen 
in  keiner  dieser  Wortklassen  eine  Verschiedenheit.  In 
khulisa  steht  f,  wie  oben  in  barica,  barisa. 

Imperativ.  Die  zweite  P.  des  S.  hat  uns  schon  oben 
die  Form  ak  dargeboten;  so  wird  in  den  Sprachproben 
meistens  geschrieben;  in  seinem  Verzeichnisse  von  Zeit- 
wörtern setzt  L.  Mufiger  ArA.  Kunakh,  iss^  pirakh,  brich, 
sikhukh ,  behalte,  Wahrscheinlich  tikhakh,  da.  tikhd,  Fl,  13, 
hielt  bedeutet  und  L,  539.  tikhakh  selbst  giebt,  nebst  tikhy 
die  verkürzte  Form  ohne  ak.  Da  das  k  sonst  Zeichen  der 
dritten  P.  Singuiaris  ist,  erscheint  diese  Bildung  autfallend. 
Das  kh  scheint  abgefallen  in  jakha,  huste.  Ka  sieht  iu 
phiirka,  fülle,  pur-av  heisst  voll;  dann  in  halmaka,  fliehe, 
iiachher  halmak ,  laufe  (dieses  ist  vielleicht  Zusammen- 
setzung mit  ka,  mache  voll,  Lauf).  Wo  das  nackte  Thema 
steht,  wie  kar^  ist  wahrscheinlich  jenes  ak  abgefallen;  ja 
es  scheint  sogar  noch  das  Thema  selbst  verkürzt  werden 
zu  können,  ka  und  ma  kommen  öfters  für  kar  und  mar  vor. 
iWeiter  harf^  hin,  nimm,  geh  fort(L.  take  uway),  mugh,  näfhe. 


390 

u.  B.  w.  Oder  a  bleibt,  shola,  giesse  aus,  hina,  geh,  mala, 
mach  los,  und  u,  wie  tamd  (h.tammd),  falle,  wenn  richtig 
geschrieben  ist.  Die  Paar  Beispiele^  in  denen  e  Endung 
ist,  ffand  kashe,  rieche  (eig.  ziehe  Geruch),  G.  549.  g'hale^ 
fange,  ebend.  scheinen  das  e  zu  viel  zu  haben,  da  keine 
Form  ek  für  diese  Person  vorkommt.  Auch  die  Endung 
i  weiss  ich  nicht  wo  hinzustellen :  hify,  lerne,  L.  giri  nety^ 
binde,  und  namentlich  ety,  jetiy  L.  546.  G.  547.  549.  \,  6. 
jete,  II,  4. 

Wenn  z.  B.  kes  als  Imperativ  steht,  so  ist  dieses  nur 
die  Verwendung  der  2.  Sing.  Fut.  I.  als  eine  mildere  Form 
des  Befehls.  Häußg  kommt  auf  diese  Weise  kän,  gehen 
wir,  vor^  I,  8.  II,  3.  5.  u.  s.  w.  Die  dazu  gehörige  1.  Sing, 
ist  kdv,  G.  547.  549.  II,  14,  kkwa,  G.  547.  Die  2.  S.  kds,  du 
wirst  kommen,  steht  II,  7?  im  Sinne  von  mögest  kommen. 
I,  2.  hcisst  kkchina,  schlafen  wir,  also  die  Form  des  Fu- 
turums mit  i,  ebenso  kkchin,  II,  13.  92.  In  kdv  u.  s.  w. 
scheinen  die  Vocale  des  Futurums,  e  oder  o,  von  dem  lan- 
gen Wurzelvocale  verschlungen  zu  seyn.  Die  3.  PI.  der 
Futur-Bildung :  ir,  habe  ich  nur  ein  einziges  Mal  angemerkt 
in:  da  tätdk  irä  tu  kngud  bisir,  G.  549.  diese  Maulbeeren 
werden  in  zwei  Monathen  reif  seyn.  Es  scheint  aus  hasir 
durch  die  Einwirkung  des  folgenden  i  entstanden  zu  seyn. 
Dagegen  sind  noch  zw-ei  Bildungen,  w^he  dem  Imperativ 
eigcnthümlich  sind,  tak  und  bo. 

Tak  kommt  in  zwei  Wörtern  vor.  Von  halling,  er- 
greifen, M.,  ist  das  Futurum  halev  j  G.  545.  549.  Aalkutti, 
hat  ergriffen,  G,  548.  hallky  ergriff,  II,  24.  halko,  nahmen» 
lieber  das  k  später.  Halllak^  nimm,  G.  548.  II,  15.  Bei 
Ij.  im  Verbalverzcichnisse  erscheinen  drei  Wörter:  bu% 
halbOf  küsset  (nehmet  Kuss),  halbo,  bringet,  und  nachhei' 
kaufet;  es  ist  stets  das  obige  Wort  und  die  zweite  Form, 
des  Imperativs. 

Tuling  oder  tulling  (bei  M.  tuling),  sitzen,  gehört  zu 
4en  Wörtern,  weiche  das  noch  dunkle  s  annehmen ;  /üsan4. 


391 

vr&ti,  ist  im  Hause  gesessen,  II,  13.  (einmal  gedruckt 
tHsne);  fiisasuf,  i^|^6as8;  I,  11.  his,  er  sass,  II,  11.  12. 
u.  s.  w.  fusur,  PI.  T7  2-5  tlagegen  tullifer ,  setzten,  II,  19. 
AI?  Imperativ  kommt  vor  fulltak,  setze  dich,  II,  14.  I.  2., 
bei  L.  im  V'erzeichniss  unrichtig  tidlak;  denn  die  Abkür- 
zung tullt,  steht  II,  12. 

Es  lässt  sich  vermuthen,  dass  tak  der  Imperativ  eines 
Hülfs\'erbums  sey;  welches,  ist  nicht  zu  ermitteln,  da  kein 
Zeitwort  bis  jetzt  zum  Vorschein  gekommen,  von  dem  es 
herstammen  könnte.  I,  3.  kommt  vor  tngh  hallt,  er  greift 
vor  sich  hin,  hier  wäre  also  das  Element  /  auch  ausser 
dem  Imperativ  gebraucht.     Oder  verdruckt  für  hallk  ? 

Bo  steht  bei  L.  als  2.  PI.  Imp.  von  harrafing  und  wie 
harrafbo  haben  in  den  beiden  Erzählungen  alle  Beispiele 
von  dieser  Form  die  Bedeutung  der  Mehrzahl.  Num 
khkchboj  schlafet,  I,  2.  harrabo ,  zerreisset ,  I,  12.  wozu 
harkr  {harrkr^,  zerrissen,  I,  12.  harre  (für  harrek^ ,  er 
wird  zerreissen,  I,  11.  gehören;  eibo ,  gebet,  I,  9.  etaboy 
I,  \%.  jetboy  \,  10.  dabo^  traget,  I,  12.  (also  aus  </ar) ;  pkbo^ 
aus  pkrbo,  redet,  I,  10.  wofür  babo  unrichtig,  I,  9.  tnalabo, 
öffnet,  II,  17.  L.  unterscheidet  in  seinem  \'erzeichniss  und 
seinen  Uebersetzungcn  nicht,  da  er  überall  you  setzt;  die 
Bedeutung  ist  aber  hinreichend  festgestellt.  Ich  entnehme 
aus  seinem  Verzeichnisse  nur  kaboy  machet,  für  karbo,  und 
baah  kabota,  wachet  auf,  wo  das  fa  aber  wahrscheinlich 
falsch  ist,  da  diese  Endung  für  die  2.  Plur.  gar  nicht  vor- 
kommt. Auch  bo  möchte  ein  Hülfsverbum  seyn ,  obwohl 
ich  im  Br.  keine  andere  Spuren  desselben  entdeckt  habe. 

Nicht  einem  einzelnen  Modus,  sondern  der  Bildung  gan- 
zer Zeitwörter  wird  das  f  gehören,  welches  in  dem  oben 
aufgeführten  harrafing  durch  alle  Bildungen  hindurchgeht. 
Tullifer,  (von  tul,  s.  S.  390.)  führt  durch  seine  Bedeutung 
auf  die  eines  Catissativs.  Es  ist  schwer,  aus  so  wenigen 
Beispielen  die  Sache  sicher  zu  stellen^  doch  beslätigen  sie, 
so  weit  si&  reichen.     PülanU  heisst  G.   549.  ich  bin  uass 


392 

geworden,  L.  hat  pklif-ho,  waschet,  also  Zusatz  von  i/zu 
pal.  Lagä  in  masidnu  (masir ,  bei  Mü  ruh  murto  lagu, 
II,  4.  der  Tochter  Geist  entbrannte  zuaem  Knaben^  uIsj 
intransitiv;  L.  hat  lagaf,  zünde  an^  und  I,  2.  steht  khi- 
khare  lagafer,  sie  zündeten  ein  Feuer  an.  Kasif,  L.  lösche 
aus^  ist  wohl  dieselbe  Bildung.  Benifeney  G.  548.  nach  L. 
er  schenkte^  also  Perfect.  von  henif;  \\,  12.  heisst  es  da 
gude  benenas  {\j.  ben  etias,  cover  yourself  with  this  teil)y 
dieses  Kleid  ziehe  an,  oder  wohl  genauer:  sey  dieses  üleid 
angezogen  habend;  also  die  Wurzel  ist  ben.  Das  erste 
Beispiel  lautet  vollständig  so:  ddde  ainu  mir  benifene  kha- 
lat ,  wörtlich:  heute  Hess  der  Emir  ihn  ein  Ehrenkleid  an- 
ziehen. /  tene  kasif eva,  ich  will  mich  selbst  tödten,  11,4. 
kaaifenure,  kasif enn,  (L.  kasafenu),  sie  haben  getödtet,  I, 
10.  11,  M.  h&i  kas fing,  tödten.  Kask  heisst:  er  starb,  kasko, 
sie  starben,  kaskune,  ist  gestorben,  G.  54U.  548.  II,  1.  23. 
K  wird  auch  ein  Bildungselement  seyn  ^)  und  von  kas, 
sterben'*),  ist  kasif,  tödten,  gebildet;  in  kasif,  lösche  aus, 
scheint  die  eigentliche  Bedeutung  enthalten  zu  seyn.  Wahr- 
scheinlich ist  auch  harrafing  selbst  noch  ein  Beispiel  dieser 
Form,  doch  ist  wegen  der  schwankenden  Orthographie 
zweier  im  Laut  und  in  der  Bedeutung  sich  ähnUcher  Wur- 
zeln hier  der  Nachweis  nicht  möglich  ^j 


X)  Ausser  kask  und  dem  oben  an}|;eführten  hallk  bietet  khalk, 
schlug,  khalkiine,  hat  geschlagen,  ein  sulchcs  k  dar,  es  fehlen 
aber  von  diesem  Worte  die  Formen,  in  denen  k  nach  der  Ana- 
logie der  zwei  andern  wegfallen  niuss,  ausser  khatt,  schlage,  G.  546. 
von  khaltak. 

8)  M.  hat  kahing,  sterben,  wahrscheinlich  zu  lesen  kasing. 

8)  Nämlich  M.  hat  arfing,  fragen,  urraf/iiig,  auflesen  In  den 
Sprachproben  heisst  gwälas  harrafi  (1. -A),  II,  14.  sie  nimmt 
einen  Korb,  also  von  harrafing;  dann  harftt,  von  arfing^  ich  lernte, 
eig.  erfragte,  G.  549.  wie  M.  Diesem  widerspricht  harfenut,  ich 
irndtote  (sammeltej,  nach  M.  wäre  dieses  harraffenut^  und  harfer, 
'  sie  nahmen,  II,  «3.  stimmt  wieder  nicht  zu  harrafi.  L.  hat  end- 
lich im  Sinne  von  lernen,  erfragen,  eine  Form  ohne  f.   Hur  kanä 


393 

Die  aufgeführten  Beispiele  scheinen  sicher  genu|a^,  um 
dem  Br.  den  Besitz  eines  caussativen  Verbums  zu  siebern. 
Ganz  sicher  ist  der  einer  negativen  Form  des  Zeilworts. 
Ich  will  jedoch  hier  erst  einiger  ganz  seltenen  und  aus  der 
Analogie  der  übrigen  Conjugation  heraustretenden  Bildun- 
gen erwähnen. 

Folgende  Formen  sind  abweichend :  gidarengk,  ging  vor- 
über, von  der  Zeit,  II,  4.5.  \%rasengk,  er  ist  an«:ekommen,I,9. 
10.  ich  bin  angekommen.  G.  548.  hadsetigk,  drehete  um, 
kehrte  um,  11^  20.  dafür  steht  hadsk,  I,  4.  6.  Man  könnte 
an  eine  Zusammensetzung  mit  einem  Hülfsverbum  seyn^ 
sengk,  woraus  mit  r  statt  *  auch  rengk  geworden,  denken,  weil 
unter  den  wenigen  Beispielen  von  Biegungen  bei  M.  auch 
pure  sakniy  er  möge  gesprochen  haben,  vorkommt.  Nach 
seiner  Orthographie  ist  dieses  für  sakuni ,  worin  vielleicht 
dieselbe  Wurzel  enthalten  seyn  könnte.  Es  widerspricht 
aber  dieser  Vermuthung,  dass  die  «wei  ersten  Wörter  aus 
dem  Persischen  stammen,  aus  rasidan,  ankommen,  und 
guzkrdati,  vorübergehen.  Es  wird  daher  engä  hinzugefügt. 
Im  Br.  vergleicht  sich  damit  nur  die  Form  des  Adjectivs 
mit  dem  zugesetzten  «,  wie  aharrangk:  diese  Vergleichnng 
klärt  aber  nichts  auf.  Im  Pengäbi  gehen  die  Future  auf 
ungk,  engk,  angi  u.  s.  w.  aus;  mit  diesen  hat  es  aber  eine 
andere  Bewandtniss.  Eher  Märe  ein  Zusammenhang  zu 
vermuthen  mit  dem  Zusätze  ga,  gai  in  Baluk  i,  da  dieser 
auch  bei  dem  Perfect  vorkommt.     S.  oben  IV,  456. 

Vollständigere  Sprachproben  würden  uns  wahrschein- 
lich andere  Beispiele  von  Bildungen  durch  Zusammen- 
setzungen gewähren^  denn  M.  führt  noch  folgende  Formen 


tamäshe,  vernilcm  meine  Belustigung;  hurev  (nachher  II,  \S.  hu~ 
riwa}  o  (und  ta)  der  e,  ich  will  fragen,  wer  es  ist,  II,  14. 
Endlich  I,  3.  dänge  henge  hura ,  forschte  (L.  sieht,  eig.  griff 
herum}  hierher  und  dorther. 


394 

auf^  die  ich  zwar  nicht  belegen  kann,  die  aber  nicht  aus 
der  Luft  gegriffen  seyn  können.  Mit  Ausnahme  von  päre 
sakni  ist  es  stets  kanning,  welches  dabei  angewendet  wird. 
Dieses  bildet  in  den  Sprachproben  bei  L.  viele  zusammen- 
gesetzte Verba  aus  Substantiven,  Adjectiven  und  Partikeln, 
verbindet  sich  aber  nie  mit  andern  Zeitwörtern.  Pkjikrri 
{siCy  wohl  päjikari),  er  spricht,  päre  kanni,  er  hat  gespro- 
chen ,  akhar  (1.  agar)  pkji  kni  (1.  kam) ,  dass  er  spreche, 
pk  kannij  sprich.  Pk  wanni ,  dass  er  spreche^  ist  wohl 
auch  pkkanni  zu  lesen.  Dieses  sieht  aus,  wie  eine  voll- 
ständige Conjugation  mit  kanning,'  allein,  wie  gesagt,  die 
Sprachproben  bei  L.  bestätigen  weder  den  Gebrauch  dieser 
Bildung  im  allgemeineu.  noch  die  einzelneu  Formen^  wie 
sie  hier  vorkommen. 

Vom  negativen  Verbum  finden  sich  folgende  Beispiele. 
Es  kommen  zuerst  mehrere   in  dem  ersten  Liede  vor, 
welches  ich  ganz  mit  einer  wörtlichen  üebersetzung  her- 
setze : 
gori  marevy  o  marü  o  läl  \  netu  harev,  o  chunakk  g  uwkn, 
päsf  bafes,  o  maru,  o  läl  \  tes^  tifea^  o  chunakk  waruk, 
bkmbke  salip,  o  gul  i  lälahy 
rkndi  khanoi  n^y  o  chunakk  warnkj 
tenk  karoi  ne,  o  gul  i  susnn. 

Um  dich  will  ich  wandeln,  o  Mondgesicht,  o  Tulpe, 
Ich  will  mit  dir  kommen,  o  kleiner  Knabe, 
Du  sagst  (ja),  du  sagst  nein,  o  Mondgesicht,  o  Tulpe, 
Du  giebst,  du  giebst  nicht,  o  kleiner  Knabe, 
Stehe  nicht  auf  der  Terrasse,  o  Blume  der  Tulpe, 
Die  Alte  wird  dich  sehen,  o  kleiner  Knabe, 
Sie  wird  dich  zu  der  ihrigen  machen,  o  Blume  der  Lilien. 


Ij  —  1)  gori  übersetze  ich  aus  Conjectur,  L.  hat:  I  will  move 
OS  a  censer  around  thee,  my  preciuus  Utile  ruhy.  M.  hal 
sw-ar  läl  jäkut  für  Rubin,  aber  läl  allein  wird  dieses  schwerlich 
bedeuten.    Mahrü^  yji*i  ''''  Persisch. —8.  Te«,  tifes,  heisst  wohl 

\ 


395 

Päs  wird  hier  negativ  durch  Einschiebuiig  eines  f]  da 
es  zuerst  pkres  geheissen  hat,  scheint  f  das  r  verdrängt 
zu  haben;  p  wird  b,  ob  das  Br.  nicht  p-f  in  zwei  Sylben 
hinter  einander  duldet?  In  iifes  schiebt  sich  dagegen  1/  ein, 
oder  Uses  war  ursprüngliche  Forna.  Wir  hatten  oben  saHf 
stehe,  hier  wird  p  hinzugefügt.  Bafar  neto,  ich  will  nicht 
mit  dir  gehen,  G.  547.  mit  Verlust  der  Endung  in  baret. 

Zu   geben    gehören   noch   agar  tifesa,    wenn    du   nicht 
giebst,  II,  4.  atttai  tifesata,  warum  giebst  du  nicht,  L.  548. 
ta  muss   aber   auch  hier  es  hcisscn    und    gelreimt  werden; 
im  nächsten  Beispiele,  ebend.  ist  ein  Fehler:  asi  monu  paisas 
tifarata,    ich  will  nicht  einen  Monu  geben,    L.;   aber  man 
s  eht  II,  5.  für  einige  und  wird  einzig   bedeuten;   L.   lässt 
paisas    aus,    es   ist  P.  poisah,  u*^^   ein   kleines   Gewicht. 
E§  muss  heissen:  einen   einzigen,  einen  pais  gebe  ich  nicht. 
Ist  ia  ihm?     Denn  das  /  der    ersten    Person   fehlt    auch   in 
i  nä  muxür  hich  mafarUf    l\,  2.  ich   will  nicht  irgend  dein 
Verwalter   (servant ,    L.    das    Arab.    j^j    heisst    besuchen) 
seyn.      Tipara,  ich  verstehe  nicht,  II,  20.  wofür  G.  548.  tiprä. 
Ich  kenne  keine  andere  sichere  Form  dieses  Wortes  für  wissen. 
Weiter:  kapana ,  (^khapanaj,  ich  will  nicht  sehen,  G.  548. 
Dagegen  kaparolj   ich  will  nicht  thun,    G.  547.  aus    karoty 
und  G.  548.  ist  gedruckt:    khautanut y   ich   habe   nicht  ge- 


du  giebst  ein  A''ersprechen^  u.  s.  w.  —  3.  hamb,  Terrasse,  nach  L. 
Gut  i  lälahf  L.  my  briyht  tulip ;  gut  auch  Blume  Oberhaupt 
im  Persischen,  steht  so  auch  t.  5.  Es  ist  hier  ein  Beispiel  des 
Persischen  Genitivs.  —  4.rdndi  ist  Indisch, Sanskrit  randä,  Wittwe. 
Die  Wittwen  werden  in  Indien  oft  verachtet  und,  da  sie  nicht 
wieder  heirathen  dürfen,  unterhalten  sie  in  manchen  Gegenden 
unerlaubte  Verbindungen.  In  Fr.  Bcchanan's  (Hamilton 's) 
Mysore  und  Eastern  India  sind  viele  Angaben  hierfiber.  4.  L. 
für  chunaka  w. :  oh  beautiful  young  maid.  Aber  warnä  kommt 
nur  für  Jüngling  vor  und  ohnehin  wechseln  hier  noch  die  Verwe 
zwischen  beiden.  L.  zieht  alle  vom  dritten  an  zu  dem  jungea 
Manne. 


sehen.  Im  -uta-  muss  aber  ein  Fehler  seyn,  da  ich  habe 
gesehen :  khanunut  lautet,  und  das  negirende  Element  fehlt. 
Tifesa  ist  dasselbe  als  tifes,  tifara  und  tipara  sind 
mir  in  Beziehung  auf  ihre  Endungen  noch  dunkel;  mufara 
ist  Negation  zu  marut^  ich  will  seyn,  oder  genauer  zu  ei- 
nem sonst  nicht  vorkommenden  inarat.  Dass  /  am  Ende 
abgefallen ,  ergeben  die  letzten  Beispiele,  kapana  i^t)  ver- 
gleicht sich  mit  khanat,  kaparot  stimmt  genau  zu  karot. 
Fa  und  pa  sind  hier  als  Negationen  eingeschoben.  In  peshan 
mafa,  II,  2.  geh  nicht  hinaus,  ist  fa  angefügt  an  das  schon 
verkürzte  ma.  Pap,  sprich  nicht,  himp,  geh  nicht  (aus  hin 
für  hinak^,  L.  543.  In  puskun  afas,  es  ist  nicht  frisch,  ist 
fa  in  «Ä,  ase  eingeschoben ;  in  afakj  ist  nicht,  II,  4.  13.  24. 
hat  fa  das  sa  in  asak  ausgetrieben.  Ganz  eigenthümlich 
ist  die  Bildung  II,  24.  *  tenä  lumai  {lume)  kashepära,  na(?h 
dem  Zusammenhang  und  der  Uebersetzung:  ich  will  meine 
Mutter  nicht  herausziehen  lassen;  kashe^  zieh,  kashä,  zog, 
zeigen  uns  das  Stammwort,  das  f  des  Caussativs  ist  ver^ 
schwunden  und  pura,  \l^enn  wir  uns  parat  als  vollständige 
Form  denken,  scheint  das  negative  Verbum  in  flectirter 
Form  angehängt  zu  zeigen. 

Aus  den  wenigen  Beispielen  möchte  ich  nicht  wagen, 
Folgerungen  über  die  Aenderungen  zu  ziehen,  welche  ge- 
wöhnliche Biegungen  in  der  negativen  Gestalt  erleiden; 
nur  dürfte  a  als  vorherrschender  Vocal  der  negativen  Verba 
in  ihren  Endungen  angenommen  werden  dürfen.  Dass  die 
Negation  in  p  und  f  enthalten  liege,  ist  klar. 

Ein  Participtum  des  Präsens  finde  ich  nicht;  die  der 
Vergangenheit  sind  oben  aufgeführt.  Sie  dienen  beinahe 
ohne  Ausnahme  zur  Bildung  der  Perfecle;  ein  Beispiel  des 
getrennten  Gebrauchs  ist  gwälai  gires  dare^  sie  trug  ilm 
im  Korbe  liegend,  II,  14.  Viele  Adjeetive  endigen  auf  en 
und  un  und  haben  also  eigentlich  die  Form  von  Participien, 
wie  balun,  lang,  dick,  ptuhkun,  frisch,  piun,  weiss,  phu- 
d^Hj  kühl,  hanetty  süss.    M.  setzt  meistens  en  und  stets  un. 


397 

Auch  in  kommt,  wie  in  knbtn,  schwer,  vor;   ein  Particip 
dieser  Form  scheint  nicht  im  Gebrauch  zu  seyn. 

So  sehr  auch  der  Wortschatz  der  Brahuiki  Sprache 
mit  Persischen  Wörtern  überfüllt  ist,  so  wenig  Eiiifluss 
hat  die  Persische  Grammatik  auf  grammatische  Biegungen 
derselben.  Nor  in  dem  zweiten  Liede  fand  sich  die  Per- 
sische Construction  statt  des  einheimischen  Genitivs  und 
nur  ein  einziges  Mal  steht  ein  Persisch  flectirtes  Verbum 
in  den  Sprachproben,  II,  13.  aish  ashrat  ken,  d.  h.  das 
Persische  kitn  für  Br.  kar  j  thue  mir  Liebesverkehr  (Ar. 
'^ishrat,  '^j^^,  das  vorangesetzte  aish  halte  ich  für  das  ver- 
druckte v-ä-i^jWÄÄ,  Liebe;  u^J^j^«,  aish  Leben,  passt  nicht 

in  den  Zusammenhang  der  ganzen  Stelle). 

Obwohl  die  obige  Darstellung  weder  ein  vollständiges 
Bild  der  Conjugation  im  Brahuiki  geben,  noch  dieses  zur 
vollständigen  Klarheit  bringen  konnte,  reicht  sie  doch  hin, 
um  die  wesentlichsten  Züge  des  Systems  der  Verbalbiegung 
uns  vorzustellen.  Die  Biegungen  zerfallen  m  zwei  Haupt- 
klassen ,  es  sind  entweder  Verbindungen  des  einfachsten 
Exponenten  des  Seyns  mit  den  zwei  Participien  der  Ver- 
gangenheit: as  oder  es,  un  oder  en\  hierzu  dient  die 
Form  ut  u.  s.  w.  mit  seltenem  Eingreifen  des  mit  e  voca- 
lisirten  Hülfsverbums.  Oder  es  sind  Verbindungen  der 
Wurzel  mit  seyn ;  ot  u.  s.  w.  bezeichnet  dann  die  Zukunft, 
die  Form  mit  i  (j)  die  Zukunft,  die  unmittelbar  bevorsteht. 
Et,  evj  u.  s.  W  bedeutet  dasselbe;  beide  Formen  können 
auch  die  Gegenwart  bezeichnen ;  et  auch  die  nächste  Ver- 
gangenheit. Dem  uf  u.  s.  w.  gehört  auch  diese  Bedeutung 
Formen  mit  a^  die  aber  selten  sind,  haben  auch  diese,  a 
dient  vorzüglich  zur  Bildung  der  2.  Sing,  des  Imperativs. 
Dieser  benutzt  zugleich  die  Futurform  mit  e  und  wird 
durch  Zusätze  verstärkt.  Der  Ursprung  der  Consonantcn, 
durch  welche  die  Personen  bezeichnet  werden,  ist  unklar. 
Die  Sprache  besitzt  noch  ein  caussales  Verbum  und  ein 
negatives. 


398 


e)  Partikeln.  HWortbildung:.  Syntax. 

Adverbial- Affixe  mit  bestimmter  Bedeutung  kommen 
nur  wenige  vor;  insofern  Casus  der  Pronomina  mit  solcher 
Bedeutung  stehen^  sind  schon  bei  diesen  Beispiele  gegeben. 
Am  häufigsten  ist  de  für  den  Ort.  L.  hat  däd'e^  hier,  ed e,  dort, 
aräd'e,  wo.  In  den  Sprachproben,  wie  I,  2.  4,  9.  II,  17. 
wird  jedoch  meistens  </e  geschrieben.  Z>'e  scheint  richtiger, 
da  ddde,  u.  s.  w.  nicht  von  Accusativen  verschieden  wäre, 
auf  welche  die  örtliche  Bedeutung  nicht  passt.  Hamode, 
daselbst;  1, 3.  hat  hämo,  kein  hamod  zum  Stamm.  Ade,  I, 
4.  scheint  dort  zu  bedeuten. 

Ein  anderes  Affix  ist  nge^  ngi.  Arängi^  wo  irgend, 
hamengi,  daselbst^  L.  Also  auch  local.  Dange,  henge,  I,  3. 
bedeuten  dahin,  hieher;  da  h  im  Anfange  wechselt,  schei- 
nen ade  und  A^n^e  ein  Thema  a^^ha  vorauszusetzen,  von 
dem  jedoch  sonst  nichts  vorkommt.  Harränk,  so  weit,  L. 
wird  arränk  (M.  setzt  errur  für  das  Interrogativ)  seyn  und 
wie  weit  bedeuten,  weil  k  aus  kä  (s.  S.  365.)  verkürzt 
seyn  muss ;  kä  erscheint  in  aräkdj  woher,  L.  ehpr  wohin. 
Ewadai,  früher,  L.;  es  muss  Vormittag  heissen,  s. 
unten;  padai,  wieder,  zurück,  G.  546.  dafür  padä,  543. 
Gudä  nachher,  dann:  aber,  L.  Dessen  scheinbares  Thema 
gu  in  gu  maraky  II,  24.  gum  marak,  G.  geh  fort,  scheint 
eher  das  Baluki  go  ,  mit  (oben  IV,  460.)  zu  seyn.  D&s&y 
jetzt,  G.  II,  5. 

On  bezeichnet  die  Art.  Don,  wie,  also  aus  der'y  ha- 
mon,  ebenso,  11^  10.;  handon,  ja,  L.;  aber  es  heisst  ebenso, 
und  was  nachher  für  ebenso  gesetzt  wird:  handoan,  ist 
gewiss  nur  Fehler  für  dasselbe.  Wie  der  Zusatz  os  in  han- 
dunos  in  dem  Beispiele  oben  S.  372.  zu  erklären,  weiss  ich 
nicht.  Für  i  sind  diese  Beispiele:  ainari duros,  \\,  14.  über- 
setzt mit:  bringe  schnell,  heisst:  wie  wirst  du  bringen. 
Monif  L.  gegenüber,  ist  von  moM,  Gesicht,  musii,   nahe, 


399 

L.  wofür  M.  must,  vor,  giebt.  Wie  das  in  mehreren  Phrasen  G. 
547.  vorkommende  dur,  JuHl,  ob  etwa  mit  wie,  zu  erklären, 
entdecke  ich  nicht;  z.  B.  dtträ.  khairati  hus  (us').  wie,  bist 
du  im  Wohlseyn,  ist  unbedenklich,  aber  kabil  ne  dura  khe, 
L.  =  ist  deine  Familie  wohl,  und  ähnliche,  lassen  in  Zweifel, 
ob  durk  nicht  tcohl  bedeuten  solle ;  das  sonst  unerhörte  khe 
stünde  dann  als  ein  Hülfsverbum. 

Ich  übergehe  die  Beispiele,  wo  bekannte  Casus  von 
Substantiven  als  Adverbia  stehen.  Auch  Persische  Wörter 
werden  so  gebraucht,  wie  ^ä^oi  (richtiger^  ä^AarO,  anstatt, 
L.;  esistP.  ^'äÄ,  ^ä,  Stelle,  welches  in  ÄMrsä,  über,  L.  die 
Form  sä  scheint  angenommen  zu  haben.  Aladk,  langsam, 
L.  wofür  madänat,  I,  4.  muss  in  letzter  Instanz  vom  Sanskrit 
manda  herkommen. 

Andere  unklaren  Ursprungs  sind:  shef,  herunter;  mur, 
jenseits;  Äira,  nur.  Pizir,  hinter,  M.  ist  wohl  P.  boT^r,  ab- 
wärts. Bash  scheint  aufwärts,  auf,  zu  bedeuten :  bashkeg^ 
Ij  2.  wache  (wecke),  stehe  auf,  bash  masj  wache  auf,  I,  6. 
u  s.  w.  L.  hat  545.  bashkabo  ita),  wecket  auf  (ihn)  und 
bath  (für  i>ash)  marak,  stehe  auf. 

Einige  Zeitadverbia  zeigen  Spuren  eines  eigenthüm- 
lichen  Reichthuins.  L.  giebl  diese:  pagi,  morgen,  pklme^ 
übermorgen,  knde,  über  übermorgen,  knd  ramk»,  nach  über 
übermorgen,  daro,  gestern,  mulkhudu,  vorgestern,  Äü  mul~ 
khttdn,  ehe  vorgestern,  kxxdir  tnulkhudii,  vor  ehe  vorgestern. 
Sonst  ist  ewadai  (nach  L.  formerly^  mit  Vormittag  zu  er- 
klären; es  steht  vor  mang'an,  Mittag,  und  dai  ist  statt  </«i, 
am  Tage.  Dlgar,  Nachmittag,  ist  Pers.  Begk,  L.  richti- 
begki ,  begke  in  den  Sprachproben,  am  Abend.  Nem  shaf, 
Mitternacht,  P.  nxmishab,  die  halbe  Nacht.  Für  «mü,  heute, 
ist  ainn  zu  lesen.  Morgen  wird  in  den  Sprachproben  ent- 
weder mit  roshan,  Tag,  Pers.  röshän,  Licht,  wie  roshan 
was,  es  ward  hell,  I.  7.  bezeichnet,  oder  mit  dem  Islamiti- 
schen Gebetrufe,  miillknk  bktigai  %aif  bashmas ,  bei  dem 
I  Rufe  des  5IuUk  wachte  die  Frau  auf. 


wo 

Das  Brahuiki  besitzt  kaum  einheimische  und  ursprüng- 
Hche  Präpositionen  und  Conjunctionen.  Das  Fehlen  der 
ersten  erklärt  sich  aus  der  Vollständigkeit  der  Casusformen, 
welche  die  Beziehuni^en  der  Nomina  im  Satze  hinreichend 
bezeichnen.  Dasselbe  ist  mit  einigen  Ausnahmen  der  Fall 
im  Sanskrit  und  ans  demselben  Grunde.  Das  Sanskrit  be- 
sitzt aber  die  ursprünglichen  Präpositionen  der  Indogerma- 
nischen Sprachen,  nur  verwendet  sie  diese  in  der  classischcn 
Zeit  beinahe  ausschliesslich  zu  Zusammensetzungen  mit 
Zeitwörtern  und  den  von  ihnen  abgeleiteten  Substantiven 
und  Adjectiven.  Auch  zu  diesem  Gebrauch  gehen  sie  dem 
Brahuiki  ab.  Es  wird  ursprünglich  solche  besessen  haben, 
da  die  CasusafTixe  offenbar  sonst  verschwundene  Präposi- 
tionen sind.  Ich  unterscheide  von  ursprünglichen  Präpo- 
sitionen solche,  die  nicht  zu  den  ursprünglichen  Bestaiid- 
theilen  einer  Sprache  gehören,  sondern  aus  schon  fertigen 
Wörtern  der  übrigen  Wortklassen  entstehen.  Das  Brahuiki 
kann  mit  seinem  Ueberfluss  an  Casus  leicht  aus  den  No- 
men diese  Gattung  bilden  und  es  kommen  einige  Fälle  der 
Art  vor.  Ich  halte  es  für  überflüssig  Beispiele  Anzuführen. 
Trotz  seiner  Neigung  aus  dem  Persischen  sich  zu  ergän- 
zen und  bereichern,  widerstrebt  es  seinem  Charakter,  auch 
Persische  Präpositionen  zu  verwenden  oder  vielmehr,  es 
hat  es  nicht  nöthig.  Beispiele,  wie  ba  (6a)  khairat^  zum 
Glück,    kommen  höchstens  drei  bis  vier  vor. 

Das  Fehlen  der  Conjunctionen  ist  aus  der  höchst  dürf- 
tigen Ausbildung  der  Satzverbindung  zu  erklären.  Die  Sprache 
stellt  ofanz  kurze  Sätze  hinter  einander,  oft  einzelne  Zeit- 
Wörter,  ganz  ohne  Verbindung,  ich  kenne  in  keiner  Sprache 
etwas  ähnliches.  Einige  Proben  werden  dieses  nachher 
verdeutlichen.  Die  Folge  ist,  dass  die  wenigen  Conjunc- 
tionen, welche  in  den  Beispielen  sich  uns  darbieten,  allö 
aus  dem  Persischen  haben  entlehnt  weiden  müssen.  L. 
führt  nur  u,  und,  lekin,  aber,  ki,  dass,  auf.  Ausser  ki 
und  M,    welches  letztere  nur  II,   1.   vorkommt,   geben  die 


401 

Sprachproben  nur  ja,  oder,    G.  548.  agar,   wenD;    G.  547. 
magar,  wenn  etwa  nicht,  G.  548. 

Die    Syntax   im  Brahuiki  beschränkt  sich  nach  diesem 
auf  einen    sehr   kleinen  Umfang,    auf  die  Regeln  von  dem 
Gebrauch  der  Casus  und  der   Tempora.     Es  sind   für  un- 
sere Zwecke  hinreichende    Beispiele    hievon   gegeben,   wir 
sahen   daraus,     dass   die   Sprache   sich    das    Bewusstseyn 
der  Bedeutung    ihrer   vielen    Casus   lebendig    erhalten    hat 
und  sich  ihrer   mit    bestimmter  Unterscheidung  zu  bedienen 
weiss.     Dieses    gilt   weniger  von  dera^Gebrauch  der  Ver- 
baiformen;   zwar  werden  stets  die  aus  den  Participieo  ge- 
bildeten Prälerita  genau  als  Formen  der  vollen  Vergangen- 
heit festgehalten;   das  Futurum   auf  o   bewahrt  auch  stets 
seine  Geltung,  aber  das  auf  e  dient  zugleich  als  eine  mil- 
dere Form  des  Imperativs  und  geht  in  die  Sphäre  der  ge- 
genwärtigen Handlung   hinüber.     Eine  Form^    welche    aus- 
schliesslich die  Gegenwart  bezeichnet,  erscheint  nicht  in  den 
Sprachprobi  n,  ausser  von   dem    Verbum    Seyn.      Es    kann 
dieses  aber  daher  rühren,  dass  die  ausführlicheren  Sprach- 
proben Erzählungen  sind.     Ein    Imperfectum    erscheint  da- 
gegen in  bestimmter  Absonderung.      Vom    Conjunctiv    und 
Passiv  geben  die  Sprachproben  keine   Beispiele.     Die    ne- 
gative Form  des  Verbums  hat  sich  lebendig  erhalten,   und 
wahrscheinlich  auch  das  Caussativum.     Es  ist    hiebei  nicht 
zu  vergessen,  dass  wir  die  Sprache  zu  wenig  kennen,  um 
darüber  urtheiicn  zu  können,  ob  sich  nicht  noch  manches  in 
ihr  vorBnden  mag,  welches  in  den  bisherigen  31ittheilungen 
keine  Gelegenheit  hatte,  sich  zu  zeigen.    Bei  ihrer  bestäü- 
digen  Verwahrlosung  von  Seiten  ihrer  Besitzer,    dem  An- 
dränge mächtiger  Einflüsse  von  Osten  und  Westen  in  den 
älteren  wie   in    den     neueren    Zeiten    ist    zu    verwundern, 
dass  sie   noch    erhalten    ist   und    dieses   in    Beziehung    auf 
ihren  eigenthümlichen  Bau  rein  und  frei  von  fremder  Bei- 
mischung, obwohl  schwerhch  unverstümmelt. 

V.  26 


402 


f)  Bestandtheile  der  Sprache* 

Das  Bruhuiki  muss  in  seinem  gegenwärtigen  Zustande 
sehr  arm  an  nominalen  Ableitung s formen  seynj  ich  wüsste 
in  der  That  nur  die  Adjectiv-Formen ,  die  auf  en  und  un 
ausgehen  und  zugleich  Participia  sind^  als  solche  anzufüh- 
ren; die  einzige  Form  des  abslracten  Substantivs  ist  der 
Infinitiv.  Die  eigenthümlichen  Brahuiki- Wörter  sind  vor- 
herrschend Benennungen  der  Art,  wie  sie  den  ärmsten 
Sprachen  nicht  entgehen^  Namen  der  Glieder  des  Körpers, 
der  Alitglieder  der  Familie,  der  einfachsten  Bedürfnisse, 
der  allgeineinsteu  Eigenschaften.  Diese  entziehen  sich,  wie 
man  leicht  denken  kann,  namentlich  in  einer  so  unvollständig 
überlieferten  Sprache  jeder  Erforschung  ihres  Ursprungs. 
Wir  wenden  uns  daher  zur  Betrachtung  der  verschiedenen 
Bestandtheile,  aus  welchen  der  Wortschatz  des  Brahuiki 
jetzt  zusammengesetzt  ist  und  treten  dadurch  an  unsere 
Hauptaufgabe  näher  hinan. 

In  Beziehung  hierauf  ist  Masson's  Urtheil  viel  richti- 
ger, als  das  Pottinger's  (oben  S.  345.),  die  Sprache  ist 
von  Persischen  und  Arabischen  Beimischungen  wie  über- 
fluthet.  Die  Aeusserung  des  ersten,  dass  auch  Baluki- 
Wörter  aufgenommen  worden,  kann  ich  aber  nicht  ver- 
treten; denn  die  Persischen  Wörter  im  Brahuiki  haben 
durchaus  nicht  den  Zuschnitt  der  Baluki-Form,  wo  diese 
verschieden  ist,  sondern  sind  viel  reiner  und  unmittelbarer 
überuunnuen.  Einzelne,  welche  in  beiden  Sprachen  stim- 
men, wie  %aif,  Frau,  zaghm,  Schwert,  guJ,  Kleid,  sind 
dunkeln  Ursprungs  und  köimen  ebenso  wohl  aus  dem  Bra- 
huiki stan)men.  Auch  Afghanisches  kommt,  wie  Masson 
sagt,  nichts  sicheres  vor. 

Iq  Hinsicht  der  Persisch-Arabischen  Beimischungen  bil- 
den nun  zwar  die  zwei  Novellen  nicht  ganz  den  richtigen 
Maassslab  für  die  Volkssprache,  weil  aus  deutlichen  Spu- 
ren, wie  aus  dem  Beispiel  mit  ken  S.  397.,  hervorgeht,  dass 


403 

der  Verfasser   Persisch  verstand  und  daher  seine  Eleganz 
in  Persischen  Ausdrücken  suchte.     In  Schriften  wird  aber, 
wenn  solche  sonst  vorkommen,  derselbe  F'allseyn.  Vergleicht 
man  aber  auch  die  Wortverzeichnisse,   erkennt  man,    dass 
der  Persische   Einfluss    ein  sehr  grosser  ist  und  nicht  nur 
alle  Beziehungen  des    Mohammedanischen   Glaubens,   Ge- 
setzes  und   Staats   umlasst,   sondern  auch  nach  jeder  an- 
dern Seite,  obwohl  in  viel  geringerem  Grade,  hinübergreift. 
Das    Wortverzeichniss   wird    dieses  deutlich  zeigen  und  es 
sind  schon  Beispiele  genug   vorgekommen.     Ich  führe   hier 
nur    an    Wörter,    wie    datid,    Zahn,  pehlu,   Brust,   regh, 
Sand,  darakht,  Baum,  u.  s.  w.  Die  Zahlwörter  von  vier  an 
(oben  IV,  441.)   zeigen    allein  schon    diese    starke    Beimi- 
schung.    Es   besteht  aber  ni  Beziehung  auf  diese  Fremd- 
wörter   das   besondere    Verhältnisse    dass  es   meistens   uur 
Substantive,    Adjective    und    Partikeln,   aber    bemahe  gar 
keine  Zeitwörter  sind;  denn  die  einzigen  Beispiele'):  /////m- 
rengu  und  raseng$  köimen  die  Richtigkeit  dieser   Behaup- 
tung nicht  umstosMo;    auch   diese   nehmen  eine  Nicht  per- 
sische Form  an.     Jene  Persischen,   wie  die  mit  ihnen  ge- 
kommenen   Arabischen   Wörter   üben    gar    keinen    EinHuss 
auf  die  Brahuiki-Grammatik  aus,  sondern  müssen  sich  ihrem 
System    unterwerfen-      Das    Brahuiki    bewährt    auf   diese 
Weise  grössere  Kraft  der  Selbständigkeit,  als  das  spätere 
Persische,  welches  Arabische  Wörter  mit  Arabischer  Form 
und  Construction  zulässt. 

Die  erwähnten  Fremdwörter  werden  vielfach  zur  Bil- 
dung zusammengesetzter  Zeitwörter  gebraucht,  wie  Ara- 
bische im  Persischen.  Kanning,  thun,  machen,  und  man' 
ning  (wenn  der  InHnitiv  zu  marak  u.  s.  w.  so  lautet}  dienen 
am  häufigsten  diesem  Zwecke.  Xaicishta-kanning,  schrei- 
ben, ;yasa/iJ-Ar.,  billigen, /rar«r-  (Ar.jtJ»)  Ä.,  ruhen,  u«s.  w. 


1)  Ausserdem  gehört  khwänning,  lesen,   hieher,   bei  M.  und  II,  9. 
Pers.   kkwänden,   ^w}ü|«^. 


404 

bei  M.  Raikare  tent  ehokarte,  schickte  seine  Dienerin,  II,  8. 
u.  S,  w.  rat  mos  j  ging^  ebendas. ,  P.  rät  =  ru/i,  rah; 
eig.  machte  den  Weg,  kam  den  Weg.  Sicär  (suwär^  maSf 
ritt,  eig.  kam  als  Reiter.  Zaife  kank  durust  karet,  ich  er- 
kannte meine  Frau,  I,  II.  eig.  machte  richtig,  wie  Engl. 
to  make  good.  Und  so  viele  andere  Beispiele.  Auch  einhei- 
mische Wörter  und  Indische  geben  ebenso  den  Stoff  zu 
solchen  zusammengesetzten  Zeitwörtern. 

Aus  dem  dargelegten  Verhältniss  der  Persischen  und 
Arabischen  Wörter  im  Brahuiki  folgt  zweierlei::  sie  sind 
nicht  mit  den  Baluk'en  gekommen  und  fallen  in  eine  Zeit, 
in  welcher  die  Persische  Sprache  ihre  jetzige  Form  hatte. 
Diese  Bestimmung  bietet  freilich  weite  Gränzen  den  Ver- 
muthungen;  doch  wird  so  viel  wohl  mit  Wahrscheinlich- 
keit bestimmt  werden  können,  dass  dieser  Persische  Ein- 
fluss  erst  nach  der  Bekehrung  der  Brahui  zum  Islam  be- 
gonnen habe.  Es  scheint  mir,  dass  die  Herrschaft  Mah- 
miid's  des  Ghaznewiden,  der  als  Freund  und  Begünstiger 
des  Persischen  bekannt  ist  und  mäch(i|f  über  diese  Län- 
dergebiete waltete,  die  meisten  Ansprüche  hat,  die  Anfänge 
der  Einwirkung  des  Persischen  zu  bezeichnen.  Doch  wäre 
es  möglich ,  dass  noch  früher  das  letztere  sich  eine  Bahn 
in  dieser  Richtung  gebrochen  hatte;  wir  wissen,  dass  we- 
nigstens der  westliche  Theil  Baluk'istän's  zu  Iliuan  Thsang's 
Zeit  von  Persien  aus  beherrscht  wurde*),  also  in  der  er- 
sten Hälfte  des  siebenten  Jahrhunderts.  Doch  wird  jeden- 
falls die  Haupteinwirkung  später  seyn  und  erst  recht  mäch- 
tig geworden,  seitdem  das  Persische  die  Sprache  der 
Höfe  und  des  Verkehrs  dieses  Theils  von  Asien  gewor- 
den war. 

Pottinger  spricht  von  vielen  alten  Hindu- Wörtern  im 
Brahuiki  (S.  346.).  Geht  man  das  Wortverzeichniss  durch, 
scheint  es^   als  ob  dieser  Ausspruch  unbegründet  sey,   es 


1)  oben  IV,  S.  108. 


405 

treten  einem  zwar  Indische  Wörter  entgegen ,  wie  pan/h, 
Weg,  gand,  Geruch,  jedoch  in  geringer  Anzahl  und  ohne 
Anschein  eines  höheren  Alters.  Jedoch  glaube  ich,  dass 
jenes  Unheil  richtig  ist,  obwohl  Pottinger  wahrscheinlich 
andere  Wörter  vor  Augen  hatte,  als  die,  welche  ich  an- 
führen werde. 

Halten  wir  nämlich  die  oben  gemachte  Bemerkung 
fest,  dass  Persische  Zeitwörter  nicht  in  das  Brahuiki  ein- 
gedrungen sind  und  finden  deren,  die  einen  Persischen  so 
gut  wie  einen  Indischen  Ursprung  anzusprechen  scheinen, 
muss  man  schon  wegen  des  erwähnten  Verhältnisses  das 
letztere  vorzuziehen  ffeneijjt  sevn.  Ich  wähle  das  oft 
vorkommende  Wort  kanning ,  dessen  eigentliches  Thema 
kar  ist,  zuerst  als  Beispiel.  Die  Sanskritwurzel  kri  thuu, 
machen,  woher  kar-6ti,  er  macht,  kara^  machend,  karmattj 
Werk,  u.  s.  w.  musste  sich  in  dieser  Gestalt  kar ,  der 
gewöhnlichsten  ihrer  wirklichen  Erscheinung,  dem  Brahuiki 
einprägen.  Das  Persisclie  bietet  ebenso  kar-dan,  thun, 
kur,  Werk,  und  so  scheinen  die  Ansprüche  beider  Sprachen 
gleich.  Aber  ausser  dem  erwähnten  Grunde  entscheidet 
für  den  Indischen  Ursprung,  dass  andere  Beispiele  solcher 
Beimischung  sich  darbieten.  Dauning,  tragen,  hat  zum 
Thema  dar  und  ist  das  Sanskrit  dhar  {^dliri),  halten,  tra- 
gen; das  Persische  stellt  hier  däshfan,  wozu  auch  dar 
gehört,  an  die  Seite.  Folgende  sind  aber  ohne  Persische  Mit- 
bewerber: kd ,  gehen,  das  Sanskrit  gd;  tenning  ^  geben, 
woher  /er,  Skt.  du.  Es  tritt  hier  die  Tennis  für  die 
Media  ein,  bei  dar  fiel  die  Adspiration  weg;  ich  vergleiche 
daher  pkr,  sprechen,  mit  Skt.  bksh,  r  und  s  wechseln  im 
Brahuiki.  Harf,  harraf,  nehmen,  ist  mit  (A/v,)  Aar,  nehmen, 
bis  auf  den  Zusatz  des /"gleich;  cherring,  zu  Fuss  gehen, 
vergleicht  sich  mit  char.  Shilling,  wissen,  ist  wahrschein- 
lich g'na.,  im  Persischen  beruht  shinäkhtan  auf  der  alten 
iBiegung  g'knkti.  Einige  andere  sind  weniger  einleuchtend. 
{Zusammengesetzte   Verba  smd  tsur ~ kanning ,   schwimmen, 


406 

von  /ara,  Durchschiffen,  täl-k,  wä»en,  von  tulk,  Wage,  im 
Skt.  Das  Verbum  seyn,  a«,  hieher  zu  ziehen,  scheint  zu  ge- 
wagt, obwohl  die  Wurzel  ganz  identisch  ist.  Es  sind  der 
Zahl  nach  nicht  viele  Beispiele^  doch  bei  der  kleinen  Anzahl 
von  uns  bekannten  Brahuiki -Verben,  wie  mich  dünkt,  genug, 
um  eine  besondere  Indische  Beimischung  zu  erweisen. 

Denn  sind  die  obigen  Vergleichungeu  richtig,  so  ge- 
hören diese  Indischen  Wörter  nicht  blos  äusserlich  der 
Masse  des  einheimischen  Sprachschatzes,  sondern  sind  mit 
dem  innersten  Kern  der  Sprache  verwachsen;  kanning  ist 
dem  Brahuiki  ein  unentbehrlich  gewordener  Beslandthcil, 
tenning  j  pkning ,  danning  ^  kkning  sind  auch  im  beständi- 
gen Gebrauch.  Sie  müssen  dem  Brahuiki  frühe  eingefügt 
worden  seyn,  weil  sie  sich  ganz  dessen  Conjugation 
anbequemt  haben.  Auch  die  Aenderungen  der  Laute,  die 
in  käning,  tenning,  päning  sich  zu  erkennen  geben,  beweiseu 
eine  frühere  Aufnahmo,  das  Brahuiki  nahm  sie  nicht  un- 
verändert auf,  sondern  änderte  sie  nach  seiner  Art.  Die 
Sprache  besass  noch  grössere  Kraft  der  Selbslbewahrung. 
Wir  haben  oben  gesehen,  dass  ein  b/i  im  Br.  fehlt,  daher 
rechtfertigt  sich  das  Fehlen  der  Adspiration  in  ptir.  Die 
zweite  Erscheinung,  dass  die  harten  Consonanten  k,  t,  p 
für  g,  d,  b  eintrelen,  wird  merkwürdiger  Weise  auch  der 
niedrigsten  Präkrit-Mundart,  der  Päi^äk  i,  zugeschrieben*). 

Die  oben  aufgeführten  Indischen  Wörter  sind  nicht  aus 
dem  Peng  äbi  in*s   Brahuiki  gekommen,     höchstens   könnte 
-man  es  von  tenning  verrauthen,    dessen  Futurum  tev  lau- 
tet, der  Infinitiv   im    P.    devnk'y    die   übrigen   Wörter   sind 
sich  aber  nicht  ähnlich. 

Es    ist    mir   leider  nicht   möglich  mit  den  vorhandenea 
Ilülfsmitteln  die   Untersuchung  in  dieser  Richtung  zu  be-^ 
stinunteren  Ergebnissen  zu   führen.     Die    Zeit    der   zuletzt  j 
behandelten  Mittheilungen  aus  dem  Indischen  gehören,  weuni 


1)  Inttit.  ling.  Praer.  p.  489. 


407 

ich  sie  richtig  betrachte ,  einer  früheren  Zeit  als  die  Per* 
eischen.  Es  ist  dabei  das  Zeugniss  Hiuan  Thsaug's  nicht 
zu  übersehen ,  dass  zu  seiner  Zeit  in  diesem  Lande  den 
Indischen  ähnliche  Schriftzüge  herrschten,  die  Sprache  aber 
eiwas  verschieden  war.  Wurde,  wie  hieraus  erhellt,  die 
Sirache  damals  mit  Indischer  Schrift  geschrieben,  mochte 
aich  auf  sie  Indischer  Einfluss  statt  finden  und  mehr  soll 
wchl  die  Nachricht  d^s  Chinesischen  Pilgers  nicht  besagen. 
Es  ist  höchst  wahrscheinlich,  dass  der  Islam  nachher  man- 
ch« Indische  Element  verdrängt  hat,  alle  Benennungen^ 
•dieauf  das  Heideuthum  Bezug  halten,  musstcn  au.«getricben 
werden,  üass  ich  das  Zeugniss  des  Chinesen  auf  das 
Braiuiki  beziehe,  wird  dadurch  gerechtfertigt,  dass  wir 
sonst  keine  Sprache  kennen,    auf  welche  es  gehen  könnte. 

Durch  den  fortwährenden  Verkehr  mit  Indien  sind  ohne 
Zweifel  noch  in  neuern  Zeiten  Indische  Wörter  nach  Ba- 
luk'istän  gewandert;  diese  brauchen  hier  nicht  weiter  be- 
sondersverfolgt zu  werden;  es  sind  äussere  Zuthateu,  wie 
die  Persischen. 

Auch  das  Indische  hat,  so  wenig  als  das  Persische, 
die  Grammatik  des  Brahuiki  verdrängt  oder  umgemodelt  *J; 

*)  Jamks  Pbi.vskp  hat  in  einer  Note  zu  Leech's  .Mittheilung  die  Be- 
Iiauplun;;  aufgestellt,  As.  Journ.  of  B.  VII,  p.  5S9. ,  Anss  die 
Casus -E.iduogea  im  Br.  deutlich  näher  zu  den  ^aiiskritischeo 
stimineD,  als  die  iu  den  neueren  Indischen  Mundarten.  Er  hat 
aber  dabei  nicht  gehörig  unterschieden,  was  im  Sanskrit  allge- 
meines Zeichen  eines  Casus  und  was  nur  besonderer  Zusatz  »der 
eine  eigenthuuiliche  Aenderung  einzelner  Declinationen  ist,  und 
ist  dadurch  getäuscht  worden.  Am  scheinbarsten  ist  seine  Ver-> 
gleichung  des  Br.  Instrumentalis  en'e  mit  Skt.  ^/m;  dieses  ist  aber 
bekanntlich  nur  die  besondere  Form  der  Wörter  auf  a  und  ä  die 
allgemeine.  Die  Vergleichung  des  Genitivs  Skt.  nah  mit  ßr.  nä 
giebc  dem  8kt.  ein  unwesentliches  n  uod  weoo  der  Ablativ  der 
Wörter  auf  a  im  Skt.  in  an  übergehen  kann,  so  hat  diese,  nur 
unter  besondern  Umständen  erscheinende  Form  UiUiiö^ln-h  dem  Br. 
das  an  geben  können.  Dieselben  £iawürfe  lassen  sich  gegen  dl« 
übrigen  Vergleichungen  erheben. 


408 

auch  bleibt  der  Sprache  ein  Stamm  ursprünglich  einheimK 
scher  Wörter,  der  ihre  eigentliche  Grundlage  bildet.  Aus 
beiden  Elementen ,  der  Form  und  dem  Material,  welche 
dem  Brahuiki  eigenthümlich  sind,  können  wir  allein  hoffei, 
dieser  Sprache  eine  Stelle  im  linguistischen  Systeme  Asieis 
zu  entdecken. 

Bei  einer  genaueren  Betrachtung  des  grammatischen 
Baues  des  Brahuiki  dringt  sich  von  selbst  die  Wahrnth- 
mung  auf,  dass  eine  allgemeine  innere  Aehnlichkcit  mit  Jen 
Dekhanischen  Sprachen  sich  zu  erkennen  giebt;  so  der  Rech- 
thum  an  Casus-Endungen,  die  im  Singular  und  Plural  gbich* 
sind,  und  die  negative  Form  des  Verburas.  Es  bieten  sich 
weiter  einige  specielle  Aehnlichkeiten  in  solchen  Werten 
dar,  welche  zu  den  ursprünglichsten  Bestandtheilen  der 
Sprachen  gehören,  wie  die  Zahlwörter  und  Pronomina. 
Ich  stelle  zuerst  diese  Vergleichung  an^  um  mir  die  Be- 
rechtigung zu  begründen,  in  dieser  Richtung  genauere  Un- 
tersuchungen anzustellen. 

Die  vollständigen  Formen  der  allein  noch  erhaltenen 
Benennungen  der  drei  ersten  Zahlen  im  Br.  ergeben  sich 
als  diese:  asit,  ein,  iVa/,  zwei,  müsit^  drei.  Die  Ordinal- 
zahl für  zwei  lautet  elo  neben  irätmiko  und  zeigt  den  Wechsel 
von  r  und  /.  Die  entsprechenden  Wörter  der  drei  wich- 
tigsten Dekhanischen  Sprachen  *),  des  Telingu^  des  Karn'ut'a 
und  des  Tamil,  sind  die  folgenden: 

l.         Tel.  on'ä'u^)         Karn,  on'd'u^)         Tara.  onru. 

8.  »»      r^n'ä'uy  »       Sraäu,\  «i       iranJu,  ] 

»      iru,  \ 

3,  n      mud  u,  »        tnuru,  n        muttru. 

>)  Ich  liesitse  auch  nur  für  diese  ausreichende  HUlfsmittel. 

»)  Ausserdem  on'l'i;  andere  Formen  sind  oka,  ukat'i.  Ilen'duy  £wei, 
iantet  in  Masc.  und  Fem.  iddaru,   tniiä'u  wird  muggulu. 

t)  in  iM'cKBRKKLi/a  gravimar  steht  p.  li)7.  ondii.  Da  d'  und  d  nur 
durch  ein  oft  undeutlich  werdendes  kritisches  Zeichen  sich  unter- 
Mchciden,  habe  ich  nach  der  AuHlugie  der  übrigen  (f  gesetzt. 


409 

Um  die  Verwandtschaft  dieser  Wörter  zu  erkennen, 
mnss  man  sich  erinnern,  dass  das  cerebrale  ä  oft  mit  r, 
dem  es  in  der  Aussprache  gleicht ,  verwechselt  wird,  und 
dass  r  und  s  im  Brahuiki  leicht  in  einander  übergehen,  wie 
in  mar  und  mas ;  Einschiebsel  von  Nasalen  in  Wurzeln 
sind  häufig;  beseitigen  wir  diese  uud  stellen  das  r  in  den 
Dekhanischen  Formen  her^  ergeben  sich  diese  Stämme: 
or j  ir  oder  «r,  mürf  für  das  Br.  as,  ir ,  tniis.  Die  Ablei- 
tungs-Affixe im  Br.  sind  von  den  Dekhanischen  verschieden. 

Die  Pronomina  der  ersten  und  zweiten  Person  sind  in 
den  Dekhanischen  Sprachen  diese:  Tel.  nenn,  ich,  nann, 
mich,  nä,  meiner,  der  Plur.  hat  ein  anderes  Thema:  mPmu, 
u.  s.  w.  Karo:  nknu,  ich,  nannu^  mich,  nanna,  meiner, 
nkvu,  wir,  u.  s.  w.  Tam.  wä«,  ich,  nkng-kul,  wir.  Das 
Br.  hat  dieses  Thema  für  den  Plur.  nan^  uank^  u.  s.  w. 
Du  lautet  im  Tel.  nicu,  Acc.  ninu^  Gen.  m.  PI.  miru.  Karn. 
ninu,  du,  nintta,  dich^  deiner,  nicu,  ihr.  Tam.  m,  nij j  du, 
ning-kal,  ihr.     Also  n  zum  Thema,  wie  das  Br. 

Da  diese  hier  angeführten  Ueberelnstimmungen  nicht 
zufallig  seyn  können,  wird  es  der  Alühe  werth  seyn,  eine 
genauere  Vergleichung  des  Brahuiki  mit  den  Dekhanischen 
Sprachen  anzustellen,  um  den  Grad  der  Verwandtschaft 
schärfer  zu  bestimmen.  Es  ist  klar,  dass  wenn  diese  Ver- 
wandtschaft sich  herausstellen  sollte,  die  Brahui  eine  eisfen- 
thümliche  Stellung  in  der  Indischen  Ethnographie  einneh- 
men und  nicht  wenig  dazu  beitragen  werdeoj  uns  die  ur- 
sprünghchen  Völker-Verhältnisse  Indiens  aufzuhellen. 
(Schluss  im  nächsten  Baude.) 

C.  L. 


410 


XVI. 

lieber  die  (Salio- Spraclie  in  Aetliiopien* 

Man  weiss  aus  Tagesblättern,  dass  die  beiden  Brüder 
iVAbbndie  auf  königlich  französische  Kosten  als  Gelehrte 
eine  längere  Reise  nach  Habesch  unternahmen,  zunächst 
für  Zwecke,  welche  von  der  Wissenschaft  weitab  liegen 
und  deren  Beurtheilung  wir  solchen  Blättern  überlassen 
müssen ,  die  sich  rein  mit  Religion  und  Politik  befassen. 
Indessen  hat  einer  der  Brüder  vor  kurzem  einige  Ergeb- 
nisse seiner  Sprachuntersuchungen  bekannt  gemacht')^ 
welche  etwas  näher  zu  betrachten  ganz  zu  den  Zwecken 
dieser  Zeitschrift  gehört. 

Hr.  d'Abbadie  giebt  zuerst  eine  Uebersicht  über  die 
„Aethiopischen  Sprachen",  deren  er  nicht  weniger  als  28 
aufzählt,  die  Mundarten  nicht  einmal  eingerechnet,  so  dass 
man  glauben  sollte,  Africa  sey  ein  zweites  Amerika,  des- 
sen Sprachen -Unzahl  sprichwörtlich  geworden  ist.  Der 
gelehrte  Mann  begnügt  sich  aber  nicht  mit  dem  blossen 
Aufzählen  von  Sprachen,  deren  grösstcr  Theil  uns  Nicht- 
reisenden  sogar  dem  Namen  nach  kaum  bekannt  ist,  er 
thcilt  sie  auch  in  bestimmte  Arten  ein,  und  unterscheidet 
sie  auf  folgende  Weise: 

A.  Semitische  Sprachen:  dahin  gehöre  nichts  als 
1.  das  Gee%,  die  bekannte  äthiopische  Büchersprache, 
welche  man  gewöhnlich  schlechthin  das  Aethiopische  nennt 
und  welche  noch  jetzt  in  Dörfern  bei  Sarawe  gesprochen 
werden  soll.  —  B.  Vorattsselzlich  semitische  Sprachen  (wir 
wissen  nicht,   was   der  Vf.  sich  unter  dieser  Bezeichnung 


1}  Im  Joura.  Asiatique  von  1843.  JulUet-Aoüt  S.  10»  —  118. 


411 

gedacht  hat):    2.   Sprache    Tögr-jana    mit  4  Mundarten; 

3.  Sprache  Tögray,  mit  der  Mundart  von  Harkiko  am  ro- 
then  3Ieere  und  von  Habab.  Unter  diesen  beiden  Namen 
wird  der  \'f.  wohl  dieselbe  Sprache  meinen,  die  man  sonst 
T/<jfr<''- Sprache  nannte,  nur  in  weiterer  östlicher  Ausdeh- 
nung bis  zum  rothen  Meere  hin ;  fseuberg  nimmt  in  seinem 
Dictionary  of  the  Amharic  language  (London  1841 )  oft 
Rücksicht  auf  einzelne  Wörter  aus  ihr,  die  denn  nicht  sel- 
ten mit  den  äthiopischen  übereinstimmen.  —  C.  Unter-Semiti-' 
»che  Sprachen,  d  i.  wie  der  Verfasser  sagt,  solche,  welche 
viel  eigenthümiiches ,  aber  auch  vieles  mit  dem  Aethiopi- 
schen    und    Arabischen    «rcmein    haben.      Dahin    ffehören : 

4.  das  Amharna ,  mit  den  Alundarten  von  Gondar,  Go- 
dscham,  Schoa  und  Lasta;  man  nannte  dies  sonst  das  Am- 

'  harische;  5.  Sprache  von  Gurage  im  Südwesten,  in  der 
Nähe  von  jener  gesprochen;  6.  Sprache  Adari  in  Harar; 
1,  Sprache  von  Gafat,  in  Theilen  von  Damot  und  Go- 
dscham  (also  westlich  vom  Tzana-See)  gesprochen ;  8.  das 
Ilinorma,   die  Sprache  der  Gallas,  in  zwei  Mundarten;   9. 

Sprache  A^far  jäc,  jq  zwei  Mundarten  von  Tudschurra  und 
Zulla  am  Meerbusen  von  Aden  an  bis  unter  die  Azabo- 
Gallas  nördlich  davon;  10.  Sprache  Saho  (wovon  unten 
mehr3  in    zwei   Mundarten,   der    vorigen   nahe   verwandt; 

10.  Sprache  der  Ss6ma.l  J^^o  in  zwei  Mundarten^  an  der 
bekannten  Küste  im  entferntesten  Osten.  —  D.  Sprach- 
slamm Chamiögna,  mit  3  Sprachen,  von  denen  aber  der 
Vf.  nicht  das  geringste  Zeichen  mittheilt.  —  E.  Sprachen 
unbekannter  Verwandtschaft,  wohin  der  Vf.  nicht  weniger 
als  14  rechnet,  deren  leere  Namen  hier  aufzuzählen 
schwerlich  von  Nutzen  wäre;  wir  bemerken  daher  nur, 
dass  der  Vf.  auch  die  Sprache  der  Falascha  (von  denen 
unter  Europäern  schon  so  vieles  sonderbare  vermuthet  ist) 
und  die  der  Christen  des  bis  jetzt  ganz  unbekannten  Rei- 
ches Gomara  oder  Kaffa  tief  im  Süden  dahin  rechnet. 


413 

Wir  können  nun  nichts  mehr  wünschen,  als  dass  der 
Vf.  die  Vorräthe  von  Wörtern,  Sprüchen^  Sagen  und 
Volksliedern,  welche  er  zur  Kenntniss  so  vieler  Sprachen 
gesammelt  hat,  sobald  als  möglich  vollständig  bekannt 
mache.  Was  aber  die  obige  Eintheilung  und  darin  enthal- 
tene wissenschaftliche  Beurtheihing  so  vieler  Sprachen 
betrifft,  so  kann  es  dem  Vf.  wohl  nicht  schaden^  wenn  er 
noch  zur  rechten  Zeit  auf  die  Unsicherheit  seiner  Ansich- 
ten und  Meinungen  aufmerksam  gemacht  wird.  Welches 
Recht  haben  wir,  blos  die  äthiopische  Büchersprache  für 
semitisch  anzusehen?  was  sind  denn  voraitssetzlich  semi- 
tische Sprachen,  sobald  man  (yv'\^  doch  der  Verfasser  sich 
dessen  rühmt)  Mittel  sie  zu  untersuchen  besitzt?  was  sind 
Unter  -  semitische  Sprachen,  wenn  es  nicht  etwa  so  viel 
heissen  soll  als  gemischte^  uad  wenn  man  ihre  Mischung 
nicht  nachweist?  und  während  der  Vf.  dahin  solche  Spra- 
chen rechnet,  welche  ihrer  Wurzel  nach  unstreitig  semi- 
tisch sind,  wie  das  Amharische^  welches  wir  ja  näher  ken- 
nen und  die  Sprache  des  tief  im  Südosten  liegenden  Rei- 
ches Harari),  wirft  er  auch  solche  Sprachen  wie  die  der 
Gallas  in  dieselbe  Reihe,  welche,  wenn  sie  eine  mit  Recht 
so  zu  nennende  semitische  Wurzel  haben^  doch  jedenfalls 
soweit  von  den  andern  abstehen,  dass  kein  Sprachkenner 
sie  z.  B.  mit  dem  Amharischen  unter  denselben  Begriff 
bringen  wird. 

Indessen  hat  Hr.  d'Abbadie  eine  der  28  Sprachen  an 
derselben  Stelle  etwas  weiter  beschrieben :  und  es  ist  aller- 
dings der  Mühe  werth,  dabei  länger  zu  verweilen.  Dies 
ist    die   Sprache    des    V^olkes  ISaho,    welches    nicht    weit 


1)  Engländer,  und  nach  ihnen  Hr.  Berghaus  auf  seinen  Karton, 
schreiben  auch  Hurrus;  dass  die  Sprache  dieses  Landes  wurzcl- 
hafl  semitisch  sey,  schliesse  ich  aus  den  freilich  nur  wenif^en 
Bruchstücken  davon,  welche  im  CoilviXschQQ.  Auslande  1840  Marx 
S.  303  gegeben  sind. 


413 


von  Mo^avra  (cy^jt^  gewöhnlich  Jfcwffora,  am  rothen  Meere) 
in  zerstreuten  Stämmen  lebt,  ein  von  Anfang  an  kriegeri- 
sches Volk ,  welches  sich  rühmt  in  13  Geschlechtern  von 
seinem  auf  hohem  Gebirge  wohneudeu  Urvater  Aa'saor 
^^M*ji|  dem  Sohue  einer  Löwin  abzustammen.  Der  Name 
Saho  ist  aus  der  Tigre-Sprache,  und  bildet  im  Plural  «SSe^o.* 
das  Volk  ist  also  gewiss  dasselbe ,  welches  andere  Rei- 
sende Shiho  nennen  und  mit  Gallas  und  Danägil's  zusam- 
menfassen 0. 

Wohin  man  diese  Sprache  rechnen  solle,  ist  Hrn. 
d'Abbadie  zweifelhaft;  er  bemerkt^  ihre  Laute  seyen  den 
semitischen  ähnlich^  besonders  habe  sie  das  bekannte  Merk- 
mal solcher,  ein  y;  aber  darin^  sagt  er  Aveiter,  gleiche  sie 
mehr  den  Indo-Germanischen  Sprachen^  dass  sie  vom  No- 
men oft  das  Verbum  ableite,  wie  bolile  (er  fiel  in  den  Ab- 
grund) von  bol,  Abgrund,  robile  (es  regnete),  von  rob, 
Regen '^).  Ein  solches  Urtheil  verräth  aber  nur,  dass  man 
nie  über  Sprachen  gehörig  nachdachte;  schwerlich  wird  es 
irgend  eine  Sprache  oder  einen  Sprach.stamm  geben,  der 
sich  an  einem  solchen  Merkmale  unterscheiden  Hesse,  weil 
jede  Sprache  aufs  leichteste  vom  Nomen  ein  Verbum  und 
umgekehrt  bilden  kann,  wie  es  gerade  der  Sinn  verlangt; 
vielmehr  hätte  uns  der  Verfasser  genau  sagen  sollen,  was 
bolile  und,  robile  für  Bildungen  innerhalb  dieser  besondern 
Sprache  seyen,  welches  man  aus  seinen  Mittheiluugen  nicht 
ersieht.  Auch  was  er  weiter  in  gleichem  Sinne  vorbringt, 
dass    diese  Sprache  wenige  dreilautige  Wurzeln  habe  und 


1)  S.  das  Ausland  ebend.  Man  sollte  hier  vor  allem  nicht  über- 
sehen ,  duss  die  äthiopische  Literatur  selbst  Verzeichnisse  von 
Wörtern  verschiedener  Landes-Mumlarten  besitzt,  wie  ich  oben 
S.  190  f.  gezeigt  habe:  Ur.  d'Abbadie  scheint  aber  solche  Quellen 
nicht  zu  kennen. 

2)  Wie  rob  als  Regen  dem  c'Z'2"^  deutlich  entspricht,  so  kann  man 

bol  mit  ^-2,1  und  '«jr^   (fallen)  zusammenstellen. 


414 

damit  des  bekannten  Merkmals  einer  semitischen  entbehre, 
könnte  nicht  durch  die  paar  Beispiele,  welche  er  abgeris- 
sen anführt,  sondern  nur  durch  umfassende  Darlegung  be- 
wiesen werden.  —  Vollständig  giebt  nun  der  Verfasser  die 
Bildung  eines  gewöhnlichen  Verbum,  bete  (essen  i)),  und 
eines  sogenannten  unregehnässigen,  des  Verbums  für  den 
Begriff  seyn.  Jenes  lautet  nach  ihm  so: 
Gegenwärtiy : 

nanu  bennolinu,      wir  essen 


atin  hettona  litin,    ihr 
usun  betona  lon^      sie 


anu  betoliu^     ich  esse 

atu  betlolitu^     du  .  ... 

usuk  betole,       er  ...  . 

ishe  bettole,  sie  .... 
Hiezu  giobt  Hr.  d'Abbadie  nicht  die  geringste  Bemerkung. 
Nun  leuchtet  aber  zunächst  am  leichtesten  ein,  dass  die 
voraufgestellten  Fürwörter  vollkommen  semitisch  sind  so- 
wohl an  Wurzel  als  an  Bildung;  das  einzige  tisuk,  welches 
auffallen  könnte,  erklärt  sich  hinreichend,  wenn  man  be- 
denkt dass  sin  eigentlich  hue  oder  hud  gelautet  haben 
muss ,  dies  aber  auf  ein  früheres  hula  oder  hutu  zurück- 
wcistj  dem  usti  nahe  genug  steht;  ein  k  aber  konnte  ihm 
ebenso  noch  angehängt  werden,  wie  ein  -tu  dem  äthiopischen 
vee-tu^)y  und  die  Bildung  des  weiblichen  ishe  daraus  ist 
vollkommen  semitisch.  Die  Verbalpersonen  selbst  aber  ge- 
ben sich  in  jener  Bildung  beim  näheren  Betrachten  als 
durchgängige  Zusammensetzung  kund  aus  z\wft  Wörtern, 
deren  jedes  schon  au  sich  eine  volle  V^erbalperson  ist ;  wir 
haben  vorn  ein  beto,  betto,  beiOj  betto;  benno  Cotfenbar  aus  betno 


1)  Dies  bete  mag  maa  immerbia  mit  dem  sonst  durcb  alle  semitischea 
sjprachün  geiieudea  j;'^^  zusawmcastellen ,  weiciies  dasselbe  be- 
deutet. 

8)  Wir  verstehen  nun  auch  vollkommen,  wie  im  Ncu-Uimjarischen 
nach  Fresntl  im  Journ.  as.  1838.  T.  6.  p.  83.  das  (ji  als  siufQx 
der  dritten  Person  mö;^lich  ist,  ohne  dass  wir  deswegen  nöthig 
hätten,  es  etwa  vom  Meupersischea  abzuleiten. 


415 


erweicht),  betton,  heton,  Jiinlen  dagegen^  nar  io  der  weib- 
lichea  dritten  Person  mangelhaft,  ein  aliu,  alitu,  ale,  alinu, 
alitin,  ahn:  jenes  ist  schon  eine  vollkommene  semitische 
Verbalbildung  durch  alle  Personen,  indem  das  /  der  zwei- 
ten Person  sich  in  der  Einzahl  und  Mehrzahl  mit  dem  / 
der  Wurzel  vereinigt  hat,  ebenso  aber  auch  ein  /  als  Rest 
der  weiblichen  dritten  Person  erscheint;  dieses  ist  eine 
nicht  weniger  klare  Verbalbildung,  wo  in  der  ersten  Person 
der  Einzahl  das  -t/  wahrscheinlich  aus  dem  äthiop.  -ku 
geblieben  ist.  Da  nun  das  äthiop.  halö  und  amhar.  ala  ^ 
soviel  als  seyn  bedeutet  und  dazu  recht  eigentlich  den 
africanischcn  Zweig  des  Semitischen  unterscheidet,  so  kön- 
nen wir  nicht  zweifeln,  dass  jene  gegenwärtige  Zeit  durch 
Zusammensetzung  des  einfachen  Verbum  mit  dem  des 
Seyns  gebildet  ist,  welches  ähnlich  in  vielen  Sprachen 
wiederkehrt;  während  Hr.  d'Abbadie  schon  durch  die 
Schreibarten  bettona  litin,  betona  Ion  genug  zeigt,  dass  er 
an  alles  dies  nicht  gedacht  habe. 


Vergangen : 
bete,      ich  ass 
bette, 
bete, 
bette, 


du 
er 

sie 


Zukünftig  : 
beta,    ich  werde  essen 
betta,  du 


beta,    er 


Befehlend: 


bet, 

beto, 

betto, 

benno, 

beta. 


ISS 

er  esse 
sie  esse 
essen  wir 
esset 


betona,  essen  sie 


betta,  sie  ...... 

benne,  wir  . . .       benna,  wir   ..... 

betten,  ihr  . . .        bettan,  ihr 

beten,    sie  . . .       betan,    sie 

Die  Bildung  der  Verbalpersonen  an  sich  ist  schon  aus 
Obigem  deutlich.  Aber  höchst  merkwürdig  ist ,  dass  die 
Zeilbildung,  welche,  wie  man  nach  semitischer  Weise  zu- 
nächst erwartet,  das  Vergangene  bedeutet,  durch  den 
blossen  Wechsel  eines  schliessenden  a  mit  e  auch  die  Zu- 
kunft aussagt:   ich  gestehe  iudess ,    dass  mir    dies   nur  so 


1)  S.  Isenberg's  amharic  grammarr  p.  64j   vgl.   auch  eine  ähnliclie 
Zettbildung  p.  66. 


41« 

vorkommt,    als   wenn   das   hebräische  Perf,  conaeq,  n-in^ii« 

welches  bekanntlich  den  Ton  nach  hinten  zieht,  aber  so 
die  Zukunft  bezeichnen  kann,  nun  auch  einmal  ohne  Vav 
ganz  rein  als  selbständige  Zeitbildung  aufträte.  Nun  aber 
ist  das  Hebräische  die  einzige  semitische  Sprache,  welche 
in  dieser  Seltsamkeit  dem  Saho  begegnet,  und  aus  deren 
Zustande  sich  die  Bildung  dieses  erklärt;  aus  andern  se- 
mitischen Sprachen  heraus  hätte  sich  etwas  dieser  Art  nie 
bilden  können;  wir  können  also  hienach  ermessen,  in  wel- 
cher ungemein  frühen  Zeit  das  Saho  sich  vom  gemeinsa- 
men Stamme  getrennt  haben  muss.  —  Dass  sodann  nach 
solchen  Vorgängen  sich  ähnhch  ein  Imperativ  bildete  der 
nun  ebenso  vollständig  werden  konnte^  wie  im  Indo-Ger- 
manischen,  ist  nicht  unerwartet;  eine  Mischung  des  Saho 
mit  dem  Indo-Germanischen  würde  aber  nur  ein  Unbeson- 
nener daraus  beweisen  wollen.  —  Auch  ein  Subjunctiv 
^oder  wie  Hr.  d'Abbadie  es  nennt  verhe  ä  Vetat  construif) 
hat  sich  nun  daraus  hervorgebildet  vermittelst  eines  hinten 
antretenden  -m,  gewiss  ursprünglich  eines  Wörtchens,  wel- 
ches etwa  unserm  dass  entsprach  und  wobei  nur  seine 
Anhängung  besonders  merkwürdig  ist:  betam,  hettam,  betanij 
bettatn;  bennam,  bettanam,  betonanij  z.  B.  anu  betam  fada^ 
ich  wünsche  zu  essen.  Mit  dem,  was  man  im  Acthiopischen  und 
Amharischen  etwa  ähnlich  genannt  hat,  hat  diess  (anders 
als  d'Abbadie  wenigstens  von  letzterem  behauptet)  an 
Begriff  und  Art  nichts  gemein;  vielmehr  entspricht  ihm  der 
Subjunctiv  im  Aethiopischen. 

Scheint  es  nun  hiernach,  als  hätte  das  Saho  das  se- 
mitische Imperfectum  ganz  aufgeben  können,  weil  es  dessen 
Bedeutungen  auf  andere  Weise  ergänzt:  so  sehen  wir 
doch  eben  diese  den  Semiten  so  ganz  eigenthümliche  Zeit- 
bildung in  andern  Fällen  noch  in  voller  Klarheit  beibehalten, 
und  es  wird  dadurch  aufs  neue  sicher^  dass  diese  seltsame 
Sprache  eine  rein  semitische  Wurzel  hat.     Einmal  nämlich 


417 


findet  sich  noch  eine  von  d'Abbadie  die  wirklich  gegen- 
wärtige  genannte  Zeit,  deren  Bedeutun«:;  wie  sie  sicli  von 
jener  zuerst  gesetzten  Gegenwart  unterscheide,  wir  nicht 
erfahren.  Sie  lautet:  betak  arte,  ich  bin  essend,  bettak  tane^ 
beta  Jane,  beta  {betta?)  taue;  bennan  nane ,  bettan  /anön, 
beta  janön.  Das  je  erste  Glied  ist  also  wie  oben,  nur  dass 
in  der  ersten  und  zweiten  Person  ein  k  sich  anhängt,  welches 
wir  aus  dem  Aethiopischen  begreifen;  das  je  zweite  Glied 
ist  aber  ein  vollkommen  semitisches  Imperfeciumy  von  einer 
Wurzel  an,  welch  mit  dem  oben  im  Perf.  vorgekommenen 
al  (seyn)  wohl  einerlei  seyn  mag.  Zweitens  kommt  uns 
nun  das  oben  erwähnte  sogenannte  unregelmässige  Verbum 
zu  Hülfe,  welches  so  lautet: 


Gegenwärtig : 

Verg 

angen : 

Zukunft: 

kio 

ich  bin 

ekke 

ich  war 

akke      ich  werde  seyn 

kito 

du    .  . 

tekke 

du     .  . 

takke     du 

keni 

er     .  . 

jekke 

er      .  . 

jakke     er 

— 

sie    .  . 

tekke 

sie    .  . 

takke     sie 

kino 

wir   .  . 

nekke 

wir   .  . 

nakke    wir 

kitin 

ihr    .  . 

tekkin 

ihr    .  . 

takkin  ihr 

kinun 

sie    .  . 

jekkin 

sie    .  . 

jakkin  sie 

Hier  haben  wir  unverkennbar  die  auch  im  Aethiopischen 
gebräuchliche  Wurzel  q^^,  deren  schliessendes  n  sich  freilich 
nur  noch  in  der  dritten  Person  Perfecli  keni  und  kinun 
erhalten  hat :  doch  hat  ja  das  Saho  hier  nur  fast  die  ganze 
Bahn  zurückgelegt,  welche  auch  das  Arabische  durch  das 
dichterische  »^  für  ^,  schon  betritt.  Aber  wie  das  in 
einer  einzelnen  Sprache  zerstreut  und  daher  scheinbar  ge- 
setzlos dastehende  meist  ehrwürdiger  Rest  früherer  Bil- 
dung ist,  so  sehen  wir  hier  nun  wirklich  noch  das  Iraper- 
fcctum  in  seiner  ganzen  Bedeutung,  und  zwar  gerade  so 
wie  im  Hebräischen,  und  in  diesem  fast  allein  »),  nämlich  mit 


1)  lo  gewisser  Hinaicht  gehört  auch  das  arab.  jj^   ^IJ  dahin. 
V.  27 


418 

dem  Wechsel  von  e-a  (der  nach  Obigem  auch  im  Perf. 
wiederkehrt)  in  der  kürzern  Aussprache  ekke  als  Iniperf. 
praeteriti;  in  der  längern  akke  als  Zukunft;  nur  dass  im 
Hehr,  jener  gewöhnlich  (doch  nicht  immer)  mit  dem  Vav 
consequ.  steht,.  iai<»i    ID«». 

Ausserdem  gibt  d'Abbadie  nur  noch  folgendes  Verbum 
in  der  Bedeutung  »ich  war«  eigentlich  "ich  wartete«:  am- 
hale.j  ambrtlte,  ambale,  amhalte ;  ambalne,  amballen,  ambalenß 
es  konMut  in  der  Personbildung  mit  den  obigen  überein. 

Das  Causal  -  Verbum  bildet  sich  im  Saho  beständig 
durch  ein  angehängtes  -ösh.  Die  Anhängung  statt  der 
Vorsetzung  ist  in  diesem  Falle  allerdings  nicht  weiter  auf 
semitischem  Gebiete  üblich r  allein  etwas  wesentliches  liegt 
doch  in  diesem  Unterschiede  nicht;  und  was  den  Laut  be- 
trifft, so  bildet  nicht  nur  das  Amharische  das  Causal-Verbum 
sowohl  durch  as-  als  durch  a-  *) ,  sondern  der  so  häufige 
zehnte  Verbalstamm  im  Arabischen  auf  isf-  kann,  wie  ich 
schon  1830  in  der  arabischen  Grammatik  zeigte,  nichts  seyn 
als  das  Reflexivum  des  Causale.  Wir  werden  daher  die 
Causalbildung  auf  -as  (welches  ja  zerstreuter  auch  im 
Aramäischen  und  Hebräischen  wiederkehrt)  vielmehr  über- 
haupt für  die  ursprüngliche,  die  auf  -a  für  die  gemilderte 
halten  müssen. 

Ueher  das  Nomen  sind  die  Mittheilungen  d'Abbadie's 
zu  abgerissen  und  verwirrt,  als  dass  ich^  da  mir  zu  wenig 
sicherer  Stoff  vorliegt,  hier  viel  darüber  sagen  könnte.  Er 
meint,  das  Saho  habe  darin  etwas  sehr  besonderes,  dass 
es  ein  Ausrufwörtchen ,  wie  6  zur  Bildung  des  X'ocativs 
dem  Nomen  anhänge,  statt  es  ihm  vorzusetzen:  allein  dies 
ist  gar  nichts  so  sehr  cigeuthümliches,  da  es  sich  nicht 
mir  auch  in   andern  semitischen  Sprachen   findet,   sondern 


1)  8.  I.sENiiKHa's  aniharic  dictiuuar^    p.  63,   asbalä    und  abala  von 
bald. 


selbst  im  Indo-gerraanischeii;  wie  ich  in  mündlichen  Vor-» 
trägen  den  Sanskrit- Vocativ  (wenigstens  in  manchen  der 
Fälle,  wo  er  vom  Nominativ  abweicht)  nie  ohne  diese  An- 
nahme habe  erklären  können.  Man  mag  also  hieraus  aufs 
neue  erkeimen,  wie  unwesentlich  in  gewisser  Hinsicht  die 
Anhängung  oder  Vorsel^ung  von  Bildungs- Wörtchen  istj 
sobald  es  sich  vom  Unterschiede  ganzer  Sprachen  und 
Sprachstämme  handelt.  —  Wichtiger  ist,  dass  er  eine  Art 
Status  conslnicttis ,  wie  ihn  Ludolf  im  Aethiopischen  be- 
schrieben habe,  im  Saho  zu  finden  glaubt.  Allein  die 
Fälle,  welche  er  anführt,  sind  vielmehr  von  sehr  verschie- 
dener Art.  Einmal  meint  er,  ein  i  am  Ende  des  Nomen 
bezeichne  den  status  consfntctus:  nun  sind  zwar  die  Fälle 
dieses  angehängten  i,  welche  ich  aus  seinem  Aufsatze  zir- 
sammenlese,  schwer  initer  ein  Gesetz  zu  bringen ;  denn  in 
den  meisten  Beispielen  scheint  dies  i  das  Subject  des  Satzes 
(einen  Nominativ,  etwa  im  Gegensalze  zu  einem  a  des 
Accusativs)  zu  bedeuten,  hjkwti  d.  i.  der  Mann  von  hjkwto  i), 
re%anti  d.  i.  der  Anführer  von  rezanto"),  jeli  jalige  (Gott 
weiss)  von  jalla  Gott  3),  andere  aber  lassen  sich  so  nicht 
fassen,  wie  alt  saratti  ([die  Antilope  der  Höhe)  von  ala 
^  d.  i.  Höhe;  allein  zu  einem  status  constructus,  wie  er 
im  Aethiopischen  ist,  führt  doch  dies  alles  so  wenig,  dass 


1)  "'•n  cig.  Lebend,  wie  dasselbe  Wort  im  Aethiop.  so  allgemeio 
Menschen  bedeuten  kann. 

Ä)  Es  wäre  schön,  wenn  wir  bierin  das  seltene  hebr.  r^^^  wieder- 
fioden  könnten;  ich  wüsste  wenigstens  für  jetzt  nichts  gegen  diese 
Annahme. 

d>  Da  dies  offenbar  mit  *I!  zusammenhängt,  so  bestätigt  das  Saho 
den  Satz  (dessen  Wichtiü;keit  ich  neulich  anderswo  weiter  aus- 
einandergesetzt habe)^  dass  ursprünglich  alle  semitischen  Sprachen 
ohne  Ausnahme  f1eDseIb«n  Namen  fQr  Gott  hatten ;  nach  dem 
Aethiop.  und  Ainhar.  könnte  man  daranzweifeln,  aber  die  Wörter 
effzie  und  amläh  können,  eben  weil  sie  eigentlich  nur  Herr  be- 
deuten, ein  ursprüngliches  Wort  flr  Oott  verdrängt  haben- 


420 

man  gar  nicht  begreift,  was  Hr.  d'Abbadie  unter  diesem 
sich  gedacht  habe.  Zweitens  soll  auch  ein  angehängtes  / 
den  Status  constructus  bedeuten:  auch  das  ist  unrichtig; 
vielmehr  ergibt  sich  aus  einer  nähern  Ansicht  der  zerstreuten 
Fälle,  dass  diess  a/,  welches  als  ta  vorgesetzt  den  Artikel 
gibt,  angehängt  als  Zeichen  des  Genitivs  dient,  in  beiden 
Anwendungen  also  dem  äthiop.  za  und  dem  aram.  n  ent- 
spricht, nur  dass  das  Genitivzeichen  in  dieser  Sprache  (was 
sehr  merkwürdig,  aber  nach  Obigem  nicht  auffallend  ist) 
äusscrlich  ganz  wie  ein  Casuszeichen  im  Indogermanischen 
erscheint,  wie  in  dem  Sprichworte:  sau-t  af  zudimam  miva^ 
ala-t  af  betam  miva  d.  i.  des  Weibes  Mund  hört  nicht  zu 
reden,  der  Ziege  Mund  nicht  zu  fressen  auf  *).  Wenn  aber 
d'Abbadie  endlich  gar  meint,  der  status  constructus  bedeute 
auch  die  Frage,  wie  kafi ,  d.  i.  heute?  von  kafa  (heute, 
ohne  FVage):  so  hätte  er  besser  gethan,  über  die  Mög- 
lichkeit, wie  ein  angehängtes  i  die  Frage  bedeuten  könne^ 
zuvor  weiter  nachzudenken ;  er  würde  dann  gefunden  ha- 
ben, dass  dies  -i?  etwa  so  viel  bedeute,  als  das  lat.  -ne? 
Dass  die  innere  Pluralbildung '^),  dieses  Hauptmerkmal 
des  Arabischen  und  Acthiopischen  im  Gegensatze  zum 
Hebräischen  und  Aramäischen,  dem  Saho  nicht  fehle, 
schliesse  ich  aus  mehreren  Erscheinungen;  Hr.  d'Abbadie 
schweigt  darüber.     Wenn  aber  Wörter  wie  hjkwto  die  Ein- 


1)  af  bedeutet  wie  im  Acth.  ii.  Anihar.  den  Mund,  mi  ist  die  Ver- 
neinung, wie  im  Amhar.  weniu;$teu.s  das  nachgesut/.te  -m,  Isrn- 
BERO'8  amharic.  gr.  p.  1.53.;  über  den  Subjuuctiv  betam  ist  oben 
geredet. 

2)  So  habe  ich  seil  etwa  10  Jahren  in  mündlicher  Rede  immer  das 
genannt,  was  man  sonst  den  pluralis  fractus  nennt;  es  ist  eine 
wirkliche  Pluraibildung,  aber  im  Gegensatze  zu  der  altern  äussern 
eine  Innere,  welche  vcrhältnissmassig  jünger  seyn  muss:  aus  dem 
ursprünglichen  -an  oder  -am  als  Pluralendung  hat  sich  nur  das 
ä  erhalten,  aber  ist  in  das  Wort  selbst  eingedrungen;  diess  ist 
wenigstens  die  üauptbildung. 


421 

zahl  Mensch  und  hjkic,  als  wäre  dies  eine  wahre  Pliiral- 
bildang,  Menschen  bedeuten,  so  müssen  wir  darin  vielmehr 
die  arabische  Bildung  der  Vereijizelung  (das  sog.  Nomen 
tinitatis')  erblicken. 

Der  Artikel    ist  wie   gesagt   ta.     Wenn   sich  nun  das 

bezügliche  Fürwort    und  Adjecliv    durch    die   Endung   -tia 

bildet,  wie  betatia,    d.  i.  wer  isset,   so  begreifen  wir  nicht 

nur,  wie  dies  Fürwort  im  Amharischenya  lauten  kann  (aber 

*  dass  nur  keiner  deswegen  das  Amharische  aus  dem  Sanskrit 

ableite!)  sondern  auch  wie  die  Endung  \J~ )  arara.  -ai  für 
die  bezüglicheu  Adjectiva  entstanden  seyn  rauss. 

Ueberblickcn  wir  noch  einmal  das  Ganze,  so  werden 
wir  nicht  zweifeln,  hier  eine  wurzelhaft  semitische  Sprache 
zu  finden.  Aber  diese  Sprache  ist,  obwohl  jetzt  zuerst 
bekannt  werdend,  eine  in  vieler  Hinsicht  höchst  merk- 
würdige. Konnte  man  bisher  vermuthen,  das  Aethiopische 
stelle  etwa  mit  dem  Amharischen^  als  seinem  neuem  Zweige, 
den  ganzen  Umfang  des  Semitischen  in  Africa  dar^  so 
lernen  wir  nun,  dass  es  in  Africa  selbst  höchst  verschie- 
dene Zweige  des  Semitischen  giebt,  welche  sich  schon  iu 
einer  für  uns  bis  jetzt  uuermesslichen  Urzeit  getrennt  haben 
müssen ;  man  bedenke  doch,  welche  Zeit  es  gewesen  seyn 
muss,  als  das  Semitische  noch  seine  dritte  Verbalperson 
der  Mehrzahl  auch  im  Perfectura  auf  -ün  ausgehen  liess, 
welche  dem  Ursprünge  völlig  entsprechende  Aussprache 
das  Saho  erhalten  hat,  während  sie  in  allen  andern,  uns 
bis  fetzt  bekaimten  Semitischen  Zweigen  verloren  gegan- 
gen ist  ^).  Eine  so  grosse  Trennung  der  Sprachen  setzt 
aber   auch   immer  eine   entsprechende  der  Völker    voraus: 


1)  Im  Aethiop.  und  Amhar.  isl  daa  -n  sogar  im  Imperfectum  überall 
verloren,  so  dass  es  auch  deswegen  den  Unterschied  des  selb- 
ständigen und  unselbständigen  Modus  auf  eine  neue  Art  durch 
inneren  Yocalwechsel  oder  bestimmter  durch  das  Eindringen  eines 
neuen  Yocals  in  den  Stamm  tu  bilden  gewöhnt  ist. 


4M9 

welche  ^anz  neue  Ansichten  ergeben  sich  also  aus  dem 
Daseyn  einer  solchen  Sprache  in  Africa  für  die  Urgeschichten 
der  semitischen  V^ölker  und  Sprachen! 

Für  die  genauere  Erkenntnis«  ferner  jedes  grössern 
Sprachstammes  und  aller  besoudern  zu  ihni  gehörigen  Spra- 
chen, gewährt  eine  solche  in  den  frühesten  uns  unbekannten 
Urzeiten  losgetrennte  Sprache  den  Nutzen,  dass  wir  durch 
sie  und  ihre  \^ergleichung  auf  überraschende  Weise  den 
Zustand  und  die  Fähigkeiten  der  Ursprachen  wieder  näher 
erkennen  und  dadurch  auch  in  den  übrigen  Sprachen  manches 
viel  sicherer  verstehen.  Hiezu  dürfen  wir  nicht  zögern, 
auch  solche  Sprachen  näher  anzusehen,  die  bis  jetzt  völlig 
im  Dunkeln  blieben  und  welche  nie  schriftlich  geworden 
sind;  ja  wir  möchten  behaupten,  dass  die  bedeutendsten 
Fortschritte,  welche  künftig  die  wissenschaftliche  Sprach- 
kunde machen  kann,  gerade  von  solchen  bis  dahin  unbe- 
achteten Seiten  des  grossen  Gegeiistandes  ausgehen  müssen. 
«'  Es  ist  der  Vorzug  höherer  Sprachenkunde,  dass  sie 
Äüf  ihrem  weiten  Gebiete,  worin  bis  jetzt  weniges  sicher 
bekannt  und  noch  wenigeres  wissenschaftlich  erkannt  ist^ 
jede  Sprache,  die  sie  wirklich  näher  begreift,  in  ihren 
volksthümlichen  Zusammenhang  zurück  weist  und  zugleich 
aus  ihr  selbst  geschichtlicii  erläutert,  ob  sie  sich  früher 
öder  später  von  diesem  getrennt  habe.  Der  rechte  Weg, 
so  zuletzt  alle  Sprachen  der  Erde  sicher  zu  übersehen 
und  zu  ordnen,  ist  jetzt  möglich,  nachdem  die  W^issenschaft 
die  rechte  Art,  die  Sprache  zu  betrachten,  wenigstens  im 
Allgemeinen  gefunden  hat:  und  wenn  der  Mensch  alle 
Pflanzen  und  die  kleinsten  Thicre  der  Erde  in  eine  wissen- 
schaftliche Uebersicht  zu  bringen  längst  angefangen  hat, 
so  sollte  er  doch  wohl  auch  seine  eignen  Geschlechter  für 
einer  solchen  Mühe  werlh  halten;  auch  ist  damit  gegen- 
wärtig desto  mehr  zu  eilen,  je  schneller  jetzt  vor  der  Aus- 
breitung der  Europäer  kleinere  Völker  und  Sprachen,  welche 
eben  der  Wissenschaft  die  wichtigsten  seyn  können,  für 
nimer  zu  verschwinden  drohen. 


423 

Dass  zn  diesem  Zwecke  die  Missionarieii  (zu  dereo 
Zahl  auch  Hr.  d'Abbadie  gehört)  die  besten  Dienste  leisten 
können,  habe  ich  in  den  letzten  Jahren  oft  geäussert;  und 
ich  erkenne  dankbar  alles ,  was  sie  bei  dem  neuen  Eifer, 
welcher  üi  jüngster  Zeit  in  das  Missionswesen  gekommen 
ist,  schon  gethan  haben.  Aber  zweierlei  sollten  diese  Ar- 
beiter nie  vergessen:  einmal  nicht  sich  selbst,  durch  die 
wechselseitige  Eifersucht  unter  einander,  weil  der  eine  in 
Diensten  Rora's  ist  und  der  andere  in  denen  Englands;  und 
leider  zeigt  auch  Hrn.  d'Abbadie's  Beispiel ,  dass  hier  die 
bei  weitem  grössere  Schuld  auf  Seiten  der  römischen  Send- 
linge  ruhet.  Wer  sein  Höchstes  darin  setzt,  dem  jetzigen 
Rom  zu  dienen^  der  hat  den  besten  Theil  seines  Geistes 
schon  anderweitig  verschenkt:  und  was  wird  der  übrige 
dem  Christenthume  und  der  Wissenschaft  viel  nützen! 
Zweitens  sollten  sie  die  Wissenschaft  nie  vergessen,  wie 
sie  sich  unter  uns  ausgebildet  hat  und  fortwährend  aus- 
bildet; die  Sprach-Wissenschaft  dient  nicht  bloss  durch  das, 
was  sie  bereits  enthält ,  sondern  auch  durch  die  Richtung, 
die  sie  dem  Geiste  gibt,  bei  einem  noch  unbe^Pluten  Ge- 
genstände sogleich  nach  den  wahren  Kennzeichen  und  Un- 
terscheidungen zu  fragen;  sowie  der  Pflanzenkundige  wohl 
weiss,  worauf  er  bei  einer  neuen  Pflanze  besonders  zu 
sehen  und  wie  er  sie  wissenschaftlich  eben  so  kurz  als 
sicher  zu  beschreiben  habe.  AVäre  Hr.  d'Abbadie  mit  einer 
vollkomranern  Kenntniss  dessen,  was  Semitisch  ist,  zu  der 
so  merkwürdigen  Saho-Sprache  gekommen:  so  würde  er 
sie  nicht  bloss  richtiger  aufgefasst,  sondern  auch  deutlicher 
und  sicherer  beschrieben  haben.  Indess  danken  wir  ihm 
auch  so  für  das  was  er  bringt. 

Hat  doch  gerade  im  Gebiete  der  äthiopischen  Sprachen 
schon  vor  anderthalb  Jahrhunderten  Lüdolf  den  Europäern 
aller  Art  und  Farbe  das  beste  Beispiel  gegeben,  wie  ein 
Gelehrter  würdig  wirken  kann.  Er,  ein  evangelischer  Staats- 
mann, aber  nichts  weniger  als  ein  Secten-Christ,  unternahm 


424 

seine  grossen  äthiopischen  Arbeiten  alle  in  der  Hoffhnng^ 
durch  sie  zur  baldigen  Wiederbelebung  eines  ganz  erstor- 
benen christlichen  Volkes  zu  wirken:  diese  menschliche 
Hoffnung  täuschte  ihn,  das  äthiopische  Volk  ist  noch  jetzt 
nicht  viel  aus  seinem  Schlafe  erweckt,  und  lange  Zeiten 
vergingen,  ehe  auch  nur  die  Europäer  seine  Werke  in  dem 
Sinne  benutzten,  der  seinem  Wunsche  entsprochen  hätte. 
Aber  nun  sehe  man,  welche  ungemeine  Veränderung  hierin 
seit  den  letzten  zehn  Jahren  eingetreten  ist^  wie  Franzosen 
und  Nichtfranzosen ,  Evangelische  und  Römische  an  den 
Ufern  des  rothen  Meeres  sich  glücklich  schätzen,  eines  der 
Werke  Ludolf's  besitzen  und  lesen  zu  können:  und  man 
wird  erkennen^  dass  eine  wahre  Mühe  um  eine  grosse  Sache 
nie  vergeblich  angewandt  seyn  kann. 

Ich  benutze  diese  Gelegenheit,  den  Freunden  der 
äthiopischen  Literatur  die  Nachricht  zu  geben,  dass  eine 
Sammlung  neuer  äthiopischer  Handschriften,  etwa  eben 
so  stark ,  wie  die  oben  Seite  164  —  201  näher  von  mir 
beschriebene,  durch  Herrn  Krapf's  preiswürdige  Bemü- 
hungen iH  Ort  und  Stelle  erworben,  hier  in  Tübingen 
nächstens  erwartet  wird.  Hr.  Krapf  ist  im  letzten  Jahre 
(wie  es  heisst)  in  Folge  französischer  Umtriebe  plötzlich 
aus  dem  Königreiche  Shoa  gewaltsam  verbannt,  ist  dann 
in  den  Wüsten  geplündert  und  mit  genauer  Noth  dem  Tode 
entronnen,  hat  aber  dennoch  wieder  das  Reich  Tigre  besucht 
und  dort  die  neuen  Handschriften  erworben.  Jetzt  aus 
allen  äthiopischen  Reichen  ausgeschlossen,  wird  er  (so  ist 
wenigstens  sein  bewundernswerther  Eiitschluss)  im  tiefen 
Süden  bis  zum  Aequator  hin  Roiche  besuchen,  von  denen 
wir  kaum  die  Namen  wissen  und  wo  dennoch  Uoberreste 
eines  alten  Christenthums  noch  zu  finden  seyn  sollen. 
Im  Februar  1844. 

Ewald. 


435 


3LVII. 

Von  morgeiiläiidlscliep  Spracheuverglel- 
chimg  in  Deutschland; 

mit  Rücksicht  auf  das  Buch : 

Ueber  das  Verhältniss  der  ägyptischen  Sprache  zum  semi- 
tischen  Sprachstamm.     Von  Theodor   BENrBY.     Leipzig: 
F.  A.  Brockhaus.   1844.  XVI.  und  366  S.  in  8. 


Diese  Zeitschrift,  so  wie  sie  ihrem  Plane  nach  ent- 
worfen und  bis  jetzt  gleichmässig  fortgesetzt  ward,  dem 
reinen  Zweck  der  Wissenschaft  dienend,  ist  ihrem  Wesen 
nach  allen  Streitigkeiten  fremd  und  muss  gelehrte  Zänke- 
reien, sofern  die  deutsche  Lcsewelt  daran  überhaupt  noch 
Vergnügen  findet,  solchen  Zeitblältern  überlassen^  welche 
sie  drucken  zu  lassen  für  nützlich  halten. 

Allein  es  können  Zeiten  kommen,  wo  die  AVissenschaft, 
auch  die  harmloseste  und  eingezogenste,  nothwendigaus  ihrer 
Ruhe  hervortreten  muss,  will  sie  nicht  durch  Stillschweigen 
mehr  gefährden  lassen,  als  sie  vor  ihrem  eigenen  Gewissen 
verantworten  kann.  Wird  eine  Wissenschaft  nicht  etwa  von 
solchen,  die  sich  nicht  zu  ihren  Kennern  und  Ausübern  rechnen, 
sondern  in  ihrem  eignen  Lager  von  solchen  verhöhnt  und 
thatsächlich  schwer  verletzt ,  welche  sich  ganz  so  stellen, 
als  gehörten  sie  zu  ihr;  so  ist  auch  der  ruhig  der  Kraft 
der  Wahrheit  vertrauende  Mann  nicht  zu  gut,  um  sich 
nicht  so  bald  und  so  entschieden  als  möglich  dem  Einreissen 
verderblicher  Richtungen  entgegeuzustemmen ;  denn  wer 
je  über  die  Möglichkeit  des  Bestehens  eines  menschlich 
Guten  nachgedacht  hat,  der  wird  finden,  dass  alles  Gute 
unter  Menschen  (und   dahin  rechnen  wir  auch  jede   echte 


426 

Wissenschaft)  nur  dadurch  keimt,  gedeihet  und  sich  erhält, 
dass  die  stets  neu  wuchernde  Saat  verderblicher  Richtungen 
stets  noch  stärker  sogleich  im  Entstehen  abgewehrt  werde, 
damit  sie  nicht  gross  geworden  vielleicht  für  lange  Zeit 
jeden  Fortschritt  zum  Bessern  hemmen. 

Nun  sind  zwar  die  morgenländischen  Wissenschaften,  wie 
sie  gegenwärtig  in  Deutschland  getrieben  werden  können,  von 
der  Art,  dass  die  Männer,  welche  sie  mit  reiner  Liebe  und 
mit  ernstem  Erfolge  betreiben,  an  ihnen  zugleich  die  beste 
Schule  des   Lebens   hai>en,    und    dass   man  hier  entweder 
ein  tüchtiger  oder  gar  kein  des  Namens  würdiger  Gelehrter 
werden  muss.     Auf  diesen    unermesslichen   Gebieten   regt 
sich  allerdings  seit  etwa  zwanzig  Jahren   ein    neuer  Geist 
in  Deutschland  immer  mächtiger,  welcher  mit  einer  Gründ- 
lichkeit und  iu  einem  Umfange,    die  beide  frühcrhin  unbe- 
kannt waren,  solche  Stücke  menschlichen  Wissens  ergreift, 
welche   doch    irgendwo    einmal   ernster   angcfasst  werden 
müssen;  wir  sind  nun  wenigstens  einmal  so  weit,  dass  wir 
begreifen  können^  welche  Art  hier  allein  erspriesslich  sey: 
aber  bei  allen  einzelnen  Erkenntnissen,   die  nun  gewonnen 
sind,  ist  die  Menge  des  noch  wenig  Erforschten  oder  ganz 
Unbekannten  hier  so  ungeheuer,   dass  schon  deshalb  diese 
Studien,   wenn  sie  wahre  Früchte   tragen   sollen,   zu  den 
schwierigsten    gehören.       Es    kommen    die   vielen    andern 
grossen  Schwierigkeiten  hinzu,  mit  welchen  diese  Wissen- 
schaften  unter  uns   zu   kämpfen   haben,  und   die  ich   hier 
nicht  in  der  Kürze  aufzählen  kann ;  schon  dass  in  Deutsch- 
land fast   jede  Anwendung  dieser   Studien  im   Volksleben 
fehlt  und  der  deutsche  Geburts-  und  Geldadel  ganz  andere 
edle  Leidenschaften  Hebt  (z.  B.  wie  wir  eben  in  Baden  er- 
lebt haben,  das  sich  Todtschiessen  im  trägen  Frieden)  als 
die  Leidenschaft,    seinen   Geist   durch  die   heitre  Strenge 
der  Wissenschaft  zu  läutern,  liegt  wie  ein  schweres  Blei- 
gewicht   auf  diesen   Studien.      Allein    mögen   sie  noch  so 
schwierig  seyn^  desto  mehr  können  und  müssen  sie  die 


427 

stärken ,  welche  sich  mit  voller  Seele  ihnen  ergeben ;  wer 
in  ihnen  etwas  wahrhaft  nützliches  und  dauerndes  leisten 
ivill,  der  mnss  woh!  (hätte  er  es  sonst  noch  nicht  orethan) 
seinen  Sinn  von  Neid,  Hass  und  andern  Krebsschädca  der 
Art  reinigen;  und  entweder  hier  wird  man  ein  wahrer  und 
durch  nichts  zu  beugender  Freund  echter  Wissenschaft  odef 
nirgends.  Ja  man  glaubt  wohl  nicht  umsonst,  dass  ebeu 
dadurch  diese  jungfräulichen  Wissenschaften  für  edlere 
Geister  einen  ganz  eigenihümlicheu  Reiz  haben ,  sowie 
dass  gerade  in  diesen  weiten  Gebieten  alle  wahrhaft  aus 
Liebe  arbeitenden  Gelehrten  sich  leicht  gegenseitig  erken-' 
neu  und  schätzen  müssen. 

Aber  leider  muss  man  bereits  eine  sehr  bedenkliche 
Seite  dieser  Wissenschaften  bezeichnen,  die  sich  in  den 
letzten  Jahren  gebiWet  hat  und  welche  leicht  noch  weiter 
um  sich  greifen  könnte.  Die  Untersuchungen  über  die 
letzten  Gründe  aller  Sprachen  und  ihren  Zusammenhang 
im  Grossen  können  nicht  mehr  vermieden  werden:  sie 
drängen  sich  auf,  sie  dienen  uns  über  manches  ganz  neue 
Aufschlüsse  zu  geben,  und  einmal  mit  Macht  unter  uns 
begouneuj  müssen  sie  allmähiig  sich  vervollkoraranen  oder 
wieder  in  das  Nichts  zurücksinken,  woraus  sie  empor- 
tauchten. Man  wird  leicht  ermessen,  mit  welchem  Nach- 
drucke ich  dies  gegen  die  behaupte,  welche  wegen  ein- 
zelner Missgriffe  lieber  an  allen  höhern  Sprachuntersuchungen 
verzweifeln,  oder  welche  das  Gebiet  dieser  Forschungen 
gegen  das  Weseu  der  Sache  in  zu  enge  Grenzen  ziehen, 
z.  B.  vor  den  Wurzeln  einer  Sprache  eine  gespenstische 
Furcht  haben.  Allein  dies  Feld  ist  schon  an  sich  so  dor- 
nenvoll, da  man  bei  jeder  besondern  Sprache  die  seltene 
Geduld  und  Geschicklichkeit  haben  muss,  zuvor  wo  nur 
irgend  möglich,  alles  Einzelne  genau  zu  verstehen,  ehe 
»man  über  höheres,  auch  nur  annäherungs^veise,  eine  richti- 
gere Vorstellung  sich  bilden  kann.  Seitdem  nun  aber  in 
jDeutschland   das  Zauberwort  «Vergleichende  Grammatiku 


428 

erscholl,  oder  vielmehr  seitdem  mau  dies  Wort  (obwohl 
die  Sache  selbst  der  Sprachvergleichungen  laugst  vorhanden 
gewesen  war)  für  etwas  Bedeutendes  anzusehen  anfing:  ist 
damit  eine  Büchse  aufgethan,  aus  der  die  Wissenschaft 
mit  immer  neuen  Uebehi  beschenkt  zu  werden  fürchten 
muss.  Das  "Vergleichen  wird  wie  zu  einer  Handwerks- 
arbeit; man  untersucht  nicht  zuvor  die  beiden  Sprachen 
oder  Sprachstämme,  welche  man  dem  Leser  zum  Besten 
vergleichen  will,  jede  für  sich  in  allen  auch  den  feinsten 
Adern  und  Sehnen^  man  lernt  nicht  jede  Sprache  erst  aus 
ihrer  eigenen  Literatur  so  vollständig  als  möglich,  und 
macht  sie  sich  zu  eigen,  wie  einen  ebenso  geliebten  als 
gefügigen  Besitz,  wie  ein  Heiligthum,  das  man  sich  theuer 
erworben  und  daher  nie  wieder  verliert  oder  gar  miss- 
braucht: man  liest  nur  die  gangbaren  gedruckten  Gram- 
matiken und  Lexica  der  einen  oder  der  andern  Sprache, 
die  man  dem  Leser  verglichen  auftischen  will ,  nimmt  hier 
einen  Fetzen  und  dort  einen,  wirft  die  zusammen  und  setzt 
sie  dem  Leser  vor  —  aber  (weil  man  meist  zugleich  Auf- 
sehen erregen  will)  nur  nicht  in  bescheidener  Stille,  denn 
wie  würde  dann  das  Werk  sich  selbst  empfehlen?  nein  unter 
Verhöhnung  des  fremden  Werkes,  aus  dem  man  die  paar 
Fetzen  genommen,  unter  Schreien  und  Lärmen  am  Alarkte, 
ja  mitten  im  V^ ersuche  offenbarster  Sinnverdrehung  nicht  nur 
verständlicher,  sondern  auch  ganz  treffender  und  uolhwen- 
diger  Worte  Anderer. 

Die  letzte  Hälfte  der  hier  entworfenen  Schilderung 
trifft  freilich  nicht  alle  Werke  dieser  Richtung;  sie  sind 
zum  Theil  sehr  harndos.  Alle  haben  nur  das  miteinander 
gemein,  dass  man  jetzt,  nachdem  der  Missbraiich,  den  sie 
treiben,  völlig  au  den  Tag  gekommen  ist,  nicht  ernstlich 
genug  vor  dem  Übeln  Beispiele  warnen  kann ,  welches  sie 
geben.  Geht  dieses  \' ergleichen  so  fort^  so  geht  eben  da- 
mit auch  alle  gründhche  Kenutniss  morgenländischcr  Spra- 
chen und  jeder  wahre  Fortschritt  auf  diesem  Gebiete  unter; 


429 

und  gewöhnt  man  sich  in  der  morgenländischen  Sprachen- 
kunde  an  ein  solches  arbeitsscheues  verworrenes  Treiben^ 
so  ist  nicht  abzusehen^  warum  nicht  nächstens  auch  die 
Volksgeschichte,  die  Literaturgeschichte  und  jedes  andere 
Feld  morgenländischer  Wissenschaft  von  solchen,  die  sich 
für  Wissenschaftsmänner  ausgeben,  ähnlich  verwüstet  werden 
sollte.  Ich  habe  seit  vielen  Jahren  keine  Gelegenheit  vor- 
übergehen lassen,  sowohl  mündlich  als  schriftlich  vor  diesen 
bedenklichen  Abwegen  zu  warnen :  ein  Aufsatz,  den  ich  in 
diesem  Sinne  in  den  G.  G.  A.  1835.  St.  120.  niederlegte, 
hat  wohl  damals  einigen  Lärm  erregen,  aber  die  dort  aus- 
gesprochenen Wahrheiten  hat  niemand  umstossen  können. 
Das  W^erk  aber,  von  dem  jene  kurze  Schilderung  voll- 
ständig gilt,  ist  das  obengenannte  des  Hrn.  Theodor  Benfey. 
Dass  das  Koptische  mit  dem  Semitischen  irgend  eine  Ver- 
wandtschaft zeige,  haben  schon  manche  frühere  Gelehrte 
gemeint,  und  hier  war  nichts  weniger  zu  machen,  als  die 
erste  Entdeckung.  Was  jetzt  zu  thun  ist,  besteht  allein 
in  der  genaueren  Untersuchung  und  Vcrgleichung  beider 
Sprachslämme  durch  alle  ihre  Theile,  damit  deutlich  werde, 
wieweit  sie  miteinander  übereinstimmen  oder  von  einander 
abweichen;  zu  diesem  Zwecke  ist  zwar  weniger  das  Se- 
mitische erst  genau  zu  erforschen^  da  es  besonders  gram- 
matisch schon  so  genau  erkannt  ist,  wie  wenige  andere 
Sprachen,  als  das  Koptische,  da  für  dieses  in  neuern  Zeiten 
zwar  Champollion,  Peyron,  Tattara,  Rosellini  viel  gethan 
haben^  die  eigentlich  geschichtliche  Sprachforschung  aber, 
wie  sie  in  Deutschland  eingeführt  ist,  in  ihm  noch  alles  zu 
thun  vorfindet.  Allein  wiewohl  das  Semitische  den  Vorrang 
genauerer  Erkenntniss  unter  uns  besitzt^  so  ist  es  doch 
von  Jedem,  der  es  mit  dem  Koptischen  vergleichen  oder 
sogar  (wie  Hr.  Benfey)  es  durch  das  Koptische  erklären 
will,  zuvor  genauer  zu  verstehen;  es  ist  in  seinen  Litera- 
turen zu  erkennen^  oder  trauete  sich  Jemand  zu,  es  ohne 
alle   Kenntuiss  seiner  Literaturen,   bloss  aus  vorhandenen 


430 

Grammatiken  nützlich  Vergleichen  und  erläutern  zu  können, 
80  würde  der  doch  wenigstens  diese  Grammatiken  genau 
lesen  und  verstehen  müssen;  und  sollte  sich  jemand  sogar 
auf  die  Vergleichiing  eines  ganz  besondern  Sprachtheiles 
beschränken  wollen  (wie  Hr.  Benfey  in  seinem  Werke  nur 
einige  Pronomina  und  deren  Anwendung  abhandelt),  so  kehrt 
tlie  Forderung^  dann  wenigstens  die  wenigen  Abschnitte 
der  Grammatiken  j  welche  man  gerade  vergleichen  will, 
sorgfältig  zu  verstehen,  wo  möglich  noch  dringender  wieder. 

Dass  nun  Hr.  Benfey,  wie  sein  Werk  zeigt,  von  den 
semitischen  Literaturen  nichts  versteht  und  alles,  was  er 
vom  Semitischen  beibringt,  rein  aus  den  neuern  Gramma- 
tiken weiss,  möchte  noch  hingehen;  es  ist  nicht  gut  und 
muss  seiner  eignen  Absicht  schaden,  doch  wir  wollen  so 
viel  von  ihm  nicht  fordern,  vielleicht  hat  er  dann  wenig- 
stens die  Grammafiken  desto  sorfffältisrer  anffjsehen.  Allein 
auf  dem  Gebiete  der  semitischen  Grammatiken  traten  ihm 
nicht  nur  meine  Werke ,  insbesondere  die  verschiedenen 
Ausgaben  meiner  hebräischen  Grammatik:  es  trat  ihm  auch 
mein  Name  entgegen  und  mein  Geist^  und  weil  an  jenem 
sich  zu  reiben  gegenAVärtig  einiges  Aufsehen  in  der  ge- 
lehrten Welt  machen  kann^  dieser  aber,  wie  es  scheint, 
nicht  so  leicht  zu  begreifen  ist,  so  beschloss  er,  meinen 
Geist  bei  Seite  zu  lassen,  meinen  Namen  aber  dafür  desto 
mehr  zu  verhöhnen  ,  und  damit  bei  der  Welt  sich  selbst 
einen  Namen,  sowie  in  der  Wissenschaft  sich  V'^erdienste 
zu  erwerben.  Weil  ihm  nun  aber,  zumal  in  Göttingen,  wo 
er  Privatdocent  ist,  auch  das  gar  nicht  -anders  auszuführen 
war  als  dadurch,  dass  er  sich  in  einen  künstlichen  Hass 
gegen  mich  versetzte  (denn  ich  sinne  umsonst  darüber 
nach,  was  ihm  denn  eigentlich  den  Hass  eingegeben  haben 
könne},  der  Hass  aber,  wie  jede  unedle  Leidenschaft  vor 
der  Welt  verhüllt  werden  muss^  so  wirft  er  sich  mit  voller 
Begier  in  die  Kcihc  derer,    welche  die  Thate»  und  Werke 


431 

des  sei.  Geseuiiis  lobpreisen;  denn  so  scheint  man  ja  um 
so  sicherer  auf  mich  schmähen  zu  können. 

Nun  ist  das  Verhäitniss  zwischen  mir  and  Gesenius 
ein  ganz,  anderes,  als  es  auf  den  Gassen  von  raüssigen 
Leuten  besprochen  wird,  und  als  die  begreifen,  welche  von 
semitischen  Literaturen  und  Sprachen  nichts  wissen.  Da 
ich  mich,  soweit  es  in  Kürze  geschehen  konnte,  in  der 
Vorrede  zum  ersten  Bande  der  Geschichte  Israels  darüber 
ausgesprochen  habe,  kann  ich  das  unverständige  Wesen 
solcher,  die  hier  keine  Stimme  haben,  ganz  ruhig  sich  selbst 
verzehren  lassen;  will  dagegen  ein  ebenso  sachkundiger, 
als  von  reiner  Liebe  zur  Wissenschaft  erfüllter  Mann  jenes 
Verhäitniss  ausführlich  darlegen,  so  könnte  der  vielleicht 
ein  zur  Zeit  recht  nützliches  Werk  damit  ausführen. 

Auch  was  Hr,  Benfey  mich  zu  lästern  vorbringt,  kann 
ich  ganz  übersehen:  die  Wissenschaft  semitischer  Gram- 
matik steht  bereits  fester  als  er  begreift,  und  ein  Lästerer 
kann  hier  nicht  lange  auf  Leser  und  Zuhörer  rechnen ;  auch 
ist  es  ein  eignes  Geschick,  dass,  da  es  doch  nicht  so  sehr 
zu  verwundern  wäre,  wenn  man  in  so  schwierigen  Sachen 
den  einen  oder  andern  Fehler  mir  nachwiese,  Hr.  Benfey 
mit  aller  Gier  nicht  das  Mindeste  hat  aufspüren  können, 
was  wirklich  dafür  gelten  könnte;  der  grösste  Theil  dessen, 
worüber  er  schreit,  beruht  rein  auf  seiner  eignen  Unwis- 
senheit und  Verdrehung:  ein  ganz  geringer  besteht  in  Sa- 
chen, die  er  geflissentlich  aus  den  frühern  Ausgaben  meiner 
Werke  hervorsucht  und  in  den  neuem  (auch  in  der  Gram- 
matik von  1842^  welche  er  noch  sehr  wohl  benutzen  konnte) 
hätte  anders  finden  können.  Und  während  er  sich  anstrengt, 
seinen  Lesern  (als  wären  die  alle  so  dumm,  solches  zu 
glauben)  fast  durchaus  nur  Schlechtes  von  mir  zu  sagen, 
nimmt  er  dennoch  so  überaus  wichtige  und  durch  alle  meine 
verschiedenen  Bearbeitungen  semitischer  Grammatik  fest- 
gehaltene Wahrheiten  stiilschweigend  von  mir  an,  wie  dass 
der  Imperativ  erst  aas  dem  Imperfectum  stamme. 


432 

So  droht  denn  durch  gewisse  Christen  ebensowohl  wie 
durch  Juden  (Hr.  Benfey  ist  Jude)  auch  in  die  raorgen- 
ländischen  Wissenschaften  ein  Geist  zu  fahren,  welcher 
uns  nur  zu  sehr  daran  erinnert,  in  welcher  Zeit  und  in 
welchem  Lande  wir  leben.  Es  ist  der  Geist  von  1830, 
aber  nicht  der  lautere,  welcher  sich  damals  in  vielen  Ländern 
stärker  regte,  sondern  der  ihm  beigemischte  unsaubere, 
der  nun,  da  jener  gedämpft  ist,  ganz  allein  herrschen  und 
lieber  alles  andre  ausser  sich  zerstören  möchte;  da  dieser 
nun  in  Deutschland  sich  sonst  nicht  regen  kann  ,  so  hat 
er  sich  in  die  Labyrinthe  der  Literatur  geworfen,  wobei 
sich  die  Ohnmacht  aller  Censur  so  klar  au  den  Tag  stellt; 
und  weil  es  in  Deutschland  keine  Minister  zu  stürzen  gibt, 
so  muss  man  Üniversitäts-Professoren  in  den  Staub  ziehen, 
je  besser  sie  »sind  desto  mehr.  Aber  noch  stehe  ich  für 
Hrn.  Benfey  und  alle  Leute  seiner  Art  aufrecht. 

Was  der  blinde  Hass  hervorbringen  musste,  hat  er 
hier  gebracht:  Hr.  Benfey,  nicht  einmal  die  gangbaren 
Grammatiken  sorgfältig  lesend,  verkennt  und  verdrehet 
das  Richtigste.  Ich  lehrte  schon  seit  1830  in  der  arabi- 
schen wie  in  der  hebräischen  Grammatik^  dass  die  Endung 
der  zweiten  Person  fem.  singul.  des  Imperfects  ^r  ihr  n 
nur  zur  Unterscheidung  des  selbständigen  Modus  von  dem 
unselbständigen  habe,  veranlasst  durch  die  häufigen  Per- 
sonen des  Plurals,  welche  sich  auf  -ün  endigen.  Diess 
ist  so  richtig  und  lässt  sich  so  leicht  noch  weiter  verfolgen, 
dass  ich  neugierig  wäre  den  Mann  zu  sehen,  welcher  diese 
Wahrheit  umstossen  könnte.  In  der  That  bringt  Hr.  B. 
nicht  im  mindesten  etwas  besseres,  da  die  Endung,  welche 
bisweilen  im  Syrischen  ...iXa-  geschrieben  wird  und  die  er 
bloss  aus  der  ersten  besten  syrischen  Grammatik  entlehnt, 
ganz  anders  geschichtlich  verfolgt  werden  muss,  als  er 
diess  thut:  aber  da  er  sich  nicht  einmal  die  Mühe  giebt, 
meine  Worte  zji  verstehen,  verdreht  er  meine  Ansicht  da- 


433 


Lin^  als  »laubte  ich,  jenes  blosse  n  mache  den  Plaral  ans 
und  die  Pluraleudung  sei  an  den  Singular  gehängt.  —  Ich 
lehre  ferner,  das  seltsame  n  welches  vor  Vcrbal-Suffixen 
eingeschaltet  erscheint  und  welches  die  frühern  Gramma- 
tiker Nun  epenthelicum  nannten,  übrigens  aber  ganz  uner- 
klärt Hessen*),  zeige  sich  mehr  bei  dem  Imperfectum  als 
bei  dem  Perfectum :  Ilr.  B.  schreit  auf^  es  zeige  sich  nur 
vor  dem  Imperfectum ;  aber  hätte  er  auch  nur  die  zweite 
der  von  mir  angeführten  Stellen  in  der  Quelle  aufgesucht, 
so  würde  er  gesehen  haben ^  welchen  guten  Grund  ich 
hatte,  dies  zu  behaupten.  —  AVeiter  lehre  ich,  die  arabi- 
schen Feminin-Endungen  ^^j.,  <L  seien   ursprünglich  von 

der  gewöhnlichen  g_  nicht  wesentlich  verschieden,  sondern 
als  Nebenarten  dieser  zu  betrachten:  dies,  im  Einzel- 
nen richtig  verstanden,  wird  sich  gar  nicht  anders  denken 
lassen^).    Hr.  B.  fasst  nicht  nur  die  völlig  verkehrte  An- 


1)  Wie  dies  im  Hebräischen  jetzt  erscheint,  hängt  es  durchaus  mit 
dem  Wesen  des  Tones  zusammen,  wie  ich  dies  so  darstellen 
musste;  hiemit  ist  jedoch  die  Frage,  woher  das  n  selbst  komme, 
noch  nicht  erledigt:  ich  habe  indessen  diese  Frage  in  der  Gram- 
matik von  1848  bereits  kurz  beantwortet  und  beantworte  sie  aus- 
führlicher in  der  jetzt  gedruckten  grossem  Grammatik. 


J  -  CS 


2)  Wie  ibj-M.  von  Oy^^S,  ^^  von  ^i\  sich  ableiten  könne,  habe 
ich  1830  in  der  arabischen  Grammatik  noch  nicht  erklärt,  seitdem 
aber  mundlich  schon  oft  gelehrt.  Mau  muss  auch  hier  innere  Um- 
bildung annehmen,  eine  ßildungsart,  welche  das  Arabische  weiter 
als  irgend  eine  andere  semitische  Sprache  ausgedehnt  hat.  Indem 
das  a,  womit  der  Stamm  solcher  Wörter  be;;innt,  bei  der  Feminin- 
Bildung  sich  wie  in  einem  krampfhaften  Zusammenziehen  des  Worte» 
zu  dem  a  der  alten  Feminin-Endung  -  at  hiubewegt  und  mit  die- 
sem zu  a  verschmilzt,  wird  das  t  dazwischen  erdrückt  und  es  ent- 
steht eine  neue  Feminin-Endung,  welche  von  vorn  an  kein  mösliche« 
t  in  sich  schliesst  und  daher  auch  ganz  anders  in  der  Schrift  aus- 
gedrückt wird.     Die  weitere  Unterscheidung   dieser  Bildung   au 

V.  28 


434 


sieht,  die  Feminin- Endung  sei  |bloss  -tj  tu  (o,  wie  er 
schreibt),  während  der  Anfang  jeder  sichern  Einsicht  dieser 
ist,  dass  sie  vollständig  -al  oder  dafür  -aÄ  lautete,  sondern 
er  schiebt  mir  auch  diese  Verkehrtheit  unter,  wobei  er  es 
denn  leicht  hat,  jenen  Zusammenhang  zu  läugnen.  —  Ich 
lehre  in  dem  Hebräischen  nij<  als  Zeichen  des  Accusativs 
sei  ein  altes  Reflexiv-Pronomen  verborgen,  es  entspreche 
sowohl    dem  syrischen   Aj,  welches  selbst  erst    aus    dem 

äthiopischen  kijat  verkürzt  ist,  als  dem  arabischen  Gt  wel- 

ches  hinten  nach  dem  langen  Vocale  das  /  abgeworfen 
hat*)'  Ich  will  nun  gar  nicht  anführen^  was  Hr.  B.  selbst 
aus  dem  hebräischen  nix  macht:  schon  der  eine  Umstand, 
dass  er  an  allen  Stellen  seines  Buches   das  entsprechende 

arabische  Wort  als  Li  anführt,  ist  für  ihn  bezeichnend 
genügt).  So  könnte  ich  noch  lange  fortfahren,  Hrn.  Ben- 
fey's  Verfahren  in  dieser  Richtung  aufzuzeigen:  doch]  für 
die  Leser  dieser  Zeitschrift  habe  ich  vielleicht  schon  zu 
viel  geredet. 

Wenn  nun  Hr.  B.  so  wenig  das  verstand^   was  er  in 
neuern  Grammatiken  vollkommen  richtig  auseinandergesetzt 


den  zwei  Aussprachen  ttJ>_j,*M  und  (^^  ist  dann  bloss  aus  dem 
Streben  verschiedene  Bedeutungen  uuch  im  Laute  zu  trennen  her- 
vorgegangen. 

1)  Ich  habe  die  meisten  Glieder  dieser  merkwürdigen  Reihe  schon 
früher  dargelegt,  weiter  ist  davon  in  der  jetzt  gedruckten  grössern 
Grammatik  die  Rede. 

2)  Allerdings  schreiben  unsere  Lexica  auf  die  Aussage  des  Qämüs 

Lt,   woraus  Gesenius  in  seinen  Wörterbachern  üt  gemacht  hat: 

* 
allein  so  unterrichtend  es  wäre   zu  wissen ,    wie  der  Qamus   der 
ersten  Sylbe  ausser  t  auch  ein  a  als  möglichen  Vocal  ziischrüibcn 
konnte,   so  steht  doch   für  jeden,  der  die  Literatur  kennt,  fest, 
das*  fn  den  gewöhnlichen  punctirten  Büchern  stets  »  erscheint. 


i 


435 


finden  konnte:  wie  wird  er  dann  verfahren,  wenn  er  etwas 
A'cues  über  das  Semitische  aufzustellen  unternimmt!  Der 
hebräische  und  arabische  Artikel  Sn  J^  soll  aus  den  beideo 
koptischen  Wörtern  kha  ro  hervorgegangen  seyn  und  ei- 
gentlich bedeuten  gegen  das  Gesicht,  dann  was  anbelangt; 
das  semitische  Fürwort  n->  ein  Wörtchen^  völlig  so  un- 
schuldig wie  das  deutsche  der,  soll  aus  dem  ägyptischen 
^  0  d.  i.  sagen  und  dem  hebräischen  Hin  znsammengezogea 
seyn  und  eigentlich  bedeuten  nämlich  er;  das  -anna  des 
verstärkten  Imperfccts  im  Arabischen  soll  aus  dem  bekannten 

^  hebr.  nsn  »i^he  entstanden  seyn,  obwohl  man  es  als  das 

wahre  Leben  dieser  Wörtchen  im  Hebräischen  und  Ara- 
bischen bezeichnen  niuss,  dass  sie  nur  voran  gestellt 
Sinn  haben.     Ich  denke  das  ist  genug. 

Was  weiter  die  allgemeine  Sprachphilosophie  des  Ver- 
fassers betrifft,  so  mögen  folgende  Beispiele  davon  genügen. 
Die  Feminin -Endung  -i  im  Sanskrit,  lehrt  der  Verfasser 
sogleich  vorn  mit  grossem  Geräusche,  sei  nichts  a^  das 
bekannte  Pronomen  i,  das  fem.  von  i  (lat.  is):  aber  woher 
bildet  sich  denn  nun  das  »  als  fem.  von  i?  ist  es  denn 
nicht  einleuchtend,  dass  es  nur  eine  und  dieselbe  Sprach- 
kraft seyn  kann,  welche  hier  von  dem  AVörtchen  i  ein 
fem.  i  und  dort  von  tiulant  ein  fem.  tudanti  bildet?  Die 
Dual-Endung  sey  eigentlich  w,  und  dies  komme  von  r«, 
dies  wieder  von  dta:  sehr  wohl^  das  ist  allerdings  greiflich! 
aber  woher  kommt  das  u  in  dtau  selbst?  woher  das  -au 
nicht  bloss  in  Stämmen  auf  -a  sondern  euch  in  allen  an- 
dern? woher  das  semitische  ai  (welches  offenbar  als  Dual- 
zeichen dem   Sanskrit    au   entspricht)   in  -»;j~«  und   andern 

Wörtern?  Die  bekannte  sanskrit  Genitiv -Endung  -sja 
sey  eigentlich  eine  Adjectiv- Endung  von  der  Wurzel  aa 
d.  L  seyn  (diese  arme  Wurzel,  welche  noch  immer  soviel 
herhalten   muss,   wenn   der  Spracherklärer   nichts  weiss!), 


436 

fivasja  bedeute  eigentlich  seiend  von  ^ica,  und  damit  sei 
das  Neuarabische  vjj;^'**^^^  ^i  V^  Buch  (^BesiizJ  des 
Diebes  zu  vergleichen. 

Doch  endUch  genug  mit  Allem.  Ich  kenne  die  Werk© 
des  Hrn.  Verfassers  zur  Erklärung  des  Indo-Germanischen 
nicht  weiter  als  nach  den  eben  raitgetheilten  Spuren:  Avas 
das  Semitische  betrifft,  so  muss  ich  wünschen^  dass  er  Ge- 
duld und  Aufopferung  besitze,  es  erst  zu  lernen.  Hr.  B.  mag 
wissen,  dass  ich  ein  guter  Christ  zu  seyn  mich  bemühe: 
damit  weiss  er  zugleich,  welches  meine  Waffe  sey  gegen 
seinen  zum  Glück  vollkommen  grundlosen  Hass;  und  wie 
sogar  der  Entschluss  zu  dieser  Anzeige  seines  Werkes 
aus  nichts  geflossen  ist  als  aus  reiner  Liebe  zur  Sache 
und  zu  ihm,  so  werde  ich  mich  künftig  freuen,  wenn  ich 
über  seine  Werke  anders  urtheilen  kann  als  diesmal.  Sollte 
er  freilich  künftig  nicht  einmal  soviel  begreifen,  aus  wel- 
cher Gesinnung  ich  in  meinem  gelehrten  Leben  handle:  so 
wird  er  auch  den  Sinn  dieser  Anzeige  seines  Buches  nicht 
erkennen.  Die  Wissenschaft  hat  gegen  alle  ihre  Wider-, 
sacl^,  die  gelehrten  und  die  nicht  gelehrten,  weiter  keine 
Waffe  als  die  Aufstellung  der  Wahrheit,  sowie  der  echte 
Christ  keine  als  die  Liebe:  aber  diese  beiden  Waffen  wird 
mir  niemand  nehmen. 

Bilden  sich  künftig  die  Anfänge  einer  Sprachwissen- 
schaft, welche  in  einzelnen  morgenländischen  Sprachen 
unläugbar  schon  gegeben  sind,  durch  gute  Kräfte  unter 
uns  weiter  aus,  so  wird  Deutschland  auch  dadurch  Ruhm 
nach  aussen  sowohl  als  neue  innere  Stärkung  empfangen: 
wie  jetzt  aber  die  Sprachvergleichung  von  nicht  wenigen 
in  Deutschland  getrieben  wird^  wird  dadurch  nur  die  Zahl 
der  Uebel  vermehrt,  an  denen  wir  ausserdem  schon  genug 
leiden.  Ewald. 


Uebersichten  und  Beurtheiluugen. 


I. 

Ueber  das  Puschtu  oder  die  Sprache  der  Afghanen j  ron 
Berxb.  Dorn.    St.  Petersburg  1840.     163  S.  io  4. 

Ein  erster  Versuch  über  den ,  Aceent  im  Sanskrit.  Von 
Otto  Boehtlingk.    St.  Petersburg  1843.    114  S.  in  4. 

Diese  beiden  umfangreichen  Abhandlungen,  welche  ver- 
mittelst der  Kaiserlich-Russischen  Akademie  und  innerhalb 
der  Reiho  ihrer  Abhandlungen  erschienen  sind,  können  uns 
lebhaft  an  die  ausgezeichneten  Dienste  erinnern,  welche 
diese  in  neueren  Zeiten,  was  das  Morgenländische  Fach 
betrifft,  einzig  dastehende  Akademie  der  Wissenschaft  lei- 
stet. Was  man  auch  immer  im  übrigen  Europa  über  Russ- 
land denken  mag,  wir  müssen  eine  Regierung  preisen,  die 
mit  so  grosser  dauernder  Gunst  und  dabei  so  wenig  auf 
den  unmittelbaren  Nutzen  bedacht,  den  Anbau  von  Wis- 
senschaften befördert ,  welche  ihrer  Eigenthümlichkeit  zu- 
folge mehr  als  viele  andere  solcher  Hülfe  bedürfen.  Zu 
Frähn  und  I.  J.  Schmidt,  welche  schon  lange  Zierden, 
sowohl  jener  Akademie,  als  dieser  Wissenschafton  waren^ 
sind  nun  in  neueren  Zeiten  Dorn  und  Boehtlingk  gesellt, 
jener  schon  durch  mehrere  gediegene  Arbeilen,  insbeson- 
dere aus  dem  Fache  des  Islamischen,  dieser  durch  sehr 
gründliche  Kenntnisse  im  Kreise  der  Indischen  Welt  rühm- 
lich bekannt. 

Die  Abhandlung  DoRx's  ist  eine  sehr  schätzenswerthe 
mid  erwünschte  Fortsetzung  zu  meiner  eigenen  Abhandlung 
über  das  Puschtu,  welche  1839  im  2.  Bande  dieser  Zeit- 
schrift erschien  und  auf  welche  Dorn  schon  Rücksicht 
nimmt.  Während  indess  meine  Abhandlung  (wie  Dorn  sagt) 
die  erste  in  diesem  Gebiete  und  während  sie  mehr  wissen- 
schaftlich zusammengedrängt  war,  ist  die  Arbeit  Doru's, 
ohne     auf   weitere    Sprachvergleichung    einzugeben,    auf 


438 

grössere  Ausführlichkeit  in  der  Erklärung  des  Afghanischen 
selbst  angelegt,  bestimmt  einiges,  was  mir  noch  nicht  ganz 
entschieden  war,  näher,  und  giebt  vorzüglich  aus  hand- 
schriftlichen Divanen  zweier  Afghanischen  Dichter  und  an- 
deren Quellen  dieser  Art,  eine  grosse  Menge  von  Belegen; 
einige  kleinere  Gedichte  sind  fast  vollständig  mitgetheilt, 
und  ist  dies  also  wohl  das  erste  Mal,  dass  eine  Blumenlese 
Afghanischer  Literatur  gedruckt  erscheint.  Man  wird  sich 
künftig  nach  diesen  beiden  Abhandlungen  eine  ziemlich 
genügende  Vorstellung  über  das  Afghanische  entwerfen 
können:  da  jedoch  in  dieser  Zeitschrift  schon  mehrfach  von 
den  zwischen  Indien  und  Persien  schwebenden  Sprachen 
die  Rede  war^},  so  v^erwendeu  wir  den  hier  zugemesse- 
nen Raum  wohl  besser  auf  eine  nähere  Untersuchung  der 
Arbeit  Boehtlingk's  über  den  Accent  im  Sanskrit. 

Was  ist  eine  Sprache  ohne  Accent?  ein  Glied  ohne 
Bewegung,  ein  Gesicht  ohne  Farbe.  Der  feinste  und  zu- 
gleich der  eigenthümlichste  Geist  einer  Sprache  giebt  sich 
in  der  Macht  zu  erkennen,  welche  ohne  ein  einzelner  Laut 
zu  seyu,  vielmehr  alle  Laute  jedes  Wortes  scharf  zusara- 
menfasst  und  so  jedem  Worte  erst  seinen  lebendigen  Sinn 
mittheilt,  und  welche  doch  wieder  wie  jede  menschliche 
Macht  einer  noch  höhern  unterliegt  und  nach  dieser  sich 
bei  jedem  Volke  verschieden  gestalten  und  mit  jeder  Zeit 
verändern  kann.  Man  hat  wohl  die  Conjunctionen  einer 
Sprache  ihre  feinsten  und  eigenthünilichsten  Bestandtheile 
genannt:  aber  noch  feiner  und  verschiedener  ist  der  Zulaut 
(Accent),  welcher  wie  die  unentbehrliche  geistige  Zugabe 
erst  Wort  und  Satz  belebt. 

Desto  grösser  war  der  Mangel,  dass  man  bis  jetzt  den 
Accent  der  Sprache  nicht  beachtete,  welche  in  Hinsicht 
der  Laute  die  erste  der  Erde  genannt  werden  kann.  Die 
Schrift  als  Buchstabenschrift  kommt  freilich  fast  bei  allen 
A'^ölkern  spät  oder  gar  nicht  zu  Hülfe  um  diesen  geistig- 
sten Bcstandlheil  einer  Sprache  für  das  blosse  Auge  ans- 
zudrücken;  unter  allen  semitischen  Völkern  z.  B.  haben 
nur  die  Juden  ihre  heiligen  Bücher  mit  dem  Wortaccente 
versehen.  Das  gewöhnliche  Sanskrit  wird  ohne  Accente 
geschrieben;  nur  in  Veda- Handschriften  fniden  sie  sich, 
welche  aber  nur  wenigen  Gelehrten  unter  uns  zugänglich 
sind;  und  die  zerstreuten  Vorschriften  der  altintlischen 
Grammatiker  selbst  hatte  seit  Colebrooke  (dessen  wenige 


1)  Vgl.  Lassen'«  Abhandlung  Bd.  IV.  S.  410.  f. 


439 

Worte  aber  gerade  über  die  Sanskrit-Accente  Dr.  Boeht- 
lingk  wider  Erwarten  ungenügeud  fand)  kein  Europäer 
näher  erforscht.  So  hat  sich  denn  der  deutsche  Heraus- 
geber des  Panini  durch  das  vorliegende  Werk  über  die 
Sanskrit-Accente  ein  gutes  Verdienst  erworben,  welches 
ich  um  so  befriedigter  anerkenne,  je  nielir  ich  bei  den 
Vorträgen  über  Sanskrit -Grammatik  wiederholt  aufs  ernst- 
lichste über  den  Sanskrit-Accent  nachgedacht  hatte.  Dean 
es  ist  zwar  unläugbar,  dass  schon  die  blosse  Betrachtung 
aller  Wortbildungen  einer  bestimmten  Sprache,  sobald  sie 
tiefer  eindringt,  die  Macht  des  Accentes  an  vielen  Stellen 
erkennen  kann,  weil  manche  Bildung  ohne  den  Einfluss 
einer  solchen  Macht  anzunehmen  gänzlich  unerklärlich 
wäre;  ich  habe  z.  B.  immer  erkannt,  was  ich  nun  ganz 
nach  Wunsch  bestätigt  finde,  dass  in  dem  so  gewaltigen 
Wechsel  der  starken  oder  schwachen  Endungen  sehr  vieles 
vom  Accente  abhängen  müsse;  allein  um  wie  viel  weiter 
als  solche,  wenn  auch  nothwendige  Annahmen  innerer 
Nothwendjgkeit,  führen  sogleich  ausführliche  und  sichere 
Zeugnisse,  welche  uns  noch  aus  dem  Leben  der  Sprache 
selbst  durch  die  alten  Grammatiker  überliefert  sind  I 

Was  der  Verfasser  aus  diesen  Quellen  schöpfen  konnte, 
hat  er  mit  dem  grössten  Fleisse  zusammengestellt ,  und 
noch  dazu  durch  eine  Anzahl  gelehrter  Anhänge  und  Er- 
läuterungen der  Kunstausdrücke  solchen^  die  künftig  die 
Frage  über  den  Accent  weiter  verfolgen  wollen,  den  etwas 
mühevollen  Weg  erleichtert. 

Gehen  wir  nun  etwas  näher  auf  eine  Sache  ein,  über 
welche  der  Verfasser  selbst  nach  der  bescheidenen  Auf- 
schrift seiner  Abhandlung  nur  einen  ersten  Versuch  gelie- 
fert haben  will,  so  hat  das  Sanskrit  nach  dieser  Darstel- 
lung drei  Accente,  welche  ganz  den  drei  griechischen,  dem 
Acutus,  dem  Gravis  und  dem  Circumflex,  entsprechen  sol- 
len. Ich  fürchte  indess,  dass  diese  drei  Namen,  besonders 
der  eines  Circuroflexes,  nicht  ganz  wohl  gewählt  sind  und 
leicht  zu  irrigen  Folgerungen  führen.  Ich  will  nicht  weiter 
hervorheben ,  dass  der  Verfasser  §.  4  alle  Fälle  dieses 
Circumflexes  aufzählt,  welche  allerdings  wenigstens  noch 
eine  gewisse  AehnUchkeit  mit  dem  zu  haben  scheinen,  was 
man  sonst  Circumflex  nennt,  dagegen  aber  §.  70  flF.  noch 
einen  ganz  andern  Fall  seines  Gebrauches  nachholen  muss, 
welcher  mit  jenen  nichts  gemein  hat  und  doch  der  häu- 
figste ist;  ferner  dass  der  Circumflex  danach  auch  kurze 
Vocale  und  zwar  iu  sehr  grosser  Menge,  ja  sogar  sonst 
ganz   tonlose  Wörter  unter  gewissen  Bedingungen  treffen 


440 

würde,  welches  alles  doch  schwer  zu  denken.  Aber  f^ägt 
man  kurz  und  scharf  nach  dem  wahren  Verhältnisse  jener 
drei  Sanskrit- Accente,  wie  es  vorliegt:  so  lässt  es  sich, 
genau  betrachtet,  unter  das  ganz  einfache  Gesetz  bringen, 
dass  der  Gravis  einem  Acutus  nur  voraufgeht  und  das  was 
Circumflex  seyn  soll  ihm  nur  folgt.  Dies  ist  folglich  wie 
ein  einziger  Laut,  der  sich  dreifach  zertheilen  kann^  aber 
dessen  Mittellaut  der  einzig  herrschende  ist  und  die  andern 
beiden  von  sich  abhangen  lässt.  Wenn  also  die  beiden 
an  den  Enden  nur  des  mittlem  wegen  da  sind  (denn  dieser 
kann  da  seyn  auch  wo  jene  fehlen,  nie  aber  einer  von 
diesen  ohne  jenen),  so  gibt  es  eben  damit  nur  einen  wahren 
Accent  im  Sanskrit-Worte,  nur  einen  hohen  Laut-Anstoss: 
und  geht  diesem  eine  Sylbe  ohne  solchen  voraus,  so  senkt 
sie  sich  tief  vor  ihm  und  wird  deshalb  mit  dem  Gravis 
bezeichnet;  folgt  ihm  eine  ohne  solchen,  so  ist  sie  noch 
wie  ein  Wiederhall  und  Anffang  des  eben  erschollenen 
hohen  Lautes,  nur  dass  sie  (wie  einige  Grammatiker  ab- 
weichend lehrten  §.  70.  Anmerk.),  wenn  sogleich  wieder 
eine  andre  Sylbe  mit  dem  hohen  Laute  folgt,  dann  lieber 
tonlos  bleibt  oder  sogar  den  Gravis  empfängt.  Kurz,  das 
Verhältniss  der  drei  Avesentlich  immer  zusammenhangenden 
Accente  ist  musicalisch: 


gen  schon  deutlich  seyn  kann?)  das  Zeichen  für  den  Acutus 
beständig  fehlt;  und  so  geht  es  auch  aus  allen  den  vielen 
einzelnen  Gesetzen  hervor,  die  der  \'erfasser  nach  den 
Grammatikern  erwähnt '). 

Wie  bloss  hiedurch  das  Ganze  verständlich  wird ,  so 
ergibt  sich  manches  Einzelne  nun  von  selbst.  Wo  zwei 
Vocale,  deren  erster  eigentlich  in  einer  besonderu  Sylbe 
den  Acutus  haben  sollte,  aus  zwei  Sylben  in  eine  zusam- 
menfallen, da  genügt  das  Zeichen,  welches  eigentlich  für 
die  zweite  dienen  würde,   weil   es   durch  »ich  den  Acutus 


1)  Nur  dass  der  Gravi«  der  Grundton  seyn  und  eigentlich  alle  Sylben 
umfiissen  solle  die  keinen  der  /-wei  andern  haben,  §.  2.  wider- 
spricht nicht  nur  der  andern  Aussago  S-  71.,  souderu  auch  dem 
Muster  aus  dem  Yeda -Hymnus. 


441 

voraussetzt,  so  dass  hier  bloss  eine  Abkürzung  der  Schreib- 
art zu  finden  ist.  Ferner  ergeben  sich  Xamen  und  Zeichen 
der  drei  Accente.  Denn  die  Inder  nennen  das,  was  hier 
als  Circuniflex  bezeichnet  ist  nicht  so  (dann  hätten  sie  es 
eher  JJH  genannt),  sondern  ^ ^ i .  welches  bloss  soviel  be- 
deutet als  hell,  klar.  Der  Acutus,  welcher  oben  so  ge- 
nannt ist,  trägt  den  bestimmten  Xamen  udätta,  d.  i.  hoch, 
hoher  Lauf,  und  wird  daher  über  der  Sylbe  durch  3  be- 
zeichnet: sein  gerades  Gegenthcil,  der  Gravis,  heisst  richtig 
aniulättn  und  würde  demnach  besser  durch  Tiefton  übersetzt, 
Avird  aber  nur  durch  einen  wagerechten  Strich  unter,  sowiö* 
der  Svarifa  durch  einen  senkrechten  über  der  Sylbe  be- 
zeichnet. 

Zwar  könnte  der  Verfasser  für  sich  anführen,  auch 
Wilson  übersetze  Scarita  durch  Circumflex:  allein  dieser 
Gelehrte  hat  uns  seine  Gründe  dafür  nicht  angegeben: 
und  wir  brauchen  nun  auch  nicht  mit  dem  Verf.  Colebrooke 
zu  beschuliligcn,  er  habe  den  Circumflex  und  den  Acutus 
schlechthin  mit  einander  verwechselt  *)•  Sollten  diese  zwei 
Namen  überhaupt  gewählt  werden,  so  gesiehe  ich,  nicht 
zu  wissen,  warum  lyan  sie  nicht  geradezu  umkehren  sollte: 
aber  besser  sehen  wir  das  wahre  \'erhältniss  ein  und  ent- 
halten uns  künftig  des  ungehörigen  Namens  Circumflex. 

Doch  der  grösste  Nutzen  dieser  Einsicht  ist  wohl  der, 
dass  wir  nun  erst  auch  das  innere  Wesen  des  Sariskrit- 
Acceiites  begreifen.  Das  Sanskvit  hat  demnach  nur  einen 
Wort-Accent,  der  zwar  mujsikalisch  modulirt  ist  und  da- 
durch in  seiner  Art  viel  voilkommner  und  schöner  lautet 
als  ein  einzelner  im  Griechischen  oder  sonst  in  einer  Sprache 
mit  mehrern  an  sich  wechselnden  Accenten,  aber  der  doch 
zuletzt  immer  nur  einer  ist  Dies  ist  zunächst  das  merk- 
würdigste: das  Sanskrit  bleibt  sich  als  altertbümlich  kern- 
hafte LautspraChe  auch  hier  gleich:  es  hat  noch  gar  keine 
Verschiedenheit  und  Färbung  des  Wort-Accents  an  sich, 
während  in  Sprachen,  welche  die  Rehiheit  und  Stärke  der 
einzelnen  Laute  melir  und  mehr  einbüssen,  der  Wort-Accent 
am  Ende  so  vielfach  wird,  dass  im  Sinesischen  jedes  Wort 
mit  nicht  weniger  als  4  ganz  abweichenden  Accenten  ge- 
lautet werden  kann. 


1)  N.  S.  Eine  Verwechselung  der  Sanskril- Namen  und  Zeichen 
muss  icli  allerdings  bei  Colebrooke,  naclidem  ich  seine  eigneo 
Worte  eiogeseheu  habe,  zuaeben  :  ich  behaupte  nur,  dass  auf  die 
Verwechselung  der  ^rjVcA/sc/»«;«  Xamen  nicht  viel  anliomuie.  Warum 
sollte  man  künftig  die  drei  Sanskrit -Xauien  nicht  entsprechend 
durch  Tieflaut,  Uochlaut  und  heller  Laut  wiedergeben  können? 


44« 

Aber  dieser  eine  Accent  ist  nicht  bloss  viel  umfassender 
und  daher  melodischer  als  er  sonst  seyn  könnte^  er  hat 
auch  noch  eine  viel  freiere  Stellung  im  j^anzen  Umfange 
des  Wortes.  Im  Griechischen,  Hebräischen  und  andern 
Sprachen  der  Art  wirkt  schon  das  ganze  Gewicht  und  der 
Zusammenhang  aller  einzelnen  Laute  des  Wortes  so  auf 
den  Accent  zurück,  dass  dieser  nur  an  gevvissen  Stellen 
und  Sylben  des  Wortes  möglich  wird^  auch  nur  immer 
einer  im  ganzen  Worte  seyn  kann.  Im  Sanskrit  ist  der 
eine  mächtige  Accent  noch  ganz  unabhängig  von  den  ein- 
zelnen Lauten  und  Sylben  des  Wortes,  und  wählt  sich  an 
jeder  Stelle  eines  längern  Wortes  die  Sylbe  aus,  welche 
hervorzuheben  in»  Sinne  des  Sprachgeistes  liegt ,  auch  die 
erste  eines  vier-  oder  noch  mehrsylbigern  Wortes.  Das 
Wort,  wäre  es  auch  noch  so  lang,  hat  im  Vocativ,  im 
Augment,  im  Üesiderativ- Stamme  den  Accent  auf  der 
ersten  Sylbe;  und  zwar  gilt  dies^  wie  es  scheint,  völlig 
durchgreifend  und  ausnahmslos.  Die  Adjectiva  der  Nolh- 
wcndigkeit  dagegen  ziehen  den  Accent  immer  gegen  das 
Ende  hin,  weil  ihre  ganze  Bedeutung  auf  der  zusammeu- 
gesetzten  starken  Endung  beruhet  ^). 


1)  Wie  die  Sippsciiaft  der  Adjectiva  der  Nothwendigkeit  (sog.partt. 
fut.  pass.)  entstanden  sei,  ist  eine  Frage,  die  meines  AVissens 
nocii  nirgends  genügend  beantwortet  ist;  ich  theile  deshalb  hier 
in  der  Kürze  die  Ansicht  mit,  welche  ich  seit  vielen  Jahren  münd- 
lich vortrage.  Ks  sind  Adjectiva,  die  vom  Infinitiv  aus  sich  bilden, 
wie  man  aus  solchen  Sprachen  sieht,  die  sie  noch  unisrhreiben 
müssen  und  wo,  weil  sich  keine  solche  kurze  Form  dafür  aus- 
gebildet hat,  die  Theile  der  Zusammensetzung  unverhüllt  und  voll 
zu  Tage  liegen,  wie  im  Deutschen,  Hebräischen  und  übrigen  Se- 
mitischen. Die  Endung  -tatja  (für  tuia)  geht  vom  Infinitiv 
auf  -tu,  die  andere  -anlja  von  dem  im  Sanskrit  seltenern  In- 
finitiv auf  -ana  (welches  eben  der  deutsche- Infinitiv  ist)  ausj 
die  bekannten  noch  kürzern  Endungen,  bei  denen  sich  die  N'er- 
kUrzung  hinten  durch  innere  Vocalverstarkung  der  Wurzel  selbst 
zu  ersetzen  sucht  (wie  kiirja)  wären  für  spätere  Abkürzungeo 
aus  jenen  zu  halten.  Ist  dieses  so,  so  würden  sich  daraus,  wenn 
man  es  geschichtlich  verfolgt,  merkwürdige  Folgerungen  für  den 
frühesten  Zustand  der  mit  dem  Sanskrit  verwaii<itcn  Sprachen  er- 
geben. Das  Griechische  z.  B.  und  das  Lateinische  (wenn  dessen 
Endung  -tidus  wie  ich  vermuthe  für  -njus  oder  -ndjus  steht) 
würde  sich  erst  dann  von  der  Ursprache  getrennt  haben,  als  diese 
schon  zu  einer  solchen  feinen  HIMung  zweiter  Stufe  fortjieschritten 
war;  anders  das  Deutsche,  w-nn  sich  in  dessen  Umfange  eine 
Hildung  dieser  Art  nicht  nachweisen  lässt  (vgl.  J.  Gkimm 's  deut-^che 
Grammatik  Bd.  IV.  S.  105.);  wie  ich  denn  überhaupt  aus  vielen 
Zeichen  schliesse,  dass  ein  Volk,  je  weiter  es  geographisch  ent- 
fernt wohnt,  desto  früher  vom  Urstamnu;  sich  getrennt  hat.  Soviel 


443 

Und  ist  dieser  eine  Accent  so  stark  und  umfassend, 
so  versteht  sicli  ferner,  wie  er  im  Allgemeinen  doch  wieder 
weit  seltener  in  Anwendung  kommt  als  der  griechische. 
Allerdings  kann  ihn  ein  Wort  auch  doppelt  haben:  doch 
ist  dies  ein  seltener  Fall .  und  dagegen  haben  ihn  viele 
Wörter  im  Satze  gar  nicht,  nicht  bloss  wie  im  Grie- 
chischen ähnlich  die  ihrem  Wesen  nach  immer  unselb- 
ständigen sich  einem  vorigen  Worte  anhängenden ,  wie 
-^;  -^  u.  a.,  sondern  auch  eine  Alenge  kleinerer  Wörter 
wenn  sie  vorangehen  und  jedes  einfache  Verbum,  wenn  es 
einem  Xoraen  folgt,  sowie  jeder  Vocativ,  wenn  er  nicht 
vorn  steht. 

Ist  endlich  der  eine  Accent  doch  seinem  Laute  nach 
so  äusserst  lebendig  und  farbenreich,  so  begreift  sich  auch, 
wie  er  durch  gewisse  Veranlassungen  bis  zu  einer  Stärke 
gesteigert  werden  kann,  wo  man  ihn  in  der  That  Circumflex 
nennen  könnte.  Begünstigt  nämlich  die  Rede  bei  einem 
stärkern  Ausrufe,  einer  Drohung,  einer  Frage,  oder  auch 
einem  Grnsse,  einem  Segen  und  in  ähnlichen  Fällen  eine 
ganz  besondere  Färbung  des  auslautenden  Vocals,  so  dass 
der  kurze  Vocal  sich  dehnt,  der  Misch-  und  Doppellaut 
(J,  6;  ai,  aii)  in  zwei  Vocale  auseinandertreten  und  mög- 
licherweise jeder  Vocal  sich  wiederholen  kann,  so  wird 
da  der  Uilätta  oder  (wir  denken  doch  gewiss  folgerichtig, 
nur  bei  Wiederhall  des  Vocals)  der  Starita  allerdings  so 
gesetzt,  dass  man  ihn  mit  unserra  Circumflex  vergleichen 
könnte.  Allein  dies  ist  eben  nur  ein  ganz  einzelner  Fall, 
eine  Färbung  der  Rede,  und  dadurch  erst  des  Accents; 
oder  noch  bestimmter  gesagt,  dies  ist  der  Satz-,  nicht  der 
Wort -Accent.  Der  Verfasser  handelt  über  diesen  Fall 
§.  67—69. 

Die  Schluss- Folgerung  aus  alle  dem  wäre,  dass  der 
Accent  im  Sanskrit  mit  dem  ganzen  Wesen  dieser  Sprache, 
wie  es  auch  sonst  erscheint,  insbesondere  also  mit  der  ihr 
eigenthümlichen  Lebendigkeit  und  Bewc<ilichkeit  der  Laute 
im  engen  Zusammenhange  steht.  Desto  nothwentliger  wird 
jede  künftige  Bearbeitung  der  Sanskrit-Grammatik  auf  ein 
Gebiet  sorgfältige  Rücksicht  nehmen  müssen,  welches  der 
Verfasser  nacji    den    etwas   schwer   zugänglichen   QueUeo 


ist  aber  hieraus  fQr  den  Accent  deutlich*,  dass  er  auf  dieser  En- 
dung eines  Nothwendigkeits-Adjectivs  ruhen  inuss,  weil  sie  eine 
der  schwersten  und  bedeutsamsten  in  der  Sprache  ist,  ganz  wie 
im  Griechischen  -rkoz. 


444 

zum  erstenmale  aufgeschlossen  hat;  es  ist  jetzt  möglieh^ 
einen  Hauptmangel  der  bisher  in  Europa  gelehrten  Sanskrit- 
Grammatik  zu  ergänzen.  Auch  hat  der  Verfasser  schon 
rüstig  mit  der  Anwendung  den  Anfang  gemacht,  indem  er 
den  Accent,  wie  ihn  die  alten  Grammatiker  lehren,  auf 
alle  Paradigmen  überträgt. 

Ewald. 


2. 

The  Journal  of  the  Asiaiic  Society  of  Bengal.     Edited  by 

James  Prinsep,  F.  R»  S.  Vol.  VII,  January-December, 

1838.  Calcutta,  1838.  8". 
Dasselbe.      Edited  by    the   acting   Secretaries.    Vol.   VIII. 

January-December,  1839.  New  Series.  Calcutta  1838.  8". 
Dasselbe.     Edited  by   the   acting   Secretary.   Vol.  IX.  No. 

XCVII— CIL  Calcutta,  1840.  8°. 

Bei  der  Wiederaufnahme  der  am  £nde  des  vorherge- 
henden Bandes  unterbrochenen  Anzeige  der  obigen  Zeit- 
schrift wird  es  mir  möglich  seyn,  mich  viel  kürzer  zu 
fassen,  als  bei  der  früh(.'ren,  theils  weil  mehrere  von  den 
in  diesen  Bänden  enihaltencn  Mittheiinngen  schon  durch 
anderweitige  Benutzung  ihre  Beurtheilung  oder  Bearbei- 
tung gefunden  haben  ,  theils  auch,  weil  nach  der  Aen- 
dcrung,  welche  seit  dem  Ilintritte  Prinsep's  in  der  Rich- 
tung der  Zeitschrift  eingetreten,  der  Gegenstände,  welche 
für  die  Leser  dieser  Zeitschrift  von  Interesse  seyn  können, 
in  zunehmender  Abnahme  so  wenige  geworden  sind,  dass 
sie  nur  noch  in  sehr  beschränkter  VVeise  vor  unser  Forum 
gehört.  Die  Leser,  für  welche  jene  Zeitschrift  zunächst 
bestimmt  ist,  werden  wahrscheinlich  sehr  damit  zufrieden 
seyn,  dass  physikalische  und  statistische  Artikel  die  über- 
hand gewonnen  haben ;  die  Freunde  der  historischen  und 
antiquaristischen  Kunde  des  östlichen  Asiens  werden  es 
aber  bedauern,  dass  auf  den  lebhaften  Eifer  der  Entdeckung 


445 

und  Erforschung  historischer  Denkmale  so  schnell  nach 
Prinsep's  Abberufung  ein  so  plötzlicher  Stillstand  derartiger 
Regsamkeit  gefolgt  ist. 

Aus  dem  von  Prinsep  noch  besorgten  Jahrgange  sind 
noch  die  Beiträge  zur  Sprachkitnde  und  zur  Numismatik 
zu  erwähnen.  Auf  dem  ersten  Gebiete  sind  die  '.vich'igsten 
die  von  Leech  über  die  Sprachen  der  Völker  der  Länder 
im  Westen  des  Indus.  Ich  habe  diese  schon  oben  IV,  90. 
bezeichnet  und  dort  und  in  diesem  Bande  benutzt; 
die  übrigen  werden  später  in  dieser  Zeitschrift  ihre  Steile 
finden.  Ich  begnüge  mich  daher  mit  der  Erwähnung,  dass 
in  diesem  Bande  noch  eine  kurze  Grammatik  des  Peng  äbi 
mit  einem  Wortverzeichniss  und  Sprach)»robeu  gegebeu 
ist,  p.  711  flgd.,  dann  kurze  Wortverzeichnisse  und  Phra- 
sensammlungen folgender  Mundarten;  der  Barakt,  p.  7i7. 
der  Pushai,  p.  731.;  der  Laghimnii.  p.  780.;  der  Kashgäri, 
p.  782.:  der  Tirhai,  ebend,;  der  Dir,  p.  784.;  endlich  der 
der  Aimak  im  Paropamisus,  p.  785.  Diese  sind,  wie  sie 
auch  genannt  werden,  Mongolen,  wie  jeder  sich  leicht  aus 
den  Wörtcru  überzeugen  kann,  die  hier  aufgeführt  sind. 
Im  nächsten  Baude  steht  p.  1.  von  ihm  (der  aber  jetzt 
Leac'H  getauft  wird),  noch:  A  grammar  of  the  Pashtoo, 
or  Afghänee  langnage,  die  auch  in  einem  besondern  Ab- 
drucke vertheilt  worden  ist;  auch  hier  sind  ein  kurzes 
W^ortverzeichniss  und  Sprachproben  beigegeben.  Es  sind 
vielfache  Abweichungen  in  dieser  sehr  kurzen  Grammatik 
von  den  früheren  Mittheilungen  über  diese  Sprache,  unter 
welchen  die  von  Ewald  aus  literarischen  Quellen  ge- 
schöpfte allein  genügende  Sicherheit  hat.  Leech  hat  wohl 
eine  besondere  Mundart  vor  Augen  gehabt.  Eine  andere 
Ergänzung  unserer  Kenntniss  dieser  Sprachen  ist  oben 
S.  337.  besprochen  worden.  Sonst  ist  nur  weniges  zur 
Kenntniss  Asiatischer  Sprachen.  Zu  der  Vergleicluing  der 
Indochinesischen  Sprachen,  von  welcher  schon  oben,  Ztschft. 
III,  175.,  die  Rede  war,  hat  Hr.  W.  Morton  einige  Be- 
merkungen hinzugefügt,  welche  zeigen,  dass  die  Aehnlich- 
keit  der  Assamesischen  Sprache  mit  der  Bengalischen  noch 
vollständiger  ist,  als  dort  angegeben  ward;  er  bemerkt  mit 
Recht,  dass  es  eine  grosse  und  zwecklose  Verw  irrung  her- 
beiführen würde,  wenn  man  für  alle  diese  accentreichen 
Sprachen  Lateinische  Buchstaben  mit  Abzeichen  anwenden 
wollte.  Zu  derselben  Vergleichung  fügt  Hr.  Williams, 
p.  707.  die  entsprechenden  Chinesischen  und  Japanischen 
Wörter ,  die  Tübetischen  sind  von  Hrn.  Ksoma  Körüsi 
beigegeben. 


446  / 

Zur  Münzkunde  liefert  dieser  Jahrgang  einige  sehr 
wichtige  Beiträge  von  J.  Prinsep.  Ich  kann  mich  auch 
hier  über  das  meiste  kurz  fassen,  weil  die  hier  beschrie- 
benen neuen  Griechisch  -  Baktrisclien  und  Indoskythischen 
Münzen  sich  jetzt  auch  in  Wilson's  Ariana  finden  und 
Hr.  Raoul-  Rochette  eben  im  Begriffe  ist,  seine  Beschrei- 
bung dieses  Gebiets  der  N^umisniatik  durch  alles  neuerdings 
hinzugekommene  zu  vervollstäfidigen.  Auch  sind  wir  in 
der  Kenntniss  des  Alphabets  etwas  weiter  gekommen,  als 
Prinsep;  doch  nicht  viel  und  wäre  es  ihm  beschieden  ge- 
wesen, seinen  Scharfsinn  länger  diesem  Gegenstande  zu 
widmen,  wären  wir  ohne  Zweifel  jetzt  weiter.  Er  hat  in 
dem  Aufsatze  p.  636.:  Additions  to  Bactrian  Numismatics, 
and  discovery  of  the  Bactrian  alphahet,  zuerst  sein  berich- 
tigtes Alphabet  der  31ünzschrift  und  die  richtige  Erklärung 
der  einheimischen  Legenden  veröffentlicht;  es  ist  dieses 
eine  seiner  schönsten  Entdeckungen  und  sein  Werk,  er  hat 
ohne  Hülfe  oder  Andeutungen  von  andern  das  Richtige 
gefunden.  Ref.  muss  ihm  namentlich  nachrühmen,  dass 
er  mit  einem  Wurfe  weiter  gekommen  ist,  al^  Ref.  selbst. 
Die  später  hinzugekommenen  Berichtigungen  des  Alphabets, 
welche  ich  für  sr-cher  halte,  habe  ich  anderswo  (IV,  377.  fgd.) 
angegeben.  Prinsep  bezieht  sich  in  seinem  Alphabete  auch 
auf  die  Inschriften  der  Topen,  und  seine  Angaben  sind  bei 
den  Bemühungen,  diese  zu  lesen,  sehr  zu  beachten.  Er 
halte,  wie  er  es  hier  ankündigt  (p.  646.),  auch  die  Absicht, 
sich  an  diesen  zu  versuchen.  Durch  das  freundliche  Zu- 
trauen seines  Bruders,  Hrn.  H.  T.  Pki.nsep,  besitze  ich 
einige  seiner  Entzifferungen  dieser  Inschriften;  es  sind 
darin  sehr  beachtungswerihe  Vermuthnngen ,  obwohl  sie 
noch  keine  Sicherheit  gewähren.  Kr  hat  richtig  erkannt, 
dass  die  Sprache  Prakrit  ist.  —  Ueber  eine  Klasse  der  in 
diesem  Aufsatze  beschriebenen  3Iünzen  ist  es  noch  nicht 
gelungen,  zu  grösserer  Aufklärinig  zu  gelangen,  Ich  meine 
die  merkwürdigen  und  sehr  häuliijen  Kadphises-.^lünzen, 
auf  denen  der  König  in  vollständiger  Tartarischer  Tracht 
erscheint,  zugleich  aber  als  eifriger  Verehrer  des  Gottes 
Civa  sich  zu  erkennen  giebt.  Sie  sind  anderswo  schon 
hinreichend  beschrieben  ').  Die  Griechische  Legende  ist 
entweder  [iy/Cfy/HYC  OOHMO  K^UOICHC  oder  liACl- 
AEYC  BAClAEiiN  MHf'AC  OOHMO  hAJfDlCHC  oder 
BACIAEYC  HAClAEilN CiirUP  OOHMO  KAJOICUC). 


1)  Wilson's  Ariana,  p.  347.  flp:. 

2)  Die  leUte  auf  den  Kupferinünxen.  WiLsnx  hat  in  der  letzten 
Lebende  OOMHIV,  und  so  scheint  auf  einigen  Exemplaren  zu 
stehen.    Es  kann  aber  auch  so  nur  Fehler  seyn. 


447 

Die  einheimische  Legende  kommt  auch  in  kürzerer  und 
längerer  Fassung  vor,  doch  meistens  in  der  letzten  Weise 
und  entspricht  daim  der  dritten  der  (Griechischen. 

Prinsep  hat,  p.  646.  nach  \'ergleichung  sehr  vieler 
Exemplare  diese  Legende  dargestellt. 

Es  finden  sich  in  der  längeren  einheimischen  Legende 
zwei  Wörter  mehr  als  in  der  Griechischen.  Prinsep  las: 
mahäräg  asa  rtig  udhiräg  asa  sabatra  k  a  ihu  k  a  mahihnrasa 
dhima  Makadphifasa  nanJata,  und  erklärte:  "des  grossen 
Königs,  de»  Königs  der  Könige,  des  hier  und  überall  die 
Erde  besitzenden,  Makadphises,  des  Erretters.«  Er  schlägt 
noch  anderes  vor,  welches  jedoch  nicht  sicherer  ist.  Wich- 
tiger ist  seine  Bemerkung,  dass  einige  Jlünzeu  vor  Kad- 
phises  vavahima  darzubieten  scheinen,  Avelches  dem  Grie- 
chischen OOHJIO  entsprechen  möchte.  Hr.  Wilson  be- 
raevkt  mit  Recht  CAn'ana,  p.  258.  p.  354 — 356.),  dass  nach 
Prinsep's  eigenem  Alphabe   anders  gelesen  werden  müsse, 

etwa : sabatrapha  ihatara  mahihasa  dahitma,  und  dass 

keine  dieser  Lesarten  einen  genügenden  Sinn  gebe;  er 
erklärt  sich  zugleich  der  \'errauthung  nicht  abgeneigt ,  dass 
die  vier  Sylbeu  vor  Kadphises  das  Griechische  OOHMO 
darstellen.  Diese  Vermnthung,  welche  K.  O.  Müller  gehört, 
möchte  ich  für  sicher  halten;  denn  in  der  einheimischen 
Legende  steht  überall  ma  vor  dem  Namen  des  Kadphises, 
vor  diesem  in  einigen  deutlich  Ä/,  oder  nach  ^4r.  pl.  XXL  no. 
17.  bei  Wilson  he.  Für  00-  müssen  in  der  einheimischen 
Schrift  entweder  auch  zwei  Vocale  stehen  oder  Consonanten, 
welche  dem  Griechischen  Alphabet  fehlen,  also,  da  j  und  h 
in  der  Arianischen  Schrift  uns  bekannt  sind  und  nicht  hier 
stehen,  r.  Die  Abbildungen  stimmen  nicht  und  ich  weiss 
nicht,  ob  urahima  oder  tavahima  zu  lesen.  Die  Verglei- 
chnng  mit  den  \amen  Kmola  Kadphises  (Ztschft.  IV",  397.) 
macht  es  klar,  dass  die  Herrscherlamilic  Kadphises  in  zwei 
Zweige  zerfiel,  Ooemo  und  Kozola.  Durch  diese  Erklärung 
hebt  sich  der  Einwurf  des  Hrn.  C  L.  Grotefend  iDie 
3tänzen  u.  s.  w. ,  S.  90.).  —  Mit  den  zwei  dem  Ooemo 
vorhergehenden  Woltern,  denen  nichts  im  Griechischen 
entspricht ,  weiss  ich  nichts  anzufangen ,  noch  ist  es  mir 
sicher ,  dass  im  Xamen  des  Königs  (^Kaphsifasa)  phs  für 
z/(D  richtig  gelesen  wird.  In  Beziehung  auf  das  letzte 
Wort  scheint  es  mir  eine  unumgängliche  Annahme,  dass 
darin  das  Indische  Wort  für  gv)zt:o  gesucht  werden  müsse. 
Das  Haiiptbedenken  ist,  dass  die  Genitiv-Endung  sa  fehlt; 
diese  scheint  aber ,  so  weit  sich  aus  Abbildungen  darüber 
urtheileu  lässt,  von  der  Gatä  oder  dem  hohen  Haarzopfe 


448 

des  Civa,  der  bis  an  den  Rand  reicht,  verdeckt  worden 
zu  seyn,  wie  auf  der  Münze,  Arinrta,  X,  no.  5.  auch  noch 
das  ma  des  folgenden  mahurdg  asa  fehlt.  Die  Orthographie 
dhädurasa  für  tuturasa  oder  tudurasa  findet  sich  auch  sonst, 
wie  auf  Münzen  des  Gondaphares,  As.  J.  of  B.  V'II,  644. 
Ariana,  p.  343. 

Die  auch  in  dieser  Zeilschrift  (IV,  188.  III,  1610  be- 
sprochenen ÄJünzen  der  Satrapen  -  Könige  von  Suräshtra, 
deren  Legenden  p.  347.  richtiger  gelesen  und  zusammen- 
gestellt worden  sind,  liaben  Prinscp  die  Veranlassung  zu 
einer  anderen  schönen  Entdeckung  gegeben,  zu  der  der 
alten  Zahlzeichen.  Diese  kommen  auch  auf  andern  alten 
Münzen  von  Guzerat  vor  (p.  3">0.)j  wie  in  mehrern  alten 
Inschriften.  Eine  Tafel  stellt  die  Formen  der  Zahlzeichen 
bei  verschiedenen  Indischen  Völkern  zusammen.  Bei  den 
ältesten  sind  ein  paar  Bestimmungen  noch  zweifelhaft.  — 
Eine  andere  Gattung  von  Münzen  werden  im  Aufsatze 
p.  414.  flgd.  beschrieben  und  abgebildet.  Erst  zwei  Mu- 
hammedanische,  eine  Persische  des  Husain  Shah,  geschlagen 
zu  Isfahan  1694.,  und  eine  Indische  des  Shahab  eddin  Mu- 
hammed,  des  Stifters  der  Dynastie  der  Goriden  in  Indien, 
aus  Ghazna  1199.  Interessanter  ist  die  Beschreibung  von 
drei  Sassaniden-Münzen,  die  mit  zwei  früher  in  3Ianikjäla 
gefundenen  ganz  gleich  sind,  p.  418.  Sie  sind  ihrem  Typus 
nach  ganz  Sassanidisch ,  haben  aber  ausser  den  Pelilvi- 
Legenden  auch  Sanskritische.  Sie  stellen  den  Kopf  eines 
Königs  und  auf  der  Reverse,  wie  es  scheint,  den  eines 
göttlichen  Wesens  mit  eigenthümlicher  Kopfbedeckung  dar. 
Prinsep  hat  von  den  fünf  Exemplaren  die  Legende  zusam- 
mengestellt; die  Indische  las  er:  f/*  Hitivira  Ahfina  k'a 
paramefiara  (7/*  Vähitigun  devag'anifa.  Er  bemerkt,  dass 
die  Sylbe  Vä  nach  dem  zweiten  p/t  unsicher  ist ,  in  der 
Tliat  ist  die  Gestalt  in  allen  Exemplaren  verschieden  und 
man  körnite  auch  Phä,  Kd,  Hu  oder  Ghd  lesen;  ein  bei 
Herrn  Wilson  abgebildetes  Exemplar  scheint  kd  zu  haben. 
Prinsep  vergleicht  die  Titel  der  Sassaniden  in  ihren  In- 
schriften ,  erklärt  airdna  mit  Iranisch  und  bezieht  derag  anifa, 
gotierzeugt,  auf  die  Benennung:  Abkömmlinge  der  (»ötter, 
welche  diese  Könige  sich  geben;  er  erhebt  diese  Erklärung 
zur  Gewissheit  durch  die  Erwähnung,  dass  in  der  Inschrift 
des  Samndragupta  {As.  J.  of  H.  VI,  979.)  dena  pntra  (nicht 
daivap.)  Sohn  der  Gölter  als  Titel  des  Sassanidenkönigs 
gebraucht  wird.  Hr.  Wilson  liest  zum  Theil  abweichend, 
Ariana,  p.  401.  Mit  einer  \'erbesserung,  die  ich  Herrn 
Alexander  Cünningham  verdanke,  lese  ich;  (>i  Hitivira 


449 

Airärla  k'a  Pärade^tara  ^ri  Vdhitigdna  d^vag  anita;  vä 
ist  aber  wie  gesagt  unsicher  und  die  Sylbe  gä  enthält  wohl 
g,  aber  etwas  anderes  als  d,  der  Name  ist  mir  auch  ganz 
unerklärlich.  Es  fehlt  überall  das  regelmässige  Zeichen 
des  Nominativs.  Die  Erklärung  Priusep's  von  Hitivira 
durch  hridirira,  tapfer  im  Herzen,  ist  unzulässig  wegen 
des  kurzen  i  in  r/ra;  nach  der  Stellung  des  k'a  raüsste 
es  ein  Name  oder  ein  Titel  seyn.  Pdrada  ist  ein  bekannter 
Sanskrit-Völkername,  der  sonst  die  Farthcr  bedeuten  muss, 
hier  aber  wie  Paruta  in  der  Keilschrift ,  Pourttta  in  Zend 
für  ein  besonderes  Bergvolk  des  östlichen  Persiens  zu 
stehen  scheint.  Der  Name  der  Parther  in  der  Keilschrift 
ist  verschieden.  Ptolemaios  nennt  die  Bewohner  der  süd- 
lichen Paropamisaden-Iiänder  /7ßo//;rßf ').  Nach  diesen 
Bemerkungen  möchte  ich  auf  folgende  Weise  erklären; 
»der  Hitivira  und  Iranische  Pärada  -  Beherrscher.  Vätigäna 
(?)  der  gottgebohrene.u  Einige  andere  solche  Sassaniden- 
Münzen  mit  doppelten  Legenden  und  Indischen  Namen  sind 
von  Herrn  Wilson  beschrieben,  Arian.  p.  399. 

Diese  Müi:zen  haben  ein  grösseres  Interesse  gewonnen, 
seitdem  es  Hrn.  Professor  J.  Olshausen  in  Kiel  gelungen 
ist,  ihre  Pehlvi-Legenden  zu  lesen.  Auf  der  Reverse  hat 
er  haft  haftdd^  sieben  und  siebenzig,  und  Khurdsdn Merwd 
gelesep,  dem  letzten  Worte  geht  ein  noch  nicht  erkanntes 
vorlrer^).  Es  ist  die  hier  gemeinte  Aera  noch  nicht  zu 
bestimmen ,  der  Sitz  der  Herrschaft ,  unter  welcher  diese 
Münzen  geschlagen  wurden,  war  also  Merw  in  Khorasan. 
Hier  wurde  nun  sicher  kein  Sanskrit  gesprochen,  noch  De- 
vanagari  im  gewöhnlichen  Leben  gebraucht;  wozu  also  die 
Indischen  Legenden?  Es  müssen  diese  Sassanidcn  auch 
Indischredende  Völker  beherrscht  haben;  wir  wissen,  dass 
solche  in  Kabuüstan  einst  weit  verbreitet  waren  und  bis 
zur  Zeit  Mahmüd's  von  Ghazna  sich  erhalten  hatten,  zum 
Theil  es  noch  sind.  Der  Name  des  Königs  ist  jedenfalls 
nicht  Indisch.  Der  Indischen  Schrift  nach  fallen  diese 
Münzen  in  die  Zeit  der  letzten  Sassaniden.  Es  wäre  noch 
manches  über  die  ganze  Gattung  dieser  Münzen  zu  sagen, 
ich  darf  aber  diese  Bemerkungen  nicht  zu  weit  ausdehnen, 
und  füge  nur  noch  die  hinzu,  dass  ausser  den  Pehivi-  und 


1)  BuBNocF,  Yapwrt,  I,  Not.  p.  C.  Die  Altpers.  Keilinschriften, 
S.  99.  Ptolem.  VI,  18. 

2)  Die  Pehlewi-Legenden  auf  den  Münzen  der  letzten  Sassaniden, 
u.  s.  w.  zum  erstenmale  gelesen  und  erklärt  voo  Dr.  Jrsxci 
Olshausen.     Kopenhageo.  184.3. 

V.  29 


450 

Devanagari-Legenden  einige  und  25war  auch  die  oben  be- 
schriebene noch  eine  dritte  Art  von  Charakteren  darbieten, 
deren  Kenntniss  uns  noch  ganz  abgeht. 

Kurz  vor  seinem  Abgange  aus  Indien  hatte  Prinsep's 
rastlose  Thätigkeit  sich  einer  anderen  auch  bis  dahin  kaum 
beachteten  Gattung  von  AJünzen  zugewendet,  denen  nämiich, 
welche  Arianische  und  alte  Devanagnri-Legendcn  verbinden. 
Er  hatte  eine  Tafel  (p.  1047.  pl.  XXXII.)  solcher  Münzen 
besorgt,  konnte  aber  selbst  nicht  den  Commentar  dazu 
liefern.  Es  sind  ihrer  zwei  Abtheilungen;  die  erste  nannte 
er  Buddhistische  Satrapen-Münzen,  ich  habe  diese  schon 
besonders  bei  einer  früheren  Gelegenheit  behandelt  (IV,  201.); 
die  zweite  (No.  1 — 10.),  die  er  Indo-Baktrisch  nannte,  hatte 
er  in  dem  Briefe,  in  welchem  er  mir  die  Tafel  zusandte, 
auch  richtiger  gelesen,  als  nachher  gescheben  ist. 

No.  2 — 10  haben  dieselbe  Reverse,  sie  sind  jetzt  auch 
in  Prof.  Wilson's  Ariana  p.  415.  beschrieben.  Es  ist  ein 
Kaitja  oder  kleines  Buddhistisches  Heihgthum,  von  einem 
Sonnenschirm  bedeckt;  rechts  davon  ein  in  vier  kleinere 
zerlegtes  Viereck,  aus  dem  ein  Baum  mit  dreifacher  Ast- 
verzweigung hervorragt,  also  ein  Indischer  Feigenbaum, 
ich  halte  das  Viereck  für  das  heilige  Gehegte,  in  welchem 
der  Baum  gepflanzt  war,  oder  ist  es  eine  Terrasse,  wie  sie 
in  Ceylon  für  diese  Bäume  errichtet  wurden?  Untftr  dem 
Kaitja  ist  ein  Monogram  oder  richtiger  wohl  ein  Sylnbol, 
mit  der  Gestalt  beinahe  eines  allen  Devanagari  gh^  links 
davon  zwei,  von  welchen  das  obere  ein  svastika  ist,  d.  h. 
ein  mystisches  Zeichen  für  einen  heiligen  Lehrer.  Die 
Münze  bei  Wilson  pl.  XV,  No.  23.  ist  am  schönsten  er- 
halten und  am  deutlichsten  abgebildet.  Mit  dieser  Reverse 
stimmen  Prinsop'«  Münzen  2 — 10.  genau,  ausgenommen 
No.  6.  wo  der  Baum  über  dem  Kaitja  steht,  und  aus  einem 
neunfach  geviereckten  Räume  sich  erhebt,  die  zwei  Sym- 
bole dem  Kaitja  rechts  stehen,  links  aber  ein  Rad,  über 
welchem  ein  Symbol;  und  No.  7.  wo  der  Baum  fehlt  und 
die  zwei  Symbole  dem  Kaitja  rechts  stehen.  Die  Reverse 
trägt  die  Arianische  Legende. 

Die  Obverse  stellt  eine  gehörnte  Gazelle  dar,  vor 
welcher  rechts  eine  Figur  aufrecht  steht,  nach  Wilson  eine 
weibliche;  über  dem  Rücken  des  Thiers  ist  ein  Symbol. 
Nur  No.  6.  scheint  ein  anderes  Thier  zu  haben,  die  Her- 
ausgober dos  As.  J.  nennen  es  einen  Stier,  was  aber  sehr 
unsicher  ist;  das  Thier  ist  auch  hier  links  gewendet,  nicht 
rechts  und  die  stehende  Figur  scheint  ganz  zu  fehlen;  was 
vor  dem  Thierc  steht,  ist  ganz  undeutlich.     Es   ist   diese 


451 

Münze  ganz  ohne  Legende^  also  eine  ganz  eigenthümliche. 
Die  Ob  Versen  haben  sonst  Legenden  sehr  aller  Indischer 
Schrift.  Diese  Münzen  sind  theils  in  Kupfer,  theils  iu 
Silber,  und  stammen  aus  dem  Peng'ab  und  dem  Duab. 
Prinsep  las  die  Altindische  Legende:  mahärug  asa  tilg  nah 
KunandasM  amughabhiUisa,  die  Arianische,  die  nirgends 
ganz  erhalten  ist:' mahärag  asa  amäghabhalisa.  Hr.  Wilson 
die  erste:  mahuräg  asa  RanakanaJasa  ainög/iabAalasa,  das 
zweite  ^doch  als  zweifelhaft  bezeichnet.  Hr.  Alex.  Cüx- 
MNGiiAM,  wie  Prinsep,  jedoch  amögluibhütisa.  Da  auf 
diesen  Münzen  die  Vocalzcicheu  so  leicht  unsichtbar  wer- 
den^ dürfen  wir  wohl  überall  amoghabhütisa  annehmen,  ein 
passender  Name  oder  Beiname  eines  frommen  Buddhisti- 
schen Königs,  ''dessen  Seyn  nicht  eitel  ist.«  Gegen  rag  nah, 
jT^-.y  welches  allerdings  auf  Xo.  7.  und  4.  ziemlich  deut- 
hch  erscheint,  erhebt  sich  der  Einwurf,  dass  es  nach  ;/ia- 
häräg  asa  überflüssig  ist ;  Kun  andasa  oder  Kunädasa,  wie 
es  mir  zu  lesen  scheint,  hat  gegen  sich,  dass  kn  eine  üble 
Bedeutung  hat:  schlecht.  Es  werden  besser  erhaltene  Ex- 
emplare abgewartet  werden  müssen,  um  zur  Sicherheit  zu 
gelangen.  —  No.  \.  ist  eine  verschiedene  Münze:  eine 
stehende,  wie  es  scheint,  behelmte  Gestalt,  mit  einer  kurzen 
Lanze  in  der  ausgestreckten  Rechten;  erloschene  Legende. 
Reverse:  Reiter  auf  einem  Elephanten  mit  Spuren  von 
mahuräg  asa  und  einem  zweiten  Worte  in  Arianischer 
Schrift.  —  Die  Tafel  XL.  giebt  endlich  alte  Hindumünzea 
von  Guanpur,  die  XLL  von  Ug'gajini;  von  den  letzten 
tragen  zwei  die  Inschrift  Ug  eninä  Q-nä  unsicher),  die  andern 
sind  ohne  Legenden;  die  ersten  haben  Altindische  Legen- 
den, aus  denen  einige  Namen  noch  zu  lesen  sind.  Da 
wir  aber  noch  gar  nicht  wissen,  wo  wir  diese  hinstellen 
sollen^  will  ich  es  hier  mit  dieser  kurzen  Erwähnung  be- 
wenden lassen. 


Achter  Jahrgang  und  die  erate  VL&ltte 
des  neunten. 

Die  drei  jetzt  anzuzeigenden  Bände  bieten  noch  mehrere 
werthvolle  Beiträge  dar  zur  Erweiterung  unserer  Indischen 
Kenntnisse  und  die  Herausgeber  haben  grosse  Ansprüche 
auf  unsern  Dank  für  ihr  eifriges  Bestreben,  das  Journal 
im  Sinne  ihres  Vorgängers  fortzuführen.  Es  ist,  wenn 
man  die  wissenschaftlichen  Bestrebungen  in  Indien  gerecht 
beurtheilen  will,  nothwendig,  stets  im  Auge  zu  halten,  wie 


452 


verschieden  in  Indien  die  Bedingung^eri  sind,  unter  welchen 
man  sich  rein  wissenschaftlichen  Arbeiten  widmen  kann, 
von  denen,  die  in  Europa,  oder  genauer  auf  dem  Festlande 
Europa's  im  Allgemeinen  gelten.  Hier  ist  die  Wissenschaft 
gewöhnlich  ein  Amt,  nur  wenige  Begünstigte  yjnncn  sich 
aus  freier  Neigung  der  Wissenschaft  widmen,  diellithedigung 
des  Staats  ist  in  den  meisten  Fällen  eine  unumgängliche 
Bedingung  der  Erhaltung  und  Förderung  wissenschaftlicher 
Anstalten  und  Leistungen.  England  ist  in  dieser  Beziehung 
ganz  verschieden;  was  die  Regierung  thut,  ist  eintropfen 
im  Meere,  verglichen  mit  dem,  was  Gesellschaften  leisten, 
die  von  Privatleuten  gestiftet  und  unterhalten  werden.  Es 
hat  beinahe  jede  Wissenschaft  ihre  Gesellschaft,  ihre  Samm- 
lungen und  Denkschriften.  Die  Vorzüge  und  Nachtheile 
jedes  dieser  Systeme  gegen  einander  abzuwägen,  wäre 
hier  zu  weitläufig,  ich  bemerke  nur,  dass  das  Englische 
System  in  solcher  Ausdehnung  nur  in  einem  so  constituirten 
Lande  wie  England  gedeihen  kann,  namentlich  nur  in  einem, 
in  welchem  ebenso  viele  unabhängige  Existenzen  sind. 
Wenn  nun  aber  dieses  System  auf  Indien  übertragen  wird, 
so  tritt  ein  anderes  und  weniger  günstiges  Verhältniss  ein. 
Die  Engländer  in  Indien  haben  ihre  öffentlichen  Aemter, 
denen  sie  obliegen  müssen,  sie  kommen  gewöhnlich  sehr 
jung  hin  und  werden  gleich  mit  amtlichen  Arbeiten  be- 
schäftigt, das  Klima  begünstigt  nicht  ununterbrochene,  an- 
gestrengte Beschäftigung.  Was  daher  dennoch  freiwillig 
und  aus  Liebe  zur  Wissenschaft  geschieht,  darf  um  so 
mehr  auf  unsern  Dank  und  unsere  Anerkennung  Anspruch 
machen;  Männer,  die  wie  Sir  William  Jones  und  Cole- 
BRooKE  zugleich  hohe  und  wichtige  Aemter  zu  verwalten 
hatten  und  doch  so  grosses  für  die  Wissenschaft  gethan 
haben^  verdienen  eine  grössere  Bewunderung,  als  wenn  sie 
in  unabhängigen  \'erhältnisse:i  in  England  gelebt  hätten. 
Bei  den  aufgezählten  Hemmnissen,  welche  der  Hingebung 
an  wissenschaftliche  Bestrebungen  in  Indien  entgegenste- 
hen, Klima,  Berufsarbeiten,  frühe  Ilineinziehung  in  rein 
praktische  Beschäftigungen,  Mangel  an  vollständiger  wissen- 
schaftlicher Vorbereitung,  ist  allerdings  nicht  zu  verkennen^ 
dass  eine  Gefahr  da  sey,  es  könne  ein  Nachlassen  des  Ei- 
fers eintreten,  es  ist  am  Ende  ni«  mand  da,  der  verpflichtet 
sey,  ein  übriges  über  sein  Amt  hinaus  für  die  Wis- 
senschaft zu  thnn,  es  findet  sich  nicht  immer  jemand, 
welcher  seine  Umgebung  mit  Eifer  für  die  Wissenschaft 
zu  elektrisiren  versteht.  Es  stellt  sich  daher  klar  das  Bc- 
dürfniss  heraus,    dass  von   oben    herab  es  Jemanden  zum 


453 


Amte  gemacht  werde,  sich  um  die  Wissenscliaft  zu  be- 
kümmern, mit  andern  Worten,  dass  etwas  von  dem  Systeme 
des  Europäischen  Festlandes  in  Indien  eingeführt  werde. 
Diese  Bemerkungen  sind  durch  mehrere  Berichte  der  vor- 
liegenden Bände  über  die  Angelegenheiten  der  Asiatischen 
Gesellschaft  von  Benaralen  hervoroforufen.  AVir  sehen  aus 
eiuem  Schreiben  des  Hofes  der  Directoren  an  den  General- 
Gouverneur  (VIII,  958.).  dass  der  Gesellschaft  auf  ihr 
Gesuch  300  llupien  monatlich  zugestanden  worden  sind, 
um  für  ihre  naturhistorischen  Sammlungen  gehörige  Sorge 
tragen  zu  können,  und  einen  Custos  dafür  mit  zu  besolden; 
für  andere  Zwecke  werden  Unterstützungen  in  Aussicht 
gestellt,  wenn  das  Bedürfuiss  sie  erfordert.  Dieses  ist 
sehr  dankenswerth,  macht  es  aber  von  zufalligen  Umständen 
abhängig,  ob  die  Gesellschaft  gerade  im  rechten  Moment 
die  nöthigen  Mittel  habe.  Man  könnte,  scheint  es,  auch 
wohl  einen  Sekretär  für  das  philologische  und  antiquarische 
Fach  anstellen,  der  Gesellschaft  eine  massige  Summe  be- 
willigen, um  Nachforschungen  nach  Denkmalen  und  ihre 
Sammlung  zu  fördern,  dann  um  die  regelmässige  Bekannt- 
machung ihrer  Verhandlungen  zu  sichern.  Man  würde  dann 
stets  einen  geeigneten  Mann  in  Indien  haben ,  um  die  In- 
teressen der  Alterthurasforschung  wahrzunehmen  imd  es 
der  Gesellschaft  möglich  machen,  ihre  gelehrten  Arbeiten 
der  Welt  schneller  vorzulegen. 

Für  die  Geographie  Indiens  ist  der  wichtigste  Beitrag 
der  Bericht  Lieut.  J/.  Kittue's  über  verschiedene  Reisen  ia 
das  innere  noch  so  unbekannte  Waldland  zwischen  Ben- 
galen, Orissa  und  dem  Mahänada,  VIII,  137.  367.  474.  606. 
671.  Es  sind  dieses  Gegenden,  welche  in  der  Geschichte 
Indiens  höchst  unbedeutend  erscheinen ,  für  die  Zukunft 
des  Landes  aber  wichtig;  sind,  da  sie  sehr  anbaufahior  und 
noch  sehr  menschenarm  sind.  Sehr  ausführliche  statistische 
Nachrichten  über  jetzige  Zustände  enthält:  Report  on  the 
setllement  ofthe  ceded  portion  of  Azimgurh,  hy  J.  Thomason, 
Esq.  VIII,  p.  77—  13G.  Das  Gebiet  liegt  zwischen  Aude, 
Gorakhpur  und  Benares.  Der  March  between  Mhoic  and 
Saugor,  1838.  VIII,  805.,  dessen  Fortsetzung  auch  die 
Aufschrift:  On  the  Huli  in  Malica.  By  Khan  Ali,  IX,  311. 
trägt,  rührt  gewiss  von  keinem  Orientalen,  sondern  von 
einem  Herrn  ConoUy  her.  Der  brauchbarste  Theil  ist  die 
Beschreibung  des  grossen  Indischen  Festes  Huli  {Hdläkä)^ 
doch  würde  sie  nur  gewonnen  haben ,  wenn  sie  einfach 
gehalten  worden  und  weniger  reich  an  sehr  digressiveu, 
aber  nicht  immer  triftigen  Bemerkungen  wäre. 


454 


Die  übrigen  geographischen  Artikel  beziehen  sich  auf 
die  Gränzländer  Indiens,     lieber  das  kleine  Land  im  Westen 
der  Indus -Mündung,   Las  (oder  früher  Lus)  erhalten  wir 
umständlichere  und  kürzere  Berichte:  Account of  a  Journey 
to  Beylah,  and  Memoir  on  the  Province  of  Lns.  By  Lieut. 
Carloss,  J.  N.  VIII,  184.  Some  accottnt  of  a  Journey  from 
Kurrachee  to  Hinglaj,  in  the  Iais  territory^  descriptive  of 
the  intermediate  country ,  and  of  the  port  of  Soumeanee  (I. 
Sonm.).  By  Captain  Hart,   IX,   135.  wozu  eine  Karte  der 
Route,  IX,  615.  endlich  eine  Notiz  über  die  Kupfergruben 
bei  Bela,  von  Cptain  De  la  Hoste.  IX,  30.     Das  kleine  un- 
bedeutende   Land   besass   vor    kurzem    eine    vergrösserte 
Wichtigkeit,  weil*  von  seinem  Hafen  Sunmiäni  eine  grosse 
Strasse  nach  Kelat   und  von  da  nach  Kandahar  und  Kabul 
geht.     Das  Heiligthum  bei  Hinglag'   im  W.   von  Las,   ein 
Tempel  der  Mätä  (Mutter)  oder  Mahämäja,   wird  viel  be- 
sucht von  Hindupilgern.  —  Das  interessante  oberste  Catadrü- 
thal  oder  Kanaivar  wurde  auf  Veranlassung  der  Asiatischen 
Gesellschaft   aufs   neue   besucht,   vorzüglich   behufs  einer 
genauem  Untersuchung  der  Geologie  und  der  fossilen  Ue- 
berresle  dieses  höchsten  Himälaja's.     In  dem  Journal  of  a 
trip  through  Kunaivar,  Hungrung ,   and  Spili,    undertnken 
in  the  year  1838,  etc.  By  Thomas  Hutton,  Lieut.  VIII,  p. 
901.  IX,  489.  555.   wird   unsere  Bekanntschaft   mit  diesem 
Hochlande  nicht  nur  in  geologischer  und  naturgcschichtliclicr, 
sondern  auch  noch  in  politischer  und  socialer  Kichtung  er- 
weitert und  vervollständigt.  —  Dem  Gebiet  der  neuern  Geo- 
graphie fällt  auch  der  Artikel :  A  Collection  of  facts  which 
tnay    he    tiseful  for    the    comprehension    of  Alexander  the 
GreaVs  exploits  on  the   Western  banks  of  the  Indus  {nith 
map^.  By  A.  Court,  VIII,  304.  zu,  denn  was  der  Verfasser, 
bekanntlich    bis  vor  kurzem   General   bei    dem   Räg'a   der 
Sikh,   ü     r  Alexanders  Märsche   eigenthümliches  vorträgt, 
entbehrt    der   vollständigen   Kenntniss   der   Alten    und   der 
genauen  Abwägung  ihrer  Berichte,  die  in  Europa  ihnen  zu 
Theil  geworden  sind;  wir  logen  ihm  diesen  Mangel  jedoch 
keineswegs    zur    Last,    eine   weitläufige    Bibliothek    alter 
Classiker  kann  man  im  Feldlager  nicht  mit  sich  herumführen. 
Seine   Nachrichten    umfassen    das    Gebiet    zwischen    dem 
Indus,  Kabul,  Khonar  und  llinduknsch,  die  Karte  ausserdem 
das  Land  bis  Kandahar,  doch  giebt  sie  nur  für  jenes  Ge- 
biet eigentlich  neues.     Dieses  östliche  Kabulistan  im  Norden 
des  Flusses  Kabul  ist  noch  nach  den  neuesten  Ereignissen 
beinahe  so  unbekannt,  wie  früher ,  die  fanatischen  lusufzei 
wehren  den  Fremden  den  Zugang.    Es  ist,  wie  wir  jetzt 


455 

sehen,  dasjenige  Indische  Land,  in  welchem  die  meisten 
antiquarischen  Entdeckungen  noch  zu  machen  sind  5  die 
Chinesischen  Buddhisten,  die  zwischen  400  —  650.  nach 
Indien  pilgerten ,  fanden  das  Land  in  seiner  Biüthe  und 
reich  an  reügiösen  Denkmalen;  Fahian  giebt  die  Zahl  der 
Klöster  auf  500  an.  Nach  Court's  Nachrichten  müssen 
viele  Werke  der  Baukunst,  wenn  auch  in  Huinen^  noch 
vorhanden  seyn.  Er  zählt  sieben  Städte  auf,  von  denen 
grössere  Ueberreste  bekannt  sind,  ausser  kleinern  in  ihrer 
Nähe;  zwölf  Stellen ,  wo  noch  Stüpa  sich  Gudeu,  dazu 
noch  andere  Denkmale.  Es  scheinen  sich  auch  weitere 
Erläuterungen  der  Chinesischen  Nachrichten  aus  Court  zu 
ergeben;  dass  das  Land  am  Suwat  bei  ihnen  Uiljania  (Ug- 
g'ana)  und  der  Suwad,  Suastus  der  Alten,  ^itbharastu 
heisscn,  ist  bekannt.  Sie  nennen  weiter  die  Hauptstadt 
Mengholi  oder  Mengkieli  und  setzen  sie  nahe  dem  Suwad^ 
da  dessen  Quelle  250  Li  N.  0.  von  da  lag ').  Ich  erkenne 
darin  Manglore  oder  3Iangavar  bei  Court  am  Ostufer  des 
oberen  Flusses;  im  Sanskrit  nach  einer  früheren  V'ermu- 
thung  Mangala,  vielleicht  noch  richtiger  Mangalavaia.  Geht 
man  nordostwärts  von  der  Hauptstadt  zum  Indus,  und  an 
ihm  aufwärts,  dann  über  die  Berge  nach  dem  kleinen  Flusse 
Thalilo  erreicht  man  die  alte  Hauptstadt.  Diese  Route 
führt  nach  dem  Tal -Flusse,  auf  dessen  Südufer  Ruinen 
der  alten  Stadt  Gank  al  sind.  Ich  übergehe  andere  Nach- 
richten der  Chinesen,  die  ebenfalls  aus  den  jetzt  noch  er- 
haltenen Denkmalen  und  Ueberlieferungen  scheinen  erklärt 
werden  zu  kötinen.  Da  mehrere  Stupa  hier  von  den  Chi- 
nesen dem  A9Öka  zugeschrieben  werden,  würde  es  beson- 
ders wichtig  seyn,  dass  dieses  Land  genauer  untersucht 
würde. 

Wir  verdanken  diese  Berichte  der  Verbreitung  der 
Sikh- Herrschaft  in  das  östliche  Kabulistan.  Aus  dem 
Umstände,  dass  Afghanistan  in  seiner  ganzen  Ausdehnung 
mehrere  Jahre  von  den  Britischen  Heeren  besetzt  gewesen 
ist^  hesse  sich  erwarten,  dass  wir  jetzt  mit  diesem  Lande 
aufs  genaueste  bekannt  wären.  Diese  Erwartung  ist  aber 
sehr  wenig  in  Erfüllung  gegangen.  Ausser  der  Erzählung 
der  Kriegsbegebenheiten  beschränkt  sich  die  vermehrte 
und  berichtigte  Belehrung  meistens  auf  die  äusserliche 
geographische  Beschreibung;  einiges  ist  der  Naturgeschichte 
zu  Gute  gekommen,  zumal  der  Mineralogie  und  Geologie; 


1)  Zur  Geschichte,  etc.  S.  144.  Foe  K.  K.  p.  63.  p.  59.  »79. 


456 

für  die  Kcnntniss  der  socialen  Zustände  und  der  innern 
Politik  hat  der  Scharfblick  und  die  Thätigkeit  Elpiiinstone's 
mehr  geleistet,  als  alle  die  späteren  Werke.  Seiner  um- 
sichtigen Thätigkeit  verdanken  wir  noch  einen  der  schätz- 
barsten Beiträge  dieser  Jahrgänge,  das  Memoir  on  the 
Climate,  Soil,  Prodtice  and  Hnsbandry  of  Afghanistan  and 
the  Neighhouring  Conntries.  By  Lieut.  Irwin j  VIII ,  745. 
779.  869.  1005.  IX,  33.  189.  Es  ist  diese  Denkschrift  auf 
die  Aufforderung  und  zum  Gebrauche  Elphinstone-s  aus- 
gearbeitet worden.  Da  die  damalige  Gesandtschaft  nur 
einen  Theil  des  Landes  besuchen  konnte,  hat  vieles  auf 
mündliche  Berichte  hin  aufgestellt  werden  müssen;  dessen 
ohngeachtet  bleibt  diese  Abhandlung  für  solche,  denen  es 
bei  der  Länderkemitniss  um  mehr  zu  thun  ist,  als  um  ein 
Wissen  der  Grade,  Namen  und  Zahlen,  eine  sehr  werth- 
volle  Mittheilung. 

Die  übrigen  geographischen  Artikel  beziehen  sich  auf 
die  östlichen  Gränzländer  und  Hinterindien.  Der  erste: 
Extracts  from  the  Narrative  of  an  Expedition  into  the  Naga 
territory  of  Assam.  By  E.  li.  Grange^  VIII,  445.  enthält 
nur  weniges  vom  allgemeinern  Interesse;  Naga  oder  Berg- 
bewohner ist  allgemeiner  Name  für  die  Avildcn  \VaId- 
bewohner  eines  Theiles  des  Berglandes  zwischen  Assam 
und  Silhet;  hier  geht  der  Zug  in  das  Gebiet  zwischen  den 
Flüssen  Kapili  und  Dhansiri,  die  beide  nordwärts  nach  dem 
Brahmaputra  strömen.  Dagegen  giebt  das  Journal  of  the 
tnission  which  visited  Bootan,  in  1837 — 1838,  under  Cptain 
R.  Boileau  Pemberton.  By  W,  Griffith.  VIII,  205.  251. 
zuerst  eine  umfassendere,  allgemeine,  obwohl  noch  nicht 
vollständige  Beschreibung  dieses  Landes,  welches  als 
östliche  Fortsetzung  des  Himälajagebiets  für  die  geogra- 
phischen und  physikalischen  \VMssenschaften  grössere 
Wichtigkeit  hat,  als  die  rohe,  grausame  und  trotz  seines 
Buddhismus  unlitterarische  Bewohnerschaft  für  den  Ethno- 
graphen und  Historiker. 

Assam,  eines  der  am  reichsten  begabten,  aber  auch, 
am  meisten  vernachlässigten  Länder  der  Welt  zog  kurze 
Zeit  die  besondere  Aufmerksamkeit  der  Englischen  Ver- 
waltung auf  sich,  weil  entdeckt  wurde,  dass  iu  seinen  öst- 
lichsten Strichen  die  Thecpflanzc  einheimisch  war.  Man 
erforschte  die  Arten  und  die  Gegenden  ihres  Vorkommens, 
man  zog  Chinesen  herbei  und  wollte  England  mit  Indischem 
Thee  versehen,  weil  Krieg  mit  dem  wahren  Theclande 
war.  Diese  Anstalten  werden  beschrieben  in:  Report  on 
the  manufactiire   of  Tea ,    and  on  the  extent  and  produce 


457 

of  the  Ten  plantations  in  Assam.  By  C  A.  Bruce,  Super- 
intendent of  Tea  culture,  VIII,  p.  497.  mit  einer  Karle 
der  Theegegend.  Dieser  Bericht  wird  sein  wissenschaft- 
liches Interesse  behalten,  obwohl  die  Sache  selbst  seit  dem 
Frieden  mit  China  es  fiir  die  Handelspolitik  verloren  hat; 
je  mehr  Thee  man  den  Chinesen  abkauft,  desto  mehr  Zeuge 
werden  diese  kaufen ;  es  wäre  kein  Vortheil ,  aus  Indien 
Thee  zu  ziehen  und  das  Unternehmen  scheint  später  ganz 
aufgegeben  worden  zu  seyn. 

Von  Richardson,  von  dem  schon  früher  Reiseberichte 
über  die  iimeren  Gegenden  Hinterindiens  erwähnt  worden 
sind  (Ztschfi.  I,  225.  III,  154..),  ist  hier  eine  neue  Mitlheiiung 
dieser  Art  gegeben:  Journal  of  a  Mission  from  the  Su- 
preine  Government  to  the  Court  of  Siam,  VIII,  1016.  IX, 
1.  2 49.  Dieser  Bericht  hat  schon  dadurch  einen  Vorzug  vor 
den  früheren,  dass  er  iu  seiner  ausfüiirjicheren  Fassung  mit- 
geiheilt  ist;  er  beschreibt  ausserdem  noch  unbesuchte  Theile 
Siams.  Die  Reise  geht  von  Maulmien  an  der  Küste  über 
die  grosse  Scheidekette  ZN^schcn  der  Westküste  und  dem 
Siamesischen  Stromsysteme  bei  den  drei  Pagoden,  dann 
den  grossen  Kamburifluss  hinunter  zur  gleichnamigen  Stadt, 
^vo  die  Sisaval  einmündet,  dann  nach  Bankok.  Von  der 
Rückreise,  die  von  da  gerade  nordwärts  bis  Zimrae  ging, 
ist  nur  der  Anfang  in  diesem  Bande  gegeben.  Eine  grosse 
Karte  ist  beigefügt.  —  Von  dem  ebenfalls  schon  erwähnten 
Deutschen  Naturforscher  J.  W.  Helfer  (oben  I\',  498.), 
ist  die  Fortsetzung  seiner  Berichte  über  Tenasserim  mitge- 
tiieilt:  Third  report  on  Tenasserim,  VIII,  97^1  Fourth  re- 
port,  IX.  155.  Sie  beschäftigen  sich  vorzugsweise  mit  den 
Bewohnern  und  ihren  Zuständen,  dann  mit  der  günstigen 
Lage  und  der  Tauglichkeit  dieses  Landes,  tropische  Cul- 
turen  jeder  Art  in  sich  aufzunehmen ;  im  südlichsten  Theile 
gedeihen  Mangustine  und  Muskaten,  die  bekanntlich  ein 
eigeuthüraliches,  höchst  mildes  Klima  erfordern.  Der  erste 
dieser  Berichte  enthält  viele  beachtungswerthe  Angaben 
zum  tieferen  Verständniss  des  eigenthümlichen  Characters, 
der  alle  sogenannten  lliuterindische  Völker  durchdringt.  — 
Das  von  der  X'atur  höchst  begünstigte  Land  Tenasserim  war 
vor  wenigen  Jahren  noch  so  unbekanut,  dass  die  Britten 
es  nur  im  Frieden  mit  den  Barmaneu  behielten^  weil  sie 
es  diesen  nicht  zurückgeben  wollten.  Man  kennt  und 
schätzt  es  jetzt  allerdings  besser  als  früher ,  doch  ist  das 
innere  noch  zum  Theil  so  unbekannt,  dass  die  Gränze  gegen 
Slam  nicht  anders  bestimmt  ist,  als  durch  die  hohe  Scheide- 
kette, deren  Richtuug  verschieden  dargestellt  wirdj  der 
FIhss  Pakshan^    die    Südgränze .    mündet   um   einen   Grad 


446 

weiter  nach  Süden,  als  man  wusste.  Eine  berichtigte  Karte 
des  südlichen  Tenasserira  findet  sich  bei  der:  Note  on  the 
Map  attached  to  the  report  of  the  Coal  Committee ,  etc. 
Bf/  Capt.  Macleod,  IX,  582.  Die  Frage,  die  hier  vorzüg- 
lich besprochen,  aber  nicht  entschieden  wird,  ist  eine  in 
geographischer  und  commerzieller  Beziehung  wichtige.  Das 
schmale  Land,  welches  die  Halbinsel  Malacca  mit  dem 
Körper  Hinterindiens  verbindet,  verengt  sich  noch  mehr 
zwischen  dem  12ten  und  9ten,  namentlich  zwischen  dem 
lOten  und  9ten  Grade  n.  B.  und  Älalacca  wird  beinahe, 
was  es  seiner  Natur  und  Stellung  ohnehin  im  wesentlichen 
ist,  zu  einer  wirkUchcn  Insel.  Man  nennt  diese  Land- 
enge Kräh.  Es  kommt  hinzu,  dass  die  meisten  Flüsse 
dieser  Küste  zwar  kurz  sind,  aber  breite  schiffbare  3Iün- 
dungen  haben;  es  ist  Thatsache,  dass  man  durch  Benu- 
tzuna:  der  Flussschiffart,  wo  diese  von  beiden  Küsten  her 
ins  Innere  in  derselben  geographischen  Breite  besteht,  die 
Reise  zu  Land  auf  die  weniger  Tage  beschränken  kann, 
an  einer  Stelle  sogar  auf  zwei.  'Einige  Berichte  behaupten, 
es  wäre  an  einer  Stelle  eine  Lücke  der  grossen  Meridian- 
kette im  Innern ,  nach  andern  ist  dieses  aber  sehr  zweifel- 
haft. Durch  eine  bequeme  Queerstrasse  dieser  Art  würde 
man  die  weite  und  beschwerliche  Schiffarth  durch  die  Ma- 
lacca-Strasse  um  die  Halbinsel  herum  sich  ersparen  und  eine 
grosse  Erleichterung  des  Verkehrs  zwischen  den  West- 
und  Ost-Küsten  Hinterindiens  gew^innen.  lieber  die  rechte 
Stelle  des  kürzesten  und  bequemsten  Durchganges  sind 
noch  Zweifel;  genaue  Bestimmungen  der  Lage  der  Oertcr 
im  Innern  und  sogar  an  einem  Theile  der  Ostküste  fehlen, 
lieber  die  eine  Verbindungsstrasse  sind  später  genauere 
Untersuchungen  durch  Richardson  angestellt  worden.  Nach 
einem  Auszuge  aus  seinem  Berichte  {^Augshurger  Allg. 
Zeitg.,  1844.  No.  237.)  segelte  er  20  Engl.  M.  den  für 
grosse  Schiffe  fahrbaren  Kraw-Fluss  von  der  Mündung 
hinauf,  dann  8  M.  in  einem  Boote  bis  zum  Siamesischen 
Dorfe  Kraw;  von  da  bis  nach  K  impohun  (Kampun)  an 
der  Ostküste  an  der  Mündung  des  gleichnamigen  Flusses 
sind  auf  dem  Landwege  27  Engl.  M.  Der  Kampunfluss 
ist  ebenfalls  schiffbar,  wie  weit  wird  nicht  gesagt.  Die 
Gränze  ist  bei  dieser  Gelegenheit  zwischen  Siam  und  Te- 
nasserim  festgesetzt  worden,  es  fehlen  die  Angaben  darüber. 
Das  Gränzland  ist  sehr  fruchtbar  und  namentlich  reich  an 
Zinn.  Wenn  der  Krawfluss,  wie  es  anzunehmen  nöthig 
scheint,  der  Pakshan  ist,  müsste  die  bisherige  Unsicherheit 
über  die  Lage  der  Landengo  Kraw  aufhören. 


459 

Die  Beiträge  zur  Sprachenkunde  beziehen  sich  mit 
Ausnahme  der  schon  erwähnten  Mittheiluu;»  über  das  Af- 
ghanische auf  die  Sprachen  der  ursprünglichen  Bewohner 
des  Himalaja  in  Nepal  und  Sikim  und  des  vorliegenden 
Landes.  Diese  Völker  waren  uns  zwar  früher  durch  Kirk" 
patrick  und  Francis  Hamillon  bekannt  geworden,  wir  er- 
halten hier  aber  über  einige  unter  ihnen  genauere  Xach- 
richtcn,  über  andere  ganz  neue,  und  namentlich  neue  Bei- 
träge zur  Kenntniss  ihrer  Sprachen  in  folgenden  Artikeln: 
Note  OH  the  Mechis^  taget  her  icith  a  small  rocabulary  of 
the  Language.  By  A.  Campbell,  Esq.  \'III,  623.  Note  on 
the  Lepchas  of  Sikkim.  By  A.  C.  IX,  379.  und  ebend.59'% 
Note  on  the  Litnboos,  aitd  other  Hill  Tribes  hitherto  un,- 
described,  von  demselben.  Diese  Völker  gehören^  wie  ich 
anderswo  zu  zeigen  gesucht  habe^  meistens  zu  dem  Tu- 
betischen Volke^  dessen  Hanptsitze  im  liöchsten  Himalaja 
und  auf  dem  jenseitigen  Hochlande  sind,  jedoch  finden 
sich  auch  Stämme  von  ihm  in  den  unteren  Theilen  dieses 
Himalaja;  die  Bewohner  Butans  gehören  auch  zu  ihneo. 
Das  Brahmanenthum  hat  jüngere  und  beschränktere  Ein- 
flüsse auf  sie  ausgeübt,  als  der  Buddhismus;  es  ist  bei 
einigen  noch  viel  ursprüngliches  erhalten.  Die  Xiclitindischea 
Bewohner  des  niedrigen  Vorlandes  der  Gebirge  und  der 
Ebene,  wie  die  Mek'h,  haben  eine  nähere  Beziehung  zu 
den  Hinterindisehen  Völkern,  sie  haben  sich  viel  nachgie- 
biger gegen  die  Einwirkung  der  Indischen  Cultur  gezeigt 
und  in  dem  östlichsten  Indien  sind  viele  von  ihnen  jetzt 
als  Hindu  der  unteren  Kasten  in  den  Staatsverband  ein- 
getreten. Ich  will  hiemit  nur  auf  das  verdienstliche  von 
Mittheilungen,  wie  die  obigen,  hindeuten ;  da  ich  schon  bei 
einer  andern  Gelegenheit  ausführlicher  meine  Ansichten 
über  ihre  Eigenthümtichkeit,  ihre  ethnographische  Stelluno- 
und  ihre  Beziehungen  zu  Indien  habe  vortragen  können  ij, 
vermeide  ich  hier  darauf  zurückzukommen. 

Zur  Erweiterung  der  Kenntniss  der  Litteraturgeaehichte 
Asiens  findet  sich  kaum  ein  Beitrag;  denn  der  Artikel: 
Sisupäla  Badha,  or  death  of  Sisupdla  by  Mdgha.  Translated 
with  annotations,  by  J.  C.  Sutherlaad,  Esq.  VUI,  16, 
enthält  nur  die  20  ersten  Strophen  des  längst  bekannt  «»-e- 
machten  Gedichts.  Eine  andere  Mittheilung  hat  Werth, 
als  Beispiel  vom  neuern  Stile  der  Sanskrit-Poesie  und  von 
der  Willkühr  der  neuern  Secten,  die  alte  Lehre  und  My- 


1)  Indische  Alterthiimsfcunde,  1,  441.  457. 


460 

thengeschichte  zur  Verherrlichung  ihres  Sectengotts  um- 
zuwandehi.  Ich  meine:  The  Mahimna{1i) statu,  or  a  Hijmn 
to  Shiva,  wilh  an  English  Iranslation.  By  the  Rev,  Krishna 
Mohana  Banerji.  VIII,  355,  Also  von  einem  bekehrten 
Hindu ^  der  wenigstens  gut  Englisch  gelernt  hat.  Dieser 
Lobgesang  kündigt  sich  an  als  das  Werk  eines  auf  der 
Erde  durch  ein  Vergehen  festgehaltenen  Gandharva's; 
von  einem  himmlischen  Geiste  hätte  man  ein  Recht,  eine 
besonders  schöne  Poesie  zu  verlangen;  wer  etwas  mit  der 
Indischen  Literatur  vertraut  ist,  weiss  schon,  wie  solche 
Einkleidungen  zu  nehmen  sind.  Das  Gedicht  gehört  der 
neuern  Zeit^,  sein  poetischer  Werth  ist  kein  grosser,  das 
Lob  des  Civa  dagegen  sehr  gross,  doch  ist  der  Stil  mei- 
stens weniger  künstlich  und  bombastisch,  als  in  andern 
ähnlichen  neuern  Ergüssen.  Einzelne  Ausdrücke  haben 
schwerlich  ein  gesichertes  Bürgerrecht  im  Sanskrit,  wie 
manasa  für  manasa  oder  manas  und  vjäkrofi,  Schmähung. 
—  Von  andern  Literaturen  kommt  nur:  Specimen  of  the 
Burmese  Drama,  translated  by  J.  Smith.j,  etc.  \'in,  535.  vor. 
Aus  dem  begleitenden  Bericht  erhellt,  dass  bei  den  Bar- 
manen  noch  Schauspiele  aufgeführt  werden,  denn  das  hier 
übersetzte  Stück  ist  bei  seiner  Aufführung  niedergeschrieben 
worden;  es  soll  auch  noch  Handschriften  von  Dramen  geben. 
Die  dramatische  Kunst  scheint  bei  den  Barmanen  ohne 
Zweifel  aus  Indien  zu  stammen^  das  Rämäjana  und  andere 
Indische  Erzählungen  liefern  vorzüglich  den  Stoff.  Die 
Skizze  des  Inhalts  zeigt  im  vorliegenden  Falle ,  dass  die 
Dichtung  bei  den  Barmanen  von  derselben  Maasslosigkeit 
und  unmotivirten  Willkühr  beherrscht  wird,  wie  bei  den 
übrigen  Hinterindischen  Völkern. 

Ein  Indisches  astronomisches  Instrument  wird  boschrieben 
in  Description  of  an  Afttronomical  Instrument^  presenteJ  by 
Raja  Rum  Sing,  of  Khota,  to  the  Government  of  India.  By 
J.  J.  Middleton,  Esq.  VIII,  831.  Es  ist  ein  Instrument 
zur  Bestimmung  der  Tageszeit  durch  Beobachtung  der 
Sonne,  nach  der  Inschrift  erst  im  Jahre  1756  verfertigt, 
aber  nach  alter  Vorschrift  in  den  Castra.  Es  ist  genau 
beschrieben  und  abgebildet.  Astronomischen  Inhalts,  näm- 
lich von  den  verschiedenen  Arten  des  Jahres  handelnd,  ist 
das  kurze  Stück  aus  der  früher  (IV,  497.)  erwähnten  von 
Hammer'schca  Uebersetzung  des  Türkischen  Werks  Mohit, 
von  welcher  hier  plötzHch  eine  Fortsetzung  auftaucht^ 
VIII,  823. 

Von  Denkmalen  sind  nur  zwei  beschrieben  und  abge- 
bildet: Proposed  publication  of  Hindu  Architeclural  remains, 


461 

VIII,  384.  und  Note  on  a  pillar  found  in  the  Ganges  near 
Ptibna,  and  of  another  al  Kurra  near  Allahabad.  By  Lieut. 
M.  Kittoe.  ebend.  ^1.  Im  ersten  Artikel  wird  ein  schönes 
Bild  der  Pärvati  beschrieben.  Der  hier  angekündigte  Plan 
scheint  nicht  ausgeführt  worden  zu  sevn,  was  sehr  zu  be- 
dauern  ist.  Wenn  man  überlegt,  wie  wenige  zuverlässige 
und  mit  gehöriger  Kenntniss  ausgeführte  Messungen,  Zeich- 
nungen und  Beschreibungen  von  den  Denkmalen  der  Alt- 
indischen Felsen -Baukunst  —  von  einigen  wie  von  dem 
merkwürdigen  Tempel  in  Ag'ajanta  giebt  es  nur  eine  flüch- 
tige Beschreibung  —  bisher  gemacht  und  ans  Licht  ge- 
fördert worden  sind,  wie  sehr  diese  Werke  der  V^erwitte- 
rung  und  den  Zerstörungen ,  welche  die  \'egetation  an 
ihnen  anrichtet,  fortwährend  ausgesetzt  sind,  muss  man  es 
aufs  tiefste  bedauern,  dass  nichts  geschieht,  um  sie  durch 
Beschreibungen  der  Forschung  der  Gegenwart  und  der  Nach- 
welt so  treu  und  vollständig,  wie  es  noch  geschehen  kanu^ 
zu  überliefern.  Es  kann  diesfcs  von  keinem  Privatmanne 
unternommen  werden,  nur  von  der  Ostindischen  Regierung, 
es  ist  eine  Pflicht,  die  sie  der  Welt  gegenüber  zu  erfüllen 
hat,  die  nicht  schon  erfüllt  zu  haben ,  ein  schwerer  Tadel 
ist.  Erfüllt  sie  sie  nie,  wird  die  Nachwelt  eine  solche 
Gleichgültigkeit  gegen  die  grossen  Werke  der  Vorwelt,  eine 
solche  Knauserei  nie  begreifen  können.  Wie  kläglich  er- 
scheint sie  in  dieser  Beziehung  im  Vergleiche  mit  der 
Französischen,  welche  uns  das  alte  Aegypten,  nachher 
Morea,  daim  Persepolis  von  befähigten  Männern  hat  unter- 
suchen und  in  grossen  Prachtwerken  der  Welt  darstellen 
lassen.     Sogar  das  kleine  Toscana  beschämt  sie. 

Was  zur  JMiin%kunde  in  diesen  Bänden  beigetragen 
worden  ist^  lässt  sich  kurz  behandeln.  Es  sind  folgende 
Artikel:  Account  of  Coins  found  at  Bameean.  By  Captain 
Hay,  IX,  68.  Notice  of  some  counterfeit  Bactrian  coins. 
Von  Alexander  Cunningham,  ebend.  393.  Notes  on  Captain 
Hay's  Bactrian  coins,  von  demsc\hen,  ebend.  531.  Ich  fasse 
zusammen  was  hierüber  zu  sagen  ist.  Das  südliche  Afgha- 
nistan hat  sehr  geringe  Ausbeute  geliefert;  das  Land  im 
Westen  Kandahar's  bis  Seg'istän  ist  ebenfalls  sehr  arm 
an  Griechischen  Münzen ,  und  nur  an  Münzen  des  Azes, 
des  Gondophares  und  der  ihnen  verwandten  Herrscher  ist 
es  reich  (IX,  97.).  Die  hier  sehr  ungenügend  abgebildeten 
Münzen  sind  alle  sonst  beschrieben,  nur  eine  finde  ich  sonst 
nicht  erwähnt;  es  ist  eine  des  Lysias,  welche  die  Büste 
des  Königs  darstellt  mit  der  Reverse  der  Dioskuren-Haube 
und  Palmzweige,   wie  sie  auf  Eukratides  und  Antialkidcs 


462 

Münzen  erscheinen.  Die  Legende  ist  die  gewöhnliche. 
Von  Hrn.  Alexander  Cuniilngham,  dem  einzigen,  der  nach 
Prinsep's  Abgange  die  numismatischen  Studien  in  Indien 
mit  Eifer,  Kenntniss  und  Erfolg  weiter  verfolgt  hat,  wird 
die  Nach\veisung  gegeben,  dass  seitdem  die  Baktrischen 
Münzen  dort  so  gesucht  und  so  gut  bezahlt  werden,  schon 
mehrere  Beispiele  von  nachgemachten  vorgekommen  sind. 
Zwei^  VIII,  343.  ungenügend  beschriebene  Farthische  Mün- 
zen sind  nach  seiner  Angabe  schon  oben  IV,  S.  206.  ge- 
nauer beschrieben  worden.  Gemmen,  die  um  Kandahar 
gefunden  worden  sind,  werden  beschrieben  in:  Note  of 
discoveries  of  Gems  from  Kandahar.  By  Lieut.  Conolly, 
IX,  97.  Sie  sind  verschiedener  Art^  die  Deutung  noch 
unsicher. 

Einen  solchen  Reichthum  an  merkwürdigen  und  wich- 
tigen Inschriften,  Avie  ihn  der  siebente  Band  darbot,  wird 
man  nicht  hoffen  dürfen^  so  leicht  wieder  beisammen  zu 
finden.  Doch  ist  dieser  Reichthum  keineswegs  erschöpft, 
wir  wissen  von  manchen  Orten^  dass  an  ihnen  viele  noch 
uncopirte  Inschriften  sich  vorfinden,  eine  besonders  danach 
angestellte  Nachforschung  \vürde  auch  an  andern  Orten 
ihrer  entdecken,  der  Wunsch  der  Machthaber  würde  viele 
Mittheilungen  von  Einheimischen  hervorrufen.  Die  drei 
vorliegenden  Bände  enthalten  noch  mehrere  schätzbare  In- 
schriften, die  ersten  Nachfolger  Prinsep's  haben  noch  mit 
seinem  Eifer  fortgewirkt.     Ich  gfche  sie  einzeln  durch. 

Sanscrit  Inscription  on  the  Slab  remoted  from  above 
the  Kothoutija  gate  of  the  Fort  Rotas.  By  the  Editors. 
VIII,  693.  Sie  gehört  einem  Räg'puten- Fürsten,  Vira 
Mitra-Sena,  aus  dem  Geschlechte  Tömara  ,  welches  sich 
von  den  Pandava  ableitet,  es  werden  zehn  Vorfahren  des 
Fürsten  aufgezählt.  Er  hatte  Rotas,  welches  hier  mit  dem 
alten  Namen  Röhittlfva  benannt  wird,  erobert,  neu  erbaut, 
dort  Tempel  dem  ^iva  und  der  Durga  errichtet,  auch  in 
Kä^i  (Benares)  eine  Wohnung  einem  ausgezeichneten  Brah- 
manen  erbaut»  Die  Inschrift  ist  in  Versen  in  dem  gewöhn- 
lichen, übertrieben  lobenden  Stile,  von  dem  Poeten  Civa 
Döva.  Sie  ist  datirt  Samvat  J688  oder  1631.  Die  Ueber- 
setzung  der  Herausgeber  ist  bis  auf  einige  Kleinigkeiten 
richtig.  Sie  nehmen  an,  dass  die  Eroberung  der  Feste 
Rotas,  die  hier  gepriesen  wird,  nicht  wahr  sey,  weil  der 
Herrscher,  dem  Vira  Mitra  sie  genommen  zu  haben  sich 
rühmt,  Sher  Khan  (im  Text  SPr  Shdn,  er  für  r^  geschrieben) 
genannt  wird  und  der  berühmte  Beherrscher  Indiens  dieses 
Namens  schon   1540  starb.     Diese   liüge  wäre  aber  doch 


4«3 

gar  za  frech  den  Zeitgenossen  gegenüber  gewesen;  dazu 
wird  Geläl  eddin  Shkh  oder  Akbar  dist.  12.  als  Zeitgenosse 
des  Vira.Mitra  erwätmt  und  die  Inschrift  fällt  in  das  vierte 
Jahr  des  Shäh  G  ihan.  Die  Eroberung  der  ;Feste  ist  aber 
früher  geschehen  als  die  Vollendung  der  Bauwerke  und 
kann  mit  Sicherheit  in  die  Regierung  G  ihangir's  ( 16()5  — 
1627)  gesetzt  werden.  Shcr  Khan  jvird  nicht  als  Kaiser 
bezeichnet,  es  muss  also  ein  anderer  seyn.  Ich  halte  ihn 
für  den  Sher  Afghan  Khkn,  an  den  die  Nur  Mahäl  zuerst 
verheirathel  war  und  Avelcher  von  Akbar  ein  Cagir  in 
Bengalen  erhielt.  Er  wurde  auf  Gihängir's  Betrieb  1610 
ermordet.  Ich  weiss  freiUch  nicht,  ob  Rotas  zu  seiner 
Statthalterschaft  gehörte. 

Notice  of  a  Grant  engrar ed  on  Copper,  fotind  at  Kumbhi 
in  the  Saugor  Territory.  By  the  Editors.  VIII.  491.  Dieses 
ist  die^Urkunde  über  die  Schenkung  eines  Dorfes  an  einen 
Brahmancn  von  dem  Kronprinzen  Ag  aja  Sinha  Deta. 
Dieser  war  der  Sohn  des  Königs  Vig  aja  oder  G  aja  Sinha 
Deva,  dessen  ältester  Bruder  S'ara  Sinha  hiess.  der  Vater 
Gaja  Karn'a.  Es  ist  auch  ein  Geschlecht  von  Rag'puten, 
das  Ktdak'uri  genannt  und  von  Kärfavirja.  einem  der  Bha- 
rata,  abgeleitet  wird^  also  ein  Mondgeschlecht.  Die  Ur- 
kunde ist  datirt  Samvat  932  oder  875  nach  Chr.  G.  Sie 
ist  hier  im  Original  und  in  einer  Uebersetzung  mitgethcilt,  im 
Allgemeinen  richtig,  doch  bleiben  einige  Lesarten,  nament- 
lich Eigennamen,  zweifelhaft,  für  welche  ein  Facsimile  zu 
wünschen  gewesen;  dieses  gilt  besonders  von  der  Auf- 
zählung der  grossen  Hofbeamten  mit  ihren  Titeln,  die  zum 
Theil  mit  denen  übereinstimmen,  welche  vom  Lalitäditja  iu 
Kashmir  eingeführt  wurden.  Ich  muss  mich  jedoch  hier 
auf  wenige  Bemerkuu^n  über  die  Avichtigsten  Beziehungen 
der  Inschrift  beschränken. 

Es -kommen  zuerst  zwei  unerwartete  fremde  Völker- 
namen vor,  die  Hiina  und  Turushka.  Der  Grossvater 
Gaja  Karna  heirathete,  heisst  es,  Availä,  «die  wie  die 
Glücksgöttin  aus  dem  Meere  der  Nachfolger  der  Hün'a 
gebohren  ward*).«  Also  eine  Königin  aus  einem  fremden 
Geschlecht?  Welche  Huunen?  denn  die  weissen  Hunnen 
herrschen  jetzt  längst  nicht  mehr  am  Indus.  Lebten  noch 
Nachfolger  von  ihnen  dort?  Schwerlich.  Ich  möchte  ver- 
muthen ,  —  die  Richtigkeit  der  Lesart  voraussfesetzt  — 
dass  Hun  a,  wie   sie   sonst  in  Erwähnungen  von  fremden 


1)  Die  LaxBu  kam  bei  der  Qairlung  des  Weltozeaos  zum  Verscfaeia. 


,^ 


464 


Völkern  mitlaufen,  nur  unbestimmter  Name  für  Innerasia- 
tische Völker  sey.  Es  könnten  vielleicht  Türken  gemeint 
seyn.  Doch  findet  sich  auch  in  einer  anderen  Inschrift  aus 
dem  Dckhan,  Cäka  894.  (972.),  die  Erwähimiig  von 
Schlachten  mit  den  Ilün  a  0-  Die  Türken  sind  gewiss  mit 
Ttirushka  bezeichnet.  Es  heisst  bei  Gaja  Sinha's  Thron- 
besteigung habe  "dej"  König  von  Gug  gara  sein  Reich  ver- 
lassen, wie  der  Turushka^  —  —  andere  seyen  aus  Furcht 
zum  Ufer  des  Ozeans  geflohen.«  Die  Prahlerei^  welche 
diesen  Inschriften  eigen  ist^  berechtigt  uns  nicht,  dieses 
wörtlich  zu  verstehen,  es  geht  aber  daraus  hervor,  dass 
die  Turushka  an  den  Westgränzen  Indiens  damals  Macht 
besassen.  In  einer  verstümmelten  Sanskrit -Inschrift  aus 
Hund  bei  Attok  am  Indus  ist  die  Rede  von  dem  Siege 
über  «he  ndrikta  Turushka,  jjdie  mächtigen  Turushka.« 
Der  Schrift  nach  gehört  sie  etwa  dem  achten  Jahrhundert 
{As.  J.  of  R.  VI,  876.).  In  der  Geschichte  Kashmirs  wer- 
den sie  um  das  Jahr  700  erwähnt.  Der  Chinesische  Rei- 
sende Iliuan  Thsang  findet  die  ßaktrischen  Länder  im 
Besitze  der  Thoukieni  oder  Türken,  am  weitesten  südwärts 
in  Hupiän  auf  der  Südseite  des  Hindukush.  Sie  scheinen 
sich  nach  seiner  Zeit  weiter  nach  dem  Indus  verbreitet 
zu  haben.  Es  müssen  dieses  die  Turushka  seyn,  das  Wort 
bedeutet  demnach  in  den  angegebenen  Stellen  Türke. 

Das  Rag'puten- Geschlecht,  zu  welchem  Gajasinha 
gehörte,  wird  Kulak  tiri  genannt,  es  ist  den  Herausgebern 
entgangen,  dass  dieses  eine  nicht  unbedeutende  Rollo  in 
der  Geschichte  des  Dekhans  gespielt  hat.  Es  ist  nicht  zu 
bezweifeln,  dass  es  dasselbe  ist,  welches  in  andern  In- 
schriften Kaluk'uri  heisst.  Es  soll,  obwohl  dieses  kaum 
richtig  gelesen  seyn  kann,  auch  Kaiabhuri  genannt  werden. 
(Hindu  Inscriptions,  hy  Walter  Ellioi ,  in  J.  of  the  R.  As. 
Soc.  Vol.  IV^,  p.  19.).     Die  Herrscher    waren  ursprünglich 


'^ 


\)  J.  of  the  R.  A.  S.  m,  108,  Die  Worte  sind  Hünäviparan'eshv- 
akampitamatih,  wiedergegeben:  „Der  beständige  BescliüCzer  der 
Uuuavi-Fürstcn  (der  Könij;e  von  Hün'adeya),"  welches  durch  Hu- 
nawnr  oder  An«tre  (an  der  Malabarkiiste)  erklärt  wird.  Dieses  ist 
offenbar  unrichtig;  auch  wäre  zu  übersetzen  :  „(der  Könifr),  dessen 
Geist  furchtlos  in  den  .Schiachten  mit  den  Huii'a  war."  Das  zweite 
Wort  ävii;a  ist  aber  falsch  we^eu  des  Metrums,  Hiin'(rvi{-a,  Herr 
der  H.  erfordert  eine  unerhörte  Form  lliin'äri.  Das  eingeklammerte 
Hün'ade{'a  lässt  vermutheu,  dass  auch  so  gelesen  werden  könne. 
Aber  auch  dieses  stellt  das  .Metrum  nicht  her.  Illin'i'idhi(,^a,  „in 
den  Schlachten  mit  dem  Oberherrn  der  Hön'a"  ist^  die  metrisch 
richtige,  ob  auch  die  waliru  Lesart,  kann  ich  nicht  entscheiden. 


465 

Vasallen  oder  ManäaU^tara  4es  grossen  Karnät'a-Reichs 
und  zwar  iu  der  Provinz  Kaljän'a.  Einer  von  ihnen^  Vig  ala, 
erhob  sich  wider  seinen  Oberherrn,  vertrieb  ihn  im  Jahre 
1162.  und  nahm  nachher  die  höchsten  königlichen  Titel  an 
(a.  a.  0.  p.  10.).  Dasselbe  niuss  nach  unserer  Inschrift 
Gaja  Sinha  früher  gethan  haben,  da  er  auch  die  könig- 
lichen Titel  sich  beilegte.  In  dem  hier  benutzten  Berichte 
über  das  Karuäta-Reich  findetsich  nichts  zur  Bestätigung  oder 
Widerlegung.  Der  Name  Gaja  Siuha  kommt  auch  sonst 
in  diesen  Dynastien  vor.  S.  J.  of  the  R.  A.  S,  V,  346. 
III,  271.  Die  Kulak'uri  leiteten  sich  ab  vom  alten  Mond- 
geschlechte,  als  besonderer  Stammvater  galt  der  epische 
König  Kartsvirja,  Beherrscher  der  Haihaja  (Inschr.  6.)  i)* 
Er  soll  in  Mahishmati  an  der  Xarmada  geherrscht  haben, 
in  dieser  Gegend  waren  wohl  die  ältesten  Besitzungen 
des  Geschlechts.  Das  Dorfj  welches  geschenkt  wird,  rauss 
nach  der  Inschrift  an  der  Narmada  gelegen  haben.  —  Die 
Titel  des  Gaja  Siuha  erfordern  noch  einige  Bemerkungen, 
weil  sie  nicht  ganz  richtig  wiedergegeben  sind  und  einige 
grosse  Schwierigkeiten  noch  darbieten.  Der  Ausdruck 
^ri  VthnaJeva-pudunudhjäta,  welches  «der  höchste  der  Ver- 
ehrer des  Civa  (Väma)"  übersetzt  wird^  rauss  ganz  etwas 
anders  bedeuten.  Cri  bezeichnet,  dass  hier  ein  Königs- 
name zu  suchen  sey,  pädänudhjäta  bedeutet  nicht  Verehrer, 
sondern  Sohn.  Es  kommt  hinzu^  dass  der  königliche  Titel 
vor  Väraadeva  wiederholt  wird.  Man  vergleiche  die  ganz 
gleiche  Fassung  der  Inschrift  des  G  ajavarma  bei  Cohhrooke^ 
Ess.  II,  309.  Nun  steht  aber  deutlich  iu  der  Inschrift  vom 
Vater  des  Gaja  Sinha:  dessen  (des  Jacaskarraan)  Sohn 
war  der  hochgewaltige,  als  Gajäkarn  a  berühmte  u.  s.  w. 
Dieses  "Wort  bedeutet  das  Ohr  Gajä's,  der  bekannten  Stadt 
in  Bihär,  und  kann  kein  Ehrentitel  seyn,  sondern  ist  der  ei- 
gentliche Xarae.  Was  auch  immer  die  Veranlassung  zu  dieser 
Benennung  gewesen  seyn  mag^    wir  können   nicht  umhin, 


1)  Es  ist  merkwürdig,  dass  in  der  Inschrift  eine  Abweichung  von  der 
Puranischeo  Ueberlieferung  über  die  Könige  der  Sage  vorkommt. 
Es  steht  nämlich  richtig  zuerst  Purüravas,  dann  aber  Bharata, 
„in  dessen  Geschlecht  Kärtavirja  am  meisten  herTorstrahlie."^  Es 
gilt  Kärtavirja  als  Nachkömuiling  des  Haihaja,  eines  Sohnes  des 
Jadu  (^W'üsun's  Vishiiu  f.  p.  417.3,  Bharata  stammt  aber  ab  von 
einem  andern  Sohne  des  Jadu,  nämlich  Püru  und  ist  später  der 
Reihe  der  Geschlechter  nach.  Es  ist  wahrscheinlich  Bharata  ein- 
geschoben^ um  die  bei  Wilson  a.  a.  O.  erwähnten  Bharata  abzuleiten. 
Elliot  giebt  nicht  die  ersten  Stammväter  an,  sondern  beginnt  erst 
mit  einem  Sankarasu. 

V.  30 


466 

eines  von  zweien  zu  Verraulhen.  Entweder  sind  Gajäkarna 
und  Vämadeva  für  gleich  zu  halten;  es  lässt  sich  dafür  an- 
führen, dass  in  der  Reihe  der  Kälukja-Könige  von  Karnätä 
auch  Doppelnamen  vorkommen.  Oder  pädunudhjuta  könnte 
auch  designirter  Nachfolger^  nicht  blos  Sohn  bezeichnen. 
Dieses  wäre  aber  erst  zu  erweisen.  —  Die  übrigen  Titel 
des  Königs  G'ajasinha  machen  Ansprüche  auf  ein  sehr 
grosses  Reich,  sie  lauten:  ^sdes  Sohnes  von  seiner  Majestät, 
dem  Oberkönige  der  Erdenbeherrscher,  dem  höchsten  Herr- 
scher Vämadeva,  Seiner  Majestät,  des  Oberkönigs  der 
Grosskönige,  des  höchsten  Herrschers,  des  höchsten  Grosß- 
herrn,  des  Oberherrn  über  Trikalinga,  des  Öberherrn  über 
die  drei  durch  seinen  Arm  eroberten  Reiche  des  A9vapati, 
des  Gag'apati  und  des  Narapati,  des  glückUchen  Herrn 
Vig'aja  Sinha  Deva,  des  siegreichen  ^).« 

Ich  bemerke  zuerst,  däss  dem  Vämadeva  ein  stolzerer 
Beiname  gegeben  wird,  Oberkönig  der  Mahi^akra,  der  Er- 
denbehcrrscher^  als  dem  Sohne,  der  nur  Oberkönig  der 
mahuräg'a  heisst;  das  letztere  Wort  gilt  wenig  mehr  als 
das  einfache  König.  Paraina-mähefvara  ist  ein  sonst  unge- 
wöhnlicher Titel;  er  ist  hier  tautologisch;  mähefvara  kann 
nur  Adjectiv  von  mahefvara,  grosser  Herrscher,  seyn,  also 
der  höchste  grosshenlichc.  Kann  dieses  der  höchste  der 
grossen  Vasallen  bedeuten?  Dieses  war  nach  der  oben 
angeführten  Angabe  die  gevvöhnliche  Stellung  der  Kulak'uri. 
Ich  vermuthe,  weil  Mahümand  alefvara  im  Reiche  Karn  ata 
Titel  der  Grossvasallen  war,  dass  hier  parama  Mand ale^- 
vara  zu  lesen  sey.  —  Der  Name  Trikalinga  kommt,  so 
viel  ich  weiss,  sonst  nicht  vor;  Trilinga  für  das  Gebiet 
Telingana  ist  bekannt,  kann  aber  nicht  dasselbe  seyn,  da 
kalinga  stets  die  Küste  bezeichnet.  Gab  es  eine  Einthei- 
lUng  dieser  Küste  in  drei  Gebiete?  —  Mit  dem  folgenden 
Titel  macht  Vig'aja  Sinha  grosse  Ansprüche.  Die  Benen- 
nungen Gag'apati,  Elephantenherr,  Afvapafi,  Pferdeherr, 
Narapatif  Männerherr,  mit  der  hier  fehlenden  vierten  K/ia- 
trapatij  Sonnenschirmherr,  gründen  sich  auf  die  der  alten 


J)  Die  OrigSualworte  sind:  sa  k'a  parama  bhat't'araka  tnahi^a^ 
kradhirag'a  paramP^vara  Qri  Vama  DPva  padanudhjäta  pct' 
ramabhat' t'äraka  mahar(ig'adhirtig'a  paramrfrara  parama- 
mkhegvara  TrikalingAdhipati  ing'ahhi/g'öpArg'itHfvapati  pag'a- 
patinarapati-r-Xg'jatrajAdhipati  {"rimnd  Vig'aja  Sinha  Ih'va 
pater  vig'ajinah  u.  s.  w.  Ich  habe  nXtf'ja  statt  raj/a  geschrie- 
bea^  wie  es  wegen  upHrg'ita  notliwendjg  ist. 


4 


467 

epischen  Ueberlieferan»  unbekannte  Vorstellung,  dass  in 
dem  grossen  alten  Indischen  Reiche  vier  Grossvasallen 
waren,  nach  ihren  hohen  Erb-Aemtern  benannt;  bei  der 
Auflösung  jenes  Reichs  machten  sie  sich  unabhängig  und 
bildeten  eigene  Reiche:  der  Gag'apati  in  Orissa,  der  Na- 
rapati  in  Dekhan,  der  A9vapati  im  Mahrattenlande,  der 
K'hatrapati  in  G'ajapur  in  Rag'putana  {Stirling,  Orissa,  io 
As.  Res.  XV,  225. 254.  Fr.  Bitchanan,  Alysore,  III,  471.).  - 
Die  Buddhisten  haben  auch  diese  Eintheilung  Indiens  an- 
genommen, wenden  sie  jedoch  auf  andere  Weise  an 
(Xote  zu  Foekoueki  j  p.  82.).  —  Es  macht  Vig'aja  Siuha 
also  Ansprüche  auf  eine  sehr  ausgedehnte  Herrschaft  im 
Dekhan,  es  ist  wahrscheinlich  viel  Uebertreibung  dabei. 
Es  kann  diese  Macht  der  Kulak  uri  auch  nur  vorüberge- 
hend gewesen  seyn,  da  das  Reich  der  Kalukja  später  noch 
bestand. 

Bei  der  zunächst  zu  erwähnenden  Inschrift:  Notice  of 
an  Inscription  ort  a  Slab,  discorered  in  Fehruary ,  1838, 
hy  Cpt.  T.  S.  Burt,  in  Bitndelkhund,  near  Chhatarpur.  — 
By  the  Editors.  VIII,  159.  kann  ich  mich  kürzer  fassen. 
Der  Ort,  woher  die  Inschrift  stammt,  heisst  Khag'rao,  S.  O. 
von  Khatarpur  nahe  bei  Rag  agarhi  am  rechten  Ufer  des  Kena- 
flusses,  wo  noch  viele  Ueberreste  alten  Glanzes  sind,  be- 
sonders schöne  Tempel  und  ausgezeichnete  Bildwerke.  Die 
Inschrift  verherrlicht  die  Errichtung  eines  Tempels  und 
Bildes  des  Civa  von  dem  Könige  Banga,  1019  Samvat  oder 
962  nach  Chr.  G.  Sie  ist  in  Versen,  die  zwar  im  spätem 
künstlichen  Stile  sind ,  jedoch  besser  als  in  den  meisten 
Inschriften.  Der  Text  und  eine  Uebersetzung  von  J.  C.  C. 
Sutherlaiid  sind  mitgetheilt;  diese  ist  im  Allgemeinen  richtig, 
der  Text  nicht  ganz  fehlerfrei  gedruckt.  Das  Geschlecht 
des  Königs  ist  ebenfalls  ein  mondgebohrencs,  sechs  Vor- 
fahren  werden  aufgezählt,  es  ist  noch  nicht  anderswoher 
bekannt.  Die  Herausgeber  machen  darauf  aufmerksam^ 
dass  die  Inschrift  Samvat  1173.  oder  1016.  vom  Könige 
GajavarmaDeva  erneuert  worden  ist  und  dass  dieser  viel- 
leicht der  in  der  Inschrift  As.  Res.  XII^  p.  357.  erwähnte 
ist,  obwohl  dieser  andere  Vorfahren  als  Banga  hat,  jedoch 
auch  nicht  in  der  Inschrift  des  Banga  als  S'achfolger  von 
diesem  erwähnt  wird.  Es  war  also  ein  Thronwechsel  ein- 
getreten. Ich  hebe  für  die  Sprache  dieses  hervor,  dass 
der  Sohn  des  Mondes  iltandra),  der  Enkel  des  Atri,  also 
der  Planet  Budha  oder  Mercur,  hier  mit  dem  sonst  (mir 
wenigstens)  unbekannten  Namen  K' undrdtreja  benannt  wird. 
Einen   andern   als   Budha   hier  anzunehmen,   verbietet  di« 


468 

allgemeine  tJebere'instimmung  der  TJeberlleferung.  Noch 
auffallender  ist  es,  dass  sein  Sohn,  der  erste  menschliche 
König,  der  sonst  stets  Purüravas  heisst,  hier  Väjvarjaman 
genannt  wird.  —  Eine  wichtige  Ergänzung  der  Geschichte 
Guzerats ,  oder  genauer  des  Theiles  der  Küste ,  welchen 
die  Alten  Larike,  die  Inder  Lata  (^Lura)  nannten,  enthält 
die  Inschrift  in  dem  Artikel:  Accounl  of  Tamba  Patra 
Plates  dug  iip  at  Baroda,  with  Fascimile  and  Translation. 
VIII,  292.  Es  ist  die  Landschenkung  eines  Königs  Karka 
aus  dem  Jahr  ^äka  734.  oder  812.  Er  gehörte  einer  be- 
sonderen Dynastie,  die  ein  neues  Reich  hier  gründete,  sechs 
Vorfahren  werden  aufgezählt.  Gurg'ara  erscheint  hier  als 
besonderer  Staat,  ausserdem  \Verden  die  Könige  von  Mä- 
lava  und  Gaud'a  (Bengalen)  erwähnt.  Diese  Dynastie  muss 
Nachfolgerin  der  Balhära's  seyn,  wenigstens  in  einem  Theile 
des  Landes.  Es  ist  eine  der  am  einfachsten  geschriebenen 
und  daher  zuverlässigsten  Inschriften.  Die  Uebersetzung 
ist  \on  einem  Inder  Saroda  Parshad  K  akravarti  und  im 
Ganzen  richtig,  sowohl  im  gedruckten  Texte  als  in  der 
Uebersetzung  sind  einige  Stellen  jedoch  zu  berichtigen. 
Wenn  man  alle  Inschriften  aus  diesem  Lande  zusammen- 
stellt, kann  man  jetzt  eine  ziemlich  vollständige  Uebersicht 
der  Geschichte  desselben  gewinnen;  dieses  kann  hier  nicht 
meine  Absicht  seyn. 

Uebcr  die  übrigen  Inschriften  ist  wenig  zu  sagen.     Ja 
Notices  of  Inscriptions   in    Behar ,    communicated  by  Mr. 
Ravenshaw.     By  the  Editors,  VIII,  347.   sind  Nachrichten 
von   Sanskrit-    und    Persischen    Inschriften;    die    letzteren 
sind  raitgctheilt;    von  den   ersteren   waren   die  Abschriften 
so  ungenügend,   dass  die  Entzifferung  der  grösseren  nicht 
gelingen  wollte;  eirie  kleinere  ist  früher  abgeschrieben  und 
von  Colehrooke  {Trans,  of  the  H.  A.  S.  I,  201.)  übersetzt. 
Andere  kleine  sind  Aufschriften  auf  Buddha-Bildern,  welche, 
so  wie  überhaiipt  Ueberresto  des  Alterthums,  in  Süd-Bihar, 
namentlich  bei  Gaja  häutig  gefunden  werden.     Zwei  grös- 
sere sind  auf  einer  Säule  und  der  Schrift  nach  bedeutend 
alt;  eine  dritte  auf  einem  Stein  befindlich  ist  in  der  A^öka- 
Schrift.     Ein  Facsimile  einer  der  ersten  ist  mitgetheilt  IX, 
65.  mit  einem  Entzifferungs-  unti  Erklärungs-Versuche  der 
zwei   Pandit    Kamala   Kdnta    Vidjälanka    und    Harrimbu-' 
näth;  ich  bezweifele,  dass  viel  richtiges  darin   scy.     Dass 
es   sehr   nützlich  und   erleichternd   ist,    bei  Arbeiten   über 
Sanskrit -Texte   sich   der  Flülfe   der   Pandit   zu    bedienen, 
leuchtet  von  selbst  ein;  wie  sehr  aber  auch  es  Noth  thut, 
befähigt  zu  seyn,  eine  strenge  Coutrole  gegen  sie  auszu- 


469 

üben^  zeigt  ein  merkwürdiges  Beispiel  io  dem  letzten  Jahr- 
gange. Mau  braucht  niciit  absichtliche  Täuschung  voa 
ihrer  Seite  anzunehmen,  es  ist  Unfähigkeit,  sich  einen  Be- 
griff von  dem  zu  bilden,  was  Kritik  heisst.  Wer  gute 
Sanskrit -Handschriften  untersucht  hat,  wird  wissen,  dass 
wo  der  Gegenstand  ihnen  bekannt  ist,  kenntuissvolie  und 
sorgfältige  Indische  Gelehrte  sehr  richtig  Fehler  zu  emeQ- 
diren  verstehen ;  bei  Inschriften  sind  sie  rathlos  und  können 
nicht  begreifen,  dass  für  uns  nicht  ein  wilikührlich  zurecht 
gemachter  Text,  sondern  nur  das  thatsächlich  vorhandene 
einen  Werlh  hat.  Das  erwähnte  Beispiel  findet  sich  in: 
Notice  of  an  inscription  from  Oodeypore  tiear  Sagur,  IX,  545. 
James  Prinsep  kannte  schon  die  Inschrift  und  hob  aus  ihr 
hervor,  dass  sie  das  Jahr  des  Vikramäditja  1116.  und  das 
des  ^älivähana  981  dem  446sten  der  besonderen  Aera  des 
Udajäditja  gleich  setzte,  diese  also  im  Jahre  613,  anfange. 
Sagur  liegt  N.  W.  von  der  Quelle  des  Sonar.  Der  erste 
der  vorhin  genannten  Pandit  hat  diese  Inschrift  gelesen, 
fand  sie  aber  so  fehlerhaft  in  Beziehung  auf  Grammatik 
und  Ausdruck^  dass  er  darauf  bestand,  seinen  Text  und 
seine  Uebersetzung  nicht  drucken  lassen  zu  wollen,  wenn 
nicht  seine  Emendationcn  zugleich  beigedruckt  würden. 
Dieses  ist  nun  geschehen  und  man  kann  hierin  dem  Pandit 
nur  Recht  geben.  Denn  aus  dem  was  er  gelesen  hat,  würde 
auch  der  scharfsinnige  Gane^a  keinen  Sinn  herausfinden. 
Dass  er  aber  glaubte,  ein  so  gewaltsam  und  wilikührlich 
zurecht  gemachter  Text  könne  irgend  einen  Werth  als 
historische  Urkunde  haben,  ist  für  uns  ganz  unbegreiflich, 
zur  Charakterisirung  der  Vorstellungen  eines  Indischen 
Gelehrten  über  historische  Wahrheit  und  die  Grundsätze 
historischer  Kritik  höchst  belehrend.  Es  werden  nicht  nur 
Worte  umgestellt,  Casus  verändert  u.  s.  w.  sondern  aus 
einer  Reihe  sinnloser  Sylben  mit  beliebiger  Aenderuug  ein 
ganzer  Satz  gemacht.  Ein  Beispiel  möge  genügen;  ich 
setze  das  gelesene  über  das  emendirte: 

T.  nripati  k  a  ribitdha  mulavam    rugjam    kritvä 

E.  nripatir-atibiidho  dhännikö  mälavefo  rägjam   kritvä 

T.  ridutä  (Lücke)  süravira  bhavati 

E.  pradätä  svaparabalajutah  furariro  babhiiva^ 

T.  shalamidait  pupindtn  bhüsharahd  \  tebhjah  putrah  u.  S.  W. 

E'  ausgelassen  |  tasja  putrah   u.  s.  w. 

Auf  diese  Art   ist    es   leicht   Geschichte  zu  machen. 
Ich  will  natürlich  nicht   versuchen  einen   so    verdorbeuen 


470 

Text  wiederherzustellen,  nur  bemerken,  dass  der  Namß 
der  Inschrift  snravira,  Sonnenheld,  viel  besser  als  der  neue 
füravira  oder  Heldheld  ist,  und  dass  wer  aus  den  vorhande- 
nen Elementen  seine  Hülfsmittel  der  Emendation  sucht,  tajöli 
putrah  gelesen  und  daraus  geschlossen  haben  würde,  dass 
im  vorhergehenden  auch  der  Name  der  Mutter  vorkommt. 
In  den  Vorbemerkungen  wird  aus  der  Verdorbenheit  des 
Textes  geschlossen,  dass  wegen  der  verworrenen  Zustände 
des  Landes  die  Kenntniss  des  Sanskrits  ganz  in  Verfall 
gerathen  sey.  Man  wird  sich  vergebens  nach  einem  ähn- 
lichen Beispiele  in  irgend  einer  richtig  gelesenen  Inschrift 
umsehen  und  da  es  heisst,  dass  die  Inschrift  gut  erhalten 
ist,  muss  es  an  der  Ungenauigkeit  und  Unfähigkeit  des 
Pandits  gelegen  haben,  dass  so  wenig  zuverlässiges  zum 
Vorschein  gekommen  ist. 

Zuletzt  ist  einer  wichtigen  Entdeckung  zu  gedenken, 
einer  neuen  Inschrift  des  Aföka:  Inscription  fotind  near 
Bhabra,  three  marches  from  Jeypore  on  thc  road  to  Delhi, 
By  Capt.  Burt.  IX,  616.  Diese  ist  von  den  frühern  ver- 
füchieden.  Da  ich  hoffe,  meine  Untersuchungen  über  alle 
A^oka-Inschriften  in  einem  der  nächsten  Bände  der  Zeitschrift 
mittheilen  zu  können,  genüge  hier  diese  kurze  Erwähnung. 

C.  L. 


3. 

Die  Götter  Syriens.  Mit  Rücksichtnahme  der  neuesten  For- 
schungen im  Gebiete  der  biblischen  Archäologie  von 
F.  Nork.  Stuttg.  J.  F.  Cjist.  1842.  8.  pp.  VIII,  41 
und  198. 

Diese  Zeitschrift  pflegt  sich  zwar  nicht  damit  zu  be- 
fassen, ephemere  I'roducte  des  Bucbhundels  zur  Anzeige 
zu  bringen;  doch  kann  immerhin  auf  den  ausdrücklichen 
Wunsch  der  Verlagshandlung  mit  obigem  Buche  eine  Aus- 
nahme gemacht  werden. 

Dasselbe    zerfällt  i«   zwei   leicht   zu   unterscheidende 
Thcile.    Der  eine  gehört  Hrn.  F.  Nork  au.     Die  Manipr 


471 

dieses  Schriftstellers  ist  bereits  an  mehr  als  einem  Orte 
ganz  hinläno:lich  charakterisirt  worden,  und  er  hat  sich  so 
unverbesserlich  gezeigt ,  dass  es  völlig  überflüssig  wäre, 
auch  nur  ein  Wort  darüber  zu  verlieren.  Vor  der  AVissen- 
schaft  ist  er  gerichtet  und  fallt  fortan  bloss  der  Poh^ei 
anheim. 

Der  Polizei"  nämlich   ist   der   andere  Theil  des  Buchs 
verfallen.     Dieser  andere  Theil   ist   nicht  von   Hrn.  Xork, 
sondern  zu  ihm  hat  er  einen  Mitarbeiter  gehabt,  allerdings 
einen  sehr  unfreiwilligen.     An  Movers  Werk  über  die  Re- 
ligion  der  Phönicier  hat   sich   diesmal    die   edle   Industrie 
versucht,  welche  fremdes  Eigenthura,  in  dessen  Besitz  sie 
sich  gesetzt,    zu   zerfetzen  und  zu  zerschneiden  und  dann 
in  neuer  Zusammensetzung  und  einigermassen  unkenntlich 
gemacht  auf  den  Trödelmarkt  zu  bringen  liebt.     Durch  die 
erste  Hälfte  des  Buches  ziehen  sich  nämlich  grosse  Frag- 
mente des  Movers'schen  Werkes ,   leicht  kenntlich  an  der 
klassischen  Gelehrsamkeit,  durch  welche  sie  sich  von  den 
sehr  magern  und  ungelehrteu  Gaben  des  Verfassers  unter- 
scheiden, theils  in  den  Text  verwebt,  theils  die  Grundlage 
desselben   bildend   und   gelegentlich   mit  den  Zusätzen  des 
Verfassers  ausgestattet.      Zur  Bestätigung  dieses  Urtheils 
werden    folgende    Belege    ausreichen:      Der   Artikel  Baal 
Aleon  S.  75.  76.  steht  wörtlich  bei  Movers   S.   25S  — 60, 
ohne  dass  dessen  die  geringste  Erwähnung  geschähe.  Der 
Artikel  Thammuz    ist   folgendermassen  zusammengeleimt: 
S.  80=  Mov.  200;  81  =  M.  201.  205.  206:   82  =  M.  209; 
83  =  M.  243;  84  =  M.  201.  202;  85  =  M.  245.  246;  86  =  M. 
246.  247;  87  =  M.  343.  203;  88  =  M.  235.  Der  ursprüngliche 
Verfasser   ist   bloss  vorher  gelegentlich  S.  70  in  der  Note 
erwähnt,  um  seine  Etymologie  des  Namens  anzuführen  und 
S.   87.   innerhalb   eines  Zusatzes    aus    Hrn.    Norks    eigner 
Feder   gelegentlich   citirt.  —  Der  Artikel  Aschera   ist  von 
S.  102—115  aus  M.  560  —  583,  von  S.  115—122  aus  M. 
678—688   copirt.     Dadurch    dass   Hr.    Nork  S.  102  schon 
mitten  in  dem  ausgeschriebenen  Stück    einmal  die  Worte : 
»sagt  Movers,  dessen  Beweisführung  hier  w'Örtlich  wieder 
gegeben   wird«    einschiebt    und   S.    115    den   zweideutigen 
Ausdruck  gebraucht:  «auch  hier  folgen  wir  den  Andeu- 
tungen Movers«  (denselben  Sinn  hat  auch  wohl  die  nRück- 
sichtnahme    der    neuesten    Forschungen«    auf   dem    Titel, 
welchem  Judendeutsch  Salze  wie  der  sehr  ergötzliche  auf 
S.  13:   "Bei   sei   ein  Dialect  von  Baal  und  beide  nur  La- 
bialdialecte   für  All,    der    Allah  der   Araber«   >\ürdig  zur 
Seite  stehn),  hält  er  sich  für  berechtigt,  sogleich  zwanzig 


472 

Seiten  seines  Buchs  wörtlich  aus  Movers  herüberzunehmen, 
wörtlich  sa^e  ich,  denn  solche  unwesentliche  Veränderungen 
wie  z.  B.  S.  114. 

Movers  S.  581. 


Um  hier  andere  Analogien 
beizubringen,  erinnere  ich 
an  den  wahrsagenden  Lor- 
beerbaum in  Delphi  u.  s.  w. 


—  oder  um  hier  andere  Analo- 
gien beizubringen,  der  wahr- 
sagende Lorbeerbaum  in  Del- 
phi u.  s.  w. 


sind  nicht  in  Anschlag  zu  bringen.  Durch  ähnliche  Cita- 
tionen  eingeleitet  finden  sich  Stücke  des  Movers'schen 
Buches  S.  38—40.  (M.  329—31.:) ;  62.  63.  (M.  423J;  67-69. 
(M.  431—34.);  89—90.  (M.  197.  198.);  ohne  irgend  eine 
Erwähnung  91—93.  (M.  590.  91.);  96.  (M.  593.);  34.  not. 
CM.  304.3;  57.  58.  (M.  668.);  77.  CM.  68.).  Die  völlige 
Unselbständigkeit  und  Unwissenheit  zeigt  sich  durch  die 
nachgeschriebenen  Druckfehler  z.  B.  S.  66.  »die  etruskische 
Form  Hercole  auf  einer  Patera  bei  Creuzer  Symb.  Bilder- 
heft T.  67,  3«  (vielmehr  57.).  Zu  wissen,  dass  die  etrus- 
kische Form  Hercle  sei  und  so  (eigentlich  Herkle)  auf 
dem  angeführten  Bilde  steht,  ist  freilich  von  Hrn.  Nork 
nicht  zu  verlangen.  Die  eigenen  Verzierungen,  mit  denen 
er  das  fremde  Gut  zu  versehen  pflegt,  sind  regelmässig 
unbeschreiblich  unsinnige  Etymologien  (terminus  kommt  z.  B. 
noch  S.  56.  von  dem  '»koptischen  Artikel  t"  und  dem  he- 
bräischen cÄercm  [Bann],  wozu  denn  erst  ein  »Termesu 
als  Gott  der  Gränzen  erfunden  werden  muss),  unpassende 
Vergleichungen  unverstandener  Indischer  und  Persischer 
Dinge,  missrathene  Beziehungen  auf  den  Thierkreis  und 
drgl.,  und  namentlich  phallische  Andeulungen;  denn  die 
Phantasie  des  Hrn.  Nork  ist  so  verdorben,  dass  er  in  Allem, 
was  ihm  vor  Augen  kommt,  einen  Phallus  sieht. 

Indess  kein  Buch  ist  so  schlecht,  dass  sich  nicht  etwas 
aus  ihm  lernen  liesse.  Aus  vorliegendem  kann  man  allerlei 
neue  Sanskritwörter  lernen,  z.  B.  malaka  König  cS,  33.), 
prah,  hrah  glänzen,  leuchten,  raya  rex  (3.),  pal,  hal  strahlen 
(13.),  hrahas  Glanz  (13.),  pag  facio  (20),  thak  (inster  sein 
(26.),  kanna  W^eib,  verwandt  mit  yj  Auge  (30.),  rag 
rasen,  zerstören  (33.),  mnsch  Finslerniss  C^6.),  sac  decken 
(124.),  u.  drgl.  mehr,  das  um  So  dankbarer  anzuerkennen 
ist,  als  diese  Wörter  in  den  Lexicis,  wie  auch  in  den 
Schriftdenkmälern  des  Sanskrit  nicht  vorkommen,  und  wir 
ohne  Hrn.  Norks  gütige  Mitlhciluug  ihre  Kcnulniss  gänzlich 
entbehrt  hätten. 

Zu  Ehren  der  Verlagshandlung  muss  noch  erwähnt 
werden,  dass  dieses  Buch  noch  einmal  unter  einem  andern 


473 

Titel  ausgegeben  ist.  Es  befindet  sich  nämlich  ganz ,  wie 
es  hier  ist,  in  des  Verfassers  iu  demselben  Jahr  erschie- 
nener biblischer  Mythologie,  nur  dass,  charakteristisch 
genug  für  diese  Art  von  Schriftstellerei,  die  Einleitung  in 
den  »Göttern  Syriens«  um  eine  Anzahl  Seiten  verkürzt 
ist,  und  zwar  einfach  in  der  AVeise,  dass  hie  und  dort 
einige  Seilen  weggelassen  wurden.  Auf  den  Titeln  ist 
davon  nichts  bemerkt  und  es  ist  nur  in  der  Vorrede  der 
nBibl.  Mytli.«  kurz  angezeigt.  Leider  werden  den  Schaden 
davon  gerade  die  eifrigen  Verehrer  des  Hrn.  Xork  zu 
tragen  haben,  die  etwa  seine  Werke  auf  seinen  Namen 
hin  unbesehen  anzuschaffen  sich  beeilen  sollten. 

G. 


4. 

The  Dabistan,  or  school  of  Manners  ^  translated  from  the 
original  Persian,  with  notes  and  illustrationsj  by  DAriD 
Shea,  of  the  Oriental  department  ^in  the  Honorable 
East  India  Company's  College;  and  Asthosy  TroyeRj 
Member  of  the  Royal  Asiatic  Societies  of  Great  Britain 
and  Irelandj  of  Calcutta  and  Paris ^  etc.  Paris  1843. 
3  Vols.  8co. 

Das  hier  aufgeführte  Werk  bringt  uns  eine  anziehende 
und  willkommene  Bereicherung  unserer  Kenntniss  des  Mor- 
genlandes in  Beziehung  auf  einen  höchst  wichtigen  Gegen- 
stand; sein  Zweck  ist,  die  um  die  3Iitte  des  siebzehnten 
Jahrhunderts  in  Asien  bestehenden  Religionen  zu  schildern. 
Der  Verfasser  ist  ein  Muhammedaner  und  es  muss  unsere 
Neugierde  um  so  mehr  rege  werden,  zu  erfahren,  wie  ein 
solcher  ihm  so  widerstrebende  Religionen,  wie  die  Christ- 
liche und  die  Indische  auffassen  und  beurtheilen  möge,  je 
weniger  es  dem  Islam  eigen  ist,  sich  über  seinen  beschränk- 
ten, ausschliessenden  Standpunkt  zu  erheben. 

Es  ist  daher  nicht  zu  verwundern,  dass  ein  Mann  von 
so  empfänglichem  Sinne,  wie  Sir  William  Jones,  —  der 
erste  Europäer,  dem  das  Dabistän  bekannt  wurde  und  zwar 
im  Jahre   1787,  —  eine    lebhafte  Freude    über    die  Ent- 


474 

deckung  dieses  Werkes  bezeugte.  Er  drückte  sich  in  einem 
Briefe  so  darüber  aus:  »Der  grösste  Theil  würde  einem 
wissbegierigen  Leser  sehr  beachtungswerth  seya,  aber 
einiges  kann  nicht  übersetzt  werden.  Es  enthält  mehr  un- 
gewöhnliche und  auserlesene  Gelehrsamkeit  iersagtrecondife 
learning^,  mehr  unterhaltende  Erzählung,  schönere  Proben 
von  Dichtkunst,  mehr  Freiraüthigkeit  und  Witz,  mehr  Un- 
anständigkeiten und  Gotteslästerungen,  als  ich  je  in  eit)em 
einzigen  Buche  beisammen  gesehen  habe.«  {JVroyer's  Pre- 
liminary  Discourse  p.  V.  oder  Works  of  S.  W.  J.  HI,  110.). 
Ich  glaube  zwar,  dass  dieses  Urtheil  in  den  meisten  seiner 
Behauptungen  zu  beschränken  ist,  es  zeigt  uns  aber,  dass 
ein  wohl  bewanderter  Keiuier  das  Buch  für  sehr  wichtig 
hielt.  Das  eigentliche  Motiv  seiner  lebhaften  Theilnahme 
an  ihm  erscheint  jedoch  nicht  in  der  obigen  Stelle,  sondern 
in  einer  seiner  jährlichen  Anreden  an  die  Asiatische  Ge- 
sellschaft, in  welcher  er  erklärt,  dass  jjer  eine  glückliche 
Entdeckung  gemacht  habe ,  welche  mit  einem  Male  das 
Gewölk  vertrieben  und  ein  helles  Licht  auf  die  Urgeschichte 
Irans  und  des  menschlichen  Geschlechts  geworfen  habe, 
welches  zu  finden  er  lange  verzweifelt  habe,  und  welches 
aus  keiner  anderen  Weltgegend  hätte  tagen  können.« 

Der  Titel  des  Buchs  Dabisfän  al  Mazähib  (qLämoJ 
u^!  üsJI)  bedeutet  eigentlich:  Schule  der  Secten;  die  vor- 
gezogene Uebersetzung  ist  Francis  Gladwix  zu  Liebe 
beibehalten  worden,  der  das  erste  Capitel  in  das  Englische 
übertragen  hat;  es  ist  wahrscheinlich  dieses  Stück  das- 
jenige, welches  1809  ins  Deutsche  von  Dalberg  übersetzt 
worden  ist,  das  Buch  ist  mir  nicht  zur  Hand.  Das  voll- 
ständige Fersische  Original  wurde  in  demselben  Jahre 
in  Caicutta  auf  Kosten  der  Regierung  von  einem  einhei- 
mischen Gelehrten  nach  Vergleichung  mehrerer  Handschriften 
herausgegeben;  von  diesem  Drucke  sind  jedoch  nur  sehr 
wenig  F^xemplare  nach  Europa  gekommen  und  seinem  In- 
halte nach  blieb  das  Buch  wenig  bekannt  und  den  meisten 
unzugänglich;  sogar  einem  Dk  Sag y  war  es  vor  1821  nicht 
zu  Gesicht  gekommen  {Journ.  des  Sav.  18'il,  p.  18.  p.  718). 
CoLEBHOOKE  bcnutzto  CS  bei  seiner  Beschreibung  einiger 
3Iuhammedanischer  Secten  {Essays,  II,  226.  aus  As.  Res. 
VII.)  und  Levüen  übersetzte  ein  Capitel  daraus  in  seiner 
Abhandlung  über  die  Seele  der  Iloshenier  (As.  Res.  XI,  363.). 
Für  seine  vortreffliche  Untersuchung  über  die  Aechtheit 
des  Desälir  konnte  Ersklne  sich  auch  des  Dabistäns  be- 
dienen;  sowie  gleichzeitig  Vans  Kennedy  für  seine  Dar- 


475 

Stellung  der  von  Akbar  beabsichtigten  neuen  Religion  (beide 
in  Transact.of  the  Liter.  Soc.  of  Bombay,  II,  242,3420.  Die 
vorliegende  vollständige  Uebersetzung  ist  durch  die  Gesell- 
schaft für  Uebersetzung  morgenländischer  Werke  in  London 
veranlasst  und  auch  auf  ihre  Kosten  gedruckt  worden.  Der 
zuerst  genannte  Uebersetzer  wurde  durch  seinen  Tod  seiner 
Arbeit  entrissen,  er  hat  sie  nur  bis  Bd.  H,  S.  85.  fortführen 
können;  Hr.  Troyer  wurde  darauf  eingeladen,    die  Fort- 
setzung zu  übernehmen  und  hat  jetzt  seine  Aufgabe  glück- 
lich gelöst.     Er  hatte  schon  früher  sich  mit  dem  Originale 
vertraut  gemacht    und  bewies   eben   damals   —   was   eine 
unentbehrliche  Begabung   eines   Uebersetzers   des  Dabistäu 
ist  —  seine  grosse  Kenntniss  des  Sanskrits  und  seine  aus- 
gedehnte Indische  Gelehrsamkeit  durch  seine  Ausgabe  der 
Geschichte  Kashmir's.    Ohne  dem  sehr  verdienstlichen  ersten 
Uebersetzer  sein  verdientes  Lob  zu  entziehen,   dürfen  wir 
glauben^   dass    das  Dabistäu   einen    viel   befähigteren   Be- 
arbeiter  durch  den    Wechsel   gefunden    hat.      Da  mir  das 
Original  entgeht,  kann  icii  keine  Vergleichung  mit  der  Ue- 
bersetzung anstellen;    es    ist    aber  kein   Grund    vorhanden 
zu  bezweifeln,  dass  sie  leistet  was  sie  soll.     Man  erkennt 
leicht,  dass  sie  mit  Kenntniss,  Gewissenhaftigkeit  und  Liebe 
gemacht  ist;  sie  ist  klar  und  fliesseud,  einige  Dunkelheiten 
sind  bei   dem    oft   abstrusen   Inhalt   unvermeidlich.      Es  ist 
eine  Handschrift   neben    dem   schon  sorgfältig   berichtigten 
_ Texte  der  gedruckten  Ausgabe  benutzt  worden,  die  Les- 
arten sind  im  Allgemeinen  sicher   iPrel.  Diso.  p.  CXCII.)- 
Die  Uebersetzung  ist  reichlich  mit  gelehrten  Erläuterungen 
ausgestattet,   die  seltenern  technischen  Ausdrücke  im  Ori- 
ginal   beigefiigt;    in  den    Abschnitten    über   die   Indischen 
Secten  war  es  oft  schwierig,  die  in  der  Persischen  Schrei- 
bung entstellten  Sanskritwörter  herzustellen ,  ich  habe  nur 
wenige   Fälle  bemerkt,    wo    mir    etwas    anders   vorzuzie- 
hen scheint.      Ein  Index  der  Eigennamen    und   technischen 
Ausdrücke  beschliesst  das  Ganze;    eine   ausführliche   Ein- 
leitung  {^Preliminary   DiscoHrse,    I  —  CXCVII.)    behandelt 
zuerst  die  Geschichte  des  Werks  und  was  wir  vom  \'er- 
fasser  wissen ,   giebt  dann  die  Ansichten  des  Uebersetzers 
über  das  Desätir,  aus  welchem  Werke  der  erste  Theil  des 
Dabistän,  die  Darstellung  der  ältesten  Iranischen  Religions- 
lehre, hauptsächlich  geschöpft  ist.     Es  folgt  dann  eineUe- 
bersicht  des  Inhalts  des  ganzen  Dabistän.     Im  dritten  Theil 
der  Einleitung  wird  der  Werth  des  Werks  gewürdigt  und 
Nachrichten  von  der  Original- Ausgabe  des  Textes ,  der  Ue- 
bersetzung, dem  Verfahren  und  den  Hülfsmitteln    des  \Je- 


476 

bersetzers  gegeben.  Der  Leser  wird  hieraus  zu  seiner 
Befriedigung  ersehen ,  dass  alles  was  geschehen  konnte, 
zur  Erläuterung  und  Brauchbarkeit  dieser  Uebersetzung 
des  Dabistän  von  Herrn  Troyer  geleistet  worden  ist. 

Der  Name  des  Verfassers  ist  unbekannt.  Sir  William 
Jones  glaubte,  er  sey  Mohsan  geheissen  worden  mit  dem 
Beinamen  Ftlni,  der  Verfängliche ,  und  ein  Kaschmirer. 
Gladwin  hatte  die  Nachricht,  er  sey  der  Shaikh  Mnhammed 
Mohsin  gewesen,  von  dem  auch  eine  Sammlung  moralischer 
Gedichte  herrühre.  Erskine  hat  nachgewiesen  (a.  a.  O. 
p.  374.),  dass  allerdings  Mohsan  Fäni  aus  Kaschmir,  ein 
Sufi,  Verfasser  eines  Diväns  und  Oberrichter  von  Allahabad 
unter  Shäh  G'ihän  war,  war,  in  seiner  Biographie  jedoch 
des  Dabistäns  keine  Erwähnung  geschehe.  Vans  Kennedy 
(ebend.  243.)  schliesst  auf  die  Verschiedenheit  des  Mohsan 
vom  Verfasser  des  Dabistän,  weil  der  letzte  ein  zu  schlechter 
Gläubiger  gewesen,  um  das  Amt  eines  Richters  über  3Iu- 
hammedaner  bekleiden  zu  können.  Doch  möchte  dieses 
nicht  allein  entscheiden,  da  die  gelehrten  Muhammcdaner 
dieser  Zeit  in  Indien  sich  sehr  freisinnig  zeigen.  Trif- 
tiger ist  sein  zweiter  Grund,  dass  Mohsan  bis  1646  sein 
Amt  noch  bekleidete,  der  Verfasser  des  Dabistän  dagegen 
1647  in  Surat  war  und  die  vorhergehenden  Jahre  auf 
Reisen  gewesen  seyn  muss.  Die  Annahme,  dass  dieser 
Mohsan  Fäni  geheissen,  scheint  in  der  That  nur  auf  eine 
irrthümliche  Auslegung  einer  Angabe  im  Anfange  des  Da- 
bistän zu  beruhen,  wo  einige  Verse  mit  der  Bemerkung 
aufgeführt  werden:  »jMohsan  Fäni  sagt«  (I,  3.).  Diesen 
Versen  gehen  andere  vorher,  ein  weiterer  Bericht  über  den 
Verfasser,  wie  zu  erwarten,  wenn  er  sich  selbst  meinte, 
kommt  nicht  vor.  Es  scheint  mir  daher  Erkine's  Annahme, 
dass  man  nur  aus  Missverstand  den  angeführten  Dichter 
zum  Verfasser  des  Ganzen  gemacht  habe,  begründet.  Jene 
Worte  sind  durch  ein  Versehen  im  Drucke  ausgelassen. 
Erskine  hat  endlich  darauf  hingewiesen,  dass  der  V^erfasser 
des  Dabistän  eines  Muhammed  Mahsan  erwähne,  von  dem 
er  selbst  Berichte  erhalten  (l)ab.  I,  114.). 

Ohne  des  Verfassers  Namen  zu  erfahren,  erhalten 
wir  im  AVerke  selbst  viele  Nachrichten  über  sein  Leben. 
Diese  hat  Troyer  zusammengestellt  p.  XIV.  Er  muss  um 
1615  geboren  worden  seyn,  sein  Todesjahr  ist  unsicher; 
er  lebte  noch  1653.  Da  er  des  Auran<j  Zeb  nicht  gedenkt 
— *  und  ein  Mann,  der  so  tolerant  in  seinen  religiösen  An- 
sichten war,  mussto  Veranlassungen  genug  haben,  des  neu 
losbrechenden  Fanatismus  der  Grossmogulischcn  Herrschaft 


477 

zu  erwähnen  —  vcrmnthe  ich^  dass  sein  Werk  in  den 
ersten  Jahren  Aurang  Zeb's  geschrieben  wurde;  dieser 
trat  die  Regierung  1659  an. 

Der  Verfasser  hat  einen  grossen  Theil  seines  Lebens 
auf  Reisen  zugebracht,  sey  es  als  Kaufmann  —  denn  aus 
mehrern  Stelleu,  wie  z.  B.  I,  126.  sieht  man,  dass  auch 
Kaufleute  leicht  von  der  rehgiösen  Richtung  der  Zeit  er- 
griffen wurden,  —  sey  es  bloss  aus  der  Xeigung,  seine  Kennt- 
nisse zu  erweitern.  Nach  einer  Stelle  scheint  er  Persischer 
Herkunft  gewesen  zu  seyn,  er  sagt  II,  2.,  dass  das  unbe- 
ständige Schicksal  ihn  von  den  Ufern  Pcrsiens  in  das  Land 
der  an  die  Seelenwandcrung  glaubenden  Götzenaiibeter  ver- 
schlagen habe.  Doch  war  er  schon  als  Kind  in  Indien  und 
hielt  sich  dort  die  meiste  Zeit  auf;  wir  finden  ihn  besonders 
in  Kaschmir  und  dem  Pengäb,  auch  in  Guzerat  und  Patna, 
einmal  auch  in  der  Hauptstadt  Kaiingas  an  der  Ostküste; 
doch  hat  er  1643  noch  eine  Wallfahrt  nach  einem  heiligen 
Grabe  in  Khorasaa  gemacht.  Ucberalk  sucht  er  die  ge- 
lehrtesten und  hervorragendsten  Männer  der  verschiedenen 
Secteu  auf  und  lässt  sich  von  ihnen  über  ilire  Lehren  un- 
terrichten. Ucber  das  Judenlhum  wusste  er  nichts  genü- 
gendes sich  zu  verschaffen^  bis  er  einen  Rabbiner  in  Indien 
findet;  dieser  war  jedoch  Muhammedaner  geworden  und 
seine  Belehrung  ist  nicht  zum  Besten  ausgefallen  (III,  293.), 
Etwas  genauer  ist  er  mit  dem  katholischen  Christenthume 
durch  seinen  Verkehr  mit  Portugiesischen  Priestern  bekannt 
geworden  (II,  305.).  Seine  Angaben  über  Indische  Reh- 
gions-Lehreu  und  Gebräuche  schöpft  er  vorzüglich  aus 
Schriften^  doch  hat  er  vieles  durch  mündliche  Belehrung 
erfahren,  hat  viele  Lehrer,  fromme  Männer  und  Büsser 
gekannt,  weiss  manche  Geschichtchen  aus  ihrem  Leben  zu 
erzählen.  Der  Schüler  eines  sehr  frommen  und  verehrten 
Brahmanen  ist  sogar  sein  Leiter  gewesen,  bis  er  für  sich 
selbst  sorgen  konnte  (11^  145.).  Ebenso  vertraut  ist  er 
mit  den  Häuptern  der  Parsi-Secten  CS.  z.  B.  I,  108.).  Er 
ist  dem  Sufismus  sehr  zugethan  und  als  solcher  setzt  er 
sich  über  die  bornirte  Einseiligkeit  des  strengen  Efuslims 
hinaus,  betrachtet  die  Wahrheit  nicht  als  ein  ausschliess- 
liches Eigenthum  des  Islams  und  ist  eifrig  bestrebt  ihr 
überall  nachzuspüren.  Dass  er  über  den  Islam  selbst,  seine 
Seelen ,  sowie  über  den  Sufismus  wohl  unterrichtet  war, 
versteht  sich  von  selbst.  Seine  Unpartheilichkeit  verdient 
ein  unbedingtes  Lob.  Sein  eigenes  Zeugniss  über  seine 
Verfahrungsweise  und  die  Absichten  seines  Buchs  verdienen 
mitgetheilt  zu   werden  CHI,  313.).     »Der  Verfasser   bittet 


478 

zuletzt  zu  bemerken,  dass,  nachdem  er  häufig  die  Zusam- 
menkünfte der  Anhänger  der  fünf  erwähnten  Religionen 
(der  Hindu,  der  Juden,  der  Christen,  der  Parsen  und  Mu- 
hammedaner)  besucht  hatte,  ihn  der  Wunsch  ergriff,  dieses 
Buch  zu  schreiben,  und  was  in  diesem  Werke  über  die 
Religionen  der  Länder  berichtet  worden  ist  hinsichts  der 
Giaubenslelire  der  verschiedenen  Secfen,  ist  aus  dem  Munde 
der  Häupter  jener  Secten  oder  aus  ihren  Schriften  erhalten 
worden.  Was  er  ferner  über  Personen  berichtet,  die  einer 
besonderen  Secte  gehören,  so  schrieb  der  Verfasser  die 
Belehrungen  auf,  welche  ihm  von  ihren  Anhängern  und 
aufrichtigen  Freunden  mitgetheilt  wurden,  auf  solche  Weise, 
dass  keine  Spur  von  Partheihchkeit  oder  Abneigung  wahr- 
genommen werden  möchte.  Kurz,  der  Schreiber  dieser 
Blätter  hat  kein  anderes  x\mt  verwaltet,  als  das  eines  Ue- 
bersetzers.«  Seine  Wahrheitsliebe  und  Unpartheilichkeit 
können  in  der  That  nicht  bezweifelt  werden  und  wird  auch 
von  strengen  Beifftheilern  sehies  WerRes,  wie  De  Sacy 
und  Ekskine  anerkannt.  Hierin  und  darin,  dass  er  als 
unmittelbarer  Augenzeuge  aus  einer  merkwürdigen  Periode 
der  Bewegung  in  der  Religions- Philosophie  des  Orients 
berichtet,  liegt  nach  meinem  Urtheile  der  grosse  Werth 
seines  Werkes.  Auch  enthält  es  vielerlei  Nachrichten,  die 
uns  sonst  fehlen  Avürden. 

Um  den  Werth  seiner  Berichte  richtig  zu  schätzen, 
müssen  wir  suchen,  uns  näher  mit  seinen  Eigenthümlich- 
keiten  bekannt  zu  machen.  Dass  er  Muhammedaner  war, 
geht  aus  der  Art,  wie  er  des  Korans  und  des  Muhammed 
gedenkt,  wie  aus  dem  ganzen  Werke  hervor;  er  ist  aber, 
wie  gesagt,  ganz  frei  von  muslimischen  Vorurtheilen. 
Beziehungsreicher  ist  der  Umstand,  dass  er  zugleich  als 
ein  Sufi  betrachtet  werden  kann.  Er  sagt,  soviel  ich  mich 
erinnere,  dieses  nicht  ausdrücklich,  aber  es  liegt  in  mehrern 
Darstellungen  seines  Werkes  enthalten.  Ich  führe  ein  Bei- 
spiel an.  Er  bestreitet  (HI,  286.  flg.)  die  I-.ehre  der  meisten 
Aliden,  dass  der  Fortschritt  in  der  Vollendung  keine  Gränzen 
habe.  Die  Süfi,  welche  solches  lehren,  müssen  auch  be- 
haupten, dass  Muhammed  nicht  der  vollendete  Prophet 
gewesen  und  es  fehlt  ihnen  nicht  an  eigenen  Aussprüchen 
desselben,  um  diesen  Satz  durch  sein  Zeugniss  zu  bekräf- 
tigen; so  Avenn  er  sprach:  »der,  dem  zwei  Tage  gleich 
sind,  irrete.w  Der  Verfasser  sagt,  durch  die  Gnade  meines 
Shaikh,  des  Lehrers  der  Leute  Gottes,  über  den  der  Friede 
und  die  Gnade  Gottes  seyn  möge,  des  Mulana  Shah,  fiel 
über  mich  den  demüthigeu  wie  ein  Sounenglauz  und  machte 


47d 

mir  es  klar,  dass  der  Süfi  Grade  und  eine  Gränze  der 
Vollendung  habe;  dass  er,  wenn  er  diese  erreicht  hat,  dann 
auf  dieser  Höhe  verbleibe.«  Er  giebt  die  Gründe  an;  jeder 
Zustand  habe  seine  Vollendung,  auf  einer  erreichten  Höhe 
zu  verbleiben  sey  Fortschritt,  die  Vervollkommnung  eines 
forlschreitenden  Zustandes  vernichte  den  Fortschritt;  er 
läugnet  also  die  Behauptung  eines  endlosen  Fortschreitens 
in  der  Vollendung.  Die  Worte  55zwei  Taget,  beziehen  sich 
nach  ihm  auf  die  Zeit,  die  Stelle  besage,  dass  die  Fähig- 
keit eines  Menschen,  der  sich  der  Betrachtung  hingeben 
will,  unzureichend  sey.  Diese  Auslegung  der  Worte,  fügt 
er  hinzu,  siud  die  meines  Lehrers.  Dieser  wohnte  in 
Kaschmir,  wo  der  Verfasser  sich  so  viel  aufhielt,  und  da 
er  einer  der  verehrtesten  Lehrer  des  Süfismus  heisst,  wird 
es  unbedenklich  seyn,  den  Verfasser  des  Dabistän  auch 
als  solchen  zu  betrachten.  Der  Eiiifluss  des  Süfismus  zeigt 
sich  nicht  nur,  wie  auch  Hr.  Troyer  bemerkt,  in  der  Weisc^ 
wie  der  V^erfasser  Indische  Jogi  und  Sannjäsi  mit  Der- 
wishen  und  Süfi  verwechselt,  sondern  in  seinen  Deutungen 
Indischer  Lehren  und  Ueberlieferungen.  Seine  Erklärung 
des  Begriffs  des  Acatära,  der  Götlerverkörperung,  fängt 
er  so  an  (H  ,  25.).  '^Dieses  Dogma  wird  so  von  Shidosh, 
dem  Sohne  des  Anosh  ausgelegt;  den  Süfi  gemäss  u.  s.  w.« 
Shidosh  gehört  selbst  der  Secte  der  sogenannten  Sipasier, 
die  aber  sehr  viel  von  den  Süfi  angenommen  haben.  Bei 
einigen  Erzählungen,  welche  aus  der  alten  Indischen  Ge- 
schichte seyn  wollen,  aber  sehr  von  der  Weise  des  alten 
Epos  abweichen,  wird  das  Joga  Väsishtha  als  Quelle  an- 
geführt (\l,  28.  256.).  Dieses'  ist  die  Geschichte  der  Er- 
ziehung des  Räma  und  ein  Theil  einer  Umgestaltung  des 
Rämäjana  im  Sinne  des  Vedänta  (nach  Colebrooke's  Essays, 
II,  102.  I,  SäT.  Aus  dem  Titel  könnte  man  eher  auf  Joga- 
Lehre  schliessen.).  Im  Dabistän  wird  es  auch  Indrasä- 
hasrajoga  Väsishtha,  kaum  richtig,  genannt  und  ein  Theil 
war  von  dem  Süfi  Mulla  Muharamed  in*s  Persische  über- 
setzt worden.  Man  sieht  hieraus,  dass  der  Verfasser  be- 
sonders solche  Quellen  über  Indische  Dinge  heranzog, 
welche  unter  den  Süfi  Geltung  hatten. 

Durch  die  Annahme  des  Sufisraus  hat  unser  Bericht- 
erstatter zwar  die  Vorurtheile  des  Muslim  ausgezogen,  mit 
ihr  aber  zugleich  die  höchst  willkührliche  Art  sich  zu  eigen 
gemacht,  in  welcher  die  Süfi  die  Ueberlieferung  nach  ihrem 
Systeme  deuten.  In  Beziehung  auf  den  Koran  ist  dieses 
hinreichend  bekannt.  Dasselbe  Verfahren  zeigt  sich  bei 
der  Secte  der  Sipasier,  die  hier  eine  grosse  Rolle  spielen. 


480 

Es  sind  dieses  keine  Zuthaten,  die  der  Verfasser  erdacht 
hat,  sondern  er  theilt  nur  mit  was  ihm  vorgelegt  worden 
war;  es  herrscht  aber  eine  Neigung  bei  ihm,  mit  Vorliebe 
Sufische  Auffassungen  und  Deutungen  aufzunehmen. 

Ein  kritisches  Verfahren,  wie  wir  es  zur  Bedingung 
machen  würden,  ist  von  ihm  überhaupt  nicht  zu  verlangen  j 
seine  unbefangene  Leichtgläubigkeit  geht  jedoch  etwas 
weit.  Dass  er  die  Wundergeschichten  über  die  alten  Pro- 
pheten der  Völker  im  guten  Glauben  wiederholt,  dürfen 
wir  ihm  nicht  übel  nehmen;  allerdings  aber,  dass  er  auch 
Wunderthaten  seiner  Zeitgenossen  und  ihm  wiederfahreuo 
wunderbare  Begebenheiten  ebenso  treuherzig  erzählt.  Von 
einem  Indischen  Sannjäsi  wird  berichtet,  dass  er  Milch 
aus  Knochen  herauszog,  und  andere  Taschenspielereien 
verstand  (II,  148.);  ein  frommer  Gaina  setzt  Steine  durch 
Sprüche  in  Bewegung  (II,  215.),  u.sav.  Auch  die  Sipasier 
sind  grosse  Wunderthäter,  nicht  bloss  die  alten,  sondern 
seine  Zeitgenossen  und  Freunde.  ''Diese  erleuchteten  31änner 
haben,  wie  man  berichtet,  viele  wunderbare  und  geheim- 
nissvolle Werke  verrichtet,  so  z.  B.  haben  sie  in  der  oberen 
Welt  die  Sonnenscheibe  verhüllt,  sie  bei  Nacht  und  die 
Sterne  bei  Tage  erscheinen  lassen,  in  der  unteren  sind  sie 
auf  dem  Wasser  einhergegangen,  haben  Thiere  verwandelt 
u.  s.  w.«  (I,  107.).  Wenn  er  auch  meist  dieses  auf  den 
Bericht  anderer  hin  erzählt,  so  hat  er  auch  selbst  einen 
Sipasier  Feuer  verschlucken  sehen  (I,  117.)  und  er  ist  von 
einem  Brahmanen  von  einer  unheilbaren  Krankheit  in  einem 
Augenblick  geheilt  worden,  indem  jener  ein  Bild  des  Pla- 
neten Mars  in  wohlriechendes,  geweihtes  Wasser  tauchte 
und  ein  Gebet  an  das  Gestirn  richtete  (I,  46.). 

Dieses  möge  hier  genügen^  um  das  Dabistän  und  seinen 
Verfasser  zu  charakterisiren.  Er  zeigt  ein  unermüdetes 
Streben,  sich  mit  den  Religions- Lehren  der  ihm  zugäng- 
lichen Länder  vertraut  zu  machen,  er  stellt  uns  wahrhaftig 
dar,  was  er  erfuhr,  nur  ist  er  geneigt,  das  ihm  mitgetheilt© 
im  Sinne  seiner  eigenen  Richtung  aufzufassen;  er  ist  yon 
muhammedanischen  Vornrthoilen  gariz  frei,  vermischt  aber  zu- 
weilen die  verschiedenou  Sectcn  mit  einander;  seinem  (ilauben 
ist  nichts  zu  stark.  Er  hat  eine  ausgebreitete  Bekanntschaft 
mit  seiner  Zeit  und  der  in  seine  Bemühiuigen  einschlagenden 
Litteratur;  da  wir  jetzt  so  vieles  aus  der  Asiatischen  Litte- 
ratur  kennen,  welches  zur  Zeit  Sir  William  Jones  unbe- 
kannt war,  beschränkt  sich  jetzt  seine  Kenntniss  seltener 
Art  meist  auf  die  Bücher  der  Sipasier.  Die  Klage  über 
Unanständigkeit  ist  höchst  unbillig^   es  sind  im  Ganzen, 


481 

glaube  ich,  nur  vier  Stellen,  die  Hr.  Troyer  sich  genöthigt 
gesehen  hat,  Lateinisch  zu  geben;  die  über  Blasphemien 
begreife  ich  nicht;  wie  kann  von  eiuem  Muhammedaner 
erwartet  werden ,  dass  er  wie  einer  unserer  Theologen 
sprechen  soll?  Die  wichtigste  Bedeutung  des  Buchs  liegt 
aber  darin,  dass  es  eine  treue  Schilderung  einer  merkwür- 
digen Stufe  des  religiösen  Bewusstseyns  in  den  Persischen 
und  Indischen  Ländern  darbietet,  nicht  sowohl  in  den  un- 
teren Sphären  des  Leben»  als  in  den  Geistern,  welche  die 
höhere  Bildung  der  Zeit  besassen  und  von  ihrer  geistigen 
Richtung  getrieben  wurden.  Die  positiven  Elemente  des 
Islams,  des  Brahmanenglaubens  und  der  Lehre  der  Zoroa- 
Strier  sind  so  verflüchtigt  und  "^n  Philosopheme  aufgelöst 
worden,  diese  einapder  aber  so  verwandt  geworden,  dass 
sie  nicht  sehr  weit  davon  entfernt  sind ,  in  einander  zu 
zerfliessen.  Diese  Richtung  hatte  schon  vor  der  Abfassung 
des  Dabistäns  in  den  Bemühungen  des  Kaisers  Akbar,  eine 
neue  Religion  zu  stiften,  den  ^'ersuch  gemacht,  sich  im 
Leben  zu  verwirklichen.  Die  Bemühung  starb  bekanntlich 
mit  ihm  dahin ,  sein  Sohn  Gihängir  stellte  den  Islam  als 
Religion  der  Regierung  wieder  her.  Als  ein  Erzengniss 
jener  Richtung  kann  man  aber  solche  neuere  Indische 
Secten  betrachten,  in  welchen  Indische  und  3Iuhamnieda- 
nische  Elemente  sich  mischen. 

Ich  will  jetzt  den  Inhalt  des  ganzen  Werks  kurz  an- 
geben. Der  Verfasser  nimmt,  wie  aus  der  S.  478.  ange- 
führten Stelle  erhellt^  fünf  Religionen  an.  Er  fangt  an  mit 
der  AltpersischsH,  wahrscheinlich  nicht  sowohl  weil  er  selbst 
Persischer  Abstammung  war,  als  weil  diese  nach  seinem 
Urtheile  die  älteste  seyn  musste.  Dieser  Theil  ist  der 
merkwürdigste,  zugleich  aber  der  am  meisten  Bedenken 
erregende  des  ganzen  Werks,  es  war  dieser,  der  so  sehr 
den  Enthusiasmus  Sir  William  Jones  entzündete.  Es  wer- 
den die  Anhänger  dieser  ältesten  Religion  mit  sehr  ver- 
schiedenen Namen  benannt:  Jezdanier,  Abddierj.Sipiisier, 
Azarier,  A%ar hoshang ier  und  andern;  auch  giebt  es  unter 
ihnen  verschiedene  Secten.  Es  bestand  diese  Secte  noch 
zur  Zeit  des  Verfassers  und  hatte  viele  uns  sonst  unbe- 
kannte Schriften  über  ihre  Lehre.  Das  Hauptwerk  ist 
aber  das  Desätir,  welches  eine  Darstellung  der  ältesten 
Iranischen  Rehgion  und  Geschichte  zu  seyn  behauptet; 
der  Bericht  im  Dabistän  gründet  sich  hauptsächlich  auf 
dieses  Werk.  Dieses  soll  eine  Sammlung  von  Werken  der 
verschiedenen  ältesten  Propheten -Könige,  der  Mahabäd^ 
seyn;  es  ist  in  einer  eigenthümlichen  Sprache,  ^gx  Asmäni 

V.  31 


482 

oder  himmlische^  geschrieben,  von  einer  Persischen  Ueber- 
setzung  begleitet  Das  Desätir  ist  auch  gedruckt  in  Bombay 
1820.  Die  Urgeschichte,  die  hier  vorgetragen  wird,  wider- 
spricht so  schneidend  allen  ächten  Ueberlieferungen  der 
Aitpersischen  Geschichte  und  ist  so  deutlich  Indischen 
Vorsleilungen  entnommen^  die  Religion  der  Mahabadier  ist 
so  verschieden  von  allen  zuverlässigen  Darstellungen  der 
Altpersischen  Lehre,  dass  es  Kritikern,  wie  De  Sacy  und 
William  Erskine,  nicht  entgehen  konnte,  dass  das  Desätir 
ein  Buch  ohne  alle  Auctorität  sey.  Hr.  Troyer  sucht  im 
Gegentheil  diese  zu  retten.  Ich  muss  es  sehr  bedauern, 
bin  aber  der  Wahrheit  d^s  Zeugniss  schuldig  zu  sagen, 
dass  mir  diese  Rechtfertigung  nicht  genügt.  Ich  halte  es 
sogar  für  thunlich ,  bei  den  Fortschritten ,  welche  unsere 
Kenntniss  Altpersischer  Sprachen  und  Litteratur  jüngst  ge- 
macht haben,  jetzt  noch  bestimmter  und  schärfer  die  lErgeb- 
nisse  der  früheren  Kritik  zu  begründen.  Da  dieses  aber 
nicht  ohne  genaues  Eingehen  auf  alle  hier  einschlagende 
Fragen  geschehen  kann,  behalte  ich  mir  vor,  dem  Gegen- 
staude eme  besondere  Abhandlung  zu  widmen. 

Erst  mit  dem  vierzehnten  Abschnitte  des  ersten  Ka- 
pitels gelangen  wir  zum  Zoroaster.  Wir  erhalten  hier  die 
modernen  Legenden  über  ihn,  über  seine  Zeitgenossen 
und  die  Könige  der  Vorzeit.  Das  Zardusht^ Nämeh  wird 
als  Quelle  angeführt  fl,  214.),  wie  die  Beschreibung  der 
Visionen  des  ArdiU  Viruf  (283.);  das  erste  ist  1276.  ge- 
schrieben. Auch  die  Geschichte  kommt  vor,  dass  der  In- 
dische Weise  Cf  angranffhuk'a  von  Zoroaster  bekehrt  worden 
(I,  276.),  so  wie  nachher  auch  Vjüsa  (282.).  Wenn  der 
erste,  wie  es  nicht  unwahrscheinlich  vermuthet  worden  ist, 
der  berühmte  Indische  Philosoph  (pankaräU drja  ist,  kann 
die  Bildung  dieser  Legenden  erst  nach  den  Sassaniden 
geschehen  seyn.  Die  Kritik  übt  die  höchste  mögliche  Nach- 
sicht aus,  wenn  sie  die  Entstehung  dieser  AVundergeschichten 
aus  Zoroasters  Leben  überhaupt  in  die  Zeit  der  Sassaniden 
zurückführt. 

Es  muss  hervorgehoben  werden,  dass  besonders  Jez- 
dänicr  (d.  h.  Sipasier)  und  ihre  Schriften  als  Gewährschaften 
angeführt  werden,  also  die  Lehrer  der  von  der  Zoroastrischen 
unterschiedenen  Secte;  so  z.  B.  I,  240.  245.  259.  309.  348. 
355. 369.  u.  s.  w.  In  welchem  Sinne  die  Jezdänier  die  Zoroa- 
strischen Ueberlieferungen  deuten,  möge  ein  Beispiel  zeigen 
(I,  259.).  »Der  Prophet  reicht  zunächst  dem  Bishutan 
etwas  von  der  gewcihetcn  Milch;  durch  das  Trinken  wurde 
er  von  Todessciiraerzen  befreit  und  gewann  ewiges  Leben. 


483 

Einige  Lehrer  der  Jeisdänier  glauben,  dass  unter  ewigem 
Leben  die  Erkenntniss  der  eigeneji  Essenz  und  der  Seele, 
die  unvergänglich  ist,  zu  verstellen  sey;  Milch  wird  er- 
wähnt, weil  sie  die  Xahrung  der  Kinder  bildet  und  die 
Wissenschaft  die  Nahrung  des  Geistes  ist;  weshalb  Wis- 
senschaft mit  geheiligter  Milch  verglichen  wird.«  Es  ist 
dieses  ganz  die  Sufische  Weise. 

Ueber  Zoroastrische  Werke  erhalten  wir  einige  Nach- 
richten zweifelhafter  Gültifjkei'.  Der  Naiue  ist  meistens 
Avesta  und  Zand  (I,  239.  244.  249.  2i»().  350.),  doch  scrieint 
stets  nur  ein  Werk  gemeint  zu  seyn;  auch  Zandavasta 
(263.)  und  einmal  auch  Ashtava%and  (271.).  Es  wird  nun 
ferner  behauptet  (352.  354.),  dass  das  Buch  Zand  zweierlei 
Art  sey,  das  eine  deutlich  und  ohne  räthselhafte  Ausdrücke, 
das  3Iah  oder  grosse  Zand  genannt;  das  kleine  oder  Knh 
Zand  sey  in  Bildern  und  Räthseln  geschrieben;  das  erste 
enthalte  das  Gesetz  des  Mahabäd  und  sey  ein  Theil  des 
Desätir;  es  sey  verloren  gegangen  unter  der  Herrscliaft 
der  Fremden,  namentlich  der  Griechen  und  Türken;  das 
Kall  Zand  war  noch  erhalten,  ging  aber  zum  Theil  in 
spätem  Ucberfällen  verloren.  Trotz  dieser  Zerstörung  durch 
die  Griechen  (darunter  ist  Alexander  der  Grosse  zu  ver- 
stehen ,  dem  die  Rarsen  sehr  unglaublich  diese  Barbarei 
aufbürden)  richten  sich  noch  Ardesliir  und  Niishirwan  nach 
dem  Mab  Zand.  Als  Theil  des  Desätir  ist  es  schon  hin- 
reichend als  späteres  Machwerk  bezeichuüt.  Es  sind  hier 
Indische  und  Persische  Benennungen  gemischt,  das  h  in 
Mali  konnte  in  einem  alten  Persischen  Worte  unmöglich 
sich  erhalten.  Die  Behauptung  (35L  35f>.),  dass  Zoroasters 
Lehren  in  Parabeln  und  esoterisch  verhüllten  Worten  dar- 
gestellt worden  seyen,  erscheint  auch  nur  als  spätere  Er- 
findung; es  heisst  ausdrücklich,  die  Azar  Sasanier  legten 
gar  keinen  Werth  auf  den  Wortsinn  der  Zoioastrischen 
V'orschriften,  sondern  nahmen  sie  figürlich.  Ebenso  geringe 
Gültigkeit  hat  die  Nachricht  (275.),  dass  zur  Zeit  des  Ver- 
fassers (um  1650.)  die  Dusliir  in  Karman  noch  vierzehn 
vollständige  Nosk  des  Zandavesta  besassen,  die  übrigen 
sieben  seyen  in  den  früheren  Kriegen  zum  Theil  verloren 
gegangen.  Diesem  widersprechen  alle  anderen  Nachrichten; 
auch  die  Namen  der  einzelnen  Nosk  sind  hier  nicht  richtig 
angegeben.  Der  Bericht  über  die  Gebräuche  der  Parsen 
ist  aus  dem  bekannten  Sadder,  dem  Ilnndertthore,  verkürzt. 

Der  fünfzehnte  Abschnitt  berichtet  über  Alazdak,  seine 
Lehre  und  Anhänger,  welche  zur  Zeit  des  Verfassers  die 
Tracht  der  Gueber  oder  Parsen  mit  der  Muiiammedanischeu 


m^ 


484 

vertauscht  hatten.  Er  hatte  das  dem  Mazdak  zugeschrie- 
Jbene  Buch^  Desnad,  selbst  gesehen^  das  aus  dem  Altper- 
sischen ins  neue  vor  nicht  langer  Zeit  übersetzt  worden 
war.  Dieser  Abschnitt  wird  mit  einer  Bemerkung  geschlos- 
sen, die  ich  hersetze,  weil  sie  den  Verfasser  richtig  zu 
würdigen  beiträgt:  «Dieses  ist  der  genaue  Bericht  über  die 
Systeme  der  Parsen,  in  welchen  durchaus  nichts  aufge- 
nommen worden  ist,  welches  nicht  entweder  ihren  eigenen 
Schriften  entnommen  oder  aus  dem  Munde  der  Anhänger 
der  verschiedenen  Bekenntnisse  vernommen  worden  ist, 
weil  ihre  Feinde  ihnen  au3  Motiven  des  Hasses  verschie- 
dene irrthümlichc  Lehren  zugeschrieben  haben.« 

Das  zweite  und  dritte  Kapitel  behandeln  Indische  Sy- 
3teme  und  Secten^  sie  bilden  einen  der  schätzbarsten  Theile 
des  Werkes,  nicht  sowohl  wegen  der  Darlegung  der  höchsten 
Principien,  auf  welche  diese  Systeme  begründet  sind,  — 
diese  können  wir  jetzt  in  den  Originalwerken  selbst  besser 
erforschen  —  als  weil  wir  hier  eine  Schilderung  des  reli- 
giösen ZuStandes  Indiens  in  einer  bestimmten  Zeit  erhalten; 
es  ist  ein  Bild  der  Wirklichkeit,  reich  an  characteristischen 
Zügen,  für  die  Geschichte  der  Secten  ist  manches  hier  zu 
gewinnen.  Auch  ist  der  Bericht  im  Allgemeinen  als  genau 
zu  loben,  obwohl  nicht  frei  von  Miss  Verständnissen;  es 
miscfien  sich  Anschauungen  der  Sufi  und  Jezdanier  auch 
hier  ein.  Der  Verfasser  hat  keine  Mühe  gespart,  um  sich 
richtige  Kenntnisse  zu  .verschaffen;  er  hatte  früher  aus 
Büchern  sich  mit  den  Indischen  Systemen  bekannt  gemacht; 
nach  einer  Berathung  mit  kenntnissreichen  Freunden  fand 
er  sich  veranlasst,  vieles  in  seinem  ersten  Entwürfe  zu 
berichtigen  (II,  3.).  —  In  den  zehn  ersten  Abschnitten 
des  zweiten  Kapitels  werden  beschrieben:  das  System  der 
Mitnunsa,  das  der  Smdrtu  (der  Orthodoxen,  der  Anhänger 
der  Smriti,  des  Gesetzes),  das  des  Vcdanta,  des  Sünkhia, 
nachher  auch  das  des  Njäja  und  der  Materialismus  der 
K  ärvuka,  denn  die  zwei  letzten  folgen  nach  dcMi  drei 
grossen  Seelen  und  stehen  vor  den  Gaina;  er  betrachtete 
wohl  auch  das  logische  System  des  Njäja  als  nicht  streng 
orthodox.  Die  drei  grossen  Secten  sind  die  Jogi,  die 
^ükta  und  Vairugi ,  die  einzeln  aufgeführt  werden.  Was 
im  eilften  Abschnitte  Lehre  des  Buddha  genannt  wird,  ist, 
wie  Ilr.  Troyer  bemerkt,  die  der  Gaina.  Der  zwölfte 
Abschnitt  enthält  Nachtrüge  und  erwähnt  kleinerer  Secten; 
es  ist  besonders  ein  Bericht  über  die  Sikh  und  den  Stifter 
ihrer  Secte  Nanak  beachtungswerth ;  dann  will  ich  hervor- 
jipben,  dass  durch  das  Dabistän  die  sonst  gegebene  Nach- 


485 

rieht  bestätigt  wird,  dass  es  noch  kleine  Secten  in  Tndicn 
giebt,  welche  ausschliesslich  die  Sonne,  oder  den  Mond 
verehren.  Auch  einzelne  Elemente,  Feuer,  Wind,  Wasser, 
Erde  erscheinen  als  Gegenstände  eines  besoudem  Cultus 
CII,  234.  flg.). 

Den  eigenllichen  Buddhismus  hat  der  \  erfasser  keine 
Gelegenheit  gehabt  kennen  zu  lernen.  Das  kurze  dritte 
Kapitel  ist  überschrieben  Religion  der  Kera  Tahitier.  Dieser 
Bericht  ist  nicht  aus  Keuntniss  von  Tübetischen  Schriflea 
geschöpft,  sondern,  wie  erwähnt  wird,  aus  der  Mittheilung 
eines  gelehrten  Mannes  der  Sccte,  mit  dera  der  Verfasser 
sich  nur  mit  Hülfe  eines  ihn  wenig  befriedigenden  DoU- 
metschers  unterhalten  konnte.  Es  ist  daher  nicht  seine 
Schuld,  wenn  die  Lehre  der  Lama  und  ihre  Staatseinrich- 
tung mit  einem  geistlichen  und  einem  weltlichen  Herrscher 
hier  nur  in  sehr  unvollständiger  und  halb  verstandener 
Darstellung  erscheinen.  Vielleicht  war  der  Belehrer  nicht 
ein  Bewohner  des  grossen  Tübets,  sondern  aus  einem  der 
kleinen  Buddhistischen  Staaten  im  östlichen  Himalaja.  Die 
Bezeichnung  Kera  ist  mir  unbekannt. 

Das  vierte  Kapitel  handelt  von  den  Judettj  das  fünfte 
von  den  Christen. 

Das  nächste  Kapitel  ist  bestimmt,  in  zwei  Abschnitten 
die  zwei  grossen  Muhammedatiischen  Secten  zu  schildern; 
es  ist  jedoch  keine  vollständige  Darstellung  und  diese  ist 
nicht  sehr  übersichtlich  geordnet.  Die  vier  nächsten  Ka- 
pitel schildern  heterodoxe  Secten,  die  mehr  oder  weniger 
mit  dem  Islam  im  Widerspruch  stehen;  da  sie  weniger  als 
die  anderen  bekannt  sind,  hat  dieser  Theil  einen  besondern 
Werth.  Zuerst  die  Sädikier,  die  als  ihren  Propheten  den 
Musailiraa,  einen  Zeitgenossen  des  Muhammed ,  verehren. 
Dann  die  Anhänger  des  Vähid  Mahmud,  der  um  1203.  auf- 
trat und  eine  besondere  Sccte  stiftete,  welche  ihn  über  Mu- 
hammed stellt,  eine  besondere  Form  der  Seelenwanderung, 
eine  eigene  Weltschöpfung  und  eine  Chronologie  mit  Perioden 
von  8000  Jahren  lehrt,  und  heftig  von  Abbas  dem  Grossen 
verfolgt  ward.  A'ähid  soll  mehrere  Schriften  verfasst  haben, 
das  Hauptwerk  heisst  3Iiz(in,  die  Wage,  die  Theile  Nosk, 
also  nach  dem  Zendavesta.  —  Die  Rosheniuh  sind  eine 
von  Mijän  Bäjizid,  einem  Afghanen  aus  dem  Pengäb,  um 
die  Mitte  des  sechzehnten  Jahrhunderts  gestiftete  Secte, 
die  noch  bei  Afghanischen  Stämmen  Anhänger  zählt;  mit 
Benutzung  des  Dabistän's  hat  Leyüen,  As.  Res.  XI.  aus- 
führlicher über  sie  berichtet.  Der  wichtigste  ist  der  letzte 
Abschnitt,  welcher   die  Lehre   der  Uähija  beschreibt;   so 


486 


nannte  nämlich  Kaiser  Akbar  die  neue  von  ihm  versuchte 
Religion,  über  welche  das  Dabistän  den  besten  Bericht  giebt. 
Die  zwei  letzten  Kapitel  stellen  die  Lehren  dar,  welche 
im  Sinne  des  Verfassers  die  höchsten  sind ,  die  Lehren 
der  Philosophen,  die  Ergebnisse  der  eigentlichen  Specula- 
tion.  Am  belehrendsten  ist  der  Bericht  über  die  iStifi,  mit 
denen  der  Verfasser  selbst  so  v^ertraut  war;  seine  Darstel- 
lung enthält  eigenthümliches ;  sie  bildet  den  Schluss  ,  das 
letzte  oder  das  zwölfte  Kapitel.  Das  vorletzte  berichtet 
über  die  Lehre  der  Weisen,  wie  er  sie  nennt.  Er  sagt, 
es  gäbe  zwei  Secten  dieser  Philosophen,  eine  Orientalische 
und  eine  Occidentalische  (III,  139.};  die  erste  wird  als 
dieselbe  mit  der  der  Jezdanier  oder  Azarhoshangier  be- 
zeichnet; Plato  und  die  noch  älteren  Griechischen  Phi- 
losophen sollen  dieser  Schule  gewesen  seyn.  Es  wird 
diese  Orientalische  Lehre  allein  genauer  dargestellt  (III, 
144—147.  162.),  sie  hat  ui  der  That  grosse  Verwandtschaft 
mit  der  der  Jezdanier.  Es  ist  ein  sehr  buntes  Gemisch 
mystischer  Philosopheme  mit  rauhammedanischen,  biblischen 
und  Indischen  Vorstellungen.  Sie  lehrt  eine  Schöpfung 
von  Intelligenzen ,  welche  die  planetarischen  Sphären  be- 
wohnen, und  deren  Körper  Schatten  reinen  Lichts  sind; 
eine  Seelenwanderung  mit  vielen  Stufen  und  Wanderungen 
durch  verschiedene  Gestalten  (III,  142.  150.  156.),  durch 
Himmel  und  Höllen,  deren  Ströme  die  Freuden  und  Schmer- 
zen der  wandernden  Sedle  bezeichnen ;  eine  sehr  künstliche 
Deutung  der  Vorstellungen  vom  jüngsten  Gericht  (III,  164.); 
zuletzt  WMrd  alles  in  eine  Welt  des  Lichts  und  der  Geister 
verwandelt.  Ihre  grosse  Weltperiode  besteht  aus  360,000 
Jahren  nach  dem  Worte  des  Bcrzasp,  dem  Schüler  des 
alten  Propheten  Tahmüras,  dem  Sohne  des  Königs  Iloshang; 
also  eine  sehr  alte  Auctorität,  die  aber  etwas  verdächtig 
wird,  wenn  wir  belehrt  werden,  dass  dieser  Cyclus  tnahin 
k'erkh  auf  Persisch  heisse;  denn  dieses  kann  nur  Indisch 
mahän  k'akra^  der  grosse  Cyclus,  seyn.  Das  Prophetenfhura 
ist  bei  allen  Völkern  not h wendig  und  alle  .Aussprüche  der 
Propheten  haben  eine  höhere  Bedeutung;  dieses  wird  er- 
läutert durch  Abu  Sinä's  Deutung  der  Himmelfahrt  des 
Muhammed  (III,  177.).  Sieht  man  ab  von  Anw  Ansprüchen 
auf  Erhaltung  uralter  Lehren,  welche  diese  »weisen  Männer« 
machen,  die  es  aber  Zeitverlust  wäre,  ernsthaft  bestreiten 
zu  wollen,  und  betrachtet  daini  die  Nachrichten,  welche 
der  Verfasser  von  den  sogenannten  Nachfolgern  dieser 
Philosophen  raittheilt  (111,204.),  so  ergiebt  sich,  dass  diese 
Lehre,   wenn  ihr  ein  solcher   Name  zugestanden  werden 


487 


darf,  besonders  Parsen  in  Indien  angehörte.  Von  denen, 
welche  dem  Verfasser  persönlich  bekannt  \\'aren,  leitete 
sich  einer,  Xaraeus  Ilirbed ,  von  Zoroaster  ab,  besass 
Arabische  Gelehrsamkeit,  lebte  in  Lahor  und  verkehrte 
viel  mit  Europäern:  er  schrieb  Hymnen  im  Hindi,  Arabi- 
schen und  Persischen  an  die  Majestät  des  Lichts  der  Lichter. 
Ein  anderer.  Manir,  enthielt  sich  jeder  Art  von  animalischer 
Nahrung.  Ein  dritter,  Kärarän  von  Shiraz,  bereichert  seine 
Kenntnisse  durch  Umgang  mit  Christen  und  studirt  die 
Evangelien,  noch  mehr  aber  die  Werke  der  Brahmanea 
und  bekennt  sich  äusserlich  zum  Prahmanenthum,  obwohl 
er  innerlich  der  Lehre  der  Philosophen  treu  bleibt;  er  sang 
Lobgesänge,  wie  sie  unter  den  Ionischen  Philosophen  im 
Gebrauch  sind ,  dem  höchsten  Gotte,  den  Intelligenzen  und 
Gestirnen.  Und  dasselbe  wird  von  den  übrigen  berichtet. 
Es  sind  ihnen  die  heiligen  Lehrer  aller  Völker  von  gleicher 
Würde  und  Bedeutung ,  nur  im  Xamen  verschieden ,  bei 
den  Indern  heissen  sie  Aratdra,  bei  den  Griechen  Hermes, 
bei  den  Muharamedanern  Rasül  (HI,  210.).  Nach  diesem 
geht,  für  mich  wenigstens,  aus  allem  hervor^  dass  diese 
Secte  nur  in  der  Zeit  der  Amalgaroation  der  Richtungen, 
wie  sie  in  Indien  obwaltete,  sich  hat  bilden  können;  ihre 
Persische  Abstammung  gab  ihr  vorherrschend  eine  Rich- 
tung auf  die  umgestaltete  Forra^  welche  damals  die  Zo- 
roastrische  Lehre  angenommen  hatte.  Diese  Secte  ist  selbst 
von  keiner  grossen  Bedeutung;  die  Erscheinung  wird  aber 
beziehungsreicher,  wenn  man  erwägt,  dass  die  Jezdanier 
grosse  Aehnlichkeit  mit  diesen  Philosophen  zeigen  und 
unter  ganz  ähnlichen  Verhältnissen  und  gleichzeitig  er- 
scheinen. Die  Jezdanier  treten  nun  aber  mit  grossen  An- 
sprüchen auf,  behaupten  die  älteste  aller  Religionen  treu 
überliefert  zu  besitzen ,  führen  ihre  Geschichte  über  jede 
andere  in  die  Urzeit  zurück  und  führen  zum  Beweise  ein 
Werk  in  einer  nur  ihnen  bekannten  himmlischen  Sprache 
an.  Da  solche  enorme  Ansprüche  wieder  vertheidigt  werden, 
wird  es  Pflicht  der  Kritik^  sie  aufs  neue  zu  prüfen. 

C.  L. 


1-.  .•  ■»■ 


Buchdruckerei  ron  F<  P.  Lecliner  iu  Bonn. 


/p   J^ 


.  iimli*.-  .^    . 


nmni 


^y 


DS     Zeitschrift  fUr  die  Kunde 

AI  des  Morgenlandes 

Z4 

Bd. 5 


PLEASE  DO  NOT  REMOVE 
CARDS  OR  SLIPS  FROM  THIS  POCKET 

UNIVERSITY  OF  TORONTO  LIBRARY 


^ 

?%? 

i^ 

t^'     T^t'           '-J^'"' 

.^^     ^•-■■1t^ 

■#*K. 


■«SM 


'r:*  "'"j. 


'v^^**' 


¥^'^